, aus ziemlich stark verdickten Haaren
bestehend. An der Basis liegt seitlich der kleine Keimling und sein Scutellum. Der
Bau der Fruchtschale ist in Tschirch-Oesterle Anatom. Atlas beschrieben. Die
Aleuronschicht des Samens ist einreihig. Der Kleber findet sich in dem Stärkeendo-
sperm neben den Stärkekömem. Die Keime enthalten iSjS^/q Öl (de Negri).
Tritimun vulgare ändert ab: var. aestiviim (Sommerweizen), Ähre etwas locker, Deck-
spelzen nicht begrannt, gleich den Hüllspelzen sammetartig behaart oder kahl und var. hiber-
niim (Winterweizen), Ähre sehr dicht, Deckspelzen lang begrannt.
Außer Triticum vulgare wird oft auch T. Spelta (Spelz, Dinkel, Korn) gebaut. Ahrchen
mit 5 Blüten, von denen die drei unteren fruchtbar.
In Gebirgsgegenden baut man T. monococcum (Einkorn) mit dreiblütigen Ahrchen, bei
denen nur die unterste Blüte fruchtbar ist.
Selten kultiviert werden T. dicoccum (Emmer) mit vierblütigen Ahrchen, bei denen die
zwei unteren Blüten fruchtbar. T. polonicum. (polnischer Weizen), mit nickender Ähre, T. durum
mit knorpeligen Hüll- und Deckspelzen und T. turgidiim.
Die Weizenernte der Erde wird pro Jahr auf 190 Milliarden engl. Pfund geschätzt.
Die Frucht des Weizen enthält Rohrzucker (E. Schulze). Die Weizenkleie
liefert bei der Hydrolyse Arabinose und Xylose (Schulze, Tollens).
Pathologie. Prof. Ed. Fischer berichtet über die pflanzlichen Schädlinge: Zunächst
gibt es eine Reihe von parasitischen Pilzen, welche Stengel, Blätter und auch Spelzen befallen und
dadurch auch auf den Körnerertrag ungünstig wirken, so die Rostpilze Puccinia triticina, gluma-
rum, graminis, der Mehltaupilz Erysiphe graniinis, dann ilelanospora damnosa (SacC.) Lindau,
Ophiobolus graminis Sacc., Septoria graminum Desm. u. andere. Die Körner selber werden
namentlich von Brandpilzen zerstört, unter denen Tilletia Tritici (Bjerk.) Wint. und TilUtia
laevis KÜHN in erster Linie stehen. Es rufen dieselben den sog. Steinbrand, Stink-
oder Schmierbrand des Weizens hervor. Äußerlich unterscheiden sich die erkrankten Ähren
und die befallenen Körner wenig von den normalen, aber beim Offnen der letzteren findet man
sie vollständig von der schwarzen, nach Heringslake riechenden Sporenmasse des Parasiten
erfüllt. Die ganze Blüte wird zerstört durch den Flugbrand Ustilago Tritici (Pers.) Jens. In
einer von diesem Pilz befallenen Ähre tritt zwischen den Spelzen der schwarze Sporenstaub
sehr auffällig zutage. In dem Fruchtknoten des Weizens entwickelt sich ferner das Mutterkorn
Claviceps purpurea (s. den betreffenden Abschnitt), wiewohl es hier weniger häufig angetrofifen
wird als auf dem Roggen. — Eine Deformation der Ähren bringt die Peronosporee Sclerospora
macrospora Sacc. hervor.
Über tierische Schädlinge des Weizens berichtet Israel:
1. Käfer: Anisoplia fruticola Fabr., Anisoplia agricola Fabr. Larven im Boden an
Graswurzeln, Käfer an den Blüten, die Organe der Befruchtung zerstörend. Lema melanopa L.,
Lema cyanella L. Beide Käfer sind dem Volke als Getreidehähnchen bekannt. Die Larven
dieser Käfer sind meist mit ihrem Kote bedeckt. Sie leben an den Blättern des Weizens, lange
Streifen aus denselben herausfressend. Agriotes hneattis'L. Larve an den Wurzeln von Getreide.
Oft schädlich.
2. Falter: Hadena exclantationis L. , Hadena tritici L. Die Raupen dieser gemeinen
Eulen werden, wenn sie in Massen auftreten, den Getreidefeldern verderblich. Sie sind im übrigen
polyphag.
l36 Stärke aus dem Endosperm von Samen.
3. Fliegen; An Triticum leben aucli mehrere Cecidomyia^xW'o., z.B. C. tn'tici, destructor,
flana, aurantiaca und andere.
4. Gradflügler: Thrips fnimentan'us Beling. Dieser Blasenfuß lebt oft gesellig an diversen
Cerealien und schädigt besonders die sich entfaltenden Ährchen, welche samt den SpeUen von
der gemeinsamen Spindel abfallen.
5. Schnabelkerfe: Apliis cerealis Kalt. Diese (.grüne Kornlaus vom Volke genannte)
Blattlaus lebt an den Ähren sehr vieler Gramineen, auch an Roggen, Weizen, Gerste und
Rispengräsern (Hafer usw.).
TrlcncliKS iritici, das sehr gefährliche Weizenälchen, ist sehr resistent. Es kann in Gly-
cerin leben und wird von Belladonna, Morphin, Atropin, Curare und Strychnin nicht getötet.
Über die Kornmotte (I, Fig. 333) vgl. I, S. 375 u. 383.
Darstellung der Weizenstärke. Weizenstärke wird in größtem Maßstabe in
Europa (und Amerika) dargestellt, in Deutschland besonders in der Gegend von
Halle a. S. — meist aus den Früchten von Triticum vulgare, aber auch T. dumm
und turgidum (in Langenau, Württemberg) und T. Spelta (Kernenstärke, s. w. u.)
werden dazu benutzt. Entweder wird Weizenmehl auf Stärke und Kleber verarbeitet,
oder man geht von dem ganzen Korn aus, zerquetscht dieses und verarbeitet den
Brei auf Kleber und Stärke oder letztere allein.
Geht man vom Mehle aus (Martin sehe Methode), so wird dieses in einer
Teigknetmaschine mit Wasser zu einer steifen Masse angemacht und diese in Sieben mit
Wasser so lange ausgewaschen, bis dieses nicht mehr milchig abläuft. Das «Stärke-
wasser-) läßt man in dem Absatzbottich schwach gären, um die letzten Reste des
Klebers zu zerstören, läßt dann das Wasser ab und reinigt dann die Stärke durch
wiederholtes Waschen und Absetzenlassen. Bei diesem Verfahren bleibt der größte
Teil des sehr wertvollen Klebers auf den Sieben zurück und wird auf Futtermittel
(Klebermehl, Kleberkömer) verarbeitet.
Geht man von der unvermahlenen Frucht aus, so wird diese zunächst (im Quell-
stein, Quellstock) in Wasser aufgeweicht, dann zwischen Walzen zerquetscht, der Brei
(das «Gut») mit Wasser angerührt und im Gutbottich (14 Tage bei 20") gären ge-
lassen. Hierbei wird der Kleber durch saure (faulige) Gärung zerstört und die Stärke
fast vollständig abgeschieden (reif). Die hierbei erhaltene Masse wird, nachdem man
das «Sauerwasser» abgelassen, in Waschtrommeln oder Tretmühlen gebracht, die aus
diesen abfließende Stärkemilch wird in Bottichen absetzen gelassen und dann ab-
gezogen (Sauerverfahren von Halle). Um den Verlust des Klebers zu vermeiden,
werden die eingequollenen Weizenkörner bisweilen (Elsässer Methode) geschrotet,
zerquetscht und auf Sieben, die die Hülsen und den Kleber zurückhalten, ausge-
waschen. Die Waschwässer (Rohstärkemilch) läßt man in Absatzbottichen unter Zu-
satz von Sauerwasser sauer werden, wodurch die Reste des Klebers gelöst werden,
die Stärke wird dann durch Waschen gereinigt. Der auf den Sieben zurückbleibende
Kleber, der noch viel Hülsen und Stärke enthält, wird entweder auf menschliche Nah-
rungs- oder Futtermittel verarbeitet, oder dient als Klebe-, Steifungs- oder Verdickungs-
mittel. Bisweilen werden bei der Reinigung Ätzkali, Ammoniak oder Schwefelsäure
benutzt. Bei der Herstellung der besten Handelssorten werden vor dem Trocknen
die oberen Schichten des Stärkesedimentes abgeschabt.
Dtts Verfahren aus Mehl liefert c. 45 "/oi das Verfahren aus dem Korn mit
Gärung c. 60 "Jq, ohne Gärung c. 52 "l^ der im Korn enthaltenen Stärkemenge.
In einigen Gegenden wird Weizenstärke auch noch im kleinen in Hausindustrie
dargestellt, so z. B. wird in Tägerig, im Kanton Aargau, aus < Chorn« {Tnt. Spella)
Amylum tritici. 187
sog. Ammelemähl (Ammermehl, Kemenstärke) in ziemlich primitiver Weise noch jetzt
bereitet. Die Industrie reicht dort jedenfalls bis 1678 zurück und ehedem wurde fast in jedem
Hause «g'ammelemählet». Das interessante Verfahren ist (von Abbildungen begleitet)
ausführlich beschrieben von Meier, Tägliger Ammelemähl (in Die Schweiz 1908, 105).
Handel. Die Weizenstärke kommt im Handel in sehr verschiedener Form
und Güte vor. Entweder findet sie sich in größeren oder kleineren unregelmäßigen
Stücken (Bröckelstärke, Schäfchen) oder mannigfach, meist zu Stengeln, Stäbchen oder
scharfkantigen Stücken geformt (Tafel-, Strahlen-, Kristall-, Stangen-, Stengel-, Zettel-
stärke) oder endlich als Pulver.
Die Feinheit wird durch Bezeichnungen, wie feinste TuUeanglais, Musselinstärke,
feinste weiße Patentstärke, mittelfeine und ordinäre Stärke abgestuft.
Anatomie. Die Stärkekörner der Weizenstärke bilden zwei ziemlich scharf ge-
schiedene, durch Mittelformen wenig miteinander verbundene Formen: Großkörner
und Kleinkömer (Fig. 66).
Die Großkörner sind dick linsenförmig, von der Fläche betrachtet rund, aber
sehr selten streng kreis-
förmig, bisweilen zum Oval
übergehend oder mit ge-
schweiften Umrißlinien, in
der Seitenansicht länglich
elliptisch mit einem Zen-
tralspalt. Schichtung fehlt.
Der zentral gelegene Kern
ist undeutlich. Die Größe
variiert. Die größten mes-
sen 30—38, ja sogar 45
mik und mehr, die klei-
neren 15 — 25 mik. Die
Großkömer der Spelta- u ^ -»»aj^ . ia
stärke sind etwas kleiner, ( Ja ° ° - '' 11
meist 20—25 mik. ^"V'^n ^^
Die Kleinkörner
o
sind meist rundlich oder
oval, seltener polyedrisch p-- ^g
oder m em bpitzchen aus- Weizens/ärie. x Kömer von der Seite, j- zusammengesetzte Körner.
laufend. DieGröße beträgt l^'** Tschirch-Oesterie, Aüas.]
2 — 9,5, meist 6 — 7 mik.
Als Nebenform finden sich zusammengesetzte Körner mit 2 — 25 Teilkörnem,
sowie einige Zwischenformen der Groß- und Kleinkörner, auch wohl zusammengesetzte
Großkörner oder sackartige Formen.
Chemie. Weizenstärke enthält durchschnittlich 83 (82 — 85) "/» Stärke, 13
(12 — i6)7o Wasser, 1,9% (die kleberarme nur 0,1 — 0,15%) Stickstoffsubstanz, 0,35
(o, I — 0,5)0/0 Asche, 0,3 1 "Iq (die schlechteren Sorten 1 — 1,5 %) Rohfaser und o, 1 9 % Fett.
Weizenstärke reagiert schwach sauer (Milchsäure). Soxhlet fand (vor längerer Zeit)
in Weizenstärke im Durchschnitt 0,141% freie Säure auf Milchsäurehydrat berechnet.
Saare fand neuerdings den Säuregrad zumeist i — 1,4 (== ccm ^'/lo Natron). Patch
beobachtete (1900) auch alkalische Reaktion.
I gg Stärke aus dem Endosperm von Samen.
Bei 62,5" sind die Körner der Weizenstärke noch wohl erhalten, die der Roggen-
stärke aber schon verkleistert (Wittmarck). Der Weizenstärkekleister ist trübe, geruch-
und geschmacklos.
Prüfung. Die Prüfung erfolgt durch das Mikroskop. Die Weizenstärke muß auf
Chloroform schwimmen. Mit kaltem Wasser angerieben darf das Filtrat mit Jod keine
Bläuung geben, sonst ist Stärkeabkochung (zur Stengelformung) zugesetzt. Die saure Reak-
tion darf nur sehr schwach sein. Der Aschengehalt darf 0,5 "/q nicht übersteigen (Hauke).
Anwendung. Die Weizenstärke ist jetzt die in der Pharmazie am meisten
angewendete (s. S. 157). Viele sog. Kraftmehle, Kindermehle, Amidons enthalten
Weizenstärke (oder Weizenmehl) oder bestehen daraus. Ebenso Semolina, Semoule
d'Igname, Nevilles Patent flour of lentills, BuUocks Semula, Baby food u. and.
Geschichte. Während Buschan die Cerealien nur bis zur neolithischen Periode zurück-
verfolgen konnte, haben die Ausgrabungen von PlETTK gezeigt, daß schon der paläolithische
Mensch im südlichen Frankreich in der älteren glyptischen Periode des Renntierzeitalters Cere-
alien kannte und wohl auch in roher Weise kultivierte (Hoopsj. Aus der Übergangszeit von
der paläolithischen zur neolithischen Periode, also lange vor der Epoche der polierten Stein-
äxte, ist kultivierter Weizen und sind Getreidemühlen (von Piette) sicher nachgewiesen. Auch
nach SoLMS- Laubach ist die Kultur der Getreidepflanzen unendlich viel älter als man gewöhn-
lich annimmt. Wir wissen jetzt, «daß in Zentralasien schon Getreide gebaut wurde, als Sibirien
und die turanischen Steppen noch vom Meere bedeckt waren und die Gobi sich eben aus einem
Binnenmeere in eine AVüste verwandelte, daß die Weizenarten von Mittelasien aus sich über
Persien und Nordafrika schon zur Eiszeit bis in das Mittelmeergebiet verbreiteten und schon
vor dem Ende der pleistocänen Epoche bis nach Spanien und Südfrankreich gelangten». Auch
in Mittel- und Nordeuropa reicht der Getreidebau bis in die neolithische Periode zurück. Die
ältesten Getreidearten waren hier Weizen, Gerste und Hirse. Triticum vtilgare, T. dicoccum
und monococcum ^ Hordeuni hexastichi/m und disti'chum und Paniciirn miliacetan wurden, wie
Funde in Pfahlbauten, Aschengruben, Feuerherdresten usw. zeigen, schon zur Steinzeit dort
überall gebaut. Das älteste Getreide der Indogermanen war die Gerste (Hoops). In Troja fand
SCHLIEMANN Früchte von Tr. nwnococcum. Im alten Indien wurde hauptsächlich Reis (vrihis),
dann Weizen (godhfimas ■= Barbarenessen) und Gerste (yävas) gebaut (Lassen). Auch in China
ist Weizenbau uralt (vgl. I, S. 522). Die Urform des Weizen ist entweder Triticum Spelta oder
T. dicoccum. Weizen (swt, beti, bet-t, bet) und zwar Triticum vulgare Vill. (begrannten und
unbegrannten) und wohl auch T. dicoccum Scrr. und auch T. tiirgidum L. wurde bereits vor 4000
Jahren auch in Ägypten in großem Stile angebaut. Die Weizenernte in allen ihren Phasen ist
ausführlich dargestellt in einem Grabe von Chum el Achmar, an der Ostwand des Ti-Grabes
in Saqqarah (III. Jahrtaus. v. Chr.) u. and. Ein 3500 — 4000 Jahre alter Ziegel enthält Weizen-
körner, Solche sind auch in zahlreichen Gräbern gefunden worden. Weizenähren tragen die
Herrscher oft auf den bildlichen Darstellungen in der Hand. Auch auf unzähligen Bildwerken
späterer Zeit finden wir Getreideähren (oft mit Mohnköpfen vergesellschaftet, vgl. das Mekono-
peignion I, S. 926) in den Händen der Götter und Fürsten. Die o'kvQa der Griechen (Herodot)
war wohl, wie der far der Römer, Triticum dicoccum, der Emmer (Buschan, Schweinfurth).
Der nvQoq des Dioskurides, der von der arzneilichen Anwendung des Weizenmehles viel zu
berichten weiß, war wohl T. vulgare. Die %,eid des Dioskurides war wohl T. dicoccum (Sl-
xö/ixog) und T. mofiococcum {anXTj). Hippokrates bediente sich gern des Weizens. Weizen-
stärke tritt auch als Appretur schon auf frühmittelalterlichen Papieren sowohl als Kleister, wie
in Substanz aufgewalzt auf (Wiesner, Kobert).
Lit. KÖRNICKE, Getreidebau. — Abbild, in Les grandes cultures du monde. — Harz,
Landwirtsch. Samenkunde. — Tschirch-Oesterle, Anatom. Atlas. — Moeller, Mikroskop.
d. Nähr. u. Genußm. 2 Aufl. (dort weitere Lit.). — Analysen in KÖNIG, Nähr. u. Genußm. —
DE NeGRI, Chem. Zeit. 1898. — WÖNIG, Pflanz, im alt. Agypt. — HoOPS, Waldbäume u. Kul-
turpfl. im german. Altert. 1905. — Solms-Laubach , Weizen und Tulpe u. deren Geschichte.
Leipzig 1899. — Buschan, Vorgeschichtl. Botan. 1895. — Piette, L'anthropologie. 1896. —
Lassen, Ind. Altertumskunde. — Kobert, Zeitschr. f. angew. Chem. 1910, 1250. — Abbild, d.
Pflanze Bentley-Trimen, Medicinal plants t. 294.
Amylum Orizae.
189
2. Amylum Oryzae.
Reisstärke, ■ — amidon de Riz (fr.) — arroz (sp.) — rice starch (engl.) — amido
di riso (ital.) — rijstzetmeel (holl.) — riisi tärkkelys (fin.) — rizskemenrito' (ung.)
ccfivXov oQv^rjg (n.-gr.).
Stammpflanze: Oryza sativa L. (Linne spec. pl. I, 333) mit den Kultur-
varietäten: montana (Bergreis), ghdinosa (Klebreis), praecox (frühreif. Reis), pereimis
(ausdauernd. Reis), mulica (unbegrannter Reis), miniita (kleiner Reis), coarctata (ge-
drungenblüt. Reis). Im Museum in Calcutta finden sich Proben von über iioo
Spielarten.
Etym. opi'^a (neben OQvtjOv) ist von sansc. vrihis, tarn, arishi abzuleiten. Über das
altpers. brizi und das arabische arruz (arrozz) gelangte das Wort in die europäischen Sprachen,
in das Spanische, wie so oft, durch Agglutination des arabischen Artikels, in das Deutsche über
ital. riso. Im Sansc. heißt der Reis auch dhänya (d. h. Erhalter des Menschengeschlechts)
(hind.: dhän, chaval).
Systemat. Stellung. Gramineae Orj'zeae.
Vorkommen und Kultur. Der Reis ist im warmen Südostasien, besonders in
Fig. 6;.
Die punktierten Stellen bezeichnen die Länder, in denen Ä«skultur getrieben wird.
..... Polargrenze der yl/a/skultur.
Verbreitungsgebiet der 5'ö.g'öpalme.
[Vgl. auch Langhans. Kleiner Handeisatlas.]
China und Indien, femer im tropischen Australien und in Westafrika heimisch. Er
verlangt ein warmes Klima, gedeiht aber noch in der Lombardei und Spanien, am
besten freilich in tropischem Klima. Er verlangt viel Wasser.
Die Kultur des Reis (vgl. Fig. 6;) ist in China uralt und noch jetzt über die ganze
südliche Hälfte des Reiches sowie Cochinchina und Birma verbreitet. Die Sage berichtet, daß
der Kaiser Shen nüng, den man auf 2800 v. Chr. ansetzt (die Datierung ist aber sicher falsch),
bei einer Zeremonie, bei welcher 5 Arten Getreide gepflanzt werden mußten, den Reis pflanzte,
während die anderen 4 von den Prinzen gepflanzt wurden. Aber es ist wahrscheinlich, daß
China die Pflanze vom Südwesten her erhielt, wo jetzt der beste Reis der Erde produziert
wird (Semler). In Indien spielte die Reiskultur seit altersher eine große Rolle. Was der Sago
für den Osten, das ist i.ex Reis für den Westen Südasiens. Von Indien, das ^/^ der Weltproduk-
tion liefert, ist die Reiskultur nach dem Mittelmeergebiet (Italien: Poebene, Lombardei, Vene-
zien, Piemont und Spanien: Andalusien, Valencia, Catalonien) und die Verein. Staaten gebracht
igo
Stärke aus dem Endosperin von Samen.
worden. Obenan steht hier Süd-Carolina, dann folgen Louisiana und Georgia. «Wie nämlich
mit dem Zucker und Kaffee und der Baumwolle geschah, so auch mit dem Reis: erst die Ver-
setzung in die neue "Welt hat ihn zu einem Weltprodukt gemacht. Europa war für diese Frucht
nur die Hahestation, wohin sie die Araber, die alten Zwischenhändler des Ostens und Westens
brachten und von wo andere sie weiter nach Neu-Indien jenseits des Ozeans schafften» (Hehn).
Südamerika baut nur wenig. Im großen Stile wird Reis ferner in Japan, Hinterindien, Slam
und auf Java gebaut, dann auch auf den anderen Inseln des malaiischen Archipels. In Afrika
baut Ägypten Reis. Die Kultivateure unterscheiden Wasserreis (ind. aus) und Bergreis
(^ind. boro) und eine Zwischenform (ind. amum), sowie den hier nicht in Betracht kommenden
Klebreis. In Java, dessen Reiskultur hoch entwickelt ist, sah ich die beiden typischen Kultur-
methoden, die in den Bergen übliche trockene Methode der gaga (tegal), wo der Bergreis
(O. mantana = paddi tjereh) — seltener Klebreis (p. ketan) — auf trockene Felder ausgesät
wird und die im ganzen Mittelland gebräuchliche der sawah (rawah, vgl. I, Fig. 24), bei der
Oryza satira und praecox in quadratischen, terassenartig übereinander liegenden, periodisch be-
wässerten Feldern meist durch Einpflanzen von in Saatbeeten erzeugten Pflänzlingen (seltener
durch Aussaat) gebaut wird. Die Reiskultur verursacht viel Arbeit. In Java heißt der Reis im
Halme paddi, gedroschen gaba, geschält bras, gekocht nassi.
Pathologie. Über die pflanzlichen Schädlinge berichtet Prof. Ed. Fischer: Unter den
Krankheiten, welche die ganze Reispflanze ergreifen, ist besonders die Brusone-Krankheit
zu erwähnen, mit der die in Japan auftretende Imotsi-Krankheit identisch zu sein scheint.
Es handelt sich um eine Fleckenkrankheit, die auch völlige oder teilweise Sterilität der Rispen
nach sich zieht. Die meisten Autoren sehen eine Imperfekte, Piricularia Oryzae Cav. als Ursache
an, doch halten andere das Auftreten dieses Pilzes für eine sekundäre Erscheinung. In den
Blüten von Oryza ist Claviceps purpurea beobachtet worden; nahe verwandt mit derselben ist
nach BkefElds Untersuchungen sehr wahrscheinlich Ustilaginoidea Oryzae (Fat.) Bref., die in
dem Fruchtknoten eine schwarze Conidienform bildet, welche man früher als einen Brandpilz
{TilUtia Oryzae Pat.) ansah.
Beschreibung. Oryza sativa wird etwa i m hoch. Die einblütigen, etwas platten,
von vier glumis behüllten Ährchen sind zu großen, meist ziemlich zusammengezogenen,
seltener ganz lockeren Rispen vereinigt. Die Blüten besitzen sechs Stamina. Die
meist etwa 6 — 7 mm lange Frucht ist von der Seite stark zusammengedrückt, zeigt
zwei seitliche Furchen und wird von den miteinander verzahnten Spelzen (paleis)
dicht und fest umschlossen (Fig. 68). Diese Spelzen
sind knorpelig, lederig, reich an mechanischen Ele-
menten, anliegend, rauhhaarig, die Palea inferior
3 fünfrippig, begrannt, die Palea superior dreirippig.
Bei dem wilden Reis fallen (wie bei den meisten
wilden Getreidearten) die Früchte bei der Reife
aus den Ähren heraus. Frucht- und Samenschale
sind zart und obliteriert. Durch das Schälen
und Polieren werden die Paleae und auch die
Frucht- und Samenschale (Silberhaut) sowie die
4i — 2 reihige Aleuronschicht und der stark exzen-
trisch gelegene, leicht sich ablösende Keimling
entfernt, so daß das Korn dann nur aus dem
Fig. 68. Oryza sativa. Endosperm besteht. Der Bau der Spelzen und
.. Einblütiges, kur. begranntes Ährchen, die der FrUChtSchale ist beschrieben in TSCHIRCH-
SptUenhuiie geüffnet. 2. Querschnitt durch eine Oesterle, Anatomischer Atlas. Die Größe der
von Palea inferior fpi) und Palea superior (ps) eng . . . o r
umschios^ne Frucht. 5. Längsschnitt durch die Reiskömer Schwankt zwischen der eines Senf-
Frucht. 4. Längsschnitt durch den Keimling: jjomes Und der eiues Melouenkemes, die Farbe
KUt .Scutellum, pl. Plumula, rad. Radicula, , ,1 ,, , . tt i 1 t» • t. 'o*.
[NachTschirch-Oesterie, Atlas.] von hellgelb bis schwarz. Ungeschälter Reis heißt
.rad-
Amylum On-zae.
191
in Indien paddy, in Nordamerika rough rice. Durch Schälen in der Reismühle
(im peeler, polisher, huUer) wird das Gewicht auf die Hälfte oder zwei Drittel redu-
ziert. Das Produkt heißt Kochreis. Das beim Schälen abfallende ist die Reiskleie,
die aber immer noch c. 25 "Ig Stärke, 6,5% Eiweiß und c. 5,5% Fett (daneben aber
c. 46 "Iq Rohfaser) enthält. Das durch Polieren des Kochreis abfallende ist noch stärke-
reicher (30 — SO^Iq) und bildet daher ein gutes Ausgangsmaterial für die Darstellung der
Reisstärke. Die Eingeborenen der verschiedenen Länder Asiens besorgen das Schälen
des Reis nur selten in Mühlen. Ich sah in Südostasien den Reis in Mörsern stampfen,
durch hölzerne Klöpfel schlagen und durch mechanisch mit den Füßen in Bewegimg
gesetzte breite Hämmer klopfen (vgl. auch Fig. 69).
Geschälter Reis enthält 74,9 — 77 "/o Stärke, o,68*'/o Rohfaser, c. 9,2**|q Eiweiß,
ungeschälter c. 74^/0 Stärke, 3,1 "/q Rohfaser und 7,8 "Iq Eiweiß.
Fig. 69.
Japanische Reisschälmethode.
Stampfen des Reis in einem Mörser mit einem mit dem Fuß gehobenen, knieförmig gebogenen Holz.
[Aus Les grandes cultures.]
Produktion. Die Reisernte wird jetzt pro Jahr auf 175 Milliarden (engl.) Pfund
(Ib.) =: c. 80 Mill. t. geschätzt. Britisch Indien produziert 60, China 50 — 60, Japan 15,
Slam 6,75, Java 6,5, franz. Hinterindien 5, Korea 3, Formosa 2,75 Milliarden ib.,
Italien erzeugt 750 Millionen Pfund, je c. 500 Mill. Ibs. erzeugen Spanien, Ceylon,
die Philippinen, die Vereinigten Staaten (Louisiana, Texas, Süd- Carolina, Arkansas).
In letzteren stieg 1908 die Produktion auf 608 Mill. Ibs. (1907 erzeugte Nord-
amerika 18738000 Busheis Reis.) Es wird jetzt dort nicht nur Flußschlemmland,
sondern auch Prairieland zum Reisbau herangezogen. Europa führt jährlich für 344
Mill. Mark Reis ein. Deutschland verbrauchte 1907 für 31743000 Mark. Der
Jahresumsatz des Weltreismarktes beträgt 600 — 800 Mill. M. Vom indischen
lo;
Stärke aus dem Endospenii von Samen.
Reis unterscheidet man drei Sorten: Tafelreis, Ballam und Moonghy. Den meisten
Reis exportiert Burmah, dann folgt Bengalen und Madras. In Code franc. steht ge-
schälter (decortique) Reis.
Als Schädling der Krüchte ist der Käfer: KhiznpiTilia piisilla'FASK. zu nennen, dessen
L.-irve vermutlich eingeschleppt wurde. Er ist namentlich in Hafenplätzen öfter schädlich auf-
getreten (Isr.\el1. Über Ctihi>ii1ya Orv:ac vgl. I, S. 383. Siehe auch unter Mais.
Darstellung der Reisstärke- Reisstärke wird besonders in England, dann in
Belgien, Frankreich, Deutschland (Altona, Ulm), Österreich (Fiume, Tirol), Italien
und Amerika aus schlechteren Reissorten, aus Bruchreis, havariertem Reis oder
den beim Polieren des Reis erhaltenen Abfällen bereitet.
Da die Stärkekömer die Zellen dicht erfüllen, genügt Einweichen und Zer-
quetschen der Früchte nicht, um die Körnet zu isolieren. Sämtliche zur Anwendung
kommende Verfahren (Jones, Ransford, Berger) laufen darauf hinaus, daß der die
Körner verkittende Kleber durch Behandlung mit verdünnter Ätzlauge (z. B. 0,2 5 "^q
Natronlauge), Ammoniak oder Säuren oder durch ein «Gärverfahren» gelöst, das
Reiskorn < aufgeschlossen» , d. h. aufgelockert wird. Die weitere Behandlung ist wie
bei der Weizenstärke (s. d.). Neuerdings wird in Frankreich auch der elektrische
Strom herangezogen. Nach dem Stoltenhoff sehen Verfahren werden die Kömer
^^ /im Vacuum 6 — 8 Stunden
Q
0
0
mit fließender Natronlauge
behandelt (die Lauge wird
mit Säure gefällt, der gefällte
Kleber ist als «Energin> im
Handel). In Deutschland gibt
es 12 Reisschälmühlen und
Reisstärkefabriken. Über den
Klebreis vgl. Amylodextrin.
Anatomie. Das Endo-
sperm des Reis ist bisweilen
in ein Hom- und Mehl-
endosperm geschieden. Ein
Teil und zwar die Haupt-
masse erscheint alsdann gla-
sig, ein Teil in der Nähe des
Fig. 70. Scutellums mehlig. Die Stärke-
Reisstärke. [Nach Tschi rch - Oes ter lo , Atlas.] kömer erfüllen die Zelle dicht.
Zusammengesetzte Stärkekörner treten nur undeutlich hervor. Ihre Begrenzungslinie
ist nie glatt (wie beim Hafer). Die Stärkekörner der Reisstärke (Fig. 70), die auch wohl
(fälschlich) Reismehl genannt wird, sind kristallartig scharfkantig-eckig, besonders
häufig fünfeckig. Rundliche Kömer sind selten. Sie sind ziemlich gleichartig in Ge-
stalt und Größe, meist 4,5 — 6 mik lang, die größeren bis 8,5, nie über 10 mik,
die kleinsten 3 mik. Bisweilen hängen noch einige Körner zusammen. Einige zeigen
eine Kemhöhle.
Chemie. Reisstärke enthält durchschnittlich 85,18% Stärke, la^^/o Wasser,
o,88«|(, StickstofTsubstanz, o.s"/,, Asche; Spuren Fett und Rohfaser. Reisstärke beginnt
bei 53,7" aufzuquellen und bei 58,7" zu verkleistern, bei 61,2" (nach Dafert bei
yS**) ist die Verkleisterung vollkommen (Lippmann).
» 0
0 »
^ 1
^B "
0^
0 „
00
0 <. ^
Q
0 '
Amylum Oryzae. . inj
Handel. Im Handel ist die Reisstärke entweder in kantig-prismatischen Stücken
als Strahlen-, besonders Kristallstärke oder aber (die schlechteren Sorten) in Form
unregelmäßiger Brocken (Schäfchen) oder als Pulver. «Ro_val Anglais» ist belgische
{Remy-)Stärke, Com flour besonders feine Reisstärke.
Die Gesamteinfuhr an Reisstärke betrug in Hamburg 1908: 24661 dz, die Einfuhr
an Reis 2354543 dz, der meiste (1810385 dz) kam aus Brit. Ostindien.
Deutschland führte 190g polierten Reis 851935 dz, enthülsten und Bruchreis 2 178 571 dz
ein, letzteren vornehmlich aus Brit. Indien, dann auch aus Siam und französ. Indien (Reis in
der Hülse nur 163958 d2)und exportierte Reisstärke 53497 dz besonders nach Großbritannien.
Prüfung. Reisstärke besteht fast nur aus Stärkekörnem (s. oben) mit sehr
wenig Zellresten, bildet also ein sehr feines und gleichmäßiges Pulver. Die Beimen-
gung von Spelzen ist leicht an der sehr charakteristischen Epidermis derselben zu
erkennen, andere Stärke an den abweichenden Formen (am schwierigsten Hafer-
stärke — kommt aber in praxi kaum vor).
Reisstärke reagiert stets alkalisch. Die medizinisch angewendete soll aber doch
nur sehr schwach alkalisch sein, also mit Wasser geschüttelt ein nahezu neutrales
Filtrat liefern (Ph. helv. IV). Die Asche übersteige 0,5 "/q nicht (Hauke).
Anwendung. Reisstärke ist in der Revalenta arabica (Revalesciere du Barr}-),
im Racahout des Arabes, in der Kaiflfa, dem Palamoud des Turcs, der Palmycena
und anderen Geheimmitteln enthalten. Reis wird gegen Diarrhoe angewendet. Die
Reisstärke ist die wichtigste Poudre-Grundlage (poudre de riz). Reisstärke gibt, da
sie vollständig, sehr gleichmäßig und gummiartig verkleistert, eine vorzügliche Appretur,
wird aber wegen des hohen Preises nur zur Appretur feinerer StofTe benutzt. Silber-
glanzstärke ist Reisstärke mit i o — 1 5 "/q Borax , Doppelstärke enthält neben Reis-
und Kartoffelstärke 6 — ^7% Borax und 2 — 2,5''/() Stearin. Cremestärke ist mit Farb-
stoffen gefärbt.
Reis ist das wichtigste Nahrungsmittel Südasiens (China, Indo-China, Indien, Malaiisch.
Archipel) und großer Teile Afrikas, denn er enthält neben viel Kohlehydraten (vornehmlich
Stärke) auch ziemlich viel Stickstoffsubstanz (s. oben), so daß man sich von ihm allein ernähren
kann. Reis kann aber nicht verbacken werden. «In dem Kranze wertvoller Nutzpflanzen, die
die Tropen ihren Bewohnern liefern, ist der Reis eines der schönsten Blätter, ja er bildet mit
dem Coco und dem Pisang die Grundsubstanz aller Speisen, die der Eingeborene in Ceylon
und Java, ja im ganzen malaiischen Archipel genießt» (TSCHIRCH, Ind. Heil- u. Nutzpflanzen).
Und auch der Holländer geht in Indien täglich um Mittag zur «Reistafel». In Asien werden
aus Reis mehrere alkoholische Getränke hergestellt (vgl. I, S. 1019). Schon die alten Inder
kannten ein Reisbier.
Geschichte. Reis findet sich noch nicht in Rig-Veda, in Atharva-Veda ist er mit mäsha
(Pliasco/iis Roxbiirghii) und Sesafir zusammen erwähnt. Die Alten des Abendlandes bauten Reis
nicht, bezogen ihn aber aus Indien. Ein gebräuchliches Nahrungsmittel wurde er im Altertum
des Abendlandes nicht. Selbst Reistisane war teuer (Hehn). Das Abendland wurde durch
den Alexanderzug (I, S. 529) mit dem Reis bekannt. Theophrast beschreibt ihn gut. Damals
wurde Reis in Sawahs (s. vorn) nicht nur im Indusdelta, sondern auch im Zweistromlande und
am Oxus gebaut (Str.\bo'). Im Periplus i^I, S. 536) wird Reis als Ausfuhrartikel von Limyrike
und Reiskulturen in Ostindien bei Barygaza und Ariake erwähnt. Nach Ägypten und Spanien
brachten die Araber die Reiskultur, ins Mailändische und Venezianische kam sie Anfang des
XVI. Jahrh. (Hehn). Albertus Magnus (I, S. 673) bespricht Rizum. Der Reis ist bei den
Indern Symbol des Reichtums und der Fruchtbarkeit. Er spielt dort im Hochzeitsritus, bei
den Ceremonien zur Erlangung von Kindern sowie als Liebesorakel und Aphrodisiacum, All-
heilmittel, Schönheitsmittel eine Rolle. Auch in England wirft man der Braut Reiskörner nach.
Reis ist die Pflanze der javanischen Ceres, Dewi Sri. Die Reiskultur hat aus den Malaien,
orang malayu, d. h. herumschwärmenden Leuten, seßhafte gemacht. «Reis und Tee heißt im
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. I3
I q I Stärke aus dem Endospenn von Samen.
Japanischen soviel wie bei uns «Essen und Trinken . Reismehl tritt als Appretur auf früh-
mittelalterlichen Papieren sowohl als Kleister wie in Substanz aufgewalzt auf (Wiesner, Kobert).
Die Reisstärke ist ziemlich spät erst in Aufnahme gekommen.
Lit. De Candolle, L'origine des plantes cultiv. — Pharraacographia indica (dort
die Geschichte des Reis in Indien). — Watt, Dictionary of econom. prod. India. — K. Braun,
Der Reis in Deutsch-Ostafrika. Ber. über Land- u. Forstw. in Deutsch-Ostafrika. 1908. • —
Hehn, Kulturpfl. u. Haust., VII. Aufl. 1902. — Tschirch, Ind. Heil- und Nutzpflanzen (mit Abbild.:
Sawah, Reismühlen usw.X — Lesgrandescultures (zahlreiche Abbild, der Kultur und Ernte). —
Semler, Trop. Agrikultur, 2. Aufl. — AViesner, Rohstoffe (dort d. ältere Lit.). — Tschirch,
Stärkemehlanalysen. Arch. Pharm. 1885. — Tschirch-Oesterle, Anatom. Atlas, Taf. 45 (dort
eine ausführl. Beschreib, d. Frucht). — Moeller-Winton, Mikrosk. d. Nahrungs- u. Genußm.
1905 (Abbild.). — V.A.N GoRKOM, Rijst in Beschreijvende Catalog. Kolon. Mus. Haarlem 1907
und Oostindische Cultures. — Harz, Landwirtschaftl. Samenkunde. — Abbild.: Nees von
Esenbeck, t. 36, Bentlev-Trimen , Medicinal plants t. 291, Berg, Charakteristik t. 6 und
Hackkl in Engler-Prantl, Pflanzenfam. IL 2, 41. — Kobert, Zeitschr. Angew. Chem.
1910, 1249. — Asche: Hauke, Zeitschr. Österr. Apoth. Verein 1902.
3. Amyliim Maidis.
Mais- oder Mays- Stärke — amidon de mays (franz.) — maize starch (engl.)
— in Amerika: com starch — maiszetmeel (holl.) — amido del mais (ital.) — maissi
tärkkeU'S (finn.) — kukorica kemenyito' (ung.) — u^vXov aQaßoOirov (n.-gr.).
Stammpflanze: Zea Mays L. (Linne, Spec. plant. I, 971) mit mehr als 300
Spielarten, die sechs Gruppen liiiden: Balgmais (huskcorn), Zahnmais (dentcom),
Weichkorn (softcom), Steinmais (flintcorn), Zuckermais (sweetcorn), Puffmais (popcom).
Der Coyotemais Mexikos wird von einigen als die wilde Urform (?) betrachtet. In
Deutschland unterscheidet man: Gemeiner Mais, Perlmais, Pferdezahnmais, Zuckermais,
Cuzcomais, Balgmais.
Syn. Indianisch Korn (Cordus), Indian Corn (engl.), Corn (in Amerika), Türkischer
Weizen, Türkenkorn, Türkisch Korn (Book, Fuchs), Ble turc (franz.), Kukuruz (Österreich- Ungarn,
Donauländer), Welschkorn (Bock), Türgga (Appenzell), Syrische Durrha (Ägypten), Ägypt. Korn
(Türkei), Mekka Weizen (Persien), Arabisch Korn (Griechenland), Guineahirse (Portugal), Tures-
korichljib (Rußland). Beim Mais sagt also die Länderbezeichnung nichts über die wahre Pro-
venienz aus.
Etym. Zea von i^sa, 'C,Cicc griech. Name eines Triticiun (s. S. 188), von ^V** = leben
— Mais von haitanisch (Tupi) Mahiz, mahis. COLUMBUS importierte auch das Wort. «Kukuruz»
nach LiPPMAXN vom spanischen Cucurucho.
Systemat. Stellung. Gramineae, Maideae.
Beschreibung. Der diclin monöcische Mais wird 60 cm bis 6 m hoch, je
nach der Spielart. An der Spitze des Halmes finden sich die männlichen Blüten-
rispen. In den Blattwinkeln stehen 2 — 3 kolbenförmige, je nach der Spielart sehr
verschieden große weibliche Ähren, von häutigen Hüllblättern umgeben. Die schwam-
mige Achse trägt 8 — 10 Längsreihen zweiblütiger Ährchen, deren untere Blüte nur
unvollständig entwickelt ist. Die GrifTel sind sehr lang und hängen aus den Kolben-
scheiden weit heraus. Sie werden neuerdings als Stigmata Maidis arzneilich be-
nutzt. Beim Heranwachsen platten sich die Früchte, die in geraden oder etwas
schrägen Längszeilen liegen, etwas gegeneinander ab. Sie bilden den bekannten
Maiskolben.
Die Früchte sind von sehr verschiedener Größe, Form und Farbe. Letztere
wechselt von weiß über gelb zu orange. Auf der einen Fläche der Frucht ist das
große helle, ovale Scutellum deutlich und in seiner Mitte der gestreckt ovale Keim-
ling. An das Scutellum grenzt das weiße Mehlendosperm, an dieses das glasige
I
Amylum Maidis.
195
Homendosperm (Fig. 71). In ersterem liegen die Stärkekömer locker gehäuft, in letzterem
erfüllen sie die Zelle dicht und platten sich gegeneinander ab. Der Unterschied zwi-
schen Hom- und Mehlendosperm wurde bereits von Raspail (1825) erkannt. Die
Verschiedenheit der Stärke in den beiden Endospermen stellte dann Payen (1838)
fest. Der Bau der Fruchtschale ist
ausführlich beschrieben in Tschirch-
Oesterle, Anatomischer Atlas.
Pathologie. Prof. Ed. Fischer be-
richtet über die pflanzlichen Schädlinge: Die
wichtigsten Zerstörer der Früchte und Frucht-
kolben der Maispflanze sind Ustilagineen :
Ustilagc Maidis (De.) TuL. bildet an
Stengeln, Blättern, männlichen und weib-
lichen Blütenständen beulenförmige Pilzgallen,
die an den Stengeln die Größe eines Kinds-
kopfes erreichen können. In denselben ent- ^
stehen die Brandsporen ; schließlich zerfallen
sie in eine schwarze, brandige Masse. Daß
dadurch die Körnerbildung mehr oder weniger
unterdrückt werden kann, versteht sich von
selbst. Die Sporen der Ustüago 3/aidis yierätn
neuerdings arzneilich benutzt.
Ustilago Reiliana KÜHN bildet ihre
Brandsporen in den Fruchtknoten.
Ustilago Fischerz PaSS. entwickelt die
Brandlager in der Kolbenspindel.
Es gibt außerdem verschiedene Pilze,
die die vegetativen Teile der Maispflanze be-
fallen und dadurch indirekt die Körnerbil-
dung beeinträchtigen können. Unter diesen
ist eine der gefährlichsten die in Java auf-
Fig. ;i.
Zea Mais.
I. Längsschnitt durch die Frucht, frs Fruchtschale, HEnd
Homendosperm, !MEnd Mehlendosperm, pl Plumula, Rad
Radicula, cal Calyptra, col Coleorhiza, 2 einzelne Zelle des
Hornendosperms, 3 einzelne Zelle des Mehlendosperms, 4
das Klebernetz zwischen den Stärkekörnern.
[Nach Tschirch-Oesterle, Atlas.]
tretende Lijer-Krankheit, welche junge Pflanzen zum Absterben bringt. Sie ist auf eine Perono-
spora [P. Jfaiiiis) zurückzuführen. Auch sind neuerdings Bakterienkrankheiten der Maispflanze
beschrieben worden.
Kultur. Der Mais besitzt ein großes Anpassungsvermögen, obwohl seine ur-
sprüngliche Heimat wohl im tropischen Klima lag. Er braucht aber eine gewisse Menge
Feuchtigkeit und gedeiht in trockenen Klimaten nicht. Schon Jos. Acosta (I, S. 754)
beschrieb seine Kultur. Die Früchte werden in Amerika durch eigene «Maisschäler»
vom Kolben abgelöst. Die größte Menge Mais, c. 80 °o der Gesamtweltproduktion, er-
zeugt jetzt Nordamerika: etwa 50 Mill. t. im Jahre, den meisten die nördlichen Mittel-
staaten (bes. Jowa, Illinois, Kansas, Nebraska, Missouri, Ohio, Indiana). Auch Kanada,
Mexiko, Zentral- und Südamerika (Argentinien) bauen viel Mais; in Afrika: Ägypten, Algier.
Geringer ist die Kultur in Asien, beträchtlich in Europa, besonders in Italien, Deutsch-
land, Ungarn, Rumänien, Schottland und in Rußland (vgl. auch die Karte auf S. 189).
Die Maisfrucht enthält 62 bis 74,5''|o Stärke, 8 — 1201^ Eiweiß, 4,5 — 6,5 o/g
-Öl, 1,6 — 2,7*'|o Rohfaser, 8 — i4,5*'/o Wasser. Maiskleie liefert bei der Hydrolyse mit
verdünnten Säuren u. a. Xylose. (Über die Eiweißkörper des Maiskornes vgl. Donard
und Labbe, Compt. rend. 1903.)
Darstellung der Maisstärke. Die Maisstärke, welche das einzige Amylum der
amerikanischen Pharmakopoee ist, wird in großem Stile nur in Nordamerika darge-
stellt, in geringerer Menge in Brasilien, Neu Südwales, England, Frankreich, Deutsch-
13*
IQÖ SUirke aus dem Endosperm von Samen.
land, Niederösterreich und den Donaufürstentümern. Die eingequollenen Körner werden
zerquetscht und der Brei in Cvlindersicben ausgewaschen. Man verwendet hierbei,
da das Korn ziemlich hart ist, das Natronverfahren (wie beim Reis, Leconte) oder
läßt den Brei gären (W.\tt) oder setzt ihm schweflige Säure zu. Die Lauge löst den
die Körner miteinander verkittenden Kleber (Fig. 7 i ). Die gemeine amerikanische Mais-
stärke in Brocken besteht aus Hornendospermkörnern , die Duryea Maizena, das
feinste Maismehl, vorwiegend aus Mehlendospermkörnern. Beide werden aus dem
großen Pferd ezahninais in großem Stil dargestellt; die St. Bernhardswerke in Cincinnati
- -, \ produzieren täglich 25000
'^ Q <^i^ Q\^-^' U) ^<£^ [}■'' kg. Die amerikanische Mais-
^ w3^ C^ c r?s S/ ^ q» gjärke heißt Com flour
/^ /^'^ \ '/ '^ ^ °^^^ Corn starch. Auch
'■!>^^ ^ " /-^ S ^^ ^ Ci Mondamin ist Maisstärke.
^^ © B O tanes usw.
r) ^ c) ^^ , ^ /^ Anatomie. DieStärke-
(ß/^ O - .' «r> ^ kömer (Fig. 72) haben eine
•^2 ^\ " ' Q " verschiedene Gestalt, je
-^1 © (^ /~l/\ \M7 0^ nachdem sie aus dem
\ \ fC\Ä ^^ ^^ Homendosperm oder dem
' ^ ■ ' Mehlendosperm (s. oben)
Q
n m i "
/J , QJ ^/'^^y^ OCi stammen. Ihre Größe
schwankt zwischen 8,5 und
Fig. 72. ...
31,5, meist beträgt sie 15
Maisstärke. [Nach Tschirch- Oesteric, Atlas.]
bis 20 mik.
Die Hornendospermkörner sind mehr oder weniger scharfkantig oder ab-
gerundet kantig, isodiametrisch oft mit einem zentralen Spalt oder einer Zentralhöhle
versehen, ungeschichtet, bisweilen noch zu mehreren zusammenhängend. Die Größe
beträgt meist 10 — 18 — 2^, mik, steigt aber auch bis 25 mik und darüber.
Die Mehlendospermkörner zeigen sehr unregelmäßige, aber stets abgerundete
Formen, regelmäßige Kugeln sind selten, Schichten fehlen meist, der Zentralspalt bisweilen.
Die Größe variiert sehr. Sie beträgt 9 — 23, meist 10 — 15 mik, steigt aber auch auf
25 — 30 mik. Daher erscheint das Mehlendosperm oft großkörniger als das Homendosperm.
Nebenform: Zu zweien zusammengesetzte gestreckte Körner oder deren Teil-
kömer und ganz kleine rundliche Körner von 2 — 10 mik und Übergänge zwischen
Mehl- und Homendospermstärke.
Handel. Die Ausfuhr von .«Starch» aus den Vereinigten Staaten betrug 1907:
51334580, 1908: 48125851, 1909: 33228278 Pounds. Es handelte sich hierbei wohl haupt-
sächlich um Maisstärke.
Deutschland führte 1909 c. 7 Mill. dz Mais ein, den meisten aus Argentinien, dann
aus dem europäischen Rußland, Rumänien und den Ver. Staaten.
Deutschland führte 1909: 10850 dz Mais-, Weizen- und andere Stärke (aus Großbritannien
und den Ver. .Staaten) ein. Die Ausfuhr betrug c. 1 1 000 dz.
Chemie. Maisstärke enthält durchschnittlich 84,i4"/o Stärke, 13,95% Wasser,
1)53°/" Stickstofifsubstanz und 0,38% Asche. Sie enthält auch ein Gluko-Xylan
(Stoker). Maisstärke zeigt deutliches Aufquellen bei 50°, Beginn der Verkleisterung
bei 55° und vollkommene Verkleisterung bei 62,5" (Lippji.\nn). Maisstärke reagiert
Fruct. Hordei. igy
oft sauer. Saare fand den Säuregrad der Maisstärke oft sehr beträchtlich, besonders
bei geringeren Sorten (Zeitschr. f. Spiritusfabrilsat. 1901).
Die Stigmata Maidis sind reich an Zucker und Gummi (i9,5°/o) enthalten c.
5,5 °o Fett und sowohl im Äther- wie im Alkoholauszuge neben Harz kristallinische
Substanzen (Fischer, Am. Journ. Pharm. 1886).
Anwendung. Der Mais, die Maismehle und die Maisstärke spielen in Nord-
amerika die gleiche Rolle wie bei uns Weizen- und Kartoffelmehl und Weizen- und
Kartoffelstärke und in England Reisstärke (s. oben S. 157) und haben die anderen
fast verdrängt. Maismehl und Maisschrot sind Futtermittel. Maiskolbenmehl (_Cob meal)
wird aus dem ganzen Fruchtstand inkl. der Spindel dargestellt. In großen Mengen
wird Mais zur Glukosefabrikation benutzt, wofür er sich am besten eignet (man be-
handelt mit Salzsäure bei 60 — 80"); dann zur Maltosefabrikation (Behandeln mit
Malz), zur Darstellung von Sirup (Behandeln mit schwefliger Säure), Dextrin usw.
Auch die Brennereien verschlingen große Mengen.
Geschichte. Der Mais, der schon in präkolumbischer Zeit fast durch ganz Amerika kulti-
viert wurde (Gräberfunde in Arizona, Ankona usw.) — die Mexikaner hatten eine Maisgöttin
— ist das Gegengeschenk der neuen Welt für den Reis, den die alle ihr brachte. Er wurde
von CoLUMBüs wahrscheinlich schon von seiner ersten Reise (1493) nach Europa gebracht
(I, S. 745); jedenfalls schon 1500 in Spanien gebaut. Bei Hern.\ndez (I, S. 761) ist dem Mais
{Tlaoelli, span. Maizio) ein großes, mit Abbildungen geschmücktes Kapitel gewidmet. Er hat
sich außerordentlich rasch über Europa, Afrika und Asien verbreitet und bildet jetzt ebenso
für Südeuropa und die Levante, wie für China und Japan, ja selbst für einige Negerstämme Afrikas,
die nie einen Europäer gesehen haben», ein wichtiges Nahrungsmittel. Die Venetianer ver-
breiteten den Mais im XVI. Jahrh. im Orient, nach Deutschland kam er im gleichen Jahr-
hundert aus Italien, wo die Polenta bekanntlich eine beliebte Speise ist. Nach Afrika brachten
ihn im XVI. Jahrh. die Portugiesen und die Spanier brachten ihn von Osten her nach Süd-
asien. Er wurde schon 1496 auf Java ausgesät. Im XVI. Jahrh. kam er auch nach China. Da
Reisende ihn schon zu so früher Zeit überall in Asien fanden, glaubte man anfangs, daß er
auch dort seine Heimat habe.
Lit. Abbild.: Berg, Charakteristik t. 6, Bentley-Trimen , Medicinal plants t. 296,
Hackel in Engler-Prajjtl, Pflanzenfam. II, 2, 19. — Bonatous, Hist. nat. agric. et econom.
du Mais. Paris 1836. — De Candolle, L'origine des plantes cultiv. 4. Aufl. 1896 (dort weitere
histor. Lit.). — Abbild, der Kultur und Verarbeitung in Las grandes cultures du monde. —
WiTTMACK, Über antiken Mais aus Nord- und Südamerika. Zeitschr. f. Ethnologie XII. —
Moeller-Wixton , Mikroskopie (dort viele gute Abbild, und weitere Liter.). — Analysen in
KÖNIG, Nähr.- u. Genußm. — H.\RZ, Landwirtsch. Samenkunde. — Wiesner, Rohstoffe (dort
die ältere Lit.). — Tschirch-Oesterle , Anatom. Atlas und Tschirch, Stärkemehlanalysen.
Arch. Pharm. 1884/85. — A. Meyer, Arch. d. Pharm. 1884, 912.
Fruct. Hordei.
Gerste . — orge — barley — gerst.
Im Code franc. steht oberflächlich geschälte Gerste (orge mond^) und ganz bis zum
Endosperm geschälte (orge perle), in der niederländischen Pharmakopoee : Fruct. hordei decor-
ticati (gepelde gerstX
Die Stammpflanze der Fruct. hordei ist Hordeum vulgare L. (Linne, Spec. plant. 84).
Graraineae — Hordeeae, von der auch die zwei Unterarten, die sechszeilige Gerste {H. hexa-
stichum) und die vierzeilige Gerste (H. gemiinum') kultiviert werden. Auch Hordeum disticlium
mit var. zeocrithum wird sehr viel gebaut.
In bezug auf die Krankheiten der Gerste gilt im wesentlichen dasselbe, was für
Triticum Tulgare gesagt wurde. Neben mehreren Pilzen, die indirekt den Körnerertrag
beeinträchtigen {Erysiphe graminis, Piiccinia graminis, glumarum, in Rassen, die zum Teil nicht
auf Weizen übergehen ; Puccinia Simplex, Melanospora damnosa) finden wir als direkte Zerstörer
198
Stärke aus den CoU'ledonen von Samen.
der Früchte vor allem Ustilagineen, und zwar die beiden Flugbrandarten Usfilago Hordei (^Pers.)
ICeix. et Sw. und Vstilago mida (Jens.) Kell, et Sw. Auch Clavtceps pitrpurea kommt auf
der Gerste vor (Ed. Fischer).
Als tierische Schädlinge der Gerste nennt Israel:
1. Käfer: Sitophilus grnnarhis I.. Dieser kleine Rüsselkäfer legt seine Eier an die
Kömer aufgespeicherter Getreidevorräte. Die Larve höhlt die Körner des Weizens, der Gerste
und des Roggens aus und tritt oft in Massen auf. Sitophilus orrztw L., der Reiskäfer. Dieser
Käfer ist mit Reis aus dem Oriente nach Europa verschleppt worden, nimmt aber bei uns auch
die Körner von Mais, Weizen und Gerste an und tritt gelegentlich schädlich auf. Der sog.
Springmais ist auf diesen Käfer zurückzuführen.
2. Falter: Gciechia cerealella Ol-lV. Räupchen in Gerste und Weizenkörnern. In einigen
Gegenden Deutschlands ist dieser Kleinschmetterling schon schädlich aufgetreten. Orobena fnc-
vientalis L. Die Raupe lebt in den Halmen des Roggens, der Gerste und des Weizens.
3. Fliegen: Cecidoniyia destructor Say. Larve lebt wie die von Orbona in den Halmen
der Cerealien.
Die Früchte der Gerste sind von den beiden Paleis dicht und fest umschlossen und fallen
aus diesen nicht heraus (Anatom. Beschreibung in Tschirch-Oesterle , Anatom. Atlas). Für
den Arzneigebrauch werden sie geschält. Der Same zeigt drei Reihen Aleuronzellen.
Die Stärke ähnelt sehr der Weizenstärke, doch sind die Großkömer etwas kleiner, meist
15 — 30 (am häufigsten um 25) mik.
Die Gerste enthält c. 64,5 <"/„ Stärke, 13,5% Wasser, Ii,i5''/c) Stickstoifsubstanz , 2,l7o
Fett, l.s»;;, Zucker, 5,3 »/„ Rohfaser, 2,77» Asche.
Die geschälte Gerste wird zu Tisanen und Gargarismen benutzt. Die gekeimte Gerste
ist Grundlage der Bierbereitung (vgl. I, S. 1019) und Ausgangsmaterial für die Darstellung des
Malzextraktes.
Das Gerstenmehl wird aus den mehr oder weniger entspelzten Körnern dargestellt und
spielt auch als Bestandteil einiger Kindernährmittel (Timpes Kraftgries, Kobens Nährpulver,
Gehrings Laktin) eine Rolle. Das präparierte Gerstenraehl, Farina hordei praeparata (30 Stun-
den im Dampfbade erhitztes Gerstenmehl), war, da leicht verdaulich, früher sehr beliebt und
ist der Vorläufer der sog. Kindermehle. Früher war das sog. HuFELANDSche präparierte Gersten-
mehl bei den Ärzten sehr beliebt, das in der Weise bereitet wurde, daß man eine größere Por-
tion Gerstenmehl in einen Beutel eingeschlossen, in ein AVasserbad hing, 14 Stunden — unter
öfterem Ersatz des Wassers — in dem siedenden AVasser beließ, dann herausnahm, die schlüpfrige
Randschicht entfernte und den «Kern» pulverisierte.
Die Gerste heißt im Ägyptischen btt (die hieroglyphischen Zeichen I, S. 4^0). Bei an-
tiken Räucherungen fand Gerstenmehl Anwendung (vgl. I, S. lo5o). Alphita, das der berühmten
Drcgenliste (I, S. 639) den Namen gegeben hat, war Farina hordei.
Die Gerste war das Hauptgetreide der alten Indogermanen, die (nach HooPS) vor ihrer
Trennung in Asiaten und Europäer ihre Stammsitze in Mitteleuropa westlich von der Linie
Königsberg-Odessa hatten.
Lit. Moeller-Winton a. a. O. — HooPS a. a. O. — Große Monographie: Lermer
und Holzner, Beitr. z. Kenntn. d. Gerste 1888 mit 52 Großfol. Taf.
IV. Stärke aus den Cotyledonen von Samen.
Leguminosenstärke.
Die Leguminosenstärke findet sich in den Cotyledonen der Samen der Bohne und
der Erbse. Sie wird arzneilich nicht angewendet. (Beschreibung der Samen und der Stärke in
Tschirch-Oesterle, Anatom. Atlas, Taf. 48, 49 u. 53, bei Vogl, Moeller-Winton, Hanausek
u. and. — TsCHiRCH, Stärkemehlanalysen. Arch. Pharm. 1884).
IL Amylodextringruppe.
Behandelt man Stärke mit verdünnten Säuren oder mit Diastase, so wird zu-
nächst Amylodextrin gebildet. Diesen Körper hatte Schulze (1848) zuerst in Händen.
Amylotextrin. igg
Er nannte ihn Amidulin. Der eigentliche Entdecker ist aber Musculus (1870),
der ihn dextrine insoluble dans l'eau nannte. Den Namen Amylodextrin gab ihm
Walter Nägeli (1873), der den Körper auch kristallisiert in Sphärokristallen erhielt.
Das Erythrodextrin und das Achroodextrin sind unreines, vorwiegend mit Dextrin
verunreinigtes Amylodextrin. Lintners Amylodextrin ist mit viel Amylose (Meyer)
verunreinigtes Amylodextrin. Von der Am}lose (reiner Stärkesubstanz, s. oben S. 1 54)
unterscheidet sich Amylodextrin (nach A. Meyer) durch folgende Eigenschaften:
Amylose Amylodextrin
Bleiessig gibt Niederschlag in 0,05 "/o gibt selbst in 6 "/q Lösung keinen
Lösung Niederschlag
Tanninlösung gibt einen Niederschlag noch in gibt keinen Niederschlag, selbst
0,00,5 "/o Lösung in 5 «,'0 Lösung
Jodlösung in verd. Lösung rein blau in verd. Lösung rein rot
FEHLiNGsche Lö- wird nicht reduziert 100 g Amylodextrin reduziert so
sung stark wie 5,6 g Dextrose
(a)D in Lösung von Ca(N03)2 ^-|-23o'' +195"
Reines Amylodextrin kristallisiert in Nadeln, Tafeln und Sphärokristallen. DieLöslich-
keit in kaltem Wasser ist gering, besser löst es sich in Wasser von 60 ", noch besser bei
90". Siedender Alkohol von 50 "/o löst reichlich. Das Molekulargewicht ist sehr hoch.
Die «Stärke, welche sich mit Jod rot färbt», die man bisweilen in Pflanzen
findet, ist eine an Am3'lodextrin reiche Stärke. Sie wurde zuerst von Nägeli (1858)
im Samenmantel von Chelidonium maj'iis beobachtet, dann von Gris (1860) im Klebreis
{Oryza sativa var. glutinosa), von A. Meyer in Pantaim miliaceum var. glutinosum und
Sorghum vulgare var. glutinosum und von mir im Samenmantel von Myristica fragrans
gefunden, dessen Hauptbestandteil sie bildet. Gepulverte Macis ist an ihr leicht
zu erkennen. In Embryonen fand sie Treue, in phanerogamischen Parasiten
Russow. Diese durch Tod rot werdenden Stärkekörner enthalten neben Amylodextrin
noch (Dextrin und) Amylose. Ich habe sie « Amylodextrinstärkekörner» genannt,
Bütschli betrachtet sie als ein besonderes stärkeähnliches Kohlehydrat: Amylo-
erythrin. Zu ihnen gehört auch die sog. Florideenstärke (vgl. Cmragee-n).
Lit. Musculus, Zeitschr. f. Chem. 1869 u. 1870 u. Zeitschr. f. phys. Chem. 2. —
Walter Nägeli, Beitr. 2. näh. Kenntn. d. Stärkegruppe. Leipz. 1874. — Shimoyama, Beitr.
z. Kenntn. d. Japan. Klebreis. Diss. Straßburg 1886. — Dafert, Beitr. z. Kenntn. d. Stärke-
gruppe. Landw. Jahrb. 1886. — Arth. Meyer, Stärkekörner 1895. — Tschirch, Inhaltsbest. d.
Arill. V. Myrist. fragr. Ber. d. Bot. Ges. 1888, 138. Artikel Amylodextrin in Realenzykl. d. ges.
Pharm, u. Angew. Anatomie. — Euler, Grundlagen d. Pflanzenchemie 1908.
Die einzige Droge, die hierher gehört, die Macis, deren Grundparenchym-
zellen dicht mit Amylodextrinstärkekörnem erfüllt sind (vgl. Tschirch, Angew. Ana-
tomie), wird weiter hinten bei Myristica abgehandelt werden, da die Macis besser zu
den RiechstofTdrogen gestellt wird. In gewissem Sinne kann aber auch das Trehalamanna
(S. 147) hierhergezogen werden, da es 25 — ß^"!,, Amylode.xtrinstärke enthält, sowie
die Rotalgen, in denen sich Florideenstärke findet.
Der Klebreis ist nur aus Ausgangsmaterial für ein gegorenes Getränk (I, S. 1019)
für uns interessant.
III. Dextringruppe.
Über das Dextrin existiert keine Klarkeit, wir wissen nur, daß es ein Poly-
saccharid ist. Aber ob es nur ein Dextrin gibt und die Formen Maltodextrin, Erythro-
JOO
Dextrin.
dextrin, Achroodextrin , Amylozellulose usw. Gemische oder Individuen darstellen,
wissen wir nicht. Die Dextiinliteratur bietet «ein trostlos verwickeltes, durch zahlreiche
Widersprüche getrübtes, vorerst völlig unentwirrbares Bild» (v. Lippjiann i 904). Die
jetzt vielfach reproduzierte Formel (Cj.>H2j,Oiq)3.H.,0) trägt also nur vorläufigen Cha-
rakter. Skr.-vup erteilte (1905) dem Erythrodextrin ein Molekulargewicht von 1700
bis 2000.
Arthur Meyer nimmt nur ein Dextrin an und betrachtet alle Achroodextrine
als Geraenge von Dextrin mit Maltose oder Isomaltose. Das reine Dextrin Meyers
zeigte [«]i, = -|- 102 und ein kryoskopisches Verhalten, das auf ein etwas größeres
Molekulargewicht als 1223 + 25 hinweist. Es reduziert schwach FEHLiNGsche Lösung.
Dextrin wurde zuerst von Vauquelin (181 i) als ein besonderer Körper er-
kannt, dann zunächst von Persoz und Pay'en (1833) untersucht.
Lit. Die neuere Liter.ntur bei Lippmann, Chemie der Zuckerarten. — A. Meyer, Stärke-
körner. 1895.
Dextrin.
Das Dextrin (Dextrine, Dextrina) des Handels wird jetzt meist durch direktes
Erhitzten von Stärke auf 150 — 200", seltener durch Einwirkung von verdünnten Säuren
oder Diastase auf Stärkekleister gewonnen.
Die Darstellung des Röstdextrins (Röstgummi, Leiokom), welches jetzt haupt-
sächlich im Handel ist und ein gelbliches Pulver bildet, erfolgt meist durch Erhitzen
von luf trockener KartofiTeistärke in rotierenden, mittelst überhitzten Wasserdampf er-
wärmten Trommeln auf 180 — 200", seltener durch Erhitzen von feuchter Stärke in
flachen Kästen auf 160".
Bei der Darstellung des Säure dextrin s, welches ein weißes Pulver darstellt, wird die
Stärke mit 2 — 9 "|,j,j chlorfreier Salpetersäure und etwas Wasser vermischt, in dünner Schicht
auf iio*" im Luftbade erhitzt. Seltener wird Salzsäure, Schwefelsäure oder Oxalsäure
benutzt. (Letztere muß
nach der Behandlung
entfernt werden.)
Bei der praktisch
nur selten ausgeführten
Darstellung des Dia-
stasedextrins wird
die Stärke bei 60 — 75"
mit Malzaufguß be-
handelt.
Endlich wird
auch das auf eine der
genannten Weisen er-
haltene Rohdextrin da-
durch gereinigt, daß
man es mit Wasser
auszieht, mit Alkohol
ausfällt oder die Lö-
Fig. 73.
_, . . . ,,, ,, , „ . „ sungemdampftundden
Dcxtrinierte (Karto f fei- )Stärke: a in Ol, die übrigen in Wasser.
[Xach Tschirch-Oesterie, .\tias.j Rückstand trocknet.
Dextrin. 20T
Für medizinische Zwecke wird nur Röstdextrin verwendet. Die Pharm,
helv. IV z. B. schließt ausdrücklich das mit Salpetersäure oder Oxalsäure bereitete und
sog. chemisch reines Dextrin aus. Sie gibt z. B. an, daß die kalt bereitete Lösung durch
Jod weinrot gefärbt werde, Kalkwasser und Diphenylamin keine Reaktion geben. Dies
Röstdextrin, das wir als eine Droge betrachten dürfen, muß man aber
richtiger dextrinierte Kartoffelstärke nennen. Es besteht aus Stärkekörnern, die
alle Stadien der Dextrinierung zeigen. Neben noch fast unveränderten finden wir
solche, die schon in Amylodextrinstärke und andere, die schon ganz oder zum Teil
in Dextrin übergeführt sind (Fig. 73).
Äußerlich sind die Körner nur wenig verändert, denn wenn man sie in Ol be-
trachtet, zeigen sie noch die Umrißlinie der Kartoffelstärkekörner und im Polarisations-
mikroskop das schwarze Kreuz. Nur eine kleine Luftblase an Stelle des Kerns (Fig. 73)
verrät, daß nicht alles geblieben ist wie es war. Legt man die Körner aber in Wasser,
so zeigt sich, daß tiefgreifende Veränderungen eingetreten sind. In den ersten Stadien
der Dextrinierung hat sich der Spalt erweitert, die innersten Schichten sind gelöst,
die Schichtung ist sehr deutlich geworden. In den späteren Stadien sind dann die
äußeren Schichten und hier besonders die wasserreichen der Dextrinierung anheim
gefallen. Sie lösen sich in Wasser auf und es bleiben zahlreiche übereinander ge-
schichtete Häute übrig, die den dunkleren Schichten des unveränderten Kornes ent-
sprechen. Am längsten widerstehen die mittleren Partien des Korns. Sie färben sich
mit Jod blau, violett, rotviolett oder rot, sind also noch zum Teil unveränderte, zum
Teil schon in Amylodextrin übergegangene Stärke (Tschirch-Oesterle, Anatom.
Atlas, Taf. 52).
Deutschland fabriziert viel Dextrin. Hamburg exportierte 1908 22631 dz Dextrin (und
geröstete Stärke) und importierte 21839 dz.
Frankreich importierte 1908 84187 kg Dextrin aus Deutschland und etwa ebensoviel
aus Österreich, nur wenig aus Belgien und den Niederlanden.
IV. Inulindrogen.
Die Vorstellung, daß auch das Inulin, das Valentin Rose 1804 zuerst als
Absatz aus einem Dekokte von Inula Helenium beobachtete und dem Thomson den
Namen gab, zu den Polysacchariden gehört, gründen wir auf die Tatsache, daß es
bei der Hydrolyse und der Einwirkung des Enzyms Inulase (Bourquelot) Fruk-
tose liefert. Die Formel wird sehr verschieden geschrieben. Die Angaben schwanken
zwischen Cg^Hij.jOgj (= 6(C|;Hiq05) . H.^O, Kiliani, Tanret) und CiosHisoOyo (I^ullj.
Nur Becha.mp erteilt ihm die einfache Formel CjjHjqOj. Jedenfalls wird Inulin so-
wohl durch Inulase (nicht durch Diastase, Pt3'alin, Emulsin, Invertin) wie durch Hy-
drolyse mit verdünnten Säuren fast vollständig in d-Fruktose (Lävulose, Frucht-
zucker, vgl. S. 7) übergeführt. Hefe vergärt Inulin nicht. Inulin reduziert Fehling-
sche Lösung nicht, wohl aber ammoniakalisches Silbernitrat, dreht links ([«Jd = —
36,57'', Lescoeur et Morell) und färbt sich nicht mit Jodlösung.
Im Gegensatz zur Stärke ist Inulin nicht in Körnerform in den Zellen abge-
schieden, sondern (obwohl schwer löslich in reinem kaltem Wasser) im Zellsafte gelöst,
also direkt wanderungsfähig. Beim Trocknen der Drogen scheidet es sich in Form
von Schollen aus, beim Einlegen der frischen Pflanzenteile in Alkohol in Form von
Sphärokristallen (Fig. 74), die sich in konzentrierter Schwefelsäure und auch in heißem
Wasser, aber ohne Kleisterbildung, lösen.
202 Imilindrogen.
Es vertritt \ielfach die Stärke als Reservestoff, besonders bei den Kompositen
und benachbarten Familien (Campanulaceen, Lobeliaceen, Goodeniaceen, Stylidieen).
Es findet sich hier vornehmlich in den unterirdischen Organen, ist aber auch in ober-
irdischen, z. B. bei Cichoritun, Taraxacum , gefunden worden (vgl. Rad. taraxaci).
Sodann auch (nach Chevastelon) bei MonocotyJen
{Narcisstis, Hyacinthtis, Allium) und (nach Kraus) in
Violaceen [Io?iidium Ipecaaianha).
Bei den unterirdischen Organen schwankt der
Gehalt an Inulin natürlich je nach dem Entwicklungs-
stadium oft in sehr weiten Grenzen. Rundquist machte
_ neuerdings folgende Angaben über den Gehalt offi-
Fig. 74,
, ,. ^ , , . ,, zineller Wurzeln an Inulin: Rad. artemisiae 0,66 "L,
Inulin-Sphaerokristalle -" W
[Nach Tschirch-Oesterle, Atlas.] R. bardoTiae 46,25, R. cai'Unae 17,87, R. cichorit ld>,^0,
R. farfarae 17,40, R. helenii 35,10, R. pyrethri germ. 26,19, R- pyrethri roman. 35,66,
R. scorzonerae 31,64, R. taraxaci 30,65, Rhiz. arnicae 5,55. Die höchsten bisher be-
obachteten Ausbeuten erhielt man aus einer Rad. helenii (44 "Jq) und einer Rad. pyrethri
(über SO^/o Dragendorff, nach Koene: 57,7 "/o), ferner aus Rad. cichorei (57,8"'|q,
Mayer, 79«/o(?) Sayre).
Das beste Material zur Darstellung des Inulins ist der Daklienknollen, das billigste
Cichorium- oder TaraxacumwnrzQl (s. d.). Der Inulingehalt der Cichorium- und Tara-
xacunrwaxzeX bedingt in erster Linie deren Verwendung als Kaffeesurrogat.
Nach Tanret wird es im Alant von Pseudoinulin, Inulenin, Helianthemin und
Synanthrin begleitet.
Lit. V. Rose, Gehlens N. Journ. d. Chem. III, 217. — Thomson, Syst. de chira. VIII,
82. — KOENE, Ann. chim. phys. 1835. — Dragendorff, Material, z. einer Monogr. d. Inulins
1870. (Ausführl. Referat darüber in Arch. Pharm. 148 [187 1] 82.) — Prantl, Das Inulin. 1870.
— Rundquist, Farmac. Notisblad. Helsingfors 1904. — Tanret, Compt. rend. 116 und 117.
— Weitere Lit. in Tschirch, Angew. Anatomie, in Lippmann, Chemie d. Zuckerarten und
ToLLENS, Handb. d. Kohlenhydr. — TsCHiRCH, Artikel Inulin in Realenzykl. d. ges. Pharm.
Die Kompositenwurzeln.
Von diesen, die alle hierher gehören, soll an dieser Stelle nur Rad. cichorei,
Rad. taraxaci und Rad. bardanae abgehandelt werden, die anderen, Rad. helenii, Rad.
pyrethri, Rhiz. aniicae werden an geeigneter Stelle behandelt. Die "\^erwendung der
hier abgehandelten Drogen als KafTeesurrogate gründet sich vornehmlich auf ihren
Inulingehalt. Einige der Kompositenwurzeln gehören auch zu den Bitterstoffdrogen.
Rad. Cichorei.
Syn. Cichorienwurzel — chicor^e, barbe de capucin (franz.) — wild succory, chicory
(engl.) — radicchio, radice cicoria (ital.) — cichoreiwortel (holl.) — cigoria (ung.) — sikurin
jnnri (finn.) — p/^a xiy_(uQiov (griech.). — Wegwarte (so schon im Ortus Sanitatis I, S. 688),
wilde Endivie, Sonnenwirbel (ahd. Sunniwirpela, mhd. Sonworbel, Sundwerbel, Sunwirbel),
bei Galen: Seris, bei Plinius Valer.: Cicinoria, bei Karl dem Grossen: Solsequium. Bei
Megenberg (I, S. 692): s'unnenwerbel, bei Hildegard (I, S. 669): sunnenwirbel, bei Albertus
Magnus (I, S. 673): cicorea, sponsa solis. In der Alphita (I, S. 645): Cicoria, elitropia, mira
solis, cicorea (B; solsequium, incuba. Ferner: Hindleufte, Hindlichte, Hundläufte, Wasserwart,
Weigerein. Cichorie wird noch jetzt auch für Tara.xacum offic. benutzt (Graubünden). Bei den
Rad. Cichorei. 20^^
Arabern: hindabä (auch für Endivie benutzt). Die mittelalterlichen Namen solsequium, elio-
tropia (Heliotropium), mira (oder gira) solis, Sunniwerpila (Sonnenwirbel) umfassen auch die
anderen Sonnenwendblumen (z. B. Calendula offic, Taraxacum , VaUrianella usw.). Im Mittel-
alter auch: ambubeia lambula bei Plinids), seris (die bittere, so schon bei DiosKURlDES). — In
Indien: käsni (pers., ind. Baz. Dymock) — pers.: tarkashkun (so auch bei Ibn Sina). In China:
k'u t'u, k'u ts'ai, k'u ku, ku-mai-ts'ai (auch für Emiivia].
Stammpflanze und Systemat. Stellung. Cichorium Intybus L. (richtiger
Intubus). Compositae. Cichorieae — Cichorinae Sect. Eucichorium De.
Etym. Cichorium aus xifuiQiov (so bei Theophra.st) umgebildet, dies aus xlu> = gehe und
;(<üp/ov = Feld (nicht arabischen Ursprungs, aber vielleicht daraus das arabische chikouryeh ge-
bildet, Forskal). Davon dann Cichor^e, chicor^e (franz.), chicory (engl.) und cichorei (hol!.),
und im Anklang an Zucker umgebildet: succory (engl.), suikerij (holl.), zuckerei (in "WestfalenV
Ferner: cichurien (^in Mecklenburg), cikary (Eifel), — Intubus auch Intybus ja sogar incuba
(ISIDOR, Etym.: Intubus Graecum nomen est, — Intubus auch bei Apicius) wohl von svTOfiog
= eingeschnitten, wegen der Blattform (KannGIEsser). Daraus das arabische hendibeh. En-
divia ist die ital. Form für intubus. Ambubeia (s. oben) ist syrisch und aus ambui {= Geruch)
und baia (= voll) gebildet. Arabuleja und Ambugia findet sich bei römischen Schriftstellern
(s. oben).
Beschreibung. Cichorium Inlybus ist perennierend und über Europa und das
gemäßigte Asien verbreitet. Es findet sich vorwiegend an Acker- und Wegrändern,
Rainen und unbebauten Plätzen. Seine Blätter erinnern etwas an die von Taraxacum
(s. d.), die unteren schrotsägeförmig, die oberen lanzettlich, sitzend. Die Infloreszenz-
achse trägt zahlreiche blaue Körbchen, der Hüllkelch ist zweireihig, die 5 inneren
Blätter sind am Grunde verwachsen, Blüten zungenförmig, mehrreihig. Achaenen fast
fünfkantig, kahl, mit i — 3 reihigem Pappus.
Abbild, bei HoFFMANN in Engler-Prantl, Natürl. Pflanzenfam. — Planchon-Collin
a. a. O.
Pathologie. Es sind auf Cichorinm Intybus eine ganze Anzahl von parasitären Krank-
heiten bekannt, unter denen wir Eryiiphe Cichoracearum , Phoma albicans, Pticcinia Cichorii
(De.) Bell, erwähnen. Inwieweit aber durch dieselben auch die unterirdischen Teile mit be-
troffen werden, dürfte noch festzustellen bleiben. An Cichoriutnfi-axz^X'ü wurde Sclerotinia Liber-
tiana beobachtet (Ed. Fischer).
Über die tierischen Schädlinge berichtet Israel:
1. Käfer: Anaspis frontalis P'ABR. Larve in den Stengeln von Cichorium, Inula Conyza
und Eupatorium. Jedenfalls in noch vielen anderen markigen Pflanzenstengeln. Käfer auf Blüten.
Mordella aculeata L. Die afterstachelige Larve im Marke von Cichorium Intybus und Lychnis-
arten. Käfer auf Blüten. Cassida sanguinolenta Fabr. Larve skelettierend an den Blättern von
Cichorium Intybus und Sonchus2,\\.^Xi. Wahrscheinlich auch noch auf anderen Pflanzen.
2. Falter; Cucullia umbratica L. Die schwarze, nächtliche Raupe dieses sehr häufigen
Falters lebt auf vielen Pflanzen, u. a. auf Cichorium, Sonchus, Hypochoeris usw., vorzugsweise
an den Blüten und Früchten. Cucullia lactucae W. V., Cuctillia lucifuga W. V. Die Raupen
dieser selteneren Falter leben an Lactuca- und So}ichusa.xten\ auch an Daucus und Cichorium.
An Cichorium leben ferner gelegentlich die behenden Raupen mehrerer Bärenspinner (Are-
tiidae) und eine ganze Anzahl polyphager Eulenraupen, besonders aus der Gattung Agrotis.
3. Schnabelkerfe: Aphis cichorii. Dutroch. Diese schwarze Blattlaus lebt oft in
enormer Menge an den weicheren Teilen der Cichorie , namentlich an den jüngsten Trieben
saugend.
Beschreibung der Droge. Die Weg\vartwurzel wird im Herbst von der wild-
wachsenden blühenden Pflanze gesammelt. Die einfache oder verästelte spindelförmige,
etwa I — 1,5 cm dicke Wurzel wird, Ad, Cichorium eine tiefwurzelige Pflanze ist, mehrere
Dezimeter lang. Sie ist ein- oder mehrköpfig, frisch fleischig und milchend, trocken
hornig, hellbraun, fast geruchlos, schwach bitter. Medizinisch angewendet wird meist
2CiA Inulindrogen.
nur die Wurzel der wildwachsenden Pflanze. Diese (Racine de chicorce sauvage) ist
in Frankreich offizineil. Die Wurzel der kultivierten Pflanze w'ird beträchtlich dicker
als die der wilden Pflanze und daher, um sie besser trocknen zu können, meist in
2 oder 4 Längsstreifen oder dicke Querscheiben zerschnitten.
Anatomie. Die Rinde macht etwa i|g — 1/3 des Gesamtdurchmessers aus. Sie
ist radial gestreift (Unterschied von Tara.vacum). Der Holzkörper ist gelb und deut-
lich strahlig. Der primäre Bau der Wurzel ist diarch. Die aus wenigen Zellreihen
bestehende primäre Rinde bleibt erhalten (Holfekt). Im oberen Teile ist der strah-
lige Bau des Holzkörpers auf dem Querschnitte sehr deutlich. Hier ist auch die
Cambiumlinie ziemlich regelmäßig. Weiter unten ist der Holzkörper zwar auch noch
deutlich strahlig, aber die Cambiumlinie verläuft hier oft unregelmäßig in einer Bogen-
linie. Der Holzkörper ist markfrei. Er enthält sehr viel Holzparenchvm und in
dasselbe eingebettet im Innern unregelmäßig, weiter nach außen bis zum Cambium
in unterbrochenen radialen Reihen angeordnet, zahlreiche getüpfelte Gefäße, die im
Längsverlaufe meist gekrümmt, oft sogar geschlängelt und sehr deutlich gegliedert
sind. Das Gewebe der breiten Markstrahlen unterscheidet sich im Querschnitt kaum
von dem Holzparenchvm. Bisweilen (nicht immer) finden sich im Holzkörper links-
schief getüpfelte, relativ dünnwandige Ersatzfasern (Moeller). In der sekundären
Rinde liegen, zu radialen Strahlen angeordnet, Gruppen von gegliederten Milchröhren
und Siebröhren. Die Milchröhren (Weite ö — 10 mit) desselben Radialstrahles bilden
infolge von Radialanastomosen ein reich verzweigtes Netz. Auch das Phloemparenchym
und das Parenchym der Rindenstrahlen ist mächtig entwickelt. Der äußere Teil der
Rinde, der außerhalb der Sieb-Milchröhrenstrahlen liegt, ist sehr locker. Die Zellen
sind hier tangential gestreckt und neigen zur Pektinisierung. Im obersten Teile der
Wurzel ist diese ganze Schicht abgestorben und bedeckt als ein leicht abreibbarer
Mantel die Wurzel. Zu äußerst liegt eine schmale, aus dünnwandigen Zellen bestehende
Korkschicht. Alle parenchymatischen Zellen enthalten eine Inulinlösung, bei der Droge
InulinschoUen. Die kräftige Hauptwurzel übernimmt die Befestigung. Die Nebenwurzeln
sind ausschließlich Ernährungswurzeln (Tschirch u. Radlauer). Die Anatomie der
Blätter bei Planchon-Collin.
Lit. MoErxER-WiNTON, Mikroskopie der Nahrungs- u. Genußm. 1905 (Abbild.). —
Planchon-Collin, Drogues simples 1896, Fig. 642 u. 643. — Vogl, Nähr.- u. Genußm. 1899,
334. — HOLFERT, Arch. Pliarm. 1889. — Rosen, Wandtafeln.
Chemie. Die Wurzel enthält Inulin, Zucker, Pektin und einen (nicht
untersuchten) Bitterstoff, sowie angeblich Harz, Gerbstoff und ein flüchtiges Öl (vox
Bibra), keine Stärke. Der Inulingehalt beträgt in der Wurzel der wildwachsenden
Pflanze bisweilen nur 1 1 "j^, in der kultivierten igO/^ (von Bibra). Rundquist (a. a. O.)
gibt ihn auf i8,5''|q an. Durch die Kultur wird der Gehalt stark gesteigert. Dragen-
DORFF fand (1870) in der Wurzel im Juni 4,82, Mitte Juli 36,53, Anfang August
44,01 und Anfang September 44,49 "Iq Inulin. Der Gehalt ist also ganz abhängig
von der Vegetationsperiode. Der Inulingehalt der Wurzel kann 57,79 "/o der Trocken-
substanz erreichen (A. Mayer).
Die frische kultivierte Cichorienwurzel enthält 72,07 — 79,20*'/q Wasser,
0,92 — 1,15 "lo Stickstoffsubstanz, 0,11 — 0,60 "|u Fett, 0,6 — 6,1 7 "jg Zucker,
im Mittel 15,30 "/(, stickstofffreie Extraktbestandteile, 0,65 — iiH^/o Asche. In der
Trockensubstanz im Mittel 84,37 "/(, stickstofffreie Extraktbestandteile (H. Schulze,
VON Bibra, Ha.sall, J. Wolkf). Getrocknete kultivierte Cichorienwurzel
Rad. Cichorei. 205
enthält 6,89 — iS^/o Wasser, 10,5 — 22, 2 "1, Zucker, 52,59 "i^, stickstofffreie
Extraktbestandteile und 3 — 5 "jf, Asche (Hasall, Krauch).
BiBRA verglich die wilde mit der kultivierten Wurzel. Er fand in ersterer
37.81 "lo. in letzterer 22,08 "/o Zucker.
Storer fand bei der Hydrolyse auch Mannose, die Membranen enthalten also
ein Mannan.
Die Asche beträgt 10,88 *|o der bei 105 "getrockneten Droge, bei i2,6"'|q Wasser-
gehalt (NyoIrd).
In den Blüten (nicht in der Wurzel) fand Nietzki ein schön krist. bitteres
Glykosid, F. 215 — 220; CgjHg^Oit, . 4^!., HjO, auch das Aglukon desselben (CjqHi^Oi,)
kristallisiert.
Lit. Ältere Analysen von JuCH und Planche. — von Bibra (Analys. in Wittstein,
Handwörterb. d. Pharmakogn. 1882 mitgeteilt). — KÖNIG, Nähr.- u. Genußra. — A. Mayer,
Jahresb. d. Agrik. Chem. 1883. — J. Wolff, Bot. Centralbl. 1901, 85, 52. — Cham. Centrbl.
1899 und igoo. — Dragendorff a. a. O. — Nietzki, Über ein neues in den Blüten von
Cichorium Intybus enthaltenes Glykosid. Arch. Pharm. (3) 8 (1876), 327. — Storer, Chem.
Centralbl. 1902, 2, 1155.
Verwechslungen. Rad. laraxaci anatomisch gut zu unterscheiden. Rad. bella-
donnae und hvoscvami enthalten Stärke.
Anwendung. Im alten Ägypten (I, S. 464) kultivierte man Cichorium Intvbus
als Gemüse (Plinius). Sprosse und Blätter waren eine beliebte Magenspeise (Plinius).
Sie dienen noch heute besonders in Frankreich zu diesem Zwecke. Rhazes hält die
wilde Cichorie für heilkräftiger als die Garten-Cichorie. Die Araber benutzten den
ausgepreßten Saft als allgemeines Antidot (Ibn Amr.\n). In Indien, wo die Pflanze
kultiviert wird, werden die Früchte aizneilich benutzt. Die Frucht war auch einer
der «quatuor semina frigida minora». In einer Österreich. Taxe 1776 findet sich
Infusum «seu sanguis Cichorii simplex», gemeiner Cichoryaufguss oder Cichoryblut
(Pruys). Die Präparate der Wurzel sind besonders in Frankreich beliebt (s. Hartwich-
FiscHER, Pharm. Praxis). Die italienische Pharmakopoee hat sowohl Wurzel, wie
Blätter aufgenommen. Die frischen Blätter (folia cichorii, feuilles de chicoree, succory
leaves) werden, wie die verwandte Endirie , als Salat (barbe de Capucins) und mit
Kresse, Gartenlattich, Fumaria zu Kräutersäften (suc d'herbes) bei sog. Frühlingskuren
benutzt. Die trockenen bilden einen Bestandteil des Sirop d'Erysimum comp., sowie
des Sirop de rhubarb comp. (Hartwich-Fischer, Pharm. Praxis I, 828). Schon
bei CoRDUS steht ein Syr. e cichoreo und ein S}rupus de Cichoreo cum Rhabarbaro
Nicolai Florentini.
Wegwart steht auch in der Liste der KNEIPP-Mittel als Diuretikum und Magen-
mittel — der Saft der Pflanze dient bei der «Blutreinigungskur». Äußerlich werden
Kissen bei schmerzhaften Entzündungen empfohlen.
Geschichte. Der Wegwart oder die Wegwarte ist eine alte germanische Zauberpflanze.
«Um die Wegwarte ranken sich noch heutzutage Vorstellungen, die jener uralten Lust, die
Pflanze zu vermenschlichen, sie mit dem Menschen gleichzusetzen, entspringen» (Aigremont),
So heißt es in Vintlers Blumen der Tugend (1411); «Die begwart sey gewessenn aine
frawe czart und wart jrs pullen noch mit schwerzen». Auch ihr Name «Verfluchte Jungfrau»
deutet auf ähnliche Vorstellungen. Sie dient denn auch beim Liebeszauber. TheophraST be-
spricht (Hist. plant. VII, 11) die Cfclwrieti im allgemeinen [xa Ss xr/OQKÜSrj nävia). Horaz
nennt sie als Nahrungsmittel: «me pascunt olivae me cicorea levesque malvae». Plinius
bespricht beide Intubi, den wilden (Cichorium Intybus, in Ägypten, wo sie offenbar sehr ge-
schätzt wurde (I, S. 464), Cichorium genannt) und den zahmen (C. Endivia, in Ägypten Seris
2o6 Inulindrogen.
genannt). Beide wurden kultiviert. Plinius erwähnt, wie Dioskurides, bereits die Anwendung
des Saftes bei Augenleiden, die wir auch noch in dem alten Verse; «Das edle Kraut Weg-
warten macht guten Augenschein» (Jacob Meyi-\nd um 1600) und bei Ibn Baithar, der die
Pflanze hindabS nennt und ihr ein grolSes Kapitel widmet, wiederfinden. Dioskurides nennt
die Pflanze seris (orsvöifvXkoi; xal (fiTitx^og a^Qti;) und unterscheidet die wilde picris, auch
Cichoric' genannt, von der zahmen Gartencühorir, von der er zwei Arten kennt. Er weiß mancherlei
über ihre Heilkraft zu berichten, besonders bei Magenleiden.
Lit. Pharmacographia indica. — Pruys, Über d. therapeut. Wert von usw. Cichorium.
Pharm. Zeit. 1896.
Cichorienkaffee. Cichorium Intyhiis wird in ziemlich beträchtlichem Umfange zur Herstel-
lung des Cichorienkaffee kultiviert in Mitteldeutschland (Magdeburg, Braunschweig), dann bei
Freiburg, Ludwigsburg und Heilbronn, in Belgien und Nordfrankreich sowie in Indien. C. 1 1 000
Hektar werden jetzt jährlich mit Oi/w/Yf bebaut. 1909 bestanden c. 500 Cichorienfabriken. Davon
c. 100 in Deutschland. Der jährliche Konsum Europas übersteigt 20 Mill. Pfund. Der Verbrauch
an C. beträgt in Deutschland 1,85 kg pro Kopf und Jahr (Kaffee: 2,38 kg). Zur Bereitung des
Cichorienkafl'ee werden die Wurzeln gewaschen und — oft unter Zusatz von Fett — in offenen
oder geschlossenen Darren oder rotierenden Rösttrommeln gedörrt. Die ziemlich hygroskopische
gebrannte Cichorie wird meist mit Wasser oder Sirup vermischt und in Formen gepreßt. Über
die Bestandteile der ungerösteten Wurzel vgl. oben S. 204.
Der Gehalt an wasserlöslichen Bestandteilen schwankt bei der gerösteten Handels-
cichorie besonders infolge verschiedener Rösttemperatur (Korn.\uth) sehr, das Wasserextrakt
von 60,2 — 85,5 °/„, der Zuckergehalt von 8,2 — 23,3 "/(,. Als Mittel von zahlreichen Analysen gibt
KÖNIG folgende Prozentzahlen für geröstete Cichorie an: Wasser 11,76, Stickstoff-
substanz 7,35, Ätherextrakt 2,48, Zucker 17,46, Karamel 12,74, Inulin 6,61, sonstige
stickstof freie Extraktstoffe 26,58, Rohfaser 10,03, Asche 4,99, Wasserextrakt 63,33.
Deutschland importierte 1909: Ii2788dz Cichorienwurzeln, fast alles aus Belgien,
etwas auch aus den Niederlanden, und exportierte 20605 dz, besonders nach Österreich-Ungarn.
Gebrannte Cichorien importierte Deutschland 1909 22773 dz, besonders aus Frankreich. Deutsch-
land produzierte 1907 für 5,75 Mill. M., Österreich 1906 für 3,73 Mill. Kr. (Hueppe). Frank-
reich führte 1908 ungeröstete Cichorie 1453 Quintal. ein, besonders aus Belgien, wenig aus
Italien und Algier; geröstete Cichorie 42721 Qintal., fast ganz aus Belgien.
Zur Unterscheidung von Cichorien- und Löwenzahnkaffee dienen die Gefäße, die bei
Taraxactim bis 80 mik weit und mit schmalen, langgestreckten Tüpfeln versehen sind. Die Ge-
fäße bei Cichorium sind bis 50 mik weit, die Tüpfel rundlicher (Hartwich). Über weitere
Cichoriensurrogate (besonders Rübenkaffee aus Rübenschnitzeln) vgl. Moeller-Winton , Mikro-
skopie, VOGL, Nahrungs- u. Genußmittel, Fischer-Hartwich, Pharm. Praxis.
Geröstete Cichorienwurzel wurde schon vor Bekanntwerden des Kaffees als Genußmittel
benutzt (Hartwich). Alpini vergleicht den Kaffee direkt mit Cichoriendecoct. Doch scheint
der Brauch keine weite Verbreitung gefunden zu haben. Im XIX. Jahrh. wurde geröstete
Cichorie zuerst .von Timme in Arnstadt benutzt. Major von Heine und C. G. Förster führten
1763 den Cichorienkaffee ein und nahmen 1770 ein Privilegium für den Anbau und den Ver-
trieb der Wurzel in Preußen (Moeller). Die ersten Kulturen befanden sich bei Berlin, Breslau
und Magdeburg. 1790 — 1797 entstanden dort 14 Fabriken des '; Preußischen Kaffee» (Hartwich).
Cichorie ist das älteste und noch jetzt verbreiletste Kaffeesurrogat. Als Kaffeesurrogat wurde
die geröstete Wurzel seit 1690 in Holland benutzt, in Preußen bürgerte sie sich namentlich
durch die Bemühungen Friedrichs des Grossen ein, der alle Kaffeesurrogate begünstigte (I,
S. 1024), in Frankreich seit 1771 (Dorveaux).
Lit. KÖNIG, Nahrungsm. — Schulze, Landw. Vers. Stat. 1866, 203. — von Bibra,
Der Kaffee u. seine Surrogate. 1858. — Has.\ll, Foods, its adulteration and the methods for
their detection. London 1876. — F. Hueppe, Unters, über Zichorie 1908. — Nicolai, Der
Kaffee u. seine Ersatzmittel. 1901. — Boehnke-Reich, Der Kaffee u. seine Bezieh, z. Leben.
1885. — Trillich, Die Kaffeesurrogate. München 1889 u. 1892. — Hartwich, Die menschl.
Genußmittel. 19 10. — Wolff, Ann. chim. anal. 1899. — Krauch, Ber. d. d. ehem. Ges. 1878,
II, 277. — Zahlreiche Cichorienanalysen bei König, 4. Aufl. I, 997. — Vogl a. a. O. —
Moeller a. a. O. usw.
Rad, Taraxaci.
Rad. Taraxaci,
207
Syn. Löwenzahn-, Pfaffenröhrlein- Wurzel — racine de dent de lion, pissenlit
(franz.) — dandelion root, blowball, cankerwort (engl.) — paärdebloemwortel (holl.)
— gA'ermeklänczfu gyo'ker (ung.) — git^a JciXQa(päxriq (n.-griech.) — radice di taras-
saco (ital.) — in Indien: dudhal, baran, kanphiil.
Einige der sehr zahlreichen deutschen Volksnamen s. unter Etymologie. — Mhd. : Pi-
pawe, Säuschnabel, — mnd.: Pympanne , Soege- oder Sundistel. — Im Mittelalter: Corona mo-
nachi, custos hortorum, dens leonis, rostrum porcinum, solsequium minus, aphaca.
Bei Simon Seth : (päxtj — bei Matthioli auch : Dens caninus, ambugia, ambuleia (auch
für Cichorium!), bei Gesner: Hieracium minus.
Stammpflanze und Systemat. Stellung. Taraxacum officinale Weber (in
WiGG. Prim. Fl. Hols. 56) [Taraxacum officinale (Withering) Wiggers, Taraxacum
Taraxacum (L.) Karstens, T. vulgare Schrank, T. Dens leonis Desf., Leontodon
Taraxacum L., L. vulgare Lam., L. officinalis With., Hedypnois Tara.xacum Scop.].
Die Pflanze variiert: a) genuinum Koch [Leontodon Tara.xacum Pole.), b) Tarax.
glaucescetis M. B., c) 7^ comiculatum De, d) T. alpinum Hoppe, e) T. taraxoides
Hoppe, f) T. lividum W. K., [T. pahistre Sil.), g) 7! leptocephalum Rchb.
Compositae, Cichorieae — Crepidinae.
Etym. Taraxacum ist wohl aus dem Arabischen: tarachakün, tharachschakuk (so bei
Ibn Baith.'^.r) tarakshagan, tarascon (= eine Art wilder Cichorie), pers. : tarkhaskqun (so bei
Ibn Sina) umgebildet und dies aus dem Griechischen rapag/? (= eine Augenkrankheit) und
dxeofiat (== heilen) entstanden, da alle sog. Cichorien, zu denen auch Taraxacum gerechnet
wurde (in Graubünden und in Salzburg heißt noch heute Tara.xacum: Cichorien, in Bern:
wilde Wägluege), Augenheilmittel waren (s. Cichorium). Bei BoCK heißt T. auch Augenwurzel.
Andere leiten das Wort von TUQaaattv (= stören) ab und bringen es in Beziehung mit der
abführenden "Wirkung; noch andere von XQa^vvov oder xqÖ^vvov {== "Wilder Lattich). — He-
dypnois von 7]6vq = süß und nvtvßa = Atem. — Leontodon aus Itwv (= Löwe) und
oöovq (= Zahnl wegen der eigenartig gezähnten Blätter (daher auch der engl. Name hawkbil ^
Habichtsbiß). Wurde zunächst in dens leonis (so im Ortus sanitatis, in der Alphita und in den
mittelenglischen Medizinbüchern, in der Alphita auch: doloroune) und dann in alle anderen
Sprachen übersetzt: Lewenzahn, Löwenzehe (deutsch, so bei Bock) — dent de lion, Liondent
(franz.) — dandelion (engl., in Meddygon Myddfai [XIIL Jahrh. I, S. 683] : dent y llew).
— Kettenblume (holl. Kettingbloem), weil die Kinder aus den ineinander gesteckten hohlen
Stengeln Ketten bilden. — Pustblume, weil die Kinder sich durch Abblasen der reifen, mit
Flugapparaten versehenen Früchte belustigen (K.\nngiesser). — Mönchshaupt, Pfaffen-
oder Mönchsblatten (so bei FuCHS, im Gothaer Arzneibuch (I, S. 680): papenplatte; in den
mittelenglischen Medizinbüchem: Capud monachi, franz.: Couronne de moine) wegen des Aus-
sehens des kahlen, von den Früchten befreiten Rezeptakulums. — Luchten, Lichter, Lampen
wegen der Blütenstände. — Milchbluome, Milchdistel, Milchrödel wegen des Milchsaftes. — Wegen
der diuretischen Wirkung: Seichblume, Pissblume (bei M.\tthioli und Angüili.ae.\: pisciain-
letto, franz.: pissenlit, holl.: pis in t'bed, pissebloem). Verächtlich wegen der großen Häufig-
keit und Lästigkeit: Knotenblume, Säublume (in der Schweiz), Kuhblume, Schäfchenblume,
Pferdeblume (paardenbloem), Hundeblume (holl. hondsbloem, franz. pissechien), Lusblom. —
Butterblume, Ankeblume, Dotterblume (so bei BOOK) wegen der gelben Farbe. — An den hohlen
Stengel erinnern Bezeichnungen wie: Röhrlinkraut (bei Gesner, Hort, germ.), Pfaffenröhrlein. —
Erotische Beziehungen verraten: Pampelblurae, Bumbaumel u. and.
Beschreibung der Pflanze. Die Pflanze ist über die ganze nördliche Halb-
kugel bis in die arktische Region verbreitet und in vielen Gegenden ein lästiges Un-
kraut der Äcker, Wiesen und Gärten. Sie findet sich ebenso in Europa wie in Nord-
afrika, in Vorderasien, Persien, Himalaya, Indien, China, wie auch, wohl dorthin
2o8
Inulindrogeii.
verschleppt, in Nordamerika und geht nach Norden bis Grönland, Island und Novaja
Semlja und weit hinauf auch ins Gebirge.
Der Habitus der perennierenden Pflanze wechselt etwas nach dem Standort.
Die arktischen und Gebirgsformen {T. paltistre De. und T. iiiidum |ord.) sind z. B.
kleiner. An trockenen Standorten bildet der Löwenzahn eine horiz(3ntal ausgebreitete
Rosette tiefgesägter derber
Blätter, an feuchten, zwi-
schen hohem Gras, richten
sich die dann nur schwach
gezähnelten großen , zarten
Blätter vertikal auf. Die lange,
oft tief (5 dem und mehr)
in den Boden dringende,
meist einfache Wurzel trägt
ein kurzes, bisweilen mehr-
köpfiges Rhizom (Grund-
achse) (Fig. 75). Die lanzett-
lichen, kahlen oder wolligen
Laubblätter bilden einegrund-
ständige Rosette. Ihr Rand
istschrotsägeförmig ( « Löwen-
zahn»). Die Pflanze hat keine
Winterruhe. Sie treibt auch
über Winter Blätter. Daher
fehlen die Knospenschuppen.
Als Schutz der jungen Blätter
mögen vielzellige Haare die-
nen, die in großen Mengen
von deren Oberhaut gebildet
werden ( A. Meyer, Karsten-
Oltmanns). Die Vielköpfig-
keit wird dadurch erzeugt,
daß nach Absterben des End-
sprosses in den Achseln der
oberen Blätter seitliche Knos-
pen sich entwickeln. Die
Stengel sind kahl. Sie tragen
keine Blätter, sondern an
der Spitze nur ein Blüten-
körbchen, dessen Hüllblätter
lineal sind, die äußeren abwärts gebogen. Sämtliche Blüten des Körbchens sind herma-
phrodite Zungenblüten, von goldgelber Farbe, mit einem Pappus (Kelch) am Grunde
der Kronenröhre. Abends oder bei regnerischem Wetter schließen sich die Körbchen.
Der zwischen Fruchtknoten und Pappus liegende Teil verlängert sich, wenn die Krone
abgefallen ist, und so sitzt der sich horizontal ausbreitende Haarkranz schließlich
mit langem Stiele, der dreimal so lang ist als die Frucht, dieser auf. Die Pappus-
teile der einzelnen Früchte orientieren sich zu einer Hohlkugel, so daß das reife
Fig. 75-
Taraxaciitn officinale.
bl basale Blattrosette, rh Rhi/.om, hw Hauptwurzel, w Nebenwurzeln.
[Aus Karsten-Oltmanns, Pharmakognosie.]
I
Rad. Taraxaci. 20Q
Körbchen rund ist. Die lineal-keilförmigen, gerippten, hellbraunen Früchte lösen sich
zur Reifezeit leicht vom kahlen, weißen Fruchtboden, der wie eine Glatze aussieht
(«Pfaffenplatte»), ab und werden, da der Pappus als Flugorgan dient, wie Luftschiffe,
auf weite Strecken hin getragen, was wesentlich zur Verbreitung der Pflanze beiträgt.
Bei Taraxacum findet sich Parthenogenesis.
Die frische Wurzel ist braungelb, fleischig und milcht stark beim Verletzen. Sie
schrumpft beim Trocknen beträchtlich. Die trockene Wurzel milcht nicht. Die frische
Wurzel bricht leicht, ist daher schwer auszugraben.
Der bald mehr süßliche, bald mehr bittere Geschmack tritt in sehr verschiedener
Weise hervor je nach dem Entwicklungsstadium, der Einsammlungszeit und, wie
FlÜckiger meint, auch der Bodenbeschaffenheit. Während die Wurzel (wie überhaupt
die ganze Pflanze) im Frühjahr reich an Milchsaft ist, ist sie im Herbst reich an Inulin.
Das deutsche Arzneibuch schreibt die im Frühjahr vor der Blütezeit zu sam-
melnde Wurzel samt den Blättern vor (auch die Japanische Pharmakopoee 1907 hat
Rad. taraxaci cum herba), die österreichische Pharmakopoee läßt die Blätter im Früh-
jahr, die Wurzel im Spätherbst sammeln, die schweizerische nur die Wurzeln, diese
im Spätherbst.
Taraxacum wird in Indien in den Nordwest-Provinzen, besonders bei Saharanpur
für die Government sanitary etablishments angebaut. Wir benutzen nur die wild-
wachsende Pflanze, die in größeren Mengen z. B. in Thüringen gesammelt wird, aber
auch in der Schweiz das gemeinste aller Unkräuter ist. Osterreich exportiert Rad.
taraxaci (Mitlacher).
Lit. Abbild.: Berg-Schmidt, Atlas t. 8 (dort die Aorist. -Literatur), Pabst - Köhler,
t. 5 und Bentley-Trimen, Medicinal plants t. 159. — Gn,G, Pharmakogn. 360. — Karsten-
OltiiL\nns, Pharmakognosie. — Gideon Weidemann, Beitr. 2. Morphol. d. perennier. Gewächse.
Diss. Marburg 1871. — Schübeler, Pflanzenwelt Norwegens. 1875. — Alice Henkel, U. S.
Dep. Agric. 1906, Nr. 89. — Eberle, Proc. Am. ph. assoc. 1905. — Holmes (Stammpflanze).
Pharm. Journ. 1900, 65, 419. — Die Morphologie ausführlich in A. Meyer, Drogenkunde. —
Einsammlung: Elborne and Wilson, Pharm. Journ. (3) Nr. 773.
Pathologie. Auf den oberirdischen Teilen von Taraxacum officinale sind zahlreiche
Parasiten bekannt, z. B, Olpidiuni simulans, Synchytrium Taraxaci, Sphaerotheca Humuli, Puc-
cinia Taraxaci, P. vartabilis, die Aecidienform von Puccinia sitvatica u. a., doch dürften die-
selben kaum in wesentlicher Weise die unterirdischen Teile schädigen. Auf letzteren wird
Torula rhizophila CoRDA subsp. Taraxaci Desm. angegeben (Ed. Fischer).
Über die tierischen Schädlinge berichtet Israel: Auf Löwenzahn lebt eine große An-
zahl von Schmetterlingsraupen. Der Lepidopterologe benutzt daher Löwenzahn als eine Art
Universalfutter. Fast alle polyphänen Raupen, namentlich eine große Anzahl von Eulenraupen,
nehmen in der Gefangenschaft gerne Löwenzahn als Futter an. In der Natur findet man auf
dieser Pflanze viele Raupen, die nur wohl gelegentlich die Blätter als Futter annehmen, aber
auch gerade so gern alle möglichen anderen Pflanzen annehmen. Es seien nur einige erwähnt.
Zygaena Filipendnlae L. auch an 'TrifoliumdiTitn usw. Bombyx trifolii W. V. Bombyx rubi L.
Crateronyx dumi L. Crateronyx taraxaci W. V. Dasychira fascelina L., Spilosoma mendica Cl.,
Spilosoma luctifera W. V., Spilosoma fuliginosa L., auch an allen möglichen anderen Pflanzen.
Mehrere Xemeophila- und ^rtY/ararten leben u. a. an Löwenzahn, Mania maura L. auch an
Erlen, Weiden, Epheu, Berberitze usw. Hadena porphyrea ESP., Orthosia humilis W. V. Ma-
mestra dentina W. V., J/. albicolon Hbn., jM. leucophaea W. V. , M. serena W. V. Mehrere
Agrotis- und /"oAr/arten leben an Taraxacum, ferner einige Cncullia- und Orrhodia- und Hadena-
arten usw. usw. Unter den Spannern sind es besonders Acidalia- und Cidaria2.xK.fa, die die
Blätter von Taraxacum fressen.
Die Droge unterliegt, wie die anderen Inulinwurzeln , sehr dem Wurmfraß {Anobium
paniceutn u. and.). In ihr findet sich bisweilen Tinea zeae , die indische Mehlmotte (JaCKSOn).
Tsch irch , Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 14
no
Inulindiogen.
/y'-'»
Beschreibung der Droge. Taraxacum gehört zu den tiefwurzeligen Pflanzen
(s. obenl Die ^\^^rzel ist spindelförmig, graubraun, grob-längsrunzlig mit nur wenigen
oder keinen Nebenwurzeln besetzt, einfach oder wenige Fasern bildend und oben
einen rundlichen, querrunzlichen Wurzelkopf (Rhizom) tragend. Dieses Rhizom ist
meist nur kurz (Fig. 76, rh). Doch findet man bisweilen, wenn die Pflanze z. B. beim
Umackern des Bodens mit Erde bedeckt worden war, längere gestreckte. Ältere Achsen-
stücke sind bisweilen durch tiefgreifende Peridermbildung in mehr oder weniger zahl-
reiche netzförmig miteinander zusammenhänge Stränge gespalten (A. Meyer).
Nach dem Aufweichen quer durchschnitten zeigt die Wurzel eine breite Rinde,
die mindestens den Diurchmesser des Holzkörpers besitzt, in der man schon mit bloßem
1 2 Auge, besser mit der
Lupe, zahlreiche
konzentrische Zo-
^ nenbemerktFig.(76,i),
die durch Gruppen von
Milchsaftschläuchen
und Siebröhren gebil-
det werden. Der gelbe
marklose, undeutlich
strahlige Holzköqjer ist
entweder regelmäßig
als solider Zentralzylin-
der entwickelt oder,
und dies besonders
gegen die Wurzelbasis
hin und bei dickeren
Wurzeln, unregelmäßig zerklüftet (Ph. helv. Ed. IV). Die beiden primären Markstrahlen
sind bei dünnen Wurzeln deutlich. Das Lupenbild des Rhizomquerschnittes (Fig. 76,2)
zeigt ein zentrales Mark, einen darumgelegten Kreis von Gefäßbündeln und in der
breiten Rinde die gleichen konzentrischen Zonen wie die Wurzel. Da und dort sind
Blattspurstränge sichtbar. Am Rliizom findet man die Ansätze der tiefst inserierten
Blätter oder deren Narben. Da der Wurzel mechanische Elemente fehlen, bricht sie
gerade-kömig.
Die Angabe Schrenks (Jahresb. Pharm. 1887, 67), daß die Tara.\acumv.'\n:z&\
Mark enthalte, beruht auf einem Irrtum. Er hat wohl den Rhizomteil mit der Wurzel
verwechselt.
Die oben noch die Blattrosette tragende Wurzel ist unter der Bezeichnung
Rad. taraxaci cum herba im Handel.
gth
Fig. 76.
Taraxacum officinale.
Lupenbild des Wurzel-Querschnittes. 2. Lupenbild des Rhizorn-Querschnittes.
[Nach Tschirch-Oesterle, Atlas. 1
Lit. Bentley, On the characters of Dandelion root and the means whereby it niay be
distinguished from other roots (einiger Kompositen). Pharm. Journ. XVI, 1856/57, 304 (mit
Abbild.).
Verfälschungen. Giles fand (1851) in der Droge die Wurzeln von Apargia
hispida. Als Verfälschungen werden auch genannt Rad. cichorei (Rusby, s. oben S. 204)
und die Wurzel von Rumex crispm. Die mikroskopische Untersuchung läßt diese Bei-
mischungen leicht erkennen. Keine der genannten Wurzeln zeigt die konzentrische
Zonung der Rinde. Die Rinde ist bei Cichorium radial gestreift.
i
Rad. Taraxaci.
211
Lit. GiLES, Root of rough hawkbit (Apargia hispida) substituted for Taraxacum. Pharm.
Journ. XI, 1851/52, 107.
Anatomie. Der primäre Bau der Wurzel, der an zarten Nebenwurzeln der
Droge vom Durchmesser 0,12 — 0,20mm noch kenntlich ist, ist diarch (oder triarch).
Die primäre Rinde ist nur 2 — 5 Zellreihen dick. Sie führt Milchröhren, ebenso wie
die primären Siebteile. Frühzeitig geht der primäre Bau in den sekundären über
Schon 0,25 mm dicke Wurzeln zeigen sekundäre Gefäße, die weiter zu sein pflegen
als die primären, und bei einer 0,5 mm dicken Wurzel ist der Cambiumring kreis-
förmig geschlossen. Die primäre Rinde bleibt oft lange erhalten. Meist wird sie erst,
wenn die Wurzel mehrere Millimeter dick ist, abgeworfen. Die dicke Hauptwurzel,
Fig. 77-
Taraxacitm officitiale,
Querschnitt durch die Wurzel ara Cambium (c), sb Siebröhren,
obl obliterierte Siebröhren, m Milchröhren, g Gefäße, hp Holz-
parenchym. [Aus Tschirch, Angewandte Anatomie.]
Fig. 78.
Taraxacutn officinale.
Milchröhrensj'stem der Wurzel.
[Nach Tschirch-Oesterle, Atlas.]
aus der die Droge vornehmlich besteht, ist außen von mehrreihigem Pericambialkork
bedeckt. Die sekundäre Rinde besteht zur Hauptmasse aus vom Cambium her sehr
regelmäßig in Radialreihen angeordnetem Phloemparenchym, dessen dünnwandige Zellen
in die Länge gestreckt, alle gleichlang und gleichhoch sind und daher auch auf dem
Längsschnitt in regelmäßigen Radialreihen liegen. In der sekundären Rinde liegen, ein-
gebettet in das Rindenparenchym, 10 — 30 konzentrische Kreise kleiner Gruppen, die
aus Siebröhren und Milchröhren bestehen (Fig. 79). Die letzteren gehören zu den
gegliederten Milchröhren, wie sie für die Cichoraceen charakteristisch sind. Sie bilden
ein in tangentialer Richtung anastomosierendes Netz (Fig. 78), das, sobald eine Stelle
desselben bei der frischen Wurzel durch das Messer verletzt wird, seinen ganzen In-
14*
J 12
Inulintlrogen.
halt ausfließen läßt. Der dabei reichlich austretende weiße Milchsaft wird bald schwarz-
braun. Bei der Droge ist der Inhalt, der sich mit Alkannin-Essigsäure färbt und neben
Eiweiß auch den Bitterstofif (Taraxacin) und die Gutta (Taraxacerin) erthält, jedoch
geronnen und selbst relativ resistent gegen Alkohol geworden. Die Milchröhren be-
sitzen eine Weite von 12 — 22 mik. Nie anastomosieren die Milchröhren zweier Zonen,
stets nur die derselben in tangentialer Richtung. Bei einer 4,5 mm dicken Wurzel zähle
ich Ol bei einer 6 mm dicken 1 4 Kreise. Durch dieselben bekommt die Rinde ihr
charakteristisch gezontes Aussehn. Die Siebröhren und die Milchröhren sind etwa
gleich weit, beide etwas enger als das umgebende Phloemparenchym. Die Milchröhren
prävalieren bei weitem, so daß sie die eigentlich leitenden Organe der sekundären Rinde
sind. Sie sind häufig mit Ausstülpungen versehen (Fig. 78), an denen sie oft durch
Resorption der trennenden Wände miteinander verschmelzen. Ihren körnigen Inhalt
kann man sich sehr schön sichtbar machen,
indem man die frische Wurzel in Alkohol
legt und die Längsschnitte mit Jod tingiert.
Bei dieser Behandlungsweise erhält man
auch das in der Wurzel in reichlicher Menge
im Zellsaft gelöst enthaltene Inulin in
prächtigen Sphaerokristallen (Fig. 74), Ag-
gregaten zierlicher oft dentritisch verzweigter
Nadeln und isolierten verzweigten Nadeln
auskristallisiert, besonders schön in den
großen Phloemparenchymzellen. Rinden-
strahlen sind in der Rinde nicht zu erkennen
(Fig- 77)-
In dem zentralen Holzkörper sind
Markstrahlen nicht zu sehen. Die Bildung
des sekundären Holzes erfolgt also regellos
und nicht strahlig, oder doch wenigstens
sehr undeutlich strahlig. Zwischen den dicht
gedrängten leiterartig oder netzleistenförmig verdickten (Fig. 79), 10 — 45 mik. weiten,
im Längsverlauf schwachgeschlängelten, im Querschnitt eckig konturierten Gefäßen
liegen schmale Holzparenchymbänder. Im Zentrum des Ganzen sieht man bisweilen
noch die englumigen primären Gefäße.
Im äußeren Teile der sekundären Rinde sind die Milchröhren spärlicher, auch
weniger regelmäßig angeordnet. Die Milchröhren werden von Siebröhren begleitet,
deren Glieder etwa so lang sind wie Phloemparenchym- und Cambiumzellen. Bei
den Sieb- Milchröhren- Gruppen der Rinde bemerkt man Pektinisierung der Mittel-
lamellen. Die Phloemparenchymzellen zeigen bei Behandlung mit Chlorzinkjod oft
eine feine Streifung, machen also den Eindruck von Ersatzfasern. Sie enthalten im
Zellsaft gelöst das Inulin (s. oben S. 201), sehr selten Stärke.
Innerhalb des mehrreihigen Cambiums liegt der Holzkörper, der zu innerst
noch wenige zarte primäre Gefäße erkennen läßt. Die sekundären liegen ziemlich
unregelmäßig eingebettet in Holzparenchym und zarte Ersatzfasern (Fig. 7g). Sekun-
däre Markstrahlen treten nicht deutlich hervor — nur bei jüngeren Wurzeln zwei breite
primäre (Fig. 76, i ). Die engsten Gefäße sind spiralig verdickt, die weiteren zeigen
Leiter- und Netzleistenverdickungen.
Fig. 'g-
Taraxacuni ofßcinale.
Aus dem Längsschnitt durch die Wurzel, s Siebröhren,
Mi Milchrührc, gf Gefäße, Er Ersatzfaser.
[Nach Tsch irch - Oeste rle, Atlas.]
Rad. Taraxaci. 21^
Die Nebenwurzeln zeigen deutliche Heterorhizie (Tschirch): Ernährungs-
wurzeln und Befestigungswurzeln. Letztere besitzen einen zentralen Libriformzylinder.
Das Rhizom besitzt die gleichen Elemente, jedoch ein mehr oder weniger
großes Mark (Fig. 76, 2).
In der Stärkescheide der ßlätter findet sich Stärke. Milchröhren treten auch in
die Blattnerven höherer Ordnung ein. Die Blätter tragen 6 — 8 zellige, dünnwandige,
oft kollabierte Haare und an den Rippen der Blattunterseite mehrzellige Borstenhaare
mit spornartig ausgebogenen Enden (Zornig).
Lit. Hanstein, Milchsaftgefäße 1864, Taf. IX. — Dippel, Entsteh, d. Milchsaftgefäße.
Rotterdam 1865. Taf. V. — DE Barv, Anatomie S. 489, 519, 533 u. 540. — Fr.üCKiGER-
TscHiRCH, Grundlagen. — Arthur Meyer, Wissensch. Drogenkunde (hier die Anatomie aus-
führlich). — VOGL, Interzellulars. u. Milchsaftgef. in der Wurzel d. gemeinen Löwenzahns.
Sitzungsb. d. Wien. Akad. 48 (1863) u. Beitr. z. Kenntn. d. Milchsaftorg. d. Pfl. Pringsheijis
Jahrb. 5. und Nahrungs- und Genußm. — Tschirch-Oesterle, Atlas. — Thouvenin, Contribut
ä r^tude anatom. des racines de la fam. des Composees. These Nancy 1884 avec 6 tabl. —
Hor.FERT, Primäre Anlage d. Wurzeln. Arch. Ph. 1889, 481. — ZORNIG, Arzneidrogen 1909,
— ScHRENK, Amer. Drugg. 1887. — Dohme, Drug. Circ. 1897, 178. — Pulver: Kraemer,
Proc. am. pharm, assoc. 1898, 305. — Anat. Abb.: Planchon-Collin, Les drogues simples II,
Fig. 647, MOELLER-WiNTON a. a. O. und T.schirch, Angew. Anatomie, Fig. 601.
Chemie. Der Hauptbestandteil der Rad. taraxaci ist das Inulin, von dem
RuNDQUisT (1904) bis 39,65*'/o fand (die Angabe von Sayre, der 79,02 "Jq (!) Inulin
gefunden haben will, beruht wohl auf einem Fehler der Bestimmungsmethode). Koch
fand i5,6°|o in Handelsware, in selbst gegrabener 5,2°/(), neben c. i "Iq Saccharose,
0,46 "/q Glukose, Harz und Schleim. Die Löwenzahnwurzel ist, wenn wir auf das
Inulin abstellen, im Spätherbst zu sammeln, da sie zu dieser Zeit am reichsten an
Inulin ist. Eine im Oktober gegrabene Rad. taraxaci enthielt 24,3 "Iq, eine im März
gesammelte 1,7 "/o Inulin (Dragendorff).
An Stelle des Inulins tritt im Winter bisweilen Stärke (Dippel), im Frühjahr ein
Zucker (bis 17 %) und etwa ebensoviel Lävulin auf.
Junge Wurzeln des Löwenzahn enthalten bis zu 20 ''Iq des nicht süßen, optisch
inaktiven Lävulins (CeHjQ05)n (Synanthrose oder Inulose, Lefranc, Popp,
Dragendorff, vgl. S. 218).
Der Zucker scheint zur Zeit der kräftigsten Entwicklung der Pflanze in größter
Menge gebildet zu werden und gegen den Herbst abzunehmen, im Winter aber wieder
reichlicher aufzutreten, da die Wurzel nach den Winterfrösten wieder süßer schmeckt
als im Herbst. Fetter Kulturboden begünstigt die Zuckerbildung (Dragendorff).
Die Zellwand beträgt 23,1 "/g des Gewichtes, davon sind Hemizellulosen i3,7''|o
und Zellulose 9,4 "/o (Albert Kleiber). Storer fand bei der Hydrolyse Mannose.
Die Membranen enthalten also ein Mannan.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die frische stark milchende Wurzel, besonders
wenn sie noch die Blätter besitzt (s. oben), eine ganz andere Wirkung hat wie die
getrocknete, die wir übrigens als Rad. tara.xaconis erst in einer Taxe von Hamburg
1587 finden (I, S. 818) und die lange nicht so bitter ist, wie die frische. Der bittere
Geschmack tritt vor und nach der Blütezeit am kräftigsten hervor, und besonders
bei Pflanzen, die auf magerem Boden wachsen. Die Extrakte haben daher eine ganz
verschiedene Zusammensetzung, je nachdem sie aus der frischen Wurzel (und dem
Kraut) oder der trockenen Wurzel bereitet und ob sie im März, im Juli oder im
Herbst dargestellt wurden (Widnmann, Frickhinger). Die Extraktausbeute w-echselt
21 A Inulindrogen.
ebenfalls sehr, je nach der Zeit der Einsammlung (Angaben bei PereiraV Der Extrakt-
gehalt der Rad taraxaci beträgt nach Dieterich 19,9, nach La Wall 3 5"!^ (s. unten).
Der frische weiße Milchsaft, der zu einer braunen bröckeligen Masse (Leon-
todonium) gerinnt, ist eine Emulsion aus Eiweiß, Harz und einem guttaartigen (?)
Körper, den man Taraxacerin (CjjHjqO ? Kautschuk Pfaffs?) genannt hat (Kro-
mayer), und enthält auch den wasserlöslichen, kristallisierbaren (Squire, Stoddart)
Bitterstoö", das Taraxacin (Polex, Kromayer), auf den wohl die Wirkung des
Succus recens beruht. Taraxacin und Taraxacerin bedürfen jedoch erneuten Studiums.
Stellen wir auf den BitterstofT ab, so muß die W'urzel im Juli oder im März gesammelt
werden. Das bittere Taraxacin, das Sayre aus dem Chloroformauszuge in Kristallen
erhielt (es kristallisiert aus Aceton), ist zu 0,05 "jq in der Droge erhalten (die bei der
Behandlung des amorphen Taraxacins mit H.jOj entstehende Taraxacinsäure ist Oxal-
säure). Es wird von einem scharfen Stoffe begleitet. Auch das wachsartige Taraxa-
cerin (CgHjsO) erhielt Sayre kristallinisch.
Sayre glaubte (1898) auch 0,002019 eines Alkaloides, Taraxin, gefunden zu
haben. Zwaluwenburg und Gomberg konnten (wenigstens in im Oktober imd
November gesammelten Wurzeln) kein Alkaloid nachweisen, wohl aber einen nicht
alkalisch reagierenden Körper mit Alkaloidreaktionen.
Ob das aus dem Extractum taraxaci bisweilen auskristallisierende. Calcium-
laktat in der Pflanze präformiert ist oder sich erst (aus Zucker, Ludwig) nachträg-
lich bildet, ist noch zu untersuchen. Der besonders in vorgorenen, aber auch in
frischen Auszügen der Wurzel auftretende Mannit [Widnmann (1832), Frickhinger
(1840), T. u. H. Smith (1849)] ist wohl ein erst bei der Verarbeitung auftretendes
Produkt. Hermbstädt glaubte Weinstein (?) gefunden zu haben.
Der in den Blättern, Blüten und Stengeln von Marme gefundene Inosit fehlt
der Wurzel (Stille, Maisch). Doch glaubte ihn Marme auch dort gefunden zu haben.
Der Feuchtigkeitsgehalt beträgt 13,4 "Ig (Nygard).
Die Asche der Wurzel beträgt 7,8 "l^ im Frühjahr, 5,5 "/^ im Herbst (Frick-
hinger). Die im April gegrabene Wurzel lieferte bei 1 00 ' getrocknet nach Flückiger
5,24 "Ig, Nygard 4,85 ''/o Asche (Analyse der Asche bei Sayre 1897). Hauke fand
6,85 — 7,7z''lo; obere Grenzzahl S'^Jq. Die Pharm, austr. fordert für die Blätter höch-
stens lö^lo, für die Wurzel höchstens S'^j^ Asche.
In den Blättern findet sich neben Inosit Schleim, Zucker, Harz (Sprengel).
Im Mai mit Blütenknospen gesammelte Blätter enthielten 2,81 *'|q StickstoflT-
substanz, 0,69 "jo Fett, 7,45% stickstofffreie Extraktivstoffe (Zucker), 1,90 "/q Asche
(Storer und Lewis).
Sayre konnte (1894) keinen Unterschied im Gehalt der Droge an Taraxacin,
Harz und reduzierendem Zucker finden, ob die Pflanze im Hochlande Amerikas oder
in der Ebene gesammelt wurde. Die Septemberwurzel enthält das meiste Ta-
raxacin, die Märzwurzel gibt das meiste Extrakt, die Augustwurzel ent-
hält das meiste Inulin und die Oktoberwurzel das meiste Lävulin (Sayre).
Der als Cichorienersatz verwendete Löwenzahnkaffee enthält 8,46 "/q Wasser
und in der Trockensubstanz: 65,74 "jo wässriges Extrakt, 1,53 "/o Zucker, i8,64''/o
Rohfaser und in der Asche wasseriöslich 3,20 "j^, unlöslich 4 "Jq (Kornauth).
Chemie. jUtere Analysen von Dei.ius (De taraxaco. Erlangen 1754), John (Chera. Unters.
der Löwenzahnmilch. Chem. Sehr. IV u. in Gmelin, Handb. d. Chem. II, 1827) und Squire (Brande,
Dict. of mat. n-.ed. 532). — Pfaff, Syst. d. Mat. med. VI. — Pereira, Elem. of mat. med. —
Rad. Taraxaci. 215
POLEX, Arch. Pharm. 19, 1839, 50, Pharm. Journ. I, 425. — Jürgens, Diss. Dorpat. — Dr.\gen-
DORFFa. a. O. — WiDNM.\NN, Buchn. Repert. 43 (1832), 281. — Frickhinger, Vgl. Analys. der
im Herbst u. Frühj. gesammelten Wurzeln. Rep. 23, 45. Pharm. Jahresb. 1840. — Buchner,
ebenda 1841. — T. und H. Smith (mit Wilson u. Stenhouse), On the extraction of mannite from
the root of Dandelion. Pharm. Journ. 8 (1848/49), 480. — Schweitzer, Chem. News II (Arch.
Pharm. 1861, 380). — Ludwig, Arch. d. Pharm. 107 (1861), 8. — M.^rme, Lieb. Ann. 129 (1864).
— Symes, Pharm. Journ. (3) 10 (1869), 361. — Elborne, Succus Taraxaci. Pharm. Journ. 15 (1884/85)
(dort die ältere Lit.). — Kromaver, Arch. Pharm. 1861, 6 und die Bitterstoffe. 1862. — La
Wall (Extrakt), Amer. journ. pharm. 1896, 7- — Sayre, Amer. Journ. pharm. 1894. 505.
1895, 465, 1896, 518, 1897, 494 und The important constituents of Taraxacum root. Amer. journ.
ph. 1897, 543. — Sayre, Alkaloid constituents of Taraxacum. Proc. Amer. pharm. Assoc.1898,
341. — ZWALUWENBURG und GoMBERG , Amer. journ. pharm. 1899, 500 (Proc. am. ph. ass.
1899, 305). — Stoddart, Pharm. Journ. 1870/71, 882.— Storer und Lewis (1877) bei König
(dort auch weit. Lit.).— Nygard, Pharmac. Notisblad Helsingfors igog. — Rundquist, Farm.
Notisbl. Helsingfors 1904. — Koch, Amer. journ. ph. 1892, 65. — Pharm. Jahresb. 1892, 76.
Bot. Jahresber. 1892 II, 408. — Asche: Röders Handelsber. (Pharm. Post 1905).— Kleiber,
Vers. z. Best. d. Gehaltes einiger Pfl. u. Pflanzenth. an Zellwandbestandteilen, Hemicellulosen
u. Cellulose. Diss. Zürich 1900. — Storer, Chem. Centralbl. 1902, 1155. — Havenhill, West.
Drugg. 1905 jLiteraturübersicht). — Vgl. auch FlÜckiGER-Hanbury, Pharmacographia und
Flückiger, Pharmakognosie.
Anwendung. Der harntreibenden Wirkung wegen (s. oben) nennt schon Lo-
BELius das Kraut Herba urinaria, andere seris (s. oben S. 203) urinaria. Der Saft der
frischen, im Frühjahr gegrabenen ganzen Pflanze ist noch jetzt bei den sog. «blut-
reinigenden-) Frühlingskuren in Gebrauch, galt von jeher auch in Indien schon als ein
Heilmittel bei Leberleiden, und wird auch neuerdings wieder dafür warm empfohlen
(Fyfe 1906). Die Wirkung beruht wohl auf dem Taraxacin.
Taraxacum steht auch in der Liste der Kneipp sehen Mittel als Mittel gegen
Hämorrhoiden, Leberleiden usw. — Der Saft der frischen Pflanze auch gegen Gelbsucht.
In Formosa ist Taraxacum ein Antidot bei Schlangenbissen (Jackson). Auf
Island werden die frischen Wurzeln gebraten gegessen (Schübeler). In England
dienen die jungen Blätter als Gemüse. Die geröstete Wurzel ist ein Kaffeesurrogat.
Hierbei kommt in erster Linie das Inulin in Betracht (s. oben). Dandelion Cocoa
ist ein Gemisch von Extr. taraxaci und löslichem Cacao (Stoddart).
Geschichte. Die Griechen und Römer beachteten die Pflanze wenig. Sie ist vielleicht
das Tisgdiov (Perdikion) des Theophrast (Parkinson, Theatr. Botan.1. Die äipdxrj des Theo-
phrast, DioskurideS und Plinius kann nicht Taraxacum gewesen sein, obwohl ja der Name aphaka
der Pflanze im Mittelalter anhaftete und die Pflanze jetzt in Griechenland ntXQaipdxtj heißt (s. oben
S. 207). Die Deutung von aphake als Vi'cia cracca oder Lat/iyriis aß/iaca erscheinl mir v/ahrsche'm-
licher, denn es steht zwischen lens und pisum. Eher deutet die Beschreibung von Hfdypnoi's als
einer Art Cichorie, die sich bei Plinius findet, auf Taraxacum und dieser Name findet sich auch
unter den Synonymen der Pflanze bei Fuchs (t. 680) und Gesner. Die Araber (Rhazes, Avicenn.a.)
benutzten die Pflanze unter den oben (S. 207) angeführten Namen, aus denen dann Taraxacum
wurde, welcher Name aber erst wieder bei Lobelius und LoNiCERUS auftaucht (Flückiger).
H.\ller benutzte ihn als Genus. Bei Jen BaitHar heißt die Pflanze, die als wilde Cichorie
bezeichnet wird, Tharachschakuk oder Marurijat. Simon Seth (XI. Jahrh.) verbreitet sich
eingehend über ihre Heilkraft. Im Pen ts'ao kang mu (I, S. 519) steht Taraxacum unter den
sanften, schleimigen Pflanzen. Fuchs bildete die Pflanze ab, ebenso BocK. LiNNÄ wählte (1762)
den Namen Leontodon Taraxacum. Der Löwenzahn war der Liebesgötlin Freya geweiht. Sie
wird noch heute (z. B. im Aargau) von den Mädchen zum Liebesorakel und Schönheitsmittel
benutzt. In der Schweiz ist sie Kiltblume. In der Hamburger Apothekerordnung 1587 (I, S. 818)
steht : Rad. taraxaconis.
Paralleldrogen. Als «Substitutes for Taraxacum >> führt die Pharmacographia
indica auf: Lannaea pinnalifida C.\SS., Lactuca Heyneana De, Emilia sonchifolia De,
2 1 6 Inulindrogen.
Sonchus oleraceiis LlXN. , Ec/iinops echmaliis Dt., Dicoma lomentosa Cass., Nolotiia
grandiflora De, Tagetes erecta LiNN., Anaphalis neelgerriana De, Carduus nutans L.
und Calmdula officinalis L. Nach Dymock in Indien auch: Brachyramphus sonchi-
folius De. und Aficrorhynchtts samientosiis De. Nach Dragendorff in China: Taraxa-
atm sinense De. und T. laevigatum De.
Rad. Bardanae.
Klettenwurzel — glouteron, bardane — (franz.) — bur, burdock (engl.) — klis ^holl.) —
— gobo, kitakisu, uma fuki (jap.) — seta koroki (aino) — ta-li-tzu, nin fang (chin.).
Syn. Nach Sprengel (Hist. rei herb.) die dnaiQlvTj des Theophrast (Hist. plant. VII,
14) und das äffxTeiov des Dioskurides. Das aQxxiov im Cod. Constant. ist jedenfalls einArc-
tium (kein Verbascum!) Althd.: bletacha, ehledda, cliba, kletta, kliba, letiche lettecha, pletecha
— mhd.: burres, chledden, clesse, crasse, klaten, klett, klobe, breit ledecha, sunierlatich — rand.:
klive, krotenbleder. Die vielen alten deutschen Namen zeigen, daß die Pflanze diesseits der
Alpen viel beachtet wurde. Im Mittelalter auch : Lappa (z. B. bei Isidor), Lapathum, Personata.
In der Alphit a (I, S. 642) steht: Bardana, Lappa maior, Lappa inversa, clote, burr, gert. Es
wird Lappa major (bardona) von Lappa incisa (agrimonia) und Lappa caprina unterschieden.
Bei Hildegard heißt die Lappa auch cletta. Lappa findet sich bei Albertus Magnus (I, S. 673).
Bardana steht bei CORDUS (I, S. 797), Bardane und Klyve im Gothaer Arzneibuch (I, S. 679).
Stammpflanze und Systemat. Stellung. Arctium L. (Lappa Juss.) Die Gattung Arc-
tium hat vier Arten, die aber aucli nur als Abarten einer Grundform {Arctium Lappa L.?) be-
trachtet werden (Schinz und Keller halten die Arten aufrecht);
Arctium tomentoszim (L.\M.) SchRj\nk (A. Bardana W. , Lappa tomentosa Lam.), Köpfe
doldentraubig, dicht spinnewebig, filzig, innere Hüllblätter mit gerader Stachelspitze, fast strahlend.
Arctium Lappa L. (ex parte. A. ma/us Schrank, Lappa officinalis All., L. major GÄRTN.).
Sehr groß, bis 3 m, Köpfe doldentraubig, Hüllblätter grün, kahl, Körbe wallnußgroß.
Arctium minus Schrank (Lappa ghibra L.\M., L. minor De). Köpfe traubig, Hüllblätter
an der Spitze rötlich, etwas spinnewebig
Arctium nemorosum LEjEUiNE (^Lappa man-ospcrma Wallr., L. tiemorosa KÖRN.) mit ruten-
förmig übergebogenen Zweigen.
Alle liefern Rad. bardanae. Die letztgenannte Art in Mitteleuropa, die drei anderen in
Europa und Asien weit verbreitet, z. B. in Japan, namentlich auf Schutt und in Dorfstraßen, an
Wegen und Hecken häufig, in Nordamerika eingeschleppt. (Abbild, bei Hoffmax.n in EnGLER-
Pr,\:n-tl, Pflänzenfamilien IV, 5, 31g.)
Compositae, Cynareae-Carduinae.
Etym. Lappa (Lapathum) von i.aßiXv (= ergreifen, vielleicht in Beziehung zum kel-
tischen läpp, llap = Hand) wegeu der an den Kleidern festhaftenden Früchte, welche Eigen-
schaft ihr bei den Griechen den Namen (ftXdv&QVJTiOQ (quod vestibus hominum inhaeret ob
asperitatem sagt Isidor) und im Deutschen die Bezeichnung Klette eintrug und wohl auch mit
dem französischen Namen grateron (von gratter = kratzen) und mit der englischen Bezeich-
nung bur (ags. burr, dän. borre) zusammenhängt, das mit borre (ital.) imd börste in Beziehung
gebracht wird. Unwahrscheinlicher erscheinen mir die Ableitungen von >.ä7i)j (== Schleim), ob-
wohl in dem französ. Namen glouteron (glutinosus = klebrig) ähnliches anklingt. — An die breiten
Blätter erinnert: Oreille de giant (= Riesenohr), sowie viele Volksnamen (s. bei Pritzel-
Jessen) und auch im engl, bur dock — aus dem wohl das spätlatein. bardane entstand (?) —
steckt etwas ähnliches: dock, angs. docce ist der Name vieler breitblättrigen Stauden (Kann-
GIESSER). Die Ableitung von Bardana von barda (ital. = Pferdedecke) oder gar von den Barden
(Wittstein) erscheint mir abenteuerlich. — Arctium, uQxtiov wohl von aQxxoq {== Bär) wegen
der wolligen Beschaffenheit. Die Japan. Bezeichnungen seta (= Hund) und uma (= Pferd) bei
Pflanzennamen, wie unser Hundszunge, Roßkastanie usw., halb verächtlich (wegen der groHen
Häufigkeit). — Vielleicht war das kekel (?) der alten Juden (I, S. 489) Klettenwurzel.
Kultur. Die Pflanze wird in Japan in umfangreichstem Maße kultiviert und die Wurzel
als Gemüse von allen Bevölkerungskreisen gegessen. Japan erzeugte 1888: 72Mill. pounds(NlTOBE).
Beschreibung. Die Kletten sind zweijährige Kräuter mit langer spindelförmiger Wurzel
Rad. Bardanae. 2 17
und bis über meterhohen aufrechten ästigen, mehr oder weniger wollig-behaarten Stengeln.
Die großen dicken, am Rande buchtig-gezähnten Blätter sind unterseits mehr oder weniger
weißlich-filzig. Die kugeligen Blütenkörbe besitzen hakenartig gebogene Deckblätter. Die Ein-
schließung der Blüten in den Hüllkelch war schon den Alten aufgefallen. Bei Pliniüs steht
«Notabile et in Lappa quae adhaerescit, quoniam in ipsa flos nascitur, non evidens, sed intus
occultus et intra seminat, velut animalia, quae in se pariunt (.'). Die Wurzel wird im Herbste
des ersten oder im Frühjahr des zweiten Jahres gesammelt. Sie ist fingerdick, dunkelgraubraun,
innen grauweißlich, oft mit schwammig-fädigem Kern und riecht frisch widerlich narkotisch
wie Mohnköpfe (Witt.';tein). Trocken ist sie fast geruchlos und schmeckt fade, schleimig-
süßlich. Oben trägt sie oft einen weißlichen Schopf. Die deutlich strahlig gebaute Wurzel
besitzt im Holzkörper schmale Gefäßstrahlen, Markstrahlen und viel Holzparenchym. In älteren
AVurzeln findet sich Libriform (Zornig). Die Gefäßstrahlen setzen sich nach außen in keilförmige
Sieb-Milchröhrenstrahlen fort. Die Endodermis bleibt erhalten. Im Zentrum findet sich ein
weißes, schwammiges, aus abgestorbenem Zellgewebe entstandenes, sehr zerrissenes, markartiges
Gewebe, sog. «falsches Mark. (Berg). Im zweiten Jahre wird das Gewebe der Markstrahlen
mehr oder weniger zerstört, so daß zuletzt nur noch schwammige Rindenreste und die von den
Holzparenchymresten bekleideten Xylemplatten übrig bleiben (Lürssen). Sie enthält reichlich
Inulin (bis 57% Kellner, 70% Weckixr), 6,32% Zucker (Nygard), 0,065 "/o flüchtiges Öl.
Eine allgemeine Analyse teilte Weckler mit. Er fand 5 "/„ Glukose, 0,4 °/o Fett, Schleim, einen
Bitterstoff, Harz und Gerbstoff. Die frischen Wurzeln enthalten 73,8° „ Wasser, 5,6 "/o Stickstoff,
10,5 % Asche (Nitobe). In den Früchten fand Tkimule ein bitteres Glykosid, Lappine.
Pathologie. Über die tierischen Schädlinge der Pflanze berichtet Israel: Agrotis stig-
viatica HÜBN. : Raupe an Lappa-, Lactuca-, Plantago-, Prinuda-, 6^^?^/«arten und anderen niederen
Pflanzen. Plusia gamma L. : Die Raupe dieser gemeinsten aller Eulen ist polyphag. Auf
Lappaarie-a tritt sie häufig auf. Mitunter auf Kleefeldern und Rübenäckern verheerend. Plusia
jota L. : Raupe auch an Anthemü, Lonicera, J'accimnm, Lamnim-asw. Plusia chrysitis'L,.: Außer
an Lappai.xie.Ti auch an den verschiedensten anderen Pflanzen, Dipsacus pilosns, Urtica, Stachys
usw. Polia flavicincta AV. V. : Raupe an Lappa, Artemisia, Ä?(OT«-arten usw. Polia polymita'L,.:
Raupe meist vereinzelt an Priinula, Lappa und anderen niederen Pflanzen. Polia Chi. L.:
Raupe an vielen Krautgewächsen, als Lappa, Aquilrgia, Galium, Sonchtis, Lactuca usw. Gor-
tyna ßavago W. V,, Ochracca Hb.: Die Raupe dieses schönen Falters lebt in den Stengeln
(einzeln, selten zu mehreren in einer Pflanze) vieler markhaltiger Pflanzen. Sie bevorzugt in
den verschiedenen Gegenden auch verschiedene Pflanzen. In Thüringen lebt sie hauptsächlich
in LappaArltn, sonst auch in Sambticiis, Vcrbasctim, Valeriana, Scrophnlaria, Pefasites, Cirsium,
Carduus usw. Conchylis badiaua L.: In Stengel und Wurzel von Lappaarten usw. Conchylis
posterana Hffg. : Raupe in den Blütenköpfen von Lappa- und Cirsiuniurten, auch in anderen
Kompositen, die Samen ausfressend. Depressaria^tieii : Verschiedene Depressariaatten leben in
den Blütenköpfen und Stengeln von Lappaarten und anderen Kompositen. Parasia Capeila L. :
Die Räupchen dieser Motte leben in dem Blütenboden von Lappaurten und anderen Kompo-
siten, die Samen fressend.
In der trocknen Radix bardanae leben sehr gerne die Larven von Anobium paniceum
und striatum, ferner diejenigen von Ptinus für und Ptinns latro. Durch den Wurmfraß zerfällt
die Wurzel alsbald zu Pulver. Es empfiehlt sich, die durch den Großhandel bezogene Ware,
welche sehr häufig schon mit Käferbrut infiziert ist, erst in einem Holz- oder Blechkasten neben
verdunstendem Chloroform einige Zeit liegen zu lassen, und sodann die absolut trockene Wurzel
in gut schließenden Blech- oder Glasgefäßen aufzubewahren. Diese Vorsichtsmaliregel sei auch
namentlich bei allen Umbelliferenwurzeln empfohlen und bei sonstigen Drogen, die ätherische
oder riechende Stoffe enthalten (Israel).
Anwendung. Die Klettenwurzel ist aus unbekannten Gründen ein altes Haarwuchsmittel.
Das «Klettenwurzelöl» verlangt noch heute das Volk und im Bernischen heißt die Pflanze
Haarballe oder Haarwachswürze. Sollte es sich hier nicht um eine Signatura handeln und die
starke Behaarung der Pflanze sie zu einem Haarwuchsmittel gemacht haben.' Medizinisch wird
sie besonders in Nordamerika als Diureticum, Laxans und Sudorificum benutzt. Rad. Bardanae
ist auch ein Bestandteil des Spec. lignorum, des sog. Blutreinigungstees. Die Samen waren als
Diuretikum und jnach LiNNE, Mat. med.) als Purgans ehedem geschätzt. Auch die Blätter wurden
früher benutzt. Die Klette steht auch in der Liste der Kneipp sehen Mittel und spielen hier
^ I S Triticindrogen.
sowohl die Blätter wie die Wurzel eine Rolle. Die »haarwuchsfördernde Kraft» der Wurzel-
abkochung wird auch von Kneipp behauptet.
Als Verwechslungen werden KaJ. hclladonnae (stärkehaltig) und die Wurzel von Svni-
phytum o/Jicittale L. angegeben.
Lit. Berg, Pharmakognosie. — Luerssen, Med. pharm. Botan. — Wittstein, Hand-
wörterb. d. Pharmakognosie, S. 408. — Inazo Nitobe, Burdock as a vegetable. Am. joum.
pharm. 1S97, 416 (dort auch eine Aschenanalyse). — Abbild, in Berg-Schmidt, Atlas, i.Aufl.
t. XIX. und Hayne, Arzneigew. II, t. 35 u. 36. — Anatom. Abbild, in Oudemans Atlas, Berg,
Anatom. Atlas t. XIII., PlajsXhon - Collin, Drog. simpl. 11, Fig. 654 u. 655, Vogl, Anatom,
Atlas, und Härail et Bonnet, Manipulations pl. V. — Tschirch, Anatomie, S. 117. — Anatomie
in Zornig, Arzneidrogen. — Weckler, Analysis of burdock root. Am. joum. pharm. 1887, 393. —
Kellner, Landw. Versuchsstat. 30 (1881), 42. — Nygard, Farm. Notisbl. 190g. — Trimble and
Mac Farland, Examinat. of burdock fruit. Am. joum. pharm 1885,127. — Trimble, The bitter
principle of burdock fruit. Am. journ. pharm. 1888, 79. — Anatomie der Frucht von Arctium
Lappa bei Gerdts, Bau u. Entw. d. Kompositenfr. Diss. Bern 1905 u. F. Ebert, Beitr. z.
Kenntn. d. chines. Arzneisch. Diss. Zürich 1907.
V. Lävulindrogen.
Die Lävuline oder Synanthrosen verhalten sich zum Inulin wie die Dextrine
zur Stärke. Es sind wohl niedrigere Glieder von demselben Kondensationstypus.
Lävuline finden sich oft in beträchtlicher Menge in Rad. taraxaci (s. oben).
VI. Triticindrogen.
Das Triticin (H. Müller) wird, da es bei der Hydrolyse mit verdünnten
Säuren und der Einwirkung von Diastase (nicht von Invertin) Fruktose liefert, eben-
faUs zu den Polysacchariden gerechnet. Es spaltet Fruktose schon beim Kochen mit
Wasser ab. Man gibt ihm die Formel Cg^H^gOgo = 6(CeHiQ05). Es wurde außer
in Iriticuin repens auch in der Wurzel von Dracaena amtralis gefunden. Es dreht
links, ist nicht gärungsfähig und reduziert FEHLiNGSche Lösung kaum. Es trägt gleichfalls
den Charakter eines Reservekohlenhydrates. Es ist vielleicht mit dem Irisin (Wallach),
Phlein und Graminin (Ekstrand und Johanson) identisch (Tollens, Keller).
Doch formulieren Ekstrand und Mauzelius: Triticin = C38H,;(,03q, Graminin
= CjgH^gO^o, Phlein = Q^^^^^ß.,^, Irisin ^= CjgHiggOg,,. Alle liefern bei der
Hydrolyse Fruktose.
Rhiz. Graminis.
Syn. Stolones graminis, Rad. agropyri, Rad. Cynagrostis, Rad. graminis albi,
s. arvensis, s. canini, s. officinarum, s. repentis, s. vulgaris, Quecken wurzel, Graswurzel,
Ackergras-, Ackermauer-, Laufquecken-, Päden-, Saatgras-, Bayer-, Feg-, Hundsgras-
Wurzel — petit chiendent (dent de chien), chiendent commun gramont, chiendent
rampant ou officinal (chiendent wohl ursprünglich = Cvnodon Dactylon) (franz.) —
couch grass, quitch grass, qu. root, dog grass, kwich (engl.) — kweekgras, graswortel
(hell.) — gramegna (ital.) — gramenha, grama (span.) — QiCfafia dyQwOzEmq (griech).
Ahd. Quecca, mhd. graesch, graische, grasse, mittel alt.: herba graminis intuba. Volks-
namen: Alescher- oder Apothekergras, Bättigras, Bochwurze, Fegwurz, Geech (Bern) Grammen
(Wallis), Hundsgras, Knöpfligras, Knotengras, Kriechweizen, Laufquecken, Pärde (Niederlaus.),
Quetsch, Rechgras, Sandklever, Suckerwuttel, Schnürligras, Spulwurz, Weißwurz, Wurmgras,
Wullband, Zwecken. — Bei Hildegard: dorth {Lolium temiilentiimT); im Niederl. Herbar: gers;
bei CoRDUs: grafi, quecken. — Bei Tabern.\emontanus steht: gramen caninum arvense seu
gramen Dioscor. C. B. Gramen, Ruel. Dodo. gal. Cord, in Dios. Gast, canarium medicatum.
Ad. Lob. caninum quod graecis äyQtuatig, Dod. caninum vulgare. Lugdun. Graminis primi
I
Rhiz. Graminis.
219
Dioscor. species major, Thalio. — Einige Autoren nehmen an, daß Agropyrum repens das dypioaxig
der Griechen (dyQwazig naga xöv ayQov) und das gramen sowie die radix canaria der Römer
sei (vgl. dazu unter Geschichte) und wohl auch des Steph. Magnetes radix agriae, des Ibn
Baithar: qutsami, des Abu Mansür: tstl, thil. — Synonyme des Agrostis bei Dioskurides (in
[], also spätere Einschiebsel): Aigikon (= Ziegenpflanze), Hamaxitis, bei den Ägyptern: Anuphi,
Asifolium, Sanguinalis, Viola, bei den Spaniern: Aparia, bei den Dakiern: Kotiata, bei den
Afrikanern Jebal. — Bei Ihn Baithar steht auch elnadschm oder elnadschir. — Im Chinesischen
heißt die Graswurzel : Siau hwanchai oder meh-huh (Dragendorff).
Etym. Triticum s. S. 184. — Repens wegen des langhinkriechenden Rhizoms — da-
nach sind auch Namen wie Schnürligras, Sehnengras, Spulwurz gebildet, sowie Päde (von pede
= hinkriechend, verwandt mit Pfad; petten = treten), Pädergras, Pedengras, Pehdenzel, Peyer.
— Quecke von quecka, quick = lebendig, beweglich, deutet auf die Beweglichkeit im
Wachstum des Rhizoms, wie die verwandten: Quäk, Quecken, Queke, Quetsch, Quitsch, Kweek-
gras. — An die knotige Gliederung des Stengels erinnern Namen wie Knöpfligras, Knopgras.
— Chiendent = Hundszahn, weil die kranken Hunde es fressen sollen (Littre), vielleicht aber
nur verächtlich, wie doggras (Kanngiesser). — Agropyrum von dygög = Acker und nvgö<;
= Weizen.
Stammpflanze. Agropyrum repens Palisot de Beauvois (Argrst. 102)
(Triticum repens L., Bromus giaber Scop., Elymus dumetorum Hoffm.). Variiert:
ß vulgare Döll., ß aristatum Döll. (davon auch als Arten: var. dumetorum Schreb.,
var. vaillantianum Wulfen, var. sepium Thuill.), / majus Döll., 6 glaucum Döll.,
£ caesium Pr. (auch als Art). Beschreibung in Luerssen, Mediz. pharm. Botan. IL
Systemat. Stellung. Gramineae, Hordeae.
Verbreitung. Die Quecke ist über Europa, Nordafrika, Asien (Sibirien, Af-
ghanistan, am Demavend bis 3000 m) und Nordamerika bis Patagonien und Feuer-
land verbreitet. Sie ist ein auf Äckern und an Wegen, besonders auf Sandboden
(Norddeutschland) und auf Kulturland weit verbreitetes, wegen der Verfilzung des
Bodens durch die zahlreichen Wurzeln (Fig. 80) sehr lästiges Unkraut.
Beschreibung der Stammpflanze. Die Quecke bildet auf weite Strecken oft
mehrere Meter durch den Boden kriechende Grundachsen (Rhizome) \on Charakter der
Wandersprosse, die an der Spitze eine derbe, spitze Niederblattknospe (Fig. 80) bilden,
Fig. 80.
Agropyrum repens, Rhizom (Wandersproß), K Knoten, JN Internodien, Nt Niederblätter, W Wurzeln.
[Tschirch gez.]
mit der sich der Sproß selbst durch festere Bodenschichten, ja sogar durch Baum-
wurzeln bohren kann. Aus der Achsel der an den Knoten sitzenden Niederblätter
der Wandersprosse entwickeln sich da und dort oberirdische Achsen. Der runde
Halm ist entfernt knotig gegliedert und kahl. Er kann eine Höhe von über i m
;20
Triticindrogen.
erreichen, bleibt jedoch meist weit (iahinter zurück. Die linealen an den Knoten
inserierten, oberseits rauhen Blätter besitzen eine bis locm lange Scheide und sehr
kleine Blatthäutchen. Die endständige Blütenähre ist lo — 13 cm lang, die Spindel
zusammengedrückt und abwechselnd rechts und links ausgehöhlt, zickzackfürmig
hin- und hergebogen. Die Ährchen sind meist fünfblütig, die zwei Hüllspelzen
(glumae) sind kürzer als das Ährchen, kahnförmig, lanzettlich, zugespitzt, am Rande
fein gewimpert, die Deckspelze (palea inferior) zugespitzt oder begrannt, fünfnervig, die
^'orspelze (pal. superior) dünnhäutig, zweikielig, an den Kielen bewimpert, kurz zwei-
zähnig, die Schwellkörper (lodiculae) kaum 2 mm lang, der eifiirmige Fruchtknoten am
Scheitel behaart, die Frucht 6 — 7 mm lang.
Lit. Abbild. Berg-Schmidt, Atlas 11. Aufl., t. 139 (dort die Aorist. Lit.l. — Pab.st-
KÖHLER, MedizinalpflanEen, t. 86. — Neks von Esenbeck, pl. med, t. 32. — Hackei, in
Engler-Praxtl, Pflanzenfamilien. — IrMiSCH, Bot. Zeit. 1859, 56.
Beschreibung der Droge. Das Rhizom wird gelegentlich der Frühjahrsbestel-
lung davon befallener Felder ausgepflügt und herausgeeggt, von der Erde gereinigt,
Fig. 81.
AgTopyrunt i-epeiis. Lupenbild des Rhizomquerschnittes. (Kach Berg, Atlas.]
von den Wurzeln und Stengeln befreit und dann geschnitten. 100 Teile frisches
Rhizom geben 40 Teile Droge.
Das bisweilen wiederholt verzweigte Rhizom ist 2 — 3 mm dick, selten dicker
(bis 4 mm), frisch von rundem Querschnitt, getrocknet stark geschrumpft und mit
Längsleisten versehen, strohgelb, mit glänzender Oberfläche, innen hohl.
(Fig. 8 1 ). Die Intemodien sind etwa 5 cm lang. An den Knoten sitzen zweizeilig
alternierende häutige, am Rande zerfaserte Niederblätter (Fig. 80 Nb.), in deren Achseln
Knöspchen sich finden und auf der Unterseite einige Wurzeln. Die letzteren fehlen
den Intemodien.
Rhiz. Graminis.
221
Graswurzel schmeckt fade, schwach süßlich.
Pathologie. Über Schädlinge von Agropyrtttn repens berichtet Prof. Ed. Fischer: Auf
den oberirdischen Teilen von Agropyrum repens leben verschiedene parasitische Pilze, wie
Erysiphe graminis De, Ophiobobis herpotrichiis Sacc, Leptosphaeria culmiphaga (Fr.), Laestadia
canificans Sacc., Phyllachora graminis Fckl., Puccinia graminis (Pers.) und andere, die vielleicht
auch indirekt die Rhizome schädigen mögen. Auf dem Rhizom selber wird als Parasit ange-
geben Coniosporium rhizophilvm (Fr.) Sacc, das möglicherweise als Nebenfruchtform zu Ophio-
bolits gehört.
Anatomie. Unter der derbwandigen Epidermis, die abwechselnd aus gestreckten
Zellen mit dicker, wellig verbogener Wand (Langzellen) und zwei Kurzzellen mit
dünner Teilungswand besteht, liegt ein mehrschichtiges, derbwandig-prosenchymatisches
Hypoderm. In das dünnwandige Gewebe der Rindenschicht (Fig. 82 r) eingebettet
finden sich einige (6) klei-
nere Bündel mit starken Bast-
zellbelegen (rb) und wenigen
Bündelelementen. Die Endo-
dermis [Zylinder- oder Kern-
scheide, (k)] besteht aus im
Querschnitt fast quadrati-
schen Zellen, die innen und
an den Seiten verdickt sind.
Der Gefäßbündelzylinder be-
steht aus ein oder zwei Rei-
hen collateraler Bündel, die
in Libriform (Bastzellen) ein-
gebettet sind und von denen
sich die kleineren an die
Endodermis anlehnen, die
größeren etwas nach innen
gerückt sind. Sie zeigen den
typischen Bau der Monoco-
tylenbündel: zwei große ge-
tüpfelte Gefäße, dazwischen ,p>ö^^
ein Spiralgefäß, außen eine ^J^ß
Siebinsel. Der innere Teil
des Markes ist geschwunden,
der äußere in der Nähe der
Bündel einige Zellreihen breit
erhalten (m Fig. 82).
In den Knoten ist der \_J^
Bau verwickelter. Die Knoten
«bestehen zunächst aus einer Agropyrum repens. Querschnitt durch das Rhizom. r Rindenschicht, rb Rinden-
Querlage von Parench^-m, in '"^''•^'' '^ Endodermis, gfb Gefaßbündel, m Mark.
* [Aus Tschirch, Angewandte Anatomie.]
dieser aber treflen nicht nur
die Gefäßbündel des unteren Stengelgliedes zusammen, sondern nehmen auch die der
folgenden ihren Ursprung; beide bilden eine beiderseits das Parenchym einschließende,
selbst aber wieder nach außen von dem Parenchym des Markes begleitete, aus kurz
gegliederten, horizontal verlaufenden, getüpfelten Gefäßen bestehenden Querwand, von
Fig. 82.
■> -, 2 Tiiticindrogen.
der sich nach beiden Richtungen, nämlich nach den beiden durch den Knoten ge-
trennten Stengelgliedem , die Gefäßbündel aufrichten und vertikalen Verlauf nehmen.
Diese Gefäßbündel bilden Schleifen, aus denen zuerst in horizontaler Richtung die zu
den Scheiden und Wurzeln dringenden Gefäßbündel hervortreten» (Berg).
Triticum repens hat Befestigungs- und Ernährungswurzeln. Die Wurzeln sind,
wenn 0,3 mm dick, nonarch. Die Endodermis verdickt sich bald stark und die Sklerose
ergreift auch das benachbarte Gewebe der primären Rinde (Holfert).
Lit. Berg, Anatom. Atlas z. pharm. Waarenkunde. t. XVIII. — HER.\ir, et Bonxet,
Manipulations de botan. midie. 1891, PI. VIII. — A. Meyer, Drogenkunde II, 43. — Holfert,
Arch. Pharm. 1S89, 505. — TscHiRCH, Anatomie, Fig. 436. — Moberger und HJvllström
(Über d. Bau v. Rhiz. graminis). Nord. farm. Tidskr. 1896.
Chemie. Marggraf erhielt keinen festen Zucker aus Queckenrhizom, wohl
aber Graff (7 Lot aus 20 Pfund). Pfaff fand darin krist. «Graswurzelzucker», dessen
Lösung gelatinierte und den Berzelius für Mannit hielt. Den Befund bestätigte
\''öLCKER zum Teil, doch erscheint es ihm zweifelhaft ob Mannit vorgebildet ist oder
erst sekundär entsteht. Stenhouse fand weder Mannit, noch krist. Zucker, wohl aber
Kaliumoxalat und einen gärungsfähigen amorphen Zucker. Ludwig hält den Gras-
wurzelzucker von Pfaff für ein Gemenge von Calciumlaktat und Mannit. Mannit
kommt wahrscheinlich in frischem und gut getrocknetem Rhizom nicht vor (H. Müller,
A. Meyer). Rebling gibt den Zuckergehalt auf 2 2 \ (?) an. Andere fanden viel weniger,
z. B. Geissler in Winterrhizom nur 0,6 "jo Lävulose. Ludwig und Müller fanden
1872 einen stark linksdrelienden Zucker (Fruchtzucker), einen rechtsdrehen-
den Zucker (nicht Rohrzucker), ein eigentümliches, durch Spaltung Fruchtzucker
lieferndes linksdrehendes Gummi, das durch Bleiessig nicht gefällt wird. Dieses
durch Alkohol fällbare, nicht süße «Queckengummi» nennt H. Müller (1873) Tri-
ticin (s. oben). H. Müller, der das Triticin genau untersuchte und seine Darstel-
lung beschreibt, erhielt davon 3,52 aus zuckerreicherer, 7 — 7,7''/o ^^s zuckerärmerer
Rhiz. graminis. Keller erhielt davon 5°|q aus im Oktober gesammeltem Rhizom. Der
süße Geschmack der Droge rührt nicht vom Triticin, sondern von Zucker her, der
besonders im Frühjahr reichlicher im Rhizom aufzutreten scheint. Spätere Unter-
suchungen zeigten dann H. Müller, daß ausschließlich Fruchtzucker (keine Dex-
trose und kein Rohrzucker) in Rhiz. gram, vorkommt, und daß der Gehalt daran
2,45 — 3,33 "/„ beträgt. Auch Inosit ist nachgewiesen (Fick). Er ist ebenfalls süß.
Das Triticin, das schon durch Kochen mit Wasser in Fruchtzucker übergeht
und den ReservestofT des Rhizoms darstellt, hält Reidemeister nicht für identisch
mit Lävulin (vgl. S. 218) und Sinistrin (S. 224). Es vergärt mit Hefe schwerer. Ob
es mit dem Graminin (s. oben S. 418), das Ekstrand und Johanson aus den
Rhizomen von Phalaris arundinacea, Phleum pratense und den Knollen von Dracaena
aiistralis erhielten und dem Irisin (s. oben S. 218), das Wallach in den Rhizomen
von Iris Pseudacorus fand, übereinstimmt, bleibt noch zu untersuchen. Begleitet wird
das Triticin von 10,5 — iIjS^/o eines stickstoffhaltigen Gummis (Schleim), das
näherer Untersuchung bedarf.
Plauchud gibt [neben 3 "/(, krist. und ä,\ unkristall. Zucker] i3,9''/o Stärke
an und beschreibt die sich mit Jod blaufärbenden Körner eingehend (1877). Ich
fand niemals Stärke in der Queckenwurzel. Auch A. Meyer fand weder Stärke
noch Öl. Der Landwirt Barrel soll aber aus 100 kg Rhiz. gram. c. 65 kg «Mehl»
dargestellt und als Viehfutter benutzt haben. Es wird hier wohl eine Verwechslung
Rliiz. Graminis. 223
mit Cynodon Dadylon vorliegen, dessen Rhizom Stärke enthält. «Was Rabourdin
als eigentümliche stärkemehlartige Substanz beschreibt, dürfte wohl im wesentlichen
Triticin sein» (Wittstein).
Hermbstädt glaubte Weinstein (?), H.Müller Malate nachgewiesen zu haben.
Pektin und Harz fehlen (Flückiger).
Rhiz. graminis enthält I2,8°|,j Wasser und 3,44% Asche der bei 105" ge-
trockneten Ware (Nygard). H. Müller erhielt 4,5<'|o, Hauke 2,72 — 2,95'>jo Asche.
In dem Rhizom von Cynodon Dadylon Pers. fand Semmola Cynodin (wohl
Asparagin oder etwas dem ähnliches).
Lit. M-\rggr.vf, Chym. Schrift II. Th. 70 (1767). — Gr-\ff, Trommsd. Journ. 1800,
7, 271. — Pfatf, Syst. d. Mat. med. 1808 I, 198; 1821, VI, 110. — Stenhouse, Ann. Chem.
Pharm. 41, 354 (Pharm. Jahresber. 1844, 26). — VÖLCKER, Ann. Chem. Pharm. 59, 1846, 380.
— Ludwig, Arch. Pharm. 1857. — Eingehende Analyse in H. Ludwig und H. Müller, Über
d. Bestand!, d. Oueckenwurz. Arch. Pharm. 1872, 51, 132. — Pl.\üchut, Et. sur le chiendent
(Trit. repens). Journ. pharm, chim. 1877, 38g idort auch eine Aschenanalyse). — ReblinG,
Arch. Pharm. 1855, '5- — ^- MCl-l.ER, Über den Graswurzelzucker und über das Triticin, ein
neues Kohlehydrat im Rhizom von Triticum repens. Arch. Pharm. 1873, 500. Journ. pr. Chem.
1873, 832. — A. Meyer, Drogenk. II, 46 (Keller). — Wittsteix, Handwörterbuch. — A.
W. V. Reidemeister, Beitr. z. Kenntn. d. Levulins, Trit'cins und Sinistrins. Diss. Dorp. 1880
(Ph. Z. f. Rußl. 1880, 658. Referat in Botan. Jahresb. 1880, I, 438). — FiCK, Pharm. Zeitschr.
f. Rußl. 1887 und Ph. Jahresb. 1887, 324. — Ekstrand u. Johauson, Ber. d. d. chem. Ges.
1887, 3310 u. 1888, 594. — Wallach, Lieb. Ann. 234 (1886). 374. — Oper. min. di Giov.
Semmola, Napoli 1841 (Chem. Jahresb. 1845, 535' Della Cinodina, nuovo prodotto organ. trov.
nella gramigna offic. Cynod. Dactyl. — LiPPM.VNN, Chemie der Zuckerarten 1904.
Als Verfälschungen werden genannt die Rhizome von Carex arenaria L. [Rhiz.
caricis), Carex disticha Huds. (C intermedia GoOD.), Carex hirta L. u. and. Carex-
arten. Alle Oz^^Arhizorne führen Mark. Die Rindenschicht besitzt bei dem grau-
braunen, mit langen zerrissenen, bräunlichen Niederblättem besetzten Rhizom von
Carex arejiaria große Luftlücken (abgebildet bei Berg, Anat. Atlas t. VHI). Das
Parenchym des Markes führt Stärke. Die Luftlücken fehlen bei den rotbraunen
Rhizomen von Carex hirta, die ebenfalls Stärke führen, auch in der Rinde. Sie
fehlt hier bei C. disticha. Moberger und Hällström halten Größe und Form der
Endodermiszellen für das beste Unterscheidungsmerkmal. Sie messen bei Rhiz. gra-
minis 24 — 30, bei Rhiz. caricis S — 14, bei Care.x disticha 10 — 12 mik.
Die Ausläufer von Lolinm perenne besitzen Wurzeln auch an den Internodieii.
Ich habe sie nie in der Droge gefunden. Ich fand dagegen (1909) der Droge oft
beträchtliche Mengen der Halme beigemengt, die aber anatomisch leicht erkannt
werden konnten.
Berg, Pharmakognosie 1879, 97. — Moberger und ILvclström (Bau von Rhiz. gram,
u. deren Substituten). Nord, farmaceut. Tidskr. 1896, 114 (Pharm. Zeit. 1896, 437).
Anwendung. Beliebtes Blutreinigungsmittel und Diuretikum des Volkes. In
der Medizin als Mellago (Fluidextrakt) und Ptisana besonders in Frankreich noch
viel benutzt, in Deutschland auch als Extrakt.
Die Quecke steht auch in der Liste der KNEiPPSchen Mittel (als harn- und
schweißtreibend) — auch der Saft der frischen Wurzel zu Frühlingskuren als «Blut-
reinigungsmittel». In der Tierheilkunde dient Rhiz. graminis bisweilen als Substituens
von Rad. althaeae.
HoFM.^NN bemerkt (1787), daß man aus Graswurzel eine Art Wein, Bier,
Weingeist und Essig darstellen könne.
22A Poh-saccharide vom Charakter der Membranine.
Paralleldrogen. Das Rhizom von Cynodon Daclyloii Rich. {TanÜHm Dar/vlon
L., Digitaria slolonifera Schrad.), einer in Südeuropa, Nordafrika, Persien, Kaukasien
heimischen, aber auch in Süddcutschland, (/»sterreich und der Schweiz vorkommenden,
nach Peru, Kalifornien und Australien verschleppten Graminee (vgl. auch S. 2 1 8), als
Rliis. graminis italici. Gros Chiendent, Chiendent pied de poule, Gh. du Midi bekannt,
ersetzt in Südeuropa das Rhiz. graminis. Die Rhizome sind dicker und derber als
bei Agropynim repens, trocknen nicht so stark ein, besitzen längere Internodien und
an den Knoten reichlich Knospen. Die Rindenschicht ist schmal. An die Endodermis
lehnt sich ein Bastzellpanzer, in den vereinzelte Bündel eingebettet sind. Zahlreiche
isolierte Bündel sind über das reichlich Stärke führende Mark verstreut, das im Zen-
tmm geschwunden ist (Abbild, in Braejier-Suis, Atlas de micrographie PI. 4). Die
Endodermiszellen messen 20 — 24 mik.
Die mehr maritimen Agropytiim acutum R. u. S., A. pungens R. u. S., und A.
junceum P. de Beauv. dürften gleichwertig mit A. repens sein.
Geschichte. Fk.\as, D.\ubenv und Flückiger meinen, daß das gramen des Peinmus
PiXIV, 118', wie das ayfimazit des Theofhkast und Dioskurides (IV, 30) wohl eher Cyno-
don Dactylon , die in Südeuropa häufige Paralleldroge unseres /\hiz. g-raminis gev/esen sei, doch
stellt Plixus dem gramen, das er als süß beschreibt und dessen diuretische Wirkung erkennt,
ausdrücklich ein gramen aculeatum gegenüber, das er Dactylon nennt und von dem er drei
Arten kennt. Auch Theophra.st bezeichnet die Graswurzel als süß (caus. plant. 6, 11, 10). Ich
finde, daß das Rhizom von Cynodon Dactylon weniger süß schmeckt als das von Agropyrmn
repens. Sprengel hält gramen und uy^tuariQ für Triticiim repens, das jedoch im Süden seltener
ist. Wimmer führt in seiner THEOPHRAST-Ausgabe (1866) unter ay^maxii beide [Tritic. repens
und Cynodon Dactylori) auf und das dürfte das richtige treffen. Die Sache läßt sich nicht
entscheiden, da beide zu den gleichen Zwecken benutzt wurden. Bonnet hält des Dioskurides
«ypcuOTi? für Dactylocteniiim aegypticum. In der Tabula des Simon Januensis steht Agrostis
(I, S. 663).
Plinius nennt eine Menge Krankheiten, gegen die Gramen angewendet werden könne
(XXIV, 118). Die diuretische und lithotriptische Wirkung war auch Oribasiüs (I, S. 588),
Marcei.lus Empiricüs (de medicamentis XXVI), Aetius (Tetrabibli sermo I) und Alexander
Tralli.vnvs (I, 591) bekannt. Auch Galen erwähnt die Eigenschaft «Blasensteine aufzulösen».
Sie wird auch in den mittelalterlichen Kräuterbüchern (z. B. dem Herbarius Pataviae 1485)
erwähnt, wie von Dodonaeus, Turner (Herball 1568), Ger.\kde u. and. Nördlich der Alpen
dürfte es sich hierbei immer um Agropyruni repens gehandelt haben ; ebenso in den Sinonoma
Bartholomei (1,649: gramen radix), in dem Nördlinger Register (I, S. 813, graminis), in den
Taxen von Frankfurt 1582 (I, S. 817), von Hamburg 1587 (I, S. 818) u. and. Graminis radix
steht auch bei CoRDUS (I, S. 799), der sie zu den Oxysacchara composita benutzte.
Lit. Fllxkiger, Pharmakognosie. — Flückiger-H.vnbury, Pharmacographia.
VII. Scillin- (Sinistrin-) Drogen.
Das Sinistrin, ein linksdrehendes, nicht gärungsfähiges, beim Kochen pEHLiNGSche
Lösung reduzierendes, wohl mit dem Triticin verwandtes Polysaccharid, findet sich in
den Bulbus Scillae, doch werden diese, da wegen anderer Bestandteile benutzt, an
anderer Stelle abgehandelt werden.
Lit. Reidemeister, Bot. Jahresb. 1880, I, 439. — Schmiedeberg, Ebenda 1879,1,385.
— O. H.\.MMERSTEN-, Pflüg. Arch. 36, 373.
VIII. Polysaccharide vom Charakter der Membranine.
Membranindrogen.
Früher hatte man den Inhaltsstoffen der Zellen fast allein Beachtung geschenkt.
Mehr und mehr aber zeigte sich, daß auch die Membran zu chemischen Leistungen
Membranindrogen.
225
befähigt ist. Am deutlichsten trat dies bei der sog. resinogenen Schicht der Sekret-
behälter hervor, die, zweifellos ein Teil der Membran, doch energische chemische
Arbeit leisten kaim. Schon früher war erkannt worden, daß die Schleime fast aus-
nahmslos Membranbildungen sind, und daß auch das Gummi und verwandte Sub-
stanzen zur Membran gehören, ebenso wie Lichenin, Amj'loid und Pektin. Da war
es denn keine besondere Überraschung mehr, daß Membranen auch den Charakter
von ReservestofTen annehmen können.
Pharmakologisch spielen die Membranen und ihre Bestandteile eine sehr ver-
schiedene Rolle. Rein mechanisch wirken z. B. die Baumwollhaare, das Penawar
Djambi, der Feuerschwamm, der Torfmull, das Holzmehl, die Kieselschalen der Di-
atomeen: sie saugen kapillar und osmotisch Flüssigkeiten auf. Die Substanz ihrer Mem-
bran kommt hierbei wenig in Betracht, tritt jedenfalls pharmakologisch nicht in Reaktion.
Physikalisch ist auch die Wirkung des Korkes zu deuten, aber in Abhängigkeit von
der chemischen Natur der Korklamelle. Anders bei der Gruppe der Schleime und des
Gummis. Hier ist es die Substanz selbst, die das pharmakologische Individuum bildet.
Chemisch umschließt der Begriff Membran sehr verschiedene Dinge. Wir wissen,
daß er nicht identisch ist mit Zellulose, und daß der Begriff Zellulose seinerseits
wieder vielerlei Verschiedenes umfaßt, wie auch, daß die nicht aus Zellulose bestehen-
den Membranen ihrerseits wieder recht verschieden aufgebaut sind.
Wenn nun die Verhältnisse aller dieser Klassen chemisch vollkommen und in
allen Punkten aufgeklärt wären, so könnte man auch hier wohl an eine chemische
Gruppierung denken. Da dies aber nicht der Fall ist, müssen wir uns nach einer
anderen Einteilung, die auch das morjjhologische Moment mit berücksichtigt, umsehn.
Das allen diesen Dingen gemeinsame ist, daß sie Membranbestandteile sind, und so
mögen sie denn alle, welche chemische Beschaffenheit sie auch zeigen, unter dem
gemeinsamen Namen Membranine zusammengefaßt werden.
Cross und Bevan bilden die Gruppen: Lignozellulosen, Pekto- und Muko-
zellulosen und Adipo- und Cutozellulosen. Ich teile die Membranine zunächst in zwei
große Gruppen, in die der Zellulosine, die die Membranine umfassen, welche wir
nach dem Stande unserer Kenntnisse als Polysaccharide auffassen können, die jeden-
falls bei der Hydrolyse irgend einen oder mehrere Zucker liefern — und andererseits
die Membranine, von denen wir dies vorläufig noch nicht annehmen können, bei
denen jedenfalls andere Körj^er den chemischen Charakter der Membran bestimmen.
So komme ich zu folgender Einteilung, die sich für unsere Zwecke besonders gut
eignet, aber auch für den Ph3'tochemiker vorläufig brauchbar sein dürfte.
A. Zellulosine, welche Polysaccharide enthalten (umfaßt die Zellulosen
von ToLLENS und die Lignozellulosen, sowie Pekto- und Mukozellulosen
von Cross und Bevan).
1 . Zelluloso-Membranine (reine oder fast reine Zellulose, schwer hydrolysierbar),
2. Reservezelluloso- Membranine (meist Hemizellulosen im Sinne von E.
Schulze),
3. Lichenino-Membranine inkl. Amyloido-Membranine,
4. Lignino-Membranine (Lignozelluloso-Membranine, schwer durch Säuren
hydrolysierbar, leichter durch schweflige Säure [Tollens]),
5. Pektino-Membranine,
6. Koryzo-Membranine (oder Myco-Membranine, Membranschleime),
7. Gummo-Membranine.
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. It
2 20 '^^' lulosindrogen.
B. Membranine, von denen noch nicht sicher ist, ob sie Poly-
saccharide enthalten (umfaßt die Adipo- und Cutozellulosen von Gross
und Bevan).
1. Suberino-Membranine (Kork),
2. Mycino-Membranine (Pilzzellulose),
3. Silico-Membranine (Diatomeenschalen),
4. Andere Krvptogamen-Membranine.
A. Zellulosindrogen.
ToLLENS nimmt vier Hauptgruppen der Zellulosen an: i. die eigentlichen Zellu-
losen, 2. hvdratisierte Zellulosen wie Hydrozellulosen und Hemizellulosen, die nicht
reduzierend wirken, 3. Zellulosen mit Carboxylgruppen (dazu die sog. Pektinsäuren,
die sog. Acidzellulosen), 4. Zellulosen, die Carboxyl- und zugleich auch Aldehyd-
und Ketongruppen führen, daher reduzierend wirken (dazu die sog. Hydralzellulosen,
das Oxybassorin und die Oxyzellulosen). Bu.mcke und Wolffenstein ziehen die
Gruppen 2- — 4 zusammen als hvdratisierte oder Hydrozellulosen und unterscheiden:
a) reduzierende (Hydralzellulosen), b) reduzierende mit Garboxylgruppen, c) nicht-
reduzierende mit Garboxylgruppen (Acidzellulosen), d) nichtreduzierende ohne Garb-
oxvlgruppen (Laktone?).
Jedenfalls stehen die Körper der Gruppe der Zellulosine, wie ich die ganze Gruppe
nenne (s. oben), zu der Zuckergruppe in Beziehung und wir dürfen sie als hoch-
molekulare Polysaccharide betrachten, aber die Verhältnisse liegen bei ihnen viel kom-
plizierter. Denn bei der Hydrolyse mit Säuren oder Enzymen (Gytasen) entstehen hier
oft nicht nur Hexosen (Glukose, Galaktose, Mannose) [und bei der Oxydation (aus
Galaktose) Schleimsäure :
OH H H OH
COOH— C— C— C— C— COOH] ,
H OH OH H
sondern auch sich durch Entstehung von Furol bei der Destillation mit HCl ver-
ratende Pentosen (Arabinose, Xylose), Methylpentosen (Fukose) imd Furoide
(Oxydationsprodukte von Hexosen- oder Pentosen -Monoformale), sowie (bei den
Gummis) eigentümliche als Geddinsäuren bezeichnete Körper, so daß wir in den
Zellulosinen nicht nur einfache Hexosane (z. B. Glukosan, Galaktan, Mannan) und
einfache Pentosane (z. B. Araban, Xylan), sondern auch gemischte Hexosane (z. B.
Gluko-Mannane, Frukto-Mannane, Galakto-Mannane und in vielen Hölzern: Manno-
Gluko-Galaktane) und gemischte Pentosane, sowie gemischte Hexoso-Pento-
sane (z. B. Galakto- Araban), Furoido -Pentosane (wie z. B. in den Lignozellulosen)
und Furoido-Hexoso-Pentosane, sondern bei einigen ofTenbar noch kompliziertere
Kondensationsprodukte von Gliedern der Kohlehydratreihe und vielleicht auch anderen,
nicht hierher gehörigen Körpern (?) vor uns haben.
So besitzt die sonst wohl für pharmakognostische Zwecke, besonders in der
Gruppe der Gummis und Schleime, brauchbar befundene Unterscheidung zwischen
Schleimsäure liefernden und Schleimsäure nicht liefernden Zellulosinen jetzt nur noch
vorläufig orientierenden Wert. Sie sagt uns nur, ob Galaktose bildende Gruppen darin
vorhanden sind. Und auch eine Einteilung, etwa nach Glukosozellulosen, Mannoso-
zellulosen, Arabinosozellulosen, läßt sich für pharmakognostische Zwecke nicht machen,
da bei der Hydrolyse eben meist mehrere Zucker entstehen. Ja selbst die Hemi-
Zelluloso- Membranindrogen. 2 2 7
Zellulosen (E. Schulze, Zellulosegummi (Hoffiieister) oder lösliche Zellulose) sind
mit den echten Zellulosen durch viele Übergänge verbunden. Auch nach der Ansicht
von Schulze, zu der dieser auf rein chemischem Wege kam, bilden Zellulose, Hemi-
zellulosen, schleimgebende Zellbestandteile und Amyloid eine Reihe chemisch ver-
wandter Substanzen, deren einzelne -Glieder wohl durch noch unbekannte Zwischen-
formen miteinander verknüpft sind.
Immerhin können wir doch den zuerst von E. Schulze hervorgehobenen Unter-
schied machen, daß die echten Zellulosen nur schwer hydrolysierbar sind, die Hemi-
zellulosen aber relativ leicht. Ferner sind die echten Zellulosen stets Gerüstsubstanzen,
die Hemizellulosen aber oft ReservestofTe. Den Charakter von Gerüstsubstanzen tragen
aber auch die Lignino-Membranine, und die Korizo- Membranine sind, bisweilen
wenigstens (z. B. bei den Schleimendospermen ), ebenfalls Reservestoffe. Die Gummo-
Membranine endlich machen oft ganz den Eindruck von Sekreten und die Pek-
tino-Membranine scheinen zu dem Zucker der Früchte biologisch in Beziehung
zu stehen.
Nur eins ist, wie gesagt, allen Zellulosinen eigen: sie liefern bei der Hydrolyse
einen oder mehrere Zucker.
1) Zelluloso-Membranindrogen.
Der Name Zellulose rührt von Payen her (1838), dem wir die ersten syste-
matischen chemischen Untersuchungen über das Zellhautgerüst der Pflanzen verdanken.
Er gab der Zellulose die 'Formel CgHmOj. Schleidex fand 1838 die Jodschwefel-
säurereaktion, Schulze -Rostock die mit Chlorzinkjod. Die Löslichkeit der Zellulose
in Kupferoxydammoniak entdeckte Schweizer 1857 und Gilsox zeigte 1893, daß
man aus dieser Lösung krist. Zellulose erhalten kann, doch erhielt weder Cramer
noch Winterstein nach Gilsons Verfahren Kristalle mit Zellulosereaktion. Die
Chemie der Zellulosen beginnt in den achtziger Jahren des XIX. Jahrh. mit dem
Studium der bei der Hydrolyse der Zellwände auftretenden Zuckerarten.
Die Zellulosezellwände geben bei der Hydrolyse mit fast konz. Schwefelsäure
(Flechsig) ganz vorwiegend Traubenzucker (Dextrose, vgl. S. 6), Galaktose entsteht
hierbei nicht, Mannose, Arabinose und Xylose hin und wieder, meist jedoch in nicht
großen Mengen. Es sind also Glukosezeilulosen, gemischte Anhydride in denen
der Glukose liefernde Bestandteil jedenfalls weitaus überwiegt. Glukosezellulose war es
auch, die Gilson kristallisiert erhielt. Der Typus dieser Glukose(Dextrose-)zellulose
ist die Baumwolle (s. d.).
Bei der Hydrolyse der Zellulose entsteht als Zwischenprodukt ein mit Maltose
isomeres Disaccharid, die Zell ose oder Zellobiose (Skraup und König), das sich
also zur Zellulose verhält wie Maltose zur Stärke. Durch Nitrieren der Zellulose ge-
langt man (bei Annahme der Formel Cj.iH2o0^j) bis zu einem Hexanitrat (Kollodium-
wolle, Schießbaumwolle). Salzsäure und Kaliumchlorat und andere O.xydationsmittel
liefern Oxyzellulose (Vignon), Schwefelsäure Hydrozellulose (Girard), Natronlauge
Natronzellulose (CjjH^qOjq. 2 NaOH). Letzter Prozeß ist als Mercerisieren bekannt. Mit
Laugen gequollene Zellulose gibt durch Behandeln mit CSj die wasserlösliche v: Vis-
kose» (Gross und Bevan). Glycerin verändert Glukosezellulose selbst bei 300" nicht
— Unterschied von anderen Zellulosen (Wisselingh). Schmelzendes Kali bildet beim
Erhitzen über 1 80'' Protokatechusäure und Brenzkatechin (Hoppe-Seyler), endlich Oxal-
säure. Unter 180'' soll Glukosezellulose unverändert bleiben (?). Darauf beruht das
15*
•> 2 § Zelluloso-Membraninilrogeii.
\'erfahren Langes zur Bestimmung der Zellulose. (Über Zellulosebestimmung vgl. auch
meinen Artikel: Zellulose in der Realenzykl. d. Pharm.)
Die Möglichkeit der Überführung der Zellulose in Traubenzucker war bereits
G.4Y LussAC und Braconnot bekannt. Aber trotz zahlreicher Arbeiten kennen wir
die Struktur des Zellulosemoleküls noch nicht. Gross und Bevan, die seit langer Zeit
sich dem Studium der Zellulosen widmen, betrachten nur das Eine als sicher, daß Zellu-
lose weder eine einfache Polj'aldose, noch ein Anhydrid von Polyaldosen sein k{jnne,
sondern neben Aldosekernen unter anderem jedenfalls eine ketonartige Gruppe enthalte.
Immerhin lassen sich aber schon jetzt zwei allerdings durch vielfache Über-
gänge miteinander verbundene Gruppen erkennen: die echten Zellulosen und die
Hemi Zellulosen (Schulze und Winterstein), die sich durch ihr verschiedenes
Verhalten zu i — 2 ''\^^ Mineralsäure unterscheiden. Die echten Zellulosen zu denen
z. B. die Zellulose der Baumwolle gehört, geben selbst bei andauerndem Kochen mit
I — 2^\f, Mineralsäuren nur geringe Mengen reduzierender Substanzen (Zucker).
E. Schulze schlug 18S9 vor, nur den in verdünnten Säuren unlöslichen, in
Kupferoxvdammoniak löslichen Bestandteil der Zellhäute Zellulose zu nennen, die andern
leichter zu verzuckernden aber in Kupferoxydammoniak unlöslichen Hemizellulose.
E. Schulze nennt die gewöhnliche Dextrose liefernde Zellulose: Dextroso-
zellulose. Ebenso nennt er den Mannose liefernden Zellwandbestandteil Mannoso-
zellulose u. s. f. (die Mannosozellulose ist mit dem Paramannan Gilsons identisch).
Gross und Bevan (Chem. News 65, 77) geben der Baumwollzellulose die;
Formel: Ci.jHjqOjq und nehmen darin acht Hydroxyle an. Green hält die Zellulose
für ein inneres Anhydrid des Traubenzuckers:
GH(OH)— CH— GH— OH
>0>0 .
GH(OH)— CH— CH,
Nastjukoff erteilt ihr die Formel 4o(CeHio05), Eder: CjoHgoG^f,, Vieille,
sowie Lunge und Bebie: (CjHiqOj)^, Mendelejeff: (C|;Hi(,05)s , doch sind das
alles noch Hypothesen. Genaue Angaben über die Molekulargröße der Zellulose
lassen sich derzeit noch nicht machen; vielleicht sind die Untersuchungen von E. Berl
und seinen Mitarbeitern über Nitrozellulosen geeignet näheren Aufschluß über die
Konstitution des Zellulosemoleküls zu bringen (Winterstein).
Llt. Braconnot, Ann. chim. phys. 1819. — Payen, Ann. sc. nat. 1839 u. 1840, Compt.
rend. 1840, M^m. sur le develop. des vigätaux. Paris 1842. — Schleiden, Pogg. Ann. 43
(1838) u. Lieb. Ann. 42 (1842). — Schweizer, Journ. pr. Chem. 76 (1857). — Na-stjukoff,
Über d. Veränd. d. physikal. u. chem. Eigenschaften d. Baumwolhellulose bei ihr. Umwandl.
in Oxyzellulose. Bull. soc. ind. de Mulhouse 1892. — C. Smith, Über natürl. Oxyzellulosen.
Chem. Zeit 1894. — Autenrieth und Bayerhammer, Jahresb. d. Chem. I, 1822. — Braconnot,
Ann. chim. phys. {2) 12, 1819 und Gilberts Ann. 1819. — Gilson, La cristallisation de la
cellulose et la composition chimique de la membrane cellulaire. La cellule 9, 397undLacom-
posit. chim. de la membr. cellul. veg^t. Cellule II, 19. — Hoffmeister, Die Zellulose und
ihre Formen. Landw. Jahrb. 1889 und Landw. Versuchsstationen 39, 462. — Skraup und
KÖNIG, Ber. d. d. chem. Ges. 34. — E. Schulze, Zur Kenntnis der in den pflanzl. Zell-
membranen enthaltenen Kohlenhydrate. Landw. Jahrb. 1894 (Zusammenfassung). Derselbe,
Zur Chem. d, pflanzl. Zellmembranen. Zeitschr. phys. Chem. 19 (1894). — Renker, Über Be-
stimmungsmethoden der Zellulose. 2. Aufl. — Gross and Bevan, Cellulose an outline of the
chemistry of the structural elements of plants with reference to their natural history and indu-
strial uses. See. edit. 1903. Ferner Researches on Cellulose. London 1901, — Gross, Bevan
and Bf.ajdle, Proc. chem. soc. 1901. — Wirr und Lehmann, Chem. Technologie der Gespinnst-
Gossypium. 2 2g
fasern. — Schwalbe, Die Chemie der Zellulose. 190g. — C. Piest, Die Zellulose, ihre Ver-
arbeitung und ihre ehem. Eigenschaften. Stuttgart 1910. — Lange, Zeitschr. angew. Chem.
1895. — T. F. Hanausek, Artikel Zellulose in Luegers Lexikon d. ges. Technik. — Tschirch,
Artikel Zellulose in Realenzyklop. d. Pharm. II. Aufl. — Tollens, Kurzes Handb. d. Kohlen-
hydrate. — Czapek , Biochemie (dort eine Liste des Rohfasergehaltes zahlreicher Objekte!. —
Vgl. ferner die chem. Lit. unter Baumwolle.
Die anatomischen Verhältnisse der Zellulosezellwände sind einfach. Bisweilen
zeigen sie Schichten, die oft abweichende Struktur besitzen, bisweilen Plasmaeinschlüsse,
die besonders bei wachsenden Membranen auftreten (Krabbe). Das Wachstum der
Membran scheint sowohl durch Apposition (vorwiegend beim Dickenwachstum), wie
durch Intussusception (beim Flächenwachstum) zu erfolgen. Wiesners Dermatosomen-
theorie erscheint nicht haltbar.
Die Membran, besonders der Bastzellen, zeigt oft einen Aufbau aus mehreren
Schichten, die sich deutlich, sowohl optisch wie durch abweichende Reaktion (z. B.
gegen Jodschwefelsäure, die Verholzungsreagentien usw.) unterscheiden. Um diesen
Unterschied zu markieren, habe ich die alte Bezeichnung, sekundäre und tertiäre
Membran, wieder aufgenommen (Angew. Anatomie).
Lit. CoRREXs, Dickenwachstum durch Intussuszeption bei einigen Algenmembranen.
Diss. München 1889 und Z. Kenntnis d. inneren Struktur d. vegetabil. Zellmembranen.
Pringsh. Jahrb. 23 (1891). — Ambronx, Über Poren in den Außenwänden von Epidermiszellen.
Pringsh. Jahrb. 14 (auch Habilitationsschrift Leipzig 1882). — Derselbe, Pleochroismus ge-
färbter Zellmembranen. Ann. d. Phys. 1888 und Ber. d. d. bot. Ges. l888. — Kr.abbe, Beitr.
z. Kenntn. d. Struktur u. d. Wachstums vegetabilischer Zellhäute. Pringsh. Jahrb. 18 (1887).
— BuscALlONi, Contribuz. allo studio della membr. cellulare. Malpighia 1892 u. 1893.
— Zacharias, Entstehung u. Wachstum d. Zellhaut. Pringsh. Jahrb. 20, 1889 u. Flora 1891.
— Wiesner, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1886, I, 17, Ber. d. d. bot. Ges. 1888 und Botan.
Zeit. 1892 (Dermatosomen). — Mikosch, Ber. d. d. bot. Ges. 1891, 306. — T. F. Hanau.sek,
Zur Struktur d. Zellmembran, Ber. d. d. bot. Ges. 1892, I. — Krasser (Eiweiß in Zellmem-
branen). Sitzungsb. d. Wien. Akad. 94 (1886) u. Bot. Zeit. 1888, 209. — A. Fischer, Zur
Eiweißreaktion der Zellmembran. Ber. d. d. bot. Ges. 1887 u. 1888. — Correns, Jahrb. f.
wissensch. Bot. 26 (1894). — Solms-Laubach, Über einige geformte Vorkommnisse oxals. Kalkes
in lebenden Zellmembranen. Bot. Zeit. 29. — Über die Schleimmembran s. diese (weiter hinten).
Gossypium,
Pili gossypii, Lana gossypina, Baumwolle — coton (franz.) — cotton, cotton
wool (engl.) — cotone (ital.) — algodon (span.) — - algodäo (port.) — katoen (holl.)
— bomull (schwed.) — puuvilla (finn.) — gyapot (ung.) — ßdf/ßa§ (n.-griech.) —
qutu (pers.) — kapas (mal.) — kapase (beng.). — Die Pflanze: Cotonnier, cotton-plant.
Etym. Zweifelhaft ist die Deutung von alvöov, ^vlov, o9wv, sowie von ßiaooq, byssus,
worunter wohl von den Alten ebenso Seide und Leinen, wie Baumwolle verstanden wurde
(C. Ritter und Regnier, Paulys Realenzyklop. d. klass. Altert. 1897, V, S. 1108), und auch
das semitische Wort keton (altsem. kettän, arab. alcuta, qutn, kutn), woraus dann coton,
cotton, cottone, kattun wurde, bedeutete ursprünglich Leinen (D. H. Müller). — Das ägyp-
tische Wort Sehens (hebräisch s6s, schesch, buz), welches den Stoff bezeichnete, aus dem Kopf-
binde und Leibrock des Hohenpriesters angefertigt wurde, kann Baumwolle aber auch Leinen
bezeichnet haben. Der Baum pistim (Josua 2, 6) war nicht Baumwolle, sondern Flachs (D. H.
Müller). — Im Sansk. heißt die Baumwolle kärpäsa (die Baumwollpflanze kärpäsi). Doch wurden
die Ausdrücke xÜQnaaoq, carbasa, carpas im Munde der Griechen und Römer später mehr-
deutig und schließlich auch für Leinen benutzt (WaGLER). — Bei Plinius steht gossipion oder
Xylon. Gossypium entweder von gossum {= Wulst, Kropf.') oder, was wahrscheinlicher, von
arab. goz [= seidenartig). Plinius sagt (XIX, 2): «Superior pars Aegypti in Arabiam vergens
2 20 Zcllulosü-Mcnibranindrogen.
gignit fruticem, quem aliqui gossipion vocant, plures xylon et ideo lina inde facta xylina.
Parvus est, simileraque barbatae nucis defert fructum, cuius ex interiore borabyce lanugonetur.
Nee Ulla sunt eis candore mollitiave praeferenda.» (Vgl. auch Wiesner, Rohstoffe.)
Stammpflanze. Zahlreiche Kulturformen von mehreren Gossypiumarten be-
sonders Gossypium barbadense L. [Spec. pl. ed. i (1753) p. 693] (G. vitifoliimi
Lam., G. peruvianum De, G. punctatum Schum. et Thönn., G. acuminatum Roxi).,
G. religiosum Parl. non Lixn.) mit der Varietät pemvianum Cav. (auch als Art,
s. unten), und Gossypium herbaceum L. (Spez. pl. ed. i p. 693) (G. indicum
Lam., G. album Wicht et Arn., G. micranthum P. De, G. hirsutum L., G. punc-
tatum GuiLL. et Perrott^ G. prostratum Schum. et Thönx.) mit den Varietäten
religiosum, hirsutum und Wightianum (diese auch als Arten). Die Systematik der Gat-
tung Goss_vpium ist sehr unsicher.
Systemat. Stellung. Malvaceae, Hibisceae.
Paklatoke betrachtet Birma und den indischen Archipel als Heimat, M.\sters hält das
in Sindh heimische G. Stoctsn für die Stammform von G. herbaceum. ScHtJMAXN nimmt (in
Exglek-Praktl, Pflanzenfam.) drei Arten kultivierter B. an: G barbadense L. (heimisch auf
den 'Antillen), G. arboreum L. (heimisch in Togo, Afrika) und G. herbaceum L. (seit Urzeiten
in Indien kult.) mit den Varietäten religiosum (China [oder Amerika?]) und hirsutum (heimisch
in Mexico und Westindien). In der Flora Brasiliensis stehen: G. hirsutum L, G. barbadense L.,
G. religiosum L., G. pnbescens SPHITG. LlNNÄ beschrieb 5 (6) Gossypium- Arten, De CaNDOLLE
16, Rohr (1807) 29 (34), Todaro (1877) 54, Parl.\tore (1866) 7(9), nämlich: Gossypium her-
baceum L , G. arboreum L., G. sandvicense Pari. (^ G. religiosum Forst.), G. taitense Parl.,
G. hirsutum L., G. barbadense L. und G. religiosum L. Masters 7, Royle 4, BenthaJI-Hooker 3.
Jetzt nimmt man meist 9 — 10 an.
In Kultur sind aber nur fünf Arten. Von diesen stammen die drei wertvollsten,
die groß- und weiß- bzw. gelbblütig sind, aus Amerika, nämlich: Gossypium barbadense
(Sea Island Baumwolle) aus Westindien (liefert unter andern Sea Island, Barbados
und New Orleans Cotton), G. Iiirsutwn (Upland Baumwolle) aus Mexiko und G. peru-
vianum (Nieren-Baumwolle) aus Südamerika (liefert die Peru-, Kidney- und
Brasilbaumwolle). Die vierte in Indien bevorzugte Kulturart G. herbaceum (Indische
Baumwolle) stammt aus Ostindien, und die fünfte, G. arboreum (Purpurblütige Baum-
wolle, das Gossipion des Plinius), wahrscheinlich aus Afrika. Letztere, die nur wenig in
Ägypten, Arabien und Indien kultiviert wird, findet sich wild in Abvssinien und dem
oberen Nilgebiet. Besonders von der Sea Island Baumwolle gibt es zahlreiche Spiel-
arten. G. religiosum (s. oben) stammt aus China und liefert die gelbe Nankingbaum-
wolle. Vielfach sind durch Kreuzung von Arten, Unterarten und Rassen, Hybriden,
erzeugt worden, so z. B. zwischen der in Florida heimischen Art mit der Common
okza genannten Kulturrasse. Auch die Caravonica scheint eine Hybride zu sein.
G. herbaceum wird in den Tropen 2 m, in der gemäßigten Zone 60 — 90cm
hoch. Sie wird in Südeuropa und in Zcntralasien, in gnjßer Menge in der Bucharei,
in Ostasien bis Nordchina, Korea und Japan, auf Cypem, in Syrien und Kleinasien
gebaut. Die vorderindischen Produkte heißen Surats. Der Stapel ist mäßig lang und
stark, meist weich seidenartig. Die Nordwestprovinzen und Assam sind für die Pro-
duktion weniger wichtig. Die indische Art wird auch in Zentralasien und China ge-
baut, sowie in Afrika, den Mascarenen und etwas auch in Zentralamerika und Chile.
«Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind alle Baumwollpflanzen, welche in Asien
angebaut werden, nur als verschiedene Formen \'on G. hcibaceum zu betrachten >
(Semler). Die für Indien wichtigste Form ist G. Wighlianmn. Von den amerika-
nischen Arten liefert G. hirsu/um, die in den Südstaaten gebaut und 2 — 2i|._, m hoch
Gossj-pium.
231
wird, die Upland-Baumwolle, die die größte Menge der Baumwolle des Welthandels
liefert. Die Sorte Orleans wird mehr in Louisiana und Missisippi gebaut, die Sorte
Georgian Upland (Boweds) in Georgia und Carolina. Die dritte ist die kurzstapelige
Texasvarietät, die in geringer Menge auch im Mittelmeergebiet, Äg\pten, Serien, in
Westafrika, den Mascarenen, in Süd- und Ostasien und in Queensland kultiviert wird,
eine grünsamige Sorte in Westindien und Venezuela. Einige Sorten haben gelbe Wolle.
In China und Hinterindien, aber auch in Ägypten und Italien wird G. religiosum, die
Nangkingbaumwolle, gebaut.
Den längsten und feinsten Stapel haben die Sorten der Sea Island-Baumwolle
von G. barbadense, die 2 — 2'|2 m hoch wird und in den feuchten Küstengebieten von
Georgia, Süd-Carolina und Florida und den Inseln (Sea Islands) gebaut wird. Sie
wird auch in Westindien, Zentral- und Südamerika, Peru und in bedeutender Menge
in Ägypten kultiviert, wenig in
anderen Teilen des Mittelmeer-
gebietes, Westafrika, Zentral-
afrika, Bourbon, Indien, Süd-
China und den polynesischen
Inseln. Im Stapel gegen diese
zurückstehend ist G.peruviaiium
(Nierenbaumwolle), die 2 bis
5'L m hoch wird. Sie wird be-
sonders in Peru und Brasilien
kultiviert, weniger im übrigen
Südamerika und den Antillen,
dem Mittelmeergebiet, Äg3'pten,
Westafrika,Südasien. Maranham,
Bahia, Maceio sind die belieb-
testen Sorten.
G. arboreum L. ist baum-
artig. Sie wird in der Nähe der
indischen Tempel angepflanzt. -pj^ g
Sie ist bei den Hindus eine /;a„,«t<,<.//emte in Georgia u. S. A.
heilige Pflanze. Aus ihrer Baum- (Nach stromeyer & Wyman.i
wolle wird der heilige dreiteilige Faden der Brahmanen, «dieses Sinnbild ihrer gött-
lichen Dreiheit», gesponnen. Dieses G. arboreum L. ist aber nicht identisch mit dem
Gossypium arboreum Aublet [G. religiosum L., G. vitifol. Lam., G. peruvian. Cavan.,
G. brasiliense Mac Fadyen), die aus Guayana stammt.
Beschreibung der Stammpflanze. Die Arten der Gattung Gossypium. sind Kräuter,
Sträucher (I, Fig. 95 — 98) oder Bäume mit meist 3 — 9 lappigen Blättern und großen
ansehnlichen Blüten, die ein bleibendes Hochblattin volukrum (Außenkelch) aus drei
meist großen und gezähnten Blättern besitzen (Fig. 84). Die Staminalsäule unter dem
Griffel meist nackt, der Grififel am Ende keulig, die Cotyledonen stark gefaltet (Fig. 87)
mit der geehrten Basis der Würzelchen umfassend. Die Früchte sind drei- (bis fünf-)
fächerige, dunkelbraune, walnußgroße Kapseln, die fachspaltig aufspringen. Die 5 — 10
unregelmäßig nierenförmigen Samen sind mit langen weißen, einzelligen Haaren be-
deckt. Nicht alle Epidermiszellen sind aber zu diesen langen Haaren ausgewachsen,
ein Teil wächst nur zu kürzeren aus, die technisch auch nicht völlig wertlos sind.
2 ' 2 Zelluloso-Membranindrogen,
In der Union werden nämlich diese kurzen Haare der Grund wolle als Linters (im
Gegensatz zur L int- Baumwolle) bezeichnet und dienen nach Schanz zur Herstellung
von Hut- und anderen Filzen, Vigognegarne, gewöhnliche und Verbandwatte, Politur-
niaterial usw. Bei G. barbadense und peruvianum ist der Same nur mit langen Haaren
bedeckt, bei G. hirsutum, herbacetnn und arboreum sitzt zwischen den langen Haaren noch ein
kurzer Filz (* Grundwolle»), bei einer besonders in China
kultivierten Varietät von G. herbaceum sind die Haare gelb
gefärbt (Nangkingbaumwolle), die Grundwolle sogar
tiefgelb. Bei G. barbardense, wo die Grundwolle fehlt,
erscheint daher der Same glatt und schwarz, bei G.
herbaceiini und arboreum weißfilzig, bei hirsutiim grün-
filzig. Die Kapsel ist bei der ägyptischen Art drei-,
bei der nordamerikanischen vier- bis fünfteilig. Zur
Fig. 84. Zeit der Reife ist das ganze Innere mit den haar-
Cossypium spec. Fracht zur Reifezeit. bedccktcu Samen erfüllt und diese sprengen schließ-
" ^' lieh die Kapsel auf, so daß der Wollbausch hervor-
quillt. Ob hierbei auch die fortschreitende spiralige Drehung, die von der Spitze des
Haares her, die zuerst austrocknet, erfolgt, mitwirkt, wie Seiiler meint, ist noch zu
erweisen. Sicher ist, daß die Torsionen des Haares erst im letzten Stadium der Reife
eintreten, also bei sog. «unreifen Fasern > weniger zu finden sind, die sich überhaupt
durch geringere Wanddicke, das Fehlen der verdickten Ränder und stärkeres Zu-
sammenfallen von den reifen unterscheiden. Am vollkommendsten ausgebildet, d. h.
am reifsten, sind die Haare der ägyptischen und nordamerikanischen Baumwolle.
Die Gattung Gossypium ist über die Tropen beider Welten verbreitet, nicht
aber die einzelnen Arten. G.lierbaceum'L. (sansk. karpassi, hind. kapas) ist in Asien
(Birma, Irawaddi, ind. Archipel, Sindh) heimisch. Über Europa gelangte es um 1770
nach Nordamerika. G. arboreum L. ist im subtropischen Afrika zuhause (Guinea,
Abyssinien, Sennar, Ober-Ägypten) und G. barbadense L. in den Tropen Amerikas.
Lit. Paki.atore, Le specie dei cotoni. Firenze 1866, mit Taf. — Todaro, Relatione
della cultura dei cotoni in Italia seguit de una Monografia de! genere Gossypium. Roma 1877/78,
mit Taf. — G. Watt, The wild and cultivated Cotton plants of the world. London 1907 und
Dictionary of economic products. — Middleton, Descript. of cert. indian botan. forms of
cotton. Agricultur Ledger Nr. 8, 1895. ' — S.\uebeck, Kulturgew. d. deutsch. Kolon. Jena 1898.
— Übersicht der Arten in Wie,sner, Rohstoffe, 2. Aufl. 1903. — Abbild, bei Rumpf, Herb.
Amb., P.vri..\toke und Todaro (s. oben), sowie Wicht, Illustr. Ind. Bot. t. 27 und 28. —
Femer von Gossypium herbac: in Berg-Schmidt, Atlas t. 106 (dort auch d. System. Literatur).
Abbild, von G. barbadens. : in P.\Bsr-KÖHl.ER, Medizinalpfl. t. 158 und Benti.ey-Trimen,
Medicinal plants t. 37 (dort weitere Literatur). Alle drei Arten: in E.ngi.er-Pranti., Pfianzen-
fam. III, 6, S. 51.
Pathologie. Auf der Baumwollpflanze sind zahlreiche parasitische Pilze beobachtet
worden, von denen mehrere einen grösseren Schaden stiften. Zu diesen gehört Neocosmospora
vasinfecta, eine Hypocreacee, welche die ganze Pflanze zum Absterben bringt; dasselbe wird
auch von einem Fusarium angegeben. Mehrere Pilzarten bilden sich auf den Kapseln aus, so
rufen Phyllosticta gossypina und Alternaria macrospora Schwärzungen der Fruchtknotenwand
hervor, auch kennt man eine Bakterienkrankheit der Baumwollfrüchte. — Die einzige Angabe
eines Pilzvorkommens speziell auf den Samen bezieht sich auf eine Tornta incarcerata Cke.
(Ed. Fischer).
Über die Schädlinge der Baumwollpflanze vgl. Semler, Tropische Agrikultur. Der ge-
fährlichste tierische Schädling ist ein Verwandter der Seidenraupe, die sog. Baumwollraupe
oder Baumwollmotte, eine Noctuidee, Aletia xylina (Abbild, bei SeMLEr), dann die zur gleichen
Familie gehörige Kapselraupe (Bollworm) Heliothis armigera (Abbild, bei Semler).
Gossypium.
233
Kultur und Emtebereitung. Die Sea-Islandstaude wird jetzt kultiviert auf
den Inseln an der Küste von Georgia und Florida und in Florida, in Ägypten
(Messifieh), auf den Südseeinseln, in Venezuela und Peru; die Upiandstaude in
Georgia, Süd-Carolina, Alabama, Texas, Missisippi, Louisiana, Pemambuco, an der
Nord- und Ostküste von Brasilien, Sao Paolo, San Salvador, den westindischen Inseln,
Venezuela, Peru und in Ägypten (Siftah); die indische Staude in Vorderindien,
Natal, Ägypten (Zagazig, Mansurah, Beharah) Vorderasien und Griechenland. Die
australische Caravonica, deren botanische Zugehörigkeit unbekannt ist, in Nord-
australien (Queensland), auf den neuen Hebriden, in Ostafrika, Ägypten, IVffexiko
und Peru.
Die Baumwollstaude ist eine ziemlich tiefvvurzelige, tropische und subtropische
Tieflandpflanze, die eine möglichst gleichmäßige Temperatur (18 — 2 6''C.), viel Feuchtig-
keit bei anhaltendem Sonnenschein verlangt, also am besten in Küstenländern an-
gepflanzt vnrd. G. barbadense wird besonders an den Küsten von Georgia und Florida,
auf Sea Islands und in Westindien gebaut, gedeiht aber auch in Ägypten. Die nörd-
lichen und südlichen Grenzen sind etwa der 36" n. und s. Er. (bzw. 30° s. Br. bis
41" n. Br.). Alan pflanzt die in Samenbeeten erzogenen Pflänzlinge in Abständen
etwa wie die Kartoffel (ein junges indisches Baumwollfeld sieht denn auch etwa wie
ein Kartoffelfeld aus), oder legt Reihenpflanzungen (Kammkultur) oder sog. Hügel-
pflanzungen an, bei denen die Samen direkt an Ort gebracht werden. An jeder
iig- «5-
AValzengin der Sächsischen Maschinenfabrik Hartmann in Chemnitz.
Pflanzstelle läßt man aber nur die kräftigste Pflanze sich entwickeln. Obwohl die
Baumwollpflanze ein mehrjähriges Gewächs ist, zieht man es doch vor sie alljährlich
neu auszusäen, i Hektar produziert 60 — 300 kg Baumwolle. Zwei Monate nach der
Aussaat beginnt die Baumwollstaude zu blühen, nach weiteren ^'/.^ — 3 Monaten ist
die Kapsel reif. Die Carpelle rollen sich alsdann nach außen zurück und es tritt
der große weiße lockere Ball der haarbedeckten Samen hervor (Fig. 84). Nicht alle Kapseln
einer Staude öffnen sich gleichzeitig. Sobald so viel Kapseln aufgesprungen sind, daß
^34
ZeUuloso-Membranindrogen.
ein Arbeiter 25 kg Baumwolle am Tage sammeln kann, wird mit der Ernte begonnen,
die bei möglichst trockenem Wetter erfolgt (I, Fig. 96 u. 97). Ein Arbeiter kann im
Maximum 75 bis 100, selten bis 150 kg sammeln. Eine Baumwollstaude liefert etwa
i^/^kg Baumwolle. Man hat auch mechanische Erntemaschinen eingeführt (vgl. I, S. Q4),
aber noch ist das Problem nicht gelöst. Der Arbeiter nimmt mit einem Griff den Bausch
aus der geöffneten Kapsel (Fig. 83) und sorgt dafür, daß nicht Kapselteile, Blätter
und anderes mit geerntet werden. Die die Baumwollbäusche enthaltenden Säcke werden
dann auf Tennen entleert und der Inhalt getrocknet. Dann kommen sie in das Gin-
haus,-' um dort zunächst eine Reinigungsmaschine (Sead Cotton Cleaner oder Exhau-
storenreiniger) zu passieren und dann dem Gin (abgekürzt aus engine = Maschine)
zugeführt zu werden. Das Ginen (Entkörnen, Egrenieren oder Egrainieren), d. h.
das Trennen von Samen und Wolle, erfolgt ebenfalls durch Maschinen, deren älteste,
jetzt meist durch neuere Sj-steme verdrängte, die churka (manganello) ist, die noch
jetzt da und dort in Indien benutzt wird. Der Sägegin wurde 1792 von Whitxev
erfunden. Neueren Datums ist der Walzengin (Fig. 85). Die Maschinen enthalten
entweder enggestellte Walzen (Walzengin, in Ägypten und Indien in Gebrauch), die
die Haare fassen, während die Samen, die nicht folgen können, abgeworfen werden
oder stumpfe, kreisförmige Sägeblätter (Sägegin, in Nordamerika in Gebrauch),
deren Zähne durch ein enges Gitter greifen und die Haare von den auf dem Gitter
hinabgleitenden Samen abreißen. Durch das Ginen wird die Samenbaumwolle zur
Lintbaumwolle. Meist ist das Verhältnis von Samen zu Wolle wie 2:1, im besten
Falle wie 6 : 4. Die egrenierte Baumwolle wird dann in Hanf- oder Jutesäcke oder
Häute gefüllt und in hydraulischen oder Plattenpressen zu Ballen von 30:38:75 cm
= c. 56 kg oder 135 : 70 : 80 cm = c. 180 — 220 kg gepreßt, die mit eisernen Bändern
umschnürt werden (Fig. 86).
Fig. 86.
Mittelst hydraulischer Pressen hergestellte Ba/im2ro//(;/:h^l\en zum Verladen bereit (St. Louis).
Die Baumwolle wird noch jetzt, trotzdem auch noch der letztjährige Spinner-
kongreß wieder Handel nach Gewicht verlangte, meist nach Ballen gehandelt. Diese
aber besitzen ein sehr schwankendes Gewicht. Bei Sea Island finde ich z. B. Gewichte
Gossypium. 235
von 373, 375, 377, 384, 388 Ibs angegeben; bei Upland 400, 450, 500, 503.69,
510.24, 519, 535 Ibs (engl. Pfund), bei afrikanischer 400, 441, 500, 513. Der
Standardballen wird zu 500 (engl.) Ibs angenommen.
Der Wert der Baumwolle wird beurteilt nach der Länge des Fadens, dem
Stapel, dem Grade der Seidigkeit (abhängig von der Glätte der Cuticula) und der
Feinheit (abhängig vom Durchmesser), der Weichheit, der Reinheit und Homogenität
(abhängig von der Anwesenheit toter Baumwolle und Frucht- bzw. Samenresten), von
der Festigkeit und der Farbe.
Als langstapelig wird eine Baumwolle bezeichnet, die über 3,5 cm, als mittel-
stapelig eine solche, die c. 2,5 — 3,5 cm, als kurzstapelig endlich eine solche, die unter
2 cm Stapellänge besitzt. Die Standardmuster zeigen folgende mittlere Stapellängen in
mm: Sea Island 42, ägyptische (Mako, Jumel) 38, Pemambuco (brasil) 32, amerika-
nische (exkl. Sea Island) 28, Port Natal 28, indische 23 und 17.
Der Stapel der indischen Baumwolle ist kurz aber fein, die Arboreumbaumwolle
hat einen seidenartigen Stapel, doch ist die Wolle schwer vom Samen zu trennen.
In Europa wird die eingeführte Rohbaumwolle mit besonderen Maschinen ge-
reinigt, von allen Verunreinigungen befreit, gekrempelt und gekardet (kardiert) — bis-
weilen unter Zusatz von Olivenöl — , dann aufgelockert und durch Benzol oder ver-
dünnte Natronlauge bzw. Soda vom Fett befreit, mit verd. Schwefelsäure, Seifenwasser
und Wasser gewaschen und dann gebleicht, und in den sog. Wattemaschinen auf-
gelockert (coton carde ou ouate). Um Baumwolle mit < knirschenden Griff» herzu-
stellen, wird ihr Stearinsäure zugesetzt.
Die für arzneiliche Verwendung bestimmte gereinigte Baumwolle muß stets
entfettet werden. Nicht entfettete sinkt in Wasser nicht unter und saugt Wasser nur
schwer auf, und in der guten Aufsaugefähigkeit beruht der Wert der Baumwolle.
Auch der starke Luftgehalt hindert das Untersinken. Das Entfetten und Entlüften
erfolgt durch Kochen mit verd. Sodalösung oder Seifenlauge (s. oben).
Die Darstellung der gereinigten Baumwolle (Coton depure, Purified cot-
ton, Cotton wool, Wound dressing cotton) geschieht in der Weise, daß kardierte, mög-
lichst langstapelige Rohbaumwolle in sehr verdünnte, siedende Pottasche oder Soda-
lösung getaucht und dann sofort ausgewaschen und ausgepreßt und darauf mittelst
5 "Iq Calcium- oder Natriumhypochloritlösung gebleicht wird. Dann wird mit Wasser
gewaschen, bis Lackmuspapier nicht mehr verändert wird, getrocknet und gekrempelt.
Zu Verbandwatte werden meist die Abfälle der Baumwollspinnereien (die
sog. Kämmlinge) verarbeitet. Sie werden auf dem Offner von Unreinigkeiten befreit,
auf der Krempelmaschine gekämmt und zu Vließen verarbeitet. Die sog. Roh-
watte wird nacheinander mit Harzseife, Natronlauge oder Soda, Chlorkalk (oder
Eau de Javelle), salzsäurehaltigem und reinem Wasser behandelt, getrocknet und zu
Vließen verarbeitet (A. Meyer).
Mit Benzin entfettete Baumwolle ist als Verbandstoff nicht verwendbar.
Lit. Beckmann, Vorher, z. Waarenkunde I. Göttingen 1793. — Baines, history of cotton
raanufacture in Great Britain. London 1835. — Benno Niess, Die Baumwollspinnerei in allen ihren
Teilen. Weimar 1868. — A. Oppel, Die Baumwolle nach Geschichte, Anbau, Verarbeitung und
Handel. Leipzig 1902. — Semler, Tropische Agrikultur. — EckjVKDt, Der Baumwollbau. igo6.
Beiheft VII z. Tropfenpfl. — YvES Henry, Le Coton. Publ. d. Gouverm. gen^r. de l'Afrique
occid. franc. 1906. — KicK in Karmarsch und Heeren, Technisches Wörterbuch 1876. —
VON Kapff, Über Wolle , Baumwolle, Leinen, natürliche u. künstliche Seide. Leipzig, FoCK.
1909. — E. Frank, Handb. d. Baumwollindustrie. — C. Heine, Die Baumwolle (nach Cotton
j ^5 Zelluloso-Moinhrinindrogen.
von BvRKF.i.T and Hamilton). — Kuhn, Die Baumwolle, ilire Kultur usw. 1892. — H. Leco.mte,
Le Coton. Paris 1899. — Toblek in Kolonialbotanik. — T. F. H.\nausek, Artikel Baumwolle
in Realenrykl. d. Pharm. 11, 590. — Wiesner, Rohstoffe. — Passon, D. Kultur der Baumwolle
mit besonderer Beriicksicht. derjen. von Brasilien. Nach dem gleichnamigen Werke von d'Utr,\,
Stuttgart 1910. — M. Sch.\nz, Die Baumwolle in d. Verein. Staat. Beiheft z. Tropenpflanzer
1908. — Yves, Le coton aux Etats-Unis-Journ. Agr. pr. pays chauds 1903 (mit einer Übersicht
der Varietäten). — M. Schanz, Baumwollbau in deutschen Kolonien. Berlin 1910. — Busse,
Zeitfragen d. Landw. im trop. Afrika m. bes. Berücks. d. Baumwollbaus. Tropenpflanzer 1907.
— Weit. Lit. unter Anatomie. — Der Baumwollbau und -handel im Mittelalter bei Heyd,
Levantehandel II, 572.
Produktion. Das wichtigste Produktionsiand der Baumwolle ist Nordamerika,
wo in Texas, Georgien, Alabama, Missisippi, Süd-Karolina, Arkansas, Louisiana, Nord-
Carolina und Tennesee Baumwolle gebaut wird. Der Jahresertrag betrug: 1906 über
13 Mill. Ballen (vgl. I, S. 184). Hauptausfuhrhäfen sind New Orleans (nach Liverpool
wichtigster Baumwollmarkt der Erde), Galveston, Savannah, Charleston, Wilmington,
Mobile, Pensacola, New York, Norfolk, Boston, Baltimore.
In Mittelamerika baut Haiti, Portorico, Jamaika, Martinique, Guadeloupe. Die
Produktion geht, obwohl das Produkt vorzüglich ist, zurück.
In Südamerika baut Guyana, Columbien, Venezuela, Peru und besonders
Brasilien Baumwolle. Hauptausfuhrhäfen sind: Barranquilla und Sabanilla, Puorto Ca-
bello, Pemambuco, Maceiö, Ceara.
In Ostindien, dem zweitwichtigsten Produktionslande besonders für ordinäre
Sorten, baut Britisch Indien in Bombay, Sind, Berar, Madras, den Nordwestpro-
vinzen, Haiderabad, den Zentralprovinzen, Pandschab und Radschputana Baumwolle
(am meisten Berar). Die wichtigsten Produktionsgebiete der Baumwolle in Vorder-
indien liegen in den Ebenen von Guzerat und Katkiawar, dem Hochland von Dekkan,
den tiefen Tälern von Berar und den Zentralprovinzen. Hier steht der Baumwollbau
in Kleinbetrieb bei den eingeborenen Bauern und dies bedingt die Minderwertigkeit
des Produktes gegenüber der amerikanischen und ägyptischen Baumwolle. Hauptaus-
fuhrhäfen sind: Bombay, Calcutta, Karatschi, Tuticorin, Madras.
In China ist die Kultur umfangreich, reicht aber nicht zur Deckung des
großen Bedarfes. Der Baumwollbau in China reicht bis ins XI. Jahrh. zurück. Er
hat sich allmählich über große Teile des Reiches verbreitet, wird aber besonders in
den Küstenländern betrieben.
Die Kultur in Japan ist ebenfalls beträchtlich, doch deckt sie nicht den Be-
darf und muß Japan Baumwolle aus China importieren.
In Persien (Bezirk von Iphahan), Transkaukasien und Vorderasien ist
die Kultur gering. In Australien und denSüdseeinseln steigend. Australien (Queens-
land j baut die Caravonica. Von der vorzüglichen Caravonicabaumwolle ist jetzt (19 10)
sowohl wollige wie seidige im Handel.
In Afrika baut besonders Ägypten viel Baumwolle im Nildelta, überhaupt
im Küstengebiet. Zuerst G. herbaceum aus Indien, dann Anfang des XIX. Jahrh. eine
nubische Spielart (Jumel, Maho, Mako), jetzt die Sea-Island-Art und Caravonica. Die
Baumwolle ist gegenwärtig die größte Finanzquelle Ägyptens. Der Ertrag beläuft sich
auf über 200 Mill. Frs. Die ägyptische Baumwolle, die seidenartigen Glanz besitzt und
japanischer Seide gleicht, macht der amerikanischen Baumwolle erfolgreich Konkurrenz.
Die besten Baumwollsorten kommen jetzt aus Ägypten. Die Algerische Kultur hat
aufgehört. In den deutschen Kolonien breitet sich die Kultur aus. Die Baumwoll-
Gossypium. 2^7
not im Jahre 1909, die den Preis der amerikanischen Rohbaumwolle von 9,25 auf
16,15 Cents hinauftrieb, hat die Aufmerksamkeit der deutschen Konsumenten auf die
Baumwollkulturen in den deutschen Kolonien gelenkt (vgl. Süpf, Deutsch-koloniale
Baumwolluntemehmungen. Beihefte z. Tropenpflanzer. 19 10). Deutsch-Ostafrika lieferte
1908 erst 1081 Ballen = 540298 Pfund, Togo 1908I09: 2337 Ballen ä 500 Pfund.
Die europäische Kultur in Griechenland, Italien, Spanien und der Türkei ist
ohne Bedeutung. Immerhin produziert z. B. Griechenland (von G. herbaceiim) jährlich
3840000 kg (Emmanuel).
Das Ansieigen der Baurawollproduktion veranschaulichen folgende Zahlen. Die Welt-
produktion betrug 1791: 213,4, 1834: 408,5, 1K80/84: 2274,3, 1891/99: 3260,8 Mill. kg pro
Jahr. Obenan in der Produktion steht jetzt Nordamerika, weit dahinter folgt erst Ostindien
und dann mit etwa gleichen Mengen China und Ägypten. Die Baumwollernte der Erde erreichte
1906: 18,6 Mill. Ballen = 3682,8 Mill. kg. 1908/09 betrug die Baumwollernte in 1000 Ballen
(ä 400 engl. Pfund): Amerika: 13829, Indien: 4665, Ägypten: 910, Brasilien u. and. Länder:
3063. — Total: 22467. Sie steht damit von allen uns interessierenden Produkten obenan («King
CoTTON»). Der Baumwollverbrauch der Erde betrug I. Sept. 1907 bis i. Sept. 1908 (exkl. ägyp-
tischer B.): 15121281 Ballen (der Vorrat i. Sept. 1908: 7574130 B.). Der Verbrauch ägyp-
tischer B. im gleichen Zeitraum: 658256 B. 1909 liefen in der ganzen Welt 130795927 Baum-
wollspindeln, davon in Großbritannien c. 53'/ä Mill., in Nordamerika c. 277-2^111., in Deutsch-
land c. IG Mill. 1909 entfielen von der Weltproduktion 66 "/„ auf die Vereinigten Staaten, 13%
auf Ostindien, 10°/^ auf Mittel- und Ostasien, 7 — lo'/j auf Ägypten und 4''/„ auf alle anderen
Länder. Nordamerika exportierte Sea Island B. 1908: 33042 bales (= 12699567 Ibs),
1909: 25939 bales (^ 9740806 Ibs) und Upland and other 1908: "401 538 bales (= 3804299126
Ibs), 1909: 8551789 bales {= 4438244396 Ibs). Die Produktion Nordamerikas betrug 1908/09:
13829000 Ballen (1909/10 10 — llMill.). Die in disch e Baumwollernte betrug 1908/09: 3643000
Ballen (zu 400 engl. Pfund). Die indische Baumwollernte 1909/10 wird auf 4289000 Ballen
geschätzt. Ägypten produziert jetzt (1910) 5 — 6 Mill. Cantars pro Jahr. Rußlands Baumwollen-
bau macht Fortschritte. 1907 lieferte russ. Zentralasien bereits c. 5 750000 Pud, Transkaukasien
800000 Pud. Java exportierte 1908 4221002 kg ungereinigte Baumwolle.
Deutschland importierte 1909: 4559207 dz R oh-Baumwolle besonders aus den
Ver. Staaten (3'/2 Mill.), dann aus Brit. Indien und Ägypten, geringere Mengen aus Niederl.
Indien, der asiat. Türkei, China, Deutsch-Ostafrika, Togo, Peru und Haiti. Hamburg impor-
tierte 1908 seewärts 1125919 dz Baumwolle, davon aus den Ver. Staaten: 491132, Brit. Ost-
indien: 486678, Ägypten: 80124, China: 17466, kleinere Mengen aus Ostafrika, Westafrika,
Kleinasien, Haiti, Mexico, Peru, Brasilien, Venezuela, St. Croix, Niederl. Indien, den Gesell-
schaftsinseln, St. Thomas, Madagaskar, Nicaragua, Portorico, Jamaica, St. Domingo. Die Einfuhr
an Baumwollsamen betrug 120492 dz.
Lit. Tropenpflanzer 1907 — 1910. — Jahrbuch u. Kalender für die Baumwollindustrie.
Leipzig, Degener (1909, 30. Jahrg.).
Handelssorten. Nordamerikanische Sorten sind: Sea Island (Lange
Georgia) — Louisiana — Alabama (Mobile) — Florida (Pensacola) — Kurze
Georgia, Upland — New Orleans — Tenessee — Texas. Ernte im September.
Mittel- und südamerikanische Sorten sind: Molinos (Mexiko) — Per-
nambuco (Brasilien) ■ — Ceara — Maceio — Bahia — Maranham — Surinam
(Guyana) — Demerary — Berbice — Cayenne — Varinas (Columbia) — Barce-
lona — Cartagena — Lima und Payta (Peru) — Haiti — Barbados — Porto-
rico — Guayanilla — Cuba.
Asiatische Sorten: Surate (Dollerah, Ostindien) — Madras — Bengal —
Persische — Nangking.
Afrikanische Sorten: Maco (Jumel, Ägypten) — Bourbon.
Australische Sorten: Die beste australische Sorte ist Caravonica (woU- und
seidenartig), die in Nordaustralien gewonnen wird. Von ihr werden Alpacca, Silk und
-3S
Zelluloso-Membranindrogen.
Wool unterschieden. Caravonica gilt jetzt als die beste Baumwolle. Ihr gleichwertig
ist die neue (1909) Mamara.
Levantinische Sorten: Smvrna — Makedonien.
Europäische Sorten: Griechische — Motril (Spanien) — Castellamare (Italien).
Ohne Bedeutung: neapolitanische, römische, sizilianische.
Die Hauptmärkte für Baumwolle in Europa sind: Liverpool, Bremen,
Hamburg, Havre, Marseille, Antwerpen, Rotterdam, Dünkirchen, Barcelona, Triest,
Venedig, Neapel, Genua. Bremen ist erster deutscher Baumwollhafen.
Karte der Baumwollproduktion der Erde in Langhans, Kleiner Handelsatlas
1895, Nr. 10 u. II.
Anatomie. Die Baumwollsamen sind rundlich, 7 — 9 mm lang, 3 — 5 mm dick. Die
Epidermiszellen der Samenschale sind zum Teil zu den Baumwollhaaren ausgewachsen. Der
Haarfilz bedeckt entweder die ganze Sanienoberfläche {G. arboreum u. hi'rtum) oder liegt nur
an der Basis und der Spitze {G. religiös.). Von der Fläche betrachtet
erscheinen die Epidermiszellen etwas unduliert. Oft sind die derb-
wandigen, einen braunen Inhalt führenden, nicht zum Haar ausge-
stülpten Zellen sternförmig um die Haarzelle gruppiert (H.vnausek).
Bei Samen mit Grundwolle sind nahezu alle Epidermiszellen zu
Haaren ausgestülpt. Dann folgt die Pigraentschicht. Sie besteht aus
4 — 5 Schichten tangential gestreckter, farbstofführender Parenchym-
zellen. Auf diese folgt die Kristallzone, ein (oder zwei) Reihen ver-
dickter, bisweilen gut ausgebildete Kristalle führender isodiametri-
scher Zellen. Die bis hierher beschriebenen Schichten gehen aus dem
äußeren Integument hervor (Schlottkrbeck). Die nächste Schicht
besteht aus stark verdickten Palissaden-Sklere'iden, deren kleines
Lumen ziemlich weit außen liegt. Die dann folgende, reich durch-
lüftete Nährschicht ist stark obliteriert; außen führen die ziemlich
dickwandigen Zellen Farbstoff. Die innerste Schicht des inneren
Integumentes (Schlotterbeck) besitzt Zellen, die zierliche zentri-
petale Wandverdickungen zeigen (Fransenzellen Hanauseks, cellules
pliss^es ou frangees Perrot). Dann folgt ein sehr schmaler Nucellus-
rest, ein meist nur einschichtiger Endospermrest und dann die außer-
ordentlich stark gefalteten Cotyledonen, die im Querschnitt dunkel
punktiert erscheinen, da sie zahlreiche, eine blau- oder grünlich-
schwarze Masse enthaltende schizogene (Perrot oder lysigene Ha-
NAUSEK, VON Hoehnel) Sekretbehälter führen. Sie enthalten Oxalat-
drusen, Öl und Aleiiron. Auf der Oberseite liegt eine Palissadeu-
schicht. Das Sekret ist nicht näher studiert. Es löst sich in kon-
zentrierter Schwefelsäure mit trüb-blutroter Farbe (X. F. H.\n.\usek).
Auf der Epidermis der Cotyledonen sitzen Haare ähnlich den MlT-
[NachJ.SIoeller, Mikroskopie.] scHERLiCHSchen Körperchen (Perrot).
Lit. Flückiger, Über d. Baumwollsamen. N. Jahrb. f. Pharm. 1871. — Harz, Land-
wirtsch. Samenkunde H, 741. — KOBUS, Kraftfutter und s. Fälsch. Landw. Jahrb. 13, 1884.
— V. Bretfeld, Anatom, d. Baumwolle- u Kapoksamen. Journ. f. Landw. 35, 1887, 29. — T. F.
HanaUSEK, Zur mikrosk. Charakt. d. Baumwollsamenprodukt. Zeitschr. Öster. Apoth. Ver. 1888,
569 u. Samen in Wiesner, Rohstoffe. — • Guignard, Rech, sur le developpem. de la graine etc.
Journ. d. Bolan. 1893. — Zwaluwenburg and Schlotterbeck, Anatomy of the cotton seed and
the development of its seed coats. Proc. Amer. pharm. Assoc. 1899, 185 (mit i Taf.) (Entwick-
lungsgeschichte). — Hanausek-Winton, Mikroskopy of technical products p. 59. — Perrot,
Bull. sc. pharmacol. 1902, 336. — Greenish, Slruct. of cotton seed. Festschr. f. Vogl. — Die
Preßkuchen auch in Collin-Perrot, Residus industriels 1904.
Mikroskopisch betrachtet erscheint das Baumwollhaar besonders bei den indischen
Sorten als ein breites, bisweilen gekömeltes Band, das häufig um seine Achse korkzieher-
Fig. 87.
Gossypiutn spec,
I Längsschnitt und 2 Querschnitt
durch den Samen, C die gefal-
teten Cotyledonen, R Radicula.
Gossj'pium.
239
artig gedreht ist (Fig. 88) und drei- bis viermal breiter ist als dick. Bei den feineren,
dünneren Sorten aus Nordamerika und Ägypten ist das Haar wenig oder gar nicht
zusammengedrückt, nur schwach seilförmig gedreht, ja auf weite Strecken fast zylin-
drisch, sehr dickwandig mit schmalem Lumen und wulstigen Rändern. Nach Wiesner
soll sich die Torsion bei G. herbaceum über die ganze Länge, bei G. arboreum und
barbadense nur auf den mittleren Teil erstrecken, bei versponnener Baumwolle ist bis-
weilen gar keine Torsion mehr zu bemerken. Durch Salpetersäure wird die Drehung
aufgehoben. Das Lumen ist immer klein. /O
Es enthält Reste des Plasmas. Bedeckt ]&\ (y/^ (^
das Haar mit einer sehr feinen Cuticula,
die glatt ist oder Körnelung bzw. Streifung /
zeigt und bisweilen zart spiralig oder netz-
förmig gezeichnet ist (näheres bei Wiesner).
Der wollige Charakter der Caravonicawolle
wird durch eine sehr scharfe regelmäßige,
feine spiralige Streifung, der seidige der
Caravonicaseide durch dichte und feine
wellige Streifung der Cuticula bedingt (T.
F. Haxausekj.
Das Baumwollhaar ist in der Mitte
am breitesten (Wiesner"), an der Basis
schmäler. Die Spitze ist spitzkegelförmig,
spateiförmig, abgerundet oder kolbenförmig,
meist sehr dickwandig (von Höhnel), bei
der Caravonica oft schief abgeplattet (T.
F. Hanausek). Die Dimensionen schwanken
innerhalb bestimmter Grenzen, die Dicke
von 10 — 42 mik (bei G. herbaceum \ 2 — 22,
barbadense 19 — 28, arboreum 20 — 38, reli-
giosutn 20 — 40 milc. Wiesner). Die Länge
(der Stapel) von 10 — 40 mm (nach BoL»
ley: 25 — 60 mm, nach Wiesner bei bar-
badense: max. bis 51 mm, nach Sadebeck
bei Sea Island: max. 4 1 — 52 mm). Genauere
Angaben über Dicke und Stapellängen der Handelssorten bei Höhnel. Die Stapel-
längen betragen (nach Höhnel) bei G. barbadense (Sea Island) 40,5, G. b. (Brasilien)
40, G. b. (Ägypten) 38,9, G. arboreum (Indien) 25, G. herbaceum (Makedonien) 18,2,
G. herbac. (Bengalen) 10,3 mm. Bei Caravonica (nach T. F. Hanausek) bis 45 mm.
Bei der Breitenbestimmung gibt man das Breitenmaximum und die häufigste maximale
Breite an (Wiesner).
An der Basis ist das Haar, da es vom Samen abgerissen wird (s. oben), meist
oflTen. Eine Ausnahme macht die Carai'ö«/, d. h. mit Albumin, Kasein, Leim oder Gelatine imprägniert,
oder durch Behandeln mit Ammoniak in sog. « Amidozellulose» (Vignon) übergeführt.
Mercerisierte Baumwolle (Natronzellulose, s. oben) ist fester und zeigt Farbstoffen
gegenüber eine größere Affinität. Der Baumwollfaden wird durch Behandeln mit
starken Alkalien verkürzt. Streckt man ihn dann auf die ursprüngliche Länge, so
nimmt er Seidenglanz an. Zur Erkennung mercerisierter Baumwolle empfiehlt Lange
eine Lösung von 30 Teilen Chlorzink, 5 Teilen Jodkali, i Teil Jod und 24 Teilen
Wasser, die nur mercerisierte, nicht reine Baumwolle nach dem Auswaschen blau färbt.
Lit. Vgl. auch die Lit. unter Zellulose (oben S. 228). — GansWINDT, Artikel Baum-
wolle in Realenzyklop. d. Pharm. II, 594. — Chukch und HuGO Müller, Die Pflanzenfaser
in Hofmanns Ber. über d. Entwickl. d, ehem. Industr. Braunschweig 1877. — Otto N. Witt,
Chem. Technol. d. Gespinnstfasern. — Leo Vignon, Die Zellulosen der Baumwolle, des Flachses,
Hanfs und des RamiÄ. Compt. rend. 131, 558. Derselbe, Zellulose, mercerisierte Z., gefällte
Z. und Hydrozellulose. Ebenda p. 708. — C. PlEST, Die Zellulose usw. X910. — KÖNIG und
Schubert, Monatsh. f. Ch. 6 u. 7. — Stern, Journ. Chem. Soc. 67 (1895). — Schwalbe u.
Schulz, Ber. d. d. ehem. Ges. 1910, 913. — Guignet, Compt. rend. 108 (1889), 1258. —
Flechsig, Zeitschr. phys. Chem. 7 (1882), 524. — Lange, Chem. Zeit. 1903, 592 u. 735. —
GiLSON, Chem. Zentralbl. 93b, 531. — Winterstein, Landw. Versuchsstat. 1894.
Gossj-pium. 243
Anwendung. Baumwolle wird in der Medizin in erster Linie als Verbandwatte
benutzt. Die Haare saugen die Flüssigkeiten kapillar und osmotisch auf. Vom Blut-
serum z. B. das 10 — 1 1 fache ihres Gewichtes. Sodann wird Baumwolle oft mit Medi-
kamenten imprägniert (VerbandstofTe). Und endlich dient Baumwolle auch als Filtrier-
material, um Keime abzuhalten oder Luft zu filtrieren. Die durch Kochen mit Na-
triumhypochlorit erhaltene hygroskopische Watte wird als Ersatz für Charpie empfohlen.
Ein entfetteter und gebleichter Baumwollstoff^ ist unter dem Namen Tela depurata,
hydrophiler Verbandstoff", gereinigter Mull in Benutzung. (Prüfung in Pharm, helv. IV.)
Baumwolle ist aber auch, hauptsächlich wegen der eingeschlossenen Luft, ein sehr
schlechter Wärmeleiter und wird auch aus diesem Grunde benutzt.
Als Verbandwatte brauchbar ist im Notfall auch hydrophiler Baumwollendocht,
Lint, Baumwollflanell, englischer Mull (Cambric), appretierte Gaze, Mull. Haupt-
sache ist, daß alle Verbandstoffe sterilisiert sind.
Lit. Zelis, Die medizin. Verbandmaterialien. 1900. — B.^RTH a. a. O. :s. unten).
Prüfung. Der Stapel der gereinigten Baumwolle oder Verbandwatte betrage
mindestens 3 cm. Die mikroskopische Untersuchung ergebe nur Haare. Die gereinigte
Baumwolle sei rein weiß, geruchlos, frei von Fruchtschalresten und Samenteilen. Sie
darf beim Drücken mit der Hand nicht knistern, knirschen (Stearinsäure) und mit
Wasser durchfeuchtet Lackmuspapier nicht verändern (Alkali und Säure vom Reini-
gungsprozeß, s. oben). Der wässerige Auszug (i : 10) darf nicht opalisierend oder
seifig (von der Behandlung mit Seifenlauge, s. oben) oder gefärbt erscheinen. Der
mit siedendem Wasser bereitete Auszug (i : 10) darf weder durch Silbernitrat, noch
durch Baryumnitrat oder Ammoniumo.xalat mehr als opalisierend getrübt werden.
(Chloride, Sulfate, Kalk vom Reinigungsprozeß mit Chlor etc.). Die in loccm dieses
Auszuges nach Zusatz von einigen Tropfen Schwefelsäure und 3 Tropfen Kalium-
permanganat entstehende Rotfärbung soll innerhalb einiger Minuten nicht verschwinden
(reduzierende Substanzen, z. B. schweflige Säure und Sulfite vom Bleichprozeß). Wird
gereinigte Baumwolle auf Wasser geworfen, so soll sie sich sofort mit Wasser voll-
saugen und dann untersinken (Fett). Durch Trocknen bei 103" darf gereinigte Baum-
wolle nicht mehr als 7 "Iq an Gewicht verlieren (unzulässig hoher Wassergehalt). Wird
der ätherische Auszug von 5 g Baumwolle verdunstet, so soll das Gewicht des ge-
trockneten Rückstandes nicht mehr als 3 cg betragen (höchstens 0,6 "Jq Fett und
Stearinsäure), doch vermindert selbst ein Gehalt von i — 5 "jo Fett bzw. Fettsäure die
Aufsaugefähigkeit der Verbandwatte nicht erheblich. Die Asche betrage nicht mehr
als 0,3 o/o (Ph. helv. IV) bzw. 0,5 "/(, (Ph. austr.).
Völlig von Fettsäuren freie Baumwolle ist nicht im Handel (Budde). Die käuf-
lichen Verbandwatten enthalten 0,2 — 0,4 °/q. Jedenfalls muß aber eine obere Grenze
festgesetzt werden, da Baumwolle vor dem Kardieren nicht selten geölt wird (s. oben).
Ausgeschlossen vom medizinischen Gebrauch ist die in 2 — 4 cm dicken, beider-
seits geleimten Platten vorkommende Handelswatte.
Lit. B.\RTH, Herst, und Beurteilung von Verbandwatte. Schweiz. Wochenschr. 1910, 321.
— BuDDE, Unters, entfetteter Watte. Veröffentl. auf d. Geb. d. Militär-Sanitälswesens 1905.
Geschichte. Herodot berichtet (III, i6), daß die Inder eine Pflanze haben, die statt
der Frucht Wolle trage, ähnlich wie die der Schafe, doch feiner, und Strabo wußte bereits,
daß man den harten Kern herausnehmen müsse, um die Fäden rein zu erhalten, kannte also
das Egrenieren. Die Griechen trafen auf dem Alexanderzug in Indien Baumwolle (I, 530) und
die Gangesstolfe (yayyi'^'^ol}, die Alexander mitbrachte, sollen Baumwollgewebe gewesen
i6*
2 t 1 Zelhiloso-Meiiibranindrogen.
sein. Strabo erwähnt sie (I, S. 532), ebenso der Periplus i^I, S. 534) als xa(>7iaoo^. Daß sich
im allen Indien Baumwollkulturen, wohl von Gossypiiim herbaceum , befanden, ist zweifellos.
Der Occident (Römer und Griechen) wie Araber, Perser und Ägypter bezogen während des
Altertums den Baumwollrohstoff und Baumwollgewebe aus Indien. Sicher erwähnt wird
Baumwolle (kärpäsa) nach von Schröder zuerst in den jüngsten vedischen Schriften, den
sütras 1500 — 600 V. Chr.). TheophraST erwähnt Baumwollanpflanzungen auf den Bahreininseln
im persischen Golf iHist. pl. I, 4, 9). Es handelt sich hier wohl um G. herbaceum (De Can-
DOI.LE). Noch in der Kaiserzeit baute fast nur Indien, besonders das Gangestal, Baumwolle.
Nach PliniUS sollen schon die Phönikier auf Tylos große Baumwollplantagen besessen haben (.').
Der Ph.\RAO schenkte Joseph als Zeichen seiner besonderen Zuneigung ein baumwollenes Ge-
wand. Es scheint also Baumwolle damals noch selten gewesen zu sein. In altägyptischen Gräbern
linden sich denn auch nur leinene Binden und Gewänder. Baumwolle wurde in Ägypten erst
nach der Einwanderung der Perser (c. 525 v. Chr.) in größerem Maßstabe kultiviert (Br.-v^'Des).
Plinius erwähnt die Anpflanzungen in Oberägypten (s. oben S. 230J, ebenso Pollux ein Jahr-
hundert nach Pi-iNirs (im Onomastikon). In den oberen Regionen des weißen und blauen Nil
ist die Kultur der Baumwolle wohl noch älter (Woenig). In Abyssinien reicht sie in undenk-
liche Zeiten zurück (Schweinfurth). Merkwürdigerweise wird im Mittelalter nirgends Baum-
wolle aus Ägypten erwähnt (Heyd). Die Mumienbinden der Ägypter, die Herodot ßvaaog
nennt, waren, wie mikroskopische Untersuchungen von Bauer-Thomson (1849) "°<1 Unger(i859)
gezeigt haben, nicht aus Baumwolle, sondern aus Lein gefertigt. Ebenso bestand die charta
bombycina der Alten wie das alte arabische Papier aus Leinen- und Hanf, nicht aus Baum-
wolle i Wiesner, Kar-VBaüek). Prosper Alpin sah im XVI. Jahrh. Kulturen von G. arboreiim
in Ägypten. Von Indien kam die Kultur (im XIII. Jahrh. n. Chr., nach Bretschneider im
IX. oder X. Jahrh. n. Chr.) nach China. Größere Verbreitung fand die Baumwollkultur in China
erst nach der Eroberung des Landes durch die Tataren (1368). Aus dem Jahre 1765 besitzen
wir ein chinesisches Werk über Baumwollkultur (mien hua t'u). Die Araber brachten Baumwoll-
kultur und Industrie nach .Spanien. Sie legten im IX. Jahrh. Pflanzungen bei Valencia in Spanien
an. Die Mauren errichteten in Granada, Cordova, Sevilla, Barcelona und Fez (Marocco) Baum-
wollmanufakturen. Ibn Ai_\wäm (XII. Jahrh., I, S. 611) beschreibt die Kultur in Spanien,
Sizilien und dem Orient, Edrisi (I, S. 617) die in Südostmarocco, Istachri (X. Jahrh.) die
Kultur in Mesopotamien (I, S. 616). Auf Kos und JVtalta scheinen schon im Altertum Baum-
wollmanufakturen bestanden zu haben. Bis zum Ende des XVIII. Jahrh. kam alle Baumwolle
Europas aus der Levante. M.\RCO Polo (I, S. 724) traf Baumwollkulturen im XIII. Jahrh. bei
Mosul, in Persien, bei Kaschgar und südlich vom Tarim und in Indien. Am Ende des XVI.
Jahrh. brachten die Holländer rohe Baumwolle nach Europa, die in Gent und Brügge verwebt
wurde; von 1772 an entwickelte sich auch in England eine Baumwollindustrie. Die Gewebe
wurden aus indischer Baumwolle, später auch aus solcher der Levante, aus Macedonien, Cayenne,
Surinam, Guadeloupe und ^Martinique hergestellt. In Frankreich beginnt die Baumwollindustrie gegen
Ende des XVII. Jahrh. in Amiens. Die ersten italienischen Baumwollmanufakturen befanden sich in
Venedig und Florenz (XIV. Jahrh.), von dort gelangten sie nach Zürich und Augsburg. Die ersten
größeren deutschen Fabriken wurden in Plauen i. V. errichtet. Nach England kam die Baumwoll-
industrie vielleicht durch niederländisclie Protestanten; nach den Vereinigten Staaten kam sie 1643.
Als die Spanier Amerika betraten, fanden sie die Baumwolle [G. barbadense) in Kultur und Be-
nutzung sowohl auf den Antillen als in Mexico, Peru und Brasilien. In Peru ist die Baurawollkultur
sehr alt. 1532 stand sie, als die Spanier das Land betraten, in hoher Blüte, und in alten
peruanischen Gräbern findet man viele Baumwollgewebe und Gespinste. Die Expedition des
HojEDA, die Venezuela entdeckte, traf dort Baumwolle (I, S. 746). Cortez fand sie in
Mexico (1519), Vacca in Louisiana (1536). Bei Hernandez heißt die Baumwolle Xchcaxihuitl.
Sie wird von ihm auch abgebildet. In Nordamerika reichen die Anbauversuche bis 1621
zurück, Gossypium herbaceum kam 1770 dorthin und in diesem Jahre begann man auch dort
mit der Kultur. Virginia baute B. von Mitte des XVII. Jahrh. auf Betreiben von Wyatt, in
Carolina führte sie 1733 der Schweizer Peter Purry ein, in Georgia 1784 der Schweizer
Anspurger, 1784 begannen die amerikanischen Baumwollausfuhren. 17QI begann der Anbau
in größerem Stil in Georgia, 181 1 in Nord-Carolina, Louisiana und Tennessee, 1821 in Missi-
sippi und Alabama, 1826 in Arkansas, 1826 in Texas und Florida. Heute bauen 14 Staaten
der Union Baumwolle. 1800 produzierte Nordamerika schon 9 Mill. kg (Semler). Jetzt bevor-
Gossj-pimn. 24=;
zugt man dort G. barhadense. In Brasilien begann der Anbau in den Nordstaaten, besonders Bahia
und Para, und verbreitete sich darauf nach Pernambuco, Maranhao usw. Jetzt wird dort die
meiste Baumwolle im Munizipium Tatuhyan gebaut. Zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges,
der Periode des «Baumwollenhungers», warf sich alles auf die Baumwollkultur, z. B. in Süd-
italien, und auch in andern subtropischen und tropischen Ländern begann man mit dem Anbau,
der aber nicht überall aufrecht erhalten werden konnte.
Lit. Wiesner, Rohstoffe. — Woexig, Pflanz, d. alt. Agypt. — Thomson, Mumien-
binden. Lieb. Ann. 69 (1849). — Unger, Botan. Streifz. auf d. Geb. d. Kulturgesch. D. Pfl.
d. alt. Ägypt. Sitzber. d. Wien. Akad. 1859. — Wiesner, D. mikrosk. Unters, d. Papiers usw. und
KAR.\B.\eEK, Arab. Papier. Mitt. aus d. Samml. d. Papyr. Rainer. Wien 1887. — Wagler, Artikel
Baumwolle in P.\ulys Realenzyklop. d. klass. Altert. — Br.\ndes, Über d. antik. Namen u. d. geogr.
Verbreit. d. Baumwolle im Altertum. Leipzig 1866. — Blümner, Technol. u. Terminologie d.
Gewerbe u. Künste bei den Griechen u. Römern I (1875). — Wittmack, Über d. Nutzpflanzen
d. alten Peruaner, Compt. rend. du Congr. int. des American. Berlin 1888. — Br.vndes, Über
die antiken Namen u. d. geographische Verbreitung d. Baumwolle im Altertum. Jahresb. d.
Freunde d. Erdkunde 1866. — De C-\ndolle, L'origine des plant, cultiv. 4. Aufl. 1896, p. 323.
— Masters in Oliver, Flora of tropical Africa. — Hooker, Flora of Brit. India. — Bret-
SCHNEIDER, Study and value of Chinese botanical works. — C. Ritter, Die geograph. Verbreit,
d. Baumwolle. — De Lasteyrie , Du Cotonnier. — Schweinfurth und Ascherson, Aufzäh-
lung usw. — Reynier, Economie des Arabes et des Juifs. — Brandis, Die Baumwolle im
Altertum. 1866. — Hemslev, Biologia central.-american.
Die Samen {Sein. G. oder Sem. bombacis) wurden früher ähnlich wie Leinsamen
in Abkochung als Schleim benutzt, jetzt meist auf Öl verarbeitet. In der Branden-
burgischen Taxe 1574 (I, S. 816) steht Sem. Gossypii i. e. Coto vulgo v. Bom-
basum = Baumwollensat., und Sem. Bombacis in der Frankfurter Reformatio 1656
(I, S. 824) ist ebenfalls Sem. Gossypii.
Der früher als Ölsaat unbeachtet gebliebene oder (z. B. in China und Mittelasien) ge-
mahlen nur als Viehfutter benutzte Same wurde zuerst 1783, aber erst seit 1852 in größerem
Stil auf Ol verarbeitet. Jetzt bestehen zahlreiche große Baumwollsamenölfabriken bes. in Nord-
amerika (1894 dort bereits 252) und 1897 exportierte dies Land schon über 27 Mill. Gallonen
Öl und verbrauchte noch mehr für den eigenen Bedarf als Ersatz des Olivenöls. Nächst Amerika
e.\portiert Ägypten viel Baumwollsamen (1897 bereits 7''j Mill. hl).
Der amerikanische Baumwollsaraen enthält 15 — 30, meist 20 — aj", Öl, der ägyptische
im Mittel 25°/o- Beim Pressen erhält man 13 — 14°/(,. Das Öl enthält neben Phytosterin Glyce-
ride der Palmitin- und Ölsäure {besonders viel von letzterer, Slessor, Chem. Zentralbl. 1859,
140), der Linolsäure und Linolensäure; ferner geringe Mengen Oxyfettsäure, Cottonölsäure, einen
aldehydartigen Körper und einen schwefelhaltigen, widerlich riechenden. Aus geschälten Samen
bereitete Baum wollsamenpreßkuchen enthalten 43,3% Proteinstoffe, I4,3''/(,Ö1 und l6,7''/o
stickstoffreie Extraktivstoffe. Er ist also ein vorzügliches Futtermittel. (Mikroskopie bei Perrot,
Bull. sc. pharm. 1902). Die Samen enthalten aber eine in Öl unlösliche (Cornevin), in kaltem
Wasser lösliche giftige Substanz, die ein Alkaloid sein soll und die die Baumwollsamen-Preß-
kuchen zu einem nicht ganz ungefährlichen Futtermittel macht. Man hat denn auch Vergiftungen
beobachtet (Kobert, Intoxikationen). Der Same enthält neben ChoUn und Betain Melitriose
(Ritthausen). In der Pharmazie wurde BaumwoUsamenöl etwa seit 1880 als Ersatz des Oliven-
öls zuerst in Nordamerika benutzt. M.\kchlewski fand im Baumwollsamen krist. Gossypol
(C,aHj202(OH)j.'), das den Charakter einer Oxysäure besitzt {Chem. Zeit. 1898, 11). Die Coty-
ledonen der Samen von Goss. herbac. färben sich mit konz. HCl hellgrün, die Sekretbehälter
an ihrem Innenrande dunkelgrün. Phloroglucin-Salzsäure färbt die Sekreträume violett. Winkel
führt die Reaktion auf Gossypol zurück (Apoth. Zeit. 1905, 211). Die Halphensche Reaktion
ist eine Reaktion auf BaumwoUsamenöl.
Lit. Cotton seed and its products U. S. Dep. of agric. Farmers Bull. No. 36 {1896). —
Über das BaumwoUsamenöl vgl. auch Pharm. Jahresber. 1908, 391 und Wiedem.ann, Dingl.
polyt. Journ. 232, 190. — Weitere Lit. über die Baumwollsamen in Bentley-Trimen, Medi-
2a() Zelluloso-Membranindrogen.
cinal plants, — Bez. Analysen der Baumwollsamen vgl. Jahrb. d. Pharm. 18S5, 95. — Gewin-
nung des Baumwollsamenöls: Lewis, Diss. Philadelphia 1896 (Pharm. Zeit. 1896, 129. —
M.VRCHLEWSKI (Gossypol). Journ. pr. Cham. 60 (2), 1899, 84. — Halphen, Journ. pharm. 1894
u. 1897. — SCHWEINITZ (öl). Jüurn, Am. ehem. soc. 1885. — CORNEVIN, Ann. agron. 22, 353
(Chem. Zentralbl. 1897, I, 515). — Das Anatomische oben S. 238.
Die Araber benutzten den Saft der Blätter medizinisch bei Koliken, die Samen
bei Brustkrankheiten, das Ol bei Hauterkrankungen. Die Blätter von G. barbadense
sollen die Milchsekretion befördern (Anderson, Jahrb. d. Pharm. 1881/82, 242).
In Amerika wird Cort. radicis gossypii auch vom Volke verwendet. Sie soll
eine ähnliche Wirkung wie Seeale coniidum besitzen. In Ostindien gilt sie als Diure-
tikum. Staehle fand in der Rinde c. S"/,, Harz, Kautschuk, Zucker, keinen Gerb-
stoff. Drueding fand in der Rinde ein rotes und ein gelbes Harz, Öl, Gummi,
Zucker, Gerbstoft" und Chlorophyll. Hartwich und Morgan erwähnen Sekretbehälter
in ihr.
Lit. William C. Staehle, Chem. and microscop. examinat. of Cotton Root Bark. Am.
journ. pharm. 1875, 457. — Ch. C. Drueding, Analysis of cotton root bark. Amer. Pharm.
Journ. 1877, 49, p. 386. — Hartwich, D. neuer. Arzneidrogen usw. S. 164. — Morgan,
Amer. Journ. 1898 (anatom. Beschr. d. Rinde). — Weitere Literatur über Rad. gossypii in
Bentley and Trimen, Medicinal plants.
Über den Farbstoff der Blüten vgl. Perkin, Journ. chem. Soc. 75 (1899) 825.
Ebenso wie Baumwolle und aus dem gleichen Grunde, d. h. wegen ihrer Auf-
saugungsfähigkeit für das Blutserum, werden die Spreuhaare einiger tropischer Baum-
farne benutzt, die also gewissermaßen als Paralleldrogen der Baumwolle be-
trachtet werden können.
Pili haemostatici.
Syn. Paleae cibotii s. stypticae, s. haemostaticae, Pili cibotii s. filicum, Farn-
haare, blutstillende Spreuhaare, Fanikrautwolle, Teufelszwirn, Wundfarn, vegetabilische
Schafwolle.
Im Handel finden sich von Famhaaren folgende Sorten:
1. Penawar Djambi auch Penghawar Djambi (Pengawar Jambie, Pingh-war-
har-Yamby, Pennober Jamby oder Pennawar dschambi; in China kau-tsib — Djambi
liegt in Westsumatra) von Cibotium Barometz Link (J. Sm.) (Pohpodium Baro-
mez L. , Aspidium Baromez Willd.), und den nach Smith wohl dazu zu ziehenden
Cibotium glaucescens Kz., C. Cumingii Kz., C. assamiciivi Hook, und C. Djambiatium,
sowie anderen Baumfarn Sumatras.
Cibotium Barometz heißt in Madur. : bar djambe oder bulu djambe, in Bali: djampi,
javan.: penawar djambe, mal.: penawar djambi (de Clercq). Man sollte also nicht Pengha-
war djambi, sondern Penawar djambi schreiben, wie dies übrigens die Pharm, austr. VIII tut (Pe-
nawar hitam ist Goniothalamus giganteui, P. merah: Ximenia amcricana, P. pahit: Eurycoma
longifolia, V. putieh: Soytchus J>iita, P. radja: Sonchus insignis).
2. Paku kidang fPakoe i.st die hoUänd. Schreibweise) von Alsophila lurida
Bl., Balantium chrysotrichum Hasskarl (Dicksonia Blumei Mett., D. chrysotricha
Moore, B. Magnificium Hook., Chnoophora tomentosa Bl.) u. and. Baumfam Javas.
Die Alsophilaa^rien heißen imSundanes. paku tihang, im Mal. paku tijang (de Clercq).
Man sollte also wohl den Namen so und nicht paku kidang schreiben. Kidang bedeutet Hirsch.
3. Pulu-Pulu von Cibotium glaucum Hook, et Arn., C. Chamissoi Kaulf.,
C. Menziesii Hook. u. and. Baumfam der Sandwichinseln und benachbarter Gebiete.
Pili haemostatici.
247
Ferner die Haare der südamerikanischen Lophosoria {Ahophila) affinis Presl.
(Alsophila pncinata Klfs.), der brasilianischen AlsopMla armata Prsl. {Pofypodiutn
acukatum Raddi) und des südmexikanischen Cibotiiim Schiedei Chaji. et Schlecht.
Systemat. Stellung. Balantium, Dicksonia, Cibotium: Pteridophy tae , Filicales,
Eufilicineae, Cj^atheaceae, Dicksonieae.
Alsophila, Cyathea: Pteridophytae, Filicales, Eufilicineae, Cyatheaceae,Cyatheeae.
Cybolium Barometz ist über das ostasiatische Monsungebiet verbreitet: Hinter-
indien, Hongkong, Formosa, Java, Sumatra, die Unterart C. Cumirigü auf den Phi-
lippinen heimisch; C. Menziesü auf allen Inseln der Sandwichgruppe (bei den Ein-
geborenen Hapu Ji oder Heii), ebenso C. glaucuni und Chamissoi.
Die Wedelbasen und besonders der Vegetationspunkt zahlreicher tropischer Baumfarn
(Fig. go) sind dicht besetzt mit Spreuschuppen oder Spreuhaaren (paleae), die diesen
Fig. 90.
Baumfam (Ahophila}) am Rande des Urwaldes am Gedeh (ilitteljava). [Tschirch phot.)
Organen ein gelb-bräunliches, wolliges Ansehn verieihen. Es sind ziemlich lange, bei
Cibotium 2 — 3, manchmal sogar 7 oder gar 0 cm Länge erreichende einreihige, bis-
weilen gedrehte und zusammengefallene seidigglänzende Haare, die aus Reihen ge-
streckter, brämilichgelber, dünnwandiger Zellen bestehen. Oft ist besonders bei Paku
kidang in ziemlicher Regelmäßigkeit jede zweite Zelle obliteriert. Die Spitze ist stumpf
kegelig, die Querwände wellig gebogen. In Paku kidang findet man bisweilen echte
Paleae, die Zeliflächen bilden und Randzähne haben.
Läßt man Jodschwefelsäure darauf einwirken, so tritt die Cuticula als scharf
begrenztes Häutchen, der Zellinhalt als ein faltiger Sack hervor. Nur selten sah ich
hierbei Blaugrünfärbung der Wand eintreten. Vogl gibt an, daß die Wand aus Zellu-
lose bestehe. (Winterstein erhielt bei der Hydrolyse von Zellulosepräparaten aus
Aspidium Filix mas und Aihyrium Fili.v fetnina Traubenzucker und Mannose.) VoGL
gibt (1864) an, daß die braungelbe Zellwand durch kochende Kalilauge unter starker
248 Zelluloso-Membranindrogcn.
Quellung entfärbt und dann in den inneren Schichten durch Jodschwefelsäure blau
gefärbt wird.
Die Farbe der Droge ist bei den einzelnen Sorten etwas verschieden. Penawar
Djamhi ist am hellsten, braunrötlichgelb, Pidu-Pidu gelb-bräunlich, Paku kidang fast
kafieebraun. Pharm, austr. VIII nennt sie «seidenartig oder fast metallisch bronze-
artig schimmernd». Kali färbt sie dunkler, die gelben Haare von Penawar z. B.
rotbraun.
Die Breite der Haare beträgt c. 20 — 45 mik. bei Penawar Djambi, bei Puln
et\va 40 — 60, bei Paku kidang bis lOO oder 150 (Tschirch), oder gar 300 mik.
(Vogl). Übrigens ist die Breite sehr wechselnd. Vogl gibt für Penawar Djambi
z. B. die größte Breite auf 100 — 140 mik. an. Bei Penawar Djambi sind die
Haare lang und auf weite Strecken gerade, bei Pulu durcheinander gewirrt und fast
stets bandartig zusammengefallen, bei Paku kidang entweder walzenrund oder oblite-
riert. Vogl fand in den Pu/u-ilaa.ren und auch bei Paku kidang Stärkekörner. Auch
OuDEiiANS und Hartwich geben kleine Stärkekörner an. Ich fand solche nur in
Paku kidang. Außerdem enthalten sie bisweilen eine vakuolige Masse als Wandbeleg,
oder sind leer und führen Luft.
DE Vrij fand < eene groote hoeveelheid Sal Ammoniak en een eigenaardig zuur»
(bei OUDEMANS).
Penawar Djambi und Pulu-Pulu enthalten i,53*'|o, Pakti kidang 6,74''|g Asche.
Der Wassergehalt beträgt c. 12 ^L.
Die Famhaare w-erden seit 1851 hauptsächlich als Stopfmaterial für Kissen
benutzt. Zu diesem Zwecke wurden noch 1908 große Mengen Pulu von den Sand-
wichinseln nach Nordamerika exportiert. Während 1851 die Ausfuhr nur 2479 Pfund
betrug, stieg sie 1858 bereits auf über 300000 Pfund. 1845 machte man in Eng-
land den \'ersuch, die Farnhaare mit Seide vermengt zu verweben.
Die hämostatischen Eigenschaften der Alsoplnla- und Cibotium\)SAXQ sollen schon
im Mittelalter bekannt gewesen sein (Barille). In Java und Sumatra werden sie
seit Jahrhunderten (nach Vogl seit den ältesten Zeiten?) als Hämostatika benutzt.
1843 führte Hasskarl zuerst die mit den Spreuhaaren besetzten Wedelbasen zu
diesem Zweck aus Java (Wälder am Gedeh) in Holland ein. Die Holländer machten
sie also im XIX. Jahrh. von neuem in Europa bekannt und sie standen schon in
der Pharmac. neerlandica vom Jahre 1856 — noch heute übrigens in der Pharmac.
austr. VIII.
Die Verwendung der Farnhaare an Stelle der Charpie (daher: charpie fougere)
beruht wohl, wie schon Vinke annahm, nur auf der Aufsaugefähigkeit derselben und
der geringe, von Franchie behauptete, von van BEitJiELEN bestrittene Gehalt an
Gerbstoff kommt kaum hierbei wesentlich in Betracht. Da Penawar Djambi niemals
steril ist, ist vor der Anwendung zu warnen. Sterilisierte Baumwolle ist sicherer.
Man sollte Penaiuar jedenfalls sterilisieren. Immerhin ist die Aufsaugefähigkeit der
Famhaare beträchtlich, da sie ein großes Lumen und eine nur dünne Wand besitzen,
und alle Beobachter stimmen darin überein, daß sie ein vorzügliches Blutstil-
lungsmittel sind. Neuerdings (1902) empfahl sie Lubet-Barbon als Hämostatikum
bei Nasenoperationen. Vielleicht kommt die Wirkung weniger durch kapillare Auf-
saugung, die ja, da die Haare gegliedert sind, also nur kurze Röhrchen in Aktion
treten können, nur gering sein kann — als vielmehr dadurch zustande, daß die Zellen
osmotisch das Blutserum aufsaugen und die Blutkörperchen durch Filtration abtrennen.
Pili haemostatici. 240
Läßt man nämlich Blut zu den Haaren treten, so sammelt sich im Lumen Flüssig-
keit, die Wand quillt und die Blutkörperchen lagern sich an der Außenseite der
Zellen ab und verkleben hier. Vogd dachte sich (1866) die Wirkung anders, aber
auch nicht durch Kapillarität bedingt. Er nimmt an, daß der Inhalt der Haare dem
Blute Alkali, die Wand ihm Wasser entziehe und dadurch die Koagulation des Blutes
zustande komme.
Daß auch die kurzen Paleae von Polypodium aureum blutstillend wirken, fand
Seubert schon 1844.
Als Verfälschung wird Kapok angegeben (Prollius).
Als Surrogat des Penaivar empfiehlt Gawalowski einen eigenartig behandelten
Torfmull (Näheres in Zeitschr. d. Österr. Apoth. Ver. 1898, 671).
Eine Zeitlang benutzte man das Dekokt bei Hämorrhagien (Molkenboer,
Gaupp). Es enthält nach Barille neben Harz und einem santelartig riechenden
Körper einen Gerbstoff, van Bemmelen bestreitet, daß Gerbstsoff darin vorhanden
ist. Er konnte mit dem Dekokt nicht die mindeste Wirkung auf das Blut konstatieren.
Er fand in den Haaren: Pflanzenwachs, indififerentes und elektronegatives Harz, eine
eisengrünende Säure, Quellsäure, Quellsalzsäure (?), Humussäure. Es fehlten: Stärke,
Zucker, Alkaloide, Gerbsäure, Bitterstoflf, ätherisches Öl.
In früheren Jahrhunderten kamen nicht die Haare, sondern das Stammende oder ein
großer Blattwedel oder ein Stammstück mit einer Blattwedelbase als Agnus scythicus (Frutex
tartareus, plantanimal, Vegetable larab, im chines. : keu tsie, im cochin. : cau tieh) in den Handel.
Man gab wohl auch durch Einstecken von Holz- oder Bambusstücken, die die Beine vorstellen
sollten, dem Ganzen ein noch tierähnlicheres Ansehn. Aber nur ein sehr blödes Auge konnte
dadurch sich täuschen lassen. In den Beschreibungen der Wunder Indiens spielte der Agnus
scythicus immer eine Rolle. So weiß Odorico di Porto maggiore (I, S. 726) im XIV. Jahrh.
viel über dies merkwürdige Pflanzentier zu berichten und Erasmus Francisci widmet ihm im
Ost- und West-Indianischen Lustgarten eine weitläufige Beschreibung. Jetzt findet man
es nur noch in Sammlungen. Ich besitze in meiner Sammlung ein hübsches skythisches Lamm,
das sogar ein rotes Bändchen um den «Hals» trägt und dessen «Beine» aus Bambusstäbchen
bestehen (das Exemplar des British Museums ist abgebildet in Rymsdyks Museum britannicum,
London 1791 tab. XV, Fig. 2). Barometz soll ein altrussischer Name für Lamm sein. Das ist
möglich, denn heute noch heißt das Lamm im Russischen baraschek (baramek) von baran =
Schaf. Der Name Barometz (Baramets, Boramez) wurde dem Agnus scyt/n'cus, wie es scheint,
von Cardaitus gegeben (Vogl), der die Heimat des Gebildes — fälschlich — in die Gegend
zwischen Wolga und Jaik verlegt. Das «Pflanzentier > war ein bewurzeltes Tier, das sich solange
im Kreise um die Anheftungsstelle drehte, bis es alles Erreichbare verschlungen hatte. Dann
mußte es sterben. Diese Fabel finden wir auch bei JOH. von Maudkville. Eine andere Version
lautete, daß sich im Lande Chadissa eine Frucht fände, die aufgeschnitten ein Lamm zeige, das
mit der Frucht genossen werde. Harsdörffer spricht daher von einem «Fruchttier >. Deur-
siNGio nennt es Agnus vegetabilis. Bei Scaliger, Baco von Verulam, Joh. Bauhin u. and.
findet sich die Fabel dahin modifiziert, daß aus einem Samen, ähnlich jenem der Melone, ein
Kraut hervorwachse, das die Gestalt eines jungen Lammes besitze. Sein Stengel stelle gleichsam
die Nabelschnur dar {Abbild, nach Kircher in V.\lentinis Museum museoram) und seine
reife Frucht enthalte unter dem wollenen Fließ ein süßes Fleisch. Kämpffer (I, S. 907) ist
der schon von Wormius (1694) geäußerten Ansicht, daß es sich um das Fell unreifer, aus dem
Mutterleibe herausgeschnittener Lämmer handele und in der Tat scheinen derartige Felle in
Sammlungen als Barometz bezeichnet und mit dem eigentlichen Agnus scythicus verwechselt
worden zu sein. Auch Valentin!, der Kämpffers Ansicht teilt, handelt das Gebilde beim
Schaf, also unter den tierischen Objekten ab. Guillaume Saluste (in der franz. Übers, des
Clusius durch Antoine Colin 1619) besang den Agnus scythicus in Versen (abgedr. bei Han-
bury). Bereits Anfang des XVII. Jahrh. scheint er in Europa als Blutstillungsmittel in Benutzung
gewesen zu sein (Vogl). Penawar DJambi war aber seit 150 Jahren aus dem Handel ver-
2 IQ Zelluloso-Membranindrogen.
schwunden. Pomet erwähnt es nicht, ebensowenig Linne ^in seiner Mater, medica), Spiel-
M.vMN u. and. Linn6 gab einer ihm aus China unter der Bezeichnung Baromez zugekommenen
«wolligen Wurzel» den Namen Polypodmm Baromez. Die Pflanze selbst sah zuerst Loureiro
ll, S. 903). Er bestätigte, daß es sich um ein stark behaartes PolypOilium handele. Aber noch
Archek hielt die Haare für den Pappus einer Distel, bis ein 1852 von den Freundschaftsinseln
nach Liverpool gelangtes Wedelstück die Sache endgültig aufklärte. Damals scheinen diese oder
ähnliche Spreuhaare auch nach Deutschland gekommen zu sein, wo sie für eine Alge gehalten
und als Con/ena aurcofuk-a KÜTZING beschrieben wurden.
1856 fanden sich im Londoner Handel die behaarten Staramstöcke und Blatt-
basen. Später kamen dann nur die Haare in den Handel.
Die genaue botanische Provenienz stellte dann Smith fest.
Lit. KÄMPFKER, Amoenitates. — Valentini, Museum museorum, I, p. 458. — Diels
in Engler-Prantl , Pflanzenfam. I, 4 (dort die Abbild, einer Alsophila). — Hanbury, On
Penghawar Djambi a new styptic. (1856), Science papers, p. 120. — Seubert, Buchn. Repert.
86. — Franxhie, Vierteljahrschr. f. prakt. Pharm. 1854,577. — van Bemmelen, Chem. Unters.
d. Pengh. Dj. Vierteljahrschr. f. prakt. Pharm. 1856, j2i. — VoGL, Ges. d. Ärzte 1864, Über
blutstillend wirkende Spreuhaare d. Farne, Wien. Med. Jahrb. 1865 (Jahresb. d. Pharm. 1865)
und Zeitschr. d. Öster. Apoth. Ver. 3 (1865), 53g (Jahresber. d. Ph. 1866, 28), dort auch die histor.
Notizen, sowie VoGL, Kommentar igo8. — Vinke, Ausführl. Ref. in Pharm. Jahresb. 1860, 15 und
Wittsteins Vierteljahrschr. 9, 235 (dort auch die früheren Arbeiten besprochen). — Prollius,
Über die sog. palea cibotii. Pharm. Zentralh. 1884, 170. — Greshoff, Bull, pharm, de Lyon 189 1.
— Barillä, Etudes des fibres textiles. Thfese Straßb. 1868 und Note sur le Penghawar Djambi
et le Paku kidang Rep. de pharm. 1892, 49. — Lubet-Barbon, Arch. intern, de laryngologie
1902, No. 6. — Oüdemans, Aanteekeningen, Rotterdam 1854 und Handleiding 1880. — Wiesner,
Rohstoflfe II, 466. — Gawalowski , Ersatz für Penghawar. Zeitschr. d. Öster. Apoth. Ver.
1898, 671. — Brückner, Russ. Revue 21 (1882), 131 (Histor. — Nicht gesehen). — Smith,
Genera filicum 1841. — Kunze in Schkuhrs Supplement t. 31. — Miquel, Analecta botan. indic.
II, 36 und Sumatra 1862. — DODGE, Descript. Catal. of useful fiber plants etc. Washington
1897. — Abbild, d. Haare im Atlas zu Oüdemans Aanteekeningen, PI. B, bei Planchon-Collin,
I, S. 47, H.\ger-Fischer-Hartwich , Handb. d. pharm. Pra.xis I, S. 827, Vogl, Atlas t. 60,
bei B.\RILLE a. a. O. und ProlliüS a.a.O. — unters, über d. Zellmembr. d. Farne und Moose :
WiNTERSTEi.\, Zeitschr. phys. Chem. 21 (1895), 152.
Die Fasern.
Die Fasern gehören nicht zu den Arzneidrogen im engeren Sinne, sondern
eigentlich zu den technischen Rohstoffen. Da sie aber auch für den Pharmakognosten
wichtig sind, vielfach in der Pharmazie verwendet werden, und auch sonst in pharma-
kognostischen Handbüchern Erwähnung finden, mögen sie wenigstens kurz an dieser
Stelle aufgeführt werden.
Die Pflanzenfasern sind nur selten {Lein) reine Zellulose. Die Jute z. B. enthält,
wenn reif, 50 — 60 "/q Nicht-Zellulose (Gross und Bevan).
Die technisch verwerteten pflanzhchen Fasern.
Unter dem Namen «Fasern» versteht man jetzt sehr verschiedenartige Dinge. In erster
Linie gehören hierher die Textilfasern (Flachs, Hanf, Jute, Baumwolle, Pflanzenseide, China-
gras, Xesselfaser usw.) und die zur Papierfabrikation verwendeten Papierfasern (außer Flachs,
Hanf, Baumwolle noch Esparto, Strohfaser, Holzzellen, Bambusfaser, Hopfenfaser u. and.), dann
sind aber auch noch, wenn man den Begriff ganz weit faßt, den Fasern zuzuzählen: die als
Stopf- oder Polstermaterial verwendeten Pflanzendunen, edredon vigdtal, das vegetabilische
Roßhaar, Holzwolle; die Bürstenmaterialien: Coir, Pite , Piassave, Esparto, Reisbesen;
die Seilermaterialien: Hanf, neuseeländ. Flachs, Manilahanf, Jute, Pitahanf, Coir, Piassave;
Die technisch verwerteten pflanzlichen Fasern.
251
die zu gärtnerischen und anderen Zwecken verwendeten Bindematerialien: Lindenbast,
Raphiabast, Ulmenbast, Cubabast; die Flechtmaterialien: spanisches Rohr, Bambus, Esparto,
Pitafaser. Ihren morphologisch-anatomischen Charakternach stellen diese Fasern sehr verschieden-
artige Dinge dar: Pfianzenhaare (Baumwolle, Pflanzenseide, Pappelwolle, Wollgrasfaser), einzelne
Bastfasern (Lein, Hanf, Jute, Chinagras), Bastfasergruppen (Manilahanf, neuseeländ. Flachs),
subepidermale Baststreifen des Blattes (Raphiafaser), Bastfasern mit anhängenden anderen Ele-
menten (Lindenbast), Gefäßbündel mit Bastbelegen (Aloehanf, Sisalhanf, Sanseveria und Coir-
faser), Gefäßbündelgruppen (Piassave, Kitoolfaser, crin vig^tal), ferner zerkleinertes (geschliffenes
Holz (Holzstoff, Holzzellulose), ganze Wurzeln (Reiswurzelfaser), ganze Blätter (Espartostroh),
ja sogar ganze Pflanzen (Seegras).
Die tierischen Fasern zerfallen in Tierwollen und Haare (Schafwolle, Ziegenhaare,
Angora Ziegenhaar, Tibetwolle, Kalb- und Kuhhaare, Kamelhaar, Kamelziegenwolle, Rehhaare,
Schweinsborsten, Roßhaare u. and.) und Fäden (Seide). Sie sind sowohl morphologisch als
mikrochemisch leicht von den pflanzlichen Haaren zu unterscheiden. Sie geben z. B. niemals
auch nach vorheriger Behandlung mit Schulze scher Macerationsflüssigkeit die sog. Zellulose-
reaktion. Zur Unterscheidung der Tier- und Pflanzenfaser benutzt Molisch ß-Naphthol (Jahresb.
d. Pharm. 1886, 16).
Wenn wir von den ganzen Pflanzen (Seegras, Zostera marina und Care.x brizoides) absehen,
so können wir die Fasern einteilen:
1. in solche, die pflanzliche Haarbildungen darstellen und
2. solche, die entweder ausschließlich oder doch vorwiegend aus Bastfasern bestehen.
Bei der Untersuchung pflanzlicher Fasern ist in Betracht zu ziehen: I. Die Form der
Faserzellen: Basis, Lumen, Dicke der Wand, Art der Verdickung, Spitze, Form des Querschnittes,
2. Länge und Breite der Faserzellen; 3. Mikrochemisches Verhalten. Außer einer genauen mikro-
skopischen Feststellung der morphologischen Verhältnisse spielt also bei derartigen Unter-
suchungen das Messen mit dem Mikrometer, sowie die Einwirkung von Reagentien eine große
Rolle. Bei der Anwendung der letzteren ist zu berücksichtigen, ob man eine rohe Faser oder
eine verarbeitete vor sich hat. Denn durch zahlreiche Verarbeitungsprozesse (besonders das
Bleichen) wird die Faser chemisch verändert oder erleidet durch aufgetragene Farbstoffe Farben-
veränderungen. So wird bei den meisten Bleichprozessen das Lignin, wo es vorhanden war,
aus der Membran entfernt, dieselbe reagiert also, auch wenn sie einer verholzten Zelle ange-
hörte, wie Zellulose. An stark gefärbten Fasern lassen sich mikrochemische Reaktionen über-
haupt nicht anstellen.
Dimensionsverhältnisse
Länge, Dicke, Verhältnis der Dicke zur Länge der wichtigsten Fasern — nach den Angaben
von AViESNER, Vetillard und von Höhnel.
Name der Faser
Länge mm
Breite in
(mmm)
mik
Verhältnis
der Dicke
Min.
Max.
Mittel
Min.
Max.
Mittel
zur Länge
Lein von Linum usitatissimum
4
66
25—30
15
37
20 — 25
I2G0
Hanf von Cannabis sativa
5
55
15-25
16
50
22
1000
Hopfenfaser von Humulus Lupulus
4
19
IG
12
26
16
620
Nesselfaser von Urtica dioica
4
55
25—30
20
70
50
550
Chinagras, Rami^ von Boehmeria nivea
60
250
120
16
08
50
2400
Papiermaulbeerbaumfaser von Morus
papyrifera
—
IG — 25
6-15
—
—
25-35
240—430
Sunnfaser von Crotalaria juncea
0,5
12
7-8
25 (2G)
50
30
26G
Besenginster von Sarothamnus vulgaris
2
9
5-6
10
25
15
330
Pfriemenfaser von Spartium junceum
5
16
10
—
—
20
500
Steinkleefaser von Melilotus alba
5
18
10
20
36
30
330
Gambohanf von Hibiscus cannabinus
2
6(12)
5
14
33 (41)
21
240
Lindenbast von Tilia europaea, platy-
phyllos
1,25
5
2
14
20
16
125
Zolluloso-Membranindrogen.
Name der Faser
L
inge mm
Breite in mik
(mmm)
Verhältnis
der Dicke
Min.
Max.
Mittel
Min.
Max.
Mittel
zur Länge
Jute v.Corchorus capsularis, olitorius etc.
0,8
(4.1)5
2
20(16)
25 (32)
22.5
90
Faser von Lagetta linteria
3
6
5
10
20
500
Bast von Salix alba, capraea u. a.
—
3
-j
17
30
22
90
Esparto oder Alfafaser von Stipa tena-
cissima
0.5
('.9)3.5
1.5
7
18
12
125
Faser von Lygaeum Spartum
i>3
4.5
2.5
12
2G
•5
160
Ananasfaser von Ananassa sativa
3
9
5
4
8
6
830
Faser von Bromelia Karatas
2,5
10
5
20
32
24
210
Faser von Bromelia Pinguin
0,75
2,5
2
8
16
13
150
Neuseeländischer Flachs von Phormium
tenax.
2.5
(5.6) > 5
8—10
8
20
16
550
Faser von Yucca sp.
o,5
6
3.5—4
10
20
—
170
Sanseveria-Faser v. Sanseveria zeylanica
1.5
6
3
15
26
20
150
Pite-Faser von Agave americana
1.5
4
2.5
2G
32
24
100
Manilahanf von Musa textilis
^
12
6
16
32
24
250
Manilahanf von Musa paradisiaca, M.
Sapientum
—
—
5
20
40
28
180
Faser von Phoenix dactylifera
2
6
3
16
24
20
150
Faser von Corypha umbraculifera
1.5
5
3
16
28
24
120
Faser von Elaeis guineensis
1.5
3.5
2.5
10
13
n
230
Faser von Raphia taetigera
1.5
3
2.5
12
20
16
160
Faser von Mauritia flexuosa
I
3
1.5
10
16
12
130
Coir-Faser von Cocos nucifera
0.4
I
0,7
12
24
20
35
Tillandsia-Faser
0,2
0.5
6
15
—
—
Piassava
0,3
0,9
Abelmoschus tetraphyllos, Bast
I
1,6
—
8
2G
—
—
Sida retusa, Bast
o,8
2.3
—
15
25
—
—
Urena sinuata, Bast
i.i
3,2
—
9
24
—
—
Baumwolle (Gossypium)
10
52
—
12
42
—
—
Wollbaumwolle (Bombax)
10
30
—
19
42
—
Wolle von Ochroma Lagopus
5
15
—
16
35
—
—
Vegeiabil. Seide v. Asclepias curassavica
IG
30
—
20
44
—
—
„ „ „ Calotropis gigantea
20
30
—
12
42
—
—
„ „ ,, Marsdenia
10
25
—
19
33
—
—
,, ,, „ Strophanthus
IG
56
—
49
92
—
—
,, ,, „ Beaumonlia
30
45
—
33
50
—
—
Aloe perfoliata, Aloehanf
1.3
3.7
—
15
24
—
Calotropis gigantea, Bastfaser
7
30
—
18
25
—
Bauhinia racemosa, Bast
i.S
4 u. mehr
_
8
20
—
—
Thespesia Lampas, Bast
0,92
4.7
—
I 2
21
—
—
Cordia latifolia, Bast
I
1,6
—
15
17
Sterculia villosa, Bast
1.5
3,5
—
17
25
—
—
Holoptelea integrifolia, Bast
0,9
2,1
—
9
14
—
—
Kydia calycina, Bast
I
2
—
16,8
24,2
—
—
Lasiosyphon speciosus, Bast
0,42
5.'
—
8
29
—
—
Sponia Wightii
—
4
-
—
—
—
Pandanus odoratissimus
I
4.2
-
—
—
—
—
Pflanzliche Fasern, die von Haaren gebildet werden.
Die die Epidermis überziehende Cuticula breitet sich auch iiber die Anhangsorgane der
Epidermis, die Haare. Es werden daher alle pflanzlichen Fasern, die von Haaren gebildet
Pflanzliche Bastfasern. 253
werden, von einer Cuticula bedeclit sein. Doch ist zu bemerken, daß durch die eigentümliche
Behandlungsweise, die gewisse weiche Fasern bei ihrer Verarbeitungsweise erfahren, bisweilen die
charakteristische Reaktion der Cuticula verloren geht. So zeigt z. B. gut gebleichter Baum-
wollenzwirn an den Fäden keine Cuticula. Ferner pflegen die Haare keine gegabelte Spitze,
wie sie viele Bastzellen zeigen, zu haben, sind dagegen oft verzweigt und an der Basis ab-
gebrochen — also nicht beiderseits zugespitzt, wie die Bastzellen (Ausnahme s. oben S. 239).
Da jedoch von letzteren meist nur Fragmente zur Untersuchung kommen, so fällt dies nicht
sehr ins Gewicht. Tüpfel besitzen die Haare nur an ihrer Basis, wo sie an das Gewebe an-
grenzen. Meist führen sie Luft, doch ist bei ihnen ausnahmslos ein zartes Plasmahäutchen, der
Innenwand anliegend, nachzuweisen. Einzellig sind die Haare der Baumwolle, der Pflanzen-
seiden und Dunen, von einer einfachen Zellreihe wird' die Pulufaser, von mehreren Reihen das
Wollgras, die Typhafaser u. and. gebildet.
1. Baumwolle
wurde schon oben S. 229 behandelt.
2. Pflanzendunen.
Als Pflanzendunen bezeichnet man die Samen und Fruchthaare der Wollbäume {Bomba-
ceen). Es gehören hierher: CeibawoUe, 6dredon vegetal, Bombaxwolle, Kapok, patte de
liÄvre. Sie dienen vorwiegend als Stopfmaterial. Folgende Arten kommen in Betracht: Bombax
Ceiba E., B. heptaphylhiin L., B. malabaricttm ROXB., Cochlospermum Gossypium De, Ochroma
Lagopus Sw., Chorisia speciosa St. HlL., Eriodendron aiifractuostim De. {Bombax pentandriim L^.
Die Pflanzendunen sind einzellige konische Haare mit bisweilen angeschwollener oder
zusammengeschnürter Basis und rundem Querschnitt. Die Länge beträgt I — 3 cm. Die AVandung
ist verholzt; die Cuticula glatt und dünn. Die wichtigsten Pflanzendunen sind: Die Borabax-
haare von Bomboxarten. und Eriodendron atifractuostim, schwach verholzt, bisweilen 3 cm lang
und 19—43 raik dick, an der Basis netzförmig verdickt. Die sog. patte de lievre von
Ochrotna Lagoptis, 0,5 — 1,5 cm lang, sehr dickwandig {5 — 8 mik), braun.
3. Pflanzenseiden.
Als Pflanzenseide bezeichnet man wegen ihres seidenartigen Glanzes die Samenhaare
zahlreicher Asclepiadaceen und Apocyneen: Asclepias citrassavica Y.., Calotropis gigantea R. Br.,
Marsdenia, Beaumontia grandiflora, Strophanthus hispidiis u. and. Die Fäden der Pflanzenseiden
sind I — 3 cm lang, steif, bis 80 mik dick. Die meist dünne verholzte Wandung zeigt im Quer-
schnitte deutliche, mehr oder weniger nach innen vorspringende Längsleisten. Der Querschnitt
des Haares ist rund.
4. Einheimische Wollhaare.
Als Stopfmaterial werden bisweilen die bis 3,5 mm langen, einzelligen, zylindrischen
Samenhaare von Populus (Pappelwolle), die einreihigen mehrzelKgen Perigonhaare der Früchte
von Typha angustifolia (RohrkolbenwoUe) , die 2 — 4 cm langen, mehrzelligen, zweischichtigen
Haare des Haarschopfes der Früchtchen von unseren .fir/b^AorJtOTarten u. and. mehr verwendet.
Pflanzliche Bastfasern.
Die pflanzlichen Bastfasern werden fast ausnahmslos von Bastzellen oder Bastzellgruppen
gebildet, denen in einigen Fällen noch andere Gewebselemente anhängen. Sehr selten werden
auch Libriformzellen technisch verwertet. Die Bastzellen sind ringsum geschlossen und laufen
beiderseits mehr oder weniger spitz zu oder sind an den Spitzen mit kleinen Seitenspitzchen
versehen. Sie sind niemals verzweigt, meist sehr stark verdickt, von rundlichem oder poly-
edrischem, übrigens sehr charakteristisch vari erendera Querschnitte. Die Tüpfel sind stets ein-
fach, meist spaltenförmig. Bei den Bastzellen der Dicotylen sind die Tüpfel meist sehr un-
deutlich oder fehlen, bei denen der Monocotylen sind sie zahlreich. Einige Handelsfasern
sind auch noch durch die von Höhnel richtig gedeuteten eigentümlichen Wandverschie-
bungen (Knoten, Querbruchstellen, Sprunglinien, plis de flexion) ausgezeichnet, die aber erst
bei der Bearbeitung der Faser entstehen (Schwendener), mit Chlorzinkjod sich dunkler färben,
und den Fasern, die sie besitzen (Flachs, Lein, Ramieh, Nessel) ein sehr charakteristisches An-
sehn geben. Sie fehlen der Jute, die nicht «gebrochen» wird. Das wichtigste Hilfsmittel der
2^4 Zclluloso-Membranindrogen.
Diagnose ist der Querschnitt der Faser (Vätili.ard, von Höhnel). Niemals besitzen natürlich
Bastfasern eine Cuticula (Unterschied von den Haaren). Der Inhalt besteht meist aus Luft, ein
Flasmahäulchen ist fast ausnahmslos vorhanden, anderer Inhalt selten. Sie sind stets sehr lang.
Die die Bastfasern da und dort begleitenden Gewebselemente sind Parenchymzellen, Kristallzellen,
Gefäße, Tracheiden, Skiereiden, Siebröhren. Parenchymzellen finden sich bei den Rohbastfasern
(z. B. Hanf, Flachs) fast ausnahmslos, denn da der Prozeß der Gewinnung der Faser auf einer
mechanischen Herauslösung derselben aus den übrigen Geweben beruht, so ist es erklärlich, daß
der (auf diese Weise) isolierten Faser nocli Reste der begleitenden Gewebe anhängen. Dort wo
die Bastfasern überhaupt nicht eigentlich isoliert werden, sondern samt dem umgebenden Gewebe
verwendet werden (Manilah.mf, Coir), sind sie natürlich stets deutlich nachzuweisen.
1. Leinfaser.
Die Flachsfaser wird von den zu, einen konzentrischen Panzer bildenden, Gruppen ver-
einigten Bastfasern der Stengelrinde des Lein, Liniim iisitatissimiim L., gebildet, die nach
dem Ausreißen und Riffeln der Stengel durch Rösten (Faulen in Wasser), Brechen (Zertrümmern
und Herauslösen des spröden Holzkörpers), Hecheln (Abstreifen des begleitenden Rindenparen-
chyms und der Epidermis) und Schwingen von den übrigen Elementen des Stengels losgelöst
werden. Der Rohflachs enthält daher stets noch Parenchym- und Epidermiszellen, ja sogar
Holzelemente, die gereinigten besten Sorten bestehen dagegen nur aus Bastfasern.
Die Bastzellen des Lein sind gänzlich unverholzt, bestehen also aus reiner Zellulose,
sehr stark und gleichmäßig verdickt und mit engem, fadenförmigem, plasmaerfülltem Lumen
versehen. Die Enden sind sehr spitz und lang ausgezogen, die Wandung zeigt deut-
liche Verschiebungen (Sprunglinien), Poren sind kaum oder garnicht zu bemerken. Die Bast-
zellen des Lein sind entweder isoliert oder zu weniggliederigen Gruppen vereinigt. Der Quer-
schnitt ist meist eckig-polygonal, eine Mittellamelle tritt bei Behandlung mit Schwefelsäure
nicht deutlich hervor. Die Schichtung der Wand ist undeutlich. Bez. der Länge und Breite
vgl. die Tabelle (S. 251). Das Geschichtliche des Lein wird bei den Schleimdrogen unter Liniim
besprochen werden.
2. Hanffaser.
Die Bastzellen des Hanf liegen in großer Zahl zu vielen Gruppen vereinigt in der Rinde
des Stengels der Hanfpflanze, Cannabi's sativa L. Sie sind schwach verholzt, nicht so gleich-
mäßig verdickt wie die des Lein, und mit zahlreichen Verschiebungen versehen. Das Lumen
ist meist weit, verengert sich jedoch gegen die sehr dickwandige, stumpfe, bisweilen mit seit-
lichen Auszweigungen versehene, gegabelte Spitze linienförmig. Die Bastzellen stehen hier
stets in Gruppen. Der Querschnitt der einzelnen Bastzelle ist abgerundet, oft tangential gestreckt,
nicht eckig, das Lumen erscheint spaltenförmig oder polygonal und inhaltsleer, die Membran
geschichtet. Bei Behandlung mit Jodschwefelsäure tritt die Mitlellamelle scharf hervor, so-
wohl bei den Gruppen als auch — als anhängende Fetzen — bei der einzelnen Faser (von
Höhnel).
Nach HÖHNEL genügt der anatomische Befund der Faser selbst zur Unterscheidung der
Lein- und Hanffaser. Gramer zieht zur Diagnose noch die begleitenden Gewebselemente —
Epidermis, Haare, Spaltöffnungen, Kristallzellen, Gerbstoffzellen — herbei. Dieselben dienen
ihm als «Leiter». Haare, Kristall- und Gerbstoffzellen hat nur der Hanf. T. F. Hanausf.k fand
(igo8), daß sich der Plasmaschlauch der Hanffaser bei Behandeln mit Chromsäuregemisch anders
verhält wie bei der Leinfaser. Während er bei letzterer oft gewunden (ähnlich wie bei der
Baumwolle, Fig. 89) erscheint, ist er beim Hanf niemals wellenförmig verbogen, sondern gerade
und tritt sehr plastisch hervor. R. Korn hält die Unterscheidung mit Cuoxam für besser (1910).
Der Hanf ist dem semitisch -ägyptischen Kulturkreise fremd. (Im übrigen vgl. Fnict. caiinabis.)
Der Hanffaser sehr ähnlich ist die:
3. Sunnfaser.
Dieselbe entstammt den rindenständigen Bastbündeln von Crotalaria juncea. Die Unterschiede
beruhen in einem breiten, nicht spaltenförmigen, inhaltführenden Lumen und breiten verholzten
äußeren Membranpartien, die sich von den inneren nicht verholzten sekundären Verdickungs-
schichten leicht ablösen (von Höhnel).
Pflanzliche Bastfasern. 255
4. Nesselfaser.
Die Bastfasern von Urtica di'oica L. finden sich ebenfalls in der Slengelrinde. Sie sind
unverholzt, unregelmäßig gebaut, die nicht sehr dicke Wandung ungleichmäßig gestreift. Das
breite Lumen enthält oft Inhalt. Die Enden sind ausgezogen, abgerundet, meist löffelförmig
erweitert, manchmal quer abgeschnitten oder gegabelt. Der Querschnitt der Bastzellen ist oval,
abgeplattet, ja bandförmig, bisweilen mit einspringenden geschichteten Wandungen versehen
(von Höhnel).
5. Chinagras.
Das Chinagras oder die Ramie (Ramiehfaser) wird von den rindenständigen, einzelnen
oder zu kleinen lockeren Bündeln vereinigten Bastzellen der Stengel von Boehmeria niTca (L.)
Hook, et Arn. gebildet. Die Bastzellen sind sehr ansehnlich (vgl. Tabelle S. 251), gänzlich
unverholzt und zeigen häufig Verschiebungen. Das bisweilen Inhalt führende Lumen ist sehr breit,
verschmälert sich aber gegen die Enden linienförmig; die Spitze ist dickwandig und abgerundet,
der Querschnitt ist länglich oder flach zusammengedrückt, an den breiteren Stellen bandartig,
die Wandung zeigt Schichtung. Sehr ähnlich ist die Roafaser von Pipturtis argenteus.
6. Jute.
Die Jute wird von den rindenständigen, relativ kurzen, stets zu Gruppen vereinigten Bast-
zellen der Stengel von Corchoriis capstilaris L., C. olitorius L. u. and. Corchortisz.x^.e-a gebildet.
Die Jutebastfasern sind stark verholzt, im Querschnitt isodiametrisch-polygonal, scharfkantig,
mit schmaler Mittellamelle. Das Lumen ist, trotzdem die Wandung stark verdickt ist, relativ
weit, rundlich oder oval, bei ein und derselben Zelle oft an bestimmten Stellen verengert, an
den Enden dagegen weit. Letztere sind relativ dünnwandig, kegelförmig oder abgerundet, Ver-
schiebungen fehlen, ebenso Streifung (von Höhnel). Der Jute morphologisch sehr ähnlich ist der:
7. Gambohanf.
Derselbe stammt von den Stengeln von Hibiscus cannahirms u. and. HibücussxXKn. Von
der Jute unterscheidet er sich durch eine breitere Mitlellamelle, dickwandige, bisweilen schwach
gegabelte Enden und eine bisweilen bis zum Verschwinden des Lumens vorschreitende partielle
Verdickung der Wand. Der Jute ähnlich sind auch die Abelmoschusfaser (von Abelmoschits
tetraphyllos) und die Urenafaser (von Urena simiata).
Dicotylenfasern sind ferner: Die Hopfenfaser (v. Humulus Liipulus), die Papier-
maulbeerbaurafaser (v. Bronssonetia papyri/era), die Ginsterfaser (von Sarothammis vul-
garis), sowie die Daphnefaser (von Lagetta linfearia) — alle vier zur Papierfabrikation viel
verwendet. Monocotylenfasern sind:
8. Neuseeländischer Flachs.
Derselbe wird vorwiegend gebildet von den Bastbelegen der Gefäßbündel der Blätter
von Phormium tenax. Die vollständig verholzten Bastfasern sind gleichmäßig aber stark ver-
dickt, das Lumen rund oder oval, leer, im Verlaufe der Fasern gleich breit. Die Enden sind
scharf zugespitzt. Der Querschnitt ist rundlich oder polygonal mit abgerundeten Ecken. Mittel-
lamelle undeutlich. Gefäße sind selten als Begleiter aufzufinden. Dem Aloehanf und der San-
severiaiiiser sehr ähnlich.
9. Manilahanf.
Unter dem Namen Manilahanf, Abaca, Plantainfibre, Siamhemp, white rope kommen die
Bastfasern von Musa textilis Nees in den Handel. Dieselben sind stark verholzt, gleichmäßig
aber nicht sehr erheblich verdickt, mit glatter Wand und großem, rundlichem, bisweilen inhalt-
führendem Lumen. Der Querschnitt der stets zu mehr oder weniger lockeren Gruppen ver-
einigten Bastfasern ist rundlich-polygonal. Mittellamelle undeutlich. Die Fasern werden von
30 mik langen verkieselten Zellen (Stegmata) begleitet.
10. Pitafaser.
Die Pitafaser, Pite, Sisal, Matamoros, Tampicohanf, besteht aus den Bastbelegen der
Gefäßbündel der Blätter von Agave americana L. u. a. Agave-ArXe'n. Die verholzten, stets zu Gruppen
vereinigten Bastzellen (s. Tabelle) sind in der Mitte oft breiter, besitzen ein sehr weites (viel breiter
als die Wand), polygonales Lumen und eine dünne Wand. Die breiten, stumpfen, selten gegabelten
2 ^t> Zelluloso-Membranindrogen.
Enden sind stets verdickt. Die Mittellamelle ist undeutlich. Der Querschnitt der Bastzellen
ist polygonal. Die Fasern werden begleitet von zahlreichen grollen, spiraligen Gefäßen und
Kristallzellen mit bis 0,5 mm langen Oxalatprismen oder deren Trümmern.
11. Aloehanf.
Der Aloehanf, Aloefaser, Mauritiushanf sind gleichfalls Bastzellbündel von Blättern, und
zwar von .-i/ivarten (bes. Aloe ffr/oliatti). Die dünnen Bastzellen sind meist sehr stark verdickt,
die Wandung (s. Tabelle) zeigt sehr steil linksschief gestellte Tüpfel, die Enden sind spitz oder
kegelförmig, der Querschnitt ist polygonal, das Lumen rund, wenig breiter als die Wand. Die
Faser wird von Gefäßen begleitet.
Sehr ähnlich gebaut ist die Sanseveriafaser von Saiisercrm ceylaiiica.
12. Coirfaser.
Die braune Coirfaser entstammt der Fruchtschale der Cocosnuß [Cocos nnd/era) und wird
von den Gefäßbündeln derselben gebildet, die starke Sklerenchymbelege besitzen und von Steg-
mata begleitet sind.
Monokotylenfasern sind ferner: Ananasfaser, Silkgras, pine-apple fibre von Ananasa
sativa. Yuccafaser von Yucca gloriosa. Alfafaser, Esparto von Stipa tenacissima uniLigaeum
Spartiim (das ganze Blatt). Pandanusfaser von Pandanus odoratissimiis (Bastbündel der Blätter).
Tillandsia faser, vegetabilisches Roßhaar von Tillandsia nsneoides (Bastbündel der Stengel).
Palmenfasern und zwar: Piassave, Piassaba. Monkeygras von Attalea funifera Marx.
(Bahia-Piassave) und Leopoldinia Piacaba Wall, (nach T. F. HANAt;SEK Paragras, Para-Piass.)
{Bastbündel aus den Battscheiden). Palmettofaser, orin vegetal, orin d'Afrique, von Cha-
maerops /mmili's (geschlitzte Blätter). Dattelpalmen faser von Phoenix dactylifera (Blätter).
Talipot faser von Corvpha umhraeiilifera, Raphiabast, Raphiastroh von Raphia taedigera
(subepidermale Bastbelege der Blätter und Blattstiele). Kitool,Siamfaservon Caryota tirens u. and.m.
Analytische Tabellen zur mikroskopischen Bestimmung der Fasern teilte
HöHNEL(a. a. O. undBeitr. zurtechn. RohstofFlehre. Dingl.Polytechn. Journ. 1884,8.251 u. 273) mit.
Ich verweise auf diese und bemerke nur, daß er folgende Gruppen bildet :
A. Fasern, die durch Jodschwefelsäure blau, violett oder grünlich gefärbt werden.
a) Dikotyle Bastfasern und Baumwolle — ohne Gefäße (Flachs, Hanf, Sunn, China-
gras, Roafaser von Pipturiis argenteus).
b) Monokotyle Fasern, mit Gefäßen, ohne Verschiebungen (Alfa [Esparto] und
Ananasfaser).
B. Fasern, die durch Jodschwefelsäure gelb gefärbt werden.
a| Dikotyle Fasern, ohne Gefäße, Lumen mit Verengerungen (Jute, Abelmoschusfaser,
Gambohanf, Urenafaser).
b) Monokotyle Fasern, mit Gefäßen, Lumen keine Verengerungen (Neuseeland. Flachs,
Manilahanf [oft ohne Gefäße], Sanseveriafaser, Aloehanf von Aloe perfoliata, Pita-
hanf, Yuccafaser von Yttcca gloriosa).
Zur Papierfabrikation werden verwendet (bez. der Einzelheiten vgl. von Höhnel,
Wiesner, T. F. Hanausek): Lein, Hanf, Baumwolle, Weizen-, Roggen-, Hafer-, Reis-, Mais-
stroh, Esparto, Bambusrohr, Jute, Papiermaulbeerbaumfaser und Holzstoff (bes. das geschliffene
Holz von Coniferen). Die Alten bedienten sich zum Beschreiben der Tempelwände (Ägypten),
der Tontafeln (Assyrien), der Wachs- und Holztafeln (Rom), der Tierhäute (Perga-
ment, verbessert in Pergamon IL Jahrh. v. Chr., verdrängte vom IV. Jahrh. an die Chartai
dann wichtigster Schreibstoff des Mittelalters), des Leders, monokotyler Blätter (Bambus
[China], Palmen [Indien, dort auch heute noch üblich]), einiger Rinden (z. B. des Birkenperiderm
bes. in Asien, in Kaschmir bis ins XVI. Jahrh.), dann der Lindenbaststreifen (Rom) und
des Papyrus (Charta: in dünne Blätter geschnittenes Mark der Papyrusstaude, die [zu
dritt] übereinander gelegt und mit Stärkekleister miteinander verklebt wurden, bes. in Ägypten
schon 2000 V. Chr. nachgewiesen, die ägyptische Papyrusfabrikation erlosch in der zweiten
Hälfte des X. Jahrh., die sizilianische im XIII. Jahrh.), sowie später (in Asien) des Reis-
papier (Araliamark). Das gefilzte Papier ist eine Erfindung der Chinesen (c. 105 n.Chr.,
Vgl. I, S. 523). Ein mittelalterliches Baumwollpapier gab es nicht (WiESNER, Karabaczek,
Kobert). Die ältesten Papiere der Chinesen aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung
Pflanzliche Bastfasern. 257
bestanden aus den Fasern der Broiissoneim papyrifera l'Herit (Papiermaulbeerbaum |. Einige
Jahrhunderte spater traten dann auch noch das Chinagras (Ramie, Nesselfaser) von Boehmeria
nivea HooK. et Arn., die Hanffaser und die Faser von Edgeuiorthia papyrifera S.\LZM. dazu
(Wiesner). Die in Turfan und Khotan kürzlich gefundenen Papiere aus dem VI — IX. Jahrh.
bestanden vorwiegend aus Broussonetia- und Boehtneriafdisein (Kobert). Hadernpapier ist
(nach Karabaczek und Wiesner) eine Erfindung der Araber (VIII. oder IX. Jahrh.) , wurde
aber im X. Jahrh. von den Chinesen angenommen (oder selbständig erfunden?). Die Papier-
gewinnung kam c. 850 durch die Mauren nach Spanien. In Italien entstanden im XI., in Deutsch-
land im XIV. Jahrh. Papiermühlen. Die ältesten europäischen Papiere sind gleich den arabi-
schen stark mit Stärkekleister geleimt. Diese Leimungsart läßt sich bis zum Ende des XIII.
bzw. Anfang des XIV. Jahrh. verfolgen. Dann folgt der Leim. Erst im XIX. Jahrh. begann
die Harzleimung kombiniert mit Stärkeleimung. Bis zum XIV. Jahrh. sind die europäischen
Papiere sehr langfaserig, nach und nach treten kurzfaserige an ihre Stelle, was auf eine tief
eingreifende Umgestaltung des Papiererzeugungsverfahrens hinweist (Wiesner).
Lit. VON Hoehnel, Die Mikroskopie d. technisch verwendeten FaserstofTe. 2. Aufl. 1905
(mit guten anatom. Abbild, und einem erschöpfenden Literaturverzeichnis). — Wiesnf.r, Roh-
stoffe d. Pflanzenreiches. I. u. II. Aufl. 1873 und 1903. — Vetillard, Etudes sur les fibres
vegitales textiles, employ^es dans l'industrie. Paris 1876. — T. F. Hanausek, Lehrb. d. techn.
Mikroskopie. 1900. — Hanausek-Winton, Microscopy of techn. prod. 1907. — Schlesinger,
Mikrosk. Unters, d. Gespinstfas. Zürich 1873. — Jos. MoELLER, Pflanzen-Rohstoffe. Ber. über
d. Weltaussteil, in Paris. 1878, Wien. — Fr.\nk-Tschirch, Pflanzenphys. Wandtafeln. —
Hassak, Wandtafeln. — Abbild, auch in Hager-Fischer-Hartwich, Handb. d. pharm. Praxis
I, S. 1244 und den betr. Artikeln in Realenzyklop. d. Pharm. — FocKE, Mikrosk. Unters, d.
bekannt. Gespinstf. Arch. Pharm. 1886 (m. Abbild.). — Barille, Etudes des fibres textiles.
These Straßburg 1868. — Cramf.r, Programm d. Zürich. Polytechnik. 1881; vgl. mein Refer.
in Pharm. Zeit. 1881, Nr. 73. — von Hoehnel, Über den Einfluß des Rindendruckes. Pringsh.
Jahrb. XV, S. 311. — Schwendener, Über d. Verschiebung d. Bastfasern im Sinne von
Hoehnels. Ber. d. d. Bot Ges. 1894, 239. — T. F. Hanausek, Eine neue Methode zur
Unterscheid, d. Flachs- und Hanffaser. Zeitschr. Farben-Industr. 1908. — Greshoff, De quali-
tatieve en quantitatieve bepaling van katoen naast kapok. Pharm. Weekbl. 1908. — J. Aiss-
LINGER, Beiträge z. Kenntnis wenig bekannter Pflanzenfasern. Diss. Zürich 1907. — Gross,
Bevan, King and Joynson, Report on Indian fibres and fibrous substances. London 1887.
Über Papier vgl. V.alenta, Das Papier, seine Herstellung, Eigenschaften, Verwendung
usw. Halle 1904, — Carl Hofmann, Prakt. Handb. d. Papierfabrikat. I. B. 1891, IL B. 1897
Berlin. — Herzberg, Papier-Prüfung. I. Aufl. 1888, IL Aufl. 1902 und D. heutige Stand d.
Papierprüfung. Papier-Zeit. 1892. — Mierzinski, Handb. d. prakt. Papierfabrikation und Anleit.
z. Unters, d. in d. Papierfabrik, vorband. Rohprodukte in Hartlebens Chem. techn. Biblioth.
B. 138 — 142. — HOVER, D. Papier, seine Beschaffenheit u. Prüf. 1882. — E.Kirchner, Das
Papier I, Geschichte d. Papierindustrie 1897. — A. Meyer, Grundlagen 1901. — Kobert, Über
einige echte gefilzte Papiere des frühen Mittelalters. Zeitschr. Angew. Chem. 1910, 1249. —
T. F. Hanausek in Real-Enzykl. d. ges. Pharm. VII und IX und Über einige besondere Papier-
bestandteile in Papierfabrikant 19 10, — Wiesner, Die mikroskop. Unters, d. Papiers mit
bes. Berücks. d. ältesten oriental. u. europäisch. Papiere. Mitt. aus d. Samml. d. Papyrus Erz-
herz. Rainer 1887. Die Geschichte des Papiers in Wiesner, Rohstoffe II, S. 429 — die bei
der modernen Papierfabrikation benutzten Fasern sind ebenda aufgeführt und bei von Hoehnel
a. a. O.
2) Reservezelluloso-Membranindrogen (Hemizellulosedrogen).
Die Membranen des Endosperms vieler Samen bestehen aus sog. Reserve-
zellulose, die beim Keimen der Samen gelöst wird. Sie erweist sich verdünnten
Säuren gegenüber als sehr verschieden resistent. Einige dieser Reservezellulosen lassen
sich relativ leicht mit Säuren oder Enzymen hydrolysieren, wie die gemiscljten Man-
nane der Samenendosperme der Datteln, Palmkenie, Cocosnüsse, sowie von Ceraionia,
Strychnos potatorum, Siliqua und Tngonella Foenum graecum, die sich als vornehmlich
Tschirch , Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 17
Tag Reservezelluloso-Membranindrogen.
aus Galaktoniannanen bestehend erwiesen, und die des Endosperms von Phvtelephas
macrocarpa, das viel Fruktomannan enthält — andere Mannosozellulosen, wie die der
Kaffeebohnen, sind Säuren gegenüber sehr resistent. Reiss fand bei der Hydrolyse
Mannose (Seminose) liefernde Reservezellulose bei den Samen von Phytdephas, Phoenix
dactvlifera, Chamaerops humilis , Lodoicea Seychellarum , Elaeis guineensis, AUium Cepa,
Asparagus , Strychnos ?iu.\- vomica, Coffea arabica, Foenicubmi officinale.
Während echte Zellulose nur Glukose liefert, liefert also die Reservezellulose,
die sich leichter spalten läßt, andere Hexosen und oft Pentosen. Die bei der Hydrolyse
mit verdünnten Mineralsäuren leicht in Lösung gehenden und dabei Galaktose, Man-
nose, Arabinose und Xylose liefernden Zellulosen nennt E. Schulze Hemizellulosen.
Man nennt die Atomgruppen der Hemizellulosen, welche Galaktose oder Mannose,
oder Arabinose oder Xylose liefern, Galaktane, Mannane, Arabane oder Xylane. Dem-
entsprechend sind auch die Namen Pentosane und Hexosane gebildet (Tollenb).
Bei der Hydrolyse der Hemizellulosen entstehen die Monosen in so großen Mengen,
daß sie zweifellos die Hauptprodukte der Umwandlung sind (E. Schulze). Hemi-
zellulosen sind bei 300" in Glycerin löslich, aber nicht immer in Kupferoxydammoniak.
EuLER teilt die Hemizellulosen in zwei Gruppen:
1. Reservezellulose in den Samen sowohl bei Monokotylen (Palmen, Lilia-
ceen, Iridaceen), wie bei Dikotylen (Rubiaceen, Oleaceen, Convoivulaceen, Plantagineen,
Primulaceen, Sapotaceen, Balsaminaceen, Tropaeolaceen, Ranunculaceen, Leguminosen,
Myrtaceen). Die Lösung bei der Keimung bewirkt ein Enzym, die Cytase. Das Fer-
ment führt die Hemizellulosen in verschiedene Zucker über, dadurch werden die aus
Reservezellulose bestehenden Zellwände gelöst. Bis jetzt wurden bei der Aufspaltung
der Reservezellulose erhalten: d-Mannose, dl-Galaktose, seltener d-Fruktose und d-
Glukose. Sie enthalten also Galaktomannane. Die Membranen der Dattel z. B. liefern
bei der Keimung durch den Einfluß der Enzyme Galaktose, d-Glukose und d-Man-
nose (GrÜss). Die Endosperme der Palmensamen enthalten vorwiegend Mannane.
Dattelsamen z. B. liefern fast ausschließlich d-Mannose, die Reiss Seminose nannte, wie
viele Liliaceensamen, die Samen von Phvtelephas macrocarpa Mannose und Fruktose.
Die meisten Palmensamen geben auch Galaktose und enthalten daher Mannogalak-
tane, die sich auch bei Strychnos, Umbelliferen, Leguminosensamen {Ceratonia, s. d. )
finden. Den Namen «Reservezellulose» habe ich 1888 (Angewandte Anatomie S. 171)
eingeführt und dort auch ihre Rolle geschildert. Daß die Membranen einiger Samen
beim Keimen gelöst werden, stellten zuerst Sachs (1862 bei der Dattel) und Fraxk
(1866 bei Tropaeoliiin) fest.
2. Hemizellulosen, die nicht den Charakter von Reservezellulose tragen, sondern
Gerüstsubstanzen sind (Samenschalen usw.), enthalten vorwiegend Galaktane und Pentosane.
Über die Bildung und Auflösung der Reservezellulose äußert sich Grüss ( 1 896)
dahin, daß z. B. beim Dattelsamen zuerst Mannan gebildet wird und dann erst das
Galaktan, und daß auch bei der Auflösung gelegentlich der Keimung der eine Be-
standteil früher gelöst wird als der andere. Grüss meint, daß Galaktan und Araban
durch die Enzyme nicht sofort in Galaktose und Arabinose, sondern zunächst in
gummiartige Körper (Galaktin und Arabin) übergeführt werden (?) und auch als
solche wandern können. Die Auflösung der Reservezellulosewände geschieht nach
Reiss (1889) entweder durch Abschmelzen von innen her {Phoenix, Chamaerops), durch
intralamellare Lösung {Asparagus), durch intralamellare Verflüssigung {Foetiiculum), durch
intralamellare Lösung mit gleichzeitiger Korrosion {Allitim, Cyclamen), durch Korrosion
Steinnuß. 2 ^Q
unter gleichzeitigem Abschmelzen (Iris) oder nur durch Korrosion (Tropaeolum, Impatiens).
Auch in Rhizomen, Knollen und Zwiebeln finden sich Mannane als Reservezellulose.
Die zu 80 "/o in den Sklerotien von Pachyma Cocos als Membranablagerung
vorkommende Pachymose (Winterstein), die durch Jodschwefelsäure gelb wird und
bei der Hydrolyse Glukose liefert, scheint ebenfalls ein Reservemembranin zu sein.
Lit. Zahlreiche Arbeiten von Tollkns und seinen Mitarbeitern, sowie von E. Schulze
und seinen Mitarbeitern (Winterstein, Frankfurt, Schei.lenberg, Castoro, Godet u. and.,
Verzeichnis in Journ. f. Landwirtsch. 1904) und Bourquelot et Härissey und Mitarbeitern
[Journ. ph. chim. II u. 12 (1900), Compt. rend. 130 (1900), usw.]. — E. Schulze, Über die zur
Gruppe d stickstofffreien Extraktstoffe gehörenden Pflanzenbestandt. Journ. f. Landwirtsch. 1904.
— Kleiber, Vers. z. Best. d. Geh. einiger Pflanz, u. Pflanzent. an Zellwandbestandt. Hemizellulosen
u. Zellulose. Diss. Zürich. 1900. — Sachs, Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1859. — Tschirch, An-
gewandte Pflanzenanatomie. 1888. — GODFRIN, Ann. sc. nat. (6), 19, I. — Reiss, Über die Natur
der Reservezellulose usw. Landw. Jahrb. 1889 u. Ber. d. d. ehem. Ges. 22, 609. Ber. d. d.
bot. Ges. 1889. — Green, Phil. Transact. London 178 (1887), 38. — Brown u. Morris, Journ.
ehem. soc. 1890, 458. — Elfert, Auflösungsvers. d. sekund. Zellm. d. Samen. Bibl. bot. 30,
1894. — GrÜss, Lös. u. Bild, der aus Hemizellulose bestehenden Zellwände u. ihre Bezieh, z.
Gummosis. Bibl. botan. 39, 1896 u. Bot. Zentralbl. 70. — M. Goret, Et. chim. et physiol. de
quelqu. album. cornes de Graines de Legumineuses These, Paris 1901. — E. Schulze, Ber. d.
d. ehem. Ges. 24, 2277. — Schellenberg, Ber. d. d. bot. Ges. 1904, 9 und 1905. — Czapek,
Biochemie (dort auch die Liste der Familien, bei deren Samen Reservezellulose vorkommt). —
Zusammenfassung: E. Schulze u. Ch. Godet, Unters, über d. in den Pflanzensamen enthalt.
Kohlenhydrate. Zeitschr. phys. Chem. 61 (igogl, 279.
Steinnuß.
Vegetabilisches Elfenbein (= Phyt-elephas) — corozo, morphil vegetai, ivoire
vegetal (franz.) — yvory nut (engl.) — tagua, cabeza de negro (port.).
Die Stammpflanze der Steinnüsse ist Phytelephas marcocarpa Ruiz et Pavon
(Syst. veg. 1798), dann wohl auch: Ph. microcarpa Ruiz et Pav. und einige andere
Arten [Ph. Ruizii, Ph. Pavonii u. and.). Der Kew Index führt 15 Arten auf. Drude
sagt: wenigstens drei.
Systemat. Stellung. Palmae-Phytelephantinae (Palmae anomalae). Robert
Brown stellt Phxlelephas zu den Pandaneen, Kunth zu den Typhinen, Martius bildete
aus ihnen eine besondere Familie : Phytelephantaceae (Phytelephasieae Brongniart).
Beschreibung. Die Phylelephasa.x\.&n finden sich im tropischen Südamerika zwi-
schen dem g" n. B. und 8" s. B., sowie 70 — 79" w. L., an den Ufern der Ströme
und Bäche, an der Küste und in der Bergregion. Ph. macrocarpa bildet einen bis
2 m hohen Stamm; Ph. microcarpa ist stammlos. Die Palme ist diklin-diöcisch. Der
Fruchtkolben besteht aus sechs oder mehr aneinander gedrückten, beerenartigen
Einzelfrüchten (Syncarpium), die außen hartholzige Protuberanzen zeigen. Jede Frucht
hat 4 — 6 Fächer und ebensoviel Samen. Der Same ist von einer harten, bei den
einzelnen Sorten verschiedenfarbigen, oft schwarzbraunen, aber häufig mit einer lehm-
farbigen, abreibbaren Schicht (Mesocarprest) bedeckten Steinschale (Endocarp) um-
geben, in der ein Keimdeckel sichtbar ist. Bricht man die sehr spröde Schale auf,
so sieht man auf der braunen Samenschale ein grobes Netzwerk (Raphenetz). Sägt
man den Samen der Länge nach durch, so findet man am einen Ende, etwas seit-
lich von dem Nabel, in einer konischen, durch einen Deckel geschlossenen Höhlung
den kleinen Keimling. Die Hauptmasse des Samens besteht aus dem mehr oder
26o
Reservezelluloso-Mcmbranindiogen.
J^^
weniger rein-weißen, steinharten Endosperm, das im Innern einen groben Längsspalt
oder eine gestreckte Höhlung zeigt, die besonders bei den großen Colon- und Gua-
aquil-, weniger bei den kleinen Savanilla- und Tumaco-Sorten hervortritt und die
Verwertung der Steinnüsse zur Knopffabrikation sehr beeinträchtigt. Das Endocarp
zeigt in der schwarzen Zone Palissadensklereiden, die Kieselkövper enthalten (Molisch).
Dann folgt eine Zone kleiner Sklere'iden und die innerste Schicht besteht aus braunen
Inhalt führenden Faserzellen. Die
bisweilen abgescheuerte, oben aut-
sitzende Deckschicht (Mesocarprest)
besteht aus netzig verdicktem, luft-
führendem Parenchym (T. F. Ha-
nausek). Die Samenschale be-
steht aus verschieden langen und
verschieden orientierten gestreckten
Skiereiden mit braunem Inhalt (Ab-
bild, bei Vogl). Das Endosperm
ist steinhart. Seine Zellen sind
außerordentlich stark verdickt und
zeigen große Porenkanäle, die sich
an der Trennungsplatte keulig er-
weitern. Die Trennungsplatte ist
von feinen Plasmafäden durch-
zogen, die eine offene Kommuni-
kation der Zellen hervorrufen (ag-
gregierte Verbindungen), aber auch
die ungetüpfelte Membran ist von
feinen Plasmafäden durchzogen (so-
litäre Verbindungen, Abbild, bei
Kohl, Ber. d. d. bot. Ges. 1900,
Taf. X). Die primäre Membran so-
wie die Schichtung der sekundären
treten erst beim Behandeln mit
Kali hervor. Die Wand wird durch
Jod-Schwefelsäure blau. Im Lumen sieht man beim Präparieren in Ol große Aleuronkörner.
Chemie. Reiss fand in der Steinnuß 11,04 Wasser, 3,1 — 4,2 Protein, 1,51
Fett, durch heißes Wasser extrahierbar (exkl. Zucker) 7,5, Dextrose 0,49, Zellulose
74 — 75, Asche 1,3 "/o- Bei der Hydrolyse erhielt er einen neuen Zucker, den er
Seminose nannte und den Emil Fischer dann mit der d-Mannose (Rechts-Man-
nose, vgl. S. 6) identifizierte, die er bei der Oxydation des Mannits neben Fruktose
erhalten hatte. Er ist auch identisch mit der Isomannitose, die Tollens und Gans
bei der Hydrolyse des Salepschleims erhielten, und wohl auch mit der Carubinose.
Der Pentosan- (nach Ivanow Araban-)gehalt beträgt 1,29 "/„ der Trockensubstanz.
Die Seminase der Legumini>sensamen vermag die Reservezellulose im Phytdephas- (u.
and. Palmen-) Samen nicht direkt zu spalten — wohl aber, wenigstens teilweise, nach
24 stündigem Digerieren 60% Schwefelsäure. Die Samen von /%)'/'(?/i?/'/M.r enthalten ein
Fruktomannan, das auf einen Teil d-Fruktose (Lävulose) 20 Teile Mannose
liefert. Ivanow fand Hemizellulosen (Hexosane und Pentosane) und zwar 2,16 "Iq
Fig. 91.
Zellen aus dem Endosperm der Samen von Pliytelcphns macrocarpa
[Aus Tschirch, Angewandte Anatomie.]
Steinnuß. 26 1
Pentosane und 1,55 "j^ Methylpentosane, viel Mannosezellulose und den dritten Teil
davon Dextrosezellulose (?). Die Wände bestehen jedenfalls vorwiegend aus Mannanen.
Mannane finden sich in der Reservezellulose der Samen der Dattel, von Ceratonia
und Phytelephas, im Äz/^schleim, in Cichorium, Taraxacum und Helianthus^xsxzeXn, in
Oliven, Äpfeln, Bananen, Mandeln (Storer) — Galakto-Mannane in den Samen von
Ceratonia, Foeniim graecum, Phoe7iix canarie7isis, Stryclinos potatorutn, — Gluko-Mannane
im Samen von Ruscus actdeatus — Frukto-Mannane (Manno-Fruktosan) in vegetabi-
lischen Elfenbein. Storer betrachtet das Mannan als einen weitverbreiteten ReservestofT.
Das Endosperm von Phytelephas jnacrocarpa enthält 8,8 "Jq Wasser und 5,48 "jg der
Trockensubstanz Rohfaser, d. h. durch Schwefelsäure während einer Stunde nicht
verzuckerbare Substanz (Liebscher). Der Gesamtstickstoffgehalt beträgt nur
o,6ig''|o (bei der Erdnuß: 8,132 "Ij, Stutzer), davon unverdaulich 0,082 ''Jq, der
Rohproteingehalt 7,3i''/o (Formenti, beim Dattelsamen 4,4 "/q) Georges). Nach
Liebscher soll in den Pkytelepkas%a.Txi&\ ein Alkaloid, Phytelephantin, vorkommen.
Mehu gibt Zucker (in den frischen Samen Rohrzucker) als Bestandteil an und den Ei-
weißgehalt auf 1,165 — IjSI^/o- I^'s Asche beträgt bei Phytelephas 1,40 (1,70 Holde-
FLEiss), bei der Tahitinuß (s. d.) 2,62% (Harz). Die Asche enthält 33,58 "/q SiOj.
Die Steinschale gibt I4,6*'|{) Asche, vorwiegend aus Kieselsäure bestehend (Mehu).
Nach Harz besitzen die Samen von Phytelephas eine Härte von 2,6, die Tahitinuß
(s. weiter hinten) von 2,82 (tierisches Elfenbein 2,8, Äreca Catechu 2,3).
Handel. Die Steinnüsse bilden einen bedeutenden Exportartikel des Magda-
lenenstromgebietes. Die Steinnüsse werden besonders aus Guajaquil und Manta (Ecua-
dor) via Magellan oder Colon in Säcken von 100 kg exportiert. Columbien liefert
die Corozos de Savanille.
Handelssorten (nach Jos. Moeller): Marcellino, walnußgroß, c. 23 g
schwer. Panama, größer, c. 53 g. Tumaco, von San Lorenzo, von Kugelausschnitt-
form, Gew. 70 g. Palmyra, Kern graubläulich. Carthagena, 50 — 55 g schwer, Stein-
schale dunkelschwarzbraun. Guajaquil, Steinschale lehmfarbig, c. 45 g schwer.
Esmeralda, kaffeebraun. Kern gelblich oder bläulich-weiß. Gew. 80g. Colon, Gew.
Sog. Amazonas, taubeneigroß, Gew. 35g, Kern elfenbeinweiß. Savanilla in vier
Sorten (vgl. Wiesners Rohstoffe H, 691).
Der Großhandel unterscheidet besonders zwischen Guajaquil mit kleinem
Spalt, 1000 geschälte Samen gehen auf 95 — 100 kg, und Savanilla mit großem
Spalt, 1000 auf 5,5 — 7,5 kg (Planchon). Meist werden sie in der Steinschale (en
coque) versandt. Die eine Hälfte des europäischen Bedarfes importiert Hamburg, die
andere Le Havre und Genua.
Hamburg importierte 1908 aus Ecuador (Guajaquil-Manta, Esmeraldas, Tumacos in
Columbien) 87 Q5odz, aus Columbien (Savanilla, Cathagena, Panama und Colon) 30300 dz.
An'wendung. Die Steinnuß wird in Deutschland, z. B. in Schlesien, dann in
Böhmen, Wien, Frankreich und Nordamerika auf Knöpfe verarbeitet. Sie läßt sich
färben. Die gemahlenen Abfälle werden zur Fälschung von Gewürzen und Kaffee-
surrogaten benutzt. Gemahlene Steinnuß ist 1907 auch als Verfälschung von Mehl
(VoY, Bertarelli), sowie auch als Verfälschungsmittel des Knochenmehles und Palm-
kernmehles beobachtet worden (Harz) und 1909 als Beimischung des Pulvers der
Sem. strychni (Louis Planchon und Juillet). Der Vorschlag von Liebscher (1885),
sie auf Albumin für Färbereizwecke zu verarbeiten, scheint nicht befolgt worden zu
sein. Sie geben ein gutes Ausgangsmaterial zur Darstellung von Mannose.
202 Resen'ezelluloso-JIemliranindiogen.
Lit. Abbild.: TscHiRCH, Ind. Heil- und Nutzpfl. t. 102 und Drude in Engler-Prantl,
Pflanzenfam. II, 3, 89. — Seemann, Die Palmen (Deutsch von Bolle). 2. Aufl. 1863. — T.
F. Han.vusek in Wiesner, Rohstoffe und Zeitschr. f. Nahrungsm. Hyg. u. Warenk. 1893, >97-
— MoRREN (cit. bei Wiesner, I. Aufl. S. 792. Erste anatom. Beschreibung). — Jos. Moeller,
Mitt. d. k. k. technol. Gewerbemus. Wien 1880. — Kohl, Ber. d. d. bot. Ges. 1900, 364. —
Loris Pl.\nchon et A. Juillet, Le Corozo, Bull. mens, de l'Acad. d. sc. et lettres. Mont-
pellier 1909 und Encore le Corozo, Bull, de Pharm, de Sud-Est. 1910. — Bertarelu, Zeitschr.
Unters. Nähr. u. Genußm. 1907. — VoY, Journ. pharm. 1907. — Molisch, Die Kieselzellen
in d. Steinschale der Steinnuß. Zentralorgan f. Warenk. und Technologie 1891, 103. ■ — Anatom.
Abbild, in PlanCHON-Collin, Drogues simples I, 141. — Vogl, Nahrungs- u. Genußm. S. 554.
— H.\NAUSEK-WlNTON, Microsc. of technical products p. 412. — Chem. Lit. s. oben S. 259.
Ferner: Ivanow, Über die Kohlehydrate der Steinnußsamen, Journ. f. Landw. 1908,217; Chem.
Zeit. 1908, 32 Rep. 654. — Ältere Analysen: CONNELL, Journ. pr. Chem. 1844. — LoGES, Wochenbl.
f. Schlesw.-Holst. 1886. — Johnson, Jahresber. f. Agrikulturchemie 1880, 413. — Holdefleiss,
Landwirt 1879, Nr. 39 und Zentr. Agr. Chem. 1880, 234. — Dann: Reiss, Über d. Natur d. Reserve-
zellulose u. über ihre Auflösungsweise bei d. Keimung d. Samen. Landw. Jahrb. 1889 und
t ber d. in d. Samen als Reservestoff abgelagerte Zellulose u. eine daraus erhaltene neue
Zuckerart, die Seminose. Ber. d. chem. Ges. 22 (1889), 609. — Emil Fischer und Hirsch-
berger, Ber. d. chem. Ges. 22 (1889), 365 u. 1155. — Tollens u. Gans, Ber. d. chem. Ges.
21, 2150. — Storer, Chem. Zentralbl. 1902, 2, 1155. — Mehu, Jahresb. d. Pharm. 1887, 114.
— Harz, Bot. Zentralbl. 18 (1884). — AVolff, Aschenanalysen. — Stutzer, Zeitschr. phys.
Chem. n (1887), 207. — Formenti, Chem. Zentralbl. 1902, II, 536. ^ Liebscher, Journ. Landw.
33 (1885), 470. Bot. Jahresber. 1885, 84. — Baker u. Pope, Proc. chem. soc. 16 (1900), 72. —
Lienaed, Et. d. hydrates de carbone de r^serv. d. quelqu. graines d. Palmiers. These Paris 1903.
Unter dem Namen Tahiti- oder Fidschinüsse, Australische und Wassernüsse
kommen, übrigens weder von Tahiti noch von anderen Freundschaftsinseln, sondern
von den Karolinen und Salomonsinseln, seit 1876 zu dem gleichen Zwecke die eben-
falls steinharten Samen einer anderen Palme in den Handel, welche Palme Wend-
land, ohne sie zu kennen, Sagits amicarum, Dingler Coelococcus carolinensis Dingl.
nannte. Warburg stellte dann fest, daß außer dieser Palme auch Coelococcus salo-
monetisis Warb. Tahitinüsse liefert, und nach Louis Planchon kommen auch die
Samen von C. viliensis H. Wendl. in den Handel. Die Carolinennuß ist glatt und
glänzend, die Salomonsnuß ist dunkelrotbraun und matt und zeigt zehn meridional
verlaufende Wülste. Der Same von C. carolinensis ist 4 — 6 cm hoch und 5,5 — 8 cm
breit, der Same von C. salomonensis 4,5 — 5 cm hoch und 5,5 — 7 cm breit, der Same
von C. vitiensis 3 cm hoch und 4 cm breit (Warburg).
Die Tahitinüsse sind die bisweilen über 200 g schweren kugeligen Samen der
Pflanze, die namentlich dadurch ausgezeichnet sind, daß sie nach dem Durchsägen
in der Längsrichtung becherartig erscheinen. Der Keimling liegt an der Außenseite
mehr oder weniger exzentrisch. Die Keimhöhlung ist durch einen Deckel verschlossen.
Der anatomische Bau des Endosperms der Tahiti-Steinnuß ist dem der Phytelephas-
Steinnuß ähnlich, doch treten die Zellkonturen hier deutlich hervor und im Inhalt der
Zellen finden sich prismatische Oxalatkristalle (Hanausek). Man kann aus den Tahiti-
nüssen größere Objekte drechseln, als aus den amerikanischen Steinnüssen. Hamburg
importierte 1907: 5000, igo8: 4150 dz australische Steinnüsse.
Lit. AV'endland, Bonplandia 1862. — T. F. Hanausek in Wiesners Rohstoffen. IL Aufl.,
Zeitschr. d. Öster. Apolh. Ver. 1880, 360 und Zur Anatomie d. Tahitinuß, Zeitschr. f. Nah-
rungsmittel-Unters. 1893, 197. — Dingler, Bot. Zentralbl. 1887. — Warburg, Verbreit., System.
u. Verwert. d. polynes. Steinnußpalmen. Ber. d. d. bot. Ges. 1896, 133. — L. Pl.\nCHON et
Juillet, Encore le Corozo, Bull, de Pharm. Sud-Est. igio.
Lichenino-Membranindrogen. 263
3) Lichenino-Membranindrogen (inkl. Amyloid-Membranine).
Durch Jod sich direkt blau färbende Membranine.
Der Name Amyloid wurde 1844 von Vogel und Schleiden für die mit
Jod sich direkt blau färbenden Membranen einiger Endosperme angewendet. Amy-
loid findet sich in den Cotyledonen der Samen von Hymenaea Courbaril, Tamarindus
indica u. a. und in den Endospermen der Samen von Primulaceen, Tropaeolaceen,
Linaceen, z. B. in Pnmula, Impatiens, Iropaeolum, Cyclamen, Linum u. and., und Paeonia.
Amyloid liefert bei der Hydrolyse keine Mannose (Reiss). Es läßt sich mit kochen-
dem Wasser extrahieren. Es liefert Glukosen (Galaktose) und Pentosen. Es enthält
reichlich ein Galaktoaraban (Winterstein). Auch ein in den Essigbakterien
gefundenes Kohlehydrat gibt Amyloidreaktion (Beijerinck), sowie das Amylo-
mycin einiger Hyphenwände. Bei längerer Berührung mit konz. Schwefelsäure (oder
HCl) oder dreistündigem Kochen mit Wasser bei 20 Atmosphären Druck, geht Zellu-
lose in Hydrozellulose über, die identisch sein soll mit dem Amyloid genannten
Körper, den man erhält, wenn man Zellulose in 30 Teilen Schwefelsäure (4H2SO4. i HoO)
löst und mit Wasser fällt, aber nicht mit dem in den Membranen einiger Pflanzen-
samen [Paeonia, Linum) vorkommenden Am\loide, mit dem es nur die Eigenschaft
teilt sich mit Jod direkt blau zu färben, von dem es sich aber dadurch unter-
scheidet, daß Hydrozellulose bei der Hydrolyse glatt d-Glukose liefert, währenddem
die die genannten Membranen bildenden Substanzen dabei Galaktose, Glukose und
Xylose (keine Mannose) liefern, also zu den Hemizellulosen gehören.
Das Pergamentpapier, das ja durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Zellu-
losepapier dargestellt wird, färbt sich mit Jod direkt blau.
Einen Amyloid genannten Körper (diffus und in Körnern) fand Virchow in
degenerierter Leber, Milz, Niere, Lunge, Gehirn. Es wird mit Jod oder Jod-Schwefel-
säure blau, enthält aber Stickstoff (W. Kühne, C. Schmidt). Es scheint den Eiweiß-
stoffen näher zu stehen als der Stärke (Friedreich) oder gar nicht zu den Poh'-
sacchariden zu gehören. Auch sonst scheint es bei Tieren vorzukommen, wie die
Lerpmanna (s. d.) zeigt.
Lit. Vogel und Schleiden, Beitr. z. Botanik 1844, I, Poggend. Ann. 1839, Flora 1840.
— Frank, Journ. pr. Chem. 95, 479. — Kabsch, Pringsh. Jahrb. III. — Nägeli, Botan. Mit-
teil. I und Stärkekörner. — TsCHiRCH, Anatomie S. 173. — Heinricher, Flora 1888, 163. —
Winterstein, Zeitschr. phys. Chem. 17 (1892), 353, Ber. d. chem. Ges. 25 (1892), 1237. —
Derselbe, Über das pflanzliche Amyloid. Zeitschr. phys. Chem. 17, 353. — REISS, Ber. d.
chem. Ges. 24, 1842, Landw. Jahrb. 18, 761. — Schulze, Zeitschr. phys. Chem. 19, 38. —
ViRCHOW, Arch. path. Anat. 11, 188.
Auch in dem Lichenin steckt ein sich mit Jod direkt blau färbender Körper.
Wie die mikroskopische Untersuchung lehrt, gehört das Lichenin zu den Mem-
braninen. Es bildet die Substanz der Hyphenwände gewisser Schichten des Flechten-
thallus, besonders des isländischen Moos. Man gibt ihm gewöhnlich die Formel
(CgHjQ05)n. Das durch Jod sich gelb färbende Lichenin wird im Lieh, islandicus be-
gleitet von Dextrolichenin (Isolichenin, Errera, Hoenig, Schubert). Nur
dies reagiert mit blauer Farbe auf Jod (daher Flechten- oder Licheninstärke).
Vogel nannte dies «Moos-Amylum» Amyloid. Lichenin ist optisch inaktiv. Dextro-
lichenin dreht rechts. Das Lichenin läßt sich aus dem Liehen islandicus dadurch
darstellen, daß man die mit Alkohol, Äther, schwacher Sodalösung und Salzsäure
extrahierte Flechte, nach dem Auswaschen mit kaltem Wasser, mit Wasser auskocht.
264 Lichenino-Membranindrogen.
Die Lösung gesteht zu einer Gallerte, aus der sich durch Alkohol oder Ausfrieren-
lassen das Lichenin abscheiden läßt. Aus der wässrigen Mutterlauge kann das Dextro-
lichenin (s. oben) abgeschieden werden. Lichenin löst sicli in Kupferoxydammon,
Dextrolichenin nicht.
Das Lichenin (Flechtenstärke, Moosstärke, Stärkemembran) und das Isolichenin
liefern bei der Hxdrolyse d-Glukose (nach Escombe auch d-Galaktose?).
Lit. Bauer, Journ. pr. Chem. II, 34. — Steneerg und Klason, Ber. d. ehem. Ges. 19,
2541. — Honig und Schubert, Monatsh. d. Chem. 8, 452. — Errera, Compt. rend. loi, 253.
— NiLSON, Chem. Zentralbl. 93b, 942. — Escombe, Zeitschr. phys. Chem. 22. — Vogel,
Linnaea 15, 63. — Tschirch, Artikel Flechtenstärke in Realenzyldop. d. Pharm. V, 366.
Wohl mit dem Lichenin identisch, jedenfalls mit ihm verwandt, ist die durch
Jod sich blau färbende Substanz der Apothecien der Flechten. Mit dem Lichenin
venvandt, aber wohl nicht damit identisch, sind die ebenfalls in kochendem Wasser
löslichen Everniin (in Evernia Prunastri Stüde) und das Usnein (in Ustiea barbatd),
die bei der Hydrol\se Glukose liefern. Usnein dreht rechts und wird durch Jod-
schwefelsäure rotviolett.
Nach Ulander und Tollens enthält die Cetrariagruppe Lichenine, die Cla-
doniagruppe ist frei davon, liefert also keine wasserlöslichen Membranine. Sie gibt
bei der (schwierigen) Hydrolyse d-Mannose und d-Galaktose neben etwas Glukose,
sowie Pentosen und Methvlpentosen.
Lit. Ulander und Tollens, Ber. d. d. chem. Ges. 39, 401. — Stüde, Lieb. Ann. 131.
Liehen islandicus.
Syn. Fucus islandicus, Muscus catharticus, Isländisch Moos, Lungenmoos,
Haideflechte, Kramperltee, Tartschenflechte — lichene ou mousse d'Islande (franz.)
— iceland moss (engl.) — lichene Lslandico (ital.) — ijslandsmos (holl.) — islannin
jäkälä (fin.) — izlandizuzmo (ung.) — XtLyi]v o iölavöixöq (n.-griech.).
Etym. Isländisch Moos, obwohl weder ein Moos noch aus Island exportiert (kommt aber
in Island vor). Mos, mossa (mosi, mus) ist der skandinavische Ausdruck für alle laubigen Kryp-
togamen, nicht nur für die Moose (Jenssen-Tusch, Nordiske Plantenavne. Kopenhagen 1867).
Stammpflanze. Cetraria islandica Acharius Method. 293 (Liehen islan-
dicus L. [Flor. suec. 1085, Spec. pl. 161 1], Physcia islandica P. De, Parmelia
islandica Sprengel, Lobaria islandica Hoffm.). Bisweilen werden var. crispa Ach.
mit schmalen, verbogen-krausen Thalluslappen, var. siiblubulosa Fr. durch zusammen-
geneigte Thallusränder röhrig und var. platyna Ach. mit breitem, flachem Thallus
unterschieden. Auch andere Varietäten sind bekannt.
Systemat. Stellung. Eichenes. Ascolichenes — Parmeliaceae.
Etym. Cetraria ist aus cetra, dem kleinen, leichten, runden Lederschild des römischen
Fußvolkes, gebildet und spielt auf die runden schildförmigen Apothecien an.
Beschreibung. Cetraria islandica gehört zu den heteromeren, gymnocarpen Strauch-
flechten ('Thamnoblasti). Es handelt sich hier um eine eigenartige Symbiose vom Charakter
eines parasitären Konsortiums zwischen einem Discomyceten und einer Palmellacee (s.
unten). Der krause, aufrechte, strauchige Thallus (Thallom, Lager, Laub) ist mittelst
kurzer, fadenförmiger Rhizoiden (Rhizinen) am Boden befestigt. Er ist blattartig, vielfach
gelappt, aufrecht bis aufsteigend (Fig. 92), beiderseits berindet und kahl, bis 10 cm hoch.
Bisweilen sind mehrere Individuen miteinander verwachsen oder verklebt. Am Grunde
Liehen islandicus.
265
ist der Thallus \erschmälert, rinnenförmig oder fast röhrenförmig und dort oft rötlich
gefärbt. Nach oben verbreitert er sich und ist dort wiederholt gabelig oder unregel-
mäßig gelappt. Im frischen Zustande ist der Thallus häutig-lederig, auf der dem
.(U V
Fig. 92.
Cetraria islandica. [Aus Luerssen, Med. pharm. Bot.]
Lichte zugewendeten Seite olivengrün, auf der anderen blaß grün-weißlich oder grau-
weißlich mit weißen, oft grubigen Flecken. Getrocknet ist der Thallus knorpelig,
oberseits grünlich-braun, unterseits hell bis weiß. Am Rande zeigt t « j
der Thallus zahlreiche lange, bisweilen gegabelte, im Querschnitt rund- \ \ I
liehe Fransen, die an ihrer Spitze je ein Spermogonium tragen, ^ I ^\^
in dem sich zahlreiche, stäbchenförmige Spermatien befinden, die bis- ^ ' ''i >
weilen durch die terminale Öffnung ausgetreten sind und sich dort '> ^'' \ "
bisweilen als ein kleines Häufchen angesammelt haben (Fig. 93). Apo-
thecien finden sich in der Droge selten. Ich habe ganze Zentner
von Isländisch Moos durchsucht ohne eins zu finden. (Die im Handel
vorkommende Form Cetraria island. var. crispa Ach. ist stets unfrucht-
bar, Krasser). Sie sitzen einzeln oder zu zweit am Ende der Thallus-
lappen, der Oberseite schief angewachsen. Sie messen bis i cm in
der Breite, sind rundlich oder oval und schildförmig (daher Cetraria,
s. oben), frisch grünbraun, trocken bisweilen kastanienbraun. Sie be-
sitzen einen niedrigen, bisweilen gekerbten Rand.
Lit. Cramer, Diss. de Lichene Islandico Erlang. 1780. — Olafsen,
Reise durch Island I, 85. — Abbild, bei Nees von Esenbeck, Plant, med.
t. 10, Berg'-Schmidt, Alias t. 159, Bentley-Trimen, Medio, plants t. 302
und Luerssen, Mediz. pharm. Bot. Ältere: Plenck, Icon. t. 744, Dill, Hist.
musc. t. 28, Fig. III, Flor. Dan. t. 155 u. and.
Vorkommen. Die über die gemäßigte und kalte Zone beider
Cetraria islandica.
Hemisphären verbreitete Flechte findet sich nur auf der Erde zwi- spermogonien, die
sehen Moos, Gras und Heidekraut, im Norden in der Ebene, im ge- Spematien entlassend.
f,, ^ . [Aus Luerssen,
mäßigten Klima meist in lichten Gebirgswäldem. Häufig in Europa, Asien Med pharm. Bot.]
Fig. 93-
2()0 Lichenino-Merabranindrogen.
(Sibirien), im arktischen Amerika und weiter südlich bis Virginien und Nord-Carolina.
In Skandinavien steigt sie bis zum Meeresstrande herab, in den Alpen bis 3260 m
(Monte Rosa), ja über 3454 m (Schröter), also weit über die Baumgrenze empor.
Pathologie. Prof. Ed. Fischer berichtet über die Parasiten: Auf dem Thallus von
Cetraria islandica können sich parasitische Ascomyceten ansiedeln, unter denen besonders der
Discomycet Abrothallus Parmcliarum (Sommerk.) Nyl. zu nennen ist: Die Fruchlkörper des-
selben sind zuerst in die Marlcsubstanz der Flechte eingesenkt und bewirken blasige Wuche-
rungen des Thallus, später brechen sie als rundliche schwarze Fruchtscheiben hervor (siehe
H. Rehm, Discomyceten in Rabenhorsts Kryptogamenflora. Pilze, Abt. III, p. 359). Außer-
dem wird (in Saccardo Sylloge) auch der Discomycet Scuttila oxyspora Karst, und der Pyre-
nomycet Sphaerulina cetraricola (Nyl.) Karst, als auf Cetraria vorkommend angegeben.
Einsammlung und Handel. Die Flechte wird im Harz, Fichtelgebirge und
Riesengebirge, in Niederösterreich, auf dem Schneeberg und der Rax, in den Vor-
alpen (Kant. Bern und Luzern, I, S. 98), in Tirol, Frankreich, Skandinavien und
Spanien, sowie in Nordamerika gesammelt. Island scheint nichts zu liefern, jedenfalls
nicht regelmäßig zu verschiflfen (Wicht).
Liehen islandieus wird in gepreßten Ballen a 120 kg gehandelt.
Lit. WiGHT, Pharm. Journ. 17 (1887), 689. — Pharmacographia.
Anatomie. Der bis 0,5 mm dicke Thallus zeigt drei Schichten: die Rand-
schicht, die Mittelschicht und die Markschicht. Die Randschicht besteht aus einem
lückenlosen pseudoparenchymatischen Gewebe dicht miteinander verflochtener, dick-
wandiger, kurzer Hyphen (Paraplectenchym, Lindau), deren Wände sich mit Jod
nicht oder nur schwach blau färben. Die Mittelschicht besteht aus einer sehr ver-
schieden dicken Schicht, vorwiegend parallel der Oberfläche gestreckter Hyphen mit
dicker Wand und engem Lumen. Sie ist es in erster Linie, die sich mit Jod direkt
blau färbt und beim Kochen mit Wasser sich löst bzw. in eine Gallerte übergeführt
wird. Die Färbung mit Jod, die stets nur an den Wänden auftritt, bleibt auch bei
alter Droge nur selten aus, wenn man den Schnitt in Jod-Jodkaliumlösung einlegt
und dann mit Wasser auswäscht. Die Mittelschicht ist also die eigentümliche Lichenin-
schicht. Die innerste oder Markschicht besteht aus locker verschlungenen Hyphen
(Plectenchym, Lindau), die reichlich Luft zwischen sich lassen, daher meist erst
dann deutlich werden, wenn man zum Schnitte Alkohol zutreten läßt. Die Hyphen-
wände färben sich in dieser Schicht nicht mit Jod. Nur die äußersten Schichten
zeigen bisweilen schwache Färbung. Zwischen den Hyphen dieser Markschicht
liegen, meist der Mittelschicht genähert, die Gonidien, die Algenzellen des Flechten-
thallus. Die c. 10 — 12 mik breiten, rundlichen, bisweilen in Teilung begi'iffenen
Gonidienzellen sind bei der lebenden Flechte grün und enthalten ein fast hohlkugel-
förmiges Chromatophor, das ein Pyrenoid einschließt, bei der Droge sind sie bräun-
lichgrün. Sie sind der einzige chlorophyllhaltige Bestandteil der Flechte. Sie sind in
größerer Zahl an der morphologischen Oberseite (Lichtseite) des Thallus zu finden,
der demnach auch stärker gefärbt erscheint, doch finden sich auch der Unterseite
(Schattenseite) genähert stets eine Anzahl Gonidien. Die Verteilung verleiht dem
Cetraria \}l\2\\m% den Charakter eines heteromeren Flechtenthallus (bei den homöomeren
sind die Gonidien über den ganzen Thallus verteilt). Die Gonidien gehören zu der
Protococcaceen- (Palmellaceen -Gattung), Chloroeoecum humicola [Cystocoeeiis liumieola
Naeg.), die auch freilebend auf Baumstämmen und andere Flechten bildend bekannt
ist. In den blasigen weißen Flecken, welche der Unterseite ein so charakteristisches
Liehen islandicus. 207
Aussehn verleihen, finden sich luftreiche Wucherungen des Markes, die die Rinden-
schichten blasig hervorwölben und schließlich sogar aufsprengen, so daß das Mark
da und dort zutage tritt. Da das hervortretende Hvphengewebe Gonidien mitnimmt,
haben wir diese Bildungen als Soredien anzusehen. Die abgeschnürten Knäuel
bilden die ungeschlechtliche Fortpflanzungsform der Flechte. (Es sind nicht Cetrarin-
ablagerungen wie Knop meinte.)
Die Spermogonien bilden ovale Höhlungen an der Spitze der Randfransen.
Sie sind ausgekleidet mit einer dichten Schicht gegliederter schwach verästelter zarter
Hyphen, die in Basidien auslaufen, welche die stäbchenförmigen, c. 6 mik langen
Spermatien (s. oben) abschnüren. Früher hielt man die Sperraatien für die männ-
lichen Organe. Jetzt weiß man nur, daß ihnen diese Bedeutung nicht zukommt. Viel-
leicht sind die Spermogonien funktionslos gewordene (männliche?) Organe. Die Sper-
matien vermögen auszutreiben und ein neues Mycel zu erzeugen.
Die Apothecien zeigen ein stark entwickeltes Hymenium mit zahlreichen
Ascis. Der flechtenbildende Pilz, der sich zu einer bestimmten Gattung nicht stellen
läßt, ist ein Discomycet. Die keulenförmigen Asci mit 6 — 8 ovalen Ascosporen
werden von den Paraphysen überragt. Die Wand der Asci, bisweilen auch die der
Hyphen des Hypotheciums, färben sich mit Jod blau (enthalten also auch Lichenin),
die Paraphysen gelb oder gelbbräunlich.
Lit. Payen, Compt. rend. 1837, 145. — Perkira, Heilmittellehre. — Vogel a. a. O.
— Knop, Chem. Zentralbl, 1872, 173. — Lüerssen, Med. pharm. Botan. I, 223. Abbild, auch
in OUDEMANS Atlas 1854 (erste anatom. Abbild.), Berg, Anatom. Atlas t. II, 4 und HÄRAIL-
BONiN'ET, Manipulat. t. 36. — Stahl, Eeitr. z. Entwicklungsgesch. d. Flechten. Leipzig 1877.
— TscHiRCH, Artikel Liehen islandicus in Realenzykl. d. Pharmac.
Chemie. Isländisch Moos enthält eine gallertebildende Substanz und einen
Bitterstoff, der sich durch Extraktion mit schwachen Alkalicarbonatlösungen entfernen
läßt (L. i. ab amaritate liberatus). «Man hat es daher in der Hand, aus der Droge
ein Amarum purum, ein Amarum mucilaginosum oder (aus der entbitterten Droge)
ein Nutriens mucilaginosum darzustellen ■ (Jos. Moeller, iqo6).
Den Gallerte bildenden Stoff isolierte bereits Ebeling (1779), Gramer
(1780) und Proust, sowie Pfaff (1808) in unreiner Form und Proust erkannte
schon seine Eigenart. Pfaff bemerkt, daß der Cetrariaschleim, von dem er 33 *'j^
erhielt, am meisten mit der Stärke übereinkomme, obwohl er die Jodreaktion noch
nicht kennen konnte, da das Jod noch gar nicht entdeckt war. John scheint ihn
1821 für Inulin gehalten zu haben. Berzelius, der (neben 36,2 "Jq stärkeartigem
Skelett) 44,6 "Iq Gummi und Moosstärke (laf stärkeise) erhielt, nannte den Stoff, der
die Gallerte liefert, zunächst Moosstärke, dann Lichenin oder Flechtenstärke.
Payen glaubte mit Jod sich bläuende Körnchen zu sehen, aber bereits Pereira fand
keine stärkeähnliche Körner und so scheint bereits ihm klar gewesen zu sein, daß
es hier die Membran ist, die sich mit Jod bläut. Lichenin ist nur in den Membranen
enthalten (Tschirch), nicht, wie Knop und Schnedermann meinten, im Inhalt und
zwischen den H\'phen. Die Wände der H\phen von Ce/raria islandica scheinen kein
Chitin zu enthalten (Escombe, Wester). Hoppe Seyler und Tanret hatten es
als darin vorkommend angegeben. Th. Berg fand 1872, daß das Lichenin aus
zwei Isomeren der Formel C^HjqOj besteht. Er nennt den in kalten Wasser lös-
lichen, aber nicht durch kaltes Wasser aus der Flechte ausziehbaren jodbläuenden
Stoff, der 10 — iIjS^Io der Flechte beträgt, «wahre Flechtenstärke» — jetzt (nach
2 58 Lichenino-Membranindrogen.
Flückigers Vorschlag) als Dextrolichenin bezeichnet — , den in kaltem Wasser
unlöslichen, durch Jod nicht gebläuten, der 20 "Iq ausmacht, Lichenin. Der letztere
scheidet sich aus der Abkochung der Flechte beim Erkalten als Gallerte ab. Berg gab
beiden die Formel (C(;Hj(,05)n . Die Hydrolyse mit Mineralsäuren lieferte ihm aus
beiden gärungsfiihigen Zucker. Diastatische Fermente verzuckern nicht. Lichenin (s.
oben, S. 263) bildet eine Gallerte, aber keinen bindenden Kleister. Es liefert mit
Salpetersäure Oxalsäure (nicht Schleimsäure). Das durch Auskochen mit Wasser,
Fällen mit Alkohol usw. gewonnene Lichenin ist optisch inaktiv und liefert bei der
Hydrolyse mit verd. Schwefelsäure d-Glukose. Die Kohlehydrate der Cetraria islandica
betragen im ganzen 80 ^\^. Sie bestehen etwa zur Hälfte aus dem in heißem Wasser
löslichen Lichenin. Die in Wasser unlöslichen Kohlehydrate sind Hemizellulosen,
die Dextrane, Mannane und Galaktane und etwa 3 "1^ Pentosane, sowie ein wenig
echte Zellulose (?) enthalten. Werden nämlich die wasserlöslichen Kohlehydrate durch
Auskochen entfernt, so bleibt ein Rückstand, der bei der Hydrolyse viel d-Glukose
und daneben weniger d-Mannose und d-Galaktose und etwas Pentosen und Methyl-
pentosen liefert (Ulander und Tollens). Selbst durch anhaltendes Kochen ist man
aber nicht imstande, dem unlöslichen Rückstande ganz die Eigenschaft zu nehmen,
sich durch Jod blau zu färben (Pereira). Entbittertes, d. h. von der Cetrarsäure
befreites Island. Moos, enthält: N-freie Extraktivstoffe, Lichenin usw. 79,2 "Jq, N-
haltige StofTe 2,81"/,), Rohfett 0,4 ö|o, Rohfaser 4,6*15, Asche 6,99 "j^ (Hansteen).
Zu Brot verbacken wurden 50 "/g der Flechtenkohlehydrate vom Körper resorbiert
und verbrannt. Poulson empfiehlt es als Nahrungsmittel für Diabetiker. Es gelingt,
bis 70 "Iq gallerfbildende StofTe aus Cetraria islandica durch Auskochen darzustellen,
die im Verhältnis 1:20 eine steife Gallerte bilden (Flückiger).
Bereits John erkannte (1821) den Bitterstoff als einen eigentümlichen Be-
standteil. Berzelius und besonders Rigatelli stellten die Substanz dann dar und
einige Zeit spielte «RiGATELLisSalz» (unreines Cetrarin) als Fiebermittel in Italien eine
Rolle. Herberger isolierte den BitterstofT (1837) in reinerer Form und nannte ihn
Cetrarin (Moosbitter). Diese Forscher benutzten Alkohol als Extraktionsmittel. Doch
wußte bereits Berzelius, daß man Isländisch Moos mit Pottasche entbittern kann.
Schnedermann und Knop, die sich eben.so wie Payen der Alkalien zur Extraktion
bedienten, erhielten (1845) das Cetrarin kristallinisch in Form intensiv bitter schmecken-
der Nadeln, erkannten seine Säurenatur und nannten es Cetrarsäure. Sie gaben
ihm die Formel C34H32O15 (resp. Cj^Hj^Og); Hilger und Buchner formulierten
CgflHgQOjj. Cetrarsäure, nach Simon: Cj^Hj^O,,, ist zu etwa 2 — 3"/^ (nach Simon sicher)
in der Flechte vorgebildet enthalten neben Fumarsäure (Simon) und Protocetrar-
säure (Hesse). Cetrarsäure reduziert Fehlingsche Lösung in der Wärme, löst sich sehr
wenig in siedendem Wasser, leicht in Alkalien und Alkalikarbonaten. Auch die Salze
schmecken sehr bitter. Wird die Lösung in alkoholischer Salzsäure einige Stunden
gekocht, so färbt sie sich erst gelb, dann grünlich, rötlich fluoreszierend, violettrot
und endlich blau (Simon), eine sehr charakteristische Reaktion. Bei der Spaltung mit
Natronlauge und Zinkstaub entsteht Orcin( Zopf) und i,2-Dimethylphendiol-3,5 (Simon):
CH3
CHg/Vn
Oh'1 JOH
H
Liehen islandicus. 200
Cetrarsäure ist nach Simon methoxylhaltig und enthält wohl neben einem Carbonyl
ein Carboxyl und ein Hydroxyl, jedenfalls zwei durch Metalle vertretbare Wasser-
stoffatome. Sie ist vielleicht der Methyläther von Hesses Protocetrarsäure. Hesse be-
trachtete sie früher fälschlich als Triäthylprotocetrarsäure (C54Hg^024(OC2H5)g). Zopf
und Hesse sind entgegen der oben vertretenen Auffassung der Ansicht, daß Cetrar-
säure in der Flechte nicht vorgebildet ist, sondern erst aus der Fumar-Protocetrar-
säure bei der Extraktion entsteht. Diese Ansicht teilt Simon nicht. Die blaugrüne bis
blaue Färbung durch Salzsäure-Alkohol (s. oben) kommt außer der Cetrarsäure auch
anderen Flechtensäuren, wie der Protocetrarsäure, Ramalinsäure (wohl identisch mit
Protocetrarsäure), Kullensissäure, Caprarsäure und Physodalsäure zu, die alle ebenfalls
bitter schmecken (vgl. Zopf, Die Flechtenstoffe). Auch Protocetrarsäure (CjgHj^Og
oder CjgHigOt,) und Fumarprotocetrarsäure (Cetrarsäure Zopf ^ 2 (CjH^O^) .
Q4H42O27) werden als vorgebildete Bestandteile der Cetraria islandica angegeben (Zopf,
Hesse, Simon).
Bereits Berzelius gab an, eine Lichensäure in der Flechte gefunden zu haben
(an Kalk und Kali gebunden). Später strich er diese wieder und erklärte sie, als
Fumarsäure gefunden wurde, mit dieser identisch. (Pfaffs Flechtensäure ist von
DEMAK(pA"X und Schröder als Fumarsäure erkannt worden). Vielleicht hatte er aber
die Lichesterinsäure in Händen, die zuerst von Schnedermann und Knop in
Kristallen in einer Ausbeute von i "Jq isoliert worden war. Sie gaben ihr die Formel
CjgHjjOg (Strecker: Ci4H2 40g, Hilger und Buchner: C^gHjgOjg, O. Hesse:
Cj7H2sO^, später CjgHgoOä, noch später Cj^Hg^O^), die dann Sinnhold in C19H32O4
umwandelte, welche Formel R. Böhme adoptierte und in :
COOH
I
Ci^H,-— CH— CH^— CH— CO
I I
auflöste. Diese Lichesterinsäure soll aber in Cetraria islandica nicht vorgebildet sein
(Zopf, Hesse). Zopf und O. Hesse isolierten nämlich als angeblich wahre Bestand-
teile Proto-a-Lichesterinsäure CijHgoOä, F. 106 — 107 und Proto-Lichesterin-
säure (CjgHgjO^ Zopf oder CjgHgjO^ Hesse). Wohl isomer mit letzterer ist die oben
erwähnte Lichesterinsäure, die aber, wie gesagt, in der Flechte nicht vorgebildet
sein, sondern erst beim Kochen mit Alkohol aus der Protolichesterinsäure entstehen
soll. Auch «-Lichesterinsäure (Cj^Hg^iOj) soll in der Flechte nicht vorgebildet sein,
sondern aus der Proto-ß-Lichesterinsäure beim Kochen mit Alkohol entstehen. R. Böhme
ist jedoch der Ansicht, daß es nur eine Lichesterinsäure (F = 124 — 125°) gibt.
Seine Lichesterinsäure gab beim Kochen mit Alkali Lichesterylsäure (Sinnhold):
CijH.,;— CH— CH.,— CH.,— COOH
'I
OH
und beim Behandeln mit Jodwasserstoff und Reduktion .^-Iso-Stearinsäure (CjgHggO,,)
und einen gesättigten Kohlenwasserstoff. Hilger und Buchner erhielten bei der
Oxydation Caprinsäure. Ferner ist in einer Varietät der Cetraria islandica eine Para-
lichesterinsäure (C2oHg405) in sehr kleiner Menge gefunden worden (Hesse). Was
Hesse als ß- und ^-Lichesterinsäure beschrieb, muß (nach Hesse) gestrichen werden;
ebenso Hesses Dilichesterinsäure. Cetraria islandica aus Vorarlberg enthielt 0,62 "ig
2 y o Lichenino-Menihranindrogen.
Proto-«-Lichesterinsäure; die Flechte aus Tirol ein Gemisch dieser Säure mit Proto-
lichesterinsiiure. Regelmäßig war bei Exemplaren verschiedenster Provenienz Cetrar-
säure vorhanden. Cetraria islandica erzeugt Fumarprotocetrarsäure wie Protoliche-
sterinsäure sowohl in Mitteldeutschland wie in Süddeutschland und den Alpen, auf
Kalk sowohl wie auf Urgestein (Zopf).
Ferner werden Oxalsäure und Weinsäure (?) angegeben (Pharmacographia).
Bereits Berzelius fand Blattgrün in der Flechte. Obwohl Knop und Schneder-
MANN angeben, daß ihr Thallochlor vom Chlorophyll abweiche, ist es doch
wohl nichts anderes. Die Unterschiede rühren von Verunreinigungen her. Mit ge-
spanntem Wasserdampf destilliert gibt Cetraria islandica 0,051 "jg ätherisches Öl,
das beim Stehen Kristalle abscheidet, bald rechlsdrehend, bald inaktiv ist und ein
spezifisches Gewicht von 0,8765 besitzt (Haensel). Der Aschengehalt beträgt i bis
2 "Iq (nach Hauke i — i,4*'/o). Wittstein verglich die Asche der Cetraria mit der
Zusammensetzung des Bodens, auf dem sie wuchs. Er fand in der Asche 43,2 "/q
Kieselsäure, 13,2 "/j Kali und 13,7 "/o Kalkerde. Sie enthält auch 4 "1^ Aluminium.
In der lufttrockenen Flechte findet sich 0,0198 "/q Eisen (in der frischen: o,oi76''|q).
Sie enthält also mehr Eisen als z. B. Spinat (Baldoni).
Lit. Ältere Analysen von Proust, Ebeling, Gramer, Trommsdorff, Grell (vgl.
Murray, Appar. medic. 1790, V, 499, und Schwartze, Pharmakolog. Tabellen 1819). — Pfaff,
Syst. d. Mat. med. 1808, II, 75. — John, ehem. Schriften 5 (1821), S. 41. — Berzelius,
Schweig. Journ. 7 (1813), 342 (Analyse abgedruckt in Lehrb. d. Chemie 1838, VII, 446). —
Guerin-Varry, Ann. Ghem. Phys. 56. — Muluer, Journ. prakt. Chem. 15 und Lieb. Ann. 28,
279. — Payen, Ann. sc. nat. (bot.) 14. — Pereira, Heilmittellehre (d. von Buchheim). —
Davidsohn, Journ. pr. Chem. 20. — Schmidt, Lieb. Ann. 51. — Maschke, Journ. pr. Ghem.
61. — Herberger, Über d. Bitterstoff d. Island. Flechte (Cetrarin, Moosbitter), Buchn. Rep.
36 (1830), 226 u. 56 (1836), 273. Über das Cetrarin, Lieb. Ann. 21 (1837), 137. — Schneder-
mann und Knop, Lieb. Ann. 54, 143 und 51J (1845), 144 (Jahresber. d. Pharm. 1845, '3)- —
Stenberg, Oefvers. Akad. Forh. 1868. Pharm. Jahresb. 1868, 31. — Th. Berg, Zur Kenntnis
des in Cetraria islandica vorkommenden Lichenins u. jodbläuenden Stoffes. Diss. Dorpat 1872
und Pharm. Zeitschr. f. Rußl. XII (1873), 129; Journ. pr. Chem. 1873, 848; Ref. in Pharm.
Jahresb. 1873, 19. — Wittstein, Schweiz. Zeitschr. f. Pharm. VII (1862), 237. — Weigelt,
Journ. pr. Chem. 1869, 106 u. 193. — BiLLKY, Lieb. Ann. 86. — Flückiger, Arch. Pharm.
196 (1871), 14. — Stenberg und Klason, Ber. d. d. chem. Ges. (19) 1886, 2541. — Errera,
Dissert. Brüssel 1882. — Bauer, Arch. Pharm. 224 (1886), 803. — Honig u. Schubert,
Monatsh. f. Chem. 8 (1887), 452. — Hilger u. Buchner, Chem. Charakt. d. Bestandt. d. Island.
Mooses. Ber. d. d. chem. Ges. 23 (i8go), 461. — Sinnhold, Lichesterinsäure. Arch. Pharm. 236
{1898), 504. — O. Hesse, Journ. pr. Chem. 57 u. 58 (1898), 62 (1900), 68 (1903), 70 (1904),
73 (1906), 113; 76 (1907) I. — Zopf, Lieb. Ann. 300, 323 u. 324 (1902). — Guesdon,
Liehen d'Islande. Journ. pharm. 1901, 373. — TSCHIRCH, Artikel Liehen islandicus und Cetraria
in Realenzykl. d. Ges. Pharm. VI, 286. — Simon, Ceirarsäure. Arch. d. Pharm. 240 (1902),
521 und 244 (1906), 459. ■ — R. BÖHME, Lichesterinsäure. Arch. Pharm. 241 (1903), i. —
Hansel, Bericht 1903. — Hansteen, Chem. Zeit. 30 (1906), 638. — Ulander und Tollens,
Ber. d. d. chem. Ges. 39 (1906), 401. — Poulson (Nord. Tidskr. of terapi 1908). Pharm.
Zentralh. 1908, 208. — Zopf, Die Flechtenstoffe. Jena 1907. — Hauke, Aschengehalte. Wien 1902.
— Baldoni, Arch. exp. Path. 52 (1904).
Geruch und Geschmack. Getrocknetes Isländisch Moos riecht sehr eigenartig
(Flechtengeruch!) und schmeckt fade, bitter-schleimig.
Prüfung. Cetraria islandica darf nicht fremde Pflanzenteile (Moose, Coniferen-
nadeln, andere Flechten) enthalten. Diese sind, wenn vorhanden, durch Auslesen zu
entfernen.
Anwendung. Isländisch Moos wird als Tonicum, Stromachicum , bei Lungen-
Liehen islandicus. 2 71
leiden und bei Chlorose empfohlen (s. S. 272). Offenbar ist die Cetrarsäure (Cetrarin)
an der tonischen Wirkung des Liehen islandieus beteiligt (Husemann, das Cetrarin
prüfte auch Köhler und Ramm). Cetrarsäure ist auch ein mildes Laxans, das die
Peristaltik reizt. Sie wurde neuerdings auch als Mittel gegen die Seekrankheit emp-
fohlen. Die alkoholische, Cetrarsäure enthaltende Tinktur besitzt jedenfalls antieme-
tische Eigenschaften (Deguy und Brissemoret, Guesdon, Gigon). Lichesterinsäure
und Protolichesterinsäure besitzen hämolytische Wirkung (Kobert). Am meisten hat
sich aber die sog. Isländisch-Moos-Pasta (Engelhardt), eine aus entbittertem Isländisch
Moos dargestellte Gelatine, als den Hustenreiz milderndes Mittel eingebürgert.
In Island, wie überhaupt in der arktischen Zone, soll Cetraria islandiea noch
jetzt als Nahrungsmittel, zu Brot verbacken, oder als Gemüse von der ärmeren Be-
völkerung benutzt werden. Jedenfalls ist sie ein gutes Renntierfutter. Für Zeiten
der Not empfahl es Zimmermann 1Ö17, Bouchardat 1842 entbittertes Liehen
islandicus als Nahrungsmittel. Auch neuerdings empfiehlt Hansteen mit Alkalicarbo-
naten entbitterte Cetraria islandiea gemahlen als Volksnahrungsmittel. Sie enthält ja
79,2 °/q Lichenin u. and. stickstofffreie E.xtraktivstoffe (Cetraria nivalis sogar 90,2 "/q
stickstofffreie Extraktstoffe). Längere Zeit im Kochen erhaltenes Dekokt von Lieh,
islandicus soll seine Bitterkeit verlieren (?). Durch Tierkohle verliert es nicht nur seine
Bitterkeit, sondern auch seine Eigenschaft zu gelatinieren (Peretti).
Cetraria islandiea liefert bei der Säurehydrolyse bis 70, ja sogar 72 "|q der
lufttrockenen Substanz gärungsfähigen Zucker. Der Sirup besitzt aber einen unange-
nehmen Geschmack. Der daraus dargestellte Alkohol riecht angenehm (Stenberg), Auf
die Tatsache, daß aus Cetraria Zucker gewonnen werden kann, haben Stenberg
und Müller den Vorschlag gegründet, diese Flechte (und die Renntierfiechte) , in
Gegenden wo sie häufig sind, zur Alkoholgewinnung heranzuziehen. Cetraria islandiea
und andere Flechten [Cladonia rangiferina) werden denn auch zur Darstellung von
Alkohol benutzt. Doch soll nicht viel dabei herauskommen (Schübeler). Ähnliche
Versuche sind in Finland, Petersburg und Archangel gemacht worden (Feltckiger).
Lit. FoRTUNATOFF, Arbeit, pharm. Instit. Dorpat 1890. — Guesdon, Le Liehen d'lslande.
Thfese Paris 1901, Journ. de pharm. 1901 (14), 373. — Deguy und Brissemoret, Journ. des
praetieiens 1897. Rep. Pharm. IX, 461. — Pharm. Journ. 1897, 378. — GiGON, Mereks Ber.
1905, 50. — Tapie, Essai sur le Liehen d'lslande (Sep. Abdr.). — BoucH.'iRDAT, Bull. gen.
de Therap. 1842, 42. — Dragendorff, Heilpflanzen. — Husemann-Hilger, Pflanzenstoffe. —
KÖHLER, Prager Vierteljahrssehr. 120, 49, 1873. — Rigatelli, Gazz. eelett. 1835 und Pharm.
Zentralbl. 1835, 858. — Ramm, Bittermittel in Kobert Studien 11, 1890. — K.J.Zimmermann,
Über d. isländ. Fleehte, als Nahrungsmittel zur Zeit des Mangels und der Not usw. Bamberg
1817. — Vgl. auch SCHWEiGGERS Journ. d. Chem. VII, 317. — Hansteen, Nord. Fleeht. als
Nahrungsm. Chem. Zeit. 1905, 1286 und 1906, 30, 638. — Stenberg, Jahresb. d. Pharm. 1868
u. 1869. — Peretti, Jahresb. d. Pharm. 1843, 88. — Schübeler, Pflanzenwelt Norwegens 1873.
Arch. d. Pharm. 1872,243. — Über die Renniierfleehle und eßbare Flechten vgl. auch Kr.vsser
in "Wiesner, Ruhstoff'e, II. Aufl. — Über eßbare Flechten vgl. auch Senft, Über einige
in Japan verwendete vegetabil. Nahrungsm. usw. Pharm. Pra.xis 1906 u. 1907. Über giftige
Flechten: Kobert, Lehrb. d. Into.\ikationen.
Geschichte. Den Alten war das isländische Moos unbekannt. Das, was Dioskurides
Af(//;v, das einige ßQvov nennen (IV. Kap. 53) nennt, ist nach Sprengel /V/;/>c/-a canina oder
P, aphthosa, nach Fraas Lecanora Parelta und des Plinius (XXVI, 10) Liehen ist wohl
Marchantia polymorpha, die gleiche Pflanze, die auch FuCHS unter Liehen abbildet. Ob sich
unter einem Musciis terrestris oder Liehen von Bauhins Pinax (I, S. 855), worunter auch Lyco-
podium inbegriffen ist. Liehen islandicus verbirgt, ist schwer zu sagen. Ebensowenig vermag
ich in einer der in der Pharmacia des CoRBEius (1656) abgehandelten Muscus&x\.&-a das islän-
, - , Ijchenino-Menibranindrogen.
dische Moos mit Bestimmtheit zu erkennen. Das, was Geoffroy (Tractatus 1742, vgl. I, S. 946)
unter Liehen abhandelt und von dem er eine Analyse mitteilt, war es keinesfalls. Krempel-
HUBKR ist der Ansicht, daß sich die folgende Stelle in des Valerius Cordus Sylva, in der
CoRDUS seine Reise nach Schwaben und Böhmen (1542) beschreibt, 3.u( Cetraria bezieht: «Muscus
quidam, Crispe lactuce similis, minor et per ambitus leniter aculeatus, cespite latiusculo diffusus,
nascitur in Taedacea sylva inter Suetachiam et Lauft'am.» Vielleicht ist auch das Liehen in der
Pharmakopoee von Bergamo 1^1580) isländisch Moos (Flockiger) sowie das Liehen der Cordus-
Liste (I, S. 800). Eine Abbildung des J/nsciis Eryngü folio findet sich in Breynes Miscellanea usw.
Nat. Curiosor. III (1672), Nr. 289. Die Namen Liehen terrestris foliis Eryngii (ßvsM.), Lichenoides
rigidum Eryngii folia referens (Dillen.) finden sich auch anderwärts. In Valentinis Museum
(I, S. 912) ist die Beschreibung des Liehen, den er ganz richtig zwischen die Lungenflechte
und das Lycopodiiim einreiht, konfus, und die beigegebenen Abbildungen betreffen Mandragora,
mit der er es verwechselt. Bei Pomet fehlt Licit. islandicus. Muscus latifolius id est pulmonaria
(Lungenkraut) in der Brandenburgischen Taxe 1574 ist wohl die Lungenflechte. Denn Liehen islan-
dicus hieß Liehen pulmonarius minor angustifolius spinis tenuissimis ad margines ornatus (Mich. Gen.
83 t. 44 f. 4; auch Bartholini sagt: «Costis hinc inde spinosis horridulus»). Der Liehen terre-
stris einereiis, den Mead 1703 gegen Hundswut empfahl, ist wohl ebenfalls eine andere Flechte.
Dagegen ist der Muscus earthaticii-s islandicus des Copenhagener Catalogus 1672 (I, S. 826)
Isländisch Moos. Denn 1671 wurde L. i. von Borrichius als Abführmittel empfohlen (in Bar-
THOLINI Act. med. Hafn. 1, 1671, 126). Die medizinischen Eigenschaften waren zuerst den Is-
ländern bekannt. «Ab Islandis primam virtutis medicae notitiam profectam esse probabile est,
qui ipsi in phthisi aliisque quibusdara pectoris morbis lichenem magni faciunt» (Olafsen bei
Murray). Auch HiArke, Scopoli und Schoenheyder empfehlen sie gegen Phthise (und Hämo-
ptysis). LiNNfi, der die Pflanze Liehen islandicus taufte (Bartholini nannte sie Museies islandicus
purgans), empfahl (1737) ihre Anwendung warm. Er bezeichnet sie in seiner Materia medica
als farinacea, eccoprotica, nutriens, hectica, und auch Bergius, der der Droge ein Kapitel in
seiner Materia medica 1782 widmet, nennt sie eccoprotica, obwohl Olafsen die purgierende
Wirkung in Abrede stellte. Ende des XVIII. Jahrh. war Z. /. als Medikament hochgeschätzt.
Murrav sagt im Apparatus medicaminum (I, S. 952): «inter praestantissima igitur hodie medi-
camina splendet» und bespricht eingehend die Anwendung (a. a. O. V, p. 499). Siehe auch das
bekannte Gedicht Freiligraths. Die ersten Analysen sind von HlÄRNE und FucHS. Unreines
Cetrarin wurde bereits 1835 Yon Rigatelli unter dem Namen «Salino antifebbrile» und «Liche-
nino amarissimo» gegen Wechselfieber usw. empfohlen (vgl. oben S. 268).
Der beim Kochen entstehende Schleim von Flechten der Art der C. i. scheint auch zur
Appretur frühmittelalterlicher Papiere benutzt worden zu sein (Kobert).
Daß Liehen Island, als Nahrungsmittel (s. oben) brauchbar ist, berichtete schon BORRICHIUS
(vgl. auch Troils, Resa til Island). Kapitän John Franklin und seine Begleiter benutzten es,
als sie in Amerika aller übrigen Nahrungsmittel beraubt waren, als solches (Narrative of a
journey to the shores of the polar sea 1823). In der Krain wurden Schweine, Pferde and Ochsen
damit gefüttert (Murray).
Im XVIII. Jahrh. scheint Cetraria islandica auch als Färbeflechte benutzt worden zu
sein (Westrjng 1805).
Lit. A. von KrEMPelhuber, Geschichte u. Literat, d. Lichenologie I (1867), 13, 502.
— FlückiGer, Pharmakognosie III und Arch. d. Pharm. 226 (1888), 1020. — Schübeler,
Viridarium norvegicum 1885. — Joh. Th. Ph. Ch. Ebeling, Diss. de Quassia et Lichene Islan-
dico. Glasgow 1779. — Trommsdorff, Diss. de Lieh. Island. — Borrichius in Bartholini,
Act. med. et phil. Hafn. 1671 (1674) I, 126. — HlÄRNE, Vet. Acad. Handl. 1744, 176. —
Fuchs, Crells ehem. Ann. 1787. — Murray, Apparatus medicaminum 1790, V, 499. — R. Kobert,
Über einige echte gefilzte Papiere des frühen Mittelalters. Zeitschr. Angew. Chem. 1910, 1249.
Paralleldrogen. Ähnlich wie Celraria islandica werden (nach Dragendorff)
benutzt: Cetraria nivalis Ach. (in den Alpen) und C. aculeala Fr. Cetraria nivalis ist in
der Schauberg-Rax-Ware des Wiener Handels stets enthalten (T. F. Hanausek).
Cetraria nivalis enthält Usninsäure und 90,2 "Jq der Trockensubstanz stickstofffreie Sub-
stanzen (Zellulosine). Aus dem Mehl der von der Usninsäure befreiten Flechte kann
ein Gebäck dargestellt werden.
Lerp-Manna. 2 73
Lerp-Manna.
Die Lerp-Manna entsteht durch Psylla Eucalypti auf Eucalyptus dumosa CunninghaM
(Euc. incrassata}) in Australien, besonders auf Tasmania. Sie wird in der Weise erzeugt, daß
die genannte Hemiptere mit Hilfe ihres gabeligen Schwanzes weiße Fäden absondert, welche
nachher durch einen aus den Leibesringen des Insektes austretenden Sirup verklebt werden
(Dobson) und die das Gespinst darstellen, worin das genannte Insekt seinen Puppenzustand
durchlebt (FlüCKIGer). Durch kaltes Wasser geht der Zucker in Lösung und die Fäden
bleiben zurück.
Der Gehalt an Fruchtzucker beträgt nach Flückiger 53,1% (nach Anderson 49%).
Die Grundsubstanz der Fäden besteht aus einer von Flückiger Lerp-Amylum genannten
Substanz, die sich durch Jodlösungen blau färbt, in kaltem Wasser kaum, in Wasser
von 135 — 150° reichlich löslich ist und sich beim Erkalten dieser Lösung wieder abscheidet.
Die Substanz, die ihrer Zusammensetzung nach (C ^ 43,4, H ^ 6,5%) zwischen Stärke und
Zellulose steht, ist dem Lichenin ähnlich. Sie ist unlöslich in Kupferoxydammoniak.
Die von Anderson in &ex Lerptnanna angegebenen anderen Substanzen: Gummi, Stärke,
Inulin und Zellulose sind nicht darin nachzuweisen (Flückiger). Der Feuchtigkeitsgehalt be-
trägt 14—15%.
Lit. Anderson, Journ. prakt. Chera. 47, 449 (Jahresb. Pharm. 1849, 68). — (Dobson
und) Flückiger, Wittsteins Vierteljahrsschr. 17 (1868), 161 und 18, 32. — FLÜCKIGER, Über
Stärke und Zellulose. Arch. Pharm. 1871 (mit Abbild.).
4. Lignino-Membranindrogen.
Unter dem Namen Ligninomembranin mag die Holzsubstanz bezeichnet
werden, d. h. der Körper, der die Membranen der Elemente des Holzkörpers bildet
und der mit Jodreagentien nicht wie Zellulose reagiert. Tollens, dem ich meine
Einteilung vorgelegt, schlägt vor, die Zelluloso-Membranine und die Lignozelluloso-
Membranine als zwei Abteilungen einer Klasse zusammenzufassen und den übrigen
voranzustellen, was viel für sich hat. Daß im Ligninomembranin ein Zellulosin
steckt ist sicher, denn bei der Hydrolyse entstehen Zucker. Daß die Holzfaser durch
Kochen mit Schwefelsäure Traubenzucker liefert, ist seit 18 ig bekannt (Autenrieth
und Bayerha.mmer, Braconnot). Ekström erhielt aus Holz 50 — 75 "/o Glukose.
Daneben treten aber auch (außer Galaktose und Mannose) Pentosen auf. Es sind
also neben Manno-Gluko-Galaktanen auch Pentosane vorhanden. Diese Pento-
sane, die wohl niemals den Charakter von Reservestoffen tragen, spielen in den
Gerüstsubstanzen der Pflanze eine große Rolle, besonders Xylane finden sich
ganz allgemein in den Wänden der Zellen des Holzkörpers und verholzter Bastzellen,
den harten Geweben von Früchten {Cocos) 'und Samen [Gossypiuni), wie überhaupt
in den Zellen, die ich unter dem Namen « Sklere'iden» zusammengefaßt habe.
Während aber die Nadelhölzer nur wenig davon enthalten (2 — Q^/o)' ^''^'^ "^'^ Laub-
hölzer reich daran (20 — 33 \). Jute enthält is^/q. Methylpentosane sind in Samen-
schalen und Rinden nachgewiesen.
Xylan wird (nach Thomson) in der Weise bestimmt, daß man die mit
Ammoniak digerierten und ausgewaschenen Holzmehle mit 5 "j^ Natronlauge be-
handelt und das Filtrat mit Alkohol fällt. Xylan ist in Kupferoxydammon und
Wasser löslich. Es dreht links. Gross, Bevan und Claud Smith nehmen an, daß
die Pentosane (z. B. im Stroh) an Ameisensäure zu einem Pentosemonoformal,
CäHgOg«;:; ">>CH2 , gebunden sind. Vielleicht sind die Xylane in der Membran mit
Zellulose verestert. Bemerkenswert ist, daß d-Glukose und I-Xylose ähnliche Struktur-
formeln haben:
Tschirch , Handbuch der Pharmakognosie. Bd.H. I8
\
2 71 Lignino-Membranindrogen.
H H OH H
d-Glukose = CH.,OH— C— C— C— C— COH
OH OH H OH
H OH H
1-Xylose = CH,OH— C— C— C— COH
OH H OH
und denn auch häufig nebeneinander als Produkte der Hydrolyse von Zellmembranen
erhalten werden, ebenso wie:
H OH OH H
^d-Galaktose = CH.,OH— C— C — C— C . COH und
OH H H OH
OH OH H
1-Arabinose = CH.,OH— C— C— C . COH.
H H OH
W. HoFF.MEiSTKR nennt die aus den nicht zuvor von den inkrustierenden Stoffen befreiten
Zellmembranen durch 5"|q Natronlauge extrahierbaren Stoffe Holzgummi. Dieses
Holzgummi ist wohl mit Xylan identisch. Da der reinen Zellulose Pentosane fehlen
— sie gibt bei der Hydrol3'se niemals Pentosen — , so kann die Bestimmung des
Holzstoffgehaltes eines Gewebes durch Bestimmung des Pentosangehaltes nach der
Methode von Tollens erfolgen, die darauf beruht, daß Pentosane bei der Destil-
lation mit Salzsäure «-Furfurol :
CH CH
II II
CH. /C.COH
\o/
liefern, das als Phloroglucid gefällt und gewogen werden kann.
Den Holzstoff, das Lignin oder Lignon (Gross, Bevan, Beadle) faßt
man meist als ein methoxylreiches Oxyderivat der Zellulose (Oxyzellulose) auf, das
sowohl freie wie veresterte Hydroxyl- und wahrscheinlich auch Acetyl- und Formyl-
Gruppen (vielleicht stammt die Essigsäure im Acetum pyrolignosum daher!), nach
Klason 4 CH3 und ein OH enthält. Es ist kohlenstoffreicher (55 "j^ C) als Zellulose
(44,4 "/q C). Dem Jutelignin geben Tollens und Lindsey die Formel: Ci^'liifi.,(0C'H.g)2.
Klason, der (C4i)H^.,0ii)n formuliert, bringt es zum Coniferylalkohol, Euler zu den
Gerbstoffen in Beziehung. Die unten erwähnten Farbstoffreaktionen beziehen sich nach
der jetzigen Auffassung nicht auf das Lignin.
Daß in der Holzmembran eine zelluloseartige Substanz die Grundlage (meist 50
bis 64 "jf, der Substanz) bildet, ist also sicher (Payen, Hoppe Seyler, Lange). Die
abweichenden Reaktionen der Holzmembran rühren von einer «Inkruste» her. Die
Vorstellung, daß in der Holzzellmembran die Zellulose «inkrustierende» Substanzen
(matieres incrastantes, Xylogen, nach De Candolles Vorgang früher Lignin genannt)
vorkommen, rührt von Payen her. Daß diese Substanzen zum Teil aromatische sind,
kann keinem Zweifel unterliegen, denn es gelingt aus der Sulfitablauge der Holzfaser-
bearbeitung Vanillin, Brenzkatechin und Methylfurfurol abzuscheiden (Gräfe),
Verbindungen, die in ihrer Gesamtheit wohl das Hadromal Czapeks bilden und auf
die sich die zahlreichen Holzreaktionen (mit Phloroglucin, Anilinsulfat usw.) beziehen
— auch Protokatechusäure wurde unter den Abbauprodukten gefunden (Erd-
mann, Bente). Aber es unterliegt ebenso keinem Zweifel, daß dieselben nicht als
Beimengungen der Zellulose zu betrachten sind, sondern offenbar in Bindung mit
Lignino-Membranindrogen. 275
den Polysacchariden der Zellulose sich finden. Übrigens faßte schon F. Schulze
(1857) die Holzsubstanz als einheitliche Substanz auf, die er Lignin nannte und
€31,1124020 formulierte und auch Erdmann betrachtete die Holzsubstanz als eine ein-
heitliche komplexe Verbindung, CgQH^gOji (Glykolignose), mit zuckerbildenden, aroma-
tischen und Zellulosegruppen. Gross und Bevan nehmen in der Holzsubstanz (Zellu-
lochinon) Zelluloseester und einen Aldehyd oder ein Keton an. Nach Behandeln mit
saurem Calciumsulfit (Mitscherlichs Sulfitverfahren) bleibt in Kupferoxydammon
lösliche Zellulose zurück, die bei der Hydrolyse Traubenzucker, Galaktose und Man-
nose liefert. Die Zellulose wird von Xylan (die Hydrolyse liefert daher auch Xylose,
ToLLENs) begleitet und außerdem scheinen darin (ob präformiert?) 12 — i4''/o
Ligninsäuren, (CjqHjjOs? mit 61 — 62 ^l^ C), enthalten zu sein (Lange). Auf die
wohl erst bei der Kalischmelze (s. oben) entstehenden Ligninsäuren bezieht sich
wohl Mäüles Manganatreaktion des Holzes, eine mikrochemische Reaktion, die in
der Weise ausgeführt wird, daß man Kaliumpermanganat zufließen läßt, mit Wasser
auswäscht, dann Salzsäure zusetzt und nach abermaligem Auswaschen Ammoniak zu-
fließen läßt: die Holzmembran färbt sich rot.
Auf die aromatischen Holzstoffbestandteile beziehen sich die mikro-
chemischen Reaktionen mit Phenol -Salzsäure: blaugrün (Runge), Phloroglucin-
(oder Resorcin-) Salzsäure: kirschrot bzw. violett (Wiesner), Pyrogallol-Salzsäure
blaugrün (Ihl), Naphtol- Salzsäure: grün (Ihl), Indol-Salzsäure: kirschrot (v. Baeyer
Niggl), Orcin-Salzsäure: rotviolett (Lippmann), Skatol-Salzsäure: kirschrot (Mattirolo),
Pyrrol-Salzsäure: rot (Ihl), Thiophen: grün (Ihl), Anilinsulfat: gelb (Runge, Schap-
ringer); ebenfalls tritt Gelbfärbung ein durch p-Toluidin (Singer), «- und /3-Naphtyl-
amin (Nickel), et- Bromphenetidin (Piutti). Die empfindlichste Reaktion ist die mit
Pyrrol, die am häufigsten angewendete die mit Phloroglucin. Nicht nur Amylschwefelsäure
(Kaiser) und Isobutylschwefelsäure (Gräfe), sondern alle Alkylschwefelsäuren und
aromatischen Sulfosäuren färben Holzstoff" (nicht Zellulose) rot oder blau (Hertkorn),
ebenso auch Isobutylaldehydschwefelsäure (Gräfe). Nicht alle Membranen, welche
auf Permanganat (s. oben) reagieren, geben auch mit Phloroglucin Reaktion und
umgekehrt (v. Faber). In den meisten Fällen fallen aber die Reaktionen zusammen
(Aisslinger). Gross und Bevan halten die Jutefaser (s. oben S. 255) für «typische
Lignozellulose». Sie unterscheiden darin drei Bestandteile, deren Anhydroaggregat
die Faser bildet: eine der Baumwollzellulose nahe verwandte Substanz, eine Penta-
zellulose, die Furfurol und Essigsäure liefert und einen Chinon liefernden Bestandteil.
Durch Behandeln mit Sulfitlaugen (s. weiter hinten) werden oft -j^ der im Holzstoff"
enthaltenen Substanzen, jedenfalls alle aromatischen Gruppen, entfernt und es bleiben
39,5 — 63 "lo < Zellulosen zurück. Die Verholzung erhöht die Festigkeit der Membran
nicht (Sonntag).
Wir sind berechtigt anzunehmen, daß alle die oben genannten Substanzen in
der Membran nicht gemengt, sondern chemisch miteinander verbunden sind (Tollens).
Lit. AuTENRiETH und Bavkrhammer (in Berzel. Jahresber. 1822). — Braconnot, Ann.
chim. phys. (2) 12 (1819). — Runge, Poggend. Ann. 31 (1834). — Payen, Compt. rend. 1838
und 1839. — Sch.^pringer, Einfaches Mittel, um Holzstoff in Druckpapier zuerkennen. Dingl.
polyt. Joum. 176 (1865) (Anilinreaktion). — Erdmann, Lieb. Ann. 138,1 und Supplem. 5, 233.
— Bente, Ber. d. d. ehem. Ges. 1875. — '^- Höhnel, Histochera. Unters, über das Xylophilin
und das Coniferin. Sitzungsber. d. Wien. Akad. 76 (1877). — Lippmann, Sitzungsber. d. Wien.
Akad. 77. — Wiesner, Karstens bot. Unters. I, 120 (1866) und Sitzungsb. d. Wien. Akad.
1878 (Phloioglucinsalzsäurereaktion). — Singer, Ebenda 1882. — Lange, Zeitschr. phys. Chem.
18*
2~() Lignino-Membranindrogen.
1889. — SCHEIXEXBERG, Beitr. zur Kenntn. d. verholzten Zellmembran. Pringsh. Jahrb. 29,
1S96. — Czapek, Zeitschr. f. phys. Cham. 27 (1899). — Gräfe, Unters, über d. Holzsubst.
Sitzungsb. d. Wiener Akad. I13 (1904) und Neue Reihe von Holzreaktionen. Ost. bot. Zeitschr.
1905. — Zetsche, Beitr. z. Unters, d. verholzt. Membr. Zeitschr. f. angew. Mikrosk. U. —
Seliwanoff, Bot. Zentralbl. 1891. — v. Faber, Zur Verholzungsfrage. Ber. d. d. bot. Ges.
22, l~~. — AlSSLiNGER, Beitr. z. Kenntn. wenig bekannt. Pflanzenfas. Diss. Zürich 1907. —
Thomsen, Chera. Unters, über d. Zusammensetz. d. Holzes. Journ. pr. Chem. 19, 146. — DE
Chalmot, Ber. d. chem. Ges. 27. — E. Fischer, Ebenda 27, 3230. — Tollens und Lindsev,
Lieb. Ann. 267. — Euler, Pflanzenchemie. — Klason, Ark. f. Kemi. 1908. — G. Lange,
Zeitschr. phys. Chem. 14. — Cross, Bevan and Beadle, Cellulose, an outline of the chemistry
of the structucal eleraents ofplants London 1895. — M.'vULE, Verhalt, verholzt. Membr. gegen
KMnO,. Habilitationsschr. Stuttgart 1901. — NiGGL, Flora 1881, 545. — Czapek, Biochemie.
— IHL, Chem. Zeit. 18S5, 266 und 1890, 1571. — NiCKEL, Bot. Zentralbl. 38, 754 (1889) u.
Farbenreaktionen der Kohlenstoffverbind. Berlin 1890. — Mattirolo, Zeitschr. wiss. Mikrosk H
(1S85), 354. — K.MSER, Chem. Zeit. 1902. 335. Tollens, Pentosen u. Pentosane u. ihre Bezieh,
zur Papier-Industrie. Papier-Zeitung 1907. — Stackmann, Stud. über d. Zusammensetz. d. Holzes.
Diss. Dorpat 1878. — Schuppe, Beitr. z. Chem. d. Holzgewebes. Diss. Dorpat 1 882. — "Wieler,
Landw. Versuchsstat. 1885. — Henze, Unters, über d. spez. Gew. d. verholzten Zellwand u. d.
Zellulose. Diss. Götlingen 1883. — Sonnt.\g, Beziehungen zwischen Verholzung, Festigkeit u.
Elastizität vegetabil. Zellwände. Landw. Jahrb. 1892. — Tschirch, Angew. Anatomie.
In die Gruppe der Ligninomembranindrogen gehören viele Pflanzenfasern,
die aus äußeren Gründen schon oben (S. 253) abgehandelt wurden, ferner alle Hölzer,
die nicht, sei es durch ihren Gehalt an einem FarbstofT {Campeche), einem Harz
[Guaj'ac) oder einem Bitterstoff [Quassia) oder einem anderen differenten Stoffe in
eine andere Gruppe gebracht werden müssen. Diese sog. indifferenten Hölzer
spielen aber in der Medizin so gut wie gar keine Rolle mehr. Das einzige, das noch
da und dort verwendet wird, ist das Lignum juniperi (über Junipenis vgl. S. 44).
Neuerdings haben Holz'wolle und Holzmehl zu anderen Zwecken, nämlich als
Verbandmaterialien einige Bedeutung erlangt. Zu Holzwollwatte wird Holzschliff
verwendet, zu Zellstoffwatte sog. Holz- oder Strohzellulosen. Die Waldwolle wird
als Nebenprodukt der Kiefemadelöl- und Kiefernadelextraktbereitung gewonnen. Sie
besteht aus den «destillierten» Kiefemadeln. Über Torfwatte orientiert eingehend
Royer, L'ouate de tourbe et ses applications in Trav. d. labor. de mat. med. Paris
VI. 10 10 (m. zahlr. anatom. Abbild.).
In der Technik spielt die Holzsubstanz eine große Rolle bei der Herstellung
von Papier, zu dessen billigen Sorten (Zeitungspapier) ausschließlich oder als Haupt-
bestandteil Holzschliff verwendet wird, die daher stets auf Phloroglucin und Anilin-
sulfat reagieren. Neben diesem sog. Holzstoff wird aber auch «chemischer Holzstoff»
sog. «Zellulose« benutzt, die aus dem Holzstoff (meist geraspeltem Coniferen- aber
auch Laub-Holz) durch Behandeln mit Natronlauge unter Druck oder Calciumbisulfit-
lösung (Mitscherlich) , oder Kalkmilch und schwefliger Säure unter Druck (Arch-
bold), oder Magnesiumsulfit (Eckman), oder Schwefelnatrium erhalten wird.
Die Erfinder des Holzschliffs sind F. G. Keller in Kühnheida (Erzgebirge) und H.
VÖLTER in Heidenheim (1852), der Erfinder der Natronzellulose ist A. Ungerer in Semmering
bei Wien (1869— 1871), der Erfinder der Sulfitzellulose der Amerikaner Tilghman (1866). Das
Verfahren wurde dann Anfang der siebziger Jahre praktisch durchgeführt von A. Eckmann,
C. ICellner und A. Mitscherlich, die unabhängig voneinander arbeiteten (Wiesner).
In den heutigen Papieren findet man neben Lein, Hanf, Alfa (Haifa), Jute
und Baumwolle, Nadelholz-Holzschliff, Laubholz-Holzschliff, Nadelholzzellulose und
Laubholzzellulose. (Über Papier vgl. auch oben S. 256.)
Pektino-Membranindrogen. 277
Dann ist auch nicht ohne Erfolg versucht worden aus Holz Alkohol darzu-
stellen, was an sich keinen Schwierigkeiten begegnet, da ja die Zellulosine bei der
Hydrolyse Zucker liefern. Das Verfahren ist aber zurzeit noch nicht billig genug. Auch
die Verarbeitung auf Zucker ist versucht worden, jedoch ohne jeden Erfolg (Lippmann).
Lit. Schubert, Zellulosefabrikation 1897 und Holzstoff- u. Holzschlifffabrikation 1898,
sowie Praxis d, Papierfabrikation 1897. — Wilhelm und Zeisel in Wiesner, Rohstoffe. 2. Aufl.
— A. Meyer, Grundlagen u. Methoden f. mikrosk. Unters, d. Pflanzenpulver 1901. — C. PiEST,
Die Zellulose, ihre Verarbeitung u. ihre ehem. Eigensch. 1910. — Der technisch verwen-
deten Hölzer: Nördlinger, Technische Eigenschaften d. Hölzer. Stuttgart i86o. — Sanio,
Vgl. Unters, über die Zusammensetz. d. Holzkörpers. Bot. Zeit. 1863. — de Bary, Vgl. Ana-
tomie. — Kräh, Über d. Verteil, d. parenchymat. Elemente im Xylem u. Phloem d. dikotylen
Laubbäume. Berlin 1883. — Moeller, Die Rohstoffe d. Tischler- und Drechslergewerbes 1883,
Nutzhölzer in Dammers Le-xikon und Artikel Holz in Realenzyklopädie d. ges. Pharm. —
R. Hartig, Die anatom. Unterscheidungsmerkmale d. wichtigeren in Deutschi, wachsend.
Hölzer. 1890. — Wiesner a. a. O. — Meyer a. a. O. — Hanausek a. a. O.
5. Pektino-Membranindrogen.
Der Name Pektin rührt von Braconnot her, der (1825) die Gallertsubstanz
der Früchte erst Pektinsäure (von jirjxrög = geronnen), dann (1831) Pektin
nannte (Guibourt sprach von Grosselin). Ob das Pektin eine Membransubstanz ist
oder nicht, war bis vor kurzem noch nicht ganz sicher. Einige suchten es im Zell-
inhalte, andere in verschiedenen Teilen der Membran. Die Untersuchungen, die ich
1907 mit Rosenberg durchgeführt habe, haben die Zweifel beseitigt: es geht aus
der Interzellularsubstanz hervor, weder die sekundäre Membran noch der Zell-
inhalt sind an seiner Bildung beteiligt. Außer Payen verlegen auch Mangin, Kabsch,
VoGL, Wiesner, Herzfeld die Pektinbildung in die Mittellamelle. Die Interzellular-
substanz muß nahe verwandt mit dem Pektin (der Pektinsäure der Autoren) sein.
Aber nicht immer geht sie in Pektin über. Es scheint, daß dazu bestimmte Bedin-
gungen erfüllt sein müssen, wie sie besonders in reifenden Früchten und einigen
Wurzeln eintreten. Gewöhnlich bezeichnet man die in Pektin übergehende Substanz
als Pektose (Fremy). Ich nenne sie Protopektin. Darnach würde also die Inter-
zellularsubstanz vielleicht immer, wenigstens bei den pektinbildenden Pfianzenteilen,
aus Protopektin bestehen. In reifenden Früchten kann man den Übergang des Proto-
pektins, das in Wasser und auch in Kupferoxydammoniak unlöslich, in 2 "|q Natron-
lauge (nach Vorbehandlung mit Salzsäure) und in Aramoniumzitrat aber löslich ist, in
Pektin, das sich in konz. Zuckerlösungen löst, durch mikrochemische Reagentien ver-
folgen. Während sich nämlich Protopektin (Pektose Fremy, pektinsaurer Kalk
Mangin) leicht mit Jodgrün, Hofmanns Violett, Naphthylenblau, Ammoniumruthenium-
sesquichlorid (Rutheniumrot, RU2CIS.4NH4CI) färbt (Mangin) — am besten rea-
giert Neutralviolett und Rutheniumrot in sehr verdünnter Lösung (Rosenberg) — ,
verschwindet das Farbstofifspeicherungsvermögen mit fortschreitender Pektinbildung.
Wenn die Pektinmetamorphose, wie ich diesen Vorgang genannt habe, abge-
schlossen ist — was beim Reifen der Früchte eintritt — , so ist das Endprodukt
in Zuckerlösung löslich bzw. gelatiniert nach dem Erhitzen mit Zuckerlösung
(Tschirch und Rosenberg).
Über die chemische Beschaffenheit des Pektins, das wohl mit der Pektinsäure
anderer Autoren bzw. dem sog. Calciumpektat identisch ist, sowie des Protopektins
wissen wir wenig, doch verhalten sie sich jedenfalls wie Zellulosine. Scheibler er-
2 - S Pektino-Membranindrogen.
hielt bei der Hydrolyse der Metapektinsäure der Rüben Arabinose (Pektinose), Herz-
feld aus Rübenpektin, Javillier aus Quittenpektin Arabinose und Galaktose.
Ebenso fand Muntz Galaktose. Auch das Pektin der Enzianwurzel und der Hage-
butte lieferte diese beiden Zucker, das der Apfelsinen d-Glukose, Galaktose und
1-Xylose; das der Kirschen, Äpfel, Johannisbeeren, Reineclauden, Rhabarberstengel
und Mohrrüben noch andere Hexosen und Pentosen (Tromp de Haas und Tollens).
Jedenfalls erhält man bei der Oxydation z. B. des Rübenmarks mit Salpetersäure viel
Schleimsäure, das Oxydationsprodukt der Galaktose. Etwas Xylan enthält das Pektin
der Äpfel (Bauer) und in vielen anderen Pektinen ist ein d-Galaktoxylan enthalten
(Bauer, Prinsen-Geerligs). Die Pektine liefern also bei der Hydrolyse Pentosen
und Hexosen, enthalten also Pentosane und Hexosane, vorwiegend Galaktoaraban
und Arabangruppen, sind also zu den Hemizellulosen zu rechnen. Sie reagieren schwach
sauer und man trifft daher auch Säuren unter den Spaltungsprodukten. Tollens ver-
mutet, daß die Pektine ursprünglich neutrale Laktone oder Ester den Glykosidosäuren
nahestehender, kohlehydratartiger Substanzen sind, die in Berührung mit Alkalien leicht
in die Salze der betreffenden Säuren übergeben. Gross hält sie eher für lösliche, un-
beständige Übergangsforraen der Hemi-, Oxy- und Lignozellulosen.
Welche Rolle die Erdalkalien spielen, ist noch unaufgeklärt. Wahrscheinlich ist
Kalk, der ja auch in vielen Schleimmembranen [Laminaria, Linutn, Cydonid), in der
resinogenen Schicht und den Gummis auftritt, ein regelmäßiger Bestandteil der Pek-
tine. Mangin ist der Ansicht, daß die Pektosen junger Zellwände mit der Zeit in
Pektinsäuren übergehen, die Kalk aufnehmen und in Caiciumpektate übergehen;
Devaux meint jedoch, daß auch ältere Mittellamellen aus Pektosen bestehen. Durch
andauerndes Kochen des Pektins (oder der Pektose) mit Wasser entsteht das sauer
reagierende Parapektin, das mit Wasser aufquillt und 30 "Jq Schleimsäure, sowie
14,2 "Iq Furol liefert, also ebenfalls Galaktose und Arabinose liefernde Gruppen enthält
(Araban, 7-Galaktan?). Der Pektinsäure gibt Fremy die Formel: C^^^fi^^, Reg-
nault: CijHjfjOu, Mulder: CjjHigOjo, Chodnew: Ci4H220j4.
Pektosen werden schon in der Kälte leicht hydroivsiert, wobei Pektinsäuren
und Arabinose entsteht. Ebenso wirkt die Pektinase, die auch das Calciumpektat
weiter spaltet (Bourquelot und Herissey). Der unlösliche Membranbestandteil, der
aus Pektin, Parapektin und Metapektinsäure entsteht, wurde, wie erwähnt, Pek-
tose genannt. Der Name ist irreführend, da er eine Zuckerart vermuten läßt, und
sollte fallen gelassen und durch Protopektin ersetzt werden. Pektin wird durch Al-
kohol koaguliert, auch zahlreiche Pflanzenauszüge (wie solche der Kartoffeln, der
Zuckerrüben usw.) koagulieren das Pektin, wobei ein Enzym (Pektase) in Aktion
treten soll (?), das aber nur in Gegenwart von Ca-, Sr- oder Ba-Salzen und
nicht in saurer Lösung wirkt. Die Pektinase soll das Gelatinieren hindern (Bour-
quelot). Doch bewirken schon die Calciumsalze allein die Fällung in Form von
Pektinaten. Fremys und Herzfelds Pektin ist optisch-inaktiv, Andrliks Pektin
dreht 3 — 4 mal stärker rechts als Rohrzucker, und die Pektine von Bourquelot
und Herissey zeigen Rechtsdrehungen von -)- 82,3 bis -|- 194,1. Alle halten Pektin
für in Wasser löslich.
Rosenberg und ich konnten weder durch kalte noch durch heiße Extraktion
von Früchten ohne weiteren Zusatz eine in der Kälte gelatinierende Lösung erhalten
— auch nicht wenn die Lösung eingedampft wurde. Wohl aber erhält man leicht
eine Gelatine, wenn man die Früchte oder einen heißen Auszug derselben unter Zucker-
Pektino-Merabranindrogen. 279
Zusatz kocht und die Flüssigkeit erkalten läßt. Diese Pektingelatine ist entweder eine
feste Pektinzuckerlösung oder eine Pektinzuckerverbindung.
Immerhin scheint es besonders nach Fremys Versuchen möglich, daß auch
andere Substanzen, wie Zucker, Gelatinebildung bewirken; ob jedoch das Enzym
Pektase ein solcher Körper ist, erscheint noch zweifelhaft. Für die Praxis der
Fruchtgeleefabrikation kommt aber wohl nur Zucker in Betracht. Da Zuckerlösung
das Pektin in der Pflanze zum Quellen und Gelatinieren bringt und dadurch die
Zellen des Fruchtfleisches voneinander gelöst werden, so hat vielleicht die Zucker-
bildung in den Früchten den Zweck, das Fruchtfleisch aufzulockern und so den Zer-
fall der Frucht und das Herauslösen der Samen zu beschleunigen. Die sog. < Aus-
kleidungen der Interzellularen», die oft als Knöpfe oder Stäbchen in den Inter-
zellularraum ragen (s. hinten Lit.), sind ebenfalls Pektin (pektinsaurer Kalk, Mangin)
und auch die resinogene Schicht der schizogenen Sekretbehälter (Tschirch) muß
Beziehungen zum Pektin haben. Da Pektin meist als Protopektin die Zellen mit-
einander verkittet, müssen alle Substanzen, welche Protopektin lösen, z. B. ScHULZEsche
Macerationsflüssigkeit, die Zellen isolieren. Aber auch Bakterien vermögen dies zu tun.
Bei der sog. Flachsröste (s. S. 254) werden die Leinstengel in faulendes Wasser gestellt
und hier wirken nun die Bakterienprodukte lösend auf das Protopektin. Es entsteht
eine Auflockerung des Gewebes und eine Isolierung der Fasern. Winogradsky fand,
daß der Bazillus der Flachsröste alle Pektinsubstanzen in Gegenwart stickstoffhaltiger
Nährböden «vergärt». Beziehungen des Gummis zu den Pektinsubstanzen zeigt die
Metapektinsäure, die Scheibler durch Behandlung von «Rübenmark» (d. h. des
Grundparenchyms der Rübe) mit Alkalien erhielt — sie entsteht auch beim Kochen
von Rübenmark mit verdünnter O.xalsäure — und die er für identisch mit Arabin-
säure hält. Zu den Pektinstofl'en steht jedenfalls auch das Pararabin Reichardts
(s. Agar), dem er die Formel C12H2.2OJ1 gibt, in Beziehung und Thomsens Holz-
gummi ist wohl identisch mit dem Pektin (aus Holz) von Poumarede und Figuier,
die glauben, daß Pektin und Zellulose ursprünglich von gleicher Zusammensetzung waren.
Die Grenze zwischen Pektin- und Schleimmetamorphose der Interzellularsub-
stanz ist oft verwischt (vgl. Fruct. Sambuci, Fig. 19). Überhaupt finden sich mancherlei
Übergänge in den Membranen, die offenbar nur selten ganz einheitlich sind. Ein
solches Übergangsgebilde scheint die Callose Mangins zu sein, die er zuerst im
Callus der Siebplatten fand. Sie ist unlöslich in Kupferoxydammoniak, gibt keine
Chlorzinkreaktion, ist leicht löslich in i *'/q Natronlauge, unlöslich in kalter Alkali-
karbonatlösung; die Protopektinreagentien (s. oben) versagen, Korallinsoda und Anilin-
blau färben.
Lit. Payen, Ann. chim. phys. (2), 26 (1824), 329; Rec. sav. Strang. (2) IX (1846), 148,
Compt. rend. 1856. — Braconnot, Ann. chim. phys. 28 u. 30 (1825); dann ebenda 47 (183 1)
und 50 (1832). — GuiBOURT, Schweigg. Journ. 1825. — Fremy, Journ. pharm, chim. 26 (1840),
568, Lieb. Ann. 67 und Compt. rend. 1847. Hauptarbeit: Ann. chim. phys. (3) 24 (1848) 5;
Compt. rend. 48, 203; Journ. pharm. (3) 36 (1859) 5. — Chodnew, Lieb. Ann. 51, 355. —
Mulder, Journ. pr. Chem. 14, 285. — Poumarede et Figuer, Compt. rend. 1847 "• Journ.
pr. Chem. 12, 31. — Stüde, Lieb. Ann. 131, 250. — Scheibler, Ber. d. chem. Ges. I (1868),
58 und 108; 6 (1873) 612. — MÜNTZ, Sur l'existence des Clements du sucre de lait dans les
plantes. Ann. phys. chim. 10 (1887), 566. — Herzfeld, Chem. Zentralbl. 1891, 618. — Bauer, Landw.
Versuchsst. 38 (1891) und 41 (1892), 477. — L. M.\NGIN, Compt. rend. 107 (1888), 109 (1889),
HO (1890), III (1891), 115 (1892), 116 (1893); Bull. soc. bot. 36 (1889), 274, 38 (1891), 39
(1892). Journ. de bot. 1891, 1892 und 1893 und Sur la callose, nouvelle substance fonda-
mentale existant dans la membrane. Compt. rend. 110 (1890). — Bourquelot, Compt. rend.
2 So Konzo-Membranindrogen.
128 (1899), 1241. — BouRQUELOT et Herissey, Compt. rend. 127 (1898), 191; Compt. rend. soc.
biol. 1898, 777; Journ. chira. phys. 9; Journ. pharm. 7 (1898) und 9 (1899) 281. — Bertrand
u. MAlxfevRE, Compt. rend. 119, 120, 121. — Bauer, Chem. Zentralbl. 1901, 196. — Devaux,
Soc. phys. et nat. de Bordeaux 3 (1903!. — Tschirch, Über Pektin und Protopektin. Ber. d.
pharm. Ges. 1907, 237. — E. Rosenberg, Über d. Pektinmetamorphose. Diss. Bern 1908 (mit
9 Taf.1. — Pektinana] ysen bei Reichardt, Arch. d. Pharm. 209 (1876), 97 und 210 (1877) 116,
JL\RTIN in Sachsses Phytochem. Untersuch. 1880, Bauer, Journ. pr. Chem. 30, 369 und Tromp
DE Haas und Tollkns, Lieb. Ann. 286 (1895), 278. — Tollens, Kurzes Handb. d. Kohlen-
hydrate. 2. Aufl. 1898. — Lippmann, Chemie der Zuckerarten 1904. — Cz.\pek, Biochemie
(dort die Lit.). — Auskleidungen der Interzellularen: DE Bary, Anatomie. — Russow,
Über d. Auskleid, d. Interzellularen. Sitzungsb. d. Dorpat. Naturf. Ges. 1884, 19. — Gardiner,
Nature 1885, 390. — Schaarschmidt, Bot. Zentralbl. 18 und 19. — Schenck, Ber. d. d. bot.
Ges. 3 (1885) (dort weitere Literatur). — van Wisselingh, Sur les revetements des espaces
intercellulaires. Arch. N^erland. 21.
Die vornehmlich als Genußmittel benutzten Fruchtgelees, die sämtlich pektin-
reich sind (s. oben), werden in der Medizin nur als diätetische Heilmittel benutzt.
Ihr Heilwert beruht nur zum Teil auf dem Pektin. Besonders kommt Quitten- und
Himbeergelee in Betracht. (Dioskurides nennt eine Menge Krankheiten, bei denen
z. B. Quitten benutzt wurden.) Man kann durch richtiges Abstimmen des Zuckerzusatzes
die Ausbeuten an Gelee vermehren und sich pektinreiche Geleegrundlagen durch
Aufkochen der Preßrückstände der Früchte mit Zuckerlösung darstellen. Man kann
die Fruchtgelees auf einen unzulässigen Zusatz von Gelatine dadurch prüfen, daß
5 — 10 g Gelee mit dem gleichen Gewicht Wasser gelöst, die Lösung mit looccm
Alkohol versetzt und im getrockneten und gewogenen Niederschlag der Stickstoff" be-
stimmt wird. Während der getrocknete Niederschlag bei normalem Gelee nur 13 bis
28% Stickstoffsubstanz enthält, steigt der Gehalt bei Gelatinezusatz auf 45 "/„ (Bömer,
Chem. Zeit. 1 9). Ungereinigtes Agar ist durch Diatomeen nachweisbar (Marpmann).
Gereinigtes Agar dadurch, daß man 10 — 20 g Gelee mit dem gleichen Gewichte
Wasser verdünnt, mit 100 ccm Alkohol versetzt, den Niederschlag mit Alkohol wäscht,
trocknet und wiegt und dann mit soviel heißem Wasser löst, daß eine i °|q Lösung
entsteht. Entsteht beim Erkalten eine steife Gallerte, so soll dies Agar anzeigen.
6. Koryzo-Membranindrogen.
Etym. Korizo von xoqI'C,» = Schleim — Schleim mhd. slim. Die Wurzel sli = glatt,
schlüpfrig steht in Beziehung zu lat. limare = glätten.
Daß die vegetabilischen Schleime, soweit sie entwicklungsgeschichtlich genau
verfolgt werden konnten, alle ohne Ausnahme zur Membran, also zu den Membra-
ninen gehören, ist namentlich durch die Untersuchungen von Frank, mir und meinen
Schülern Nadelmann und Walliczek nachgewiesen worden. Ich habe daher die
Bezeichnungen Schleimmembran und Membranschleim eingeführt. Die ersten,
die einige Schleime als Membranverdickungen erkannten, waren Nägeli und Grauer
(1855). Doch finden sich zwei wesentlich verschiedene Typen der Schleimmembran-
bildung, je nachdem entweder die sekundären Membranschichten oder die Interzellular-
substanz als Schleimmembran auftreten. Die Schleimschichten der sekundären (und
tertiären) Membran werden der Regel nach schon als solche angelegt (Fig. 94, 1—5).
Es findet hier also nicht, wie man früher glaubte, eine Schleimmetamorphose ursprüng-
lich als Zellulose angelegter Schichten statt. Wie dies bei den Interzellularsubstanzschleimen
ist, bleibt bei den einzelnen Fällen noch zu untersuchen. Hier scheint eine Um-
bildung der primär gebildeten Interzellularsubstanz in Schleim zu erfolgen — ähnlich
Koryzo-Membranindrogen.
2«I
der Pektinbildung aus Protopektin. Und daß endlich auch an an Interzellularen
grenzenden Zellen eine Schleimmembran sich bilden kann, habe ich bei den Cycadeen-
Schleimkanälen nachgewiesen (Fig. 94, u u. 12) und geht auch daraus hervor, daßdieresi-
nogene Schicht der schizoarenen Harzkanäle ebenfalls als Schleimmembran aufzufassen ist.
Es liegen also hier ähnliche Verhältnisse vor wie bei der Pektin- und Gummibildung (s. d.).
Fig. 94.
Schleimmembranen und ihre Entwickelung.
1 — 5 Entwicklung einer Schleimzelle aus dem Internodium von Tilia srandifolia. 6 Junge Schleimzelle aus der Stamm-
rinde von Rhammts Frangtila. 7 Junge Epidermiszelle aus dem Blatte von Althaea ofßcinalis, 8 Schleimzellen aus
der Epidermis von Cassia an^ustifolia. 9 und 10 Schleimepidermis der Blätter von Barosma vulgaris, zwischen die
Schleimschichten sind Zelluloselamellen (m) eingeschoben (i — 10 nach Walliczek). ii und 12 Schleimmembranen in
schizogenen Kanälen von Cycas (Tschirch).
Fast alle untersuchten Schleime geben bei der Hydrolyse Arabinose und
Galaktose (verhalten sich also wie Hemizellulosen und ähnlich wie Pektin, s. d.),
einige {Linum , Hilger) auch Dextrose und Xylose. Arabinose und Xylose sind
Pentosen :
H OH OH H OH H
1- Arabinose = COH— C— C— C— CH,OH, 1-Xvlose = COH— C— C— C— CH^OH,
OH H H ' ' OH H OH
2S2 Koryzo-Membranindrogen.
Dextrose und Galaktose dagegen Hexosen (vgl. S. 6). Alle untersuchten echten
Schleime geben bei der Oxydation mit Salpetersäure Schleimsäure (zuerst von
Vauquelin iSii beim Leinsamenschleim beobachtet), ein weiterer Beweis, daß
Galaktosegruppen darin enthalten sind (s. oben S. 226).
OH H H OH
d-Galaktose = CHO— C— C— C— C— CHjOH
H OH OH H
OH H H OH
Schleimsäure = COOK— C— C— C— C— COOH.
H OH OH H
Man hat daher wohl auch zwischen Schleimsäure bildenden und keine- Schleimsäure
bildenden Schleimen unterschieden. Doch will ich diesen Unterschied hier nicht zur
Einteilung verwerten. Ebensowenig die Reaktion mit Jodschwefelsäure oder Chlor-
zinkjod. Einige Schleimmembranen (Epidermis der Cyi^ofiiosamen, Sah'/ahüchte, Vü-
cum) färben sich nämlich mit diesem Reagens blau (Zelluloseschleime, Tschirch),
andere (Echte Schleime, Tschirch) gelb (Endosperm von Trigonella, Schleimzellen
von Rad. althaeae). Im Zusammenhang mit dieser Erscheinung steht die Beobachtung
von ToLLENS, daß einige Schleime {Aga?; Liniim, (.A>dotiia, Salep, Psyllium^ bei der
Hydrolyse eine Abscheidung von Zellulose zeigen. Der «Zellulosegehalt» wird bei
Meeresalgen auf JiTO**;,) [Gracilaiia confcj-voides), 4,40 "L {Fucus 7>esiculosus) und 8,89
[Vaucheria Pilus) angegeben (Sestini, Bomboletti und della Torre).
Mangin unterscheidet, gestützt auf das verschiedene Tinktionsvermögen gegen-
über den «Pektin färbenden» (vgl. oben S. 277) Lösungen (Methylenblau, Ruthenium-
rot): Zelluloseschleim, Pektinschleim, Kalloseschleim und gemischte Schleime. Wie
schon die letzte Gruppe zeigt, gibt es hier mancherlei Übergänge. Eher läßt sich das
morphologische Moment benutzen (s. unten). Ich habe schon in der Angewandten
Anatomie die Schleimepidermen der Samen den endogenen Schleimzellen und den
Schleimendospermen gegenübergestellt. Ihre Funktion ist sehr verschieden. Die Schleime
der Schleimendosperme der Samen (Tngonelld) sowie die Schleimzellen unterirdischer
ReservcstofTbehälter [Orchis) besitzen den Charakter von ReservestofTen. Die Schleim-
epidermen der Samen (z. B. Linuin, Crdottia) dienen verschiedenen Zwecken: Fest-
halten von Wasser, Befestigung der Samen am Boden zur Sicherung der Keimung usw.
(Tschirch und Lüdtke). Die Schleimepidermen der Blätter [Bi/kkii) sind als Wasser-
speicher aufzufassen. Welche Funktion die endogenen Schleimzellen der Vegetations-
organe, der Samenschalen (Cacao), der Kelch-, Blüten-, Staub- und Fruchtblätter der
Sterculiaceen, Malvaceen und Tiliaceen besitzen, wissen wir nicht. Daß auch die
resinogene Schicht der Sekretbehälter zu den Membraninen gehört, zeigt
nicht nur der anatomische Befund, sondern auch die Untersuchung des Gummis
der Gummiharze, welches ja dei resinogenen Schicht entstammt (Tschirch). Sie
liefern bei der Hydrolyse Galaktose, Glukose und Arabinose, das Gummi der Myrrhe
Galaktose und Arabinose, sowie etwas Xylose, es enthält also Galakto-Arabino-
Xylane.
Nur wenig untersucht ist der sog. Inhaltsschleim. Dieser wird hier gar
nicht berücksichtigt. Echte Schleime als Bestandteile des Zellinhaltes sind jedenfalls
selten und immer wenn entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen ihnen näher traten
entpuppten auch sie sich als Membranschleime. So wurden die lange (Lauter-
bach) als Inhaltsschleime betrachteten Cacteenschleime ebenfalls als Membranschleime
Korj'zo-Membranindrogen. 283
erkannt (Walliczek) und das gleiche gilt von dem Schleime von Visami (Czapek).
Nur bei Orchis ist mir die Sache auch heute noch zweifelhaft.
Mit Wasser bilden die Schleime kolloidale Lösungen. Einige (Älthaea, Linum,
Cydonid) lassen sich mit Ammonsulfat aussalzen (Pohl).
OfTenbar haben wir es aber bei den Koryzo-Membraninen nicht mit einer Sub-
stanz, sondern mit einer ganzen Klasse von Substanzen zu tun. Das zeigt schon das
verschiedene Verhalten zu Wasser: einige quellen kaum, andere stark, noch andere
lösen sich darin.
Lit. TsCHiRCH, Kapitel Schleimmembran in Angew. Anatomie 1888, S. 193. (Dort
eine zusammenfassende Darstellung). Ferner Chemie u. Biologie d. pflanzl. Sekrete. Leipzig 1908.
— KüTziNG, Grundzüge t. 4. — Hofmeister, Über die zu Gallerte aufquellenden Zellen der
Samenepidermis. Ber. der Sachs. Ges. d. Wissensch. 1858. — Nägeli u. Gramer, \'orkommen
u. Entstehen einiger Pflanzenschleime. Zürich 1855 (Arch. d. Pharm. 1857, 190) — WlG.^ND,
Desorganisation der Pflanzenzellen. Pringsh. Jahrb. 3, 1863. — Frank, Anatom. Bedeut. u.
Entsteh, d. vegetabil. Schleime. Pringsh. Jahrb. 5 (1865I. — Trecul, Des mucilages chez les
Malvac^es, le tilleul, les Sterculiac^es, les Cactees et les Orchidees indigenes. Compt. rend.
1862. — Radlkofer, Monographie der Gattung Serjania. München 1875. — Klebs, Organisat.
d. Gallerte bei einigen Algen usw. Arb. d. bot. Inst. Tübingen II. — GuignaRD, Observat.
sur l'appareil mucifire des Laminari^es Ann. sc. nat. (8) 15, 1892. — Ui.oTH, Pflanzenschleim
und seine Entstehung. Flora 58, 809. — Abraham, Bau u. Entwickl. der Wandverdick, in d.
Samenoberhautzellen einiger Cruciferen. Pringsh. Jahrb. 16. — Flückiger (Buccu). Schweiz.
Wochenschr. f. Pharm. 1873. — Markt.vnner-TurneretsCHEr, Z. Kenntn. d. anatom, Baues
unserer Loranthaceen. Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1885. — vanTieghem, Sur les canau.\ ägomme
des Sterculiacies. Bull. soc. bot. de France 1885. — Hartwich, Schleimzellen d. Althaea.
Pharm. Zentralh. 1891 , 586 und (Orchis). Arch. Pharm. 1890. — A. Meyer (Orchis). Arch.
Pharm. 1886, 325. — Lauterbach, Bau u. Entwickl. d. Sekretbeh. bei d. Cacteen. Bot. Zentralbl.
1889. — DE Bary, Anatomie. — Radlkofer, Monogr. v. Serjania 1875. — Mangin, Bull. soc.
bot. 1894. — T.SCHIRCH, Harze und Harzbehälter. Botanischer Teil. — H. Walliczek, Studien
über die Membranschleime vegetativer Organe. Pringsh. Jahrb. 25 (1893), 227 (auch Diss. Bern
1893). Dort weitere Literatur. — Nadelmann, Über Schleimendosperme der Leguminosen.
Pringsh. Jahrb. 21, 1890 (auch Diss. 1890). — Popovici, Strukt. u. Entw. eigenart. Wandverd.
Diss. Bonn 1893. — Cz.\pek Biochemie und in GjoKic, Sitzber. d. Wien. Akad. 105, I (1896),
451 (Viscum). — Hoehnel, Ebenda l88i.
Chem. Untersuch.: Vauquelin, Ann. de chim. 80 (181 i), 314. — Tollens, Handb-
d. Kohlenhydrate. — Czapek, Biochemie. — Cullinan, Bot. Jahresber. 1884, I. 71. — Gans
und Tollens, Lieb, Ann. 249 (1889), 245. — Pohl, Zeitschr. phys. Chemie 14(1890), 151. —
B.^UER, Landw. Versuchsstat. 40 (1892)480. — YosHiMURA, Agric. Coli. Tokio 1895. — Hilger,
Ber. d. d. chem. Ges. 36 (1903) 3198. — H.\rl.\y, Joum. pharm, chim. 1902. — Sestini, Zentralbl.
Agric. Chem. 1878. — Frischmuth, Chem. Zeit. 21, R. 289. — Valenta, Klebe- und Ver-
dickungsmittel, 1884. — Weitere Lit. bei den einzelnen Abschnitten.
Herail benutzt, Mangin folgend, in Traite de pharmacologie 1901, die Färbbarkeit der
Schleimsubstanzen durch organische Farbstoffe zur Einteilung und teilt sie in mucilages simples,
m. mixtes und m. indeterminis und die m. simples wieder in mucilages ceUulosi ques
(färbbar durch Orseilline BB und Naphtholschwarz in saurem Bade und Congorot und Benzo-
purpurin in alkalischem Bade — nie durch sog. basische Farben), mucilages pectosiques
(färbbar durch basische Farben in neutralem Bade, z. B. Bismarckbraun, Methylenblau, Bleu
de Nil und Rutheniumrot) und mucilages callosiques (färbbar durch Anilinblau in essig-
saurem Bade und durch Corallin-Soda). Da alle uns interessierenden Schleime, mit Ausnahme
des Sah'p, in die zweite Abteilung (m. pectosiques) gehören, hat diese Einteilung für uns keinen
Wert. Ich führe die weitere Einteilung auf morphologischer Grundlage durch.
Die erste Gruppe der Koryzo- Membranindrogen bilden die, bei denen der
Schleim von der Interzellularsubstanz gebildet wird. Hierzu gehören alle Krypto-
gamen-Schleimdrogen. Die zweite Gruppe umfaßt die, bei denen der Schleim von
:S4
Crjptogame Schleimdrogen.
den sekundären Membranverdickungsschichten gebildet wird. Bei ihnen
finden wir entweder Schleimepidermen oder Schleimendosperme oder Schleimzeilen
im Innern der Organe.
1. Schleime der Interzellularsubstanz.
Crypttigame Schleimdrogen.
Carrageen.
Syn. Caragaheen, Carragheen, Karragaheen, Liehen Caragaheen, Fucus crispus s.
hibemicus — Irländisches oder Perlmoos, Seeperlenmoos, Krauser Knorpeltang, Knor-
pelmoos, Krausmoos, Gallertmoos, Seemoos, Felsenmoos — mousse d'Irlande, goemon,
mousse perlee (franz.) — irish Moss, pearl moss (engl.). — fuco carageo (ital.). —
jersch mos (holl.) — karagen (ung.) — keiyi^v o iQ?.avdix6g (n. griech.).
Etym. Carrageen ist der in der irländischen Volkssprache aus Corigeen oder Carraigeen (^ Felsen-
moos) entstandene Name der Alge. Daß Corigeen aus xOQit,a (= Schleim) und yiyvoßai (= entstehen)
entstanden sei (wie Wittstein meint), ist sehr fraghch. Carraigeen ist wohl ein keltisches Wort
(Stamm: car = Fels). Nach Aussage eines Irländers ist die richtigste Schreibweise: Carraigeen (Han-
BURY), Carraig (irisch = Fels, daher Felsenmoos). Mos, mossa (mosi, mus) ist der skandinavische
Ausdruck für alle laubigen Crj'ptogamen (nicht nur für die Moose).
Stammpflanze: Chondrus crispus (L.) STACKHOusE(Chondrus crispus Lyngbye,
Chondrus polymorphus Lamouroux, Fucus crispus L.,Sphaerococcus crispus AGARDHJund
Gigartina mamillosa (Goodenough et Woodward) J. G. Agardh (Sphaero-
coccus mammillosus Agardh, Mastocarpus mammillosus Kützing). Letztere Alge tritt
in der Droge meist stark zurück.
Etym. yoviQOi; = Knorpel, crispus = kraus, acpalQa = Kugel, xöxxoq = Kern, ylyuQ-
zov = Weinbeerenkem , Qoöov = Rose, L\IER, Schweiz. AVochenschr. 1868, 85. — TscHiRCH, Artikel Carrageen in Realenzyklopädie. —
Rhodophyll siehe Czapek, Biochemie I, und Molisch, Bot Zeit. 52(1894) 177. — Mikrochem.
Jodnachweis: Tunmann Pharm. Centralh. 1907, 506. van Itallie, Arch. Ph. 1889, 1132. Ned.
Tijdschr. 1889. Pharm. Zentralh. 1901.
Geruch und Geschmack. Der Geruch der Droge ist tangartig, der Geschmack
fade -schleimig, schwach salzig.
Beimengungen. In gutem Carrageen findet man fremde Algen nur in sehr
geringer Menge, da die Droge von diesen, sowie von Schnecken, Korallen, Muscheln
und Steinchen durch Auslesen befreit wird. Einige E.xemplare der Droge zeigen
weiße oder grauweiße Überzüge von Fliislra pilosa (Fig. 100), einer kleinen Bryozoe oder
weißliche körnige Calciunikarbonatreste einer Blätterkoralle. « Reichlich mit Polypen be-
setztes C. ist zu verwerfen» (Pharm, helvet. IV.) In schlechter Droge finden sich bis-
weilen: Ceramium nibnim Ag. , Fucus canaliculatiis, Furcellaria fasiigiala Laji. (Fucus
fastigiatus HuDS.), Laurencia pinnatifida Lam., Chondria obtusa, Polysiphoniazx\&r\, Hypnea
confervoides , Stilophora rhizodes, SpJiorochitis rlivodes, Haleseris polypodioides , Porphyria
laminala, sowie (was ich für zulässig halte): Cliondnis caiiahciilaius Grev., Gigarlina
acicularis Lamour. (mit zylindrischem gabelteiligem Thallus, ist bis zu 40^15 im fran-
zösischen Carrageen gefunden worden) und Gigartina pistillata Lamour., sowie andere
Chondrus- und Gigartijia^x\.&x\.
Prüfung. Die Prüfung erstreckt sich, da die Droge nur in toto verwendet
wird, auf eine Durchmusterung. Bei zweifelhaften Stücken empfiehlt sich Aufweichen
in Wasser. Die 1=30 bereitete Gallerte darf durch Jod nicht blau werden.
Mit schwefliger Säure gebleichtes Carrageen - — solches ist im Handel — sollte
nicht medizinisch verwendet werden. Man prüft darauf in folgender Weise: Wird
C. mit 20 Teilen Wasser übergössen und eine Viertelstunde lang mazeriert, so darf
die davon abfiltrierte Flüssigkeit blaues Lackmuspapier nicht röten. 20ccm des Fil-
trates sollen durch einen Tropfen — Jod gelb gefärbt werden.
Anwendung. Das C. gehört zu den Schleimdrogen, also neben Althaea,
Linum, Traganth und Salep. Es rangiert zudem unter die schleimigen Vehikel. Die
Ärzte brachten und bringen dem Carrageen wenig Interesse entgegen. Man ver-
wendet es als Nährmittel bei Phthisikern (seit 1831), bei Katarrhen (Stollwerks Brust-
bonbons, Gelatina Carrageen, Pasta cacao carragenata, Saccharolatum carragenat.) und
zur Herstellung haltbarer Leberthranemulsionen, dann zum Cataplasma artificiale von
Lelievre (Ersatz der unsauberen Leinsamenbreiumschläge). Nur in Irland scheint es
seit langem als Heilmittel (bei Schwindsucht, Skrofeln, Kolb) und als geringwertiges
I
Stipites Laminariae. 203
Nahrungsmittel, z. B. zum Mästen \'on Kühen und Kälbern, benutzt worden zu sein.
Die größte Älenge, besonders des amerikanischen Carrageens, wird technisch verwen-
det und bildet ein wichtiges Ersatzmittel des Gummis in der Zeugdruckerei, der
Appretur, der Papierfabrikation, der Textilindustrie (Laboulaye) und wird auch bei
Herstellung der Stroh- und Filzhüte, sowie zum Klären (Schönen) von Bier und
Honig benutzt. In der Kosmetik bedient man sich seiner zum Befestigen der Haare
(Bandoline). Neuerdings benutzt man es auch zur Herstellung von Nährböden für
bakteriologische Zwecke (Miquel). Das Kesselsteinmittel Vegetaline naturelle
enthält auch Carrageen.
Lit. S. Brown, On the mucilage of the fungi with remarks on its application to economical
ends. New. Edinb. philos. joum. 26 (1839) p. 409. — MftRAT, Dict. scienc. medic. 1816. Fucus und
Suppl. 1846. — TSCHIRCH, in Realenzykl. 2. Aufl. — Laboul.we, Dict. d. arts et manufact. 1907 Liehen.
WOLFFSHKiM, Journ. prakt. Heilk. 1836. — Meyer, De fucocrispo, Dissert. Berlin 1835. — Mouchon,
Journ. de med. de Lyon 1844. — H.\ger, Manuale. — Pereira, Heilmlttellehre.
Geschichte. Carrageen ist noch nicht lange in Anwendung, in England seit 1831 (durch
TODHUNTER in Dublin empfohlen), etwas später in Deutschland (durch Gräfe aus England gebracht
und durch JOBST empfohlen 1837), in Frankreich seit 1846 (empfohlen durch Guibourt 1832, Beral
1835). Die Anwendung zur Herstellung von Cataplasmen empfahl LELlfevRE 1875 (GuÄGUEn). Die
Anwendung in der Industrie ist noch jüngeren Datums. Sie kam eigentlich erst auf, als infolge der
Sudanaufstände das Gummi knapp zu werden anfing. Nur in Irland dürfte es als Heilmittel schon
seit langem im Gebrauch sein (FLÜCKtGER).
Lit. ToDHUNTER, Monthl. gaz. of health, Jan. 1831. — Pereira, Elem. of mat. med. 11
(1845) part. I. 9. — DiEREACH, Die neuest. Entd. d. Mat. med. I (1837) 50, 11 S. 271. — FlÜckiger,
Pharmak. 3, Aufl. und Pharmakographia. — Guibourt, Sur le Carragaheen, Joum. chim. med. VIII,
1832. — Beral, Ebenda, XI, 1835 u. Bull. gen. de therap. VIII, 1835.
Paralleldrogen. Als solche können alle Florideen aus der Verwandtschaft von
Chondrus und Gigartina betrachtet werden, besonders Gigartina acicularis (s. oben
unter Beimengungen), denn alle diese liefern, wenn sie zuvor gebleicht werden, einen
farblosen Schleim ähnlicher Eigenschaften. Als Carrageenersatz werden speziell genannt:
Gelidium cartilagineum Gaill., Gracilaria compressa Grev., Cydocladia articidata Grev.
und GloiopeltisaxlQn. Dazu gehören auch die Agar-Agar liefernden Algen (s. d. und
Dragendorff, Heilpflanzen).
Stipites Laminariae,
Syn. Alga digitata, Riementang — Laminaire digitee (franz.).
Stammpflanze. Laminaria Clustoni (Edmonston) Le Jolis als besondere
Art oder als Varietät von L. digitata (L.) Lamx. (Fucus digitatus L., Hafgygia digi-
tata Ktz.): Laminaria digitata (L.) Lamouroux ß Clustoni Edmonston ( —
auch Cloustoni oder Cloustonii — geschrieben). Die älteste Bezeichnung (1772), die
vielleicht die Priorität verlangt, ist: Laminaria hyperborea Gunnerus.
CoHN zeigte, daß unter Laminaria digitata zwei Arten gehen: L. flexicaidis Le
Jolis und L. Clustoni Edmonston, daß aber nur die zweite Stäbchen liefern kann,
da der Stipes der erstgenannten zu dünn ist.
Systemat. Stellung. Phaeophyceae (Fucoideae) — Phaeosporeae — Lamina-
riaceae.
Beschreibung der Stammpflanze. Die Laminarien sind große, braune Meeres-
algen, deren Phallus in ein vielfach gegabeltes, an den Enden mit Haftscheibeu ver-
294
Cryptogame Schleimdrogen.
sehenes wurzelartiges Haftorgan — das ursprüngliche Haustorium wird durch sog.
Hapteren verdrängt — , einen langen Stil (Stipes) und einen blattartig (daher Lami-
naria ^■on Lamina =: Blatt) ausgebildeten oberen Teil (Laubteil) gegliedert ist. Sie
wachsen interkalar, mit lokali-
siertem, zwischen Stengel und
Blatt liegendem, interkalarem
Vegetationspunkt. Das Haftor-
gan und der Stipes perennieren,
das Blatt wird alljährlich regel-
mäßig erneuert, das alte abge-
stoßen (Fig. loi). Beider Z. Clii-
stoni \.x\\X die eigentümliche Blatt-
form sehr früh auf. Die einfäche-
rigen Sporangien sind in großen
Sporangienständen (Sori) ver-
einigt,die auf dem Blattkörper zer-
streute Flecke bilden (Fig. lOi).
Laminaria Cliisioni —
Flückiger will sie als beson-
dere Art, L. hyperborea Gunn.,
betrachtet wissen — geht weit
in die See ins Tiefwasser hinaus.
Sie hat oft recht beträchtlich
lange, starre, aufrechte, runde,
an der Basis sehr verdickte,
gegen die Spitze allmählich ver-
dünnte, hellbraune Stipites, die
plötzlich in den recht ansehn-
lichen, bis 70 cm langen, hell-
braunen, bandförmig (daher digi-
tata) in breite Lappen geteil-
ten, lederigen, kastanienbraunen
Laubteil übergehen. Der alte
Laubteil wird alljährlich oben
abgestoßen, nachdem von unten
her ein neuer gebildet worden
ist. Man findet die Laminarien-
stipites nach einer stürmischen
Nacht oft in riesigen Massen
am Strande. Da sie rasch fau-
len, verbreiten diese Haufen
rasch einen sehr üblen Geruch.
Die an den Küsten der Hebriden
ausgeworfenen Laminariastipites
waren oft 7 — 8 Fuß lang, an der
norwegischen Küste wurden so-
gar 5 m lange Stipites beobachtet.
SQPMän
Fig. I o r .
A — C Laminaria Clustoni.
A Habitusbild eines im Blattwechsel begriffenen Exemplars. B Querschnitt
durch den Stipes 2 cm oberhalb des Haftorgans. C Siebhyphen des Stammes.
D Längsansicbt kürzerer Zellen: die Interzellularsubstanz verschleimt.
E — F Lamin. saccharina.
[E Qnenchnitt durch einen fertilen Blatteil. F Drei Sporangienstände mit
einem entleerten und einem vollen Sporangien.
ABnachFoslie, C nach Wille. D nach Luerssen, EFnach Thuret.J
Stipites Laminariae. 295
Die nahe verwandte L. flexicaulis Le Jolis (L. digitata (L.) var. « flexicauiis,
L. stenophylla Harvey^ L. digitata var. stenopliylla Harv., L. ensifolia Ktz.) hat einen
schmalen, in wenig Lappen geteilten Laubteil und einer dünnen, biegsamen, nicht
starren, dunkelbraunen, fast schwarzen Stipes. Nach Foslie fehlen dieser Art, die
ruhigere Standorte und geringere Tiefe vorzieht, im Stipes die Hohlräume und die
Schichten, die Blätter erneuern sich nicht so regelmäßig und das Blatt nimmt erst
später seine endgültige Form an. Die Auswitterungen bestehen bei dieser Alge aus
Mannit.
Lam. Cliistoni findet sich in den nordischen Meeren, z. B. bei Nordost- Fin-
marken, längs der norwegischen Küste, bei Dänemark, in der Nordsee an den Küsten
von Deutschland, Nordfrankreich, England, Irland und Schottland, bei Spitzbergen
und Grönland. Sie geht weiter in die See hinaus als L. flexicaulis.
Lit. Clouston in Anderson, Guide to the highlands and islands of Scotland. London
1834. Append. VI, 721. (Clouston studierte zuerst die Entwicklung.) — Foslie s. unten. —
Lamodroux, Dissert. sur plus. esp. de Fucus. Agen 1805. — Harvey, Phycologia britannica.
London 1846 — 51,1.223. — DE Toni, Sylloge algarum omnium hucusque cognitarum. Vol. III
Fucoideae. — Le Jolis, Exam. d. espec. confond. sous le nom de Laminaria digitata M^m. soc. sc.
nat. Cherbourg 2 ed. 1855 u. Nov. act. Ac. Leop. Carol. 1856 (Flora 1855. Jahresb. d. Pharm.
186-, 23). — Edmonston, Flora of Shetland. Aberdeen 1845, 54. — Ag.\rdh, Spec, genera
et ordin. algarum. Lund 1848. — KÜTziNG, Phycol. gener. Lips. 1843. — Grabendörfer,
Diss. Straßb. 1885. Bot. Zeit. 1885. — Haaxmann, Tijdsch. v. wetensch. Pharm. HI, H- —
Esper, Icones Fucorum I, t. 48. — Hartwich, Laminaria in Realenzyklopädie. — Cohn, Arch.
Pharm. 179 (1867), 113. — AVeitere Lit. bei Kjellm.\nn in F.ngler-Prantl, Pflanzenfam.
Abbild.: Luekssen, Medic. pharm. Botan. I, g8, Fig. 23. — Karsten, Deutsche Flora
275. — Paest-Köhler, Medizinalpfl. — Kjellmann in Engler-Prantl, Pflanzfam. Alle Formen
in: Foslie, D. Laminar. Norwegens. Christiania. Vidensk. Selsk. Forhandl. 1884. 10 Taf. (Bot.
Jahresb. 1884, 379.) — HaRVEy a. a. O. — PoSTKLS u. Ruprecht, lUustrat. algar. oceani
pacifici. Taf. 12. — Anatom. Abb. PlanCHON-Collin, Dr. s. p. 13. — Erste Abbildung unter
dem Namen Fuco giganteo m Ferr.\nte Imperato, Dell' historia naturale 1599, Fol. "43.
Pathologie. Rostrup (Mykologiske Meddelelser (V). Botanisk Tidsskrift Vol. 19, 1895)
beschreibt eine Dothidella Laminariae, welche den Stipes von Laminaria longicruris befällt.
Ferner geben CoOKE und Massee auf Laminaria flexicaulis ein Heterosporium Algarum. und auf
faulenden Laminarienspreiten ein Phoma Laminariae an; indes bleibt, namentlich im letzt-
genannten Falle, die Frage offen, ob es sich wirlilich um einen Parasiten handelt (Ed. Fischer).
Die Polypen und Florideen pflegen die Stipites der Laminaria flexicaulis zu meiden, während
sie sich oft in großer Zahl auf denen der L. Clustonih-D.i.tn. Über die Epiphyten der Laminarien
vgl. auch F. Tobler, Englers Botan. Jahrb. 44 (rgog).
Morphologie. Die Droge bildet verschieden lange, von der Seite fast band-
artig zusammengedrückte, hornartig harte, derbe Stücke, die glatt brechen und außen
grob längsrunzelig sind. Sie sind außen schwarzbraun, innen grauweiß. Der Quer-
schnitt ist länglich oval mit tiefbuchtigem Umriß — beim frischen Stipes kreisrund
— , der Durchmesser c. 10 :6 mm (frisch meist 25— 30 mm, aber bis 40 mm). Die
Stücke quellen in Wasser auf und sind außen meist mit kleinen roten Florideen
[Ceramium, Polysiphonia, Dictyosyphon) und mit Kristallkrusten oder Effloreszenzen be-
setzt, die vorwiegend aus Natrium-Sulfat und Chlorid bestehen — bei Lani. fle.xicaulis
erhalten die letzteren Mannit. Das Lupenbild läßt eine schmale Rindenschicht, eine
breite Mittelschicht und eine dunkele, bisweilen geschwundene Markschicht unter-
scheiden.
Aus diesen eingetrockneten Stipites, und zwar besonders aus der
mittleren Schicht derselben, werden Voll- und Hohlstifte (Laminariastifte,
Laminariakegel, Quellmeißel) gedrechselt. Legt man dieselben in Wasser, so schwellen
2gt3
Cryptoganie Schleimdrogen.
sie langsam auf das \ier- bis fünffache ihres Durchmessers an. Die unbearbeiteten
Stipites selbst sind nicht in Gebrauch.
Anatomie. Ich beschränke mich auf die Anatomie der allein offizinellen Sti-
pites. Der frische Stipes ist 3 — 4 cm dick. Die Randpartie des Stipes ist engzellig
und enthält, da sie das Assimilationsgewebe repräsentiert, reichlich Chromato-
jjhoren, die auch in den folgenden Schichten, dort aber in geringerer Zahl auftreten.
Der Zellinhalt dieser und der anderen Schichten kann, wie schon Wille hervorhob,
nur an ganz frischen lebenden E.xemplaren studiert werden. Er ist äußerst empfind-
lich. An frischen Exemplaren — mir lagen solche aus Helgoland vor — findet man
gut wahrnehmbare (bisweilen auch noch am trockenen .Stipes deutliche) rundliche
oder gelappte braungrüne Chromatophoren, deren brauner Farbstoff leicht in das
Wasser difTundiert. Alsdann bleiben die Chromatophoren grün gefärbt zurück. In
der nächstfolgenden Schicht liegt eine Reihe von Schleimhöhlen. Dieselben entstehen
in der Weise, daß zunächst an einer zentralen Zellgruppe durch Aufquellen der Inter-
zellularsubstanz (Mit-
tellamelle)ein schmaler,
schleimerfüllter, schizo-
gener Gang entsteht.
der Gang sich dann
erweitert und schließ-
lich die Randzellen
thyllenartig in den
Gang hineinwachsen
(Tunmann), vgl. Fig.
102. Lysigene Erwei-
=:i=r^~^^»^ II -^.^N^j s. ^ //- ^\ /r-~ terung, die ich auf
''ZX*==^^'^\ ..iJf^-^— — ?^-^ ^^""'^ analoger Be-
' ~" obachtungen bei Pha-
nerogamen annahm
( Angew. Anatomie Fig.
600), scheint nichtvor-
zukommen oder doch
selten zu sein. Ich fand gelegentlich losgelöste Zellen im Innern. Die Schleimhöhlen
sind langgestreckte, verschieden breite Kanäle. Sie fehlen ganz jungen Stipites, in der
Handelsware sind sie ausnahmslos zu finden, nie in den Stiften. In der Nähe dieser
Schleimhöhlenschicht, sowohl außerhalb wie innerhalb derselben, fand ich in den
Zellen frischer Stipites der Wandung ansitzende wulstig -traubige, cystolithenartige
Körper, die bei näherer Betrachtung sich als Bläschenhaufen erwiesen, bei denen jedes
Bläschen eine dünne, wahrscheinlich von Öl oder Plasma gebildete Haut und einen
wässrigen Inhalt führt. Tritt gewöhnliches (nicht Meer-) Wasser hinzu, so fließen die
zahlreichen Bläschen zu einer großen, mit einer stark lichtbrechenden Flüssigkeit er-
füllten Blase zusammen. Schließlich platzt auch diese und man sieht an der Stelle
dann nur einige Öltröpfchen liegen. Die Schleimhöhlenschicht besitzt eine braungrüne
Farbe, das ganze Innere ist farblos und hebt sich erstere als sog. Rindenschicht auch
noch dadurch relativ scharf von dem zentralen Gewebe stark ab, daß innerhalb der
Schleimhöhlen ein Meristem zu liegen kommt, welches durch seine cambialen Tei-
lungen das sekundäre Dickenwachstum der Stiele bewirkt. Reinke nennt die außer-
Fig. 102.
Schleimkanal aus der Rindenschicht eines Z.aw:'«(7r/rt-Stipes. C Meristem. [Tsch irch.j
Stipites Laminariae.
297
o-{t
halb des Meristems liegende Zone Außenrinde. In der Zone, wo die einen ringsum-
laufenden Kranz bildenden Schleimhöhlen liegen, reißt das Gewebe leicht, so daß sich
oft die ganze braune Rindenschicht als Röhre ablöst.
Die Zellen der mittleren, an das sog. Cambium nach Innen zu angrenzenden
Partie sind rundlich eckig, in der Organs- _
achse gestreckt und lassen sich von der «s^iJ, l/°^^0%i '^^O |
Initialzelle aus oft auf weite Strecken in nL/T^^^O) ^
radialen Reihen verfolgen. Die Zellen der ),^A\ l>^ ^~\\ i vy/
äußeren Reihen sind kurz, an den Enden
stumpf oder spitz oder mit querverlaufen-
der Wand. Nach innen zu werden sie immer i&Cf~ilil yff^i^ß^ "^ ,f^y^ AV
länger und spitzer. An der radialen Längs- "NX p*— '/^i^ ^^ V^ ^f^O |^ (^
«Mark .'liegende Partie (Reinkes Innenrinde), ■^5s3'\i-<0 s-if
die oft die Hauptmasse des Stipites aus- N.'J\__^r
macht, zeigt häufig konzentrische Zonen '^'1 VtvC
,w/
D
Wille 1885 \J >^'(J>'^^f^ OvO
höheren Algen ^T^rM}^
:her-. ein Lei- Y^.r^nr-^'^^©^,^.
engerer Zellen, wodurch ein Querschnittsbild
ähnlich den Jahresringen eines Coniferen-
stammes entsteht (Fig. foiB). Nicht selten
kann man 8 — 20 solcher «Jahresringe-)
zählen. Einige Autoren halten sie auch für
echte Jahresringe. Es sind aber wohl nicht
echte Jahreszuwachszonen, sondern nur ab-
wechselnde Schichten mechanischen und
Speicher- Gewebes. Wie N. Wille 1885
gezeigt hat, besitzen auch die
ein Assimilations-, ein Speicher-, ein Lei-
tungs- und ein mechanisches Gewebe. Das
Assimilationssystem befindet sich bei Lami-
naria vornehmlich in den blattartig ausge-
breiteten Thalluslappen und in der Rand-
schicht der Stipites, das Leitungssystem auch
im Stipes und das mechanische und Spei-
chersystem vorwiegend in diesem.
Gegen das Zentrum des Stipes hin
geht das Gewebe ziemlich unvermittelt in
ein krauses Durcheinander fädiger, hyphen-
artiger Zellen über. Diese Schicht ist die
sog. Markschicht (Fig. 103, m). In ihr liegen
die leitenden Organe, die Siebhyphen (Fig.
I o I , C). Die von H. Will zuerst bei Macro-
cys/is beobachteten Siebhyphen (Sieb-
röhren) fand N. Wille auch bei Laminarien. Hier sind die Enden der relativ englumigen
Röhrenglieder, ähnlich wie bei den Siebröhren der höheren Pflanzen, angeschwollen.
Die Querwände sind fein perforiert, der Inhalt plasmareich. Die längsverlaufenden
Siebröhren stehen durch zahlreiche Queranastomosen in Verbindung. Das Siebröhren-
Fig. 103.
Querschnitt durch einen aufgequollenen Laminai-iaSiipes,
m Markschicht. [Luerssen].
:9S
Ciyptogame Schlcimdrogo
System des Stammes setzt sich auch in die Gewebelamelle zwischen den beiden assi-
milierenden Schichten der Blätter fort.
Besonders in der Mittel- und Markschicht sind die Membranen stark verschleimt
und zwar ist es fast ausschließlich die Mittellamelle (Interzellularsubstanz), welche den
Schleim liefert. Dieselbe schwillt oft bis zu einer erheblichen Dicke an, während die
sekundären Membranverdickungsschichten stets dünn bleiben oder nur schwach quellen.
Doch sei bemerkt, daß die schleimige Interzellularsubstanz als solche von vornherein
angelegt wird und nicht etwa nachträglich aus einer
Zellulosemembran umgebildet wird. Durch Einlegen in
Kupferacetat läßt sich der Schleim härten (Tunmann).
Die Schleimmembran ist eine besondere chemische und
morphologische Form der Membran vom Charakter der
(schleimartigen) Hemizellulosen. Die breite Interzellular-
substanz gibt mit Jodschwefelsäure keine oder nur sehr
il!=^/\¥iW(,Oy^|äll^/f/ schwache Zellulosereaktion, mit HAnsteins Anilinviolett
^^^^/Mwf/^^-^fo^'lif^ färbt sie sich nur schwach. Die schmale sekundäre Mem-
bran zeigt starke Zellulosereaktion und färbt sich auch
i&^^S'^^^^^ilS "^'' Hansteins Anilinviolett intensiv. Besonders tritt Bläu-
ung mit Jodschwefelsäure dann auf, wenn die Schnitte
vorher mit verd. Kali behandelt werden. Die Wandungen
nehmen erst beim Trocknen braune Farbe an (Wille).
Die starke Quellung der Lamarienstiele ist auf die
Fig. 104. Quellung der verschleimten Zwischenzelisubstanz zurück-
Querschnitt durch einen eingetrocineten ZUfüllreU. Er ist alsO ciuC SchleimmembranqUel-
/.».„„»,-,v,-s.ipes. [Luerssen.] j^^^^^^ ^.^ Schleimhöhlcn der Rindenschicht haben gar
nichts damit zu tun, übrigens schon deshalb nicht, da diese sich niemals in den ge-
drechselten Stielen, die nur aus den inneren Schichten hergestellt werden, findet. In
den Zellen von lebendem Material fand Tunmann Zucker. Die kleinen mit Osmium-
säure sich bräunenden Bläschen reagierten auch mit Vanillinsalzsäure, Jod- und Eisen-
salzen (Tunmann). Kristallbildungen fehlen, doch erhielt Tunmann durch Einlegen
frischer Stiele in Alkohol Caiciumoxalatkristalle. Er nimmt an, daß die Zellen des
Markes gelöstes oxalsaures Natrium enthalten, das sich mit dem Kalk zu Calcium-
oxalat umsetzt. Florideenstärke (Amylodextrin) ließ sich mikrochemisch nicht nach-
weisen. Die eigenartigen Kömchen, die man besonders in dem Speichergewebe anfrißt,
scheinen Eiweißcharakter zu besitzen, jedenfalls kein Kohlenhydrat zu sein und einen
gerbstofTartigen Körper einzuschließen (Tunmann). Diese Körnchen, die Hansteen
Fucosan, Schimper Phaeophyceenstärke, Crato, der sie für amöboid bewegliche,
plasmatische Bildungen erklärt, Physode nannte, zeigen nämlich auch Phenolreak-
tionen, besonders mit Vanillinsalzsäure (Crato, Bruns). Der Ausdruck Phaeophy-
ceenstärke ist also jedenfalls verfehlt und irreführend.
An den Stipites der ähnlich gebauten Alaria esculenta (L.) Grev. kann man nach Wille vier
Zonen unterscheiden. Die äußerste Zone ist das Assimilationsgewebe, in dem sich dieChromatophoren
finden und das zugleich als Bildungsgewebe fungiert, sich auch, wenn abgestoßen, leicht wieder
regeneriert. Dann folgt die Hauptmasse, die zugleich mechanischen, Leitungs- und Speicher-Zwecken
dient und die wenige Chromatophoren, aber viel Reservestoffe (Fucosankörner) enthält. Dann
folgt die Schicht der Verbindungshyphen und das Zentrum ist wieder mechanisches Gewebe.
Gestreckte (den Siebröhren der höheren Pflanzen entsprechende) Siebhyphen — bisweilen mit
Callus auf der Siebplatte — sind (nach Will und Wille) besonders im Inneren reichlich vor-
Stipites Larainariae. 200
banden, ebenso wie die der gleichen Funlction dienenden Verbindungshyphen (true sieve tubes,
trumpet hyphae, Oliver). In den zugleich mechanischen und speichernden Zellen finden sich
neben Chromatophoren Fucosankö rner. Da die Stipites dieser Alge wegen des zentral ge-
legenen mechanischen Gewebes viel biegungsfester sind als die Za?«/Ka/-/astipites, Alaria escu-
lenta (L.) Grev. zudem in den norwegischen Meeren häufig ist, so dürfte es sich empfehlen,
auch aus dieser Alge Stifte zu drehen. (Sie soll übrigens — nach Krämer — bereits hierzu
benutzt werden.)
Lit. TSCHIRCH, Angew. Anal, und Über d. Entwicklungsgeschichte einiger Sekretbeh.
Ber. d. bot. Ges. 1888, S. 5. — Grabendörter, Beitr. z. Kenntn. d. Tange. Dissert. Straß-
burg 1885 {auch Botan. Zeit. 1885). — Kützing, Phycol. gen. Taf. 31. — Ruprecht, Bern,
über d. Bau u. d. Wachsth. einiger großer Algenstämme u. d. Mittel d. Alter ders. zu be-
stimmen. M^m. de l'acad. Petersb. 1848. — Luerssen, Med. pharm. Bot. I, S. 100—102. —
VoGL, Kommentar 1892. — Guignard, Observ. sur l'appar. mucif. des Lamin., Ann. sc. nat.
ser. 7, T. 15 (1892). — Han.steen, Stud. z. Anat. u. Phys. d. Fucoid. Pringsh. Jahrb. 24
(1892). — Crato, Ber. d. bot. Ges. 11 (1893) u. bot. Zeit. 1893, 157. — Bruns, Flora 1894,
Ergb. S. 173. — J. Reinke, Atlas der Meeresalgen. 1889 — 92, Beitr. z. Kenntn. d. Tange.
Pringsh. Jahrb. 10 (1875) und Unters, über d. Quellung einiger vegetabil. Subst. Hansteins bot.
Abh. IV (1879). — Wille, Siebhyphen bei d. Algen. Ber. d. d. bot. Ges. 1885. Bidrag til
Algernes physiolog. Anat. Svensk. Vetensk. Akad. Handl. 1885 u. Beitr. z. phys. Anatom, d.
Laminariaceen. Festschr. z. Kön. Oscars Reg. Jubil. 1897. — Tunmann, Zur Kenntn. d. Lami-
naria. Pharm. Zentralh. 1907, 241 u. 505. Schweiz. Wochenschr. 1910, 537 (dort die Reaktionen
des Fucosans). — Kraemer, Textbook 1907. — Anatom. Abbild, auch in Pl.\nchon-Collin,
Drog. simpl. I, 13.
Chemie. Die Interzellular- oder Bindesubstanz, die so gut wie ausschließlich
die quellende Substanz der Stiele repräsentiert, enthält stets Calcium. Wille und
Kreftling betrachteten sie als Calciumpektinat (Fremy) resp. als das Calciumsalz
einer Tangsäure, die offenbar nahe Beziehungen zur Pektinsäure Gireauds besitzt.
Extrahiert man den Kalk aus der Interzellularsubstanz durch Salzsäure, so quillt der
Schleim mit ^•erdünnten Alkalien gewaltig und löst sich dann rasch (Wille), viel
rascher als ohne diese Vorbehandlung. Er zeigt nun ausgesprochenen saueren Cha-
rakter. A. Kreftling nimmt daher an, daß die Interzellularsubstanz aus der Kalk-
verbindung der Tangsäure besteht, die 39 "/o C und 5 "Jq H enthält und in Wasser
ohne sich zu lösen außerordentlich stark quillt. Kreftings Tangsäure ist N-frei und
soll der Formel CjgHoQOj^ entsprechen. Sie bindet 97 •'Ij Wasser und löst sich nur
in Substanzen mit denen sie Verbindungen eingeht. Die Tangsäure lieferte Krefting
einen reduzierenden Zucker. Auch Mangin hält die Bindesubstanz der Zellen für
einen Pektinkörper. In der Tat bestehen ziemlich viele Beziehungen zu den Pektin-
substanzen der Früchte (Tschirch).
Die Zellwände enthalten Zellulose (Wisselingh), nach Warrington 9,33^/0,
die Mittellamelle auch einen mit Jod und i "Jq H,,S0^ sich blaufärbenden Körper
(Fucin, Wisselingh). Das beim Erhitzen von Fucus mit Schwefelsäure übergehende
Fucusol (Stenhouse) ist ein Gemisch von Furfurol und Methylfurfurol (Maquenne).
Die Entstehung dieser Körper deutet auf das Vorhandensein von Pentosanen und
Methylpentosanen. In der Tat erhält man bei der Hj'drolyse von Fucus eine Methyl-
pentose, die Fucose (die optische Antipode der Rhodeose, Tollens und Günther)
von der Formel:
H H OH
CH3 . CH(OH)— C— C— C— COH.
OH OH H
Die Membran enthält also ein Fucosan. Bieler und Tollens erhielten auch aus
Laminarien Methylfurfurol :
3ÜO Crj-ptogame Schleinidiogen.
CH CH
I I
CHgC. /COH,
so daß wolil anzunehmen ist, daß die Fiictis- und Z,(?w/;/(?r/rt-Membranen im wesent-
lichen übereinstimmen. Auch Glukuronsäure (vgl. S. 77) scheint in der Laminaria
vorzukommen (Tollens). LaminaiiaixMekm gibt bei der Hydrolyse Dextrose (Bauer).
König und Bettels erhielten aus Laminaria japonica (und einer anderen Laminaria-
art): GUikose, Fruktose, Pentosen und Methylpentosen (aber keine Galaktose).
SciiMiEDEBEKG erhielt aus Laminaria zwei den Kohlehydraten nahestehende Sub-
stanzen des Laminarin (CcoHjo.^Oäi) und die stark quellbare Laminarsäure
(CijHijOu). In den beim Liegenlassen von Larainarien an der Luft bei Regen-
wetter austretenden Schleimblasen fand Stanford Algin, das Ca -Na -Mg -Salz der
Alginsäure. Das Natriumalginat kommt in den Handel. Es ist eine außerordentlich
zähe Masse (3 7 mal zäher als Gummi arabicum). Das Algin des Handels wird durch
Ausziehen der Larainarien mit Sodalösung dargestellt. Schon eine 2 "/oige Lösung ist
dick, eine 5 °/oige gelatinös. Auch hier treten also Beziehungen zum Pektin hervor.
Die Tangsäure (Kreftling), die Laminarsäure (Schmiedeberg), die Algin-
säure (Algin, Stanford), die Alginicinsäure und die sog. Pektinsäure (?) sind wohl
dieselbe Substanz in verschiedenen Reinheitsgraden, Die reine Substanz ist aber noch
nicht erhalten worden.
Im lufttrockenen Stipes von La}n. digit. finden sich nach Axel Kreftling:
in kaltem Wasser lösliche Schleimsubstanz 47,4 "j^, Tangsäure iq^/q, Zellulose 10,9 "Jq,
in Wasser lösliche Salze 8,6 "'q, in Wasser unlösliche anorganische Salze 4,4 \, Wasser
7,8^/0. Nach König und Bettels enthält luftrockene Laminaria in Prozenten: 6,16
Wasser, 8,19 Gesamtstickstoffsubstanz, 5,68 wasserlösliche Stickstoffsubstanz, 0,5 Äther-
auszug, 36,04 stickstofffreie Extraktstoffe, 6,66 Pentosane,. 1,1 2 Methylpentosane, 11,27
Rohfaser, 30,06 Asche, 16,47 Chlornatrium. Durch Dämpfen wird in Wasser löslich:
29,39 "Iq anorganische und 50,85 "/q organische Substanz. Von den Meeresalgen sind
die Porphyrasccten sehr reich an Protein, Laminaria, Cystophyllum und Enteromorpha
reich an Pentosanen.
Die Elastizitätsgrenze sinkt bei steigendem Wassergehalt. Das Elasti-
zitätsmodul beträgt bei 40 "j^j Wassergehalt 24,5, bei 90 "/q: 9, bei 140%: 3, bei
23o''|(,: 1,7, bei 35o''|(,: 1,5 (J. Reinke). Durch Einlegen in Wasser vergrößert sich
der Durchmesser der Laminarienstäbchen um 72 "lo» ein Kanal von 50 mm wird auf
147mm erweitert (Cohn). Auch Mannit (5 — ö'/qi Stenhouse) und Dextrose sind
aus Laminarienstipites (von L.flexicaulis, weniger von L. Cltistoni) erhalten worden. Es
scheint aber, daß diese Körper erst in den abgestorbenen Tangen auftreten [Phipson
(1856), SouBEiRAN (1857)], also wohl erst abgespalten werden {Laminaria saccharina
Lamx. enthält bis 12 "/q Mannit). Nach Bruns kommt Fett und Phloroglucin (?)
im Inhalte vor. Über das Fucosan vgl. oben S. 298.
Der Farbstoff der Chromatophoren trockener Larainarien (der sich aber vor-
wiegend in dem Blatteile, weniger im Stipes findet) ist ein Mischfarbstoff. Er wurde
von CoHN Phaeophyll genannt. Er besteht aus braunem, wasserlöslichem Phyco-
phaein (Millardet), das keine Absorptionsbänder besitzt, sondern nur kontinuier-
liche Absorption des Rot bis 0,680 ^ und des übrigen Spektrums bis 0,620 ^i zeigt
(Schutt), gelbem, alkohollöslichem Phycoxanthin (Millardet), das wohl mit dem
Stipites Laminariae. '^OI
Carotin bzw. Xanthocarotin, d. h. dem Xanthophyll der Autoren ex parte, verwandt
oder damit identisch ist (Hansen, Gaidukow) — ich nannte den Körper »^-Xantho-
phyll — und grünem Chlorophyll (Millardet, Ardissone, Hansen). Chlorophyll
und Phycophain sind vielleicht chemisch miteinander verbunden (Engelmann). Die
lebenden Phaeophyceen enthalten kein wasserlösliches Pigment (Phycophaein). Ihre
Chromatophoren sind nach Tswett durch Chlorophyll, Karotin, Fucoxanthin und
Fucoxanthophyll tingiert.
Die Asche beträgt 14,02 "jo (Flückiger), 14 — i8o|o (Stanford), 18,64 "/^
(Goedichen). Darin sind 11, Bö"!,, Kalk (sie ist also kalkreich), 22,4 "Jq Kali, 24,09''|o
Na, 7,44 "/o Magnesia, 0,62 "l^ Eisen, 2,56 "/ß Phosphor, 13,260/0 SO3, 1,560/0 SiO,,
17,23 "/oCI, 3,080/0!; nach Flückiger kein Mangan. Stanford fand in der Asche
Jodide und viel Calciumcarbonat (20 "/o), im ganzen 40 "/q Salze. Nach Wolff diffe-
riert Menge und Zusammensetzung der Asche je nachdem man die Stipites im Früh-
ling oder Herbst untersucht ziemlich beträchtlich, nur Phosphorsäure und Jod bleiben
etwa gleich. Er fand Jod: i — 1,2010. Chlor in Frühlingsmaterial 28,350/0, in Herbst-
material 38,670/0 der Asche.
Wichtig ist besonders der Jodgehalt, da die Laminarien der nördlichen
Meere noch jetzt zur Jodgewinnung herangezogen werden. [Nur Laminarien
nicht J^ua/ScLTten liefern den Kelp (Drift Kelp)]. Um Jod nachzuweisen, darf man
nicht veraschen, sondern muß unter Zusatz von Zinkstaub, Bimstein oder Kieselgur
verkohlen (Flückiger) oder man destilliert mit Braunstein und Schwefelsäure das Jod
ab (Jones). Es enthalten Jod (nach Stanford) in Prozenten der Trockensubstanz:
Laminatia digitata (Stamm) 0,4535, (Laub) 0,2945; Lam. stenophylla (Stamm) 0,4028,
(Laub) 0,4777; Lam. saccharina 0,2794, Lam. bulbosa 0,1966, Fticus serratus 0,0856,
F. nodosus 0,0572, F vesindosus 0,0297. Marchands Angabe, daß Laminaria 5 0/0
Jod enthalte, ist ein Irrtum. [Japan, eßbare Meeresalgen enthalten 0,3 1 7 i J, Cho?idnis
crispus Spuren, Gelidiian corneum dito, Gigaiiina spinosa nichts.] Nach Gautier enthält
Laminaria 12 mg Jod auf 100 g frische und 60 mg auf 100 g trockene Substanz.
Laminaria enthält das Jod fast ausschließlich in organischer Form, in ähnlicher wie
es im Jodothyrin (oder Jodospongin Hundeshagens aus Spongien) enthalten ist und
zwar scheinen mehrere organische Jodverbindungen in Betracht zu kommen, solche,
welche sich in Wasser, Alkohol, Aceton, Alkalien und Säuren lösen und solche, die
in diesen Lösungsmitteln unlöslich sind. Letztere bilden die Hauptmenge (Eschle).
Wahrscheinlich bedingen diese organischen Jodverbindungen die Benutzung der
Fucoideenextrakte (Extr. fucus vesiculos., Extr. Laminariae) zu Entfettungskuren. Der
Gehalt der Asche an Brom beträgt wohl selten mehr als 0,2 0/0.
Fntdeckt wurde in den Tangen das Jod 1813 durch CouRTOls (mitgeteilt von Desormes
und Clement, Schweigg. Journ. 9, 339), das Brom 1826 durch Balard. Der Jodgehalt beträgt
in °/o ^si Ecklonia cava (Kajime), Stengel 0,14831; Eckloma cava (Kajime) , Laub 0,00177;
Ecklonia hicychs (Arame) 0,00028; Cyslop/iylhim spec. (Nagahijiki) 0,00506; Arthrothamnus
bißdtis (Neckoashi Kombu) 0,223; Laminaria japonica (Ma-Kombu) 0,106; Laminaria religiosa
(Hosome Kombu) 0,127; Laminaria hvgissima (Naga Kombu) 0,173; Laminaria angustata
(Mitsuishi Kombu) 0,180, (Rijiri Kombu) 0,188; Laminaria diabolica (Oni Kombu) enthält auch
Jod (Davidsohn).
Der Jodgehalt beträgt bei Ecklonia cava in den einzelnen Monaten (nach Davjdsohn):
In den Stengeln:
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
0,092 0,167 0,061* 0,067* o,i47-j 0.255 0,216 0,142 0,267t 0,144 0,145 0,099
■^02 Cryptogame Schleimdrogen.
Im Laub:
o,8i 0,167 0,063* 0,060* 0,076t 0,294 0,294 0,142 0,232t 0,081 0,112 0,097
* Junge Stengel und Laub, t Alte .Stengel und Laub.
TuNjMANN fand im Stipes von Latriin. 0,059 — o, ioS^Jq, im Blatteil 0,071 — 0,i54"'|(|
Jod der Trockensubstanz. Der Blatteil ist also jodreicher. Das weiß auch bereits die
Industrie. Allazy fand, daß Varech aus der ganzen Pflanze 0,06, aus dem alten
Blatte 0,057, 3US dem unteren Teile des altes Blattes 0,108, aus dem neuen Blatte
0,122 "Iq Jod enthielt. Tunmann gelang es auch noch in i — 2 mgr Substanz Jod
mikrochemisch nachzuweisen. Er legte neben die Schnitte Stärke und ließ starke
Salpetersäure zufließen. Auf diese Weise gelingt noch der Nachweis von -|iooo ™g''
Jod. Ti'NMANN fand Jod besonders in der Mark- und Rindenschicht und nur im
Zellinhalte. Die Jodverbindung ist leicht in Wasser und Alkohol löslich.
Die Effloreszenzen auf den trockenen Stipites sind vorwiegend Natriumsulfat.
Lit. Stenhouse, Lieb. Ann. 74 (1850), S. 278. • — Maquenne, Compt. rend. 109 (1889).
— St.\nford, Econom. applicat. of seaweed. Pharm. Journ. 1884, XIV, 1009 u. flgd. {Pharm.
Zeit. 1884, 507) und Chem. news 1883; auch Pharm. Journ. XIII {1883), 1019, 1037. Journ.
ehem. soc. :886, 218. — Bauer, Über eine aus Laminariaschleim entstehende Zuckerart. Ber.
d. chem. Ges. 22 (1889), 618. — Günther u. Tollens, Über d. Fucose. Ebenda 23 (1890).
— Mangin, Sur la callose, Compt. rend. iio (1890). Rech, sur \. compos. pectiques. Journ.
de bot. 1893. — BiELER und Toi.LENS, Ber. d. d. chem. Ges. 22, 3063. — Muther u. TOLLENS,
Ber. chem. Ges. 1904, 298 u. 306. — Tollens (GIukuronsäure-Reaktion), Ber. d. d. chem. Ges.
1908, 1789. — — Schmiedeberg, Tagebl. Naturf. Vers. 1885, 231 (Pharm. Jahresber. 1885,
23). — Wille a. a. O. — Jones, Chem. News. 48, S. 296. — Gautier, Compt. rend. 12g
(1899), 189 und ebenda 1900. — Eschle, Zeitschr. phys. Chem. 1897, 23, 30 (Ph. Zeit. 1897,
607). ■ — KÖNIG und Bettels, Die Kohlehydrate der Meeresalgen. Zeitschr. Unters, d. Nah-
rungs- u. Genußni. 10. — W.\rington, Chem. News 40, 195. — MarcHjVnd, Ann. chim. phys.
8 (1866), 320. — Farbstoff: Hansen, Bot. Jahresber. 1885,1,404. — Reinke, Beitr. z. Kenntn.
d. Phycoxanthins. Pringsh. Jahrb. 10, 399. — Analysen von Laminaria yaponicavon'K.'Kl.mY.y.,
Nagai und MuRAi bei KÖNIG, Nahrungsm. — Czapek, Biochemie. — Nachweis des Jods
in den Algen: FlOckiger, Arch. d. Pharm. 225 1887), 519 und Pharmakogn. III (Zinkstaub).
— Jones, Ber. d. chem. Ges. 17, Ref. S. 53 (1884). — Weis, Chem. Centralbl. 1903 I, 1158.
— Riegler, Ebenda 1903, II, 772. — Tunmann, Über d. J. u. d. Nachweis desselb. in d. La-
minaria. Pharm. Centralh. 1907, 505. — Justus, Virchows Arch. 170 (1902), 501. — David-
sohn, Imp. inst. Tokio in Pharm. Journ. 1906, 346.
An'wendung. In der Medizin finden die aus den Stipites gedrechselten Stifte
(Laminariastifte, L.-Kegel, Quellmeißel) Verwendung — zur Erweiterung von Öff-
nungen, zum Offenhalten von Wunden und als Quellmeißel und Sonden — an Stelle
des Preßschwammes. Sie quellen sehr langsam und erreichen in 24 Stunden ihr
Quellungsmaximum. Da das Quellungsvermögen in der Markschicht am größten ist
und nach außen hin abnimmt, müssen die Stifte, damit sie gleichmäßig quellen, mög-
lichst genau in der Längsachse der Stiele gedrechselt werden. Die Stifte quellen in
destilliertem oder kochsalzhaltigem Wasser besser als in kalkhaltigem. Die Laminaria-
stäbchen sind entweder solide (Vollstifte) oder hohl (Hohlstifte). Es werden jetzt im
Handel angeboten: Vollstifte von 1,5, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 mm Durchmesser und
8, 10, 20 und 30cm Länge, Hohlstifte von 4, 5, 6, 7 und 8mm Durchmesser
und 8 bzw. 10 cm Länge, sowie conische 4,5 cm lang (Caesar u. Loretz, 19 10).
Neuerdings kommen sie auch sterilisiert (Stich) und imprägniert in den Handel. Auch
ein Blutstillungscharpie wird aus den getrockneten Stipites hergestellt.
Sonst werden die Laminarien auch als Viehfutter und Düngemittel benutzt. Die
raannithaltigen Teile der Lamin. flexicaulis, besonders die unteren Enden der Stiele,
Stipites Laminariae. oq^
werden gegessen, ebenso Lam. saccharina (und Satgasstiin) im Mittelmeergebiet. Lami-
naria saccharina enthält 7,79 "/o des Trockengewichtes N-haltige Substanzen (Waring-
ton). Die japanische Aigenkonserve, Naga-Kiri-Kombu (kombu = Seekraut), besteht
aus der in Streifen geschnittenen Lamina von Laminaria japonica Aresch. (Senft).
Die umfangreichste Verwendung ist die zur Jodbereitung (s. unten). Neuerdings dienen
Fucusextrakte als Entfettungsmittel (s. oben). In Labore und Kaschmir wird Lamin.
saccharina als Galhar-Kapalta gegen Kropf, im Himalaya bei Syphilis benutzt. Hai-
tao ist eine der Laminaria digitata nahestehende Meeresalge, wahrscheinlich L. brac-
teata, i m und darüber lange, etwa 6 cm breite Streifen mit von Salzauswitterungen
weiß bestäubter, schmutzigbrauner Oberfläche. Die Alge verleiht mit Wasser gekocht
diesem eine schlüpfrige Beschaflfenheit, weshalb sie zur Appretur Verwendung findet.
In Japan und China wird sie gegessen. Sie dürfte identisch sein mit der Laminaria,
die in China als «Hai-tai > und «Kwanpu» oder «Kai-wan , bei Menstruationsbeschwerden
zur Erhöhung der Uterustätigkeit verwendet wird (Gehe i 898).
Bie Tang-Jodgewinnung wird in Japan besonders in Hokkaido betrieben. Man be-
nutzt außer Laminaria auch Eclotiia-, Sargassum-, Arthrofhamnus- und Cystophyllnm-AxX&i:!. Die
Fischer ziehen mit ihren Booten zu den Kelp-grounds und reißen die Algen mittelst Gabeln
von den Felsen (I, Fig. 100, S. 1 02). Die getrockneten Algen werden dann in Höhlungen oder Herden
verbrannt — richtiger verkohlt — der Kelp mit Wasser ausgezogen, die Lösung eingedampft
und mit Braunstein und Schwefelsäure erhitzt. Zur Jodfabrikation werden an den Küsten von
Frankreich (Normandie) und Schottland besonders Laminaria-, Alaria- und Fucus- K.xX.e'o. benutzt.
Der Jodgehalt sinkt beim Verbleiben der Algen im Wasser. Man bringt daher die von Booten
aus mit an langen Stangen befestigten Sicheln geernteten samt den bei stürmischem Wetter vom
Meere ausgeworfenen Laminarien sofort an Land und verkohlt bald. 22 t Tang liefern 1 1 Varech
oder Kelp (Tangaschei. Die Verarbeitung der Tange geschieht jetzt nicht mehr überall in den
früher üblichen Gräben der Varechbrenner, sondern zum Teil nach dem Verfahren von PelliEUX
und Maze-Lannay. «Es beruht auf der Verarbeitung von Schnittalgen. Zur Trocknung der
Tange dienen drei terrassenartige Erhöhungen. Die beiden unteren sind mit Cement belegt. Auf
der obersten Terrasse beläßt man die Algen 4 — 5 Tage zum Abtropfen und oberflächlichen
Trocknen. Auf der zweiten Etage läßt man sie in Gärung kommen; dabei entlassen sie eine
Menge Flüssigkeit von einem im Vergleich zu den getrockneten Tangen höheren Jodgehalt.
Diese Flüssigkeit wird daher gesammelt und abgedampft. Der Abdampfrückstand gelangt schließ-
lich mit den auf der untersten Terrasse vollständig getrockneten Tangen behufs Veraschung in
den Calcinierofen.» In 1000 kg Varech sind enthalten bei Laminaria stenoloba 0,57 — 1,22, bei
L. digitata \ZT. stcnophylla 0,99, bei L. sacciiarina 0,^^, hei Araria rscutenta 0,10 kg Jod {ALI.AZY),
Kreftling gewinnt für technische Zwecke Standforts Alginsäure jetzt im Großen aus
Laminarien Norwegens. Er nennt sie Tangsäure. Ihre Alkalisalze sind stark klebrig 's. oben S. 300).
Lit. Stanford a. a. O. — Kreftling, Über wichtige organ. Produkte aus Tang. Chem.
Industrie 1897, Nr. 20 (Bot. Centralbl. Beihefte 1898, 519). — Senft, Über einige in Japan
verwendete vegetabil. Nahrungsm. usw. Pharm. Praxis 1906 u. 1907 (dort ein Verzeichnis der
Laminariakonserven). — Krasser in Wiesner, Rohstoffe. — Allazy, Bull. soc. chim. 38, 11.
— Jodgewiunung in Japan: Govern. Rep. on the investig. on Marine Res. of Hokkoido
und Kingo Miyabe, On Ihe Laminariaceae and Laminaria Industries of Hokkaido (Pharm.
Journ. 1906 Sept.)
Geschichte. Wilson empfahl zuerst die Anwendung der Laminariastäbchen in der
Clairurgie. Aber schon 1834 hatte HJvberl die Laminariastäbchen mit den zu gleichem Zwecke
empfohlenen aus Enzianw7iTzel verglichen (Winckel). Sie werden etwa seit 1863 in der chirur-
gischen Pra.xis benutzt. Man hat es für möglich erklärt (Dragendorff), daß das Erythrodanon
des Marcellus Empiricus eine Laminaria war.
Lit. Häeerl, Neue Zeitschr. f. Geburtskunde I, S. 50. — Winckel, Göschens deutsche
Klinik XIX (1867), 270; — Pharm. Jahresber. 1864, 280. — Vgl. auch RUSSEL, Fucus vesiculosus.
Dissert. Oxon. 1750.
^04 Cn-ptc^me Schleimdrogen.
Paralleldrogen. Seit dreihundert Jahren ist die Eigenschaft der Wurzeln von
Gentiana lutea in Wasser stark aufzuquellen bekannt. Dieselben wurden daher seit
langem wie heute die Laniinariastifte benutzt.
Neuerdings (seit 1879) wird das durch Pressen leicht auf ein geringes Volumen
zu bringende Holz {Tiipeloliolz, Lign. Nyssae) der in den südlichen Vereinigten Staaten,
besonders Südkarolina heimischen Cornacee, JVi'j.ra aquatka L. {Nvssa multiflora
Wangenh. und die verwandte N. bißora Mich.), einer Sumpfpflanze, in gleicher
Weise zu Quellstiften benutzt. Nach Maisch eignet sich Nyssa grandidentala noch
besser dazu. Die daraus dargestellten sehr leichten, gelblich weißen sog. Tupelo-
stifte quellen rasch auf ihr ursprüngliches Volumen, behalten dasselbe dann aber
auch nach dem Trocknen bei. Der Vorgang beruht hier auf etwas ganz anderem
wie bei den Laminariastiften, nämlich darauf, daß die Zellen des ungewöhnlich dünn-
wandigen Holzes (Moeller) die Fähigkeit besitzen, durch Wasserentzug und Zu-
sammendrücken stark zu kollabieren und durch Wasserzufuhr wieder auf das ursprüng-
liche Volumen zu gehen.
Lit. Nyssa: Pharm. Jahresber. 1879, S. 54 und 1884, S. 249, Arch. d. Pharm. 1879,
S. 355 u. Pharm. Centralh. 1879, Nr. 6 (Haubner). — Haaxmann, Ned. Tijds. 1879, S. 145. —
J. Moeller, Afrikan. Drogen, Lign. Nyssae. — Pharm. Centralh. 1883, S. 545 u. 581 (mit
Abbild.). — Ph. Zeit. 1884. S. 59. — Maisch, Am. journ. pharm. 1883, p. 631. — Gehe,
Handber. 1880. — Engler-Pkantl, Pfl.-Fam.
Agar-Agar.
Unter dem Namen Agar-Agar werden sowohl einige kleine Meeresalgen der
Abteilung der Florideen wie auch ein aus indisch-japanischen Florideen dargestellter
eingetrockneter Schleim bezeichnet. Im Handel versteht man aber nur letzteren
unter diesem Namen. Der Name Agar-Agar taucht in der europäischen Literatur
zuerst bei Crawford auf (History of the Indian Archipelago vol. III p. 46). Agar-
Agar ist der malaiische Name für Gracilaria lichenoides. Gr. liche7ioides var. teniiis
heißt malaiisch: Agar-Agar Kuning, Javan.: Bulong, Makass.: Dongi-Dongi. Im Hind.
Bomb. Bengal. bedeutet Agar etwas ganz anderes, nämlich Lignum Aloesl (Dymock).
Im Japan, heißt Agar: kanten = kalter (klarer) Himmel, weil man es nur bereiten
kann, wenn das Wetter kalt und trocken ist.
I. Unbearbeitete Algen.
1. Agar-Agar von Ceylon.
Syn. Ceylonmoos, Jafnamoos, Mousse de Jaüfna, Alga ceylanica s. amylacea,
Fucus amylaceus s. ceylanicus — shih-hwa-ts'ai (chin.) — chini-ghas (Ind. Bazars,
bomb.) — kadal-pach-chi (tarn.) — samudrapu-pächi (tel.) — kujav-poen (burm.).
Stammpflanze. Gracilaria lichenoides Greville (Sphaerococcus lichenoi-
des Ag., Fucus amylaceus O'Shaugn., F. lichenoides L., F. gelatinosus König, Plocaria
Candida Nees, Gigartina lichenoides Lamour.) in Greville Alg. brit. 50, Turner
Fuci t. 118.
Systemat. Stellung. Florideae — Rhodymeliales — Sphaerococcaceae —
Gracilarieae.
Die zierliche (gracilis, daher Gracilaria), in der Tat einer Flechte (daher
Agar-Agar. 305
lichenoides) äußerlich ähnliche Meeresalge, die im Indischen Ozean, an den Küsten von
Ceylon, den Sundainseln und Burma vorkommt, bildet runde, nach dem Trocknen
und Bleichen weiße oder grauweiße (lebend: blaß-purpurrote), wiederholt gabelig ver-
ästelte (daher Plocaria, von jcXoxoq, Geflecht) Fäden, deren Dicke zwischen der eines
Zwimfadens und der dünnerer Bindfäden schwankt. Der Thallus wird bis über 20 cm
lang. In der Droge ist er meist stark zertrümmert. Jod färbt den Schnitt braunrot,
beim Erhitzen rotviolett (daher: amylaceus). Die Randschicht besteht aus kleinen derben
Zellen, die Markschicht aus großen weiten. In der kleinzelligen subepidermalen Zellschicht
und vereinzelt auch in den großen Markschichtzellen finden sich kleine Stärkekörner
und Körnchen, die mit Jod violett werden ( Amylodextrinstärke ?). Die Wände, be-
sonders der Markzellen, färben sich mit Jod rot, beim Erhitzen geht die Farbe in
violett über, ähnlich wie beim Amylodextrin. Auch der durch Auskochen der Droge
erhaltene Schleim wird durch Jod violett. Die Fäden knirschen beim Drücken mit
der Hand, quellen in Wasser nur wenig, entwickeln dabei aber den typischen Tang-
geruch. Mit dem 50 fachen Wasser gekocht liefern sie eine Gallerte.
Der Fucus ainylaceiis wurde 1834 von O'Shaxjghnessy empfohlen und 1837
von Previte unter dem Namen Ceylonmoos in England eingeführt. Im deutschen
Handel ist er seit 1841 (Martius, Jahresber. d. Pharm. 1842, 241). Er wird in
Indien als Nahrungsmittel benutzt, kann aber auch wie Carrageen (s. d.) benutzt
werden (Crawford). Im indischen Archipel und in China ist er längst in Gebrauch.
Er ist wohl eine der von Rumphius im Herbar. Amboinens. unter dem Namen Alga
coraüoides beschriebenen Pflanzen. In der Pharmakopoea indica (1868) steht eine
Decoction of Ceylon Moss [und (non officinal) Gillur ka putta von Laminaria
saccharina\ .
Beigemengt ist der Droge bisweilen: Graciiaria confervoides Grev.
Als Paralleldroge gilt Gelidium cartilagirieum Gaill. und Gigartina selacea Lamx.
(Weitere Angaben in der Pharmakographia.)
2. Agar-Agar voa Makassar.
Syn. Agar-Agar von Java, Alga spinosa, ostindisches Carrageen.
Stammpflanze. Eucheutna spinosum (L.) J. Agardh (Fucus sp. L., Sphaero-
coccus sp. Ag.).
Systemat. Stellung. Florideae — Gigartinales — Rhodophyllidaceae —
Solicrieae.
Die im chinesischen Meere vorkommende Alge hat einen trockenen, etwa 2 mm
dicken, stielrunden, rötlich-gelblichen, knorpeligen Thallus, der ziemlich reichlich mit
domigen Auswüchsen, den Cystocarpien, besetzt ist. In Wasser quillt sie auf die
doppelte Dicke und wird hyalin. Sie zeigt oft weiße Salzinkrustrationen, dient auch
zur Agar-Agar-Bereitung (s. unten) und in Japan zur Herstellung von Gelees (Abbild,
nach KüTZiNG bei Krasser in Wiesner, Rohstoffe I, 645).
3. Japanisches Moos.
Stammpflanze. Gloiopeltis coliformis Harv., G. cervicomis Schmitz.
Systemat. Stellung. Florideae — Cryphonemiales — Gloiosiphoniaceae.
Diese in dem chinesisch -japanischen Meere vorkommenden Algen dienen den
Japanern als billiges Nahrungsmittel und liefern einen zähen Schleim.
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 20
.io6
Cryptognme Schleimdrogen.
Viele Algen dienen in Japan als Nahrungsmittel. Senft gibt folgende japanische Namen
eßbarer Algen an:
Laminaria japonica = Konbu, Kobu, Hirome ; Porphyra vulgaris = Asakusa-nori, Ama-
nori, Alaria pinnatißda = Wakame, Chondrus spec. = Hijiki, Gelidium corneum ^^ Tokoro
Tengusa, GraciUaria confervoides = Ogo nori, Etiteromorpha compressa = Ao nori, Phycoceris
smaragdina = Ao sa, Tisanori, Hallymenia dentata ^ Tasaka nori, Halochtoa macrantha =
Hondawara, Kawaramo (vgl. auch Useful plants of Japan, Edible Algae). Über eßbare Algen
vgl. auch oben S. 303, 307 und 313.
II. Aus Algen dargestellte Gelatinen.
Agar-Agar von Japan.
Syn. Vegetabilischer Fischleim, japanische oder chinesische Gelatine, japanische
oder indische Hausenblase, Gelose — Japanese isingglaß, vegetable gelatine, sea-weed —
in Japan : kanten — dschin-dschen, tjen-tjan (das quadratische), dschindschom , tientjan,
tjientjan, tientjow, thao, lothaho, haitao, haitsai, haitsau, yang-tsai. In den ind. Bazars:
chinighäs. In den Preislisten auch: Gelatina japonica Tjen-Tjan. — Marchand schlägt
vor das Agar Phycocolla zu nennen (im Gegensatz zu Ichthyocolla).
Stammpflanze. Die beste Sorte japanisches Agar-Agar wird von Gelidium-kitea
gesammelt, hauptsächlich wohl von Gelidium Amansii Lawx. {= G. Swansii?), G.
polycladum Kürz., G. elegans Kürz. (G. rigidum) — weniger von Gelidium japo-
nicum Okam. und G. subcostatum Schmitz — [Florideae, Nemalionales, Gelidaceae],
in neuerer Zeit auch von Acanthopeltis japooica Okam., ebenfalls ein Gelidiacee.
Andere Arten, welche zur Herstellung von Agar-Agar dienen, sind: Gracilaria
confervoides und G. lichenoides, Campyloeophora hvpneoides, Ceramhim rubrum.
Ferner werden als ein Agar liefernd angegeben: Gelidium corneum (Hudson) Lamour.
(G. capiüaceum Kxz., Fuciis corneus HUDS., Sphaerococcus com. Ag.); Gelidium cartilagtneum
Gaillon {Fucus carfilag-inetis L., Sphaerococc. cart. AG.); Gloeopeltis tenax (Turner), J. AgarDH
[Florideae — Cryptonemiales — Gloiosiphoniaceae] ; Eucheuma spinosicm (L.) J. Agardh (Fucus
spinosus L., Sphaerococcus spinös, AG.); Eucheuma gelatiuae AG.
(Sphaerococctcs gelat. AG.). Eucheuma speciosum AG. {Gigartina spe-
ciosa SOND.).
Payen betrachtete Gelidium corneum Lam. und GraciUaria
lichenoides Gr. als Stammpflanze des Agar. Ersteres wird sicher von
f^ den Chinesen gebraucht. (Hanbüry fand es 1860 in einer Sammlung
chinesischer Algen ) Doch werden nach Hanbury auch Laurencia
papulosa Gr., Laminaria saccharina Lamx., Porphyra vulg. AG. und
GraciUaria {crassa}) soviit Eiicheuma spinös, benutzt. MaRCHAND, der
die Streifen und vierkantigen Stücke (Würfelagar) mikroskopisch unter-
suchte, fand hierbei besonders Gelidiitmpolycladuin'K.mz,, unter dem
sich aber zwei Algen verbergen. Holmes bildet das japanische Gtli-
dium polycladiim Sonders ab, das die Hauptmasse der Tengusa bildet.
Marchand hält Gloiopeltis für den Hauptbestandteil in dem Würfel-
agar und Gelidium. corneum var. acanthocladum (nach HoLMES var.
pinnatum) für den Hauptbestandteil der schmalen Streifen und er-
wähnt auch eine Endocladia. Matsumura nennt: Gelidium corneum
var. pinnatum, G. cartilagineum, G. repens , G. rigidum.; OkaMURA
beschreibt andere Arten. Davidsohn, der in Japan lebte, teilte dann
(iqo61 mit, daß hauptsächlich Gelidium Swansii, soll wohl heißen:
Amansii {= Tengusa) gutes Kanten liefere, dann ein unbekanntes
pi„ jQ. Gelidium (= Higekusa), schlanker als Tengusa und G. japonicum
._ , ,. , .. ,,, , f= Onigusa); geringeres Kanten aber von dem an der Küste wach-
Geitatum Amnnsti. [Holmes, ^ ^ & /» b b
Pharraaceut. Journal 1906.] senden G. subcostatum und den besonders als Beisatz benutzten
Agar-Agar.
307
Campyloeofhora hypneoides (= Ego) komme. Beinahe so gut wie Tengusa bezeichnet er ^toK/'Äo-
peltis japonica {== Toriaschi — in ShikokiO. Als Substitute und Beisätze werden auch benutzt:
Gracillaria confervoides (^ Ogo) und Ceramüun Boydeni (= Igisu). Hoi.MES fand in Tengusa
(1879): Geliduim elegans und G. polydadum (nicht G. sittcostatum und divaricatum). Davidsohn
führt noch als Kanten liefernd an: Catnpyloeophora ?iypncoidcs, Gracillaria confervoides (wohl
compressa), Sarcodia spec. ign. Tunmann fand 1909 in den feinsten Sorten Agar Gracillaria
confervoides.
Nach Marchand u. a. werden außer den Hauptalgen (s. oben) noch folgende zur Agar-
Agar-Bereitung benutzt: Sphaerococcits compressus AG., Gloiopeltis coliformiSy Gelidium capilla-
ceum, sowie Arten von Streblonema, Scytosiphon, Sporantkiis, Ceramitim, Centroceras, Endocladia
NitophylluTn, Polysipkonia^ Gracillaria.
EUG. CoLLiN fand in Agar Reste von Gelidium, Gloeopeltis, Gracillaria, Laurencia und
Ceramitim. Er bemerkt: «It est probable que les Japonais utilisent pour la pr^paration toutes
las algues de leur littoral, qui peuvent se transformer en g^lose.»
Etym. Gelidiura von gelare gefrieren, gerinnen, gelu (für Gel^e schon im Wiener Dispen-
satorium) bedeutet Frost, Kälte. — Eucheuma von iv = wohl, schön, ■/ivßo. = Guß, Guß-
arbeit — Gloeopeltis von ykolci ■= Leim, Gallerte, niXzrj = Schildchen.
Die Gelidiaceen sind Rhodophyceen mit meist zartem verzweigtem, stielrundem
Thallus mit deutlicher Fadenstruktur. Die Cystocarpien in Gestalt kleiner Anschwel-
lungen bald endständig, bald intercalar an den letzten Aus-
zweigungen des Thaüus verteilt. Die Gelidieen haben Sprosse
mit Zentralachse und eine dicht geschlossene Rinde. Die
Zentralachse mit quergegliederter Scheitelzelle, Rindenfäden
wirtelig angeordnet. Die vielgestaltigen Arten der Gattung
Gelidium Lamouroux [Cornea Stackhouse) finden sich in
sämtlichen wärmeren Meeren, oft weit verbreitet, Gelidium
corneum (Hudson) Lamourx. z. B. im atlantischen, indi-
schen und stillen Ozean. Gelidium ist fiederig seitlich ver-
zweigt, von sehr dichtem und zähfestem Gefüge. Die Außen-
rinde ist kleinzellig, die Innenrinde längsfaserig durch zahl-
reiche, dicht zusammenschließende, dünne, längslaufende
Fäden, welche die dünne Zentralachse fast vollständig ver-
decken und deren Gliederzellen sich vielfach querüber ver-
tüpfeln. Bei Gelidium corneu7ii findet sich ein ausgesprochenes
Assimilationssystem in der Peripherie, das durch Sammel-
Fig. 106.
Assimilationssystem von Gelidium
coriteittn (Zellumina schwarz) ; dar-
zellen mit dem weiter innen gelegenen Leitungssystem in """" Sammelzellen, die mit dem
Leitungsgewebe in Verbindung
Verbmdung steht (Abbild, nach Agardh m Haberlandts steh.
[Nach Agardh. aus
W i 11 e s Algernes phj-siologiske
Anatomi.]
Anatomie S. 265).
Andere aus Algen hergestellte Gelatinen sind
Satsuma Funori, ein statt Gummi oder Leim von den Japanern und Chinesen als
Klebemittel und zum Wäschestärken benutzte Gallerte, wird besonders aus Gloeopeltis
tenax Ag. hergestellt (s. weiter unten). Nori, ein japanisches Nahrungsmittel, wird aus
Porphyra laciniata und coccinea dargestellt (Senft).
Unter dem Namen «Sea weed jelly from China», «chinesische Pflanzengallerte»,
befinden sich in meiner Sammlung braune Würfel, die einen Caramelgeruch besitzen,
süßlich fad schmecken und stark in Wasser quellen. Weitere Angaben in Dragen-
DORFF, Heilpflanzen. Über Hay-Thao und Ly-cho vgl. Valenta, Klebe- und Ver-
dickungsmittel.
Lit. Rennie, Essays on the nat. hist. and orig. ofPeat moss. Edingb. 1810, — Meyer,
De Fuco crispo. Berolin. 1835. — Herzer, De fuco crispo. Turici 1836. — Sigmond and Farre,
iOS Cryptogame Schleimdiogen.
Essay of the Ceylon Moss. London 1S40. — LovÄN, Om Geleers. Lund 1841. — Archer,
Pharm. Journ. XIII, 312, 1854. — SiMMONDS, Ebenda 355. — (Wiggers bespricht Archers
u. SiMMONDS Arbeit, Pharm. Jahresb. 1854, 10). — Payen, Compt. rend. 1859 u. 1860. —
H.\JiBURY, Science papers 1860. — Marchand, Note sur le Phycocolla ou gelatine vög^tale
produite par les algues. Bull. soc. bot. France 27 (1879), 287 und 1880, 207. — C. A. J. A.
OUDEMANS, Bijdrage tot de kennis van het Agar-Agar vlugtige opmerkingen omtrent Fucus
amylaceus en Tjentjau. Haa.\m. Tijds. 1856 (gute morpholog. u. anatom. Abbild, von Eiie/ii-unia
spinös, u. Gracillaria lichenoides), auch Arch. Pharm. (2) 87, 283 (mit einer Tafel). — J. Agardh,
Spec. gen. et ordines algarum. Lund 1848 — 76. — Suringar, Algae japonicae. — De Toni,
Sylloge algarum omnium hucusque cognitarum. ^ Useful plants of Japan. — BORNET et Thuret,
Rec. d'observ. sur les alg. Paris 1876—1880. — Okamura, Neue Japan. Florideen. Hedwigia
1894. — Yatabe, Iconographia Hör. japon. I. — Matsumara, Catal. of the plants of Japan.
— Holmes, The Japanese sea weed industry (Pharm. Journ. 1906, 319 (besonders nach D.WID-
SOHN, Wakayama Sea weed industr. Bull. Imper. Inst. IV, 2, 125; mit Abbild.) — Dymock,
Vegetable Mater, med. — Filet, Plantkundig woordenboek. — Hartwich in Realenzykl. d.
ges. Pharm. I, 322. — Krasser, Algen in Wiesner, Rohstoffe. — Die Gelidiaceen-Literatur
bei Schmitz-Hauptfi.eisch in Engler-Prantl, Pflanzenfam. I, 2,340. — Abb. von Gracillaria:
Bentley-Trimen, pl. 306. — Planchon-Collin, Drog. simpl. I, Fig. 10 u. 11 (auch anatom.).
Darstellung und Handelssorten. Die Auskunft, die Holmes (1906) von einem
Japaner erhielt, lautete daliin, daß die gereinigten Algen zu einem steifen Gelee ge-
kocht werden, welches in Formen ausgegossen wird. Die erkaltete Masse wird, in
Streifen geschnitten und, der Sonne einen Tag ausgesetzt, langsam trocknen gelassen.
Der Hauptsitz der Agarfabrikation sind (nach Davidsohn) die Distrikte von Osaka,
Kioto, Nagano und Hiogo (besonders Hokaido, Wakayama, Miye, Shozuoka, Chiba),
woselbst die Gewinnung namentlich während der Wintermonate betrieben wird. Die
Pflanzen werden bereits vom Mai bis August gesammelt, während welcher Zeit sie
am ergiebigsten sind. Die Hauptalge ist Gelidiiim «Swatisüt, (= G. Amansii), in
Japan «Tengusa» genannt. Sie ist 10 — 20 cm lang und wird mittelst Haken und
Schaufeln bzw. Schleppnetzen, auch durch Taucher aus dem Meere gesammelt, da
die am Ufer wachsenden Algen von geringerem Werte sind. Es werden aber auch
andere Arten (s. oben) zur Agarbereitung herangezogen; man setzt diese gewöhnlich
dem Tengusa- Agar in größerem oder geringerem Maße zu (vgl. oben S. 306), wo-
durch die Qualität natürlich entsprechend beeinflußt wird. Die frisch gesammelten
Algen werden von den Fischern am Strande sorgfältig getrocknet und hierbei zum
Teil schon gebleicht; dies geschieht häufig (z. B. in der Provinz Izu) auf über den
Boden erhöhten Bambusmatten. Das Produkt wandert nun in die «Kanten > -Fabriken,
wo es in einer Art von steinernen Mörsern unter fortwährendem Wasserzusatz von
anhaftenden Verunreinigungen, wie kleinen Muscheln und dergleichen, befreit wird.
Dann wird es in Bambuskörbe in fließendes Wasser gestellt, um die letzten Unreinlich-
keiten zu entfernen. Dann wird gebleicht, unter fleißigem Begießen und Wenden (zu-
mal bei trockenem Wetter), wozu in der Regel 24 Stunden, bei ungünstiger Witte-
rung aber auch mehrere Tage erforderlich sind. Das erste Bleichen beginnt im August
oder September. Die Algen .werden in dünner Schicht auf Bambusmatten ausgebreitet.
Schließlich hängen die Algen zu Bündeln zusammen und diese Bündel werden ver-
speichert. Zur eigentlichen Herstellung des Agars, die vom November bis März er-
folgt, weicht man die bearbeiteten Algen in Wasser ein, kocht sie über freiem Feuer
(in 790 gallons haltenden Kesseln) oder behandelt sie mit Wasserdampf. Hierbei
werden von den Fabriken bestimmte Gewichtsmengen Wasser und Algen (es kommen
z. B. 165 engl. Pfund Algen auf 950 — 1000 Gallonen Wasser) eingehalten. Ver-
wendet man geringwertigere Algen als Zusatz, so läßt man diese länger kochen, d. h.
Tafel via.
Tscliirch, Handbuch Jer Pha
riliaUo^nosi
BJ. II.
Verlag von Chr. Herrn, Tauchniiz, Leipzig.
Agar-Agar-(Kanten-)Fabrik in Suwa Gori (Japan).
I. Die in dem hinten sichtbaren Bottich gekochte Masse wird auf die Filter geschöpft und die filtrierte Masse dann auf die rechts
sichtbaren R.ihnien gebracht. 2. Die gefüllten Rahmen werden ins Freie getrasren. 5. Die starker Winterkalte ausgesetzten, in
Reihen angeordneten Rahmen.
[Cliches Salle & Co. aus Perrot-Gatin, Les Algue^
narm, utiles igil.
Agar-Agar. 309
man gibt sie früher in den Kessel als die gute Sorte. Die ganze Masse bringt man
zum Kochen, rührt innerhalb fünf bis sechs Stunden häufig um, gibt dann ein be-
stimmtes Quantum Essig oder Schwefelsäure zu und läßt nun wieder frisches Wasser
zufließen. Etwa eine halbe Stunde nach dem erneuten Aufkochen ist der Prozeß
beendigt. Die gelatineartige Flüssigkeit (Japan.: Tokoroten) wird durch ein Hanf- oder
Baumwollgewebe gepreßt (in Pressen oder durch Beschweren mit Gewichten) und zum
Erkalten beiseite gestellt; nach etwa 18 Stunden ist sie zu einer Gallerte erstarrt.
Die Preßrückstände werden wiederholt mit Wasser behandelt und auf die gleiche
Weise nochmals auf Agar verarbeitet. Die Gallerte wird schließlich (im November
bis Februar) der Nachtkälte ausgesetzt, wodurch die Masse nach etwa 18 Stunden
bis drei Tagen völlig erstarrt und fest wird. Man läßt hierbei den filtrierten Schleim
in genau wagerecht gestellte hölzerne Tröge laufen, die 61 cm lang, 30,5 cm breit
und 7,5 cm tief und bisweilen in Kolonnen geteilt sind von 46 cm Länge, 3,5 cm
Breite und 3,8 cm Tiefe. Dann erst zerschneidet, bzw. trocknet man sie unter wieder-
holtem Wenden an der Sonne und bringt die Droge in die handelsübliche Form.
Das Schneiden in Längsstreifen geschieht mittelst eiserner «frames», das Trocknen
auf Bambusmatten oder auf Böcken in Holzverschlägen unter Abhaltung des Staubes,
bei kaltem Wetter (35" F.). Der größte Teil des japanischen Agar-Agar geht nach
China und Hongkong und nur eine verhältnismäßig kleine Menge gelangt direkt
nach Europa (Davidsohn' 1906, Holmes).
Die Güte des Agar ist wohl nicht abhängig von den verwendeten Arten, son-
dern von der mehr oder weniger sorgfältigen Bereitungsweise. Es wird in folgenden
Sorten hergestellt:
1. In c. 3 — 5 mm breiten, c. 35 cm langen, hyalinen oder grauweißlichen zer-
knitterten, meist zu Bündeln verschnürten Streifen. Selten erreichen diese, an die
sog. Seele der Federkiele eiinnemden, Streifen Fingerdicke und eine Länge von 50 cm.
2. In 2,5 — 4 cm dicken, c. 25- — 30 cm langen, gelblichweißen, leichten, vier-
kantigen, knitterig-blätterigen Stücken, die an den Kanten ebenfalls durchscheinend
hyalin sind.
3. In c. 3 cm breiten und c. 30 cm dicken hyalinen Platten.
Hanbury hatte schon 1859 sowohl die vierkantigen Stücke, wie die dünnen
Streifen in Händen (Science papers).
Der Großhandel unterscheidet Agar in Fäden — A. -Schnitzel — A. -Stangen
und A. in Linealform. Fäden, Schnitzel, Stangen kommen in Packen von c. 90 kg
in den Handel, Linealform in Kisten ä 100 Stangen. Von Fäden, der besten und
wichtigsten Sorte, unterscheidet GrossmAnn 19 ig primaweiß 000, prima 00 und
prima o, eine minderwertige Sorte nennt er courant.
Der Export von Agar-Agar aus Japan betrug in den ersten 9 Monaten 1909: i 708353 Kin.
1904 exportierte Japan 10657 dz, 1906: 8377 dz. '/a der Ausfuhr geht nach China. Deutschland
importierte 1906: 1064 dz, 1909: 919 dz.
Funori (sea weed glue s. oben S. 307) wird aus Gloiopeltis tenax (Yanayo-Funori) und
G. coli/ormis und einigen anderen noch nicht bestimmten Algen dargestellt — das beste in
Nagasalii und Kogoschima. Es wird auf dem Boden ausgebreitet, mit Händen und Füßen geknetet,
in Körben gewaschen, dann zum Bleichen und Trocknen unter Bespritzen mit Wasser gleichmäßig
ausgebreitet. Wenn ein zäher Saft auszutreten beginnt, wird kein Wasser mehr aufgespritzt. Man
läßt dann eine Nacht liegen und trocknet. Das fertige Produkt ist also kein extrahierter
Schleim, sondern wird von den verschleimten verschlungenen Thallusstücken
gebildet. Es kommt in sheets (Blättern), die 4'/j : 2'/2 Fuß lang sind, oder in Rollen in den
;io
Cr)-ptogame Schleimdrogcn.
Handel. Es löst sich fast ganz in koclicndem Wasser (Pharm. Journ. 1906, Sept.). (Einige andere
Algen, wie ChonJnis spec. = tsuno-mata, Jridoea spec. = Ginantso, werden vorher in Wasser
eingeweicht und erhitzt, dann mit Wasser bearbeitet und zum Trocknen ausgebreitet.)
Lit. Bereitung: Davidsohn a.a.O. — Holmes a.a.O., — Pharm. Zeit. 1907, 1078.
Beschreibung. In kaltem Wasser quillt Agar-Agar auf, in heißem löst es sich
größtenteils zu einem klebrigen Schleim, der abgekühlt zu einer Gelatine erstarrt. Der
^-^ '"'"^'"^^i&i^&iß^^
Fig. 107.
Auf chinesischen Meeresalgen gefundene Diatomeen. [Aus V jlliers-Col lin , Tr-iite des alterations et falsifications,
Doin et fiis Paris,]
Schleim wird durch Jod violett. Die Droge quillt in Kali stark, kaum in Kupferoxyd-
ammoniak.
Im ungereinigten Agar-Agar finden sich neben plasmatischen und verkleisterte
Florideenstärke enthaltenden Zellinhalten, die den einzelnen Algenzellen entsprechen,
und intakten Zellen, besonders des Leitungsgewebes, stets zahlreiche Diatomeen-
schalen und Spongillennadeln (Marpmann, Senft, Tunmann) (vgl. Fig. 107 u.
108). Man kann sich dieselben dadurch sichtbar machen, daß man einäschert, die Asche
mit Salzsäure behandelt, sedimentieren läßt und das Sediment unter das Mikroskop bringt
oder das Gelee mit Schwefelsäure und etwas Kaliumpermanganat dünnflüssig macht, sedi-
mentieren läßt und das Sediment untersucht. Die besseren Sorten enthalten weniger
Diatomeen und Spongillennadeln als die schlechten Sorten. Auf diese Weise kann man
rohes, ungereinigtes Agar auch in Fruchtgelees nachweisen. Es finden sich namentlich
Arten der Gattungen Cocconeis und Grammalol>hoya, dann auch Arnchuoidisciis und
Campyloneis (Slnit), seltener die von Marpjmann angegebenen Ampltiprora, Licma-
phora, Siauroneis, Rhabdonema, Chaetoccras , Triceratium , Amphiteiras und Biddulphia-
Agar-Agar.
3"
Arten. Auf Gelidium fand Menier Arachnoidiscus ornatus Ehrb. Die Spongillennadeln
sind einfache Nadeln oder Nadelsteme (Tunmann). Tunmann fand im Agar auch
Kalkalgen Polypen und (von den Preßsäcken herrührend) Baumwolle und Hanffasem.
Lit. Menier, Falsific. de 1. gelee de groseille du comm. decouv. p. les Diatom. Nantes
1879. — MarpmaNN, Über Agar-Agar und dessen Verwendung und Nachweis. Zeitschr. angew.
Mikrosk. 2, 1897. — Senft, Über Agar-Agar-Diatomeen. Zeitschr. AUg. öster. Apoth. Ver.
1902, 229 (mit Abbild.). — Tunmann, Einige Bemerk, über Agar-Agar, Pharm. Centralh. 1909,
233. — Abbild, der Diatomeen auch in Villiers et Collin, Alterat. et falsificat. 1900, p. 833.
Chemie. Nach König und Bettels enthält lufttrockenes Gelidium cartilagineum
in Prozenten: Wasser 13, Gesamt-N-Substanz 17, wasserlösliche N-Substanz 7,37,
Ätherauszug 0,8, N-freie Extraktstoffe 40,16, Pentosane 3,35, Methylpentosane 0,91,
Rohfaser 12,9, Asche 11,88, Chlomatrium 0,3. Durch Dämpfen wird in Wasser lös-
Fig. 108.
j. Grammatophora angutosa Ehrenb. : a Schalenseite. 2. G, oceanica Ehrenb. 3. G. oceanica f. tnacilenia, 4. G.
serpentina Ralfs. 5. Arachnoidiscus ornatus Ehrenb. 6. Nicht punktierte Cocconeis. 7. Cocconeis Scttielluni
Ehrenb.: a obere, b untere Schalenseite, b f. minor, 8. Campyloneis Grewillei Gnin. 9. Kieselnadeln. [Senft.]
lieh: 9,37 anorganische und 54,22''/q organische Substanz. Nach Greenish enthält
Ceylonmoos 36,7 1\ Gelose (s. unten). Nagai und Mürai fanden in lufttrockenem
Agar-Agar (Tungusa) in Prozenten 9,8 StickstofTsubstanz, 52,2 stickstoffreie Extraktiv-
substanz, 5 Rohfaser, 18,5 Wasser und 14,5 Asche. Kellner fand niu- 3,4 "/q Asche.
Auch bei den Agar- Analysen von Greshoff, Sack und van Eck finden wir große
ß 1 2 Crj'ptogame Schleimdrogen.
Schwankungen, in einem Falle iSigö^jj,, im andern ^.Sg"];, Asche. Davidsohn fand
in bestem Japan. Agar 2I,79''|q Wasser, 5,g5''lo N-haltige Subst., 64,59''/o Kohle-
hydrate, Gelose, 3. 54% Zellulose, 4,13% Asche. Greenish gibt in Agar 7 Kohle-
hydrate an: wasserlöslicher Schleim, Gallerte bildende Substanz, Stärke, Metarabin,
Pararabin, Holzgummi, Zellulose. Die Zusammensetzung der «Strohhalmform» und
der sog. «vierkantigen Form» des Agar unterscheiden sich nur wenig, sie enthalten
(vgl. bei König) 2,5 (6,1)% Protein, 0,85 (0,58)0/0 Fett, 70,58 (63,96)010 Kohle-
hydrate, 3,06 (3,18)0/0 Pentosane, 0,44 (0,42) "/q Rohfaser, 3,46 (3,4)°/o Asche.
König und Bettels fanden bei der Hydrolyse von Gelidium carlilagineutn u. and.
Gelidierr. d-Galaktose, Fruktose und Pentosen. Die gleichen Zucker liefert Agar-Agar.
Bei der Hydrolyse von Agar wird Zellulose abgeschieden und es scheint auch das
dem Glukose-Dextrin entsprechende Anhydrid der Galaktose (Galaktan) aufzutreten
(ToLLENs). Nach O'Shaughnessy enthält Jaßwmoos 54,5°/o Pflanzengallerte (Pektin),
15O/0 Stärkemehl (?), 0,50/0 Wachs, 40/0 Gummi, iSOjo Faser und Salze. Ferner ist
Jod darin gefunden worden (Wonneberg und Kreyssig). Greenish fand 36,7 i^/o
Gelose — daneben Metarabin (1,320/0). Paramylan (6,52), Holzgummi (3,17), Zellu-
lose (10,17).
Das Kohlehydrat des Agar-Agar wurde als Gelose (Payen 1859) bezeichnet
und zur Pektingruppe gerechnet. Gelose ist nicht identisch mit Fucin, Lichenin, Para-
rabin. Bei der Hydrolyse liefert Gelose u. a. Arabinose (Greenish). Reine Gelose gibt
noch I : 500 eine steife Gallerte und unterscheidet sich von der tierischen Gelatine
dadurch, daß sie von Tannin nicht gefällt wird, vom Carrageenschleim, daß sie ge-
latiniert, und vom Gummi, daß sie sich nicht in kaltem Wasser löst. Das Gelosin
Guerins (1886), das zu 20O/0 aus Gelidiuvi cornnart erhalten werden kann und dem
Fucin und der Pektose nahestehen soll, ist wohl identisch mit Gelose. Nach Payen
stimmt die Gelose von Agar-Agar mit der dts Ja/namoos überein. Morin und Porum-
BARU gaben ihr die Formel CflHjoGs. Sie wird durch Jod rotviolett. Agar-Agar liefert
bei der Behandlung mit HNO3 Schleimsäure und Oxalsäure. Es enthält also ein
Galaktan (Greenish, Morin, Bauer). Bei der Oxydation lieferte Agar Strohhalm-
form 25,44 — 25,9i0/|j, Agar vierkantige Form 27,060/0 Schleimsäure — entsprechend
33,05 — 36,57 o/g Galaktose. Ein wesentlicher Bestandteil sowohl dts Agai-Agar wie des
Ceylonmoos (Reichardt, Greenish) ist, wie es scheint, das Pararabin (Cj2H2.20ij)n.
Pararabin quillt in Wasser und besitzt im Gegensatz zur Arabinsäure keine sauren
Eigenschaften. Bei längerer Berührung mit Alkalien geht es in Arabinsäure über. Das
Pararabin des Agar-Agar liefert bei der Hydrolyse Galaktose (Bauer), das des Ceylon-
moos Galaktose und d-Glukose (Greenish). Bei der Hydrolyse des Nori (s. oben)
wurde i-Galaktose, d-Mannose, Glukose und etwas Fucose erhalten (Oshima und
ToLLENS). Es enthält also Mannan. Nach Tollens enthält^^ö?- i,660/g der Trocken-
substanz Pentosan.
Die wichtigsten Gelatine gebenden Algen und aus Algen gewonnenen Sub-
stanzen zeigen folgendes Verhalten (Stanford). Mit 1000 T. Wasser geben eine
Gelatine:
Die erhaltene Gelatine
Von Teile Also Proportion , ., , .
schmilzt bei
Gelose aus China 4 i 3i,o0
Gelidium comeum 8 2 3i,oO
Chondrus crispus 30 7,5 26,5*
Agar-Agar. 3 1 3
Von
Teile
Also Propc
irtion
Die
erhaltene Gelatine
schmilzt bei
32
8
2I,oO
32
8
15,0»
36
9
21,0»
60
15
31.0»
Hausenblase
Gelatine
Caragheenin
Agar-Agar
Lit. Ältere ehem. Unters, des Fucus amylaceus und Agar in Pereira, Heilmittellehre,
zitiert. — O'Shaughnessy, Ind. Journ. of med. sc. Calcutta 1834 und London, Med. Gaz. 1837,
566, Royal. Med. Bot. Soc. 1837, 618. — SiGMOND and Farbe, On the Ceylonmos 1840.
— Bley, Jahrb. f. pr. Pharm. 1843. — Riegel, Ebenda. — Kreyssig u. Wonneberg, Artus
allgem. pharm. Zeitschr. Heft I. — Gonnermann u. Ludwig, Arch. d. Ph. iii, S. 204, — Gui-
bourt (1842). — Archer u. Suimonds, Pharm. Jahresber. 1854, 10. — Martius, Ebenda 1858
u. N. Jahrb. f. Pharm. 1858. — Payen, Ebenda 1860, 13. Sur la Gelose Compt. rend. 1859,
523. — Haneury, Note on manufactur. prod. of sea-weed called Japanese ising glass. Ph.
Journ. ^2), I, 1859, 508 und Science papers 206. — Reichakdt, Arch. d. Pharm. 209 (1876),
107. Ber. d. ehem. Ges. 8, 807. — H. G. Greenish, Pharm. Zeitschr. f. Rußl. 20, 501. Ber.
d. ehem. Ges. 1881, 2253 und 1882, 2243. Chem. Centrbl. 81, 649. — Derselbe, Die Kohle-
hydrate von Fucus amylaceus. Arch. d. Pharm. 17, 241, 321. Dort die ältere Literatur. —
MoRiN, Compt. rend. 90 (1880), 924, Bul). soc. bot. france {2), i. — Porumbaru, ibid. p.
1081. — Bauer, Journ. pr. Ch. 30 (1885), 367. N. Zeitschr. f. Rübenzuckerind. 14, 154. —
OsHiMA u. TOLLENS, Ber. d. chem. Ges. 34 (1901), 1422. — Cooke, Pharm. Journ. 1860. 504.
— Holmes, Pharm. Journ. IX (1878), 45. — Toli:ens, Kohlenhydrate und Journ. Landw. 1896.
— Flückiger-Hanbury, Pharmacographia. — VoGL, Kommentar. — Pereir.^, Handbuch. —
Porter-Smith, Contrib. t. Mat. med. etc. of China. Shanghai 1871. — Oudemans, Haaxm.
Tijds. 1856 u. Arch. d. Pharm. (2) 87, 283 (mit Tafel). — Stanford, Algin, Chem. Zeit. 1885.
— Kellner, Jap. chem. anal, of a collection of agric. specim. Iniern. agr. exhib. New Orleans
1884. — Nagai und MURAI, Jap. intern, health. exhib. London 1884, Catal — König und
Bettels, Die Kohlehydrate der Meeresalgen und daraus hergestellte Erzeugnisse. Zeitschr.
Unters, d. Nahrungsm. 10. — König, Nahrungsm.
Anwendung. Agar-Agar wird etwas in der inneren Medizin, viel zu Gelees,
(Ersatz der Gelatine), dann (zum Teil mit Gelatine gemischt) zur Herstellung von
Nährgelatine für bakteriologische Zwecke — sie bleibt auch bei c. 40° noch fest —
und in der Industrie als Appretur und für Stempelkissenmasse benutzt; neuerdings
in der chirurchischen Praxis als Prothese (Kramer). Auch (das gepulverte) für Vaginal-
kugeln, Stuhlzäpfchen und Medizinalstäbchen. Zu arzneilichen Zwecken empfahl es
zuerst Previte anfangs der vierziger Jahre des XIX. Jahrh. Die Mikroskopiker be-
nutzen sie als Einbettungsmittel. In Japan und China werden die vierkantigen Stücke
zu Gelees, Süßigkeiten usw., die schmalen Streifen im Haushalt wie Stärke, z. B. zum
Stärken, Nori auch zum Leimen des Papiers und der Laternen benutzt. Die Gallerte
aus Cerajnmm Loureirii Ag. wird als Nahrungsmittel und bei Brustkrankheiten ge-
braucht (Dragendorff). Agar dient auch zur Appretur feiner Gewebe, denen man
einen geschmeidigen GrifiT geben will.
Lit. Heilmann, Bull. soc. ind. Ronen 1875, 263. — Dinglers Polyt. Journ. 218, 522. —
Dragendorff, Heilpflanzen. — SENFT,Über einige in Japan verwendete vegetabil. Nahrungsm. usw.
Pharm. Praxis 1906 und 1907. — Watt, Diction. econ. prod. IV, 174. — Mason, Burm
and its People. — Balfour, Ciclop. I — Pharmacogr. indica III, 635 u. 638 (dort die
Verwend. in d. Technik). — Dymock, Veg. mat. med. West. ind. — Verwend. in d. Chirurgie:
Krämer, Mercks Bericht igoi.
An dieser Stelle mag auch der in Ostasien als Leckerbissen hochgeschätzten Salan-
ganen-, Tunkin- oder indischen Vogelnester gedacht werden, da dieselben auch noch
neuerdings (Dragendorff 1898, Leunis, Karsten) mit den Meeresalgen in Beziehung gebracht
werden. Sie haben aber mit denselben nichts zu tun, denn sie werden von Turmschwalben der
■^ j 1 Schleime in Samen.
Gattung Colhcalia (bes. C. fuciphaga, escitlenta und nidijrca) aus einem von den Vögeln aus-
gewürgten Schleime aufgebaut, der von zwei Speiclieldrüsen sezerniert wird, die sich während
der Brutzeit zu einer bedeutenden Größe entwickeln (Marshall). Sie enthalten Neo ssin, eine
dem Mucin verwandte Substanz (König und Bettels). Nach den Analysen von Greshoff,
Sack und van Eck enthalten die Salanganennester im Mittel 55,57 "/„ «Protein» (neben 0,6°/,,
Fett, 7,l6°/o Asche und i8,63°„ Wasser). Sie gehören also eigentlich zu den Mucindrogen
(neben den tierischen Leim).
2. Schleime der sekundären Membran.
Schleime in Vegetationsorganen und Blüten von Phanerogamen.
a) Schleime in Samen.
I. Schleimepidermen.
Zu den Drogen, welche Schleimepidermen an der Samenschale besitzen, die
also auch, ohne zertrümmert zu werden, mit Wasser einen Schleim liefern, gehören
in erster Linie die Samen von Linum usilatissimuvi und Cydonia vulgaris, dann die
Flohsamen von Plantogo Psyllium; ferner die Samen zahlreicher Cruciferen (z. B.
Sinapis, Brassica), endlich die von Collomia grandißora, Citrullus Colocynl/iis und einiger
Acanthaceen und Polemoniaceen (Hofmeister) (und die Pericarpien einiger Labiaten,
z. B. Sab'ia Honnium, Ocynuim Basilicuni).
Hier werden nur Linum, Cydonia und Psyllium abgehandelt, die Cruciferen-
samen unter den Glykosiddrogen. Die Schleimepidermen der Samenschalen dienen
dadurch, daß sie außerordentlich viel (s. Cydo?iia) Wasser zurückzuhalten vermögen
und den keimenden Samen im Boden befestigen, zur Sicherung der Keimung, wie
Versuche von Lüdtke und mir bei Linum (i88g) gezeigt haben, scheinen aber auch
für die Ernährung des keimenden Samens von Bedeutimg zu sein (Ravenna und
Zamorani 1910).
>enien
Lini.
Syn. Leinsamen, Flachssamen (Glix im Oberengadin), liri, giglio rosso (im Tessin)
— semence ou graine de lin (usuel) (franz.) — lin (commun), flax (linseed) (engl.)
— lino (ital.) — lijn (holl.) — lenmag (ung.) — linfrö (schwed.) — pellavan (fin.)
— Xivov, XivaQi (n.-griech.). — Im Ägyptischen hieß der Lein Sri, Leinsamen dsr,
psn. Bei Dioskukides stehen in [ ] noch die Synonyma: linokalamis, annon, linon
agrion, bei den Römern: linomyrum, linum agreste, bei den Afrikanern: zeraphois.
— Bei Ibn Baithar (arab.): kattän (bazr al kattän = sem. lini — «Elbazr heißt
der Same jeder Pflanze», sagt Abu Hanifa) — kutan, zaghu (pers.) — atas'i (sansc),
masina (beng.) — alsi, tisi (hind.) — alishi virai (tam.). — Wu-ma, Hu-ma-jin,
Hsiao-hu-ma-ta-ku-ma (chin.).
Etym. «Der Name Lein gehört sicher zum uralten Sprachgut der europäischen Indo-
germanen und es kann demnach auch nicht zweifelhaft sein, daß der Flachsbau den germani-
schen Völkern schon in der Urzeit bekannt war» (HOOPS). kelt. lin (= Faden), goth. lein-jö
— angels. Ifene — ir. lin — cymr. Hin — ad. lina — ahd. lina — mhd. lyn(so im Gothaer
Arzneibuch, neben vlas), lyne, leyne — lat. linum — griech. }dvov. Bei der Hildegard: linsamo,
linsame; bei Megenberg (I, S. 693): linsät. Der Stamm ist li. Schon in vorhistorischer Zeit
finden sich in den Sprachen der europäischen Indogermanen Ableitungen von dieser Wurzel,
welche Flachs und primitive Gewebe bezeichneten (Schrader). Vgl. auch I, S. 1059. Flachs
(mehr für die Fasern wie für die Pflanze in Gebrauch) , von der indogerra. Wurzel piek =
flechten {gr. n?.t%etv) — ahd. flahs — mhd. vlahs, vlaes — ag's. fleax — nd. flaß — Flachs auch
Semen Lini. '^ I S
im Ort. sanitat. — Endlich auch (bes. für die Faser) : ahd. haro, hara; rahd. har; nhd. haar;
anord. horr ^ Haar. — Die im Altertum viel gebräuchliche Bezeichnung carbasos ist viel-
leicht (Plinius) iberischen Ursprungs und steht mit dem sansc. karpasam (pers. kirbas, korfas).
das ursprünglich Baumwolle bedeutete (s. Gossypium, S. 229) in Verbindung.
Stammpflanze Linum usitatissimum L. (Spec. plant, ed. I 277).
Man unterscheidet die Kultur-Varietäten: Lin. usit. var. crepitans SchObl. et Marx.
(Z. usit. ß humiU MiLL., L. crepitans BoENNiNGH.), den sog. Klanglein, Klenglein oder
Springlein (arab. kettän), mit niedrigerem, mehr verzweigtem Stengel, größeren, mit Geräusch
aufspringenden Kapseln und hellbraunem Samen. — L. usit. var. (oder forma) vulgare Schübl.
et Mart. [L. u. forma indehiscens Neilr., Z. j7(/^ff/-f Boenningh.), der sog. Schließ lein oder
Dreschlein mit höheren, weniger ästigen Stengeln und geschlossen bleibenden kleineren
Kapseid. — Z. usit. var. (forma) ß. hiemale A. De. (L.bienne MlLL.), zweijährig, mit zahlreichen
gekrümmtenStengeln. — Zwischen den Hauptrassen steht als Übergangsform Lin. amliig-uum JOKU AS.
— Nahe verwandt ist Lin. angustifolium Hudson (s. weiter unten) , das von den kanarischen
Inseln über das Mittelmeergebiet bis zu den Alpen, zum Balkan, Kaukasus und Libanon und
bis nach England verbreitet ist. Möglicherweise sind dies alles Rassen oder Formen einer Art
(De Candolle). Wild ist Linum usitatissimum nicht mehr nachzuweisen (Wettstein 1903).
Systemat. Stellung. Linaceae, Lineae — Eulinum.
Beschreibung der Stammpflanze. Der Lein ist ein ein- oder zweijähriges
Kraut. Der stielrunde, einfache oder verästelte, bis i m hohe Stengel ist kahl und
innen hohl. In der schmalen Rinde desselben liegen, die Rinde fast ausfüllend, zahl-
reiche Bündel langer Bastfasern. Sie liefern die Leinfaser (\'gl. S. 254 und die Theorie
der Flachsröste). Die spiralig angeordneten Blätter sind schmal lanzettlich, beiderseits
verschmälert, sitzend. Der Blütenstand ist ein Wickel. Die aktinomorphen, pentazycli-
schen, pentameren, nur einen Vormittag blühenden, an naßkalten Tagen sich über-
haupt nicht öfifnenden Blüten besitzen einen fünfblättrigen, 5 — 6 mm langen, grünen,
quincuncial deckenden Kelch, dessen Blätter oblong-eiförmig und an den Rändern
zart gewimpert sind. Die fünf umgekehrt-eiförmigen, kurz genagelten, oben etwas ge-
kerbten, bis 13 mm langen, schön blauen, etwas dunkler geäderten Blumenblätter be-
sitzen eine gedrehte Knospenlage, die fünf episepalen, am Grunde ringförmig ver-
bundenen Stamina besitzen blaue Antheren. Auch die Filamente sind im oberen
Teil blau. Die Antheren sind in der Mitte des Rückens aufgehängt. Die Pollenkörner
sind ellipsoidisch und besitzen drei meridionale Längsfalten. (Man findet sie bisweilen
im Honig, vgl. Villiers et Collin, Alterat. et falsificat.) Zwischen den fertilen
Staubfäden sitzen fünf epipetale Spitzchen, die als Staminodien aufzufassen sind.
Auch die fünf schlanken, keulenförmigen, anfangs links zusammengedrehten Griffel
sind blau — so dass die leider sehr vergängliche Blüte einen außerordentlich lieb-
lichen Anblick gewährt.
Weiches Grün den Stengel zieret
Blüte trägt des Himmels Helle;
Leis vom Westhauch angerühret
Wogt sie sanft in blauer Welle. (JusT. Kerner.)
Linum zeigt oft Selbstbestäubung. Der Fruchtknoten ist eiförmig und kahl.
Er wird von fünf epipetalen Fruchtblättern gebildet. Da die Außenwand derselben
aber nach innen zu eine Längsleiste, eine sog. falsche Scheidewand bildet, erscheint
der Fruchtknoten zehnfächerig und enthält denn auch 10 Ovula, in jedem echten
Fache zwei. Die bis zur Reife vom Kelche umhüllte Frucht (Flachsknoten) ist eine
7 — 8 mm lange, fast kugelige Kapsel, die je nach der Varietät entweder wand- oder
fachspaltig aufspringt (Springlein s. oben) oder geschlossen bleibt (Schließlein s. oben).
Lit. Reiche in Engler-Pr.antl, Pflanzenfamilien (dort die botan. Lit. d. Familie).
5 1 5 Sclileimepidermen.
Abbild. Nees v. Esenbeck, PI. med. 389. — Hayne, Arzneigew. VIII, t. 17. —
Berg-Schmidt, Atlas, 2. Aufl. t. 102 (dort die systemat. Lit.). — Pabst-Köhler, Medizinalpfl.
— Behtley-Trimen, Medic. plants t. 39 u. in zahlr. and. Werl^en.
Pathologie. Über die pflanzlichen Schädlinge berichtet Prof. Ed. Fischer: Unter den
Parasiten, welche den Flachs schädigen, ist vor allem Oiscuia Epilimim Weihe, die Flachs-
seide, zu erwähnen, welche mit ihren fast fadenförmig dünnen Stengeln den Stengel ihres Wirtes
umwächst und Haustorien in denselben entsendet. — Gefährliche Pilzkrankheiten sind beson-
ders die sog. Flachsmüdigkeit oder Flachswelke, hervorgerufen durch Fusarium Lim Boix. und
der Flachsbrand, dessen Urheber eine Chytridiacee, Asterocystis radicis Marchal ist, die sich
in den Wurzelzellen ansiedelt. Beide Parasiten können den p'lachs zum Absterben bringen.
(BoLUiY, H. L. in North Dacota Agric. Coli. Gov. Experim. Stat. Bulletin No. 50, 1902 und
No. 55, 1903. Marchal, E., Recherches biologiques sur une Chytridinee parasite du Lin.
Bull, de l'Agric. Belg. 1901). Neuerdings wird als arger Schädling auch der Flachsrost, Me-
iamjisora Lin!{FET!.s.)'DESU., genannt. Die Krankheiten des indischen Lein in Watt, Dictionary.
Über die tierischen Schädlinge berichtet IsraüL:
1. Käfer: Den Leinfeldern (ügen mehrere //o/feaarten, besonders wenn die Pflanzen
noch jung sind, erheblichen Schaden zu.
2. Falter: Pliisia gamma L. Die Raupe dieser gemeinsten aller Eulen ist polyphag. Sie
lebt unter anderen auf Leontodon, Urtica, Beta, Trifohiim&x\.^vi. usw. 1899 traf ich sie ver-
heerend auf Leinfeldern im Odenwalde, woselbst sie hauptsächlich die unreifen Samenkapseln
verzehrte. Auch auf Radiola linoides^ Liitm pereiuie und catliarticiim fand ich dieselbe fressend.
Mamestra pisi L. Die polyphage Raupe lebt auch diXxf Liiiumiisitatissijmuii. Calocampaexoletal^.
Die fast polyphage, prachtvolle Raupe lebt auf den verschiedensten Pflanzen. Sie ist sehr häufig
von Parasiten bewohnt. Ich traf sie außer auf Linum usitatissimum auf Phragmites, Typha,
Euphorbia £s7t la MTid Cyparissias, Lamiititi2,xitn, Leontodon, Cytisus sagittalis^ Saroihamnus,G'&xX^Ti-
rliabarber, Laciuca sativa und vielen anderen Pflanzen. Conchylis epilinana Zell. Die kleine
Raupe lebt nach Taschenberg in den Samenkapseln von Z?'«z(/«arten. Fernerwerden genannt:
Engerlinge und die Made der Flachsfransenfliege (Thrips linaria LTzel).
Im gepulverten Leinsamen findet sich oft die Milbe Glyciphagiis domesiicus
Geer. Einige Zeit aufbewahrtes Leinmehl enthält nach meinen Erfahrungen, wenn
es nicht ganz trocken ist, immer Milben. Auch Tunmann beobachtete sie (Pharm.
Centralh. 1906). Er nennt besonders Glyciphagus spinipes C. L. KocH und G. dome-
sticus. Die Milben fressen in erster Linie den Schleim.
Kultur und HandeL Der Lein verlangt feuchte Wärme mit häufigem Wechsel zwi-
schen Wärme und Feuchtigkeit. Er verträgt weder große Hitze noch Dürre, noch Fröste.
Er gedeiht am besten an Seeküsten, in Niederungen und Gebirgen mit vielen Nieder-
schlägen oder reichlichem Tau und Nebel auf flachgründigem, feuchtem Boden. Der
Lein wird sowohl im subtropischen wie im gemäßigten Klima gebaut. Seine nördliche
Grenze fällt im allgemeinen mit der der Gerste zusammen, ja geht in einigen Gegen-
den noch weit über den Polarkreis hinaus (Schübeler), wo der Getreidebau bereits
zurückbleibt. Als Gespinstpflanze wird der Lein sowohl als bäuerliche Hauspflanze
im Kleinbetrieb, wie auch als Industriegewächs im Großen gebaut. Es bauen Lein:
Mitteleuropa (bis 1500 m), Rußland, Ägypten, Algier, Abessynien (bis 3300 m), Ost-
indien (die kälteren Gegenden), Nordamerika, Argentinien, Uruguay, Brasilien, Austra-
lien. Besonders viel baut Belgien (Westflandern, Ostflandern und Namur), wo c.
600000 ha mit Lein bestellt sind, dann das nördliche europäische Rußland, Irland,
Holland (I, S. 67), Preußen, Thüringen, Schlesien, Österreich (Böhmen, österr. Schlesien,
Kämthen, Tirol), Frankreich und Italien. In der Lombardei wird Lein wegen der
Fasern, in Apulien der Samen wegen kultiviert (Ravasini).
Der Anbau erfolgt hauptsächlich zum Zwecke der Gewinnung der Leinfaser
und zu diesem Zwecke wird (besonders seit den siebziger Jahren des vorigen Jahr-
Semen Lini.
317
Hunderts) fast ausschließlich der einjährige Schließlein (s. oben) gebaut. Die Länder,
die Leinsaat (d. h. keimfähige Leinsamen zur Aussaat für Faserflachs liefern), wie
in erster Linie Rußland (Riga, Pernau), dann neuerdings auch Tirol (Ötzthal) und
Holland bauen daher jetzt nur diesen. Aus russischem Saatgut in erster Aussaat in
Deutschland erhaltenen Leinsamen nennt man Rosen lein. Dort, wo der Lein der
Samen wegen, d. h. zur Gewinnung von Ölsaat im Großen gebaut wird, kultiviert
man dagegen den Springlein (s. oben). Leinsamen liefert jetzt vornehmlich Argen-
tinien und Südrußland, dann Indien, die russischen Ostseeprovinzen, Belgien, Ägypten
und Nordamerika, weniger Japan, Marocco, Österreich, Deutschland und Holland.
Vom Schließlein unterscheidet man die keimfähigen, also als Saatgut benutzbaren
Samen, die Leinsaat (s. oben) — nur diese ist für pharmazeutische Zwecke
brauchbar — und die nicht keimfähigen, nur zur Ölgewinnung tauglichen Samen,
die vor völliger Reife gesammelt wurden oder ihre Keimfähigkeit wegen langen Lagems
verloren haben, die Schlagsaat. Der Lein wird nämlich in vielen Gegenden, um
eine gute Faser zu erzielen, vor der Reife der Früchte aus dem Boden gezogen.
Schließlein muß natürlich gedroschen werden.
Zur Gewinnung des Öls wird meist Schlagsaat verwendet, für die feinsten Sorten
aber eigens gebauter Springlein. Dieser ist auch, neben der Leinsaat, für pharma-
zeutische Zwecke allein anzuwenden, eventuell ausgereifte Samen, die ihre Keimkraft
verloren haben. Unausgereifte Samen sind auszuschließen. Die Kultur von Lein zur
Linseed- (Fiaxseed-) Gewinnung ist in Indien, wo fast nur Samen und nur sehr
wenig Fasern produziert werden, beträchtlich. Schon 1887 waren über 3^/2 Mill. Acres
zu diesem Zwecke mit Lein bestellt. Besonders viel baut Bengalen und die Zentral-
provinzen, weniger Berar, die Nordwestprovinzen und Oudh, Bombay und Sind, am
wenigsten Panjäb, Madras und Burma (Watt). In Indien unterscheidet man whit-
seedes und red-seeded, d. h. hellgelbe und rotbraune Samen.
Die Ausfuhr Indiens an Linseed nach England (und englischen Besitzungen) betrug 1907/08:
2290185,1908/09: 1405467 cwts; nach anderen Ländern: 1907/08:3907697, 1908/09:1804080.
Besonders Frankreich ist Abnehmer indischer Leinsaat. Es empfing 1908/09 c. I Mill. cwts.
Deutschland importierte 1909: 4368667 dz Leinsamen, vorwiegend aus Argentinien
(3708478), dann aus dem europ. Rußland und brit. Indien, weniger aus Uruguay, den Ver.
Staaten und Japan, Marocco, Österreich und den Niederlanden und exportierte 68 280 dz, be-
sonders nach den Niederlanden, Dänemark und Norwegen.
Frankreich führte 1908: 1876721 Quintal. Leinsamen ein, vorwiegend aus Argentinien
(i 138 909 Quint.) und engl. Indien, dann auch aus Rußland, den Ver. Staaten, Uruguay, Tunis,
Marocco und Algier. Von europäischen Staaten lieferte besonders Belgien viel, dann die
Niederlande.
Die Einfuhr von Linseed in die Ver. Staaten von Nordamerika betrug 1909:
597671 busheis. Die Ausfuhr 1908: 4277313, 1909: 882899 busheis.
Die wichtigsten Handelssorten sind jetzt: Russischer Leinsamen und zwar
baltischer (baltic linseed) und südrussischer oder asowscher (black sea linseed). Der
reinste ist der baltische. Er liefert auch das am besten trocknende Öl. Der südrussische
enthält ^"Jq und mehr Hanf- und Ravisonsamen. Russischer L. enthält 32 — 38''|(, Öl.
Argentinischer L., sog. La Plata-Saat, neuerdings in großer Menge im Handel,
aber ziemlich unrein (Unkrautsamen, Pflanzenfasern) mit 35 — SÖ^/q Öl. Indischer L.
(s. oben), auch ziemlich unrein (s. hinten), mit 37 — 41 "jo Öl. Marocco L., Cana-
discher L., Nordamerikanischer L. in geringer Menge.
Maroccoleinsamen (jetzt als Medizinalleinsamen viel im Handel) wird in Säcken
ä 100 kg gehandelt (Jul. Grossmann).
;iS
Schleimepidormen.
Leinsamen wird leicht ranzig. Er sollte nicht über ein Jahr aufbewahrt werden.
Lit. Langer, Flachsbau. Wien 1893. — Knight, Flax and Linseed industry. Journ.
Dep. Agr. Victoria 1906. — Schindler, Flachsbau in Rußland 1898. — Wiesner, Rohstoffe.
— T. F. Hanausek, Ebenda. — W.\tt, Diction. econ. pr. of India. — Schübeler, Viridar.
norwegic. II (1888), 439. - — Über die Leinsamen-Sorten vgl. Nobbe, Handb. d. Samenkunde.
Holmes, The varieties of linseed in english commerce. Pharm. Journ. 12 (1881). — Über den
Umfang, Zunahme und Rückgang des Leinbaus finden sich Zahlen in der Zeitschrift «Flachs
und Leinenv. Wien u. Trautenau. — Karte der Verbreitung der Flachskultur in ScoBEL,
Handelsatlas.
Morphologie der Droge. Die Leinsamen sind flachgedrückt-eiförmig, 4 — 6,5 mm
lang (europäische meist etwa 5 mm), 2,5 — 3 mm breit und i — 1,5 mm dick. Die
größten finden sich bei indischen Sorten. Europäische Leinsamen wiegen meist 0,004
bis 0,0054 g. Doch schwankt das Gewicht (wie die Größe) nach den Sorten. Russi-
sche L. wiegen oft 0,01, türkische 0,00g. Die Durchschnittssorte Mitteleuropas wiegt
0,0047, w-eiße indische von Malva 0,0088, gelbbräunliche von Indore (Zentralindien)
0,0093 (Flückiger), schwedische 0,004, dalmatinische 0,0053, persische 0,0054
(Harz). Holmes fand (1881), daß von russischem, holländischem, englischem und
Galcutta-Lein 12 — 14 Stück auf i grain gehen, von großem Calcutta, Bombay, Sizi-
lischem und Lein von den ionischen Inseln 6 — 7 Stück auf i grain (=r 64,8 mg).
Der Handel unterscheidet klein- und großkörnigen Lein. Caesar und Loretz führen
jetzt auch (zum Kauen) eine Sorte von der doppelten Größe der kuranten deutschen
Samen.
Sie sind an dem unteren Ende abgerundet, am oberen durch eine Canincula (crista)
genabelt (Fig. 1 09, 3 X ) und unterhalb der stumpfen, etwas schiefen Spitze, dort, wo das
als feiner Punkt sichtbare Hilum liegt, leicht eingedrückt. Die glatte (infolge der ein-
getrockneten Schleimschicht), glänzende, dünne und spröde Schale ist meist gelbbraun
bis dunkelrotbraun gefärbt, beim Springlein heller; bei den whit seeds Indiens gelb,
Fig. 109.
Limun iisitatissitniim L,
I Querschnitt und 2 Längsschnitt durch den Fruchtknoten, 3 Same von außen, 4 Same parallel der Fläche und 6
rechtwinklig dazu längsdurchschnitten, 5 Same in der Mitte querdurchschnitten, 5a und 5b Same oben querdurch-
schnitten, 7 Same an der Kante querdurchschnitten. [Tscliirch -Oesterle, Atlas.]
bei den red seeds lichtbräunlich. Sie erscheint, mit der Lupe betrachtet, sehr fein-
grubig infolge der von der Sclereidenschicht (s. unten) gebildeten kleinen flachen
Mulden. Die Raphe läuft vom Hilum aus an der schmalen Kante entlang bis zu
der äußerlich nicht sichtbaren, am abgerundeten Ende liegenden Chalaza.
I
Semen Lüii.
319
In Wasser gelegt umgibt sich der Leinsamen rasch mit einer hyalinen Schleim-
hülle, da die Schleimepidermis (s. unten) stark quellbar ist. Spaltet man den Samen
der Länge nach parallel der Fläche auf, so sieht man die herzförmigen Cotyledonen
(Fig. 1 09, 4), die die Hauptmasse des Samenkernes ausmachen und in der Spitze des
Samens die kurze kegelige Radicula (Fig. 109,4); spaltet man ihn parallel den Schmal-
seiten, so erblickt man mit der Lupe zwischea Radicula und Cotyledonen die kleine
Piumula. Durchschneidet man ihn in der Mitte quer, so sieht man, daß die plan-
konvexen Cotyledonen nur von einem schmalen Endosperm umgeben sind (Fig. 109,7).
Anatomie. Die Samen gehen aus hängenden, anatropen Ovulis hervor, deren
Mikropyle nach außen und oben gewendet ist und von einem papillösen PoUen-
schU-
^:cCB
^Qz^^^
Fig. HO.
Linuni iisitatissimirm L.
1 — 4 Entwicklung der Samenschale. Querschnitt, ia äußeres, ii inneres Integument. 5 Nährschicht (bei Nr 4 zusammen-
gefallen). 5 Längsschnitt durch Samenschale und Endosperm. [Tsch i r ch - Oesterle, Atlas.]
Zuführungsapparat überdeckt ist (Fig. 109,2 x). der, aus dem Funiculargewebe hervor-
gehend, später zur Caruncula wird, die das Spitzchen des Samens (s. oben) bildet. Das
äußere Integument liefert die Schichten i und 2 der Samenschale, das innere die Schichten
3 — 6 (Fig. iio). Das äußere bleibt zunächst zweischichtig und wird dann durch
Teilung der inneren Zellreihe dreischichtig, das innere Integument vergrößert sich
stark und die Zellen füllen sich mit Stärke. Es wird zur Nährschicht (Tschirch).
Bei der Weiterentwicklung entleeren sich die parenchymatischen Zellen aber wieder
in dem Maße wie sie ihre Reservestofife an die sich verdickenden Hartschichten
^20 Schleirnepidermen,
zum Aufbau der Membranen abgeben und im reifen Samen besteht die Nähr-
schicht fast nur aus der äußeren und inneren Epidermis. Das ganze mittlere Ge-
webe ist zu einer hyalinen Schicht zusammengefallen oder ganz resorbiert. Der
Schleim ist auf die Epidermis beschränkt (Schleimepidermis Tschirch). Er wird
direkt als Membranschleim aber ziemlich spät, erst wenn der Embryo schon Grün-
färbung zeigt, angelegt, vorwiegend an der Außenseite unter der Cuticula und den
Seitenwänden, gar nicht auf der Innenwand. Stärkekörner, die in den Schichten i
und 2 auftreten, liefern das Baumaterial. Die Schleimmembran besteht aus drei
Schichten: einer hyalinen Stäbchenschicht, deren Struktur erst bei der Quellung sicht-
bar wird, einer körnigen Zone und der sehr breiten, beim Quellen deutliche Schich-
tung zeigenden Hauptschicht (Details in Tschirch-Oesterle, Atlas). Beim trockenen
Samen ist die Schleimepidermis stark zusammengefallen (die primären, Zellulosereaktion
gebenden, Trennungsmembranen wellig verbogen). Beim Einlegen in Wasser quillt sie
stark, oft auf das fünffache, die primären Membranen strecken sich und die Zellen
erscheinen nun prismatisch; schließlich platzt die Cuticula und der Schleim tritt aus.
Am leichtesten löst sich die körnige Mittelschicht, dann folgt die breite geschichtete
Partie, am längsten widersteht die Stäbchenschicht. Sie löst sich bisweilen mit der
Cuticula zusammen spiralig ab (Details bei KoRAn). Die Verhältnisse lassen sich am
besten an Tuschepräparaten studieren. Von der Fläche gesehen erscheinen die Zellen
der Schleimepidermis polyedrisch. Die Stäbchenschicht macht sich durch feine Körnelung
bemerkbar (Fig. 1 1 o u. [11,4a). Wenn man einen Samen mit Wasser schüttelt — am
besten unter Hinzufügen von Glasperlen — , so löst sich die ganze Schleimepidermis
los und der Schleim verteilt sich im Wasser. Die zweite, aus der zweiten Zellschicht
des äußeren Integumentes hervorgehende, Schicht ist meist zweireihig, auf der Raphe-
seite fünfreihig. Ihre Zellen sind etwas verdickt, in der Flächenansicht erscheinen sie
rundlich (Fig. 11 1, 2). Interzellularen sind reichlich vorhanden. In dieser Schicht ver-
läuft das Raphebündel. Von den beiden Epidermen des inneren Integumentes wird
die äußere zur Sklereidenschicht. Im Querschnitt des reifen Samen erscheinen die
reichgetüpfelten Skiereiden verschieden hoch, je nachdem sie an den Kanten oder
Flächen des Samens liegen, auch verschieden stark verdickt (Fig. 110,3). Stets sind
sie in der Längsrichtung des Samens gestreckt (Fig. iii,3u. 3 a), bis 250 mik lang
und c. 10 mik breit. Die Außenlinie der Sklereidenschicht zeigt Mulden (s. oben).
Die innere Epidermis des inneren Integumentes wird zur Pigmentschicht, deren
Zellen im reifen Samen tangential gestreckt, dickwandig und getüpfelt sind und einen
mit Eisenchlorid blauschwarz werdenden Phlobaphenballen enthalten, dessen braun-
rote Farbe die Farbe der Samenschale bedingt. Bei den hellen indischen Leinsamen
fehlt diese Pigmentschicht.
Das Endosperm ist schmal, nur wenige Zellreihen breit an den Flächen des
Samens, an den Kanten und dort, wo die Radicula liegt, breiter. Die Cotyledonen
bestehen aus zarten Zellen, deren Wände (ebenso wie die der Endospermzellen) durch
Jod gebläut werden, also Amyloid enthalten. Die Palissadenseiten der beiden Blätter
liegen auf der Innenseite, also einander gegenüber. Das Mesophyll ist von Procambium-
strängen durchzogen. Die Zellen der Cotyledonen enthalten meist 2—5 große, etwa
10 — 1 9 mik lange und zahlreiche sehr kleine Aleuronkörner. Nach LOdtke beträgt die
Größe der großen elliptischen Aleuronkörner 10,5 mik in der Randpartie der Cotylen,
1 .5 mik im übrigen Cotyledonargewebe und dem Endosperm. Meist sind bei den größeren
Körnern ein Globoid und ein oder mehrere undeutlich eckige, durch Jod .sich stark
Semen Lini.
321
^Aiy<
gelb färbende Kristalloide vorhanden, neben Grundmasse und deutlicher Hüllhaut.
Eingebettet sind die Aleuronkörner in eine Grundmasse, die sich beim direkten Ein-
legen in Osmiumsäure gleichmäßig braun färbt und die ich als Ölplasma bezeichnet
habe. Die Aleuronkörner des Endosperms weichen etwas von denen der Cotyledonen
ab. Sie sind häufig lappig. Der Keimling enthält auch Zucker (RASPATLsche Reaktion).
Die Keimung, bei der zuerst das Endosperm entleert wird, erfolgt epigä. Die
Schleimepidermis der Samenschale — und dies ist in erster Linie ihre Funktion ■ —
klebt hierbei den Samen am Boden
fest und sichert das Eindringen der
Wurzel in den Boden (Tschirch und
LüDTKE, vgl. auch oben S. 314).
Das Pulver. Der Leinkuchen
(fanna lini, placenta seminis lini), ent-
weder der gemahlene oder der gemah-
lene und ausgepreßte Leinsamen (Preß-
kuchen), der Preßrückstand der Lein-
ölfabrikation, zeigt alle Elemente des
Samens mehr oder weniger zerkleinert.
Schon mit bloßem Auge lassen sich
die braunen Samenschalfragmente von
den hellgelblichen der Cotyledonen
unterscheiden. Bei den Samenfrag-
menten (Fig. 1 1 1 ) fallen besonders die
getüpfelten, quadratischen, mit rotbrau-
nem Inhalt versehenen Zellen der Pig-
mentschicht (Fig. III, 6) und die ge-
streckten Skiereiden (Fig. iii, 3 u. 3a) auf, weniger Schicht 2 und die Schleim-
epidermis. Das Gesamtbild ist ein sehr charakteristisches und mit dem keiner anderen
Samenschale zu verwechseln. Die hellen Fragmente bestehen aus dem dünnwandigen
Gewebe der Cotyledonen, in dem man leicht (im Ol- oder Alkoholpräparat) die Aleuron-
körner sichtbar machen kann. Stärke fehlt oder kommt doch nur in Spuren vor
(s. auch unter Verunreinigungen).
Lit. Arthur Meyer, Drogenkunde. — H.\rz, Landwirtsch. Samenkunde 1885. — Sem-
POLOWSKI, Beiträge z. Kennln. d. Baues d. Samenschale. Dissert. Leipzig 1874. — Herlant,
Caract. microscop. de quelqu. graines officinal. Ann. Univ. Libr. Brux. 1882, m. Taf. — GuiG-
NARD, Rech, sur 1. devel. d. 1. graine et en partic. du t^gum. serain. Journ. d. botan. 1893
{m. Abbild.). — Vogl, Commentar 1908 (m. Abbild.). — Tschirch-Oesterle, Atlas t. 58
(Schlotterbeck) (dort die Entwicklungsgeschichte 1. — Moeller in Realenzyklop. und Pharma
kognosie. — T. F. Hanausek in Wiesner, Rohstoffe. — Nobbe, Handb. d. Samenkunde. —
Cramer, Vorkommen u. Entsteh, einiger Pflanzenschleime in N.\Geli-Cramer, Pflanzenphys.
Unters. 1855. — Hofiieister, Ber. d. Sachs. Ges. d. Wissensch. 1858. — Frank, Pringsh.
Jahrb. 5 (1866), 161. — Mangin, Observations sur l'assise k mucilage de la graine de Lin.
Bulletin de la Soc. bot. de France 40 (1893), 119 (Bemerkungen dazu: GuiGNARD, 1. c. 59). —
Koran, D. Austritt d. Schleimes aus d. Leinsamen. Pharm. Post. 1899, 221. — LÜDTKE, Be-
schaflfenh. d. Aleuronk. einiger Samen. Ber. d. pharm. Ges. I, 53. — Abbild, der Aleuronkörner
bei LÜDTKE, Beitr. z. Kenntn. d. Aleuronk. Pringsh. Jahrb. 21 (1889) (auch Dissertat.). — Über
d. ehem.. Natur der Aleuronkörner vgl. Kritzler, Mikrochem. Unters, über d. Aleuronk. Dissert.
Bern 1900. — Nemon, Mercks Rep. 1906. — Nährschicht: TscHiRCH, Anatomie 1889, 459 f die
Angabe in Schneiders Illustriert. Handwörterb. d. Bot.in., daß der Name von Frank herrühre,
ist unrichtig. Lohde (Entwicklungsgesch. u. Bau ein. Samensch. Dissert. 1874) drückt sich über
Tschirch , Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 21
Fig. iii.
Linum usitatissiniuni L.
Succedane Flächenschnitte durch die Samenschale. Die Zahlen
bezeichnen die gleichen Gewebe wie in Fig. iio. Links: Aleuron-
kümer in Jodlüsung. [Tschirch-Oesterle, Atlas.]
3 2 2 Schleiraepidermen.
die Niihrschicht nicht klar aus, er ahnt aber ihre physiologische Bedeutung); vgl. besonders
Holpert, Flora i8go (und Dissert. 1890) m. Taf. — Ravenna und Zamorani (Bedeut. d.
Schleims f. d. Keimung). Att. R. Accad. d. Lincei (5) 19, II, 247. — Erste anatom. Abbild.
im Atlas zu OuDEMANS Aanteekeningen t. JJ. , dann auch in Berg, Anatom. Atlas t. 46. —
Schleimepidermis abgebild. (nach Mangin) in Herail, TraitS de pharmacolog. 1901. — Lein-
kuchen (tourteau): Collin et Perrot, Les risidus industriels de la fabricat. des huiles etc. 1904.
— Pulver: Mikroskop. Charak. bei Kraemer, Proc. Am. pharm, ass. 1898, 331 und Koch,
Mikrosk. Anal. d. Drogenpulv. 1906, IV, t. 3.
Chemie. König teilt zahlreiche Analysen des Leinsamen mit. Er gibt
folgende Prozentzahlen (das Mittel aus allen Analysen in Klammern) in der luft-
trockenen Substanz : Wasser 5,47 — 14,20(8,96), Stickstoffsubstanz 16,83- — 30'77
(22,77), Öl (Fett) 22,45 — 40>48 (34,38), stickstofffreie Extraktstoffe 17,58
bis 28,80 (22,86), Rohfaser 4,18 — ii,59 (6,78), Asche 2,54 — 8,04 (4,25); in
der Trockensubstanz: Stickstoffsubstanz 18,49 — 33>8 (25,01), Fett 24,66 — 44,46
(37>7'^)> Stickstoff 2,96 — 5,21 (4,0). Leinpreßkuchen enthalten (nach König)
noch im Mittel Q,88''/q Öl (3,78 — 16,34), der Gehalt an stickstoffhaltigen Substanzen
beträgt im Mittel 29,48 (19 — 36,18) "/,,, die Asche 9,69 (5,13 — 16,5) "/q.
Leinsamen liefert 3 (Uloth) bzw. 5,1 — 5,9 ''lo (Kirchner und Tollens)
Schleim. Der rohe Schleim enthält oft 7 — lo^'/g und mehr Asche; unter 0,7 "/q
konnte auch Tollens die Asche nicht herabdrücken. Der Schleim wird nach Zusatz
von etwas Salzsäure mit Alkohol gefällt und durch Auswaschen mit Ätheralkohol rein
gewonnen. Die konz. wässrige Lösung des Schleims gibt mit Kupfersulfat, Fehling-
scher Lösung, Bleiacetat, Bleiessig und Quecksilbersalzen unlösliche Niederschläge. Er
gibt mit Jodschwefelsäure keine Blaufärbung. Kupfero.xydammon bildet eine feste
Gallerte. Der Linumschleim läßt sich mit Ammonsulfat aussalzen (Pohl). Er ist
unlöslich in Alkalien. Schjiidt fand im stickstofffreien Schleim unter Abrechnung der
Asche 44,97 "/ijC, 6,26 "/ß H und 48,77''|qO. Er entspricht also in der Zusammen-
setzung anderen Pflanzenschleimen. Schmidt gab ihm die Formel CijHjqOjq, welche
Formel Kirchner und Tollens (1874) bestätigten, Tollens schreibt die Formel
jetzt C,;Hjq03. Die Hydrolyse des Schleims mit i '/^ ^jo Schwefelsäure liefert, neben
einem < Gummi», 4 "j^ Zellulose (Tollens) und c. 60 "/g d-Glukose. Mit Magensaft
entsteht eine zum Teil kristallisierende Glukose, die keine Schleimsäure liefert (Fuda-
KOwsKi). Ein Teil des Leinsamenschleimes liefert bei der Oxydation mit Salpetersäure
Schleimsäure (Guerin, Vauquelin, Cullinan). Bei der Hydrolyse liefert er denn auch
Galaktose und neben Dextrose (d-Glukose, Bauer, Hilger) tritt dann auch Arabinose
und Xy lose auf (Hilger). Er enthält also wohl ein Galakto-Gluko-Arabino-Xylan. Der
gereinigte Schleim hat (nach Hilger) die Zusammensetzung: 2(QHiqO,^) . 2(C5Hs04),
dreht rechts, ist schwach sauer und gibt bei der Destillation mit Salzsäure Furol.
Nachdem schon früher beobachtet worden war, daß bei längerem Aufbewahren
von gepulvertem Leinsamen dieser sauer wird (Pelouze fand 5 — 6 ^jg freie Säure)
und sich Blausäure entwickelt (Senior, Jorissen; Senior betrachtet die Blausäure
als ein Gärungsprodukt), gelang es Jorissen und Hairs (1891) aus keimendem Lein-
samen 1,5 "lo eines krist. Glykosides (F. = 134") zu isolieren, das sie Linamarin
nannten und das sich (durch das im Leinsamen enthaltene Enzym, verd. Mineral-
säuren usw.) in einen reduzierenden, gärungsfähigen Zucker, Blausäure und einen
Körper mit Acetonreaktionen spaltet. Es löst sich in Schwefelsäure farblos (Unter-
schied vom Amygdalin). Dasselbe erwies sich als identisch mit dem Phaseolunatin
von DuNSTAN und Henry, das diese aus den Samen von Pkaseolus lunatiis isolierten,
Semen Lini. 72^
dem sie die Formel C^Hj^OgN geben (F. = 141") und das sich nach der Gleichung
CioH^OgN + H,0 = C„Hi,0,; (Dextrose) + HCN (Blausäure) + (CH3)3CO (Aceton)
spaltet. Wird Leinsamenmehl mit warmem Wasser angerührt bei 25" einige Zeit
stehen gelassen und dann destilliert, so erhält man ein blausäurehaltiges Destillat.
100 g liefern 8 mg HCN (gekeimte Samen mehr als doppelt so viel. Es findet bei der
Keimung auch eine Neubildung von HCN statt [Ravenna und Zamorani]). Auch
die Stengel liefern Blausäure (Jörissen).
Das fette Öl (Leinöl) ist in seiner Zusammensetzung noch nicht genau bekannt.
Die Elementarzusammensetzung gibt Sacc -wie folgt an: C = 76,8 — 78, H = 11
bis 11,2, 0= II — iz^jf). Es soll 10 — iS^/o Glyzeride fester Fettsäuren
(Stearinsäure, Palmitinsäure und Myristicinsäure) und 85 — 90 "j^ flüssige
Glyzeride enthalten. Die flüssigen Fettsäuren bestehen nach Hazura und Grüssner
aus 5 "/(, Ölsäure, 15 "/q Linolsäure (CigHgjGj), iS^/o Linolensäure (CigHgoOj) und
65 "/q Isolinolensäure. Ob aber Ölsäure darin enthalten ist, ist noch fraglich. Fahrion
gibt folgende prozentische Zusammensetzung an (1903): Unverseifbares 0,8, Palmitin-
und Myristicinsäure 8, Ölsäure 17,5, Linolsäure 26, Linolensäure 10, Isolinolensäure
33,5, Glycerinrest 4,2. Lewkowitsch hält diese Zahlen aber nicht für richtig und
meint, daß Folkins Angabe wohl zutreffend sei, daß Linolsäure vorherrsche und die
Linolensäure nur 22 — 25<'|q der Fettsäure ausmache. Er hält für wahrscheinlich, daß
Linolen- und Isolinolensäure i4''|o, Linolsäure 78,5 "/q betrage. Das Öl gibt von allen
fetten Ölen die größte Menge flüchtiger Säuren (Dieterich). Das Öl gehört zu den
trocknenden Ölen. Es absorbiert an der Luft leicht Sauerstoff und trocknet schließlich
zu einer in Äther unlöslichen Substanz ein (Linoxin, superoxydiertes Leinöl). Orlow
gibt dem Linoxin die Formel:
o 0-0 1
/ \ II
CH3 . CH2 . CH — CH . CHg . CH . CH (CH2)ioCOjO.
Diese Veränderung erleidet es auch im Leinmehl beim Erhitzen desselben auf
100 — iio" (Klopsch). Pressung lieferte in Indien bei whit seed 35,1, bold red 31,2,
small 29,6 "Iq Öl; im Durchschnitt also 1/3 des Gewichtes des Samen. Durch Extraktion
erhielt Flückiger 35,5"/o' ^^^ weißen indischen Samen 39,2 — 40°Jq Öl.
Hauke fand in den Samen 3,2 bis ^"j^, Asche. Er bezeichnet als obere Grenzzahl
5 "|q. König fand im Mittel 3,69 "l^ (Phosphorsäure: 41,5, Kali: 30,63, Magnesia: i9,29*'|o),
Dey und CowiE 1,93 (holl.) bis 4,0 "j^, (südamer.). Die Asche enthält Kupfer (Meier).
In lufttrockener Placenta setn. Im. fand Peters 7''|q Asche und 8,32 Wasser.
Lit. Die älteste eingehende Analyse der Samen von L. Meier (in Gmelins Handb. d.
Chem. II, 1251). — Viele Analysen in KÖNIG, Nahrungs- u. Genußm. 4. Aufl., bei Hooper,
Agricultur Ledger No. 12. Calcutta 1899 und bei W. Lawson, Pharm. Journ. 16 (1S85), 245.
— Ältere Analysen des Schleimes von Bostock (Nicholsons Journ. 18, 31), Vauquelin (Ann.
de chim. 80, 314), Guerin Varry (Journ. de chim. m^d. 7, 739), C.Schmidt (Lieb. Ann. 51, 29).
— Schleim: Guerin, Ann. chim. phys. (2), 49. — Fudakowski, Ber. d. chem. Ges. II, 1073.
— CULLINAN, Bot. Jahresb. 1884, I, 71. — Hilger, Ber. d. chem. Ges. 36 (1903), 3198. —
Bauer, Journ. pr. Chem. II, 30, 367. — Hilger und Rothenfusser, Ber. d. chem. Ges. 35,
1841. — Kirchner und Toixens, Unters, über Pflanzenschleim. Journ. f. Landw. 1874, 502;
Lieb. Ann. 175 (1874), -°5- — Pohl, Zeitschr. phys. Chem. 14 {1890), 151.
Pelouze et BouDET, Ann. chim. phys. (2) 69, 43. — Pelouze, Ebenda 45 (1855), 319.
— JoRissEN et Hairs, Sur la linamarine, glucoside cyanhydrique retirS du Lin. usitatiss. Bull.
Ac. roy. belg. (3) 21, 1891 (Journ. pharm, chim. 24 [1891], 259') und 1907, 793. Auch Bull,
ac. roy. belg. (3) 5 (1883), 750; (3) 6 (1884), 718; (3) 7 (1884), 736. — Dunstan und Henry,
Proc. Royal soc. 72, 285 und 78, 145. — Senior, Brit. Pharm. Conf. 1885 (Pharm. Zeit. u.
2 1 *
3-M
Schleimepidermen.
Jahresber. d. Pharm. 18S5). — JouCK, Beitr. z. Kenntn. d. HCN abspalt. Glyk. Diss. Straßb.
1902. — Th. Greenish, Further contrib. of the pharm, of linseed. Pharm. Joum. 15 (1884), 169
(Leinsamenmehl). — Gehalt an Öl: KÖNIG a. a. O. Dann: Chem. Dnigg. 1899, 522. — L.\ Wall
and PtRSEL, Am. journ. pharm. 1899, 393. — Patch, Proc. am. pharm, assoc. 1906, 339. — Det
and CowiE, Pharm. Journ. 25 (1895), 1037. — Ober das Öl vgl. bes. Lewkowitsch, Chem.
Technol. u. Analyse d. Öle, Fette usw. 1905 (dort die Literatur). — Dann auch Dieterich,
Helfenb. Ann. 1887, 89. — Klopsch, Zeitschr, anal. Chem. 1888, 452. — Asche: Hauke
a. a. O. — LArDRE.M", Ann. agronom. 6, 315. — Moor and Priest, Pharm. Journ. 1900. —
Peter.s, Apoth. Zeit. 1909, 538. — Zahlreiche Aschenanalys. d. Samen, Früchte u. d. ganzen
Pflanze in Wolff, Aschenanalysen 187 1, 106.
Verfälschungen und Prüfung. Leinsamen ist oft mit anderen Samen ver-
mischt, doch dürfen nicht mehr als höchstens 4 "Iq darin sein (Flückiger), bei Öl-
saat beträgt der Gehalt bisweilen 30 — So^'/o (z.B. in Telquel aus Calcutta). Nobbe
fand in einem 2,84 •'jg fremde Samen enthaltenden Lein die Samen von 41 Phanero-
gamen. Völcker fand in russischem Leinsamen 3 "/q» "^ bestem indischen 1,7.5 "/q
fremde Samen. In dem hellen indischen Lein verraten sich dunkle Samen leichter,
als in dem rotbraunen russischen.
Im Leinsamen wurden oftCruciferensamen und dieSamen des in Leinfeldern häufigen
Loliiim (7/7CT«f ScHRAD. beobachtet, im Leinmehl oft Rapskuchen (bei Revisionen noch
1 9 1 o beobachtet, durch den abweichenden Bau der Samenschale leicht kenntlich) und Wei-
zenmehl (Beringek). Tunmann beobachtete ( 1 906) Kieseiguhr als Verfälschtmgsmittel.
Holmes fand in englischem Lein : Lolhun, Polygonum Persicaria, Chenopodium glaticum ;
in holländischem L. : Chenopodium album; in russischem L. : Camelina sativa, Spcrgiila arvens.,
Lolium, Polyg. Persicar.\ in littauischem L.: Centaiirea Cyanns; inOdessa-L. : Polygomrm, Con-
volvuhis, Agrostemma Githago, Sinapis, Paniaim, Setaria; in indischem L. : Sesamicm, prviim,
Sinapis, Medicago; in sizilian. und ionischem L.: Galium spur., Ervum. (Er bildet ab: Lolium
spec, Polygon, lapathifol., Spergula arvens., Chenopod. alb., Silene inflata, Camelina sativa, Cen-
iaurea Cyamis, Panicum miliac, Setaria, Sinapis, Agj'ostemma Githago, Sesam, indic., Jßrvum,
Medicago, Galium spur.) CoLLiN et Perrot erwähnen und beschreiben (in Les Residus industriels
1904) eine große Anzahl von Verfälschungen der Leinpreßkuch en. Sie bilden ab die Elemente
der Fruchtschalen des Lein und die besonders häufigen Samenschalen von Spergidaria arvensis,
Chenopodium polyspermum, Cerastium triviale und von Leguminosen [Luzerne u. and.), sowie Lychnis,
Githago und Reisspelzen. Nicht unbedenklich ist eine Beimengung von Lolium temrilentum. Daß
davon bis 25 "/o '" einem Leinsamen vorkamen, ist aber wohl nur eine Fabel oder ein Zufall.
Aus der oben mitgeteilten Entwicklungsgeschichte der Samenschale geht hervor,
daß beim unreifen Samen sowohl in der Schleimzellenschicht wie in der darunter
liegenden, als auch in der Nährschicht Stärke vorkommt; die Kömer sind relativ groß
in den äußeren, klein in den inneren Samenschalschichten. Demnach wird man, da
dem reifen Samen in der Regel Stärke gänzlich fehlt, die Beimengung unreifen Samens
im Leinmehl an den Stärkekörnern erkennen können. Doch fand Tunmann bei
einer Sorte Springlein auch im reifen Samen Stärke, ebenso Schürhoff imd Ebert
(in der Schicht zwischen Schleimepidermis und Faserschicht). Die mikroskopische Prü-
fung gibt hierüber Aufschluß. Doch kann man auch, da kleine Stärkemengen, die ja
auch von geringen zufälligen Beimengungen stärkehaltiger Samen stammen können,
toleriert werden dürften, nach Lloyd in der Weise verfahren, daß man 1,0 Leinniehl
mit 20 ccm Wasser kocht, erkalten läßt und zu 8 ccm des Schleims eine Mischung
von 0,2 ccm Jodlösung (i : 50) und 10 ccm lo^/gige Schwefelsäure hinzufügt. Hierbei soll
Blaufärbung nicht auftreten (weniger als 0,5 "jo Stärke). Fragmente von Cruciferen-
(Brassica-, Sinapis-) Samen färben sich mit Kalilauge dunkel (Lein nicht, J. Lehmann).
Auch der Nachweis von Schwefel im Destillat oder dem alkalischen Filtrat kann be-
I
Semen Lini. 325
nutzt werden (Corenwinder), da die Coniferen schwefelhaltige ätherische Ole liefern.
Neuerdings (Amer. Drugg. 1900) ist beobachtet worden, daß entöltes Leinmeh! durch
Zusatz von Mineralöl auf den alten «Ölgehalt» gebracht wurde. Da sich in der Öl-
saat neben Leindotter- und Cerealien- besonders Cruciferen-Samen finden, enthält das
Leinöl meistens etwas Cruciferenöl. Zur Erkennung fremder Beimengungen im Leinmehl
wird neuerdings (Ann. d. falsif. T910) Benzin empfohlen. Leinmehl sinkt unter, die
meisten Beimengungen schwimmen oben.
Lit. Haselhoff, Fabrik, u. Beschaffenh. d. Leinkuch. bzw. d. Leinmehls. Landw. Ver-
suchsstat. 41 (1892) 55. — VON Pesch, Ebenda S, 73. — Nobbe, Handb. d. Samenkunde 1876,
439. — VÖLCKER, Journ. Roy. agr. soc. 9, 5. — Holmes, Pharm. Journ. 12 (1881), 13". —
Flückiger, Pharmakogn. — Beringer, Amer. journ. pharm. 1889, 16". — Roger, Ann. chim.
anal. 1906, 136. — Corenwinder, Journ. ehem. soc. 1882/83. — Lloyd, Amer. journ. pharm.
1895, 463. — CULLIVAN, Pharm. Journ. 14 (1884), 983. — Stärke: Schürhoff, Pharm. Zeit.
1906, 658, Rüstung, Chem. Zeit. Rep. 1906,449, Tcnm.ann, Pharm. Centralh. 1906, 725, Ebert,
Chines. Arzneischatz. Diss. Zürich 1907.
Anwendung. Seyn. lini ist ein Bestandteil der Spec. emoUientes. Der Leinsame
gehört zu den schleimigen Vehikeln und den einhüllenden, reizmildemden und resorp-
tionshemmenden Mitteln. Die Placenta sem. lini dient zu meist heißen Breiumschlägen
(Cataplasmen von xarajcXäOöEiv = Brei auflegen). Aus Laienkreisen (H. W. Vogel)
ist dem Leinsamen hervorragende Wirkung bei Diabetes nachgerühmt worden und
er findet sich auch unter den Mitteln des Pfarrer Kneipp. Er wird auch in der Zeug-
druckerei benutzt. — »Statt Decoctum sem. lini ist die Kolatur einer halbstündigen
Maceration zu dispensieren« (Pharm, helvet. IV).
Außer den Samen werden auch die aus den Ölmühlen stammenden gemah-
lenen (sehr harten) Preßkuchen (Placenta sem. lini, Leinkuchen, pain ou gäteau de
lin, Linseedcake) benutzt. Da bei ihnen für die medizinische Anwendung der Schleim
die Hauptsache ist (ihm verdanken sie auch die Fähigkeit viel Wasser zu binden),
können sie wohl an Stelle der noch alles Öl enthaltenden Sem. lini pulveratum be-
nutzt werden, doch erhält man bessere Cataplasmen mit gepulvertem (gemahlenem)
Lein. Wegen des hohen Stickstoffgehaltes (s. oben) sind die Leinsamenpreßkuchen
auch ein vorzügliches Futtermittel. In Westindien wird die unreife Frucht als Gemüse
benutzt. Leinpreßkuchen ist neuerdings als Verfälschungsmittel von Gewürzpulvem
beobachtet worden.
Die früher so viel verwendete Charpie (Linteum carptum, linamentum) wurde
vorwiegend durch Zerzupfen von Leinwand dargestellt.
Lit. Wasserbindung: C.\RLES, Journ. ph. chim. 10, 244.
Geschichte. Der Flachs ist eine der ältesten Kulturpflanzen. AVie Gräberfunde zeigen,
wurde im alten Ägypten sicher im III., vielleicht schon im IV. Jahrtausend v. Chr. Lein
gebaut (I, S. 457). Auf Grabgemälden der XII. Dynastie (2400—2200 v. Chr.) ist der Flachs-
bau und die Verarbeitung des Lein in allen Details dargestellt (Abbild, bei WÖNIG). Wir treffen
dort sowohl Li'imm usitatüs. var. i'iilgare (gewöhnlicher L. , Schließlein) wie auch L. ti. var.
crepitans (Klenglein) (Br.\un, Schweinfurth, Bu.schan). Die gefundenen Fruchlproben der
letzteren stimmten in allen Punkten mit dem noch jetzt in Ägypten gebauten Klenglein iiber-
ein. KÖRNiCKE meint, daß sich der gewöhnliche Lein (Z. usit. var. -vulgare) aus L. angiistifoliuin
Hudson, einer nur wenig von ihm verschiedenen, durch Übergänge mit ihm verbundenen, über
das ganze Mittelmeergebiet von den Kanarischen Inseln bis Palästina und den Kaukasus wild-
wachsend verbreiteten, sowohl einjährigen wie perennierenden Art mit zahlreichen, vom Grunde
aus aufsteigenden, bei der Reife sich öffnenden Kapseln und kleinen Samen entwickelt habe.
Auch Wettstein bemerkt (1903), daß die Stammform unseres Lein perenn gewesen sein müsse,
aufspringende Früchte und niedrigere Stengel gehabt habe und im Süden oder Osten Europas
heimisch gewesen sei. Diese Umbildung muß sich schon vollzogen haben, bevor die Pflanze
^ 2 1> Schleimepidermen.
^durch die Prosemiten (?), De Candoi.i.e) nach Ägypten kam. Die Mumienbinden des Königs
Menk.\ra (IV. D\-nastie um 3600 v.Chr.) bestehen noch aus Wolle, leinene traten in der XII.
Dynastie auf (2400—2200 v. Chr.). Thomsens (1834) und Ungers (1860) mikrosUop. Unter-
suchungen zeigten, daß der Byssus der alten Ägypter Lein war (nicht Baumwolle). Auch in
Mesopotamien bestand schon vor vier- bis fünftausend Jahren oder noch früher Flachsbau.
Später nennt Strabo die Stadt Borsippa als Sitz der Leinwandindustrie Babyloniens. Flachs
tritt aber bereits in altchaldaischen Gräbern der vorbabylonischen Zeit auf (Maspero, De Can-
doixe). Zur Zeit, als die Kinder Israels aus Ägypten zogen, waren die Gefilde des Landes am
Nil reich mit Flachs bestellt (2. Mos. IX, 31). Als die Juden nach Palästina kamen, fanden sie
dort bereits den Flachs (= pischta) in Kultur. Sie bedienten sich viel des Flachs. Die Priester
trugen feine, das Volk grobe leinene Gewänder (Buschan). Dies finden wir auch bei anderen
Völkern und noch heute schreibt die katholische Kirche leinene Chorhemden den Priestern vor.
Durch Paus.^xias wissen wir, daß die Landschaft Elis Flachs baute und Linnm findet sich auch
in der mykenischen Periode (Schliemann). In Italien ist der Flachsbau sehr alt, geht aber nicht
in die vorarische Zeit zurück. Herodot bezeichnet leinene Kleider als Luxus. Auch für Panzer-
hemden wurde Lein verarbeitet. Die Pfahlbauer der Steinzeit in Oberösterreich, Oberilalien und
der Schweiz bauten Lein und zwar Liniim angnstifoliiim (Heer ; die Schweizer Pfahlbauer bauten
die perennierende Varietät). Auf der iberischen Halbinsel ist er zur Bronzezeit nachgewiesen. Die
Indogermanen brachten wohl diese Art und ihre Kultur aus ihren Kleinasien und Thrakien
benachbarten Stammsitzen mit (Schr.'vdek). Wann das L. angustifol. in Europa durch unseren
heutigen Lein verdrängt wurde, ist unbekannt. Vielleicht geschah dies zu Anfang unserer Zeit-
rechnung (NeuW'Eiler). Zu Plinius Zeiten wurde letzlerer jedenfalls schon gebaut. Neuerdings
hat Neuweiler die Ansicht zu begründen gesucht, daß der Pfahlbaulein eine Form von
L. anstriacum sei. < Wir haben es mit einer Varietät oder Rasse einer perennierenden Leinart
(Z. nsitatiss. ist einjährig), die L. aiistriacinii am nächsten stand, zutun, aus der sich die jetzigen
auch in Kultur vorkommenden perennierenden Leinarien, L. atistriactim und L. perenne, ent-
wickelt haben können. Als Stammform wird auch für diese Reihe (wie für L. iis/faf/'ss.) L. an-
gustifol. anzunehmen sein» (Neuweiler). Bei den germanischen Völkern lag die Leinkultur und
Verarbeitung in den Händen der Frauen. Sie verzierten die Leingewebe mit Vorliebe mit roter
Farbe. Und noch heute wird die Wäsche rot gezeichnet. Der Flachs ist die heilige Pflanze der
Frigoa, der Gemahlin Odins und Schutzgöitin der Ehe. Ihr Katzengespann war mit Strängen
blühenden Leins angeschirrt. Sie war Schirmerin der Flachsbearbeitung und wurde (unter dem
Namen Frau Holle) als spinnende Frau dargestellt (Reling u. Bohnhorst). Tacitus erwähnt
in der Germania (Kap. XVII) deutsche Leinwand. Unger betrachtet (gestützt auf Herodot)
die sumpfigen Niederungen im Südwest-Kaukasus als das Vaterland des Lein; Hoops Klein-
asien und die Kaukasusländer als Heimat des Flachsbaues. Nach Schrader scheint der Flachs
schon in der Heimat der Indogermanen Kulturpflanze gewesen und als solche bei dem Zuge
nach dem Westen gebracht worden zu sein, denn die gemeinsame Grundwurzel aller Idiome
der europäischen Indogermanen ist die Silbe li |s. oben), die sowohl Flachs wie Gewebe bedeutet.
In Abessynien dienen die Samen eines niedrigen Berglein seit undenklichen Zeiten mit Salz
und Pfeffer zerrieben als Fastenspeise (Braun, Schweinfurth). Joachim übersetzt an mehreren
Stellen des Papyrus Ebers (I, S. 463) ein Wort mit Leinsamen, setzt aber ein Fragezeichen
dazu. Wir wissen, daß sie die Ägypter wie die Assyrer besonders mit Honig (I, S. 480) viel
als Arzneimittel benutzten. Und auch bei den alten Juden spielten Leinsamen (kasno.-") und Lein-
samensuppe (ka,scbä?) eine Rolle unter den sog. diätetischen Mitteln (I, S. 489). In der chine-
sischen Medizin scheint Lein (huma) keine große Rolle gespielt zu haben. Ich finde ihn z. B.
im Pents'ao kang mu nicht. Das gleiche gilt von der indischen Medizin, wo bei SusRUTAS der
Name akasa für Linicm steht (I, S. 506). Dagegen bediente sich Hippokrates (I, S. 542) der
Leinsamen gern — unter den Schleimmitteln des Corpus Hippocraticum steht }.lvov obenan. —
Die Sitte Leinsamen (sowie Mohn- und Sesam-Samen) auf das Brot zu streuen, die auch
für den Norden bezeugt ist, erwähnt der lydische Dichter Alkman (670 — 640 v. Chr.). Der
erste, der Schleim und Fett der Samen und ihre Anwendung bei Husten erwähnt, ist Theo-
phkast (Hist. plant. III, 18, 3: y?.(ijy_(jÖTTjTa xal Unoq). Dioskurides (II. cap. 125) vergleicht
den Samen mit dem ebenfalls schleimigen Samen des Foemim graeciim. Er nennt eine Menge
Krankheiten, gegen die er innerliche oder äußerliche Anwendung (als Clysma und Sitzbad) der
Leinsamen empfiehlt. Plinius bespricht im XIX. Buch eingehend die Leinkultur, die Faser-
i
Semen Lini.
327
bereitung (das Asbestinum Linum, der «unverbrennliche Lein» war aber Asbest) und die medi-
zinische Anwendung der schleimigen Samen, bei der, wie es scheint, meist der Honig (und zur
Verdeckung des faden Geschmackes auch Pfeffer, s. oben) mit im Spiele war — so z. B. auch bei
Crescenzi (I, S. 677). Geröstete Leinsamen erwähnt Galen und Lini semen wie Farina seminis
Jini steht bereits in den Compositiones des ScRlBONlüS Largus (I, S. 577), der Leinsamen bei
trockenem Husten zur Beförderung der Expectoration empfahl. Celsüs brauchte ihn mit süßem
Wein gemischt bei Geschwüren im Halse, Andromachus bei Harnbeschwerden, MoscHioN bei
Menstruationsstörungen in Form von Leindekokt-Bädern. Auch zu Speisen und Backwerken fand
er im Altertum Verwendung (Dierbach). Im Edikt Diocletians (I, S. 569) steht XivoaiteQuov
und auch Ai.eXjVJ«"DER TRALLlANtJs (I, S. 592) benutzte die Leinsamen oft (sie heißen bei ihm
ebenso). Die Leinkultur erwähnen die römischen Landwirtschaftsschriftsteller (z. B. Columella).
Die Griechen bauten ).lvov, die Römer Linum. Alle Operationen der Erntebereitung der Flachs-
faser finden wir schon bei den Römern, das Raufen (vellere), Rösten (macerare) , Brechen
(frangere), Hecheln (digerere). Bei IBN Baithar (I, S. 6lo) sind zahlreiche Krankheiten ange-
führt, bei denen Leinsamen anzuwenden ist. ELß.AF.CEl vergleicht die schmerzstillende Wirkung
mit der der Kamille. Auch Fumigationen und Leinsamenumschläge waren beliebt und der ge-
röstete Same diente als Adstringens. Doch scheint das Mittelalter im allgemeinen die Leinsamen
wenig beachtet zu haben (im Regimen sanitatis und der Flos medicinae (I, S. 629) sowie im
Hortulus fehlt Linum), doch finden wir in der Alphita (I, S. 651) Lineolum (oleum de semine
lini) und das Breviarium Karls (I, S. 621, nicht das Capitulare, wie FlÜckiger angibt), die
Hildegard (I, S. 6;o), die den Samen zu Kataplasmen empfiehlt, Megenberg und das Gothaer
Arzneibuch (I, S. 680) gedenken des Leinsamen. Flachs steht auch im Zolltarif von Accon
(I, S. 699) und dem von Messina (Sella) und die Abtei Saint Gennain des-Pr^s erhob im VIII.
Jahrh. Leinsamen als Abgabe (I, S. 715). Die Wirkung der Leinsamen als Aphrodisiacum, die
Matthioli betont und die auch dem Volke bekannt ist, erwähnt schon Dioskürides. Der Lein-
samen dient noch jetzt zum Liebes- und Eheorakel (Vogtland, Österreich) und spielt auch bei
den Hochzeitsbräuchen der Südslaven eine Rolle (Krauss). Wie ausgedehnt der Flachsbau im
XVI. Jahrh. in Deutscbland war, zeigt der Umstand, daß es in Augsburg damals 3500 Weber
gab. Die Fugger verdanken ihren Reichtum zum Teil der Weberei. Ehemals wurde Leinsamen-
dekokt (zusammen mit Bockhornsamen- und Altheeschleim) zur Bereitung des Empl. diachylon
benutzt, das seinen Namen (= Pflaster mit Saft) daher hatte (Peters). Das Emplastrum Dia-
chylon des Mesue z. B. enthält in allen seinen verschiedenen Vorschriften (vgl. Cordus Dispen-
satorium. I, S. 795) Alucilago seminis Lini.
«Die von den Alten nicht geübte Ölmalerei, welche sich wesentlich auf die Verdickungs-
fähigkeit der sog. trocknenden Öle stützt, mag einen weiteren Aufschwung der Wahrnehmung
verdankt haben, daß jene Eigenschaft des Öles durch Besonnung noch mehr erhöht wird. Dieser
Behandlung unterwarf man das Leinöl (ebenso wie Mohnöl und Rizinusöl) schon im IV. Jahrh.
Das erstere wurde zum gleichen Zwecke vom X. Jahrh. an, wenn nicht schon früher, auch mit
Bleioxyd gekocht (Ilg). Solcher Firniß scheint wohl lange Zeit vorzüglich in Danzig bereitet
worden zu sein; manche Taxen des XVI. Jahrh. nennen Vernisium Dantiscanum und aus Valerius
Cordus (Annot. ad. Dioscor.) ist ersichtlich, daß damit Leinölfirniß gemeint ist» (FlÜckiger).
Die ältesten Papiere (s. oben S. 256) sind Hadernpapiere. In den alten arabischen, d. h. islami-
tisch-orientalischen und auch in den ältesten europäischen Papieren spielt die Leinfaser die
Hauptrolle. Sie tritt in den Papieren viel häufiger auf als Hanffaser (Wiesner).
Lit. Heer, Pfl. d. Pfahlbaut. 1865 u. Flachs u. Flachskultur im Alterthum. Zürich 1872.
— UnGer, Bot. Streifzüge auf d. Geb. d. Culturgesch. Sitzungsb. d. Wiener Akad. IV— VII.
— WÖNIG, D. Pflanz, d. alt. Ägypt. 1886. — Schweinfurth, Ber. d. d. bot. Ges. 1883 i-
1884. — KÖRNICKE, Bemerk, über d. Flachs d. heut. u. alt. Ägypt. Ber. d. d. bot. Ges. VI,
388. — Thär, Altägyptische Landwirtsch. 1881. — Buschan, Vorgeschichtl. Botan. 1895. ^'^''^-
histor. Gewebe u. Gespinste 1889 und die Weberei der Vorzeit. Verh. d. Berl. Anthropol. Ges.
1889. — Neuweiler, Prähist. Pflanzenreste Mitteleuropas. Zürich 1905. — A. Braun, Pfl^ozen-
reste aus altägypt. Gräbern. Zeitschr. f. Ethnolog. 1877. — Schrader, Sprachvergleichung und
in Hehn, Kulturpflanz, u. Haust. — De Candolle, L'Orig. des plant, cultiv. — Maspero, Hist.
anc. d. peupl. de l'Orient 1878. — BlOmner, Technol. u. Terminolog. d. Gewerbe u. Künste bei
Griechen und Römern 1875. — H. Vogel, Über d. Culturgesch. d. Flachses u. seinen Kampf mit d.
Baumwolle. Darmstadt 1869. — Sella, Pandetta delle gabelle e dei diritti della curia di Mes-
j 1 S Schleimepidermen.
sina Torino i8;o (Miscellanea di storia italiana t. X). — Earle, Bot. and mat. med. of
linseed. Pharm. Journ. 14 (1884), 979. — Sagen und Volksgebräuche in Reling und Bohn-
HORST, Unsere Pflanzen. 4. Aufl. 1904. - — A. Br.\un, Flora 1848, 94. — Schweinfurth,
Petermanns Mitth. 1S68, ibS. — Hiudebr.\ndt, Zeitschr. f. Ethnologie. Berlin 1874, 327 —
DiERBACH, Synopsis mat. med. — Flickiger, Pharmakognosie. — Ilg, Von den Farben u.
Künsten d. Römer in Eitei.bergers Quellenschr. f. Kunstgesch. u. Kunsttechn. d. Mittelalt. IV
(1873). — JUL. Wiesner, Rohstoffe und Die mikroskop. Unters, d. Papiers. Mitt. aus d. Samml.
d. Pap. Rainer 1887.
Paralleldrogen. Schleimepidermen besitzen auch die Samen von Linum perenne
L., L. Levisii PuRSH., L. auslriacwn L., L. angustifoliuiii HuDS., L. mari/immn L. und
können (nach Dragendorff) wie Linum iisttalissimuni gebraucht werden. In Vorder-
indien darf Sem. lini durch die Samen von Plantago ovata ersetzt werden (I, S. 22).
Sem. Cydoniae,
Syn. Quittensamen, Quittenkerne — in Tirol: Kittenbaum, in der Schweiz:
Schmeckbirn, in Osnabrück: cjuie — coing (franz.) — cjuince (engl.) — kwee, quee
(holl.) — cotogno (ital.) — membrillo (span.) — marmeleiro (port.) — birsalma
(ung.) — xvdojria (plur. n.-griech.) — armud, aiva (russ.) — bihi-danah (hind., bomb.)
— shimai-dalavirai (tarn.) — safarjal (arab.).
Etym. Quitte (früher [XI. Jahrb.] Ouidde); mhd. quiten, kitten und küten (bei Brun-
SCH^VYG, Bock, bei Megenberg, I, S. 693: kütenbaum); ab d. chutina ^cllotin, chutinbaum, chutin-
boum) von geraeinroman. cotonea (cottanum, bei Plinius: mala cotonea). Dies aus zixJoJvfa (bei
Dioskurides: xvöiüvta). Aus cotonea dann auch coing (franz. so z. B.im Inventar Lefort [I, S. 805]
1439) und kwee (hell.). Die spätgriech. Namen bei Langk.wel, Botan. d. spät. Griech. Im
Mittelalter: cedonia, citonium, coctanus, cotoneum, quotanum, im ital.: cotegra. — Im IX.
Jahrh. auch coronopus (= Krähenfuß). Bei Ser.'V.pion und in der Alphita (I, S. 645) : cithonia,
mala citonia; bei ersterem auch: tuffa, suffargel. In den Sinonoma (I, S. 63g): cottana, citonia.
— Bei Megenberg heißen die Früchte: pirn küten, gemain küten. Bei der Hildegard (I, S. 670):
Quitdenboum, quotanus — bei Albertus Magnus (I, S. 674): coctanus, citonius. — In den
mittelengl. Medizinbüchern (I, S. 684): quyns — im Gothaer Arzneibuch (I, S. 681): quede.
«Die lateinische Form cotonea wird auf einer Vermischung mit Namen der Feige beruhen, die
auch in dem kleiurussischen (und poln.) Namen für Quitte pigva hervortritt» (SchraDEr) —
cottana waren kleine Feigen. — Von dem portugiesischen Worte für Quitte : marmeleiro (ordinario)
ist das Wort marmelade abgeleitet.
Stammpflanze. Cydonia vulgaris Persoon (Enchirld. II, 40) [Pirus (nicht
Pyrus) Cydonia L., Cydonia Cydonia Karst., C. europaea Sroi, Sorbus Cydonea
Crantz], Quittenbaum, Cognassier, coigenassier.
Mit den Varietäten: var. maliformis Mill., Apfelquitte, apfelförmig, beiderseits genabelt, —
var. oblonga Mill., Bimquitte, Quittenbirne, biruförmig, nur auf dem Scheitel genabelt (das
malum strutheum Catos). • — var. lusitanica Med., portugiesische Quitte, sehr groß und gerippt
und noch einigen anderen Sorten (vgl. Mat.mcu, Nomenciator pomolog. 1889).
Schon Plinius erwähnt fünf Sorten. Columella nennt struthia, chrysomelina und mustea.
Thzophrast (Hist. plant. 2, 2. 5) unterscheidet zwischen der wilden (verwilderten) Quitte,
xvdmvioq und der zahmen, die er ox^ovä^iov nennt, eine Bezeichnung, die sich (neben ozqovxo-
/XTjXov) ebenso bei den späteren Griechen und auch bei den Römern findet. Der Autor von
Makhzan beschreibt drei Arten Quitten (Safayal): die süße, die saure und die säuerliche (arab.
muzz) (Pharmacogr. ind.l.
Systemat. Stellung. Rosaceae, Pomoideae — Pomariae — Eucydonia (Focke).
Beschreibung. Die Quitte ist meist ein kleiner Baum, der selten 3 m Höhe
überschreitet, mit abstehenden domenlosen Ästen, oft ohne einen eigentlichen Haupt-
stamm (das steht schon bei Plinius) und kurzgestielten, eiförmigen oder eilänglichen,
ganzrandigen, alternierenden Blättern, die unterseits, ebenso wie die jungen Zweige
Sem. Cydoniae. 329
und der Fruchtknoten zottig-graufilzig sind. Nebenblätter laubig, länglich, drüsig ge-
sägt. Die einzeln terminal stehenden Blüten, die grüßer sind als die des Apfels
und bis 7 cm Durchmesser erreichen, besitzen fünf oblonge, drüsig-gesägte, filzige,
unterseits zottig behaarte Kelchblätter, fünf damit alternierende, rötlichweiße oder
weiße und rötlich geäderte Kronenblätter, die eine gedrehte Knospenlage besitzen und
15 — 20 Stamina, die in drei Kreisen angeordnet sind — bei 20 Staubfäden ist der
äußere Kreis zehnzählig und die beiden inneren sind je fünfzählig. Das Gynaeceum
ist unterständig, die fünf Grififel sind frei. Die aufsteigenden anatropen Ovula liegen
in zwei collateralen Reihen. Die goldgelbe, stark und eigentümlich lieblich riechende,
herb und sauer schmeckende Frucht ist apfel- bzw. bimförmig (s. oben), von dem
vergrößerten laubigen Kelch bekrönt [vielleicht rührt der Name Coronopus (s. oben)
von den auf der Frucht sitzenbleibenden Kelchzipfeln her, Fischer-Benzon] , gelb
oder grünlich-gelb — «quittegelb» ist im Sprachgebrauch eine besondere Nuance des
Gelb — , oft noch stellenweise von einem leicht abreibbaren Filze bedeckt, den Resten
der Behaarung des Fruchtknotens, daher spinnwebig filzig (M.\rtial vergleicht den
Flaum auf der Wange eines Kindes mit diesem Flaume). Das Fruchtfleisch ist derb,
hartfleischig, wenig saftig, sehr herbe und sauer. Das Kerngehäuse pergamentartig
knorpelig. Das Kerngehäuse entsteht aus den fünf Carpellen, die mit dem Recepta-
culum verwachsen. Das Fruchtfleisch (Mesocarp) und die Schale (Exocarpj sind also
Bildungen des Receptaculums, wie dies bei der Gruppe der Pomoideen stets der
Fall ist. Die Frucht ist also eine Scheinfrucht vom Typus der Apfelfrucht. In der
Mittelschicht der Frucht finden sich viele Sklerei'dengruppen (Reste der Drupa), die
sich zumal gegen das Gehäuse zu sehr eng zusammendrängen. Jedes der fünf Fächer
umschließt einen Ballen von 6 — 1 5 (selten mehr) Samen (Fig. 1 1 2). Die Frucht bleibt
auch zur Zeit der Reife hart. Die Quitte blüht im Mai oder Juni.
Die Quitte wächst wild im Kaukasus, in Transkaukasien (bis 1300 m), den
kaspischen Provinzen Persiens, Talysch und Asterabad, in Armenien, Syrien und
Kleinasien (Engler). Verwildert findet sie sich im ganzen Mittelmeergebiet. Für uns
kommen jedoch nur kultivierte Quitten in Betracht. Die Quitte ist von ihrer ursprüng-
lichen Heimat, den transkaukasischen, südkaspischen , ostiranischen, turanischen und
südostarabischen Ländern über Persien und Syrien zunächst nach dem Mittelmeergebiet
gebracht worden. In Kultur ist die Quitte jetzt im ganzen warmen und gemäßigten
Europa, sowie in Afrika, in Ägypten, Tripolis, auf Teneriffa und am Gap. In Italien
z. B. findet sie sich im Valle Pantena bei Verona, bei Marsano, Bologna und in
Sardinien spontan und kultiviert (Ravasini), doch trägt sie reicher im Süden. Ihre
Früchte reifen noch in England, nicht mehr in Schottland (Hanbury), wohl aber
in einigen Gegenden im Süden Schwedens und Norwegens (Schübeler). Im Süden
ist sie ein Baum, im Norden wird sie oft strauchartig. Nach Amerika ist sie wohl
frühzeitig gebracht worden. Sie wächst (halb wild?) in Chile (Philippi), Guatemala
(Smith), Mexiko und Florida und wird auch dort kultiviert. Die Kultur hat, wie es
scheint, die Frucht der Quitte wenig verändert.
Lit. EoissiER, Flor. Orient. II, 656. — Baillon, Hist. des plantes. Monogr. d. Rosac.
— Decaisne, Mem. sur la fam. d. Pomacees. — LuERSSEN, Medic. pharm. Botan. — Morgenthaler,
Beitr. z. Enlwicklgesch. der Quitte, Dissert. Zürich 1897 (dort die Lit. über die Verbreitung). —
De Candolle, L'origine d. plant, cult. — Schübeler, Pflanzenw, Norwegens. — Tschirch in Real-
Enzyklopädie. — Abbild. : Hayne, Arzneigew. IV, t. 47. — Nees von Esenbeck, PI. med. t. 305.
— DODEL, Anatom, physiolog. Atlas (Blüte). —Berg, Charakteristik t. 63, f. 479. — Berg-Schmidt,
Atlas I. Aufl. — Pabst-Köhler, Medizinalpfl. t. 34. — Bentley-Trimen, Medicin. plants t. 106.
00^
Schleimepidcrmen .
Pathologie. Über die Krankheiten der Quitte berichtet Prof. Ed. Fischer: In großer
Zahl fallen in gewissen Jahren die jungen Quittenfrüchte der Sc/rrotinia Cydoniae Scheli.enr
zum Opfer. Das Mycel dieses Pilzes überwintert in den Zweigen, wächst dann im Frühjahr in
die jungen Blätter, die gelbbraun bis schwarzbraun werden und absterben. Auf diesen ericrankten
Blättern erscheint die sog. Moniliaform des Pilzes, welche durch mandelartigen Geruch wahr-
scheinlich Insekten anlockt, die diese Sporen auf die Narben der Quittenblüten übertragen. Hier
findet die Keimung statt; die Keimschläuche wachsen durch den Griffelkanal in den Frucht-
knoten. Dieser bleibt, statt zu einer normalen Frucht heranzuwachsen, klein, verwandelt sich in
ein Sclerotium und fällt im Herbst ab. — Übrigens kann das Mycel auch direkt aus einem
erkrankten Zweige in eine Blütenknospe hineinwachsen und diese zum Absterben bringen (s.
H. C. Schellenberg: Über die Sklerotienkrankheit der Quitte. Berichte der deutschen botan.
Gesellschaft Band XVII, 1899). — Eine Fleckenkrankheit der Quittenfrüchte wird durch Tricho-
septoria fnictig^ena Maubl.\nc hervorgerufen.
Über die tierischen Schädlinge berichtet IsRAÜL: Die Feinde von Apfel-, Birn- und
Quittenb.iura lassen sich nicht trennen.
1. Käfer: Lwptcs nebiilosus L.: Larven unter der Rinde von Obst- und Waldbäumen.
Anobiiim striatum Ol.: Die Larven dieses sehr gemeinen und in Mobein und Gebälk sehr schäd-
lichen Käfers lebt auch im Holze alter und kranker Obstbäume. Bostrychiis dispar. F,\br. :
Larven im Splinte diverser Obstbäume. Die Larven der Bostrychiden veranlassen sowohl an
Laub- als auch an Nadelhölzern die sog. Wurmtrocknis. Mehrere Eccoptagaster- und Magdalinus-
arten leben als Larven im Splinte von Pflaumen-, Apfel-, Birn- und Quittenbäumen. Auch in
Kirschen und Schlehen usw. OtiorhymJniS3,\\.en werden schädlich durch das Benagen junger
Triebe. Häufig an Obstbäumen usw., auch an dem Weinstocke gelegentlich schädlich. Phyliobiiis
calcaratus Fabr., P. pyri L., P. argentatus L., P. oblongtis L., Polydriisusarten: Diese Grün-
und Glanzrüsselkäfer werden gelegentlich lästig und schädlich durch das Benagen von Knospen,
Blättern und krautartigen Stengelorganen der Obstbäume. Von den Rhynclu'trsa.ritn (Rebenstecher)
sind es ganz besonders Ph. i:uprciis L., bacchiis L., alliariac L., aeqicatus L., aureus SCOP. und
andere, die oft sehr lästig werden können. Die Larven leben entweder in den Früchten oder
den jungen Trieben. Auch AnthonomusAxt^n (Blütenstecher) treten gelegentlich schädlich auf.
Die Larven fressen die Geschlechtsorgane der Blüten aus und verpuppen sich in den verdorrenden
Blüten. Auch ^//o?;arten (deren Larven meist in den reifenden Hülsen von Leguminosen leben)
schaden als Käfer durch das Benagen der Knospen usw.
2. Falter. Papilio podalirhis L.: Raupe an Apfel-, Birn-, Quitten-, Aprikosenbäumen,
besonders an Schlehen und Pflaumen. Aporio crataegi L.: Raupe an Obstbäumen und Schlehen.
Vanessa polychloros L. : Raupe an Ulmen, Apfel-, Birn- und Qnittenbäumen, auch an Weichsel
und Kirsche. Lycaena argiolus L. : Raupe an Phamnus Frangida^ Pirtts covimunis^ P. malus,
Mespilns germanica. Smerinthiis tiliae L. : Raupe an Linde, Eiche, Birke, Ulme, Maulbeere,
seltener an Apfel, Quitte, Syringe. Smerinthiis ocellata 'L.,: Raupe an Weiden, Pappeln, Aspen,
seltener an Apfel, Quitte, Birne. Zeuzera aesculi L., Cossus cossus L.: Raupen in Wald- und
Obstbäumen. Cossus oft zahlreich in einem Stamme und denselben baldigst vernichtend. Die
Raupen verraten sich oft durch den starken Geruch nach Holzessig. Zeuzera mehr im Holze
der Zweige, gelegentlich auch in den Wurzeln, seltener im Stammholze. Saturnia pyri'W. V.,
S. spini W. V.: Raupen hauptsächlich in Ungarn an diversen Obstbäumen, z. B. an Apfel,
Birne, Quitte, Schlehe, Aprikose usw. Saturnia pavoniaJ^.: Raupe ziemlich polyphag, auch an
Obstbäumen. Ocneria dispar L., Aglia tau L.: Raupen an Wald- und Obstbäumen. Orgyia
gonostigtna F., Or. antigua L., Dasychira pudibunda L., Porfhcsia clirysorrhoea L., P. similis
FUSSLY, Psilura monac/ia L. und viele andere Spinner leben an diversen Laubhölzern, auch in
Gärten oft mehr oder minder schädlich auftretend. j9«musw.) vonMicrolepidopteren u. a. in Betracht:
Ephestia kuehniclla Z. Diese jedenfalls aus Nordamerika eingeschleppte Phycitinaee lebt
in Weizenmehl und vielen anderen amylumhaltigen Drogen, besonders lästig werdend durch
die Gespinstfäden. Sie nimmt mit Vorliebe aber auch getrocknete Quittenschnitzel, Ringäpfel,
Pflaumen und Eßkastanien an. Sie scheint sich in den letzten Jahrzehnten sehr ausgebreitet zu
haben. Ephestia calidella Gr., E. Jigulilel/a GREGS., E. afflatclla Mn., E. cmiiella Wlk., E. elu-
tella Hb., Pyralis farinalis L. : Die spinnenden Räupchen leben gerne (oft in sehr großer An-
zahl) in allen möglichen getrockneten Früchten und stärkehaltigen Samen, besonders gerne in
Feigen, Datteln, Johannisbrot, Mehlvorräten usw., auch in Pflaumen, Quittenschnitzeln, Ringäpfeln.
In der Droge findet sich oft Sitodrepa panicea (I, S. 379).
Handel. Sem. Cydoniae kommen in den Handel aus Südrußland (Krim),
Spanien, Portugal, Südfrankreich, Teneriffa, Capland. Die russischen Samen
sind voller, fester zusammenhängend, von fast violettschwarzer Farbe und reich an
Schleim (FlÜckiger). Sie erzielen jetzt die höchsten Preise. Indien, das viel ver-
braucht, bezieht Sem. Cydon. (vermutlich seit undenklichen Zeiten, FlÜckiger) vom
persischen Golf sowie auch aus Afghanistan, Kabul, Bokhara, Kaschmir.
Als russische Quittenkerne kommt in den letzten Jahren in der Hauptsache persische
AVare in den Handel, die sowohl von den russischen Stapelplätzen wie auch über London und
Hamburg zugeführt wird. Als sog. spanische (rötliche) Quittenkerne rangieren die spanischen,
französischen und Kap-Sorten, welch letztere meist über London kommen (Caes.\R & Loretz).
Morphologie der Droge. Die Samen eines Faches sind für gewöhnlich um
eine kurze Mittellinie in zwei Vertikalreihen orientiert und durch den Schleim zu
einem ziemlich regelmäßigen Ballen verklebt
(Fig. 112), so daß sie auch noch in der Droge
oft zu mehreren zusammenhängen. Sie sind
hart, rotbraun, mit einem Ton ins Violette,
durch den eingetrockneten, bisweilen abschilfern-
den Schleim matt weißlich, spitz-eiförmig, halb-
herz- oder keilförmig, durch gegenseitigen Druck
unregelmäßig-kantig, oft miteinander verzahnt.
Der helle Nabel (Hilum) liegt am spitzen Ende,
von ihm läuft die Raphe als ein scharfer, ge- I.,olierter Same, a und b Samenballen eines Faches:
rader Kiel zu der als erhöht-gerandeter Fleck '^ """ ^"''^"' ^ ™" '""="■ [Tschirch.]
seitlich hervortretenden Chalaza. Der der Raphe gegenüberliegende Rand beschreibt eine
seichte Kurve (Fig. 112). Die Samen sind frisch etwa 8 mm lang, 4 mm breit und 2 mm
dick und wiegen etwa 0,052 g; trocken messen sie etwa 7 mm (nicht über 10 mm)
und wiegen im Durchschnitt 0,02 q g (Morgenthaler). Die Samen schmecken zu-
erst schleimig, ist die Schleimschicht entfernt herb-adstringierend, beim Zerkauen
Fig. 112.
Cydonia vulgaris L.
332
Schleimepidermen.
tritt scliwacher Bittermandelgeschmack her\-or. Legt man die Samen in Wasser, so
»imgeben sie sich mit einer Schleimhülle, schüttelt man sie mit Wasser — am besten
unter Zusatz von einigen Glasperlen — , so löst sich die Schleimepidermis von der
Schale ab und man erhält einen zähen Schleim. Der Embryo besteht aus zwei dicken
plankonvexen, ölig-lleischigen, deutlich geäderten, wellenförmig zusammengelegten Cotv-
ledonen und einer kleinen und kurzen, gegen das Hilum gerichteten geraden Radicula.
Anatomie. Der trockene Same ist mit einer hellen derben, abschilfernden
Schicht bedeckt, die unter Ghcerin betrachtet keine Struktur erkennen läßt, aber im
polarisierten Lichte glänzt. Läßt man zu dem in Glycerin liegenden Querschnitte
langsam Wasser zufließen, so quillt diese Schicht mächtig (bis 0,170mm) und nun-
mehr tritt die Struktur deutlich hervor. Es zeigt sich, daß sie aus einer Reihe pris-
matischer Zellen besteht, die deutlich geschichtete Schleimmembranen (Fig. 113, Sep)
^^\ wl /o/
^.^^^^ / / / / 1 1 II /^l^i 1^1
>^^?^v\^^4c / / / / / ?/5/ /?/ ^
S^A^Äg^^ — '
" ' -End
^^^^ ^^- -Qu
Fig. 113-
Cydonia vulgaris L.
Querschnitt durch die Randschicht des Samens an der Stelle, wo das Raphebundel liegt. Sep Schleimepidermis, in
einigen Zellen kleine Stärkekörnchen. P Pigment- (Hart-) Schicht. NS Nährschicht. Psp Perispermrest. End Endo-
sperm. Qu Quellschicht. [Tschirch.]
und auf der Innenseite ein kleines, etwas Plasma und oft noch kleine Stärkekörner
enthaltendes Lumen besitzt. Die Schleimmembran, die sich mit Jodschwefelsäure blau
färbt (KüTZiNG, Gramer), also zu den Zelluloseschleimen (Tschirchs) gehört, ist
aber so empfindlich gegen Wasser, daß sie rasch ihre Struktur verliert und sich in
dem umgebenden Wasser verteilt. Der Schleim wird durch Hämatoxylin prächtig
violett, durch Jod gelb bis rosa, bei viel Reagens rot bis braunrot. Diese große Schleim-
epidermis der Samen ist sehr charakteristisch für Cydo?iia, besonders zum Unter-
schiede von Pirus (doch haben die Samen von Pirtis lomonii auch eine solche,
Dutailly). Bisweilen unterbleibt in einzelnen Zellen die Schleimbildung, diese er-
scheinen dann seitlich zusammengedrückt. Die kappenförmige Ablagerung der Schleim-
schichten beginnt erst ziemlich spät (im August) an der Innenseite der Außenwand
der Epidermiszellen und schreitet dann rasch bis zum Grunde fort (Frank, Luerssen).
Sem. Cydoniae. 333
Auf die Schleimepidermis folgt eine mehrreihige, an den Ecken dickere, an den
Flächen schmälere, hier meist nur 3 — 4reihige, derbe Pigmentschicht (Fig. 113, P),
die zugleich die Hartschicht bildet, deren verdickte, in der Längsrichtung des Samens
gestreckte Zellen einen braunen Phlobaphenklumpen enthalten, der sich mit Eisensalzen
färbt und deren Wand gegen Schwefelsäure resistent ist. Dann folgt die Nährschicht
(Fig. 113, NS). Sie ist entweder ganz obliteriert (zum Teil sogar resorbiert), so an
vielen Stellen an der Fläche des Samens oder es ist ihre äußere Zellreihe, oder —
an den Kanten — mehrere Reihen erhalten. In ihr verläuft das Raphebündel
(Fig. 113). Die Wände der Nährschicht sind gebräunt. Beim ganz jungen Samen
besitzt die Nährschicht eine große Mächtigkeit und enthält, wie auch die junge Pig-
mentschicht und die Epidermis, reichlich transitorische Stärke. Bis hierher reicht die
Samenschale. Dann folgt eine obliterierte Zone, die zu äußerst von einer Zellreihe
begrenzt wird, deren dicke Außenwände gelbgefärbt sind. Wir dürfen die Zone wohl
als einen Perispermrest betrachten (Morgenthaler). An ihn schließt sich das
mehrreihige Endosperm, das zu innerst von einer obliterierten Schicht begrenzt
wird (Quellgewebe, Tsciiirch und Hirsch). Die Hauptmasse des Samens bilden
die dickfleischigen Cotyledonen, deren Palissadenschicht deutlich ausgebildet ist und
die so orientiert ist, daß die Palissadenseiten aufeinander liegen. Das Mesophyll ist
von Procambiumsträngen durchzogen. Endosperm und Cotyledonen sind mit Aleuron-
körnern erfüllt, die in Ölplasma (Tschirch) eingebettet sind und von denen die
größeren, wenigstens in Cotyledonen und Endosperm, neben Globoiden auch meist
ein oder mehrere Kristalloide enthalten. Die größten Aleuronkömer (bis 28 mik) finden
sich im Endosperm, die in den Cotyledonen sind etwas kleiner (bis 1 5 mik), die der
Radicula sind am kleinsten (bis 7 mik, Morgenthaler).
Lit. KÜTZING, Grundz. d. philos. Bot. t. 4. Fig. 4. — Cramer a.a.O. (1855). t. 22. Fig.
3 u. 4. — Hofmeister, Ber. d. Sachs. Ges. d. Wiss. 1858. — Frank a. a. O. — A. Michelis,
Zur Anatom, schleimhalt. Samensch. Progr. d. städt. Realschule Königsberg 1877 (m. Abbild.).
— Tschirch, Artikel Cydonia in Realenzyklop. d. Pharm. — Hirsch, Einriebt, behufs Über-
führ, d. Reservestoffe in d. Embryo. Dissert. Erlangen 1890. — Flückiger, Pharmakognosie.
— J. Morgenthaxer, Beitr. z. Entwicklungsgesch. d. Quitte. Diss. Zürich 1897 idort auch die
Keimungsgeschichte). — Marloth, Mechan. Schutzmitt. d. Samen. Engl. bot. Jahrb, IV, 236.
— DUTAILLY, Un pirus ä graines mucilagineuses. Bull. soc. Linn. 1898. — Nährschicht: HOL-
FERT, Flora 1890 (Morgenthaler bringt Nährschicht und Nährgewebe durcheinander).
— Anatom. Abbild, in Oudemans Atlas (1854). — Berg, Anatom. Atlas t. 46. — Tschirch,
Angew. Anatomie Fig. 36 u. 196. — HeRiVIL-Bonnet, Manipulat. t. 35. — Planchon-Collin,
Drog. simpl. 1896, • — Anatom. Abbild., die Pektinbildung in der Fruchtschale der Quitte
betr., in Rosenberg, Über d. Pektinmetamorphose. Diss. Bern 1908 (mit 9 Taf.). Vgl. auch
Tschirch, Pektin u. Protopektin. Ber. d. pharm. Ges. 1907.
Chemie. Die Samen enthalten so viel Schleim (Cydonin, Pereira), daß sie
das Vierzigfache ihres Gewichtes Wasser aufzunehmen imstande sind. Sie liefern
denn auch c. 20 "/q (lufttrockenen) Schleim (Flückiger). Der Rohschleim enthält viel
Kalk und Eiweißsubstanzen — oft 10,4 "/q Asche (Schmidt). Der Schleim bildet
eine kolloidale Lösung. Tollens und Kirchner (1874) lösen zur Reinigung in
Wasser, filtrieren, dampfen ein, versetzen mit Salzsäure und fällen mit Alkohol; ge-
trocknet quillt er, wird aber erst auf Kalizusatz gallertig. Sie geben ihm die Formel
Ci8H,sOu(= 3(C6Hio05) — HjO), Schmidt: C,I1,,0„ Mulder: C^.HgA,, • (=^
4(CgHjg05) — HjC»). Die geringere Menge H2O erklären Kirchner und Tollens
durch Esterbindung im Molekül. Der Cvdoniasch\eira ist unlöslich in Alkalien und verd.
■ITA Schleimcpidcrmen.
Säuren, wird mit Jodschwefelsäure blau und gibt mit Salpetersäure Oxalsäure, nicht Schleim-
säure (Cra.mer, Frank), enthält also kein Galaktan, ebenso liefert er hierbei keine
bemerkenswerten Mengen Zuckersäure, enthält also auch kein Dextran (?). Er wird
nicht durch Borax verdickt. Der lösliche Teil wird durch Alkohol und Metallsalze
niedergeschlagen, ebenso durch Aikaloide. Gerbsäure verändert nicht, Kreosotwasser
fällt nicht (Unterschied von Gummi- und Kirschgummischleim, Reichenbach), Blei-
zucker fällt flockig (Unterschied von Acacien- und Carrageenschleim). Er läßt sich
mit Natriumsulfat (Flückiger) und Ammonsulfat (Pohl) aussalzen. Mit kaltem
Wasser bilden Quittensamen eine sehr zähe Flüssigkeit, welche durch Filtrieren in
dünnere und dickere Anteile sich trennen läßt (Tollens). Durch Erwärmen mit ver-
dünnten Säuren wird Quittenschleim dünnflüssig und es scheiden sich c. 34''|o einer
wie Zellulose reagierenden Substanz (auf der die Zellulosereaktion des Schleimes
beruht) flockig ab. Das Filtrat enthält ein Gummi und einen rechtsdrehenden Zucker,
der Arabinose oder Xylose zu sein scheint (Tollens). Vielleicht entsteht hierbei
auch etwas Traubenzucker (Bauer und Tollens) bei der Destillation mit verd.
Schwefelsäure entsteht Furfurol. Im Quittenschleim sind also (wie im Schleime von
Plantago Psyllium) Pentosane enthalten (Araban und Xylan oder ein verwandter Stoff",
Gans und Tollens). Der Cydonia&ch\&.ra hat viel Ähnlichkeit mit dem Traganth-
schleim. Vor der Reife enthält der Same in der Samenschale Stärke, Spuren finden
sich auch bisweilen im reifen Samen (s. oben und Fig. 113 rechts).
Quittensamen liefern (ebenso wie die Rinde und die jungen, frischen Triebe)
bei der Destillation mit Wasser ein blausäurehaltiges Destillat (Stockmann). Die Samen
enthalten, neben Emulsin, nur wenig (0,4 "/u) Amygdalin (JoucK, Lehmann gibt
\,2 — i,5*'/o an), das vollständig mit dem der Mandeln übereinstimmt. Wicke gab
bereits 1851 an, daß das Amygdalin in vielen Pomaceen und Pruneen [Malus, Sorbus,
Amelanchier, Cotoneaster , Crataegus, Cydonia, Eryobotrya, Pi-unus) vorkomme, hatte aber
reines Quittenam3'gdalin nicht in Händen. Die Samen enthalten in der Samenschale eine
gerbstoffartige Substanz und im Samenkern is^jo Öl (Brand). Das Öl der Samen
enthält als Hauptbestandteil Myristicinsäure, Ci^HjsOj, dann eine mit Isopentadecylsäure
isomere und eine ungesättigte, flüssige Säure, CjgHg^Og {^^ CjjHjjOH.COOH), sowie
4,1 '/q Glycerin (R. Herrmann). Hauke gibt die Asche der Samen zu 4,45 •>/, an,
Warnecke zu 3,55 °/o- Die Asche ist reich an Phosphorsäure (42 "/g, Souchay).
Lit. Schleim: Pereira, Heilmittellehre (dort Reaktionen des Schleims). — BosTOCK,
Nichols. Journ. VIII, 31. — C.Schmidt, Lieb. Ann. 5r, 29. — Kirchner u. Tollens, Lieb. Ann.
175. — MuiDER, Journ. pr. Chem. 37. — Frank, Pringsh. Jahrb. 5 u. Journ. pr. Chem. 95.
— Flückiger-Hanbury, Pharmacographia. — Flückiger, Pharmakognosie. — Gans und Tollens,
Lieb. Ann. 249 (1889), 245. — Schulze u. Tollens, Ebenda 271 (1890). — Tollens, Kurz.
Handb. d. Kohlenhydr. 2. Aufl. 1898. — Pohl, Zeitschr. phys. Chem. 14(1890), 151. — Blau-
säure: W. Wicke, Lieb. Ann. 79 (1851) und 81 (1852). — JoucK, Beitr. z. Kenntn. d. Blaus,
abspalt. Glycos. Diss. Straßb. 1902. — E. Lehmann, Beitr. z. vergl. Unters, über Vork. u.
Verbreit. d. Amygdalins usw. Pharm. Zeitschr. f. Rußland 1895, 352. — Öl: R. Herrmann,
Über d. fette Öl d. Quittens. Arch. Pharm. 237 (1899I, 358. — Asche: Hauke, Zeitschr.
österr. Apoth. Ver. 1902. — SouCHAY, Jahresb. d. Ph. 1845, 66.
Quittensaft enthält nach Trouchon und Claude g in 100 ccm: Invert-
zucker 7,59, Gesamtsäure auf Weinsäure berechnet 0,96, durch Alkohol fällbare
Stoffe 0,46, Asche 0,42. Quitten enthalten keine Saccharose, wohl aber Weinsäure.
Nach RiEKHER soll neben Zucker, Pektin und Gummi 3,5 "/o Apfelsäure darin
vorkommen. Lancaster erhielt 1,6 g Bleimalat aus 453 g Frucht. Die Säuren der
Sem. Cydoniae. 23 5
Quitte bedürfen einer erneuten Untersuchung. Wöhler erhielt bei der Destillation
reifer Quitten mit Wasser einen Oenanthäther, R. Wagner hält jedoch das Arom
für Pelargonsäureäthylester. Künstliche Quittenessenz besteht aus Äthylpelargonat.
Das Pektin der Quittenfnicht ist stark rechtsdrehend ([«Jd = + 188,2) und enthält
ein Galaktoaraban. Es gibt bei der Hydrolyse Arabinose und mit Salpetersäure
Schleimsäure. Der Pentosangehalt der wilden Quitte beträgt ;^,2^, der der Kultur-
quitte 1,78 "Iq der Trockensubstanz (Wittmann).
Lit. WÖHLER, Lieb. Ann. 41, 239. — Lancaster, Am. journ. pharm. 31, 198. — Truchon
et Claude, Journ. pharm, chim. 13 (1901), 171. — Javillier, Ebenda 9 (1899^, 513. — König,
Nahrungs- u. Genußm. — Über das Pektin der Frucht vgl. oben S. 280 unter Pektino-Membranine.
Anwendung. In der Volksmedizin (als Aphrodisiacum, zur Erzeugung kluger Kinder)
und im Volksaberglauben (Liebeszauber) spielt die Quitte von jeher eine (allerdings beschränkte)
Rolle. Die Nützlichkeit der Quitte schildert schon der alte Vers:
Auch die rauhen Quitten hegen
zum vergnügen unsrer Brust
wenn wir ihr gewächs erwägen
nahruug, kühlung, nutz und lust (Brockes).
«Quittenkern in Rosenwasser geweicht geben ein glattes feines sälblein zu allerhand brand
und brenne der zungen, darmit bestrichen», steht in Bocks Kräuterbuch. Unter den schleimigen
Mitteln des Hippokeates steht Cydonia (xvöwvsa). Er benutzte also wohl schon die Samen.
Nach Matthioli war Quittensamen in Spanien Antidot gegen I/fl/eborus. Auch bei AtHenaeus
(Deipnosophist. III, 21) wird die Quitte als Gegengift genannt. Quiltensamen sind seit langer Zeit
ein Bestandteil der chinesischen Materia medica. Die Benutzung ihres Schleims scheint vornehm-
lich von den Arabern ausgegangen zu sein. Doch ist die Benutzung der schleimigen Samen wohl
ein auf die hochasiatische Heimat des Baumes zurückzuführender Brauch (FlÜckiger). In Tui-
kestan hat sie noch jetzt beträchtliche Ausdehnung. In dem Liber fundamentorum des Abu
MansUR Muwaffak (X. Jahrh.) wird die Benutzung des Samen der Safardschal bei Husten
erwähnt. Im Altertum war ein fettes Quittenöl (durch Enfleurage oder Maceration der Früchte
mit Öl bereitet) als Arzneimittel beliebt (Dioskurides). Auch Mesue kennt ein zunächst durch
Maceration, dann durch Auskochen mit Öl bereitetes Ol. Cydoniorum, das dann Cordus, der ja
vielfach noch auf Mesue fußt, in sein Dispensatorium aufgenommen hat. Dioskurides nennt eine
Menge Krankheiten, bei denen Quittenfrüchte innerlich und äußerlich anzuwenden sind. Man
bereitete aus ihnen einen Wein und ein xv6wv6ßl).L sowie sog. Honigäpfel (melimela). In dem
von CoRDUS aufgenommenen Syriipiis de Absinthw maior des Mesuü findet sich Sitccus Cydo-
niorum. In der Pharmacia simplicium des CORBEIUS (1656) werden eine Menge Krankheiten
genannt, die durch Quitten zu heilen sind. In Indien, wo der Same Handelsartikel ist, ist er
außerordentlich beliebt in der Volksmedizin. Der Schleim wird bei Husten und Darmleiden be-
nutzt, äußerlich bei Verbrennungen der Haut. Bei den Arabern sind auch Blätter, Blüten und
Rinde des Baumes Hausmittel. Die persischen Karabädins (Grabadins [I, S. 599], d. h. Pharma-
kopoeen) kannten Konserven aus Frucht und Blüte (Pharmac. indica). Geiger führte (Handb.
d. Pharm. 1S30) folgende Quittenpräparate an: Saft, Sirup, Mus (Roob, Pulpa), Marmelade,
Quittenbrod [conditiim s. fanis c), Extr. und Tinct. ferri cydon. und Mucilago sem., endlich
Quittenliqueur und Quittenwein. Die Poma Cydoniorum (Cydonia exsiccata), das Extr. ferri cy-
doniati, der Syr. Cydoniorum (nach Art des Kirschsaftes dargestellt) und der frische Quittensaft
sind noch jetzt, besonders in Frankreich und Österreich, beliebt. Der Schleim wird noch heute
bei Hautleiden und oft auch als Zusatz von Augenwässern benutzt. Er findet auch in der Zeug-
dnickerei Anwendung. Eine Abkochung der Samen dient in Indien als Tonicum und Antidyssen-
tericum (Dymock, Dict. econ. prod. u. and,).
Verfälschungen. Als solche werden besonders die Samen der Birne und des
Apfels genannt. In der Form sind sie ähnlich, aber gerundet, niemals unregelmäßig
abgeplattet, da sie in dem Fruchtfache isoliert oder zu zweit liegen und daher auch
niemals miteinander verklebt sind. Sie umsehen sich auch in Wasser nicht mit einer
X'it) Schleinicpidermen.
breiten Sdilcimhülle, sind sehr wenig schleimig und glänzend dunkelbraun. Ihre
Schleimepidermis ist sehr schmal, die Zellen sind kaum radial gestreckt.
Rosinenkerne besitzen eine ganz andere Form und sind leicht kenntlich.
Hager gibt als Verfälschung (bis 50 "jo) «die Schale einer Frucht von brauner Farbe
oder braun gefärbt und schwach weißlich bestäubt» an. Neuerdings sind in Amerika
kleine Fragmente getrockneter Quittenfrüchte als Verfälschung beobachtet worden.
Geschichte, Die goldenen Äpfel (xQvaea ßijXa, xQvaoiirila) der Hesperiden und der
Alalante, «der der Aphrodite geweihte, in Mädchen- und Liebesspielen aller Art und zu bräut-
lichen Gaben dienende Apfel» (Hehn), der Apfel des Paris, der Erisapfel, das alles waren wohl
«iidealisierte» Quitten. Auf die Angabe in des Ben Sira Alphabet (XI. jahrh.), daß der Garten
Nebuk.\dnezars auch Uuittenbäume enthalten habe, ist nichts zu geben, obwohl die Pflanzen-
liste älter ist (Low). Dem semitisch-ägyptischen Kulturkreise scheint die Quitte in älterer Zeit
fremd geblieben zu sein (Schrader). In der Bibel fehlt die Quitte (bei dem goldenen Apfel
in den Sprüchen handelt es sich vielleicht nicht einmal um eine Frucht, sondern nur um ein
Ornament) und das Althebräische hat keinen Namen für Quitte, erst im Aramäischen finden wir
einen solchen, nämlich tsparg^lin (Low). Da die Griechen die Quitte firjkov xräwvtov, d. h.
Apfel von livötov (untergegangene Stadt, wahrscheinlich unweit des heutigen Canea auf Creta)
nannten, erhielten sie sie wohl von Creta, wo sie entweder ursprünglich zu Hause oder früh-
zeitig aus Kleinasien eingeführt war. IsiDOR bemerkt im Etymologicon: «Malus Cydonia nomen
sumpsit ab oppido, quod est in insula Creta, de qua dicere solent, urbium Cretensium matrem
Cydoniam, ex cuius pomo Cydonitum conficitur» — auch der Talmud spricht von kretensischen
Äpfeln. Jedenfalls wurde sie in Creta, dem Eldorado der Arzneipflanzenkultur des Altertums,
besonders eben bei Kvöwv {xvöwveia — xväiovioc = kretisch) in großem Umfange kultiviert.
(Jetzt fehlt sie auf Creta). Die Griechen lernten sie schon in sehr früher Zeit kennen, denn so-
wohl der Dichter Alkman (650 v. Chr.), wie derltaliot IBYCUS (VI. Jahrh. v. Chr.\ wie der Sikuler
Stesichoros (c. 550 V. Chr.) erwähnen die Quitte aus Lydien bzw. aus Rhegium und Sizilien
(bei Alkman heißt sie xoäv/xakov). Die Kulturquitte muß also schon im VII. Jahrh. den griechi-
schen Kolonisten in Kleinasien, Sizilien und Unteritalien bekannt gewesen sein (Hoops). Die
Quitte war wegen ihres Duftes und ihrer zahlreichen Samen bei den Griechen Symbol der
Schönheit, Liebe und Fruchtbarkeit und der Aphrodite heilig. Solons Gesetz verordnete,. daß
die Braut, ehe sie sich ins Brautgemach begab, eine Quitte essen mußte , um sich unter den
Schutz der Aphrodite zu stellen (Plutarch). Und auch bei den Deutschen wurde sie später
Sinnbild der Fruchtbarkeit und einer glücklichen Ehe (AlGREMONT). Bei den Liebes- und Hoch-
zeitssitten spielt sie in den Balkanstaaten, Dalmatien und Siebenbürgen noch jetzt eine Rolle.
Auch zu den Römern kam die duftige Quitte, die sie rnahim cotoneum (tn. aureum) nannten,
frühzeitig und spielte bei ihnen im Kultus und Volksleben eine große Rolle. Plinius, der eine
Menge Krankheiten nennt, die die Quitte heilt, sagt, man bewahre sie wegen ihres Duftes in
den Besuchszimmern auf und das ist heute noch Sitte in Italien. Zur Zeit Gaxkns kam spanische
Marmelade [= Quittengelee, s. oben) nach Rom. Das malum cydonnim, findet sich im Edikt
DioCLETl.\NS (s. oben) und alle Scriptores rei rusticae von Cato bis Palladius (I, S. 574)
widmen ihr ihre Aufmerksamkeit. Wir finden sie denn auch auf den pompejanischen Wand-
gemälden (I, 575) und auf den Wandbildern der Villa Livia in Primaporta (Möller, D. Bot.
in d. Fresk. d. Villa d. Livia. Mitt. d. kais. Archäolog. Inst. Rom 1890). Cydcnia mala stehen
auch bei Scribonius Largus (I, S. 577) und werden bei Athenaeos Naucratites (III. Jahrh.
I< 574) erwähnt. Die Römer brachten sie dann mit den übrigen Obstbäumen nach den nörd-
lichen Provinzen des Reiches. Doch fehlt es an alten Funden daselbst, obwohl die Samen nicht
vergänglicher sind als die des Apfels. «Der althd. Name kutina, dem wahrscheinlich eine latei-
nische Form cudonia oder codonea = germ. kudinjö (.') zugrunde liegt, deutet wegen der Ver-
schiebung von d zu t auf Entlehnung in den ersten Jahrhunderten» (HooPS). Den Angelsachsen
scheint die Quitte erst auf britannischem Boden bekannt geworden zu sein. Sie wird bereits
im Corpus-Glossar erwähnt. Nördlich der Alpen wird sie sich dann wohl besonders durch die
Benediktiner (I, S. 619) eingebürgert haben. Wir finden die cotonarios im Capitulare Karls
(I, S. 620) und dem Breviarium, im St. Galler Klosterplan (hier als: guduniarius I, S. 622), bei
der Hildegard, Albertus Magnus und in dem Opus ruralium des Crescenzi (1,8.678). Auch
die spanische Landwirtschaft kennt sie. Im Kalender des H.\rib (I, S. 612) steht beim Sep-
Semen Psyllii. ■? ^ 7
tember: apparent citonia. Die Zeit der Einführung der Quitte nach England läßt sich nicht mehr
feststellen. Gebackene Quitten werden (nach Hanbury) 1466 gelegentlich der Installation des
Erzbischofs von York, Nevill, erwähnt (Lelakd, De reb. brit. coUectan. VI [1774] 5). Die
Semina cytoniortim wurden von Mesue für viele Sirupe, wie den Syrufus de Prassio, den Syr.
de Jujubü, den Syr. violarum und Syr. de Hyssopo benutzt, die alle CoRDUs in sein Dispen-
satorium (I, S. 795) aufgenommen hat. In dem Emp!. diachylon aber, das in seinen verschiedenen
Vorschriften (bei Mesue und CoRDUS) alle möglichen Schleime (von Linum, Psyllium, Althaea,
Matvawurzel, Fenum graecum, Fiats, Passulae(}), Ulmusrinde) enthält, fehlt der CydoniaschXeim.
Bock empfiehlt die Samen mit Rosenwasser ausgezogen bei Bräune. Im Frankfurter Catalogus
von 1582 steht: Cydonia mala de Bengala condita, eine frembde Art der eyngemachten Kutten
aus India — was darauf deutet, daß auch eingemachte indische Quitten damals in Benutzung
waren — in der Taxe von Eßlingen 1571 (I, S. 816): Srm.citoniorum. Auch in der BERLU-Liste
(1724, vgl. I, S. 951) stehen Sem. cydon.
Lit. Hanbury, Pharmacogr. — FlCckiger, Pharmakogn. — Pharmac. indic. — Hehn,
Culturpfl. — Koch, Bäume u. Sträucher d. alt. Griechenl. 1879. — SxEsrCHOROS in Poetae
lyrici graec. ed. Bergk. — • Low, Aramäische Pflanzennamen. — De Candolle, L'origine des
pl. cult.
Semen Psyllii.
von Plantago Psyllium L., die Flohsamen (bei den Griechen: Kynops, Psyllion, Buprestis,
bei den Römern: Pulicaria) sind medizinisch kaum noch in Anwendung. Der auch hier als
Schleimepidermis auf der Samenschale vorkommende Schleim (Xylin, Bauer) soll der Formel
CggHjgOjg eutsprecheu. Analyse auch bei Schmidt (Lieb. Ann. 51). Er liefert bei der Hydrolyse
mit 1,5% Schwefelsäure neben Zellulose [Kirchner und Tollens, Lieb. Ann. 175 (1875), 205].
bis 108,3 "/„ Glukosen, mit Salpetersäure aber keine oder nur sehr wenig Schleimsäure (Bra-
CONNOT). Flohsamenschleim wird wie Leinsamenschleim in der Zeugdruckerei, in der Bunt-
papierfabrikation, als Appreturmittel für verschiedenartige Stoffe verwendet (V.alenta).
Auch die in Indien in hohem Ansehn stehenden Ispaghül-Samen oder Spogel seeds
(arab. bazre qatüna) von Plantago decumbens FoRK. [P. Ispaghitla RoXB.), die sich sogar in der
Pharmakopoea indica (1868) fanden, enthalten eine Schleimepidermis auf der Samenschale (vgl.
Flückiger- Hanbury, Pharmacographia p. 490).
2. Schleimendosperme.
Samen mit Schleimendosperm, wie ich 1888 in der Angewandten Anatomie
diese Gruppe von Nährgeweben genannt hatte, finden wir besonders bei den Legu-
minosen (Trigonella, Ceratonia, Gvmnocladus, Cassia, Schizolobiiim , Gleditscliia, Tetra-
gonolobzis, Indigofera, Medicago, Trifoliutn, Colutea, Genistd). Es handelt sich hier nicht,
wie Haberlandt meinte, um «Quellschichten» oder «innere Quellapparate >, sondern
um Reservebehälter. Denn, wie Versuche, die ich mit Nadelmann i88g angestellt
habe, gezeigt haben, wird der Schleim, der hier ebenfalls in Form sekundärer Mem-
bran verdickungsschichten auftritt, und zwar für gewöhnlich schon als solcher angelegt
wird, bei der Keimung gelöst. Dadurch treten diese Endosperme an die Seite der
Endosperme bei denen Reservezellulose als Reservestoff auftritt (Palmensamen), mit
denen sie durch mancherlei Übergänge (z. B. die Samen der Strychnaceen) verbunden
sind, und wir werden auch chemisch mancherlei Beziehungen zwischen diesen beiden
Gruppen finden. Ich habe denn auch oben im Kapitel Reservezelluloso-Membranine
die Leguminosensamen mit erwähnt. Bourquelot und seine Mitarbeiter fanden in
der ganzen Gruppe der «Albumens cornes» (vornehmlich der Leguminosen) Manno-
galaktane (Galaktine, Müntz), d. h. sie erhielten bei der Hydrolyse der Endosperme
Mannose und Galaktose. So erhielten Bourquelot und Herissey z. B. bei der
Hydrolyse des Schleimendosperms von Ceratonia Siliqua (S. 145) einen reduzierenden
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 22
^•j3 Schleimendospeniie.
Zucker, aus dem sie 72,56 *'|„ Mannose und 20,37 "jo Galaktose in kristallinischer
Form isolierten; in dem Hydrolysezucker des Luzernenendosperras war 5 1,38 "l^.
Mannose und 49,4g "/(, Galaktose, in dem der S/iyc/inossamen ii,02''|q Mannose und
38,45 "/q Galaktose enthalten und die gleichen Zucker erhielt Göret bei Gleditschia,
Medicago , Melilotus, Lotus und Indigofera. Jedenfalls besitzen also die Schleime der
Schleimendosperme den Charakter von Polysacchariden. Der Biolog würde sie mit
den Reservezelluloso - Membraninen zusammen abhandeln, pharmakologisch -pharma-
kognostisch gehören sie aber neben die Lein- und Quittensamen, aber in eine be-
sondere Abteilung, da sie ihren Schleim erst nach dem Pulvern hergeben, die Samen
mit Sclileimepidermen dagegen schon durch Schütteln der unzerkleinerten Samen mit
Wasser.
Lit. TsCHiRCH, Angew. Pflanzenanatomie S. 204. — Nadelm.vnn, D. Sclileimendosperme
der Leguminosensamen. Ber. d. d. bot. Ges. 1889, 248 u. Pringsh. Jahrb. 21 \ya. Taf.). —
Schleimendosperm des Johannisbrot: Effront, Compt. rend. 125 (1897), MARLli:RE, La cellule 13
(1897), ViVN Ekenstein, Compt. rend. 125 (1897), 719, Bourquelot et Herissey, Journ. pharm,
chira. 10 (1899), 153 u. 249 und Compt. rend. 129 (1899). — Cassia fistula : Bourquelot, Vol.
jubilaire de la soc. de Biologie 1900, 388. — Luzerne: Müntz, Ann. chim. phys. (5) 26(1882),
121 und [ß] 10 (1887'), 566, Bourquelot et Herissey, Journ. pharm, chim. 11 (1900). — Gle-
ditschia, Medicago, Lotus, Melilotus, Indigofcra: GoRET, Et. chim. et. phys. de quelques alburaens
cornÄs d. graines liguminos. These Paris 1901. — Stry chnaceen: Bourquelot et Herissey,
Journ, pharm, chim. 12 (1900). . — Trigonella s. w. u.
Semen Fenugraeci.
Syn. Sem. Faenugraeci oder Foenugraeci, Sem. Faeni graeci, Sem. Foeni graeci,
Sem. Trigonellae — Bockshorn (so schon bei Bock und Cordus), Bockshomklee,
Kuhhornklee, Griechisches Heu, Fänne-Zwock — trigonelle, feungrec (franz.) —
trigonel, fenugreec (engl.) — hoomklaver (holl.) — trigonella (ital.) — XQiyovkXlri
(n.-griech.) — methi (sansk., bind.) — hulbah (arab.) — shamlit (pers.) — lu-pa,
hu-lu-pa (chines.).
Bei Theophrast (Hist. u. caus. plant.): ßovxCQaq, bei den späteren Griechen auch ßov-
xtQiv, bei DiosKURiDES: T)/A(^ (bei d. spät. Griech. auch xDuq, TvXtj; rz/Aic auch noch bei
Alexander Trallianus), im Edict Diocietians (I, S. 569): rrjhq ßovxf^aq. Weitere Namen
bei Langkavel und Dioskuridbs in []. Im Mittelalter auch aspaltea, brindelia.
Etym. Fenum (auch faenura oder foenum) = Heu, Fenugraecum also = griechisches
Heu. — Trigonella von TQlyojvog = dreieckig, wegen der dreieclcigen Blumenkrone (KanngiesSER).
Vielleicht hat Linne, der den Namen zuerst in dem Hortus upsalensis benutzt, eher an die
Blumenblättchen (?) oder, wie mir scheint, an die Blätter gedacht. — Grassmann bezieht auch
Zwock auf die keilförmigen Fiederblättchen. Nach FlüCKIger bezieht sich der Name auf
die dreieckigen Blumenblätter von Trigonella ruthenica L. Der Name Foenum Graecum wohl
zuerst bei PoRCius Cato (De re rustica XXVII, vgl. I, S. 572); bei Columeli,.\ (I, S. 573)
wird Siliqua (bei Plinius: Silicia) als synonym mit faenum graecum (vulgär lat.: fenum grae cum)
bezeichnet, was darauf deutet, daß die Pflanze viel kultiviert wurde (Kate.\ochenbegriffl), denn es
waren den Römern ja viele Hülsenfrüchte bekannt. Bei Caelius Aurelianus (III. Jahrh. n. Chr.),
sowie den Spätlateinern findet sich denn auch die zusammengezogene Form fenugraecum, im
Deutschen volksetymologisch umgebildet: fine grethe (daraus dann wieder: schöne Margret,
schöne Marie). Im Gothaer Arzneibuch (I, S. 680) findet sich fenum grotum neben fenum grecum,
in Inventaire Lefort (I, S. 804) fin ogre (Dorveaux). Graecum nach der Herkunft, erhalten in
griechisch Heu (gresches houw, gekeshew, krichishew, kriechshöwe, crischowe); römischer Klee
deutet, da im Althd. als Römsklee (oder diolde) nachgewiesen, auf die Einführung aus dem Süden. —
Bockshorn wegen des unangenehmen Geruches und der hornartigen Form der Frucht. Auch der
Semen Fenugraeci. '^ ^ Q
Name Siebengezeit (Siebengezide Ort. san., im XV. Jahrh. Sybengetzeyt , Zeytkraut [XVI.
Jahrb.], Stundenkraut) soll nach Taberkämont.ajius auf den (siebenmal im Tage verschwindenden
und wiederauftretenden) Geruch anspielen. Der holländische Name bedeutet Hornklee. Und an
Hom knüpfen an: bukeros (= Ochsenhorn), aigokeros (= Ziegenhorn), kerailis (= hornähn-
lich), kallikrea, Kuhhorn (bei Bock) u. and.
Stammpflanze und systemat. Stellung. Trigonella Foenum-graecum L.
[Sp. plant, ed. I (1753) P-777] (Foenum graecum o.fficinale).
Leguminosae, Papilionatae — Trifolieae, Eiitrigonella, Gladiatae.
Beschreibung der Stammpflanze. Einjähriges Kraut mit einfachen oder vom
Grunde verzweigten, :20 — 60 cm hohen, gegen oben hin behaarten, runden Stengeln
und zweizeiligen, dreizähligen Fiederblättern, deren Endblättchen größer und länger
gestielt ist als die Seitenblättchen. Blättchen kahl, umgekehrt eiförmig, im oberen
Teile mit spitzen Zähnen besetzt. Nebenblätter zart, zweispitzig. Die hermaphroditen,
zygomorphen Schmetterlingsblüten sitzen einzeln oder gepaart in den Achseln der
oberen Laubblätter, der gamosepale, röhrenförmige Kelch ist in fünf gleiche lanzettliche
Zipfel geteilt. Die gelblich weiße Corolle hat eine oblong-umgekehrt-eiförmige, tief
ausgerandete Fahne, einseitig geöhrte Flügel und einen kurzen Kiel. Die Staubfaden-
röhre ist oben offen und wird durch das freie Stamen geschlossen. Die Narbe ist
polsterförmig. Die aufrechte Frucht erreicht 13 cm Länge und ist 4 — 5 mm breit,
linial, sehr lang schnabelförmig zugespitzt, meist nach unten flach hornförmig
gekrümmt und seitlich zusammengedrückt. An der Spitze der Frucht findet man bis-
weilen die Reste der Corolle. Die Pflanze wächst wild in Punjab, Kaschmir (Baker),
Mesopotamien und Persien (Boissier, Flor, oriental.), sowie Kleinasien (?). Verwildert
findet sie sich in Griechenland, Italien und Spanien, wohl auch in Ägypten und Klein-
asien auf Schuttplätzen, «überhaupt in der Nähe menschlicher Wohnungen oder
Kulturstätten als Flüchtling». Blüht im Juni-Juli.
Lit. LuERSSEN, Mediz. pharm. Bot. — Battandier, Bull. soc. bot. France 1884, 378.
— Abbild.: Berg-Schmidt, Atlas. 2. Aufl. t. 52 (dort die Aorist. Literatur). — BE.v;Tr.EY-
Trimen, Medic. plants. t. 71. — P.aest-KöhlEr, Medizinalpflanz, t. 155. Auch schon im Ortus
sanitatis, Mainz (vgl. I, Fig. 303), bei Pomet u. and.
Pathologie. Auf Trigonella foenum graecum sind unseres Wissens nur Parasiten be-
kannt, die Stengel und Blätter befallen: Uromyces Anthyllidis (Gkev.) , Uromyccs Trigonellae
Fat. und Erysiplie Polygoni De. (Ed. FisCHEr).
Kultur und Handel. Trigonella wird jetzt in Marokko (Ausfuhrhafen be-
sonders Mazagan, dann auch Mogador), dann in Ägypten (und Abessynien) und
Indien (hier in ziemlicher Menge, Ausfuhrhafen: Bombay), sowie China kultiviert,
weniger in Südfrankreich (Montpellier), der Schweiz, Deutschland (Elsaß, Thüringen:
Erfurt, Großengottem, Mühlhausen, Cölleda, dann im Vogtland und in Söflingen b. Ulm,
früher zwischen Nürnberg und Bamberg), Mähren (Znaim) und Italien (in Ligurien,
Toscana, Sizilien und Sardinien kultiviert und verwildert, R.wasini). Sie gedeiht noch
bis 70" n. Br. in Norwegen (Schübeler). Ich sah sie auch in Bauemgärten.
Allein in Bombay und Madras waren (1889) 1358 acres mit Fenugreec bestellt (Watt,
Dict.) und 1890 kamen aus den höheren Inlandprovinzen c. 14000 cwts. nach Bombay. Die
Ausfuhr Indiens vaa Fenugreec betrug 1906/07: 43941, 1907/08: 27285 und 1908/09: 9627 cwts.,
geht also zurück. Für indischen Samen ist Hamburg Haupteinfuhrshafen.
Morphologie. Die Früchte werden ausgedroschen. Sie enthalten eine wechselnde
Menge an langen Funiculis befestigte Samen (5 — 20, meist 5 — 12). Eine Anzahl von
Samenanlagen pflegt unentwickelt zu bleiben oder bald zu verkümmern. Die hellzimt-
540
Schleimendosiierme.
Erui
5
Fig. 114.
Trigonella Foenum-graecuni.
I Sanie trocken, querdurchschnitten. 2 Same aufgeweicht, querdurchschnitten.
3 Same längsdurchschnitten , Keimling herausgelöst. 4 Same längsduich-
schnitten mit Keimling. 5 Same von außen. [Tschirch-Oesterle, Atlas,]
braunen oder gelbbräunlichen, mit der Lupe betrachtet feinhöckerig erscheinenden,
Samen sind vierseitig-prismatisch oder rhombisch-rautenförmig, 3,5 — 5 mm lang und
2 — 3 mm breit (die chinesischen kleiner, die indischen größer), sehr hart und ent-
1 2 3 4 weder glatt oder wenig runzlig.
Bei längerem Verweilen in
Wasser quellen die Samen-
kerne auf das Mehrfache und
sprengen die Schale, die sich
nun leicht ablösen läßt. Die
Quellung erfolgt im Schleim-
endosperm. Durch eine tiefe
Furche wird der Same in
zwei Hälften geteilt, eine klei-
nere dreieckige, die Radicula
enthaltende und eine größere
mehr trapezförmige, in der die
Cotyledonen und das Schleim-
endosperm liegen. An der Spitze der kleineren Hälfte liegt das Hilum. Das Lupenbild
des aufgeweichten, in der Mitte durchschnittenen Samens (Fig. 114, 2) läßt in dem
schmalen, runden Abschnitt die Radicula in dem breiteren ovalen die Cotyledonen,
eingebettet in Schleimendosperm, erkennen. Während die Testa nur c. ijomik dick
ist, erreicht das gequollene Endosperm eine solche von 680 — ^720 mik. Im trockenen
Samen sind beide etwa gleich dick (Fig. 114, i).
Anatomie. Die Samenschale ist bedeckt von einer ^•on der Cuticula bedeckten
Schicht Palissadensklereiden, die etwa 65 — 80 mik hoch sind und an der inneren
Seite ein weites Lumen besitzen, das sich nach außen stark verengert (Fig. 115). Das
Lumen ist umgeben von einer derben, auf polarisiertes Licht stark reagierenden, im
äußeren Teile getüpfelten Zellulosemembran, die nach außen hin zapfenartig in eine
helle Schicht vorspringt, die indifferent gegen polarisiertes Licht ist, sich mit Jod
graublau färbt, mit Jodschwefelsäure nur schwach auf Zellulose reagiert, sich in Kali
löst und die wohl aus einer «gallertigen Zellulosemodifikation» besteht. Die Zapfen-
enden der inneren Membranschicht dringen ungleichweit nach außen vor und bilden
da und dort bis zur Cuticula vordringende Gruppen, die die feinen Höcker der Samen-
schale (s. oben) bedingen. Die «Lichtlinie», die ich lieber «Lichtzone» nennen möchte
und die sich bei der Skiereid enschicht vieler Leguminosensamenschalen findet, ver-
läuft hier ziemlich tief innen (Fig. 1 1 5, LI) und ist relativ breit. Der Inhalt der Palissaden-
zellen ist kömig, färbt sich mit Jod gelb, gibt Gerbstoff'reaktion mit Eisenchlorid und
Osmiumsäure. Unter der Palissadenschicht liegt eine Schicht Sau lenzeilen (T-Zellen,
Träger-, Sanduhr-, Spulenzellen), die eine, durch breite, besonders auf dem Flächen-
schnitt hervortretende, Längsstreifenverdickungen ausgezeichnete, Membran besitzen
und große Interzellularen zwischen sich lassen. An den Flächen des Samens sind diese
Zellen niedrig, am Radicularende hoch und dort, wie bei vielen Papilionaceensamen,
knochenförmig. Dann folgt die, im unreifen Samen transitorische Stärke enthaltene,
Nährschicht (vgl. oben S. 321). Sie ist sehr verschieden mächtig, auch verschieden
stark obliteriert. Die äußeren Schichten pflegen keine Obliteration zu zeigen. Am
Hilum und zwischen diesem und der Chalaza hat die Samenschale einen abweichen-
den Bau. Neben der Mikropyle, gegen die die Spitze der Radicula hin gerichtet ist.
Semen Fenugraeci.
341
liegt in der Mulde eine doppelte Palissadenreihe und über der Raphe sind die Palis-
sadensklereiden höher und die Säulenzellen fehlen. Unter der Ansatzstelle des
Funiculus liegt, wie bei vielen Leguminosensamenschalen, die Nabelspalte und eine
TscHiRCH) und unter dieser ein braunes
'^f^
M.'
.M^/
\s^
.ife-.
::x^s3-r
Endi
'/'^7'
Fig- 115-
Trigonclla Poettum-^-aecitTn. Querschnitt durch die Samenschale und den Rand des
Schleimendosperms. [Tschirch-Oesterle, Atlas.]
Gruppe von Tracheiden (Tracheideninse
Parenchym, welches die
auch äußerlich hervor- f* ^
tretende braune Farbe
der ganzen Partie um das
Hilum bedingt. Von der
Tracheideninsel läuft in
einer wenig hervortreten-
den Schwiele die kurze
Raphe zu der äußerlich
am Samen wenig hervor-
tretenden Chalaza. Innen
liegt der Testa ein, be-
sonders an der Spitze der
Radicula hervortretendes,
Häutchen an, das wohl
der Rest des Perisperms ist.
Das Endosperm
ist bedeckt von einer ein-
reihigen Aleuronschicht
(Fig. 115, 5), deren Zellen einschlußfreie Aleuronkörner enthalten. Die Hauptmasse be-
steht aus Zellen, die eine zarte, aus Zellulose bestehende Mittellamelle erkennen lassen,
im übrigen aber außerordentlich dicke, sekundäre Schleimmembranen besitzen, die sich
mit Jodschwefelsäure nicht bläuen, also aus echtem Schleim bestehen. Sie zeigen bei
geeigneter Behandlung Schichtung. Beim Keimen werden sie gelöst. Gegen die Coty-
ledonen ist das Endosperm durch ein Quellgewebe abgeschlossen.
Die Cotyledonen führen an der einander gegen- ^N'^'-^^ \r:.-" '"^
über liegenden Seite 2 — 4 Reihen Palissaden und sind an
der Grenze dieser und des Merenchyms von zarten Pro-
cambiumsträngen durchzogen. In der Radicula liegt ein
Kranz von Procambiumsträngen , in denen da und dort
zarte Gefäße sichtbar sind. Die Zellen enthalten, eingebettet
in Olplasma, kleine Stärkekörnchen und zahlreiche
Aleuronkörner, von denen die größeren, 10 — 20 mik
messenden, ein Kristalloid enthalten. Die Globoide sind
nicht in Kömerform, sondern als Balkengerüst ausgebildet
(Details in Tschirch-Oesterle, Anatom. Atlas).
Das Pulver (nur durch Mahlen herzustellen) ist
charakterisiert durch die Elemente der Samenschale (Fig. 116)
— besonders charakteristisch sind die Säulenzellen — , die
Schleimzellen und das Aleuron und Öl führende Gewebe
des Keimlings. Haare fehlen. Stärke ist nur in geringer
Menge vorhanden. Form, Bau und Größe der Aleuron-
Trigonella Foentttn-graecitni. Suc-
cedane Flächenschnitte durch die
Randschichten des Samens, besonders
die Samenschale. Die Zahlen i — 5
bezeichnen die korrespondierenden
Schichten in Fig. 115.
(Tschirch-Oesterle, Atlas.]
^ 1 2 Schleimendosperme.
körner bieten gute diagnostische Hilfsmittel (Abbild, des Pulvers in Koch, Atlas d.
Drogenpulv. IV. t. z).
Lit. SCHLEiDEN, Über d. -'Vlbum. bes. d. Leguminosen 1838. — Sempolowski, Beitr. z.
Kenntn. d. Baues d. Samensch. Diss. Leipzig 1874. — ^^ Lanessan, Struct. d. graines du
Trig. F. gr. Bull. soc. Linn. Paris 1877. — Godfrin, Etud. histolog. s. 1. tegum. s6m. d.
Angiosp. Soc. sc. Nancy 1880. — Scrobischewski, Embryog^nie d. Papilionac. Congr. internat.
de Bot. Petersb. 1884. — Godfrin, Anat. comp. d. cotyl. et de l'album. Ann. sc. nat. (6) 19
(1884) 5. — TscHiRCH, Angew. Anatomie Fig. 126, 193 und Xschirch-Oesterle, Anatom.
Atlas t. 75. — N.\DELMANN, Schleimendosperme, Pringsh. Jahrb. 21 (dort die Keimungsgeschichte)
u. Ber. d. d. Bot. Ges. l88g. — Lüdtke, Beitr. z. Kenntn. d. Aleuronk. Pringsh. Jahrb. 21
(auch Dissert.). — Holfert, Nährschicht. Diss. 1890. — Über Nabelspalte und Tracheideninsel
vgl. auch Pfäfflin, Bau u. Funlit. d. Nabelspalte u. Tracheideninsel. Diss. Bern 1897 (m. 2 Taf).
— Hartwich, Foenumgraecum in Realenzyklopädie V, 407. — Hassall, Food. London 1876.
— Anat. Abbild, .lucli in Pharmacographia trad. p. Lanessan 1878, 345 (ungenau), A.
Meyer, Drogenkunde, S. 139 (dort auch eine Schleimzelle), Harz, Landw. Samenkunde II,
631, MoELLER-WiNTON, Microscopy of vegetable foods 1906, 216, Moeller, Pharmakognosie
2. Aufl., Fig. 153 und Mikroskop, d. Nahrm., Planchon-Collin, Drog. simpl. 11, Fig. 1063,
GiLG, Pharmakogn. Fig. 182.
Chemie. Aus dem wässrigen Auszuge der zertrümmerten Samen fällt Alkohol
Schleim, der getrocknet 28 "/g der Samen ausmacht (Flückiger). Die Schleim-
membranen des Endosperms enthalten als Reservekohlenhydrat ein Mannogalaktan,
liefern also bei der Hydrolyse Mannose und Galaktose (Bourquelot und Herissey).
Sie verhalten sich ähnlich wie das Endosperm von Ceratonia (s. d.). In 2,5 g des bei
der Hj'drolyse erhaltenen Zuckers waren 1,24g Mannose und 0,978 Galaktose enthalten.
Die Samen enthalten femer o,I3''|q Trigonellin, CjHjNOo, ein kristallisieren-
des, nicht alkalisch reagierendes, ungiftiges Alkaloid, das der Göttinger Apo-
theker Jahns als das Methylbetain der Nikotinsäure erkannte:
H
Hc/ "^C— CO
II I
HC. -.CH
\n^^ O
CH3
und das Hantzsch (aus nikotinsaurem Kalium und Jodmethyl mit AgO) künstlich
darstellte. Es löst sich nicht in Äther, Benzol, Chloroform, die Lösung in Wasser
wird durch Eisenchlorid rötlich. Trigonellin findet sich auch in den Samen von Pisum
salivum, Cannabis sativ., Avena sativ., Stropharithus hispidus und Kombe (Schulze und
Frankfurt, Thoms), von Coffea ambüa (Polstorff) und liberica (Gorter). Da-
neben findet sich 0,05 "/o Cholin (Amanitin, Sinkalin, Bilineurin):
(ch,)3:=n/
CHo.CHaOH
^OH
das also als Trimethyloxyäthylammoniumhydroxyd aufzufassen ist und das beim Zer-
fall der in den Pflanzen weitverbreiteten Lecithine (Ester der Glycerinphosphorsäure
mit Fettsäuren und Cholin):
CH2.O— R
I OH
CH.O— R I
I /OCH2.CH,.N(CH3)3
CH^.O — P^O
\0H
Semen Fenugraed. 343
entsteht. Es ist vielleicht auch hier ein sekundäres Produkt, denn Lecithin ist in
den Samen nachgewiesen. Seminase scheint erst bei der Keimung aufzutreten.
Der Träger des sehr eigenartigen Geruches, der sich dem fetten Öle mitteilt,
ist unbekannt. Den «sehr starken Geruch nach Cumarin», den Harz erwähnt, kann
ich nicht bemerken. Flückiger erhielt auch bei Wasserdestillation von 4 kg Samen
keinen Riechstoff. Auch der Träger der Bitterkeit ist unbekannt (das Alkaloid?).
In der Samenschale findet sich ein Gerbstoff, in ihr und in den Cotyledonen
ein gelber Farbstoff (s. auch unter Anwendung).
Der Gehalt an Öl beträgt (mit Äther extrahiert) 6 "/g (Flückiger). Es enthält
neben Lecithin (s. oben), wie viele Samenöle, ein Phytosterin (Heckel und
Schlagdenhauffen). Amylalkohol extrahiertauch etwas Harz. Der Stickstoffgehalt
beträgt 3,4 °|o (= c. 22''|o Eiweiß), der Wassergehalt io,4''/o, die Asche 3,7 "lo
(Jahns, 2,67 ''|g Hauke). Sie enthält c. 25''/o Phosphorsäure. — Asche des Pulvers:
c. 50/0 (Hauke).
Lit. BouRQUELOT et Herissey, Les Hydrates de carbone de räserve des graines de
Luzerne et de Fenugrec. Journ. pharm, chim. 11 {1900), 589, Compt. rend. 130 (1900), 731. —
Flückiger, Pharmakognosie. — Jahns, Ber. d. d. ehem. Ges. 18 (1885), 2518, 20 (1887).
2840, Arch. Pharm. 225 (i8»7), 985. — Hantzsch, Ber. d. d. ehem. Ges. 19 (1886), 31. —
— Heckel und Schlagdenhauffen, Journ. pharm, chim. 16 (1886), 213, Jahresb. d. Pharm.
1886, 15. — Weitere Angaben über Trigonellin und Cholin in Oesterle, Pharmakochemie.
Aifwendtmg. Daß es schon den Alten bei der Verwendung der Bockshornsamen be-
sonders auf den Schleim ankam, ersehen wir daraus, daß z. B. Dioskurides nur das Bocks-
hornmehl (äXevQOv TtjXfvjc) aufgenommen hat, das er seiner schleimigen Beschaffenheit wegen
zu Umschlägen und als Erweichungsmitlel empfiehlt. Es steht bei ihm neben Leinsamen, denen
dieselbe Wirkung zugeschrieben wird. Auch die Verwendung des Bockshornsamen zum Empl.
diachylon sfl. und cps. (s. oben S. 337) beruht auf dem Schleim. Sie geht bis auf die Araber
zurück (MesXJe). «Es läßt sich denken, daß der Zusatz von Schleim die Pflasterbildung begünstigt,
indem die Verflüchtigung des Wasser.s dadurch verzögert wird» (Flückiger). Auch jetzt noch
sind sie Bestandteil des Empl. frigidiini (Empl. foemtgraeci cps.). Und auf dem Schleim beruht
auch die Verwendung in der Tuchfabrikation. Im Mittelalter figuriert der Same unter den
Speisewürzen (Rezept zu einer Fischspeise des Klosters St. Gallen, IX. Jahrh., DOmmler) und
auch schon im Altertum wurde er in Rom in der Küche angewendet (Apicrus Caelius, De re
coquinaria, III. Jahrh.). Jetzt benutzt man die ganze Pflanze (aber noch mehr 7>;'(?^o«e//a <:ofr!<^a)
als eine der Würzen des «Kräuterkäse» (Schabzieger). In Indien sind die gerösteten Samen
noch jetzt ein beliebtes Volksmittel bei Dyssenterie (Ainshe). Zahlreiche aromatische Faenu-
graec-Präparate in der alten indischen Literatur (methi modaka, svalpa methi modaca) deuten
auf eine umfangreiche Anwendung (Pharmac. ind.) und auch die Araber benutzten Samen,
Blätter und Öl zu den verschiedensten Zwecken. In Indien wird Bockshorn auch diätetisch als
Aphrodisiacum und als Arzneimittel benutzt, die Blätter sind kühlend. Ganz junge Pflanzen
werden dort (obwohl sie bitter schmecken) als Gemüse benutzt. Die Samen werden für eine
Carmin-Contrefa9on benutzt und das gelbe Dekokt derselben gibt mit Kupfersulfat ein Permanent-
grün (Pharmacogr. indic). Das fette Öl wird in Madras gepreßt und in Indien viel
benutzt.
In Europa werden die Samen besonders in der Tierheilkunde benutzt (Schweizer Vieh-
mastpulver, Schweinefraßpulver, Holländisches Butterpulver. Vgl. auch Schlagdenhauffen et
Reeb, Un. pharm. 43, (1902), 97). Sie sind auch ein Bestandteil des Curry powder und der
Cattle Foods. Bockshornklee ist eines der Hauptmittel Kneipps. Der Samenbrei wird als «un-
übertreffliches Mittel» bei ofifenen Wunden , Geschwüren usw. gerühmt und auch die ganze
Pflanze viel benutzt (vgl. Dinand, Heilpflanzen [Kneipps]. Eßlingen 1910). Sie gelten als Car-
minalivum und werden bei Brust- und Milzleiden gebraucht. Dioskurides läßt auch mittelst
Olivenöl ein Öl aus Bockshorn bereiten, mit Kalmus- und Cyperngras-Zusatz (I, cap. 57: niQi
Ttjllvov axevaaiaq), das gleiche «telinum» erwähnt Plinius und noch bei den Arabern (I,
S. 648) wird thilinum benutzt, ja sogar noch heute ist ein huile de fenugrec in Frankreich
^AA Schleimendosperme.
in Gebrauch und ist Bestandteil eines Ung/. althaeac. Bei ihm spielt der Schleim natürlich
keine Rolle. Der Same wird gepulvert auch gegen Ungeziefer (Läuse) benutzt.
Verfälschung. Im Pulver ist früher oft Erbsenmehl gefunden worden. Auch
jetzt nocli (1910) findet sich oft ein Leguminosenmehl darin oder andere Stärkesorten.
Geschichte. Die ägyptische Medizin scheint sich des Fnenugraecitm bedient zu haben.
\Vir linden Sbt (äebet) in einer Vorschrift des Papyrus Ebers (ed. Joachim) zur Heilung von
Brandwunden und auch eine Kyphivorschrift (I, S. 473) enthält sie. Doch ist die Deutung
zweifelhaft. Bei Dioskurides steht (in []) der ägyptische Namp itasin. Das biblische Wort
hhatzir bezieht sich wohl kaum auf Bockshorn (Tristam). Daß die Römer die Droge vom Osten
(aus Griechenland! erhielten, zeigen die Bezeichnungen F. graecum, die sich in griechisch Heu
erhalten hat (s. oben). Die Pflanze ist noch jetzt in Griechenland sehr häufig. Sie stammt aber
weiter von Osten, aus Arabien und Indien, denn die arabische Bezeichnung hulba (holba) ist
nicht nur in ganz Nordafrika, sondern auch in China gebräuchlich, und der Sanskritname methi
(erst in der späteren Sanskritliteratur auftretend, Flückiger) ist vielleicht das Stammwort von
rijhg (De CaNDOLLe). So wird man wohl Indien als ursprüngliche Heimat annehmen dürfen.
Von dort hat sie sich aber frühzeitig als Kulturpflanze nach Westen verbreitet und wurde schon
im Altertum in vielen Gegenden des Mittelmeergebietes kultiviert, wie wir von Theophrast
und den römischen Agronomen erfahren. Femim graecum war vielleicht einer der Lotus der
Alten (?) und zwar der Gruppe der Lotus, die wir die Kleegruppe nennen können (Lotos agrios
wohl = Trigonella corniculata). Sie wurde in Griechenland und Italien als Futterpflanze gebaut
(griechisches Heu!). Nach Djerbach findet sich der Bockshornsame im Corpus Hippocraticum.
Faenum graecum steht bei Celsus (I, S. 5871, SCRIBONIUS LarGUS (I, S. 577) und Plinius, der
seine Kultur beschreibt und, ebenso wie Galen, Aretaeus u.a., viele Krankheiten nennt, die
damit geheilt werden können. Sem. Faemigraec. benutzte Mesüü für den Syr. de Marubio, den
wir noch bei Geoffroy finden. Bei Ibn BaithaR, der eine Menge arabische Schriftsteller nennt,
die sich ihrer bedienen, heißt die Pflanze hulbat, bei QUTSAMi h'olbadt (die Pflanze h'ab al-
holb, Meyer). In der Flos medicinae scholae Salerni (I, S. 629) findet sich foenugraecum und
der Same steht auch in der Alphita (I, S. 648), den Tabulae, bei Platearius und Serapion
(mit Synon. : oiba). Die Salernitanische Schule übernahm also die Pflanze von den Arabern. Durch
die Benediktiner kam sie nach dem Norden. Der Fena graeca ist im St. Galler Klosterplan
(I, S. 622) ein Beet eingeräumt und in Karls Capitulare (I, S. 620) wird der Anbau von
Fcnigrecum verlangt. Auch die Hildegard und Albertus Magnus kannten die Pflanze. Von
den Arzneibüchern des Mittelalters finden wir chnechschez heu in dem Tegernseer und Züricher
(I, S. 678), sowie im Gothaer (1, S. 679). Ihr Anbau drang schon im Mittelalter über Hannover
bis nach Mecklenburg. Im XVI. Jahrh. fand sich die Pflanze allenthalben in den Gärten Deutsch-
lands und Italiens (Gesner) und auch in England. Im XVIII. Jahrh. war Sem. fenugr. sehr
beliebt. Geoffroy, der sie der pyrochemischen Analyse unterwarf, teilt im Tractatus de Mat.
med. 1742 p. 259 eine Menge Vorschriften mit, in denen der Same oder der daraus bereitete
Schleim vorkommt, meist zusammen mit anderen Mucilaginosis. Pomet bildet fenugrec. («fälsch-
lich senegrfi genannt») gut kenntlich ab.
Lit. Flückiger -Haubury, Pharmacographia. — Flückiger, Pharmakognosie. —
Ainslie, Mat. med. ind. — Tristam, Nat. hist. of the bible.
Paralleldrogen. Dioskurides verwendete auch in gleicher Weise die Samen
von Trigonella elatior Sibth., {T. corniculata L., Imrüc, ajQLovl), des wilden oder
Kuhhomklee, den auch die Araber beachteten (bei Ibn Baithar: handakuä elbarri).
b) Schleimzellen in der ganzen Pflanze verteilt.
Die Schleimmembranen der Schieimzellen von Vegetationsorganen (Wurzeln,
Stengeln, Blättern) und Blüten tragen nicht den Charakter von ReservestofTen. Wir dürfen
sie wohl, da sie sich wie einige Beobachtungen, besonders an Allhaea, zeigen, auf
ftockenen Standorten vermehren, als Wasserspeicher auffassen. Darauf deutet auch
das Vorkommen in der Epidermis der Blätter, welches bei den Fol. Buccu (s. d.)
seine extremste Ausbildung erhält und hier zu einem ganzen Wasserspeichersystem
wird (Fig. 94, 9 u. 10).
Rad. Althaeae. o j r
Rad. Althaeae.
Syn. Rad. Bismalvae, R. Hibisci, R. Malvae visci, — Altheewurzel, Eibischwurzel,
Fliestkrautwurzel, Gilfwurz, Hilfswmzel, Schleimtee, Weiße Süßholz wurzel, Heilwurz,
Heilkraut, Samt- oder weiße Pappel, große wilde Pappel oder Malve, — guimauve
officinale ou ordinaire (franz.) — (common) marshmallow (engl.) — weatweed, morti-
fication root (in Amerika) — heemst (holl.) — malwischio, malvaccioni, bismalva,
radice di altea (ital.) — malvavisca (span.) — ibis rot (schwed.) — altee juuri (fin.)
ziiizgyö'ker (ung.) — QtCa aWaiag, auch ftoXöyj], vtQOf/oXöya (n,-griech.).
khairu, khitmi-ka-jhar, khaira-ka-jhor (pers., hind., duk., bomb.). Die Wurzel heißt in In-
dien und Persien: rishah-i-khitmi; die Frucht; tukm-i-khitmi; die Blüten: gul khairu. — Bei Theo-
PHRAST äl&aia. — a thd. grozpapel, — mithd. ebich, ebiche, eibisch, ibsche (so noch jetzt in
Bern) ipsch, ybeske, ybesch, ybischa, ybize, ywesche — mnd. horaes, wilte hümst, witte malve,
wilt pippeln, rockwort. Bei Ortolf: weiße Pappel. — Jetzt auch Arteawurzel und Theewurzel
(Rendsburg), Eibich (Österreich), Hüffwurzel (Schlesien). — Im Mittelalter: bismalva, eviscus, ibis-
cus, flos siliaci s. syriaci; dann auch: althaea ibiscus, raalva ibiscus, m. silvestris, m. palustris.
Etyin. Althaea aus dX&ala umgebildet; dies Wohl mit äfMog (= Heilmittel) und
al^oßcu (= gesunden) zusammenhängend. Schon Dioskurides leitet das Wort von noXv-
ulfUi {= viel heilend) ab {tmvönaaxai 6s äl&ala 6ia zb 7ioAi,'«A&e^- xal noMXQ'jOTOv avtijq).
Heilwurz ist also die Übersetzung von dX&ala. — Eibisch (athd. ibisca, mhd. ipsch, bei der
Hildegard: ybischa, ibiscum, bei Brunschwyg und Bock: ibisch, bei Fuchs: eibesch) aus dem
Lat. ibiscum, hibiscum (hibiscus bei Virgil) und dem griech. t'(iiaxog {'ißtaxog). «Ebich geht
an Apium = Eppich und Hedera = Epich sehr nahe hinan» (Pritzel- Jessen). Im Corpus-Glossar
steht: euiscus, ibiscus (Fischer-Benzon). Grassmann bemerkt von ibiscus: «schwerlich ist es
ein ursprünglich griechisches oder lateinisches Wort, da es in diesen Sprachen keine verwandten
Wörter hat und auch die Lautform auf eine Entlehnung hindeutet.» Bei Dioskurides cikäala,
Synonyma bei Dioskurides: ißiaxov, fiolo/ji (/.laXuyij) üyQi'a, d'ilaxov (bei den Römern He-
biscum). Bei den späteren Griechen (vgl. L.\ngkavel) dkd-ata, da7iQOfiol6-/t], d}.xea. ßiiaxoq,
ißlaxTj, ovoßaXäxrj. Bei Plinius: Althaea, d. h. Malva silvestris «cui grande folium et radices
albae». — Malvaviscus aus malva viscida (wegen des Schleimes) umgebildet, aus viscida malva
entstand dann auch bismalva und guimauve (gui = viscus). — mauve aus malva. Bez. Pappel
vgl. I, S. 1064 und unter Malva.
Stammpflanze. Althaea officinalis L. (Spec. pl. ed. I, 686).
System. Stellung. Malvaceae, Malveae — Malvinae — Althaeastrum.
Beschreibung der Stammpflanze. Die Pflanze ist mehrjährig. Das oft viel-
köpfige bis 3 cm dicke Rhizom geht nach unten in eine einfache oder mehrweniger
verzweigte Wurzel über und trägt oben 60 — 1 2 5 cm hohe einfache oder ästige, stiel-
runde, unten stark verholzte, innen markige, kaum hohle Stengel, die in der Rinde
reichlich Bastfasergruppen besitzen und außen mit einem dichten Filz von Büschel-
haaren bedeckt sind. Die spiralig gestellten Blätter besitzen einen kurzen, bis 4 cm
langen Stiel; sie sind im oberen Teile des Stengels eiförmig, werden dann weiter
nach unten größer und dreilappig, am Grunde gerundet bis herzförmig, und sind im
untersten Teile, wo sie am größten sind, fünf lappig mit meist vorgezogenen End-
lappen, die Lappen spitz, am Rande ungleich kerbig-gezähnt bzw. kerbig-gesägt. Am
Grunde ist die dicht graufilzig behaarte Spreite fünfnervig, beiderseits vom Mittel-
nerven gehen 3 — 5, besonders unterseits stark hervortretende Seitennerven ab. Die
zweispaltigen Nebenblätter sind lineal oder lanzettlich-pfriemlich, lang zugespitzt, be-
haart, bis 8 mm lang, und, wie die Vorblätter der Blüten, hinfällig. Die wickeligen
Blütenstände stehen in den Achseln der Laubblätter; sie erscheinen durch Zusammen-
drängung der Blüten büschelig, die Büschel bilden im oberen Teile der Stengel bei
346
Schleimzellen.
Verkürzung der Blätter wieder traubige Verbindungen, sind also oberwärts gehäuft.
Die Blütenbüschel sind kürzer als die Blätter. Die aktinomorphe, fünfzählige Blüte
besitzt einen Außen kelch (Hochblattin volukrum), der bis fast zum Grunde in meist
0 — lo (selten 6, 7 oder ii) pfriemliche zugespitzte, behaarte Zipfel geteilt ist, die
etwas kürzer sind als der 8 — 9 mm lange eigentliche fünfzählige Kelch, dessen ei-
förmige, zugespitzte, beiderseits filzige Zipfel eine klappige Knospenlage zeigen. Die
5 spreizenden, in der Knospenlage gedrehten, asymmetrischen, hellrosenroten (fleisch-
farbenen), dunkel geäderten Blumenblätter sind fast 2 cm lang, schief umgekehrt
eiförmig, oben etwas ausgerandet, am Grunde genagelt und hier beiderseits mit einem
Haarbüschel versehen, mittelst der Staubgefäßröhre an der Basis unter sich verbunden.
Die zahlreichen Stamina sind zu einer unten verbreiterten Röhre verwachsen, die
Filamente sind schwach behaart, die monothecischen, mit einem Scheitelspalt auf-
springenden, dunkelpurpurnen Antheren in der Mitte angeheftet, die Pollenkörner
groß, mit grobstachliger Exine. Die 15 — 18 Fruchtblätter bilden eine niedrige, am
Rande gekerbte, feinbehaarte Scheibe, aus deren Mitte sich der kräftige Griffel er-
hebt, dessen in der Zahl den Fruchtblättern entsprechende Narbenschenkel anfangs
zusammenneigen, später aber auseinander spreizen. Jedes Fruchtknotenfach enthält ein
aufsteigendes, anatropes Ovulum mit nach unten gewendeter Mikropyle. Die oben
gewölbte, mit abgerundeten Rändern versehene Frucht bildet eine vom bleibenden
Kelch und Außenkelch behüllte, niedergedrückte, am Rande gekerbte, behaarte, von
der Mittelsäule überragte Scheibe, die einem Emmenthaler Käse ähnlich ist (daher:
Käsepappel). Die Samen sind kahl, braun und enthalten, eingebettet in Endosperm,
einen gekrümmten Keimling, dessen nach Innen geschlagene Keimblätter an der Spitze
nochmals eingeknickt sind.
Blüht im Juli und August.
Verbreitung. Allhaea officin. ist ursprünglich eine Pflanze der Steppen und Salz-
sümpfe. Sie ist über ganz Europa von Mittelrußland bis Frankreich (Südküste, Mont-
pellier), Spanien (Salzmarschen von Saragossa), an der Nordsee, an der Ostsee bis zur
Peenemündung, am Schwarzen Meer, am Mittelmeer, an den atlantischen Küsten bis
Südengland und Irland, mit Ausnahme Skandinaviens und des höheren Nordens, auch
in Griechenland und Macedonien, sowie über das gemäßigte Westasien (z. B. Syrien,
Persien, Afghanistan), Zentralasien (Kaschmir), im Panjab Himalaya, Sind und Nord-
asien (Alataugebirge in Südsibirien, südlich vom Balkasch-See) verbreitet. Aus Europa
eingeschleppt findet sie sich jetzt auch in den Salzmarschen der Küste von Massa-
chusetts, New York und Pennsylvania (Henkel). Sie findet sich an den Rändern
von feuchten Gebüschen, Gräben, Zäunen besonders auf salzigem Boden oder in der
Nähe salzhaltiger Stellen. Auf trockenem Boden wird sie schleimreicher. In Nord-
deutschland ist die Pflanze zerstreut und ziemlich selten, in der Schweiz scheint sie
zu fehlen. (Bei Schinz-Keller finde ich nur die einjährige A. hirsuta.) Für Baden,
Wetterau, Nassau, Franken, Westfalen, Oberhessen durch Thüringen und Sachsen,
sowie Böhmen wird sie angegeben, in Ungarn scheint sie häufig zu sein. Im Alatau
steigt sie bis 3000 Fuß (Semenoff).
Lit. Flückiger, Pharmakogn. — SiBTHORP, Prodr. flor. graec. II, 42. — Luerssen,
Med. pharm. Bot. — Alice Henkel, U. S. Dep. Agr. Bulletin 89. 1906. — Garcke, Flora
V. Deutschland. — Abbild, in Berg-Schm/dt, Atlas, 2. Aufl. t. 103 (dort die systemat. Lit.).
— Berg, Charakteristik, t. 81. — Pabst-Köhler, Medizinalpfl. t. 59. — Hayne, Arzneigew.
II. t. 25. — Nees von Esenbeck, plant, med. t. 417. — Bentley-Trimen, Med. pl. t. 35 u. and.
Rad. Althaeae.
347
Pathologie. Über die pflanzlichen Schädlinge berichtet Prof. Ed. Fischer: A-a{ Althaea
ofßcitiahs tritt, wie auf anderen Malvaceen, die Uredinee Pncciiiia Malvaccarnm Mont. auf,
welche an allen grünen Teilen ihre kompakt polsterförmigen braunen Teleutosporenlager aus-
bildet. Es gehört dieselbe zu den sogenannten Leptopuccinien, d. h. sie besitzt nur Teleuto-
sporen, welche sofort nach der Reife zu Basidien auskeimen. Die Basidiosporen infizieren so-
fort wieder junge Blätter. Nach meinen Beobachtungen erfolgt die Überwinterung auf den
Malven einfach so, daß durch die ungünstigen Temperaturverhältnisse im Winter die Keimung
der Teleutosporen zurückgehalten wird und erst eintritt, wenn wieder günstigere Temperatur-
verhältnisse vorliegen, in welchem Zeitpunkte dann meist auch Teile der J/a/r'aarten sich in
infizierbarem Zustande befinden. (Eine ähnliche Beobachtung hat auch schon J. Schröter ge-
macht.) Da der Pilz sowohl auf Althaea wie auch auf Malva und anderen Malvaceen lebt, so
kann Althaea auch von befallenen Malven aus infiziert werden. Der Pilz ist ursprünglich in
Chile einheimisch. In Europa wurde er 1869 zum ersten Male beobachtet und zwar in Spanien,
dann 1872 in Frankreich. 1873 fand man ihn an verschiedenen Punkten von Frankreich, im
Elsaß und Baden, sowie bei Erfurt. (Siehe E. Ihnk, Studien zur Pflanzengeographie : Geschichte
der Einwanderung von Puccinia Malijaceartini und Jßlodea canadensis. Dissertation. Gießen
1880.) Puccinia Mahiaceartim ist bereits 1874 auf den ^/Wmakulturen bei Nürnberg und
Erlangen beobachtet worden. (Rees, Sitzungsb. d. phys. med. Soc. Erlangen 1874). Der
Schaden ist weniger groß als man anfangs fürchtete (A. Schwarz 1910), immerhin werden die
Blätter bei stärkerem Auftreten unverkäuflich. Zur Bekämpfung wurden Spritzmittel vorgeschlagen,
doch können solche jedenfalls da nicht angewendet werden, wo die Blätter als Droge in Be-
tracht kommen.
Auf den Blättern der Althaeen sind außer Puccinia Malvacearum noch mehrere Imper-
fekten beobachtet worden, welche Blattfleckenkrankheiten hervorrufen. Unter denselben tritt
namentlich Colletotrichum Althaeae SOUTHWORTH {Stirochaete Malvarum A. Br. et Casp.) (s.
SoüTHWORTH, Ad new hollyhock disease. Journal of Mycology 1890, p. 45 und 115) unter
Umständen so verheerend auf, daß die Kultur der Malven und Althaeen in Frage gestellt
wird (LiND,\u).
Pilze als direkte Schädlinge der Wurzel sind uns nicht bekannt.
Über die tierischen Schädlinge von Malva atcea, moschata, silvestris, neglecta, rotundt-
folia und Althaea officinalis berichtet Israel:
1. Käfer: Haltica rufipes. L., H. fuscipes. Fabr. und//. malvaeli.L. Larven und Käier
an den verschiedensten Malvaceen, letzterer mehr in den Donauländern. Lixus atigtistatiis Fabr.
Larven meist in Kompositen, auch in Malvaz.xXsn. Apion aeneiim Fabr., A. malvae Fabr. und
andere ^^zo«arten leben als Larven in den Früchten von Malva- und Althaeazrten. Trachys
pygmaea Fabr. Larven minierend auf Althaea- und J-/o&«arten.
2. Falter: Spilothyrus alceae Esp., S. althaeae HÜbn. Raupen auf diversen l^Ialvaceen.
Acontia hicida HuFN., A. luct-uosa W. V. Die Raupen beider, nicht überall häufigen Falter
leben auf diversen Malvaceen. Gelechia malvella'H.ß. Räupchen in den Früchten vieler Malvaceen.
3. Schnabelkerfe: Aphis cardtd 'L. soll außer an verschiedenen Kompositen auch an
J/a/foarten leben.
1894 trat eine Raupe auf den Stecklingen der bayrischen Kulturen auf, die dieselben
stark schädigte (Gehe & Co.).
Die Droge ist sehr der Zerstörung durch Silodrepa panicea (I, S. 379") aus-
gesetzt. Man tut gut, von Zeit zu Zeit ein offenes Gefäß mit etwas Chloroform in
den Vorratskasten zu stellen.
Kultur und Einsammlung. Die deutsche Altheewurzel stammt nur aus den
Kulturen. Wilde Althaea liefert überhaupt weniger gute Wurzeln. Hauptkulturort für
deutsche Althaea ist Gochsheim, eine Stunde von Schweinfurt, dann die Umgegend
von Nürnberg. Die Kulturen befinden sich nördlich von Nürnberg (Groß- und
Klein-Reuth, Lohe, Schnepfenreuth, Almoshof, Poppenreuth, Horles, Rohnhof, Bislohe,
Kraftshof, Boxdorf, Stadeln, Gr. Grundlach, Neunhof usw.) und südlich von Nürnberg
(Schweinau, Groß-Reuth, Sündersbülil). In der Umgebung von Schweinfurt sind Gochs-
34S
Schleimzellen.
heim, Schwebheim, Scnnl'cld zu nennen, bei Ulm Söflingen; kleinere liegen bei Jena-
ICJbnitz, Rüdenhausen (Amt Kitzingen), Schlauraf. Bei Bamberg wird keine Althaea
mehr gebaut (Kraft iqio).
A. Schwarz in Nürnberg schreibt mir 1910:
die Inhalte der Schleimzellen als helle Schollen, die beim Zu- i'\ e^ ^ "^ iC?
fließenlassen von Wasser zu hvalinen Blasen werden. Im Chloral- /] ^?-o Q B '^
Präparate treten neben Parenchymfetzen die sehr charakteristischen -^ '^^O'aß \!J
Bastzellen und Gefäße oder deren Fragmente deutlich hervor, A ^^^p, 'fi ^ ^'
sowie die Calciumoxalatdrusen oder deren Kristallsplitter. Da das (7 ^9^ "'
Pulver nur aus geschälter Droge dargestellt wird, fehlen die Kork- Fig. 120.
Zellen oder sind doch nur in sehr geringer Menge vorhanden, Rad. althaeae,
herrührend von den Stellen, wo die Nebenwurzeln abgeschnitten 'oesTeri \l\a ^\'^
wurden.
Lit. Tschirch-Oesterle, Anatom. Atlas t. 30 (dort das Detail). — Tschirch, Angew.
Anatom. — A.Meyer, Drogenkunde {Fig. 195). — Berg, Anatom. Atlas t. 11. — Karsten-
Oltmanns Lehrbuch, Fig. 10" — 109. — iktOELLER, Lehrbuch, Fig. 320. — GiLG, Lehrbuch,
Fig. 237. — Planchon-Collw, Drog. simpl. II, Fig. 1189. — van Tieghem, Ann. sc. nat. (7)
I (iSSs), 76. — DUMONT, Anat. comp. d. Malvac, Ebenda (7) 6, 138. t. IV. — Kuntze, Vergl.
Anal. d. Malv. Bot. Centralbl. 1891. — Soleredkr. System. Anat. d. Dicotylen S. 166 (dort
weitere Lit). — Frank, Pringsh. Jahrb. V, t. XV. — de Bary, Anatomie 151. — Walli-
CZEK, Dissertat. Bern 1893, — Guiraud, Bot. Centralbl. 61 {1895) 376. — Holpert, Prim.
Anlage d. Wurzeln. Arch. Pharm. 1889. — Lanessan, Bull. Soc. Linn. Paris 1877 (u. Hist.
d. drog. I, Fig. 59). — Hartwich, Schleimzellen von Althaea, Verh. d. Naturforschervers.
Halle 1891 (Pharm. Zeit. 1891, 6oq) und Eigenthüml. Bild, von Wundkork in d. Würz. v. Al-
thaea offic. Schw. Wochenschr. 1906, 137, sowie Althaea in Realenzyklop. d. Pharm. — Frei-
DENFELDT, Anatom, Bau d. Wurzel. Bibl. bot. Heft 61, 1904. — JosT, Zerklüftung einiger Rhi-
zorae u. Wurzeln. Bot. Zeit. i8go. — Radlauer, Dissert. Bern 1911. — Stscherbatscheff,
Arch. Pharm. 1907, 48. — Wittlin, Bot. Centralbl. 67 (1896), Taf. I Fig. 35. — Das Pulver
ausführlich in KoCH, Atlas d. Drogenpulver II, t. 12, Greenish-Collin, Atlas veget. powders
pl. 109 und Kraemer, Powdered drugs. Amer. Pharm. Assoc. 1898, 312. — Stärke: Bastin,
The Apothecary 1893 (Pharm. Journ. 1893, 747). — Mikr. Nachweis des Asparagins: Pfeffer,
Pringsh. Jahrb. 1872, 533. Vgl. auch Borodin, Bot. Zeit. 1878, 801.
Chemie. Der Apotheker Bacon fand 1826 in der Rad. allh. Gummi, Zucker,
352
Schleimzellen.
fettes Öl, Stärke, Eiweiß, Althaein und «malate acide d'altheine». Letzteres
erklärte Plisson für identisch mit dem von Robiquet 1805 in Asparagus entdeckten
Asparagin, dem Monoamid der Amidoberasteinsäure:
(NH.,)— CH— COOH
I
CH2— C0(NH2) (F. wasserfrei =r 234— -35O).
Dieses Asparagin, das glänzende, rhombische, in heißem Wasser lösliche, in Alkohol
und Äther unlösliche Prismen bildet, ist linkshemicdrisches, optisch -linksdrehendes
1-Asparagin [rechtshemiCdrisches, süßschmeckendes Asparagin erhielt Piutti aus Wicken-
keimlingen, doch geht dies wohl aus 1-Asparagin hervor (Pringsheim)]. 1-Asparagin
ist im Pflanzenreich weit verbreitet. Rad. alth. enthält davon 0,8 — 2 "Iß. Rebling fand
in Rad. althaeae i o — 1 1 "/o Zucker, den Wittstock für Rohrzucker erklärte. Die
von L. Meier angegebene Apfelsäure hat keine Bestätigung gefunden.
Buchner fand 35,640/5 Schleim, 37,51 "/o Stärke (nach Flückiger-Hanbury
etwas mehr als 25 "|q), 8,29 ''I^ Zucker und Asparagin, 1,26 "|(, fettes Öl, 1,81 "jo
glutinöse Materie, ii,05''|(, Pflanzenmark (Pektin). Der Althaeaschleim, von dem
FlüCKIGER 2 5''/o erhielt, ist in Wasser löslich. Er läßt sich durch Ammonsulfat aus-
salzen (Pohl), ist in Kupferoxydammon unlöslich und färbt sich weder mit Jod noch
mit Jodschwefelsäure (Echte Schleime, Tschirch). Bleiacetat schlägt ihn nieder. Da
der Schleim, dem die Formel CiäH2oOiQ gegeben wurde (Schmidt, Mulder), bei der
Oxydation Schleimsäure liefert, muß er Galaktose liefernde Gruppen enthalten. Viel-
fach wird kalte Extraktion der Wurzel an Stelle des Dekoktes gesetzt, doch treten
auch neuerdings warme Verteidiger des Abkochens auf (Unger 1890), da -der heiße
Auszug haltbarer ist. Der kalte Auszug enthält nur Schleim keinen Stärkekleister, wird
daher von Jod nicht gebläut, der heiße wird blau. Wenn es sich nur um den Schleim
handelt, genügt kalte Extraktion. Pharmac. helvet. IV sagt: «Statt Decoctum rad. alth.
ist die Kolatur einer halbstündigen Maceration zu dispensieren.»
Orlow fand Beta in (Trimethylglycin, O.xyneurin):
GH.,— CO
1 " I +H,0
(CH3)3EN O
und einen dem Lecithin (vgl. S. 342) ähnlichen Körper. Die Wurzel enthält auch
ein Enzym. Gerbstoff findet sich nur in den Randschichten der ungeschälten Wurzel.
Die Asche beträgt 4,88 "jg (Flückiger), 3,2 — 5,5 "/o (Hauke), im Pulver oft etwas
mehr. Die obere Grenzzahl beträgt 6 ''/g. Die Asche ist rein weiß. Nygard gibt den
Wassergehalt auf \i% an. E. Dieterich fand (i8qi) 9,95 "/o H^O, 4,8 "/^ Asche
und in letzterer 7,08 "|o Kaliumcarbonat, — im Pulver 6,20 — 9,10 "/q H^O, 5,8 bis
6,5 "/o Asche, darin I7,o''/q KgCOg. Die Asche ist reich an Phosphaten.
Lit. Ältere Lit. Link, Schweigg. Journ. XIII, 186, Pfaff, Mat. med. VI, 78, Colin
und Gaultier, Schweigg. Journ. XIII, 453, Gmelin, Handb. d. Chem. II, 1251, Pereira,
Heilmittellehre II, — Wittstock, Poggend. Ann. 20(1830) 346 (Pharm. Centralbl. 1831, 27;).
— Büchner, Rep. 41 (1832) 368 u. Pharm. Centralbl. 1832, 511, — Leo Meier, Jahrb. f. d.
Pharm. 12, 2 (1826) 75 (voUständ. Analyse), — GuSrin Varrv, Ann. de chim. II 49,
264, — Schmidt, Lieb. Ann. 51, 29, — Hilger und Rothenfdsser, Ben d. chem. Ges. 35,
1841, — Flückiger, Pharmakogn. — Flückiger-Hanbury, Pharmacographia. — Pohl, Zeit-
schr. phys. Chem. 14 (1890) 151. — Asparagin: Robiquet jun., Ann. chim. 55 (1805) 152.
— Vauquelin et Robiquet, Ebenda 57 (1806) 88. (Delaville, Ebenda 41 (1802) 298). — Ba-
CON, Alth^ine, nouvelle substance veg^tale. Ann. chim. phys. 34, 201 (1827), Journ. chim. med.
Rad. Althaeae.
353
II, 551. — Plisson, Sur l'identitÄ du malate acide d'althäine avec l'asparagine. Ann. chim. phys.
36 (1827) 175. — PiüTTi, Ber. d. ehem. Ges. 22, Ref. 241 u. 243. — Pringsheim, Zeitsclir.
physikal. Chem. 66 (igro).
N. Orlow, Betain als Bestandt. d. Würz, von Alth. offic. Pharm. Zeitschr. f. Rußl.
36 (iSqy) 631 (Journ. ph. 1898, 7. 108 u. 305) und Lecithin Farmac. Journ. 1900, Nr. 22
(Chem. Zeit, und Pharm. Zeit. 1900,268). — Rebling (Zucker) Arch. Ph. 134 (1855"). — Nygard,
Farmac. Notisbl. 1909.
Über den sich abweichend verhaltenden Schleim (Gombine) von Hibiscus esculentus (sog.
Gombo) vgl. Landrin, Journ. ph. chim. 22 (1875) 278, Popp, Arch. Pharm. 1871, 140.
Verfälschungen und Prüfung. Eine solche mit der holzigen, zähen Wurzel
der Althaea rosea, die früher (Wittstein) angegeben wurde, scheint nicht mehr vor-
zukommen, ebenso wenig die Wurzel von A. narbonensis Cav. Eine sehr häufige, ja
beinahe regelmäßige Verunreinigung des grob gepulverten Rad. allh. ist seit Jahren
und bis auf den heutigen Tag die billigste Sorte Schwarzmehl. Auf den ersten Blick
kiinnte man oft meinen es nur mit letzterem zu tun zu haben (Döll). Als Kuriosität sei
erwähnt, daß von Getreidemehl freies Althaea}^\}\vtx bisweilen als «stärkefrei» angeboten
wird. Während früher die geschnittene Eibischwurzel häufig (mit Kalkmilch, Kreide,
Gips) gekalkt wurde, wird sie jetzt vielfach mit Stärke, Getreidemehl oder Althaea-
pulver bestäubt. 1885 wurden mit Talcum geschminkte, geschnittene Althaea im
Handel beobachtet, die über i "Iq davon enthielt (Bernbeck). Doch kommt Kalken
auch jetzt noch vor. Die Prüfung auf gekalkte Wurzel durch Ausziehen mit Salz-
säure (2 g Rad. auf 5 ccm i "^/g HCl, Fromme, Caesar & Loretz Handelsbericht
1898) und Prüfen des filtrierten Auszuges mit Ammoniumoxalat ist, da auch das in
der Wurzel vorkommende Calciumoxalat sich in Salzsäure löst, von der Phann. helvet. IV
durch Prüfung eines mit Essigsäure dargestellten Auszuges ersetzt worden, die auch
die auf Bleiweiß einschließt. «Schüttelt man geschnittene Eibischwurzel mit verdünnter
Essigsäure, so darf Ammoniumoxalat im Filtrate nach dem Übersättigen mit Ammo-
niak nur höchstens eine Trübung und Schwefelwasserstoff keine Veränderung hervor-
rufen» (Pharm, helvet. IV). Gekalkte Wurzel enthält niemals weniger als 0,5 "jg Kalk.
Bisweilen ist so viel Kalk vorhanden, daß man ihn mit Wasser abschlämmen und den
Bodensatz untersuchen kann. Auch Bleichung mit schwefliger Säure und Chlor scheint
früher (1862) vorgekommen zu sein. Nicht ordentlich getrocknete, feucht aufbewahrte
oder sonst feucht gewordene Wurzel riecht oft dumpfig oder schimmelt, sie enthält
kein Asparagin mehr, bildet Ammoniak und gibt einen gelben Auszug (Selle), der
bisweilen nach Buttersäure riecht (Flückiger). Es empfiehlt sich, Blecheinsätze in die
Vorratskästen zu machen. Wurzeln, welche nach längerem Lagern geschnitten werden,
liefern oft trübe, wenig schleimige Auszüge (Hager). Der Sclileim (i = 10) soll
farblos und neutral sein und weder sauer, noch ammoniakalisch riechen. Durch Kali-
lauge oder Ammoniak soll er rein gelb, nicht braun oder rötlich werden.
Lit. Jahresber. d. Pharm. 1861, 65 (Selle) und 1885, 94 (BernbeckI.
Anwendung. Rad. althaeae wird besonders als demulzierendes Mittel bei Ka-
tarrhen der Respirationsorgane und Reizzuständen der Verdauungswerkzeuge benutzt,
dann als Vehikel für scharfe Arzneistoffe und als Konspergierungsmittel für Pillen.
Beliebte Arzneiformen sind: Decoctian althaeae, Svr. althaeae, Spec. bechicae, Spec.
pectorales, Spec. pro infantibus, Pastilli althaeae, Pasta althaeae, die aber oft keine
Althaea enthält. (Weitere Formen und Spezialitäten in Hager- Fischer -Hartw^ich,
Pharmac. Pra.xis). Die Witterung und ein damit verbundenes größeres oder geringeres
Auftreten von Katarrhen hat, wie die Handelsberichte lehren, auf den Verbrauch
Tschirch , Handbuch der Pbarmakognosie. Bd. II. 23
-. ; . Schleimzellen.
004
von Had aliliaeae großen Einfluß. Mit Altheepulver und Wasser allein angestoßene
Pillen werden bald steinhart und passieren den Magendarmkanal ohne zu zerfallen.
.•I///r(j(!'ö\vurzeI ist auch ein Hauptmittel des Pfarrer Kneipp. Die Wurzel wird roh
und geschält von den Kalmücken gegessen. Die Stengel enthalten Bastfasern in der
Rinde und diese wurden als FaserstofI' empfohlen (Cavanilles). Ziemlich viel Fasern
liefert Althaea narbonensis (span. caüamera) in der Nähe von Narbonne.
Geschichte. Dem indischen, babylonischen und ägyptischen Kulturkreise scheint die
Verwendung der Althaea unbekannt gewesen zu sein. Alcea fidfolia L (feigenlilättrige Malve),
noch heute Hauptschmuck der arabischen Gärten, war im alten Ägypten (1600 v. Chr.) eine
der Blumen der Totenkränze. Die äkOata des Theophr.\st ist vielleicht A/i/i. offic. (Fraas)
oder A. acaulis (Sprengel), doch nennt er die Farbe der Blüten //ijXtvoi; (Pharm, ind. denkt
daher eher an Abutilon Aviccnnae], Er beschreibt sie (Hist. plant. 9, 18I als der fiakdx'j {J/ak'a
szlvestr. und Lavatera arborea) ähnlich und erwähnt ihre Benutzung gegen Huslen, sowie ad
fracturas et ad ulcera. DiosKtJRlDES, der viele Krankheiten nennt, gegen die Althaea innerlich
und äußerlich angewendet wurde, nennt die Wurzel der dXD^ala schleimig und innen weiß.
Pl.lNius, der viel besonders über die äußerliche Anwendung der wilden Malve mit großen
Blättern und weißer Wurzel zu berichten weiß, aber auch die Abkochung der Wurzel mit Milch
als Hustenmittel kennt, erwähnt, daß die A. auch Plistolochia {Plistolycia) heiße (von n).Hazoi
= am meisten und Xo^lM = Kindbettreinigung). Daß die Wurzel in dem I. Jahrh. n. Chr. arz-
neilich benutzt wurde, geht aus des Scribonius Largus Compositiones (I, S. 576) hervor, bei
dem sich Ebi'sa', s. Hibisci radix findet. A. offic. steht dann auch im Kitäb as sagar (X. Jahrh.).
Im Capitulare Karls steht (neben malvas) mismalvas [wohl ein Schreibfehler für uismalvas (FiscHER-
Benzon)] ibicha id est alteas. Beide finden sich auch im Breviarium (I, S. 621). Die Bene-
diktiner empfahlen und betrieben also ihre Kultur auch im deutschen Norden Bei Albertus
Magnus steht Altea, im Gothaer Arzneibuch (I, S. 679): wylde poppele, auch bei Megenberg :
papel. In den Sinonoma Bartholomei (I, S. 639) steht: Altea, holihocke; in der Alphita
und den Tabulae: bismalva und bimalva (altea); die ebendaselbst erwähnte Malva silvestris
malva uiscus, merch[e] malue, caulis sancti Cutberti, alta malua Seynt Cutbertscole) ist wohl
auch Althaea; wie das gleichfalls in der Alphita sich findende Aiphaea (bismalva, enflos, evis-
cus, malvaviscus, hibiscus). Bis malue findet sich auch in der Frankfurter Liste (1450) und dem
Nördlinger Register (1480). Bei Cordus findet sich Althaeae fios, rad. [Rad. Hibisci) et mtici-
lago; sowie die Namen Bismalva und Sammetpappeln. Der Althaea^iibXevav war Bestandteil des
Empl. diachylon (s. S. 337). Auch Ungt. dialthaea simpl. und comp. D Nicolai (z. B. in CORDUS,
Dispensator.) enthalten (neben Sem. litii und .Sem. foenugraec.) Rad. althaeae.
Paralleldrogen. Die Wurzel des in allen Teilen sehr schleimreichen Hibiscus
esculentus geben geschält ein schneeweißes, schleimreiches Pulver (Pharm. Rev. 1897).
Die Wurzel wurde als Ersatz der Althaea empfohlen (Della Sudda, Rep. d. pharm.
1860. Über die Früchte der Pflanze vgl. die Pharmakographia). Dragendorff führt
(Heilpflanzen, S. 422) als ebenso wie Althaea officin. benutzt an: Althaea taurinensis
De, A. narbonensis PouRR., A. cannabina L. , A. pallida W. et Kit., A. meonantha
Lk., A, chinensis Cav., A. ficifolia Cav.
Von den Portugiesen in Goa wird die Wurzel von Greivia scabrophvlla Roxb.
als Substituens für Althaea benutzt. Ebenso in Cochinchina und Indien die Wurzel
von Hibiscus Rosa sinensis, die Ketmie von Cochinchina (Pharmacogr. indica).
Folium Althaeae.
Eibischblätter — feuilles de guimauve — marshmallow leaves — foglie di altea.
Die Beschreibung der Stammpflanze s. oben S. 345. Die Blätter werden an
den gleichen Orten wie die Wurzel, aber in viel geringerem Maße, besonders im Juni
Folium Althaeae.
355
und Juli vor (Pharm, helv. IV) oder während der Blütezeit, bisweilen auch von
der wildwachsenden Pflanze gesammelt. 8 Teile frische liefern i Teil trockene.
Sie gelangen vornehmlich aus Bayern und Österreich -Ungarn, dann auch aus
Belgien, Frankreich und Thüringen in den Handel. Bei Nürnberg werden Eibisch-
blätter besonders in Almoshof, Klein -Reuth, Neunhof und Buch gesammelt (Fr.
Wagner).
Die beiderseits graufilzigen, ungleich kerbig-gezähnten Blätter, deren Form oben
(S. 345) beschrieben ist und von
denen es längliche und runde
Formen gibt (J. Moeller), sind
namentlich durch die fast drei-
eckigen, ungleichgroßen Blatt-
zäh n eausgezeichnet. Auf relativ
kleine folgen weit hervortretende
von fast länglich - herzförmigen
Bau. Ein kräftiger Nerv tritt
von unten her in den Zahn
und verzweigt sich pinselartig.
Von seiner Spitze gehen zwei
Randnerven ab, die mit dem
von den Hauptzahnnerven ab-
gehenden Sekundärnerven je ein
Dreieck bilden. Längs der Rand-
nerven zeigt sich noch je ein
zweiter, sehr schwach ausgebil-
deter Nerv (ViRCHOw). Die
meist kleineren Blätter der wil-
den Pflanze haben im allgemei-
nen einen schärfer gezahnten
Rand undspitzere Formen (Zor-
nig). Die im allgemeinen starke
Behaarung wechselt nach dem
Standorte etwas. Sie ist auch
bei der wilden Pflanze oft stär-
ker als bei der kultivierten. Es finden sich vornehmlich Büschelhaare mit 2 — 6, seltener 8,
spreizenden langen, dickwandigen Strahlen, die von der Fläche betrachtet einen 2 — 8-
strahligen Stern bilden («Sternhaare»). Die Haarwurzeln, die Basen der Büschelhaar-
strahlen, sind reich getüpfelt. Auf Gewebspolster sind die Büschelhaare für gewöhnlich
nicht erhoben. Daneben finden sich, besonders an den Nerven, Drüsenhaare mit einer
Basalzelle, mehreren Stielzellen und einem i — 2 zelligen Köpfchen, sowie am Blattrande
einzellige, etwas gekrümmte Haare mit angeschwollener Basis. Die Epidermiszellen bei-
der Blattseiten sind schwach wellig verbogen. Sie sind wegen der starken Haar-
bedeckung nicht gut zu sehen. Spaltöffnungen mit 3 — 4 Nebenzellen finden sich auf
beiden Blattseiten. Zahlreiche Epidermiszellen sind als Schleimzellen ausgebildet. Die
Schleimmembran verdickung ist besonders auf der Innenseite stark (Fig. 94, 7). Der
Schleim färbt sich mit Safranin rot, mit Methylenblau blau (Vogl). Unterhalb der
Büschelhaare finden sich oft Oxalatzellen (A. Meyer). Die Palissadenschicht der Blatt-
Fig. 121.
Althaea officinalh, längliche Blattform.
[Aus Jos. ^Moeller, Lehrb. d. Pharraakogn.]
5ö<-
Sdilcimzellen.
Oberseite ist einreiliig, selten an einzelnen Stellen durch Teilung der Zellen zweireihig.
Das I\Icrench\ni ist wenig-reihig und reich durchlüftet. Der stark nach unten aus-
ladende Mittelnerv führt oben und
ScJilt
unten Collenchymstreifen, ein großes
strahliges Gefäßbündel und im Ner-
venparenchym Schleimzellen und
Zellen mit Calciumoxalatdrusen, doch
ist vornehmlich die Epidermis Sitz
des Wasser zurückhaltenden Schlei-
mes, die dadurch zu einem epider-
malen «Wassergewebe» wird. An den
Nerven höherer Ordnung ist die
Spreite meist etwas eingezogen.
Blätter, auf denen sich Piic-
cinia Malvacearim (vgl. obenS. 347)
findet, sind zu verwerfen.
Das Pulver ist besonders an
den sehr zahlreichen Haarbildungen
zu erkennen, von denen selbst im
feinsten Pulver wenigstens die Basen
der Büschelhaare noch gut erhalten
sind. Die Haarstrahlen sind oft zer-
trümmert. Stengel und Blütenteile,
die sich nicht selten im Handels-
pulver finden, verraten sich durch
reichliches Vorkommen von Pollen-
körnern (einige finden sich auch im
reinen Blattpulver), von Antheren-
fragmenten und Kelchhaaren und
den großen Gefäßen des Stengels
(Koch). Eine Beimengung von Fol.
malvae verrät sich durch zahlreiches
Auftreten von einzelligen Borstenhaaren, die bei Althaea seltener sind.
Von den Bestandteilen kommt nur der Schleim in Betracht. Die Asche beträgt
13 — iS^lo (Hauke). Die Fol. alth.
^X
Fig. 123.
Althaea o/ßcinalis, Epidermis des Blattes.
Flächen ansieht.
[Tschirch-Oesterle, Atlas.]
Folium et Flos Malvae. 557
Atlas t. 15. — MoELiER, Pharmakogn. Atlas t. 23 und Lehrbuch Fig. 62 u. 63. — Hartwich
in Realenzyklop. d. Pharm. — Zornig, Arzneidrogen S. 130. — VIRCHOW, Bau, u. Nerval, d.
Blattzähne etc. Arch. Pharm. 1896. — Hauke, Aschengehalt 1902. — Schwarz, Briefl. Mitth.
— Walliczek, Membranschi, vegetativ. Org. Pringsh. Jahrb. 25 (1893) 227. — Nestler, Die
Schleimzellen d. Malvaceen. Ost. bot. Zeitschr. 1898. — DuMONT a. a. O. — KuNTZE a. a.
O. — SoLERJEDER a. a. O. (vgl. S. 351). — Das Pulver ausführlich in Koch, Anal. d. Drogen-
pulv. in, 82 (dort auch die Pollenkörner).
Flos Althaeae,
Die Beschreibung der nur wenig noch angewendeten, fast geruchlosen, süßlich-schleimig
schmeckenden Blüten s. oben S. 346. Sie werden in einigen Gegenden, wo Eibisch kultiviert
wird, nebenher gesammelt, z. B. bei Nürnberg (Almoshof, Klein-Reuth, Großgrundlach, Schnepfen-
reut 1910). Sie enthalten in allen ihren Teilen Schleimzellen. Die großen (60 raik breiten) Pollen-
körner besitzen eine grobstachlige Exine, die durch Jodchloral sich gelb färbt, während der
Inhalt blau wird (Vogl).
Die Entwicklungsgeschichte des Samens und der Frucht bei Stschkrbatscheff, Arch.
Pharm. 1907, 60. — Die Nährschicht bei Holfert a. a. O.
Die Blüten liefern 0,024 "/(, ätherisches Öl (HANSEL), welches kristallinisch erstarrt. Der
Farbstoff der A^/kaeahValter soll ein' durch verdünnte Säure hydrolysierbares Glykosid sein, das
in der Kalischmelze Protocatechusäure und Brenzcatechin liefert (Weigert, Jahresber. d. önolog.
Lehranst. Klosterneuburg 1S94/95).
Folium et Flos Malvae,
Syn. Herba malvae, Malvenblätter, Pappel- oder Papelkraut, Hanfpappel, St.
Johannispappeln, Schwellkraiit, Käsepappelkraut, Gans-, Roß- oder Hasenpappelkraut,
kattenkes (= Katzenkäse), kerskes, in der Schweiz; chäslichrut, nüsserli, zigerli —
feuille de mauve — tnallow leaves — in Indien und Arabien: khubazi und khitmi.
Flores malvae silvestris, vulgär, s. coerulei, blaue Pappelblumen, wilde Malven-
blüten, — fleur de mauve — mallow flowers.
Bei den alten Griechen und den Römern: malache. — Malva silvestris hieß bei den
späteren Griechen: /uof.ö/^tj, //alä/rj, vnt^azQÖyyvlog — Malva rotundifolia: dy^tofiakaxov,
Xf/j.noQtt£, yXvxüvtjOOog. — althd. papula, pappala , pappula, papilla, pampila, babilla,
wengebapeln — mhd. pippole, pipelde, baippel — mnd. pippulencrut, poplencrut, popele,
popel, pope, pöppol — bei der Hildegard (I, S. 669I: babela — bei Megenberg (1,6.693):
malva haizt papel. — Im Gothaer Arzneibuch: wylde poppele (poppele, popplione, popplionie
— den italienischen Ursprung verratend! — ist Populus). — Im Colmarer Glossar: popele, —
bei BoCK: keespappeln. — Im Onus sanitatis und bei Brunschwyg: bappeln — bei Brun-
FELS und Fuchs: Gansspappel, rosspappeln.
Etym. Kluge bemerkt: Pappel = Malve, mhd. papel, papele; ahd. (mlat.) papula,
dunklen Ursprungs; wohl aus lat. pappus Samenkrone gebildet.» Das scheint mir sehr unwahr-
scheinlich. Ich leite es, ebenso wie Grassmann u. and., von pampe, pappe, mhd. pap = Kinder-
brei, Kleister (aus ital. mlat. pappa und pappare = essen) ab, wegen der Schleimigkeit. (Im ald.
bedeutete pappala schleimig.) Bei BoCK heißt es: «pappel ist im Westerich ein gemeiner Nam,
dann es werden alle breite Kreutter sonderlich, die man nit vol kennet, mit dem namen pappel
genannt, aber zu underscheid der andern nennen sie die klein malvam um des schnübelechten
(scheibenförmigen) Samens willen käszpappeln und Hasen- oder Ganspapellen». In der Tat wird
in Baiern auch die Betonien- und Pfingstrose, in Nassau der Sumpfhahnenfuß Pappel genannt
(Grimm). Das Wort Pappel als Bezeichnung für den aus Italien stammenden Baum (zuerst
bei Megenberg und Cordus) ist aus populus umgebildet (früher stets als Pappelbaum unter-
schieden). Es liegt also nur ein zufälliger Gleichklang vor (I, S. 1064). Popel als Baumname
35S
Schleimzellen.
bedeutete ursprünglich die im Mittelalter über die Alpen gebrachte Schwarzpappel [P. nigra).
Die Pyramidenpappel kam erst Ende des XVIII. Jahrh. aus der Lombardei nach Deutschland
(Hoopsi. — Malra .-lus Httlayij und dies von ficclaxög = erweichend, weich, auch in bezug auf
r'fi^^^^ den Schleim, und wohl nicht,
wie Grassmann will, von
der weichen Beschaffenheit
der Pflanze. — Malve erst
nhd. aus lat. (ital.) malva.
In England wurde der lat.
Pflanzenname sehr früh hei-
misch, daher angls. mealwe,
engl, mallow (Kluge). —
Der aramäische Name für
Malve ist ru' änä (Low). —
Bei den Persern: nän-i-ku-
lagh (= Krähenbrod) und
khitmi-i-kuchak [= kleines
khitmi) — MaxjlÄna Napis
(nach D ymock) unterscheidet
bei den Malven: kultivierte
(Malokhia) große wilde (khit-
mi), und kleine wilde (khu-
b;'izi).
Stammpflanze.
Malva silvestris L.
(Spec. pl. ed. I, 689)
(Althaea silvestr. Ale-
feld). Roßpappel, wilde
Malve oder Käsepappel,
große Hasenpappel, Hanf-
pappel, Pferdepappel,
Waldmal ve — mauve sau-
vage, meule,grandemauve
— wild mallow — mal-
lowe — katost — //«-
lic/rj — und Malva
neglecta Wallroth [Syllog. Ratisb. I, 140 (1824)] (M. rotundifolia C. Bauhin
et AüCT. nicht L., M. vulgaris Fries, M. littoralis Dethard, Althaea vulgaris Alef.).
Gemeine Malve, Käsepappel, Kässelpappel — mauve ä feuilles rondes, petite mauve
fromagere, fromageon — common mallow.
Die LiNNEsche M. rotundifolia umfaßt zwei jetzt getrennte Arten: M. neglecta
Wallr. (s. oben) und M. rotundifolia Fr. (M. borealis Wallm., M. pusiila With.,
M. par\'iflora Huds.).
Die Blätter werden von beiden Arten (M. silvestr. und neglecta) benutzt,
die Blüten meist nur von Malva silvestris. Die Wurzel imd Samen sind nicht
mehr in Gebrauch.
Systemat. Stellung. Malvaceae, Malveae — Malvinae (neben Althaea).
Beschreibung der Stammpflanzen. Malva silvestris ist ein selten einjähriges,
raeist zweijähriges oder andauerndes Kraut. Aus der kräftigen, innen weißen Pfahl-
wurzel erheben sicli mehrere aufsteigende, bis meterhohe, ziemlich kräftige, runde, be-
haarte, verästelte, unten holzige, innen Mark imd eine Höhlung führende Stengel.
Fig. 124.
Malva silvestris L. i. Infloreszenz und Laubblätter.
[Aus Schmeil, Lehrb. d. Botanik.]
Frucht.
Folium et Flos Malvae. 359
Flückiger sah 1878 4 cm dicke Stämme aus den gallizischen Bergen in Nord-
Spanien. Die jüngeren Teile sind rauhhaarig fast zottig. Die später vertrocknenden
Nebenblätter sind 7 mm lang, halbeiförmig. Die Blätter besitzen einen 5 — 10 cm
oder noch längeren, oben runden, unten abgeflachten, meist stark behaarten Stiel. Die
nur spärlich behaarte, von 5 — 7 Hauptnerven durchzogene, 5 — 12 cm, ja bisweilen
18 cm breite Spreite der Laubblätter ist nierenförmig (Fig. 124), bisweilen an der öfter
purpurn gefärbten Basis gestutzt, der kreisrunde Rand in 5 — 7 meist stumpfe, gesägte
oder gekerbte Lappen geteiU. Die aktinomorphen, fünf zähligen, hermaphroditen Blüten
bilden achselständige Wickel, sie sind 1,5— 3 cm lang. Ihre zur Blüte- und Frucht-
zeit aufrechten Stiele sind kürzer als die Blattstiele. Der Hüllkelch (das Hochblatt-
involukrum) besteht aus drei freien, schmal spateiförmigen, spitzen, behaarten, c. 5 mm
langen Blättern, die kürzer als die Kelchblätter sind. Der Kelch ist unten verwachsen,
glockenförmig, oben in fünf fast gleichseitig dreieckige, innen kahle, außen behaarte
Zipfel geteilt. Die hellpurpurroten, von dunklen Adern durchzogenen Blumenblätter
sind drei bis viermal länger als
der Kelch, c. 20 — 2 5 mm lang, (T ^
-Grf
keilförmig bis verkehrt eiförmig, '', ^ n \ v ' \\\'\ A' \ X-\-^^
an der Spitze sehr tief ausgeran- o^M v-- •^ "' ' ' !
det, am \erschmälerten Grunde ^ \
mit zwei dichten Haarbüscheln ]fa ■^^'
versehen (Fig. 125, 2), an der Ba-
sis allmählich in die Staubgefäß-
röhre übergehend. Das dunkel-
purpurrote, behaarte Staubgefäß-
bündel ist 10 — 12 mm lang, die
monothezischen Antheren sind
3
quer aufgehängt und öffnen sich
mit einem Querriß. Die Pollen- '^' ^'
, . Afah'a sili'estris L. i. Längsschnitt durch die Blüte. 2. CoroUenblatt
körner besitzen eme kurZStache- ^^^ j^„ basalen Haarstreifen. 3. Pollenkorn,
lige Exine (Fig. 125, 3). Die 8 bis [Tschirch-Oesterle, Atlas.]
II (meist 10) Griffel sitzen dem niedergedrückt-scheibenförmigen Fruchtknoten auf. Sie
sind unten verwachsen und teilen sich auf halber Höhe in die fädigen Narbenschenkel.
Das Bündel der letzteren bleibt entweder in der Staminalröhre eingeschlossen (bei der
sog. männlichen, kurzgriffligen Form der Blüte) oder tritt aus letzterer hervor (bei der
sog. weiblichen, langgriffligen Form). Die Ovula sind anatrop-epitrop. Die vielfächerige,
vom bleibenden Kelche behüllte Frucht bildet eine niedergedrückte, vom Stempelrest nicht
überragte, mehr oder weniger stark behaarte, strahlig-gefurchte Scheibe von 6 — 7 mm
Durchmesser (Fig. 124,2). Die 8 — 11 (meist 10) Teilfrüchtchen sind durch tiefe Furchen
geschieden und stark netzgrubig skulpturiert. Sie trennen sich zur Zeit der Fruchtreife.
Die Samen sind nierenförmig, der Embryo gekrümmt. Die Behaarung der Pflanze
wechselt sehr. Bald findet man reich, ja sogar sehr reich behaarte, bald fast kahle
Blätter. Die stärker behaarten Formen finden sich im Süden und Osten (Schumann).
Mahm silvestris ist eine über ganz Europa, mit Ausnahme des äußersten Nordens,
verbreitete und ziemlich häufige Ruderalpflanze. Sie findet sich auch am Cap, in
Nordafrika, Kleinasien, Cypern, dem südlichen Kaukasus, Südsibirien, Persien, Afgha-
nistan, Vorderindien und über den Ural bis zum Altai. Sie ist jetzt auch nach Nord-
amerika \erschleppt, ebenso nach Brasilien, wo sie jetzt überall vorkommt (Peckolt
■^go Schleimzellen.
iC)Oo). Sie wird in Indien (Bombay) kultiviert. Sie findet sich auf Schutt, an Zäunen,
Acker- und Wegrändern, sowie auf Waldschlägen, und steigt bis in die mittleren Ge-
birge. Blüht vom Juni bis Herbst. Sie heißt daher auch Herbst-Rose (Uhlanu be-
sang dient
ihm als Flugapparat. Der Same enthält reichlich Endosperm und einen Keimling mit
gefalteten, blattartigen, fünflappigen Keimblättern, sowie einer dicken Radicula.
Verbreitung. T. platyphyllos erreicht ihre Polargrenze schon in Mitteldeutsch-
land (WiLLKOJiii) , wo sie übrigens ursprünglich nicht heimisch war (Grisebach).
T. ulmifolia dagegen, die nach den Moorfunden zu schließen, als alteinheimische Pflanze
Nordwestdeutschlands anzuerkennen ist (Hoops, vgl. auch Bock oben S. 367) und
die sich im größten Teile von Europa findet, geht wildwachsend in Norwegen und
im Ural bis zum 62", in Schweden bis zum 63° (in Anlagen bis zum 68", Schübeler).
Im Süden findet sie sich mehr in den Bergen (bis 1200 m). Sie fehlt in Süd-Spanien,
Süd-ItaUen und Griechenland, findet sich aber in den südlichen Kaukasusländem und
geht über den Ural bis zum Altai. Im russischen Gouvernement Kostroma finden
sich Linden noch auf dem 68". T. platyphyllos ist wohl im Südosten (Donauländer,
Griechenland, Unteritalien, Spanien) heimisch. Wälder bildend ist die Linde in Deutsch-
land nie gewesen und ist sie auch heute nicht, im Osten dagegen, z. B. am Dnjepr,
finden sich große Lindenwälder. Beide Linden finden wir oft als Alleebäume, in An-
lagen, auf Friedhöfen, am Dorfteich, «am Brunnen vor dern Tore», — sowie als
«Gedenklinden» angepflanzt. T. platyphyllos ist stärker und langlebiger als T. tdmifolia.
Lit. Berg-Schmidt, Atlas II. Aufl. t. 108 (dort die systeraat. Liter.). — Pabst-Köhler,
Medizinalpfl. t. 15. — Szyszylowicz, Syst. d. T. Englers Jahrb. VI (1885). — J. Moeller,
Pharmakogn. Fig. 108 u. 109 und Artikel Tilia in Realenzykl. d. Pharm. — Eichler, Blülen-
diagr. — Schumann in Engler-Prantl, Pflanzenfam. — Tschirch-Oesterle, Atlas. — Schü-
beler, Pflanzenwelt Norwegens. — Flückiger, Pharmakogn. — GrisebaCH, Vegetat. d. Erde
I, 142. — Willkomm, Forstl. Flora. — Schnitzlein, Das Honigorgan d. Lindenblüte. Ber.
Naturhist. Ver. Augsburg 1858. — Holmes, Pharm. Journ. 1900, 418.
Einsammlung. Lindenblüten werden gesammelt in Deutschland (Franken, Elsaß)
— der Elsaß liefert jährlich 2 — 3000 kg (Rosenthaler) — der Schweiz, speziell
in den Kantonen Bern, Solothurn, Luzern, Uri, Wallis, St. Gallen (Schürmann), Öster-
reich (z. B. Mähren), Ungarn (Pater) und den Balkanländem. Montenegro führte
1Q07 für 20900 Kronen Flos tiliae aus (Tünmann); auch Österreich exportiert
(Mitlacher), eben.so Belgien (I, S. 100) und das Gouvernement Poltawa (Rußland).
Durch, wegen der Beschädigungen der Bäume durch vandalisches Abreißen ganzer
blütentragender Zweige, erlassene polizeiliche Verfügungen ist das Einsammeln von
Lindenblüten in Deutschland sehr erschwert. Die Handelsware besteht (nach A. Meyer)
meist aus den Blütenständen von 7. platyphyllos, obwohl die von T. ulmifolia höher
geschätzt werden. 4 Teile frische Blüten geben i Teil trockene. Will man oxydase-
Tschirch , Handbuch der Pharmakognosie. Bd. H. 24
■>-(j Schleimzellcn.
halüge Blüten, so muß man bei niedriger Temperatur im Schatten trocknen, da die
Oxydase durch scharfes Trocknen und Sonnenlicht zerstört wird (Carles). Der Vor-
rat ist jährlich zu erneuern, da die Blüten sich rasch verriechen. Der Geruch nimmt
schon beim Trocknen stark ab. Es ist auch Fl. TU. sine bracleis im Handel.
Lit. MiTi_\CHER, Pharm. Post 1909. — RcsenthalEr, Apoth. Zeit. 1909. — Schür-
mann, Schw. Wochenschr. 1908. — TUNM.A.NN, Apoth. Zeit. 1910.
Pathologie. Auf den Blättern der Linde kommen verschiedene parasitische Pilze, nament-
lich Pyrenomycelen und Imperfekten vor. Dieselben können sicherlich auch mitunter das Deck-
blatt der Infloreszenzen oder letztere selber befallen. Es wird dies angegeben für Gloeosporium
tiliaecolum Allescher, welches nach Laubert (Zeitschrift f. PflanzenkranUh. Bd. 14, 1904) auch
auf diesen Teilen auftreten kann (Ed. Fischer).
Über die tierischen Schädlinge der Linde berichtet Isr.\el:
Käfer: Pogonocherus hisptdiis L. Die Larve dieses Bockkäfers lebt in dürren Zweigen
von Tilia- und -Jcerarten. Bostrychus tiliae Fb. Larve unter der Rinde von Lindenbäumen.
Aegosoma scabricorne ScoP. Die Larve dieses selteneren Käfers lebt im Holze der Linde und
anderer Laubbäume. Rhynchites betuteti Fabr. Larve auf Linde, Birke, Haseln usw. Domis
paralltlepipcdiis L. Larve in kernfaulen Linden, Buchen, Hainbuchen, Nuß- und Obstbäumen usw.
Osmoderma eremita ScoP. Die Larve dieses Käfers lebt meist zu mehreren in kernfaulen Linden,
Erlen, Eichen usw. Anobium tessellattim Fabr. Larve gesellig in Lindenstöcken usw.
Falter: Vanessa antiopa L., Smerinthus tiliae Hb. an Lindenblättern. Zeiizera aescuh"L.
Im Holze der Asie. Cossus ligniperda O. Im Stammholze und den starken Wurzeln von Tilia,
Salix, Populus, Prunus, Quercus usw. usw. Aglia tau. Hb., Gastropacha lanestris Hb , Notodonta
camelina Hb., Stauropiis fagiYlB., Pkalera bucephala'RB., Orgyia ptidibundaWi., Ocneria dispar.
L., Liparis monacha Hb., Liparis aurifltia Hb., Laria V. nigrum F., Miselia aprilina L., Acro-
nycta alni Hb. und andere Acronycta-A.Tten. Orthosia und JCanthza-Arttn, Ainphipyra pyranii-
dea Hb., Crocalis elinguaria Hu. und viele andere Spanner. Tortrix- und Pentkina-Arlexi
usw. usw.
Schnabelkerfe: An den Trieben der Linde und ihren Blättern leben auch eine An-
zahl schwer zu bestimmender Aphiden.
Anatomie. Die ziemlich dicken (270 — 330 mik) Kelchblätterbesitzen auf der
Oberseite große polyedrische Epidermiszellen und zahlreiche lange, dünne, einzellige,
gerade oder hin- und hergebogene Haare (Fig. 130) und
Büschelhaare mit 2 — 5, bisweilen ungleich langen Strahlen
und oft gekrümmter Spitze. Am Blattrande liegen zwei-
strahlige Büschelhaare mit oft stark verbogenen und
durcheinander geschlungeneri Strahlen. Besonders die
subepidermale Zellreihe führt Calciumoxalatdrusen. Im
Mesophyll finden sich zahlreiche, oft zu Gruppen ver-
■ ■■ ,, , , ' einigte Schleimzellen, deren trennende primäre Wand
.„. oft auch verschleimt, so daß große Schleimhöhlen ent-
Fig. 130. "
T-;- ^, , ^, „ T^ -j ■ j ^^ stehen. Die sekundäre Schleimmembran zeigt (besonders
Jitia platyphyllos. Epidermis der Ober- ^ ^
(innen-jSeite des Kelchblattes. beim Präparieren in Alkohol) schöne Schichtung. Die
as.i Epidermis der Unterseite ist kleinzelliger und trägt keine
oder doch nur wenige Haare. Die viel dünneren (105 — 140 mik) Korollenblätter
sind oft nur 3 — 5 Zellreihen dick. Die gestreckten, nur wenig wellig verbogenen Epi-
dermiszellen beider Seiten zeigen eine gefaltete Cuticula. Im Mesophyll liegen zahlreiche
Schleimzellen und große Schleimhöhlen (s. oben), die am unzerkleinerten Blatte bei durch-
fallendem Lichte schon mit bloßen Augen sichtbar sind, sowie Zellen mit Oxalat-
drusen. Die Lamina ist im allgemeinen haarfrei, doch finden sich an der Blattbasis
Köpfchenhaare und am Blattrande (Fig. 131) Büschelhaare mit 2 — 5, oft gewundenen
Flos Tiliae.
371
Strahlen. Auch in den Filamenten, dem Connectiv und der Antherenwand
finden sich Schleimzellen. Die Antherenwand ist dreischichtig. Die fibröse Schicht bildet
die Mittelschicht. Die Pollenkörner, die man bisweilen im Honig findet (s. d.), sind
tetraedrisch, 27 — 34mik groß und besitzen drei Austrittsstellen für den Pollenschlauch.
Sie besitzen eine Stäbchenschicht und zeigen daher eine feine Punktierung. Die Frucht-
knotenwand ist von vielen 2-viel-
strahligen Büschelhaaren mit oft bizarr
verkrümmten Strahlen bedeckt, auf die
parenchymatische Randschicht folgt
eine obliterierte braune Zone, in der 1
die Bündel verlaufen, und dann die
Schleimzellenschiclit. In der Frucht-
knotenwand findet sich in besonderen
Zellen ein eisenbläuender, im übrigen
Gewebe ein eisengrünender Gerbstoff.
Auch die Ovula werden durch Eisen-
chlorid blau (Vogl). Selbst der Grif-
fel führt Schleimzellen und O.xalat-
2
drusen und in der Mitte das leitende
Gewebe. Elienso finden sich in Mark
und Rinde des Infloreszenzstieles
Schleimzellen. Der im Querschnitt
ovale Holzkörper ist hier umgeben von
einem zarten Siebteil, in den hinein
von dem breiten Bastzellpanzer aus
Sklereidenzapfen ragen. Das dem In-
floreszenzstiel angewachsene, von zahl- ^^' '^''
■ i_ i_iii-i^ T>.. jij 1 Tilta ilatyfihyllos, i. Querschnitt durch den Rand des Kronen-
reichen bastzellreichen Bundein durch- i, ^ ^ „ ^ ^ ■ t- , ..t, ».
blattes. 2. Querschnitt durch ein Kelchblatt.
zogene, derbe Flügelblatt (sog. Brac- (Tschirch-Oesterie, Atlas.)
tee) führt an den Nerven ebenfalls Schleimzellen. Die Bastbelege sind von Kristall-
kammerfasern begleitet, die rhomboedrische Kristalle und Drusen führen (Vogl). Das
außerordentlich reich durchlüftete Mesophyll zeigt an der morphologischen Oberseite
palissadenartige Streckung. Auf der Unterseite finden sich Spaltöffnungen. Es ähnelt
also im Bau einem Laubblatte. Im Glycerinpräparat frischer Brakteen finden sich
Sphaerokristalle, die Tunmann für Hesperidin hält. Die Oxalatdrusen sind bei Tilia
von einer Haut umgeben, die nachträglich mit det Membran verwächst, liegen also
in sogenannten Taschen (Wittlin).
Lit. Weitere Details in A.Meyer, Drogenkunde und Tschirch-Oesterle, Atlas t. 11.
— Karsten-Oltmanns, Pharmakogn., Fig. 308 — 314. — Vogl, Kommentar 1908, S. 149. —
Trecul, Mucilages. Adansonia VII (1866). — Frank, Beitr. z. Pflanzenphys. Leipzig 1868. —
DuMONT, Ann. sc. nat. bot. 5 (1887), 135. t. VI. — Mattirolo, Sviluppo e natura dei tegu-
menti seminal. nel gen. Tilia Nuov. Giern, bot. 1885. — Holfert, Nährschicht. Flora 1890.
— Schwarz und Wahsarg, Pringsh. Jahrb. 1884, t. III. — Wittlin, Kalkoxalattaschen. Bot.
Centralbl. 1896. — Solereder, System. Anat. d. Dikotylen. S. 176 (dort weit. Lit.). — tiber
Lindenbast und Lindenholz vgl. Wiesner, Rohstoffe 2. Aufl.
Chemie. Die Blüten der Linde enthalten viel Schleim, dann Zucker — die
mit Wasser gegorenen Blüten geben Weingeist (Marggraf) — , Wachs, etwas eisen-
24*
■^y2 Schleimzellen.
srünenden Gerbstoff und ätherisches Öl. Der Schleini bläut sich nicht mit Chlor-
zinkjod, wohl aber mit Kupfersulfat und Kalilauge (A. Meyer). Sie enthalten auch eine
Oxydase (Carles, die Brakteen nur wenig davon) und in der Asche Spuren Mangan.
Der Brei frischer Blüten bläut Guajaktinktur. Roux fand einen gelben und einen roten
Farbstoff, Herbergek Malate, Tartrate, einen Bitterstoff, Siller »ein Balsam-
harz von gewürzhaftem Geschmack». In den Brakteen ist mehr Gerbstoff und — wie es
scheint — kein Riechstoff vorhanden. Das ätherische Ol ist in den Lindenblüten nur
in geringer Menge vorhanden. Doch gibt Winckler (1837) an, daß er aus 25 Pfund
frischen Blüten Sog (d. h. 0,64 "/q) farbloses, dünnflüssiges, in Wasser relativ leicht
lösliches Öl erhalten habe. Andere sprechen von 0,1, 0,05, 0,042, 0,038 "/(, (Makg-
GRAF erhielt gar nichts). Haensel hat das Öl neuerdings fabrikmäßig dargestellt.
Es ist — offenbar durch ausgeschiedene, mit übergehende Fettsäuren — bei ge-
wöhnlicher Temperatur fest und eine sehr teure Substanz. Sein Wert ist zehnmal
so hoch wie der des Rosenöls. Er übertrifft alle übrigen ätherischen Öle an Fein-
heit des Geruches (Landerer). Der Unterschied in den Eigenschaften und der Aus-
beute des Öles bei Winckler einerseits und bei Haensel andererseits dürfte darauf
zurückzuführen sein, daß Haensel mit gespanntem Dampf arbeitete, Winckler, der
frische Blüten verarbeitete, nicht. Gespannter Dampf scheint das Öl zu verändern und
treibt feste Fettsäuren mit über. Es findet sich im Handel (Haensel 1902). Nur frische
Blüten geben gutes Agua tiliae. Die Blüten enthalten auch einen in farblosen Blätt-
chen kristallisierenden Kohlenwasserstoff C28H5g; F. 54 — 56 •* (Klopp, Garnier und
Ehrwein). Die schweißtreibende Substanz ist unbekannt. Das fette Öl der Samen
wurde zuerst von Massi durch Pressen gewonnen, dann von Marggraf (1772)
imtersucht und von Geiger als Ersatz des Mandelöls warm empfohlen. Es ist in den
lufttrockenen Samen zu 59 "/q enthalten (C. Müller) und gehört zu den nichttrocknen-
den, schwer ranzig werdenden Ölen. Die Asche der Blüten beträgt 5,5 — 7 "Jq
(Hauke, Vogl gibt B^jo als Grenzzahl an). Sie ist meist etwas grünlich.
Die Blätter enthalten das Glykosid Tiliacin, das in Glukose und Tiliaretin
zerfällt. Letzteres liefert Anissäure (Latschinow). Die Blätter der Tilia parvifolia
enthalten auch Inosit (Fick). In der Rinde der Linde fand Bräutigam (1898)
einen phytosterinartigen Körper (Tiliadin, CjiHjgOj), der aber kein echtes Phyto-
sterin ist, sowie Vanillin. Beim Anbohren des Stammes im Frühling erhält man einen
süßen Saft, der dem A/iomsahe ähnlich ist (Geiger). Das bisweilen auf den Laub-
blättem auftretende (Langlois) Manna enthält (nach Boussingault) 20 bis ^o'^Jq
Dextrin (?), 25 — 2Q*'|q Invertzucker, 49 — 55 "/o Rohrzucker, sowie freie Säuren (Apfel-
säure?), ähnelt also dem TamarLx-Manna (S. 135). Der Algenbelag der Rinde [Pleuro-
coccus vulg.) enthält nadeiförmige Kristalle (Bräutigam).
Lit. Ältere Literatur in Schwartzes Tabellen (1819) I, 198, und JOHNS Chem. Tab.
d. Pfl. S. 15. — Erste Analyse von Marggraf, Mem. de l'ac. sc. Berlin 1772, 3 (auch in
Pfaff, Mat. med.). — Geiger, Handb. d. Pharm. 1830, 1017. — Herberger und Siller in
DlERB.^CH, Mat. med. 1841. — FiCK, Jahresb. d. Pharm. 1887, 11. — C. Müller, Über Lindenöl.
Ber. d. pharm. Ges. I, 60. — Carles, Rep. de pharm. 1904, i. — Tunmann, Schweiz.
Wochenschr. 1909. — Bräutigam, Arch. Pharm. 1900, 555 u. Pharm. Zeit. 1898 Nr. 105. —
Latschinow, Chem. Zeit. 1890, 14, 126. — Äth. Öl: Ältere Arbeiten (Brossat, Landerer,
Büchner, Herberger) in Gmelins Handb. d. Org. Chem. IV (1862) 343. — Winckler, D.
äth. Öl d. Lindenblüte. Pharm. Centralbl. 1837, 78i- — H.VENSEL, Berichte 1902. — Klopp,
Garnier und EHRVnjiN, Bull. soc. chim. (4) 7, 940. — Zeller, Ausbeute u. Darst. äther. Öle
ans Offizin. Pfl. N. Jahrb. d. Pharm. I— III und separat Stuttg. 1855. — Lindenmanna:
Flos Tiliae. 37J
Langlois Journ. pr. Chem. 29, 444 (Arch. Pharm, 89 [1844], 320). — Boussingault, Journ.
pharm. 15 11872), 214.
Verfälschungen. Beobachtet sind (Perrot) die Infloreszenzen von Tilia argentea
Desf. {T. alba W. et K., T. tomentosa Mönch), einem aus Ungarn, Kleinasien und
Südsibirien stammenden, vielfach in Anlagen angepflanzten Zierbaum, der wenigblütige
Blütenstände hat und dessen Staubfäden halb so lang als die Blumenblätter und wenig
länger als der Fruchtknoten sind. T. argentea gehört zu der Abteilung der Dekapetalae,
d. h. bei ihr sind 5 der innersten Glieder des Staubfadeiikreises zu petaloiden, noch
mit Antherenspur versehenen Staminodien umgebildet. Zu dieser Gruppe gehört auch
die nordamerikanische T. americana. iSgöjgS waren, von Italien importiert, Linden-
blüten von Tilia americana L. (7. canadensis MiCHX., T. glabra Vent., T. nigra Brockh.,
Schwarzlinde) im Handel. Sowohl das Dekokt wie das destillierte Aqua tiliae weichen
von dem aus T. europ. bereiteten stark ab (Caesar & Loretz). Die Verwendung
von Lindenblüten aus der Reihe der Decapetalae, die ganz anders riechen
als unsere Lindenblüten, ist unzulässig, dagegen dürfen die Blüten der Hy-
briden und Formen der beiden deutschen Linden gesammelt werden.
Lit. Perrot, Bull. sc. pharm. 1907, 346.
Anwendung. Lindenblüten sind ein viel verwendetes Diaphoreticum, das meist-
angewendete Schweißtreibemittel des Volkes. Sie wurden schon von Murray (wie
noch jetzt von Kneipp) auch als schmerzstillendes und krampflinderndes Mittel emp-
fohlen. Flos tiliae ist Bestandteil der Spec. laxant. St. Germain. Daneben bedient man
sich (wie im Altertum) auch der schleimreichen Rinde, besonders äußerlich, z. B. bei
Brandschäden, Schußwunden, Augenentzündungen u. dgl., was noch heute in Ruß-
land beim Volke üblich ist (Henrici). Das Lindenblütenwasser wird vom Volke
gegen Sommersprossen und als Haarwuchsmittel benutzt. Die eigenartig aromatischen
Blüten der T. argentea liefern ein Champagnerarom (Landerer). Merat und Lens
sagen im Dictionnaire (I, S. 217) von der Lindenblüte: «C'est l'antispasmodique le
plus universellement mis en usage par toutes les classes des malades.» Das übrigens
ziemlich weiche Holz dient zur Herstellung der Carbo Tiliae. Die Bastfasern der
Rinde dienten schon im Altertum als Fasermaterial zu Stricken, Sattelzeug usw. Die
bekannten Bastschuhe (lapti) der Russen und Polen werden noch heute aus Linden-
bast (liko) gemacht, ebenso Decken und Flechtwerk. Auch der nahe verwandte Cor-
chorus (Jute, vgl. S. 255) ist eine Tiliacee. Lindenbaststreifen dienten in Rom als
Papier (S. 256).
Lit. Ältere Lit. in Murray, App. medic. — HENRicr, Volksheilra. Rußlands in Roberts
Studien IV. — L.^nderer, Amer. journ. pharm. 1883.
Geschichte. Den alten Deutschen war die Linde ein heiliger Baum. Sie war der FriGGa,
der nordischen Venus geweiht und fehlte in keinem heiligen Haine, keinem Dorf- und Markt-
platze, keinem Friedhofe. (Sie ist auch der russischen Liebesgöttin Krasogani und der slavi-
schen Ost.\ra heilig.) Sie schützte gegen Blitzgefahr und ihre Teile wurden gegen zahlreiche
Leiden angewendet. Sie war der Frühlings-, Freuden- und Liebesbaum, aber auch der alte
Rechts- und Dingbaum, unter dem sich die Gemeinde versammelte und Recht gesprochen wurde.
Sie ist der deutsche Baum par excellence und noch heute der Lieblingsbaum des deutschen
Volkes, den zahllose Dichter besangen, von Waither von der Vogelweide bis auf Hein-
rich Heine, und der auch in den Volkssitten eine große Rolle spielte. Lindenblüten und
Lindenblütenwasser gelten noch heute als Schönheitsmittel. In den Schweizer Pfahlbauten fanden
sich Reste beider Linden. Des Theophrast (hist, pl. III, 10; V, 4) (plXvQa ist wohl eine Tilia
(Sprengel), denn die Linde heißt auch heute noch in Griechenland so (s. oben S. 366). Vielleicht
^y 1 Schleimzellen.
war es T. ulmifolia, vielleicht auch (Fiuuvs) T. argentea. Des Theophrast xXi&prj ist aber wolil
eine Alnus- oder ,Jhy\ien), O.provincialis ßpauciplor. [Smyrna), 0. ariaioiica [Carlen,
Lycien), O. Simia (Pamphylien) und weiter im Norden O. maciilnta und />/i«/ (in Cappadocien).
In Algerien werden die sehr großen Knollen von Orchis Munbyana und O. Rober-
tiana benutzt (Landerer, Pharm. Jahresb. 1878, Simmonds, Am. journ. pharm. 1891).
In Nordpersien werden die Knollen besonders von Orchis latifolia L. , dann
auch von O. laxiflora Lamck. gesammelt und unter dem Namen Salapmisri nach
Indien gebracht (Aitchison, Stolze und Andreas).
xyO Schleimzellen.
Oirlits und Anacamptis, sowie Opinis und Aceras gehören zu der Abteilung
Monandrae — Ophrydinae — Serapiadaceae; Gymnadmia zur Abteilung Monandrae
— Ophrydinae — Gymnadenieae.
In Nordindien sind die großen Knollen (man-kand, amber-kand) von Eulophia
campestris Lindl., Eul. herbacea Lindl., in Südindien die kleineu von Habenaria
pectinata Don und etwa fünf anderen Arten Salep liefernd (Watt, Dict. of econ.
prod. LiNDLEY, Royle). Pharmac. ind. nennt auch Eulophia virens Br., Eu. cam-
pestris Wall., Eu. nuda Lindl.
Eulophia gehört zur Abteilung Monandrae — Cyrtopodiinae , Habenaria zur
Abteilung Monandrae — Ophrj'dinae — Habenarieae.
Die Galtung Orchis mit ihren 70 vorwiegend in der alten Welt vorkommenden Arten
wird jetzt eingeteilt in:
Sect. I. Herorchis LiNDL.
a) Papilionaceae: 0. papilionacea. b) Moriones: 0. Moria, c) Militares: 0. mili-
taris, purpurea, tridentata [variegata), ustulata. d) Ibericae: 0. iberica.
Sect. n. Anderorchis LiNDL.
a) Globosae: 0. globosa. b) Saccatae: O. sarcatu, c) Masculae: O. masaila, pa-
lustris, pallens. d) (Latifoliae): 0. latifolia, incarrmta, maculata.
Ausführlichere Angaben in LuERSSEN, Mediz. pharm. Botan.
Die LiNNEsche O. milüaris umfaßt: O. purpurea, tridentata, Simia und Rivini.
O. militaris ist von England, Nord- und Mittelspanien, sowie Italien über Deutschland
bis Mittelrußland und Sibirien, sowie Ost-Dahurien, O. Moria durch Europa und auch im west-
lichen Asien, O. maculata durch ganz Europa und Sibirien, O. masaila in Europa bis zum Ural,
O. latifalia von Europa bis Kamtschatka heimisch. Diese sind bei uns die häufigsten 0. pa-
pilionacea und saccata sind im Mittelmeergebiet, O. purpurea in Mittel- und Südeuropa, 0. ustulata
in Europa bis zum Ural, 0. iberica im Gebiet des Kaukasus, O. incarnata von Europa bis
Kamtschatka heimisch.
Die O/c/zwarten sind Wiesenpflanzen und sog. «Magerkeitszeiger», die gedüngte
Stellen fliehen und vom Weidevieh gemieden werden.
Folgende Standorte werden in Garckes Flora von Deutschland angegeben: O. purpurea
HUDS. schattige Gebirgswälder, gern auf Kalk, am häufigsten in Mittel- und Südwestdeutsch-
land, namentlich in Thüringen, bei Hannover, auf Rügen. O. militaris (L.) HuDS., Wald- und
Moorwiesen, sonnige Kalkberge, in Nordwestdeutschland fehlend. 0. ustulala L., Bergabhänge,
Wiesen niedriger und gebirgiger Gegenden, in den Alpen verbreitet. O. Moria L. (die kleinste
unserer Arten), Wiesen, trockene Abhänge, häufig. 0. mascula L., Wiesen, Wälder, häufig in
Süd- und Mittel-, selten in Norddeutschland. O. maculata L., sumpfige Wiesen, Wälder häufig.
O. latifalia L., feuchte Wiesen, häufig. O, incarnata, torfige, sumpfige Wiesen, zerstreut. Diese
Standorte wären bei der Anlage einer Kultur zu beachten. Man hört oft aus den Handels-
berichten, daß Trockenheit die Ernte beeinträchtigt.
Beschreibung der Stammpflanze. Die Orchisariew sind sämtlich ausdauernde
Kräuter, die ihre unterirdischen Organe ziemlich tief im Boden bilden. Aus dem
Samen bildet sich im ersten Jahre ein Knollchen, das der Wurzel entspricht, an ihm
sitzt ein aus Niederblättem und der Laubblattanlage gebildetes Knöspchen (Fig. 132,
AB). Im nächsten Jahr entwickeln sich 2 — 3 Laubblätter und in der Achsel einer
der Niederblätter ein Knöspchen, das eine Adventivwurzel bildet (Fig. 132, CD).
«Diese verdickt sich knollenförmig und wird durch die vergrößerte röhrenförmige
Scheide seines untersten Blattes wie durch ein Rohr tiefer in den Boden gesenkt»
(Fig. 132, FG). Dieser kleine Knollen bildet den Grundstock für eine neue Pflanze,
die sich dann im nächsten Jahre entwickelt (Entwicklung des Knollens ausführlich
bei Irmisch und Arthur Meyer).
Tuber Salep.
377
Die blühende Pflanze besitzt zwei Knollen (Fig. 132, JKL). Der ältere Knollen
hat seine Reservestoffe an die oberirdische Pflanze abgegeben und erscheint daher
mehr oder weniger geschrumpft und außen bräunlich, das Gewebe ist entleert. Der
helle junge Knollen dagegen, der ähnlich wie der Knollen an der Keimpflanze aus
Fig. 132.
A — K Orchis militaris. a junge Keimpflanze nach der Blüte, B stärker vergrößerter Längsschnitt durch A, CD ältere
Keimpflanze mit hervortretender Wurzel. E Längsschnitt durch eine solche Keimpflanze. F G Keimpflanze im näch-
sten Frühjahr, die Wurzel hat einen Knollen gebildet. H Anlage des aus einem Seitensprol^ und einer Adventivwurzel
kombinierten Knollen an der erwachsenen Pflanze. Die Wurzel steckt noch in der Scheide (vi. J Basis einer erwach-
senen Pflanze im Sommer. K dasselbe im Längsschnitt. L. Orchis laiifoUa. Basis einer erwachsenen Pflanze. (A — H
nach Irmisch, J — L nach Luerssen.)
der Adventivwurzel einer Knospe des vierten oder fünften Niederblattes entstanden
ist, ist mit Reservestoffen prall gefüllt. Er ist ziemlich frühzeitig innerhalb der Achse
entstanden, deren Gewebe ihn noch eine Zeitlang wie ein Sack umgibt (Fig. 132, H))
sitzt, wenn ganz entwickelt, was schon im Juni erfolgt ist, einem kurzen Aste an
578
Schleimzellen.
und trägt oben ein Knöspchen (Fig. 132, K). Aus ihm entwickelt sicli die neue
Pflanze im nächsten Jahr. Der Knollen trägt ganz den Charakter einer Speicherwurzel.
Daneben finden sich noch am Grunde der Achse Ernährungswurzeln. Orchis purpurea
und militaris (Fig. 132, JK), sowie Piatanthera bifolia haben ovale oder eiförmige,
O. uslulata. Mono, masaila und coriophora und die O/Z/ri'j'- Arten rundliche, O. tnden-
tata, laxiflora und globosa längliche, O. sambucina zylindrische oder spindelförmige,
Orchis maculata, latifolia (Fig. 132, L), iticaniata und saccifera, sowie Gymnadenia
conopea bandförmig geteilte Knollen.
Der krautige Stengel ist einfach. Er wird bei den einzelnen Arten verschieden
hoch. Die Niederblätter sind scheidenartig, und soweit sie im Boden stecken
weiß. Die Blätter tragen bei O. militaris auf einer Scheide eine oblong-lanzettliche,
stumpfliche, etwas fleischige, 4 — 5 cm breite, 8 — 16 cm lange Spreite, die getrocknet
nach Vanillin riecht. Der Blütenstand ist eine Ähre, die bei O. militaris 7 — 10 cm
lang wird. Die Deckblätter sind breit eiförmig, rot. Der sitzende einfächerige, unter-
ständige Fruchtknoten ist gedreht und dadurch die zygomorphe Blüte resupiniert, d. h.
die oberen Teile der Blüte nach unten gekehrt. Die drei äußeren Perigonblätter sind
ziemlich gleich, eilanzettlich, bei O. militaris außen rötlich weiß, an den Nerven rot,
zwei Perigonblätter des inneren Kreises etwas kleiner, schmaler, dunkler, alle fünf
nach oben gerichtet, einen Helm bildend, das dritte (ursprünglich das hintere obere)
Blatt des inneren Kreises aber als Labellum entwickelt und nun nach unten gerichtet,
aus der Blüte heraushängend. Er trägt einen hohlen Sporn, der als Nektarium wirkt,
obwohl er keine eigentlichen Nektarien bildet (der süße Saft muß <^ erbohrt» werden)
und bildet eine breite, tief dreispaltige, als Anlockungsmittel für Insekten dienende
Lippe, die länger ist als die übrigen Perigonblätter und deren Mittellappen wieder
zweigespalten erscheint mit einem kleinen Zwischenläppchen (bei O. Moria ist die
Lippe dreüappig, der Mittellappen abgestutzt-ausgerandet, bei 0. papilionacea ganz-
randig, bei O. tnascula tief dreilappig mit breiten gezähnten Lappen, bei O. latifolia
breit-keilförmig, dreilappig). Die Farbe der Lippe ist bei O. militaris weiß mit pur-
purnen Haarpinseln (bei O. uslulata weiß, rot punktiert, bei O. coriophora purpurn
geädert, am Grunde weiß, purpurn punktiert, bei O. Moria purpurn mit grünen Adern).
An die eigenartige Insektenform und den Geruch gewisser Ö;Y//«blüten erinnern die
Bezeichnungen: conopea (von xcöi'OJip = Mücke), muscifera {^= Fliegenträger), corio-
phora (von y.oQig = Wanze) und Fliegenblumen. Das Androeceum ist mit dem Griffel
verwachsen und bildet das Gynostemium, das aus der Columella, dem Clinandrium
und dem Rostellum besteht. Die Griffelsäule ist sitzend, vorn flach, hinten gewölbt; die
Narbe am Grunde der Säule quer gestellt, umgekehrt herzförmig. Über ihr liegt die
kleine Bursecula und in dieser die beiden Klebscheiben (retinacula) der zwei gestielten,
keulenförmigen Pollinien, die aus der verklebten Pollenmasse bestehen. Die Anthere
ist also dithecisch. Senkt nun ein Insekt seinen Rüssel in die Blüte, so schiebt es,
wie Charles Darwin zuerst beobachtete, die Bursecula beiseite, der Rüssel kommt
mit den Klebscheiben in Berührung, diese kleben sich am Rüssel fest und wenn nun
der letztere aus der Blüte herausgezogen wird, so werden die Pollinien aus ihrem
Behälter herausgerissen (vgl. auch I, S. 380). Sie stehen zunächst senkrecht auf dem
Rüssel, senken sich aber dann herab und wenn nun das Insekt eine zweite Blüte
besucht, so treffen die Poliinien direkt auf die Narbe: das klassische Beispiel einer
an Insektenbefruchtung angepaßten zoidiophilen Blüte. Die Frucht ist eine sechskantige
Kapsel, die mit drei Klappen aufspringt. Der Fruchtknoten stellt sich später wieder
Tuber Salep. 379
richtig, die Resupination der Blüte wird aufgehoben. Die sehr kleinen Samen haben
einen ungegliederten Keimling. Sie werden zur Reifezeit durch den Wind verstreut.
Die Orcliissxi&n blühen bei uns meist im Mai bis Juni. Die Knollen werden
vor der oder zur Blütezeit der Pflanze gesammelt.
Lit. Abbild.: H. G. Reichenbach, Orchideae in Flora germanica recensitae etc. 170
col. Taf. 1851 (B. 13 u. 14 der Icones flor. germ.). — Abbild, von 0. militaris in Berg-
Schmidt, Atlas taf. 134 (dort die System. Lit.), Pabst-Köhler, Medizinalpfl. t. 61, LuKRSSEN,
Med. pharm, bot. (dort die systemat. Lit. der Familie). Hayne, Arzneigew. t. 17. GiESEN-
HAGEN, Botanik 1910, Fig. 367. — Von O. tistulata in Hayne, Arzneigew. t. 16. — Von O.
Moria in Hayne, Arzneigew. t. 24 und Nees von Esenbeck, Plant, med. t. 72. — Von O.
mascula in Nees von Esenbeck, Plant, med. t. 71. und Giesenhagen, Botanik 19 10. Von
O. latifolia im Bonner Lehrb. d. Bot. u. in Garckes Flor. v. Deutschi. — Pfitzer, Entwurf
eines natürlich. Syst. d. Orchid. und Orchidaceae in Engler-Prantl, Pflanzenfam. II, 6, S. 52
(dort die Literatur d. Familie). — Irmisch, Morph, d. monokotyl. Knollen usw. Berlin 1850,
Beitr. z. Biolog. u. Morph, d. Orchid. 1853 u. ein. Beobacht. an einheim. Orchid. Flora 1854.
— A. Meyer, Knollen der einheim. Orchideen. Arch. Pharm. 1886 (m. zahlr. Abbild, u.
Literaturnachweisen) und Wissensch. Drogenkunde.
Pathologie. Über die tierischen Schädlinge berichtet Israel: Die Orchideen scheinen
unter den Insekten sehr wenige Feinde zu haben, doch trifft man gelegentlich polyphage Eulen-
raupen auch an Orchideen, ohne daß sie jedoch Feinde derselben genannt werden könnten.
Bei Jena fand ich eine Dipterenmade (vermutlich eine Cbri^'/wraspecies) auf Orchis mascula,
die Blätter minierend.
Einsammlung und Handel. Im Handel dominiert der kleinasiatisch-türkische
(anatolische) Salep. Der türkische, auch der aus Macedonien, wird meist Levantiner
Salep genannt. In Kleinasien wird Salep im Süden bei Mersina (Rhodus gegenüber),
Milas (Melassa) und Mugia (südöstlich von Smyrna) gewonnen (Scherzer 1874), im
Norden bei Kastamuni und Angora (Her. über die Wiener Weltausstellung 1873), neuer-
dings (1895) werden auch Castambol, Tokat und Egin genannt. Der südliche geht
nach Smyrna, der nördliche nach Konstantinopel. Dorthin, zum Teil über Saloniki, wird
auch der in Macedonien und Thessalien gesammelte Salep gebracht. Seit den acht-
ziger Jahren des XIX. Jahrh. ist Konstantinopel Hauptausfuhrort für Salep. 1892
betrug die Ausfuhr von dort 19000 kg, die Vorräte lOOüo kg. Die Ausfuhr von
Smyma wurde 1879 ^^^ 5000 Oka (zu 1283 g) geschätzt. Die Levantiner Ernte
betrug 1893: 200 — 250 Sack ä 80 — 90kg. Smyrna exportierte 1905: 4690,
1906: 2926, 1907: 1806 und 1908: 1162 kg. Die Türkei braucht selbst viel
Salep, nur ^jj der Ernte gelangt zur Ausfuhr (Gehe). Die Zufuhren von der
Levante treffen im Oktober bis November ein. In Deutschland wurde Salep
früher namentlich in Bayern, Nassau (Taunus und Westerwald), Fulda (Rhön und
Vogelsberg), sowie im Odenwald gesammelt (Wigger.s 1863), jetzt scheint nur noch
bei Kaltennordheim in der Rhön, bei Meiningen und etwas auch im Taunus und
Odenwald gesammelt zu werden (Flückiger 1891). Für den Großhandel kommt
deutscher Salep nicht in Betracht. In den Preislisten finde ich .S'. german. höher im
Preise notiert als 6". levantin. Die deutschen Knollen pflegen kleiner zu sein. Auch in
Frankreich scheint etwas Salep gesammelt zu werden. Der beste persische Salep
wird auf dem Idjerüdplateau westlich von Zändjän gesammelt. Nach der Blütezeit im
Juli schicken die Teheraner Apotheker (attar) Leute dorthin, um die Knollen zu graben
und die Bewohner von Idjerüd verpachten den Salepsuchern ihre Wiesen (Schindler).
In Nordpersien wird säläb bei Mesched (Meschhed) gegraben. Der bessere persische
Salep heißt Panjeh-i-säläb (= Handsalep), der schlechtere Abashaheri oder Lasaniya
(Pharmakogr.). Der persische Salep geht über Buschir besonders nach Indien, kommt
38o
Schleimzellen.
aber auch bisweilen nach Europa. Die großen indischen Salepknollen stammen aus
Bengalen, den Nilagiris und Ceylon, sowie aus Afghanistan, Belutschistan, Kabul,
Bokhara und dem Pandschab (Pharmakographia).
Die gegrabenen prallen Tochterknollen werden vom Stengel, dem Mutterknolien
und den Wurzeln befreit, gewaschen, mit Tüchern abgerieben, dann — oft auf Fäden
gereiht — in siedendes Wasser getaucht, um sie abzutöten und bei gewöhnlicher
Temperatur oder bei künstlicher Warme getrocknet. Bisweilen findet sich auch die
Handelsware noch auf Fäden gereiht. Nur an der Luft getrocknete Knollen treiben,
da der Schleim reichlich Wasser zurückhält , leicht an feuchter Luft aus. In Kultur
werden die Knollen besonders in gutem Boden viel größer und schöner (Valta,
Beissenhirz) und es sollte daher der Anbau (Anzucht aus Samen) versucht werden.
Es dürfte sich lohnen, da die Handelsberichte fortgesetzt über schlechte Ernten
und geringe Zufuhren aus der Levante berichten, auch fehlt es dort oft an Trans-
portmitteln zu den Hafenplätzen. Die Bedingungen der Kultur müßten aber erst
studiert werden. Immerhin bildet die Pflanze aus dem Samen erst im dritten Jahre
brauchbare Knollen. Die Orchisixxien lieben kalkhaltigen Boden. Eine spontane Aus-
saat ist bei wildwachsenden oft beobachtet worden, da sehr zahlreiche kleine, leicht
verbreitbare Samen gebildet werden (s. oben).
Lit. Heldreich, Nutzpflanz. Griechenlands. Athen 1862. — Tchihatcheff, Asie mi-
neure Bot. II, 1860. — C. v. Scherzer, Smyrna, mit bes. Rucks, auf d. geograph., wirtschaftl.
u. intellektuell. Verhältn. Wien 1873 (auch Arch. ph. 53 [1874] 53). — (Anonym), Pharm. Post
1890, 22. — Schindler, Reis, im nordwestl. Persien 1880 — 82. Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. 18.
— Stolze und Andre.\s, Handelsverhältn. Persiens. Peterm.^nns Mitteil. Ergänzungsheft 77
(1885'). — AlTCHisoN, Some plants of Afghanistan and their medic. prod. Pharm. Journ. 17
(1886) 467 und Notes on prcducts of W. Afghanist. and N. E. Persia. — Lindley, Journ.
Linn. Soc. 1859. — Royle, Illustrations of the Botany of the Himalayan mountains 1839. —
Powell, Economic products of the Punjab 1868. — Stewart, Punjab plants 1869. — Holmes,
Catalog. p. 135.
Beschreibung der Droge. Die Droge besteht aus den durch Abreiben oft
von der äußeren Schicht, besonders dem Korke, befreiten, gebrühten und dadurch
homartig-hart gewordenen Tochterknollen, deren Form nach der Art wechselt
(s. oben S. 378). Neuerdings sind auch viel bandförmige im Handel. Der die Pflanze
tragende Mutterknollen kommt nicht in Betracht. Er schrumpft beim Trocknen zu-
sammen. Zugelassen sind (z. B. von Pharmac. helvet. IV) sowohl die europäischen
wie die vorderasiatischen, sowohl die kugeligen wie die länglich-eiförmigen und band-
förmig geteilten Knollen (s. oben). Im allgemeinen gibt man den kleineren Knollen
den Vorzug, doch läßt z. B. Pharm, helvet. IV noch solche von 4 cm Länge zu.
Die Knollen tragen an der Spitze eine Knospe, sowie bisweilen die Reste des «Stieles»,
mit dem sie an der Mutterpflanze befestigt waren (Fig. 132, JK). Nicht selten wird jedoch
bei dem Abreiben der Knollen das Knöspchen, das sich leicht ablöst, entfernt, so daß
dann der Knollen in der Handelsware an der Spitze eine Narbe bzw. eine kleine Mulde
zeigt. Das Knöspchen ist das Endknöspchen der Achse, in deren Gewebe die Neben-
wurzel ursprünglich entstanden war (A. Meyer, Fig. 132, H). Der deutsche Saiep ist
durchscheinend-gummiartig. Frische Knollen schmecken etwas bitter und haben einen
eigenen Spermageruch.
Anatomie. Der ausgewachsene Tochterknollen zeigt den typischen Bau unter-
irdischer ^peicherorgane: kleine zerstreute Bündel und reichlich entwickeltes Speicher-
parenchym. Er ist bedeckt von einer Epidermis, die oft noch Wurzelhaare trägt.
Tuber Salep.
381
Dann folgt eine sehr schmale Rindenschicht und dann eine verkorkte Endodermis
(A. Meyer). Diese Schichten pflegen bei der Droge zum Teil durch Abreiben ent-
fernt zu sein. Innerhalb der Endodermis liegt ein lockerer Kreis von etwa 30 (Meyer)
zarten, radialen, von einer Bündelscheide umgebenen, in der Droge oft stark zu-
sammengefallenen Gefäßbündeln und auch im Innern des Knollen finden wir solche.
Sie führen 2 — 4 zarte alternierende Gefäß- und Siebstränge (Abbild, bei Meyer).
Die schmalen Gefäße sind Spiral- und Netzleistengefäße. Mechanische Zellen fehlen.
Da jedes «Bündel» seine eigene Endodermis besitzt, die einen kleinen Kreis radialer
Gefäßbündel umschließt, so nehmen einige an, daß hier nicht eine Wurzel, sondern
ein Bündel miteinander verwachsener Wurzeln vorliegt. Das Speicherparenchym ist
stark entwickelt. Es besteht aus dünnwandigen Zellen, die bei den frischen Knollen
reichlich bis 35 mik große, eiförmige oder rundliche Stärkekörner enthalten (Fig. 133, St).
Fig. 133-
Querschnitt durch den gebrühten Salep.
Die großen Schleimzellen sind von Starkekleister enthaltenden Zellen umgeben. Links oben (St) eine Stärkezelle aus
dem ungebrühten Knollen, links unten eine Schleimzelle aus dem alten Knollen während der Entleerimg. [Tschirch.]
Größe und Gestalt der Stärkekörner variiert etwas nach der Art. Sie sind nach Vogl bei
O. militaris klein, unregelmäßig zusammengesetzt, bei O. Moria, variegata und pallens
einfach kugelig oder eirund, meist mit einer Kernhöhle versehen, bei O. maculata
verlängert und mit deutlichen Schichten versehen. Vogl gibt den Durchmesser auf
durchschnittlich 8 mik an. Bei der Droge findet sich aber in den Zellen infolge des
Brühens ein Kleisterballen (Fig. 133), der nur in den seltensten Fällen noch intakte
Körner erkennen läßt. Durch Jod färbt sich der Kleisterballen violett bis rotbräunlich,
die Stärke ist also zum Teil in Amylodextrin übergeführt. Eingebettet in dies Stärke-
parenchyrn finden sich zahlreiche, bis 700 (im Mittel 250 — 350) mik große Schleim-
zellen (LiNDLEYS «Knötchen»), meist einzeln, selten auch in übereinander stehenden
Reihen, die ziemlich regellos im Gewebe verteilt sind oder doch wenigstens nur um die
Bündel herum eine etwas regelmäßigere Anordnung zeigen. Meist trennt die Schleim-
zellen nur eine Reihe Stärkeparenchym (Fig. 133). Der Schleim wird durch Jod und
Jodschwefelsäure gelb (echter Schleim). Eosin färbt den Schleim junger Zellen gelbrot,
den alter Zellen rosa, welche Färbung stehen bleibt, wenn man kurze Zeit Alkohol auf
den Schnitt wirken läßt (Hartwich). Kongorot färbt orange (Heinricher). Hansteins
-.c , Schleinizellen.
Anilingemisch färbt nach schnellem Abspülen mit Alkohol rot. Rosolsäure in Sodalösung
orangerot (Hartwich). In der Handelsware enthalten die Schleimzellen der aus-
gewadiscnen Knollen nur selten noch Raphidenbündel von Calciumoxalat [Raspail
(Nouv. trait. syst. org. 1838) hielt die Kristalle für Calciumphosjjhat] — am meisten
noch die der Randschicht. Der Schleim entsteht im Inhalt. Die Schleimbildung be-
ginnt um (Hartwich) oder in der Nähe (Kohl) eines kleinen Raphidenbündels.
Dann erscheint er die Zwischenräume eines Plasmanetzes erfüllend und schließlich
erfüllt er das ganze Innere der Zelle. Nur selten sieht man an der fertigen Schleim-
zelle einen zentralen Hohlraum, oft ein feines regelmäßiges Plasmanetz an der Peri-
pherie der primären Wand anliegend, in dem sich dann auch wohl die bizarren Reste
des Zellkerns (Fig. 133, Ke) bemerklich machen (A. Meyer, Hartwich, Birger).
Kohl beschreibt die Sache so, daß im Zentrum in einer Plasmascheide das Kristall-
bündel liegt und dieses Zentralplasma mit dem Randplasma durch den Schleim
durchziehende Fäden verbunden ist. Beide sollen Netzstruktur zeigen (ähnlich
A. Meyer). Die Krislallnadeln werden meist, aber nicht immer aufgelöst (Fig. 133, Kr^).
In den jungen Schleimzellen liegen Stärkekörner, die aber mit fortschreitender Aus-
bildung des Schleimes zunächst in ihrer Substanz verändert (sie färben sich mit Jod erst
blau, dann violett, dann rot, endlich gar nicht mehr), dann aufgelöst werden. Sie liefern
das Material für die Schleimbildung. Schleim und Stärke sind Reservestoffe. Sie
werden aufgelöst, wenn die Knospe im Frühjahr austreibt (s. oben) — zueist die
Stärke, dann der Schleim. Noch lange findet man in dem schon fast entleerten
Knollen große korrodierte Schleimklumpen: die in Auflösung begriffenen Inhalte der
Schleimzellen (Fig. 133, a). Wenn bei dem Knollen das Knöspchen an der Spitze er-
halten ist, pflegen sich auch Reste des Stieles resp. der Tute vorzufinden, mit der
der Knollen an der Pflanze befestigt war und in der das Knöspchen steckte (Fig. 132, K).
Es kommt sogar vor, daß auch die Scheide, in der das junge Knöllchen ursprüng-
lich sich entwickelte (s. oben S. 376), lange erhalten bleibt und auch den fertigen
Knollen noch teilweise umgibt. Sowohl im Gewebe des Knöspchens als in dem der
Tute finden sich sehr zahlreiche, oft dicht beieinander liegende Zellen mit Raphiden-
bündeln. Über den primären Bau der Wurzel vgl. Holfert, Arch. Pharm. 1889.
Die Wurzeln enthalten eine endotrophe Mycorhiza.
Im Pulver der Salepknollen prävalieren die oft maschige Struktur zeigenden
Kleisterballen und deren Fragmente, die sich mit Jod violett färben, sowie die In-
halte der großen Schleimzellen oder deren Fragmente, die Jod gar nicht oder gelb bis
braunrot färbt und die oft noch das periphere Plasmanetz, seltener die zentrale Höhle
mit dem kleinen Raphidenbündel zeigen und Parenchymfetzen. Gefäßfragmente treten
auch im Chloralpräparat wenig hervor. Das Gleiche gilt von den Raphidenbündeln,
die den peripheren Schichten der Knollen und der Knospe entstammen. Nur halb
verkleisterte Stärke, wie sie Koch abbildet, habe ich niemals gesehen, auch intakte
Sfärkekörner sind höchst selten. Jede Verfälschung des Pulvers mit anderen Stärke-
mehlen (s. unten) ist daher leicht zu erkennen. «Legt man das Pulver in Weingeist,
so erscheinen die Schleimzellen als helle Schollen, läßt man dann Wasser zufließen,
so verwandeln sie sich in helle, runde Blasen» (Pharm, helv. IV).
Lit. Arthur Meyer, Drogenkunde (dort das Detail). — Berg, Anat. Atlas t. 23. —
VOGL, Kommentar (1908). — Karsten-Oltmanns, Pharmakognosie, Fig. 128 — 133. — Moeller,
Pharmakogn., Tig. 291 — 293. — IIartwich, Artikel Salep in Realenzyklop. d. Pharm. XI. —
DK Bary, Anatomie 146, 151 u. 377. — Johann E. Weiss, Anat. u. Phys. fleischig verdickt.
Tuber Salep. 383
"Würz. Flora 1880. — Prillieux, Ann. sc. nat. 4 (1865), 265. — LiNDLEY {Bern, über die Anat.
d. Ophryd. Würz.), Transact. Linn. Soc. V, 18, 423 (Arch. Pharm. 3g (1844), 178, Okens Isis.
1843, 449, älteste raikroskop. Unters, d. Salep). — Kohl, Unters, über d. Raphidenz. Bot.
Centralbl. 79 (1899), 273, Fig. 14 — 18.
Schleimzellen: Schmidt, Pflanzenschi. u. Bassorin Lieb. Ann. 1844, 41. — Lindley
a. a. O. — Behrens, Hilfsb. z. Ausf. mikr. Unters. S, 311. — Cramer, Pflanzenphys. Unters.
1855. — WiGAXD, Pringsh. Jahrb. III, 149. — KÜTZING, Grundz. d. philos. Bot. 1883, 194.
— Meyen, Sekrelionsorg. — Frank, Pringsh. Jahrb. V, 161. — Arth. Meyer, Knoll. d.
einheim. Orchideen. Arch. Pharm. 1886, 325 und Drogenkunde. — Hartwich, D. Schleimz. d.
Salepknollen. Arch. Pharm. 1890, 563 (m. Abbild.). • — Birger, Om tuber Salep Arkiv för Bot.
6 {1907) u. Bot. Centralbl. 105, 31. — Das Pulver ausführlich in Kochs Atlas II, t. 11. —
Anatom, d. Eulophia in Pharmacogr. indic.
Chemie. Dragendorff fand in Prozenten: Schleim (Arabin und Dextrin)
48,14, Stärke 27,30, Zellstoff 2,43, Zucker 1,21, Eiweiß und Albuminate 5,
Fett 0,44, AVeinsäure Spuren, Wasser 8,5, A.sche 2,1. Nygard gibt den Zucker-
gehalt auf I °/o an. Im Knollen von Orchis purpurea fand Harley im Mai 0,4 1 "!„
Saccharose und o,^\^\^ reduzierenden Zucker. Die Menge des Schleims variiert etwas.
Er ist schwer zu reinigen und hält hartnäckig Stickstoff und Asche zurück, i : 100 er-
hält man mit Saleppulver einen dicken Schleim, 2 : 100 eine Gallerte. Der Schleim
wird durch Jod rot und nach dem Eindampfen violett, da neben Schleim auch Amylo-
dextrin aus den Stärkezellen in Lösung geht. Er wird durch Bleiessig und Alkohol
gefällt, nicht durch Bleizucker. Magnesia und Borax verdicken ihn. Der Schleim färbt
sich mit Chlorzinkjod nicht blau und quillt in Kupferoxydammon ohne sich zu lösen
(A. Meyer). Er wird gefällt durch MgSO^, Na.,SO^, (NHJjSO.j, (NHJ^HPO^ (Pohl).
GiRAUD betrachtete den Salepschleim als ein Umwandlungsprodukt der Stärke und
zwar als ^eine in Wasser schwellende Varietät des Dextrins». Schmidt nennt den
Schleim Salep bassorin , gibt an, daß er mit verd. Schwefelsäure Gummi und Zucker
liefere, bei gleichzeitiger Abscheidung von Zellulose und fand ihn zusammengesetzt
= 47,20 — 47,28''|q C und 5,94 — b,\o^\^ H. Er hielt ihn für ein Übergangs-
produkt vom Gummi zur Zellulose, Frank für eine Modifikation der Zellulose. Aus
dem Salepschleim .wird durch Zusatz von Salzlösung und nachher festem Salz zu-
nächst ein schwerer löslicher, die Gallertebildung des Schleims bedingender Körper
(«-Schleim) und dann erst ein gummiartiger /J-Schleim gefällt (Pohl). Im deutschen
Salep ist a-Schleim nicht vorhanden. Mit Salpetersäure gibt Salepschleim Oxalsäure
und keine Schleimsäure. Bei der Hydrolyse liefert er neben Dextrin Mannose und
Glukose aber keine Galaktose oder Arabinose, Furfurol entsteht nicht (Gans und
Tollens). Dabei wird Zellulose abgeschieden (Tollens). Daß Dextrose vorhanden
schlössen Gans und Tollens daraus, daß sich bei der Oxydation Zuckersäure
bildet, «so daß er zur Stärkereihe gerechnet werden könnte» (Tollens). (Sie erhielten
aber auch ein Glukosazon.) Bei der vollständigen Hydrolyse liefert der Salepschleim
ausschließlich Mannose (Hilger), die unvollständige liefert zunächst ein Manno-
tetrasaccharid und eine Mannobiose. Der Salepschleim enthält also ein Mannan-
Bei der Oxydation mit HjOj entsteht neben Formaldehyd, Ameisensäure und Kohlen-
säure d-Mannozuckersäure und d-Triox^-glutarsäure. Hauke fand meist 1,5 — 2,5 "^g
Asche. Obere Grenzahl 3 '*/(, (Niederländ, Pharmakop.: 1,5 minim., 4 "|„ max.). Die
Asche enthält viel Phosphate. Frische Knollen enthalten ein flüchtiges Öl, das von
Mathieu de Do-MB.^ste durch Destillation isoliert wurde. Beim Trocknen der frischen
Knollen < entwickelt sich ein feiner an Cumarin erinnernder Wohlgeruch» (Flückiger).
3^4
öchleimzellen.
Lit. Altere Untersuchungen von Bf.rzelius, Caventou, Guillemin, Guibourt, Raspail,
Payen, Linley. — GiRAUD, L'Union pharm. i6, 249. — Schmidt, Lieb. Ann. 51, 29. —
Dragendorff, Pharm. Z. f. Rußl. 1865, 145. — H.^rley, Thfese. Paris 1905. — FlOckiger,
Pharmakogn. — Gans u. Tollens, Ber. d. d. ehem. Ges. 21 {1888I, 1806 und 2150, Lieb. Ann.
249, 256. — Tollens, Kohlenhydrate. — E. Fischer u. Hirschberger, Ber. d. d. ehem.
Ges. 21, 1805 u. 22, 365. — Pohl, Zeitschr. phys. Chem. 14, 150. — Hilger, Ber. d. d.
ehem. Ges. 36 (1903), 319S. — Thamm, Salepschleim, Diss. München 1903.
Anwendung. Salep dient, da ein Mucilaginosum, als reizmildemdes und ein-
hüllendes Mittel bei Diarrhöen und Darmkatarrhen besonders der Kinder. Als Muci-
lago, Dekokt, Gallerte, Mixtura Salep, auch äußerlich zu Klystieren oder deckendes
Mittel (Unnas Salepbassorinfirniß). Salep gilt auch als Nährmittel und wird auch z. B.
in der Form der chocolat analeptique au salep mit Milch, Bouillon und Wein angewendet.
Die, wie es scheint, durch nichts begründete Ansicht des Volkes, daß die Orchis-
knollen Aphrodisiaca seien, beruht auf der Signatura (Hodenform, Spermageruch).
Anrühren des Saleppulvers mit Alkohol erleichtert die Erzielung klümpchenfreien
Schleims. Den besten Salepschleim erhält man (nach Fromme) weder mit feinem
noch mit mittelfeinera Saleppulver, sondern mit der Griesform (Sieb 5). Ähnliches
beobachteten schon Fenner und Winckler (1843). Zuckerzusatz konserviert den
Schleim (Vulpius). In Indien wird Salep viel für Süßigkeiten benutzt. Die Orientalen
bereiten aus dem Salep ein Getränk, das an Stelle von Tee im Winter in großen
Mengen genossen wird (Gehe, Handelsber. 1896). Salepdekokt mit Honig gemischt
wird in der Türkei und Griechenland als erfrischender Frühtrunk genossen (Held-
reich). Aber auch zur Speiseeis-Bereitung dient dort der Salep. Mit Gewürz und Wein
gibt das Dekokt ein angenehmes Krankengetränk. Salep dient auch als Klebemittel,
zur Appretur statt Gummi arabicum. Nach Ainslie soll Salep Salzwasser seines Salz-
geschmackes berauben.
Verfälschungen. Als Verwechslung werden die Bulbotubera von Colchicum
angegeben, die aber entweder in weißen Querscheiben oder mit dem braunen Nieder-
blatt umgeben im Handel sind, auch eine seitliche Rinne haben, also ganz anders
aussehen. Immerhin kommen Salepknollen bisweilen vor, die eine seitliche Rinne be-
sitzen (Hockauf). Die anatomische Untersuchung läßt die Beimengung sofort er-
kennen. Die Stärke ist bei Colchicum niemals verkleistert. Als die Einsammlung des
deutschen Salep in den fünfziger Jahren des XIX. Jahrh. in der Rhön und im
Westerwald in Blüte stand und im Jahr bis 14000 Pfund der Droge nach Frankfurt
kamen, beobachtete Mettenheimer nicht nur Beimengung geschälter Cb/(r/;/ir«»zknollen,
sondern einmal bestand die ganze als «weißer Salep» angebotene Masse aus diesen
Knollen. In Indien fanden sich vor einiger Zeit unter dem Namen banawati salap
oder salam künstliche Salepknollen aus Gummi und Kartoffelstärke. Hockauf fand
in einem Salepknollen ein Steinchen, das der wachsende Knollen eingeschlossen hatte.
Das Saleppulver wird oft mit Stärke, z. B. Weizenstärke (Hartwich), verfälscht an-
getroffen.
Lit. Mettenheimer, N. Jahrb. f. prakt. Pharm. II, 165. — Hockauf, Ein interessant.
Salepknollen. Pharm. Centralh. 1905, 83.
Geschichte. Der Unterschied zwischen den beiden Knollen war schon den Alten auf-
gefallen und sie schrieben ihnen eine verschiedene Wirkung zu. Theophrast sagt, der größere
vermehre die facultas coeundi, der kleinere vermindere sie. Dioskurides sagt, daß der größere
Knollen vom Manne verzehrt, die Geburt von Knaben bewirke, der kleinere , von der Frau
genossen, die Geburt von Mädchen, und erwähnt, Idaß in Thessalien die Frauen den zarteren
vollsaftigen (bei Plinius den größeren, härteren] Knollen als Aphrodisiacum, den festeren
Tuber Salep.
385
AI
trockenen (bei Plinius den kleineren weicheren) als Antiaphrodisiacum benutzen. Die in dem von
der Form hergenommenen Namen opZ'S ^""^ Ausdruck kommende Beziehung zu den Geschlechts-
organen und die entsprechende Verwendung zeigt, daß hier den Alten wie in so manchen Fällen
eine Signatura (vgl. I, S. 886) vorschwebte. Auch der eigenartige Geruch frischer Knollen mag
hier wegleitend gewesen sein. Dio.skurides unterscheidet f"p/'? («• xvvoq), 6. tTSQOg (Serapias),
oaTVQiov und ö^(7M/(, Feuchtigkeit und 23,08 (19,14) °|o lösliche Substanz.
Gerstner in Kutera i4''|o HgO, 44,6*1,) Bassorin, 27,5 — 30 "/o lösliches Gummi,
3,2—40/0 Asche.
Nach Williams beträgt die Gesamtkaliabsorption 11,05 — iIjQS, das Verseifungs-
äquivalent 468 — 508, Kali zur Neutralisation der freien Säure 0,14, Jodabsorption
keine bzw. 0,16, Verlust bei 100° 13,52 — 16,86, Asche 2,64 — 2,69. Traganthschleim
läßt sich mit Ammonsulfat aussalzen (Pohl).
Traganth gilt als der typische Vertreter der sog. Bassorin-Gummis, d. h.
der mit Wasser nur quellenden, sich nicht darin lösenden. Bassorin gibt mit Sal-
petersäure 22,5 o|g Schleimsäure (Guerin-Varry). Es wird mit Alkalien dünnflüssig
(Fremy). Zuerst Guerin nannte den Schleimstofif des Traganth Bassorin, Guibourt
Adragantin, Pereira nennt den löslichen Teil Tragacanthin oder Adragantin, den
unlöslichen Bassorin. Nach Giraud enthält Traganth 60 "/g «compose pectique»,
(Adragantin, Pektose), 8 — lo^/g lösliches Gummi, ^°Iq Zellulose, 2 — 3 "jg Stärke, ^"'jg
Asche, c. 200(0 Wasser und Spuren von stickstoffhaltigen Substanzen. Das Adragan-
tin enthielt 40,6 "J^ C, 5,350/0 H und 53,8 o/^ O. Nach Guibourt enthält das Tra-
ganth weder Arabin noch Bassorin, sondern ist eine organisierte gallertige Materie
sui generis. Auch Giraud meint, daß Traganth nicht, wie Guerin-Varry angibt,
aus Arabin und Bassorin, sondern hauptsächlich aus einer pektinartigen Substanz
(Pektose Fremy) bestehe, der 7 — loO/g lösliches Gummi beigemengt ist. Verdünnte
Mineralsäuren bilden Glukose und Pektin, Alkalien und alkal. Erden Pektin, Pektin-
säure und Metapektinsäure. Alkal. Erden bilden Niederschläge, die bei schwachem
Erwärmen hart und eigelb werden (Girauds Nachweis von Traganth). Schmidt fand
AQQ Guninio-Menihranindrogcn,
in rohem Traganth 45.'^3 "i'o C und 0 »/^ H, in reinem Traganth 45,10 — 45,33 "/o C
und 6,16 — 6,2-''|o H. Traganth soll der Formel C24H4(,02o entsprechen. Hilger und
Dreyfus formulieren jedoch: (CjiH2oOio)„. Sie fanden 42,4 "/o C und 6,5 "jg H. Das
das Traganth vorwiegend bildende Polysaccharid nennen auch Hilger und Dreyfus
Bassorin. Es reduziert weder Soldainis Reagens noch FEHLiNGsche Lösung, wohl
aber ammoniakalische Silberlösung beim Kochen. Kalte 30 — 40 "[q Alkalilauge führt das
Bassorin in Oxybassorin: (CnH2|,0]o)20 über, welches rechts dreht, Soldainis Reagens
und FEHLiNGsche Lösung reduziert und mit den Metallen unlösliche Verbindungen
bildet. Wird T. in Stücken mit kaltem Wasser maceriert, so erhält man bisweilen ein
Filtrat, in dem Alkohol, in geringer Menge zugesetzt, weiße Flocken abscheidet (Maisch).
Auch Bleizucker scheidet zunächst eine Gallerte ab, erst später entsteht ein Nieder-
schlag. Die Ansicht, daß der lösliche Teil des Traganths Arabin bzw. Arabinsäure sei
(Sandersleben), ist nicht richtig (Fremy, Pohl). T. enthält kein Arabin (Dreyfus).
Es ist neutral und wird durch Borax, Eisenchlorid und Wasserglas nicht gefällt. Blei-
essig und Bleiacetat geben eine Gallerte, die beim Erwärmen sich trübt und dann
einen Niederschlag bildet. Mit Salpetersäure gibt Traganth Oxalsäure, Wein-
säure, Zuckersäure und besonders Schleimsäure (Giraud). Die Menge der er-
haltenen Schleimsäure wechselt. Tollens erhielt nur sehr kleine Mengen, Dreyfus
11,5 — 17 «/o, Giraud 20%.
Die Hydrolyse lieferte Giraud ( i 87 ö) einen reduzierenden Zucker. Auch Schmidt
erhielt bei der Hydroh'se gärungsfähigen Zucker und ein Gummi, das mit dem aus
Salep identisch war. Nach Sandersleben ensteht neben viel Sirup kristallisierbare Ara-
binose. Bei der Hydrolyse verschiedener Traganthsorten erhielten in neuerer Zeit
WiDTSOE und Tollens Pentosen, aus einigen Sorten Arabinose, aus anderen
Xylose, aus allen Fukose (Methylpentose, s. S. 299) und (in geringer Menge) Glu-
kose und (wechselnde Mengen) Galaktose. Einige Traganthsorten enthalten 38,1
5i,8''/p Xylan (Tollens und Widtsoe). Möglicherweise bildet also entweder ein
Galakto-Xylan oder ein Galakto- Araban den wichtigsten Bestandteil der Traganthe,
denn das Traganth enthält (s. oben) auch oft beträchtliche Mengen eines bei der Oxy-
dation Schleimsäure liefernden Bestandteils (Guerin-Varry, Ogle, Pohl) — der
Galaktosegehalt beträgt oft 15 — 2 1,5 "j,, (Dreyfus). Die Hydrolyse gewisser Traganth-
sorten soll ähnlich wie beim Gummi arabic. (s. d.) verlaufen. Als Hauplprodukt der
Hydrolyse des wasserlöslichen Anteils entsteht zunächst eine linksdrehende Polyaraban-
Trigalaktan-Geddinsäure (i i CjoH, gOg . 3 CjjHjoOjo . C23H3ß02o • HjO), die bei
weiterer Hydrolyse 72 "Jq Arabinose und etwas Galaktose liefert (O'Sullivan). Das
Bassorin einiger Tragantharten gibt mit überschüssigem Alkali die «- und /3-Tra-
ganthan-Xy lan-Bassorinsäure. Die «-Säure (C24H3402i).H20) ist in kaltem Wasser
löslich, dreht rechts ([«]d = + 138,6") und zerfällt bei der Hydrolyse mit verd.
Schwefelsäure in Traganthose (eine linksdrehende Pentose, Fukose?) und Xylan-
Bassorinsäure: Cj;|H2gOj7, die fast unlöslich in kaltem Wasser ist, rechts dreht
und bei weiterer Hydrolyse in Xylose und Bassorinsäure (Ci^HjoOjj) zerfällt,
eine Substanz, die in kaltem Wasser unlöslich ist und in alkalischer Lösung stark
rechts dreht ([«Jd = + 225"). Die in kaltem Wasser nicht lösliche j3-Säure gibt
ähnliche Hydrolysierungsprodukte (O'Sullivan).
Ich kann aus den Publikationen meist nicht klar ersehen, ob besonders die
in allen Traganthen enthaltene Stärke, die primären Zellulosemembranen und die
übrigen Beimengungen vor der Untersuchung des Schleims abgetrennt worden waren.
Traganth. 4OI
Meist scheint dies nicht geschehen zu sein. Denn Traganth enthält ja auch Stärke
(c. 3 "lo Dreyfus, 2,3 "/q Giraud, aber in einigen Sorten viel mehr, Tschirch),
Zellulose (die Reste der primären Membran, c. 4 "/(,), kleine Mengen stickstoff-
haltiger Körper (Tschirch),D ex trin und Invertzucker, sowie etwas Chlorkalium
(Dreyfus). Die Stärkemenge im Traganth ist gering. Filtriert man daher einen kalt
bereiteten Traganthschleim nach Verdünnung mit Wasser, so färbt sich der Filterrück-
stand mit Jod nicht schwarzblau, da die Stärkekörnchen in große Mengen unlös-
lichen Schleim eingebettet sind (doch sieht man bei Betrachtung mit dem Mikroskop
die schwarzblau gefärbten Kömchen). Besser gelingt die Jodprobe, wenn man zu dem
Traganthschleim direkt Jod zusetzt. Die suspendierten Teilchen färben sich alsdann
blaugrau und nach dem Filtrieren erhält man einen blaugrauen Rückstand auf dem
Filter und ein farbloses Filtrat. Die meisten Traganthsorten werden durch Natron-
lauge nicht in der Kälte, sondern erst bei gelindem Erwärmen gelb. Der diese Fär-
bung bedingende Körper ist nicht derselbe, der die geringeren Sorten gelb färbt;
denn auch, wenn man diesen mit 91 "/q Alkohol entfernt, tritt trotzdem die Gelb-
färbung mit NaOH ein (Reuter). Durch Alkohol wird den schlechtesten gelben
Sorten ein Substanzgemenge entzogen, das ein Fett, einen Bitterstoff und einen
Zucker enthält (Reuter). Wurmtraganth liefert nach Ludwig 4,234''|q weingeistiges
Extrakt (mit Spuren Zucker), Blättertraganth 1,557 "/o (zuckerfrei). T. gibt beim Er-
hitzen mit KOH die Pyrrolreaktion (Rotfärbung des mit HCl befeuchteten Fichten-
spans) und die Dämpfe färben Lackmus blau, gibt aber nicht die O.xydasereaktion
(Tschirch und Stevens), enthält also im Gegensatz zu den Gummis und ent-
sprechend seiner ganz anderen Bildungsweise keine Oxydase. Guajakharzlösung
wird direkt auch nach 3 Stunden nicht gebläut (erst nach 10 Stunden tritt geringe
Bläuung ein, Runne).
Ludwig gibt den Wassergehalt auf 16, 2"!^ (Blättertraganth) bis 16,5 "/g
(Wurmtraganth), Hilger und Dreyfus auf 9,42 — i5,4*'|q, Peters (im feinem Pulver)
zu 13,7 — 14,98 "/q. Wiesner zu ii — 17 "jo an. Nach Hilger und Dreyfus soll
die Farbe der verschiedenen Sorten wesentlich durch verschiedenen Wassergehalt
bedingt sein (?) und die wasserreichsten besten Sorten auch die meiste Asche ent-
halten. Fadentraganth enthielt 3,1 — 3,57 "jo Asche (Löwenthal und Hausmann,
Hilger und Dreyfus). In anderen Sorten wurde gefunden 3,16 "/o (Flükiger),
2,89 — 2,950/0 (Röder), 2,68—2,850/0 (Dreyfus), 2,42—2,570/0 (Peters), i,75''/o
(Schmidt) (s. auch oben), obere Grenze 3,50/0 (Pharm, helv. IV). In der Asche
findet sich mehr Kalk als in der aller anderen Gummis: 76,3 o/g CaCOg, aber
relativ wenig Kali (11,90/0 K2CO3) und Magnesia (8,890/0 MgCOg), sowie 4,74 o|„
Calciumphosphat (Rideal und Youle).
Lit. Vauqdklin, Ann. de chim. 54, 312. Bull. d. pharm. 3, 56. — BucHOLZ in
Gmelins Handb. II, 779. — Guerin-V-\RRY, Ann. chim. phys. (2) 49 (1832) 248 und 51, 522
und Journ. chim. med. 7, 742. — Fremy, Joum. pharm. (3) 37, 81. Jahresb. d. Cham. 1860,
504. — H. Ludwig, Pharmakogn. Beitr. (Gummi) Arch. Pharm. 132 (1855), 33. — Frank,
Cham. Centralbl. 1865, 902. — Hermann in Pereiras Handbuch. — Giraud, Etud. comp,
d. gommes et d. mucilages. Journ. pharm, chim. 1875, 485, 1876, 462. Compt. rend. 80, 477
u. l'Union pharm. 16, 249. — Pohl, Zeitschr. phys. Chem. 14, 156. — v. Sandersleben in
Sachssks Phytochem. Unters. 1880. — Schmidt, Über Pflanzenschleim und Bassorin. Lieb.
Ann. 51, 29. — Gerstner inVALENTA, Klebe- u. Verdickungsm. 1884. — Williams. Chem.
Naws 1888, 224. — Ogle, Pharm. Journ. 20, 1889,3, Chem. Zeit. 13, R. 224, Arch. Ph. 1889,
905. — O'SüLLlVAN, Proc. Chem. Soc. 17 (1901), 156 (Chem. Zeit. 25, 569, Chem. Drugg. 1901).
— Maisch, Am. journ. pharm. 18S9, 72. — Tollens und Widtsoe, Bar. d. chem. Ges. i;^,
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 26
.Q , Guninio-Membranindrogen.
132. — HiLGER, Naturforschervers. München 1899. — HiLGER und Dreyfus, Ber. d. d. ehem.
Ges. 33 (1900). — DREYrrs, Dissert. München 1900. — L. Reuter, Apoth. Zeit. 1890, 644.
— TscHlRCH, Gummasen. Pharm. Centralh. 1905, 504. — Aschenanalysen: Rideax und Yoüle,
Chem. Drugg. 1891, 788. — Phil. Röder, Pharm. Post 1906, 298. — Peteks, Apoth. Zeit.
1909, S. 538. — Löwenthal und Hausmann, Lieb. Ann. 89, 112. — La Wall, Amer. journ.
pharm. 1897, 141. — Asche, Löslichkeit, Wassergehalt: E. Masing, Vgl. Unters, d. wichtigst.
Handelss. d. Traganth u. sein. Surrogate. Arch. Ph. 1880, 41.
Physikalische Eigenschaften. Traganth zeigt Doppelbrechung (Wiesner).
Im Polarisationsmikroskop treten bei gekreuzten Nikols Polarisationsfarben hervor. Die
Frage, ob diese Anisotropie auf Zusammensetzung der Substanz aus anisotropen Mi-
cellen beruht (Schwendener), oder durch Zug und Druck zustande kommt (v. Ebner,
Wiesner), wird von Ajibronn im erstgenannten Sinne beantwortet. «Die optischen
Eigenschaften des Traganth im gequollenen Zustande sind auf das Vorhandensein
optisch und räumlich anisotroper Micellen zurückzuführen», sagt Ambronn, doch be-
obachtete Ebner, daß trockenes Traganth sich wie Glas verhält, d. h. durch Zug positiv,
durch Druck negativ doppelbrechend wird; umgekehrt verhält sich gequollenes Traganth.
Bei trockenen Traganthfäden ist das Elastizitätsellipsoid quergestellt (Schwendener).
Das spez. Gew. des Traganth beträgt 1,384 (Watts Dict. und Enc. britt.). Es
ist schwer genau zu bestimmen, da wenigstens die Blätter oft Luft einschließen.
Mit Wasser Übergossen quillt Traganth stark auf; gepulvert liefert es mit dem
50 fachen Wasser einen trüben schlüpfrigen, geschmack- und geruchlosen Schleim.
Mit dem 2 00 fachen Wasser häufig geschüttelt, zerfällt Traganth erst nach Wochen
zu einem gleichmäßigen, trüben Schleim, der sich nur sehr langsam klärt (Flückiger).
Pohl hält den Traganth für löslich in Wasser, allerdings für sehr schwer löslich
(i : 1000). Dreyfus fand dagegen in Fadentraganth nur 0,06 '*|q wasserlösliche Be-
standteile, Flückiger erhielt 0,47, Maiden 7,7, Gifaud 8,100/0; andere Sorten
scheinen aber bis 50 "l^ und mehr (Bucholz, Guerin-Varry) Lösliches zu enthalten.
Traganth verhält sich im allgemeinen wie ein Kolloid. Traganthlösung gibt
keinen osmotischen Druck, aber es konnte nur eine sehr verdünnte Lösung benutzt
werden (Moor und Row). Eine des Traganth i : 1000 läßt sich filtrieren.
Der wasserlösliche Anteil des Traganth zeigte Flückiger im Polarisationsapparat keine
Drehung. Die unter Zusatz \-on Ammoniak, das die Löslichkeit erhöht, hergestellte
Lösung (Flückiger) des Traganth drehte rechts. In Chloralhydrat löst sich Traganth,
aber es bleibt eine wolkige Trübung in der Flüssigkeit, die wohl von den Zellulose-
häuten herrührt (Wiesner). Die schön gelb gefärbte Lösung in verdünntem KOH
bleibt auch nach Zusatz einer Säure klar, erst auf Zusatz von Alkohol entsteht eine
Fällung. Diese besitzt keine sauren Eigenschaften. Traganth bleibt auf 100" erwärmt
hell und zeigt auch dann keine Risse.
Traganth ist weicher als Akazien- und Kirschgummi, zähe und homartig,
schneidbar. Der Bruch ist eben. Die helle weiße Farbe der besten Sorten wird be-
sonders durch reichlich eingeschlossene Luft bedingt. Die luftarmen Sorten erscheinen
glänzend und gefärbt, die hellen matt. Traganth ist stets geruchlos.
Lit. Wiesner, Gummi u. Harze 1869 und Rohstoffe. — Schwendener, Sitzungsb. d.
Berl. Akad. 1889 u. 1890. — v. Ebner, Unters, über d. Urs. d. Anisotropie organ. Subst.
1882 u. Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1888. — Ambronn, Ber. d. d. Bot. Ges. 7 (1889), 103.
— Moor and Row, Bloch, journ. 2, 34. — Pohl a. a. O. — Dreyfus a. a. O.
Verfälschungen. Die guten Traganthsorten sind leicht kenntlich und mit nichts
anderem zu verwechseln. Bei den schlechteren kommen Vermischungen oder Sub-
Traganth. 403
stitutionen mit falschen Traganthen und (s. d.) und anderen Gummis vor; die von
Klenke erwähnten, aus Mehl, Brot oder Kleister und Gummi geformten «künstlichen»
Traganthe habe ich nicht gesehen. Der «Traganthersatz» von Carl Boschan
besteht aus: Stärke 20, Leim 6, Glyzerin 2, mit Wasser erhitzt. Neuerdings (1909)
wurde T. mit indischem Gummi von Sterculia urens Roxb. und Cochlospermum Gossv-
pmm De. verfälscht gefunden (Scoville). Traganth muß geruch- und geschmacklos
sein. (1905 [Francis] und 1907 [Stoepel] waren bitterein Handel). Das Bombax-
gummi ist adstringierend. Mit Gummi ambic. vermischtes Traganth gibt dünnere
Schleime als reines Traganth in entsprechender Konzentration (White).
Die Unterschiede zwischen StercuUagiimnii unA echtem T. beschrieb M.mden: Mit kaltem
Wasser bleibt Sterculiagummi farblos und bildet eine körnige Gallerte, wenig oder gar nicht
Idebrig. Traganth opaleszierend, weiche, zähe klebrige Masse. Beim Kochen in verdünntem
Alkali ist Sterculiagummi unlöslich. Traganth löst sich fast ganz. Bei Behandlung mit Natron-
hydrat und Erwärmen zeigt Sterculiagummi keine Farbenänderung. Traganth bekommt eine
kanariengelbe Farbe, die beim Abkühlen verblaßt. Beim Kochen mit verdünnter Säure ist Ster-
€uliagtimmi löslich, bildet Arabin; Traganth löslich, bildet Pektin (Giraud). Fügt man obiger
Flüssigkeit Alkohol hinzu, so bildet Sterctiliagummi einen weißen Niederschlag, Traganth eine
eiweißähnliche Masse. Das spez. Gew. beträgt bei dem Sterculiagummi über 1,4, der Aschen-
gehalt ist ziemlich hoch: 5,83 »/„ (St. urens), 7,87(, (St. Tragac.),8,i<)'>/„ {St.tfiverst/ol.), g'/^iSt.
rupestris). Stärke enthalten die Sterculiagummis nicht.
Hanbury beobachtete 1855 Bleiweiß als «Schönungsmittel» von Traganth.
Auch Kick und Gintl berichten bei minderwertigen Sorten von «Bestreichen mit
Bleiwasser», um die gefärbten Sorten den weißen ähnlicher zu machen (?).
Im Pulver ist fremde Stärke (Mais- und Weizenstärke, 1906 Ohliger),
getrockneter und gemahlener Stärkekleister (Kick und Gintl), Dextrin
(1905 in Amerika) und Gummi arabicum beobachtet worden. Fremde Stärke und
Stärkekleister sind durch das Mikroskop leicht nachzuweisen, ebenso Dextrin (vgl.
S. 200, Fig. 73). Die Schollen von etwa beigemengtem Gummi arabicum lösen sich
rasch in Wasser. Caesar und Loretz (Jahresber. 1 9 1 o, 121) weisen beigemengtes
Gummi arabicum durch die Oxydasereaktion des letzteren (mit Guajacol-Wasserstoffper-
oxyd) nach. Die Methode rührt von Payet her. Es ist aber eine seit langem bekannte
Erscheinung, dass Guajacharz und Guajactinktur wohl durch (mit kaltem Wasser be-
reiteten) Gummischleim, nicht aber durch Traganthschleim gebläut wird (Berg, Pharma-
kogn. 1869) und die Guajactinktur ist schon von Planche zur Unterscheidung der
beiden empfohlen worden. Auch Runne bezeichnet sie als das geeigneteste Reagens zum
Nachweise von Gummi arab. im Traganth. Weniger eignen sich Benzidin- Wasserstoff-
peroxyd-Essigsäure und ß-Naphthylamin. Auch der Lmstand, daß Gummi arabicum
mit Pyrogallol Purpurogallol liefert, Traganth nicht, ist zur Erkennung eines Gummi-
zusatzes benutzt worden (Flückiger). Traganth bräunt sich nur mit Pyrogallol. Indisches
Gummi (s. oben), das auch im Pulver beobachtet wurde (1909), läßt sich folgender-
maßen nachweisen. Setzt man zu einem Schleime (2 auf 100) 2,0 Borax und läßt
über Nacht stehen, so wird die Mischung nach 24 Stunden klebrig und fadenziehend,
wenn mehr als s^/j indisches Gummi beigemischt wurde (Scoville). 2,0 Traganth
geben, wenn rein, mit 5,0 Wasser einen Teig, der beim Drücken nur wenig an den
Fingern klebt (Hager) und der FEHLiNGsche Lösung nicht merklich reduziert.
Lit. Scoville, Pharm. Journ. 28 (1909), 493. — Stoepel, Apoth. Zeit. 1907, 1064. —
Francis, Bull. Pharm. Detroit 1905. — White, Pharm. Journ. 1905, 133. — Payet, Rep. de
Pharm. 1904, 301 (Ann. chim. anal. 1905). — RuNNE, Z. Prüfung des Traganths. Apoth. Zeit.
26*
AQA Gumnio-Membranindrogen.
1909, 3S9. — OhliGKK, Proc. Micliig. Pharm. Assoc. J906, 48 und Peint, Oil and Drug. Rep.
1905. — Maiden, Amer. journ. pharm. 1890. ■ — Kick und Gintl, Techn. Wörterbuch IX
(l888), 567. — FrÜCKiGER, Pharmakogn. — Wiesner, Rohstoffe. — Hanbury, Science pa-
pers, p. 117.
Anwendung. In der Pharmazie spielen jetzt (1910) die besten syrischen und
persischen Sorten die Hauptrolle. Die schlechteren anatolischen Sorten werden be-
sonders für technische Zwecke benutzt (Caesar und Loretz). Traganth dient als
Bindemittel bei Herstellung von Pillen, Stäbchen, Pastillen, Dagees, Räucherkerzen,
Sprengkohle. (Mit Traganth angestoßene Pillen werden rasch steinhart, wenn nicht
Glycerin zugesetzt wurde.) Dann als Stypticum (als Klystier), zu U>ig/. glyceiini, zu
Emulsionen als Ersatz des Gummis. ( i Teil Traganth besitzt die Bindekraft von 1 2
bis 15 Teilen Gummi arabicum.) Böhm empfahl (1850) für den Schleim ein Gemisch
von Traganth und Zucker. Man kann unlösliche Pulver mit Traganth in Suspension
halten. Traganth wird auch zur Appretur von Kattunen, Seidenwaren und Spitzen,
zur Herstellung von Dainpffarben im Zeugdruck und in der Zuckerbäckerei ver-
wendet. Es klebt nicht, bindet aber, wenn eingetrocknet, stark. Es läßt sich schwer
pulvern, am besten, nachdem es zuvor bei 40 — 60" getrocknet ist. Man bewahrt Tra-
ganth am besten in mit weißem Papier ausgeklebten Holzkästen mit dicht schließen-
den Deckeln auf. Es zieht leicht Staub an und wird dann grau.
Manna liefert außer den S. 136 genannten Astragabis-!a\.tTi auch A. chartostegms B.
et H. Ob Kunjudy-Gummi, Ansarut, Gujar und Sarcocolla von Astraga/nsaiten kommen, ist
noch unsicher (Sarcocolla wird auch von Panaea miicronata abgeleitet). Die Samen einiger
Astragalusarien {A. baetmis L. — schwedischer Kontinentalkaffee, Stragel-K., A. excapus im
Kanton Wallis, Hartwich) dienen als Kaffeesurrogate. Die Blätter und Samen von A. glycy-
phyllos L. {Herb, et seinen Glycyrrhizae silvestris) sind als Diureticum und Purgans in Anwen-
dung (Planchon). Weitere in Dragendorff, Heilpflanzen.
Geschichte. Die Tpaydxav&a des Theophrast [nach Sprengel, Sibthorp und Fraas
= Astragahis arütatus l'Herit und A. creticus Lmk. {A. echinoides WiLLD.)] wird als nicht
nur auf Kreta, sondern auch in Achaia, dem Peloponnes und in Asien (Medien) vorkommend
beschrieben — «truncis ramisque inhaerent lacrimae». Der Austritt des Gummis soll spontan
erfolgen. Astragaltts ist bei Theophrast und and. eine andere, (nach Koch) nicht bestimmbare
Pflanze. Der Astragalus des Galen soll A. excapus oder Orobtts sessilzfolms gewesen sein. Bei
DioSKüRiDES (III, 20), der ja in Kleinasien lebte, bedeutet XQayäxav&a sowohl die Wurzel der
dornigen AstragaltissWaxichet wie das Gummi-Traganth. Er vergleicht die klebende Kraft des
letzteren mit dem Gummi und nennt einige Krankheiten, bei denen es benutzt wird (z. B.
Husten). Er beschreibt die Pflanze korrekt. Unklar drückt sich Plinius (XIII, 36) nhex Tragion
und Tragacanthe aus. Die Pflanze nennt er Spina alta. Bei CelsüS (I, S. 588) steht Tragacantha,
ebenso bei Oribasius, Aetius und PAtttUs Aegineta. Bei Vegetius Renatus (c. 400 n. Chr.)
steht dragantum. Auch IstaChri (I, S. 606) und Constantinus Afrikanus (1,8.633) kennen T.
Ebenso hat Galen: tragacantha (die Pflanze: SäxQvov], Scribonius Largus unterscheidet die
Präparate tragacanthuni albmn (mit Alaun abgeriebener T.) und candidum. Tracantha steht im
Kitäb as-sagar (X. Jahrb.), bei Masih, Ibn Sina u. and. Haji Zein (1368) beschreibt den Ge-
brauch des Katira, das Gummi des katad genannten Baumes. Der Perser Burhan nennt den
arabischen Kamen für den Baum: miswak el abbas. Der Autor des Makhzan el Ad wija erwähnt
den persischen Namen kon. Die Gelehrten der Schule von Salerno bereiteten ein Diatragacan-
thutn frigidum und ein D. calidum, «An einer Stelle der sog. Bible des GuiOT VON Provins,
wo dieser Dichter seine Satyre ausgießt über die teuren Arzneien, welche die Ärzte von Mont-
pellier verschreiben, ist auch ein Trank des Namens diadragum erwähnt» (Heyd), Diadraga-
gantum wurde als kühlendes Mittel verwendet. Im Mittelalter wurde T. auch bei der Auftragung des
Azurblaus und der Vergoldung benutzt (Heyd). 1305 war T. zollpflichtiger Einfuhrartikel in
Pisa (FlüCkiger). Zur Zeit des Pegolotti (I, S. 702) kam Dragaiiti (chitirra) von Romania
(Griechenland) und Turchia (Kleinasien). Hauptmarkt war Salalia (in Pisidien, das heutige Adalia
Falsche Traganthe. 405
an der Südküste Kleinasiens), dann auch Cypern und Alexandrien CHeyd). Belon (I, S. ""i)
erwähnt die gleichen Gegenden und Brussa als Markt. Er wurde verwendet «pour donner lustre
ä la soye'». Olivier fügt noch Armenien, Kurdistan und Nordpersien als Produktionsländer
hinzu. AiTCHisoN erwähnt dann noch Chorassan und Afghanistan. Persisches T. ging schon
Ende des XVIII. Jahrh. nach Bagdad und Bassora und nach Rußland über Baku. In Deutsch-
land begegnen wir 1340 draganti als Bestandteil einer Augensalbe (Flückiger nach Pfeiffer).
Im Inventaire Lefort(i439) steht Pouldre de Diadragan und Diadragant (Electuar. Diatraga-
canthum). Dann findet sich T. auch in der Taxe von Ferrara (1424) und der Frankfurter Liste
(1450). Belon (I, S. 772) traf 1550 auf Kreta zwei Arten Tra^anf/isir'iucher, erfuhr aber, dal3
T. in Nordwest-Kleinasien gesammelt und zur Appretur der Seide benutzt werde (vgl. bei
Flückiger). Die Form Dragagantum steht bei Otho CremonensiS (dragantum i. e. vitriolum!)
Traganthum neben Dragagantum bei CoRDUS (I, S. 803). The rates of marchandizes (1635, I,
S. 921) führt Gum Tragagant auf und gum Tragacanthum steht bei Berlu 1724 (I, S. 950).
Die erste Beschreibung des Austrittes des T. gab Tournefort (I, S. 907, Fig. 411). Die erste
Beschreibung einer Traganthpflanze LabillardiiiRE 1790 (oben S. 389). Bei Pomet (I, S. 942),
der in der 2. Aufl. auch Stalie (Satalia) als Ausfuhrhafen angibt, findet sich eine recht gute
Abbildung eines Tra^'ant/istranches. Pomet erwähnt Einschnitte in Stamm und "Wurzel und
bemerkt, daß die Pflanze in Syrien (um Aleppo) wachse. Er erwähnt vom gomme adragan die
drei noch heute üblichen, besonders durch ihre Farbe unterschiedenen Handelssorten. St. F.
Geoffroy (I, S. 947), der eine pyrochemische Analyse mitteilt, bemerkt: ex Greta, Asia et
Graecia aüTertur».
Die von BriQUET behauptete Traganth- und Harz- und kombinierte Traganth-Harz-Leimung
des alten Papiers, welcher der Leimung mit Tierleim vorangegangen sein sollte, konnte von
"Wiesner in keinem Falle konstatiert werden. Doch fand Kobert Traganth in der Appretur
frühmittelalterlicher Papiere aus Turfan und Khotan.
Lit. Flückiger, Pharmakogn. — Flückiger-Kanbury, Pharmacographia. — Heyd,
Levantehandel II, 654. — "Wiesner, Papyr. Rainer 1887. — Kobert, Zeitschr. Angew. Chem.
1910, 1249. — Tristam, Nat. hist. of the bible 1898.
Falsche Traganthe.
Das sog. Bassoragummi (Bassoratraganth) hat seinen Namen von der Handelsstadt
Bassora (Basra) am Schat el arab, nördlich vom persischen Golf (vgl. die Karte S. 429) erhalten.
Es kommt aber nicht viel von dort. (Basra exportierte 1905 : 7679 cwts «Gummi».) Jetzt heißen alle
minderwertigen, meist stark gefärbten Traganthe in Indien Bassoragummi, Hog-gum, Hog-Traganth
oderCaramaniaguinini. Die Herkunft des Bassoragummi ist unbekannt. Einige (Niemann, M.vrtius)
leiten es von Acacia leiicophloea WiLLD. ab, andere (Hanbury) betrachten es als ein Mandel- oder
Pflaumengummi, andere als von A. giimmifer stammend (Guibourt). Ein Bassoragum, das 1903 aus
Südpersien in den Handel kam, stammte vom wilden Mandelbaum. "Von einem 7>a^a«//;strauch
stammt es nicht; jedenfalls zeigen die Muster meiner Sammlung keinerlei geschichtete Membranen
oder Stärkekörner — zwei sichere Merkmale echter Traganthe. Das Bassora-Traganth
meiner Sammlung bildet knollige oder traubige Stücke von rötlich-gelber Farbe, unter denen
sich oft große eiförmige Stücke finden, die als Tropfen aus runder Öffnung hervorgequetscht
wurden. Guibourt betrachtet das Bassoragummi als identisch mit dem Kuteera (Hist. d. drog.
7 ed. III, 453, Pharm. Journ. 15, 57), rechnet es also zu den Astragahis-Traganthen (s. oben
S. 393). Da er darin Stärke fand, muß er ein anderes Produkt in Händen gehabt haben wie
ich. Es gehen eben unter dem Namen Bassoragummi sehr verschiedene Produkte. Über ein
Bassoragummi aus Cycadeen vgl. Blackett, Pharm. Journ. (3) 13, 104. In Indien werden als
Substituentien für Traganth die zum Teil ähnlichen Sekrete von Cochlospermum Gossypium De.
= kümbi, gaddi (in Amerika Gum-Hogg) und Sterctilia urens RoXB. = guhu, gular, kuri,
sowie von Prumis Amygdalus (sog. Hog Tragacanth) benutzt. Ferner nennt Diction. of eco-
nom. prod. of India folgende andere Hog-gums (India Bassora gums): Der Gummi von Sacco-
petahim tomentosum, Moringa pterygosperma, Bombax malabaricum, Ailanthus excelsa, Stereosper-
mum suaveo/etis und als amerikanisches Gum-hog das von Symphonia ghhulifera. Vgl. auch M.
C COOKE, the gums, resins, oleo-resins and resinous prod. in the India museum. London 1874.
Lemeland fand im G. von Cocklospernmtn Gossyp. <)'j,},''la Unlösliches, 22,7°/,, "Wasser, 5,9 %
Asche, 45,2% Galaktane, 33,3°/o Pentosane. Es lieferte Galaktose und drehte — 77", 152.
4o6 Gummo-Membranindrogen.
Besonders Stercnliagummis sind häufig mit dem Namen Traganth bezeichnet worden.
Sie riechen oft sauer (Essigsäure?). Über diese von Sierculiaaxien. stammende traganthähn-
Hchen Gummis aus Indien, Afrika und Australien und ihre Unterscheidung von echtem T. (s.
S. 403) vgl. besonders Maiden, Sterculia gum its similarities and dissimilarities to Tragacanth
(Pharm. Journ. 1889 Nov. p. 381 und Am. journ. pharm. 1890, 20). Maiden erwähnt von indi-
schen Stcrcii/Kiarten, die Gummi liefern, St. ttrens RoXB., St. campatmlata Wall., .SV. ornata
Wall., St. foetida L., St. villosa RoxB., St. ramosa und piperifoUa, von afrikanischen St. Barteri
Mast., St. Tragacantha LiNDL. — von australischen St, diversifoiia G. Don., .S^. rupestris Benth.
Das Sierra-Leone Traganth von der in Westafrika (Senegambien bis zum Congo) heimi-
schen Sterculia Tragacantha LiNDL. (und wohl auch von .?/. i)'ar/(v/ Mast.) enthält keine Stärke-
körner, und zeigt auch keine geschichteten Membranen, dagegen 20,5 °/o Feuchtigkeit undyjS"/;,
Asche (besonders Calciumkarbonat). Es gibt an Wasser keine durch Bleizucker oder Alkohol
fällbare Substanz ab, liefert aber mit Salpetersäure reichlich Schleimsäure. Es löst sich nicht
in Kupferoxydammon. (FlückiGKR, Über afrikan. Traganth. Pharm. Journ. 1869, C41 und Arch.
Pharm. 1869, 81). Es entspricht der Formel C^^H^^O^a • 10 H.-jO (Kr.\ushaar). Das T. von Ster-
culia Tragacantha LiNDL. meiner Sammlung (Leg. Barker, Nigerexpedition) bildet an Rinden-
stücken ansitzende spröde, glasige, hell-gelbliche oder weiße Massen, die sauer riechen. Ein
anderes Muster (1872, auch aus Westafrika) schokoladenbraune feste Massen. Mangin leitet
auch das Kuteragummi (s. oben) von St. Tragac. ab (Compt. rend. 125 [1897], 725). Ein tra-
ganthähnliches Gummi aus Ostafrika beschreibt Hartwich (Arch. Pharm. 1894, 43). Es
war dem Kuteragummi ähnlich und stammte wohl von einer Sterculiacee, die ja große Schleim-
zellen mit Schleimmembran und durch Resorption der trennenden primären Membran Schleim-
kanäle und Schleimhohlen besitzen. Ein traganthähnliches, im Senegal viel benutztes, dem Gummi
von Cochlospermum ähnliches stärkefreies Gummi vom Spez. Gew. 1,416 kommt von Sterculia
tomentosa Heckel. Es heißt im Sudan und in Senegambien Gomme de M'beppe, kongosita,
komikosita, M'boborg; in Port. Loanda chixS oder Ici io chixÄ (Heckel, Rep. pharm. 1899),
Gummis von Sterculia cinerea (tartar gum) und St. tomentosa (da or kandi gum) sind kürzlich
im 3 Report of the Wellkome Research laboratories Khartoum (1908) beschrieben worden.
Auch sie zeigten einen hohen Aschengehalt (5,48 — 7,05 %) und eine hohe Säurezahl (13 — 14,59).
Auch unter den Kuteeras (s. oben S. 393) scheinen sich bisweilen Sterctüiagummis zu finden,
denn Boull.W (Bull, de pharm. 5, 166) und GuiBOURT (Hist. d. drog.) berichten von einem
sauren Gerüche. Ein traganthähnliches Gummi, Goma de oaxixa aus Brasilien, von Sterculia
Chicha St. Hil. erwähnt PeCKOLT (Ber. d. pharm. Ges. 1900). Bei den Sterculiaceen ist Gummi-
bildung überhaupt häufig. Ich erinnere nur an die Schleimzellen in der Samenschale von Theo-
broma Cacao.
Eines Traganth von der im Trockenwald Ostafrikas vorkommenden Leguminose Berlinia
Eminii Taub, gedenkt Busse (Ber. d. pharm. Ges. 1904, 202).
Auch das Gummi von Acacia usambarensis ist traganthartig (Mannich). Weitere unter
Gummi aräbic. Ein traganthähnliches Gummi aus Südamerika, «Goma de Tuna» von Opuntia
Ficus indica MiLL. beschrieb T. F. Hanausek (Zeitschr. d. Österr. Apoth. Ver. 1877, 113).
Es enthält Kristalle und Stärkekörner.
Gummi arabicum.
Syn. Gummi acaciae — arabisches Gummi — gomme arabique (franz.) — ■
gum arabic, acacia gum (engl.), in Amerika: acacia • — gomma arabica, gomma acacia
(ital.) — arabische gom (hol.) — arabiskt gummi (schwed.) — arabian kumi (fin.) —
arabmezga (ung.) — c'cQaßixöi' x6[([u (griech.).
Arab.-Pers. und in Ägypten; samagh-i-arabi (bei Ibn Baithar: samag). — Aar oder Czar von
Arabien, Arabischer Zäher (bei Megenberg) — . Gunde (gundi) heißt in Ostafrika jeder Klebstoff,
also auch Gummi arab. Dragendorff bemerkt bei Acacia vera (arabica): «Bei den pers. arabischen
Autoren findet man für die Pflanze: Schankat-ul-misrija und Qaraz, für Gummi: Samgul 0etzt
in Turkestan Samag arabi) und Agäqija, für Acacia überhaupt: Dschaschmizadsch, für die
Frucht von Ac. gujnmifera etc.: 0mm Gilän, für die ganze Pflanze: Thalh, für die Frucht der
Gummi arabicum.
407
^c. nilotica: Chirnub kibthi und karats. In Indien wird das Gummi Mas-wai-gond und ilaklai-
gond genannt.»
Etym. Im alten Ägypten: qmyt (die hieroglyphischen Zeichen I, S. 470), komi (k[o]mi).
q(o)mi, qmy (kmy) qema oder quemi — im Koptischen kome. Daraus dann xoptui (zuerst bei
Herodot) und (lat.) commis, cummis, cummi und später gummis und gummi, im Deutschen zu-
erst: gumme — franz. gomme, engl, gum etc. Das ägyptische Wort soll nicht in Ägypten
bodenständig, sondern der Sprache von Punt entlehnt sein (Reinisch). Die im Altertum ge-
bräuchliche Bezeichnung Gummi acanthinum von äxavl^a ^ Dorn, Dornbusch.
Stammpflanzen. Acacia Senegal Willdenow Spec. pl. IV, 1077 [A. Verek
GuiLL. et Perrot., A. rupestris Stocks, Mimosa Senegal L., M. Senegalensis Lam.
(AiT.)]. Trop. Afrika, in Cordofan, Sennaar, Khartoum, bei Kassala und Gedaref, im
südlichen Nubien, am Atbara und Astaboran, in der Landschaft Gezireh; ferner im
Westen in dem auf dem gleichen Breitengrade von Cordofan liegenden Senegambien
und den Gebieten zwischen Cordofan und Senegambien (Bomu), sowie in Ostafrika, endlich
auch in Arabien (Maskat, Aden, Dschidda) und Beludschistan, Indien (Sind, Ajmir).
Die Flora von Sind hat große Ähnlichkeit mit der der afrikanischen Wüste. Der Baum
heißt im Senegal: Verek, in Cordofan: Hashaba, plur. Hashab oder cheschäb,
in Indien: Khor, Kumta, in Bomu: Kol-Kol. Diese Pflanze liefert sowohl das beste
Cordofangummi (Schweinfurth , Heuglin, Beam), das Hashab von Khartoum und
Sennaar, wie das meiste gute Senegalgummi, besonders die Sorte bas du fleuve.
Weniger wichtig sind:
Acacia arabica Willd. (Acacia vera Willd., Mimosa nilotica L., M. arabica
Lam.) in Indien: Kikar, Babül und die von einigen dazugezogene, jedenfalls nahe
verwandte Acacia nilotica Del., der Sont- oder Ssantbaum. Trop. Asien und
Afrika; im Sudan und oberen Senegal, Mosambique und Natal, Arabien und Indien
(Sind). Liefert das Sunt-Gummi des Sudans, Marocco-, Mogador- und berbe-
risches Gummi (MAben) und einen Teil des Galam Senegambiens, sowie indisches
Gummi. Bentham unterscheidet von A. arabica Willd. die var. tomentosa (im Senegal-
gebiet), die var. iiilotica (im Nilgebiet), die var. indica (in Indien) und die var. Kraiis-
siana (in Port-Natal).
Acacia Se_yal Del., Sejal, Ssoffar, in Palästina: seijäl, tall.i, mit der var.
fistula (A. Fistula Schweine.) im tropischen Afrika, in Nubien, Sennaar, in Kassala
östlich von Khartoum und der italienischen Kolonie Erythraea, sowie in Deutsch-
Ostafrika. Liefert Talh-Gummi (Beam), Gedarefgummi (Busse) und Ssoffargummi
(Schweijjfurth).
A. stenocarpa Höchst., Talg, kitr, kakul oder suak, in den Nilländern, Abys-
sinien, Nubien und Deutsch-Ostafrika. Ebenfalls Taihgummi (talha) liefernd (Schwein-
furth), sowie Gedarefgummi (Busse) und Suakimgummi (Maben).
A. Giraffae Burch. (= A. erioloba Willd.?), Camelthorn, in den Nilländern
und in Deutsch -Südwestafrika, in den trockensten und heißesten Gegenden. Liefert
Capgummi (weich) und deutsch-südwestafrikanisches Gummi.
A. horrida Willd. (A. Karoo Hayne, wohl auch = A. capensis Burch).
Extratrop. Südafrika, in Deutsch-Südwestafrika und am Cap (z. B. an den Ufern des
Kariep). Liefert seit 100 Jahren viel Capgummi (hart) (Burchell) und deulsch-
südwestafrikanisches Gummi.
A. abyssinica Höchst. Tschea und A. glaucophylla Steud. (nahe mit A.
Senegal verwandt), in Abyssinien und dem Somalilande, das Somali-Gummi (Karami)
liefernd.
jo8 Gummo-Mcnibranindrogen.
A. Nebüued Guill., in Senegambicn, und A. albida Dei.., Anahaum, in
Deutsch - Südwestafrika und im Senegalgebiet, hier Galamgummi liefernd.
A. gummifera Willd. in Marocco.
A. pycnantha Bentii. (golden wattle) in Neusüdwales, Victoria und Süd-
australien. Liefert australisches Gummi (^Wattlegum).
Ohne größere Bedeutung sind; Acada Ehrenbergiana Hayne und A. tortilis Hayne
(A. Raddiana C. Savi , A. fasciculata G. P.) Haraz, in Palästina: seijäl, talh, im Nilgebiet,
Nubien, Abyssinien und in Arabien — A. Adansoiui GuiLL. et Perrott. in Senegambien —
A. veruffea Schweinf. liefert das Kukgummi (Beam) — A. Siuna Kurz {A. campylacantha Höchst.)
liefert das Kakamut oder Sinlingummi. A. Farnesiatm WlLLD. (in Indien: vilayati kikar, guya
babüla, in Palästina : ghilän, änbar, karz) in Vorderindien (heimisch in Westindien) — A. spiro-
carpa Höchst, und Stiihlvianni Tauü. in den Nilländern und in Deutsch-Ostafrika — A. usum-
barensis Taub, in Deutsch-Ostafrika — A. Catechu Willd. (in Indien: khair, khair-babül,
katha) im Nilgebiet, z. B. in Faschoda, in Indien und Burma, im Himalaya — A. demirrens
Willd. {A. moUissima WiLLD., A. dealbata, Link), A. homalophyUa CuNN., A. vestita, A. pend7da,
A. Sentis, A. hincrvata , A. elafa, A. glauccscens , A. penninervis und A. retinoides. SCHWEIN-
FUrth nennt im Nilgebiet 24, Taubert in Ostafrika 22, Watt (Dict.) in Indien 18 Arten.
A. Angico Mart. liefert brasilian. G. (Symes) , A. micrantha Benth, venezuelanisches
(Ernst). A. paniculata WiLLD. liefert die Goma de tiamo von Venezuela (s. weiter hinten).
Dragendorff führt (in Heilpflanzen) 65 AcaciaMian als benutzt auf. Alle,
jedenfalls alle afrikanischen Acaciazxiew, sind imstande Gummi zu liefern.
Systemat. Stellung. Leguminosae — Mimosoideae — Acacieae.
Die gegen 450 Arten der Gattung Acacia Willd. sind besonders zahlreich in
Afrika und Australien vertreten, etwa 300 entfallen auf Australien. Die afrikanischen
Arten gehören zu den Sekt. Gummiferae und Vulgares (A. Senegal zu letzterer
Gruppe).
Beschreibung der Stammpflanze. Acacia Senegal ist ein niedriger Baum mit
einem nicht über 6 m hohen, mehr oder weniger geneigten, 12 — 25 cm dicken Stamm,
knorrigen, gewundenen, spreizenden Ästen und einer dünnen Schirmkrone («Schirm-
akazie»). In Bomu ist A. Senegal strauchartig. Das Holz ist sehr hart und weiß, die sehr
faserige, daher zum Binden benutzte Rinde außen grau, innen rostfarbig, Die 2 (bis 3)
kurzen Stacheln sind hakenförmig nach unten gekrümmt. Es sind metamorphosierte
Nebenblätter. Sie sitzen daher an der Basis der Blattspindel (Taf. VII). Die doppelt und
paarig gefiederten, an der Spindel gemessen, 2 — 3 cm langen Blätter besitzen 3 — 5 Paare
Fiedern, die Fiederchen sind 10 — 15 jochig, schmal lineal, graugrün, kahl, bis 5 mm lang,
gegenständig, sehr kurz gestielt. Die oberseits rinnige Spindel zeigt einige gelbe, fleischige
Drüsen. Die Blätter zeigen die Erscheinung des Transversalheliotropismus, sie stellen bei
starker Belichtung und Verdunstung die Fiederblättchen senkrecht und geben vom Januar
an keinen Schatten (David). (Die australischen Acacien besitzen oft durch Drehung
des Blattstiels senkrecht gestellte Phyllodien.) Die in den Blattachseln entspringenden
Blütenstände werden bis 10 cm lang. Es sind walzenrunde, mäßig dichte Ähren
(Taf. VII). Die Blüten sind weiß (nicht gelb wie bei vielen anderen Arten). Der fünf-
zählige Kelch ist becherförmig, die ebenfalls kleinen 5 Blumenblätter lanzettlich, die
zahlreichen, doppelt so langen Stamina am Grunde einbrüderig verbunden, in den
Thekae nur wenige Pollinien. Der lineale Fruchtknoten wird zu einem bis i o cm
langen, flachen Legumen mit 5 — 6 braunen, glänzenden Samen, die einen langen Funi-
culus besitzen. (Beschreibung der anderen Arten in Luerssen, Mediz. pharm. Botan.)
Tafel VII.
Tschircli, Handbuch der Phiirmako2;nosie. Bd. II.
Verlag von Chr. Herrn. Tauchnitz, Leipzig
Acacia Senegal Willd.
Nach Tafel jö des Flor. Senegamb. Tentam, von Guillemin, Perrottet et Richard verkleinert.
Giimmi arabicum.
409
Die Acacien verlangen ein heißes und trockenes Klima. Cordofan hat ein
Jahresmittel von 28" C. (Maximimi im Schatten 44" C. im Mai und September).
«Dornen und immer wieder Domen sind das Wahrzeichen von Cordofan. Ein dornen-
reicheres Geschäft als Gummisammeln läßt sich nicht wohl denken» (David). Die Gummi-
acacien haben den Habitus von Erlen. In Cordofan bilden die Acacien lichte Haine,
in Ostafrika eine besondere Vegetationsform, die Engler «Baumgrassteppe mit Vor-
herrschen der Acacien» nennt (Abbild, in Engler, Pflanzenwelt Ostafrikas, S. 50).
Bei Bara fand David neben A. Senegal auch A. stenocarpa , weiter nördlich bei
Kagmar nicht A. Senegal, sondern nur A. Seyal, A. spirocai-pa und stenocarpa. A.
stenocaipa und fislula bilden ausgedehnte Wälder im Gebiete des Atbara und Bahr-
el-Azrak.
Lit. G. SCHWEINFURTH, Aufzähl. u. Beschreib, d. Acacienarten des Nilgebiets. Linnaea
35. 1867/68 m. 19 Taf. und Im Herzen Afrikas 18-4. — A. F. Broun, Catal. of the flowering
plants of the Sudan. — Taubert, Die Gummi liefernden Pflanzen Ostafrikas in ENGI.ER, Pflanzen-
welt Ostafrikas 1895. — Delile, Flore d'Egypte. — Forscal, Flor, aegypt. arab. — Unger,
D. Pfl. d. alt. Ägypt. — Gerh. Rohlfs, Drei Monate in d. Libysch. Wüste. 1875. —
Hedglin, Reise in d. Gebiet d. weißen Nil u. Reise nach Abyssinien. 1868. — HiT-Debrandt,
Zeitschr. Ges. f. Erdkunde 1875, 279. — Oliver, Flora of tropical Africa 11,338. — Guillemin, Per-
rottet ET Richard, Florae senegambensis tentamen. — Bentham, Transact. Linn. Soc. 30,
516. — C. Martins, Bull. Soc. Bot. France 1875, 20. — Burchell. Travels in the interior
of south Africa 1822/24. — Haggenmacher, Reise im Somalilande. Peterm. geogr. Mitth. Er-
gänzungsh. 47 {1876). — Sadebeck, Kullurgewächse der deutschen Kolonien. 1899. — Brandis,
Forest flora of North-West and Centr. India. — F. von Müller, Select plants for industrial
culture in Victoria. 1876 und Iconographia of acacias. — LuERSSEN, Mediz. pharm. Bot.
Abbild, von A. Senegal "Willd. : Guillemin et Perrottet, Flor. Senegamb. tent. 1830,
t. 56 (reproduziert in Flückiger, Gummi u. Bdellium, Schweiz. Wochenschr. 1869) ; Berg-Schmidt,
Atlas II. Aufl.; Bentley and Trimen, Med. plants t. 94, Schweinfurth a. a. O. t. 22, Reliquiae
Kotschyan. t. 3; Taubert in Engler- Prantl, Pflanzenfam.; von A. nilotica: bei Rohlfs t. 13; A.
arabica: RoxB. PI. Coromand. H t. 149, kopiert bei Nees VON Esenbeck t. 333; A. Seyal: Nees
t. 336, Schvsteinfurth t. II — 14, Berg-Schmidt, I. Aufl. t. 6d.; Busse in Engler-Drude,
Vegetat. d. Erde IX, i, S. 274; A. horrida: Havne X t. 33; A. horrida und erioloba:
■W".4.RiiURG, Zeitschr. f. trop. Landwirtsch. 1898; A. stenocarpa: in Busses Bericht VI.; A.
spirocarpa: Busse a. a. O.
Pathologie. Schädlinge scheint die Gummiacacie nicht zu haben. Beeinträchtigt
wird gelegentlich der Gumraiertrag durch Antilopen und Paviane, die das Gummi
fressen, Elefanten, die die Bäume umreißen (Baker) und Kameele, die die Dornen
abnagen (David).
Lit. Baker, Die Nilzuflüsse in Abessinien. Braunschw. 1868.
Bildung des Gummis in der Pflanze (Gummosis). Das Gummi arab. ent-
stammt der Rinde der Acacien. Eine mir vorliegende Probe von mit Gummi reich-
lich besetzter Rinde von Acacia Senegal, ausgelesen aus der Handelsware, zeigt
folgenden Bau. Eine dicke Schicht typischen farblosen Korkes bedeckt das Ganze.
Die sekundäre Rinde besteht aus miteinander abwechselnden tangentialen Streifen
von Keratenchym (Wigand), d. h. obliterierten Siebbündeln (Moeller) nebst be-
gleitendem Phloemparenchym und Bastzellbündeln, oft in sehr regelmäßiger Altemanz.
In radialer Richtung wird die Rinde von ein- bis dreireihigen Markstrahlen durch-
zogen. In den Phloemparenchymzellen findet sich bisweilen eine die Zellen meist
ausfüllende, lichtgelbliche- dunkelbräunliche Masse. Die Gummosis, welche zur Ent-
stehung großer gummierfüllter lysigener Höhlen führt, geht, nach Moeller, von den
j I O Gummo-Membranindrogen .
jungen Keratenchymbändern und dem Phloemparenchym, oder, wie ich vermute, von
Stellen, die diesen entsprechen würden, aus. An dem mir vorliegenden Material ließ
sich sicher nicht feststellen in welchem
von beiden sie zuerst eintritt, jedenfalls
l^d- werden die Membranen des Keraten-
Q-^ _ ^ chymbandes und die der Phloemparen-
iQogO
()%~^/''''''^'I^C^-''//^O^Q^ chj-mgruppen in Gummi übergeführt. So
^rf^'' /'ff^'Z^/^'^' 'i§'®i. fi"^^^' "^^'^ '"^ ^" ^'"^^ ^°° Zweigen,
die Gummidrusen reichlich tragen, gummi-
erfüllte Höhlen (cavemes de resorption,
•;f /^ / r^^ (, r^^QQ^Of Trecul) ringsum von in Auflösung be-
griffenen Zellen umgeben. In den äußeren
Rindenschichten der Acacia fand Moel-
*~~^((''^0 1 <-?K0ÖOrQ*/" ' r ^^^ ^^^ kirschgummiartiges, unlösliches
^'^W^niZy- Gummi.
I Nach dem Sitze der Gummimassen
•f zu urteilen muß die ergiebigste Gummi-
'^' '''■^' bildung in den inneren Teilen der
Gummibildung in der Acacienrinde nach Moeller. , , ., t^ • i . . . r -i tt i
sekundären Kinde stattfinden. Und es
bleibt noch durch Versuche an der lebenden Pflanze festzustellen, ob nicht infolge
der Verwundung zur Gummöse vorgebildete Zellgruppen, sei es nun ein besonderes
Gewebe oder zur Gummöse neigende Phloempartien, direkt in der äußeren Partie
des Cambiums im Jungleptom erzeugt werden. Es erscheint mir dies deshalb wahr-
scheinlich, weil Jadin und Boucher bei Moringa nach Verwundungen das Auf-
treten von Gummiräumen im Jungleptom beobachteten. Auch Moeller beobachtete
die Anfänge der Gummibildung bei Acacia pterygocarpa «in einer sehr tiefen Schicht
der sekundären Rinde nahe dem Holzkörper» und Corre und Louvet verlegen
sie sogar «zwischen Holz und Rinde», also in das Cambium. Das deutet darauf,
daß auch hier (wie beim Harzfluß) der Anstoß zur Gummibildung im Cambium und
seinen jüngsten Produkten erfolgt. — Andere Beobachtungen machen es wahrschein-
lich, daß (wie beim Harzfluß) ein Verwundungsreiz das erregende Moment ist. Während
aber bei der Gummöse der Amygdalaceen, wie Mikosch gezeigt hat, infolge der
Verwundung im Neuholz (Junghadrom) Gruppen abnormen Parenchyms («Gummi-
zellen») entstehen, die der Gummöse anheimfallen, müßte sich hier der Effekt des
Reizes im Jungleptom äußern. Nach den Beobachtungen von Lutz besteht zwischen
der Gummöse der Acacien und der Amygdalaceen eine ziemlich weitgehende Über-
einstimmung. Er sah übrigens Gummöse bei den Acacien auch im Jungholz auftreten.
Da WiGAND einmal auch eine Gummidruse im Holzkörper fand, scheint in der Tat
bei den Acacien auch dort unter gewissen Umständen Gummibildung möglich. Nach
Louvet entstehen auch Lücken im Zuge der Markstrahlen. Bisweilen erreicht der
Gummifluß riesige Dimensionen. Naudin fand 1889 ein Exemplar der Ac. dealbala
ganz eingehüllt von Gummimassen. Lutz, der (nach Mangin) mit Färbemitteln die
Gummöse bei den Acacien verfolgte — er benutzte Doppelfärbung mit Neutralrot
Cassella und Vert acide JEEE Poirrier — verlegt den Beginn der Gummöse direkt
ins Cambium, in dessen Wänden er eine Umwandlung in Gummi konstatieren konnte.
Auch Trecul und Cotton verlegen den Beginn der Gummibildung dorthin, führen
sie aber auf Saftstauung und Überernährung zurück. Aus den Beobachtungen von
Gummi arabicum.
411
Lutz möchte man den Schluß ziehen, daß Gummibildung auch ohne Verwundung
möglich ist, da die Membranen des Cambiums gewisser Pflanzen Neigung zur Um-
bildung in Gummomembranine zeigen, Gummifluß aber nur infolge von Verwun-
dungen entsteht. Auch David, der die cordofanischen Gummidistrikte besuchte, be-
obachtete, «daß der Gummosis immer Veränderungen, Risse oder Spalten in den
geplatzten Borken» zugrunde lag, und bemerkt, «gewiß ist das Gummi ein vortrefTlicher
Wundverschluß um das Ausdörren zu verhindern». Beam berichtet (s. weiter hinten)
sogar von der Anbringung großer Wunden (vgl. Taf. VIII u. IX). Busse sagt (III. Be-
richt über die Reise in die ostafrik. Steppen 1900) über die Gummiausscheidung bei
Acacia stenocarpa, „daß das Gummi in keinem Falle freiwillig, d. h. ohne äußere Ein-
grifTe, der Rinde entfließt". Alle Erfahrungen deuten darauf, daß eine Verwundung,
sei sie nun künstlich von Menschenhand angebracht oder spontan durch Tiere oder
Astbruch oder Bersten entstanden, für das Zustandekommen des Gummiflusses auch
Fig. 142.
Entstehung des Pruneengummi. Zwei Gummidrusen, die im Jungholz entstanden und durch sekundäres Dickenwachs-
tum des Holzkörpers ins Innere gerückt sind. Die Gefäße mit Wiuidgummi gefüllt. [Tschirch.]
bei den Acacien notwendig ist, die Gummöse also eine Reaktion auf die Verwunduno-
darstellt, wobei unentschieden bleiben mag, ob die Verwundung nur als Reiz wirkt,
oder ob durch sie fremde Substanzen wie Bakterien oder Pilzsporen und ihre Produkte
oder Gase (SauerstofT) den inneren Geweben der Rinde zugeführt werden. Es würde
also die Gummibildung in den Acacien mit der bei den Amygdalaceen und indirekt mit
der Resinosis in Parallele gestellt werden können. Halten wir diese Analogie aufrecht,
■ ] j Gummo-Mcmbraniiidrogen,
SO wird klar, daß das Gummi nicht nur durch Metamorphose der loco vorhandenen
ÄTembranen entstehen wird, sondern daß diese einen Herd der Gummibildung
erzeugen werden, in dem auch das weiter zugeführte gelöste Kohlenhydratmaterial,
ohne den Umweg über eine typische Membran zu machen, eine Umbildung in Gummi
erfährt, ähnlich wie dies auch Frank und Karsten annehmen. Dies macht den
Prozeß auch von anderen Faktoren als nur der Verwundung abhängig. Und in der
Tat lehrt die Erfahrung, daß die Gummiacacien nur zu einer bestimmten Zeit Gum-
möse zeigen, zur Zeit der Blattbildung z. B. nicht, und daß auch gewisse Stand-
ortsverhältnisse, z. B. trockener Boden, für das Zustandekommen der Gummöse nötig
sind. Dieselbe Art bildet in der einen Gegend Gummi, in einer andern keins (Hilde-
brandt, ScHWEiNFURTH, Beam), sie kann in einer Gebirgsgegend reichlich Gummi
liefern, in größerer Höhe aber gar nichts geben. Auch die Temperatur spielt eine
Rolle. An einem heißen Tage wurden in Cordofan (1908) von drei Bäumen 1,3, an
einem kalten nur 0,63 rotls geerntet (Beam, vgl. auch unter Gewinnung). In Cordofan
tritt die Gummöse nicht während der Regenzeit ein, sondern erst wenn die fürchter-
liche Trockenheit einsetzt.
Jos. Moeller hält die Gummibildung der Acacien für einen normalen, in
seiner physiologischen Rolle der Borkenbildung vergleichbaren Prozeß; ich habe die
Gummöse schon 1888, ebenso wie Frank und Maiden, für einen pathologischen an-
gesprochen, da es viele Bäume und andere Teile des gleichen Baumes gibt, die keine
Gummosis zeigen und bisher nur an Wunden wirklicher Gummifluß beobachtet wurde.
Auch Planchon-Collin nennen das Gummi «une production morbide». Nach Savai-
tana ist nicht nur bei den Amygdalaceen , sondern auch bei den Aurantieen die
Ergiebigkeit des Gummiflusses proportional der Stärke der Verletzungen. Bisweilen
wurde allerdings bei den Gummiacacien auch sog. freiwilliger Gummiaustritt be-
obachtet, sowohl im Sudan (Chevallier) wie in Senegambien (Guillemin und Per-
rottet), ja dies Gummi trägt im Sudan sogar den besonderen Namen hashab wady.
Aber auch hier werden Wunden entstehen, denn der Gummiaustritt erfolgt, wenn
unter dem Einfluß der trockenen Westwinde nach einer Regenperiode sich die Rinde
zusammenzieht, also spontane Risse entstehen.
Daß auch Parasiten den Wundreiz auszuüben bzw. zu unterstützen vermögen, wird all-
gemein zugegeben. Man hat aber auch die Gummosis direkt auf Parasiten zurückgeführt.
So nahm Martins an, daß der phanerogamische Parasit Loranthits senegalensis Marx, den
Gummifluß der Acacien verursache (von LouvET und CoRRE widerlegt) und Beijerinck meinte,
daß ein Pyrenomycet Pleospora gnmmipara Oudemans bei den Gummiacacien (Coryneum Bei-
jerinckii bei Pfirsich, Aprikose, Pflaume und Kirsche) Gummifluß hervorrufe. Neuerdings hat
GreiG Smith zu zeigen versucht, daß Bakterien die Ursache der Gummosis sind. Die bak-
teriologischen Untersuchungen dieses Autors wurden an Acacia penninervjs und binervata in
Australien gemacht. Von den Zweigen isolierte er zwei Bakterien, Bacternim acaciae, die vor-
herrschende Art, produzierte auf künstlichen Nährböden einen Schleim der Arabino-Galaktan-
klasse (d. h. Arabin), der also qualitativ mit dem Gummi von A. bmervata übereinstimmte, Bacterium
metarahinicum dagegen, eine Varietät des anderen, einen Metarabin haltigen Schleim. Das Gummi
von A. penninervis ist denn auch ein Metarabin haltiges. G.Smith kommt daher zu der Hypo-
these, daß die Differenzen zwischen den einzelnen Gumniiarten auf der Verschiedenheit der
produzierenden Bakterien beruhen. Als Bildungsmaterial nimmt er Lävulose und Maltose an.
Festgestellt ist, daß im Punjabgummi und dem australischen Wattlegummi andere Mikroorganismen
vorkommen wie im Sudangummi (Edie, Prebble, Pharmac. ind.). Smith bleibt aber den Be-
weis dafür schuldig, daß die von ihm gezüchteten Bakterien am Baume die ihnen zugeschriebene
"Wirkung ausüben und beachtet nicht, daß sein Wattlegum nur -f-Ojg", sein Bakterienschleim
aber -f-43° drehte, beide also Araban und Galaktan ofl"enbar in ganz verschiedenen Verhält-
Gummi arabicum.
413
nissen enthalten. Zudem ist Schleim- oder Gummibildung bei Bakterien eine weit verbreitete
Erscheinung. Doch wissen wir über die Natur der gebildeten Produkte wenig. Das von Strepto-
coccus mesenterioides produzierte Gummi ist Dextran (Scheibler), wie das eines Spaltpilzes einer
Zuckerfabrik (Andriik). Ein anderer Spaltpilz produzierte Lävulan(M.\ASSEN), ein dritter Galaktan.
Auch Brzezinski hat die Identität seines Gummis mit dem entsprechenden Bakterienschleim nicht
nachgewiesen. Ruhland bezweifelt den bakteriellen Ursprung der Gummis. Er erhält mit aus
Kirschbäumen isoliertem Bacillus spongius auf Nährböden einen Arabinoseschleim. Der gleiche
Bacillus erzeugt an Kirschbäumen eine von starkem Gummifluß begleitete Krankheit. Das aus-
tretende Gummi ist aber ein Araban-Galaktangemisch. Edie wiederholte die Versuche von Smith.
Er sterilisierte außen die Zweige der Gummiacacie in Khartoum, zerschnitt sie, impfte Gelatine
damit und übertrug die Kultur auf Kartofli'elagar. Er erhielt ein Bakterium, das auf mit Gerb-
säure versetzte Lävulose übertragen, nicht gut wuchs, aber aufLävulose allein Schleim bildete.
Allerdings noch nicht abschließende Impfungsversuche von Edie ergaben aber, daß mit Bak-
terien «geimpfte» Bäume weniger Gummi lieferten als < ungeimpfte» (aber verwundete). (Das
«Impfen» wurde in der Weise ausgeführt, daß der Schnitt, um die Mikroben besser hinein-
zubringen, vorher mit Wasser eingerieben wurde). Garros brachte einen hefeartigen Pilz, der
die Fähigkeit besitzt, den unlöslichen Teil des Kirschgummis in Lösung überzuführen, mit der
Gummibildung in Beziehung. Daß sog. «Schleimflüsse» an Laubbäumen (Eiche, Ahorn, Pappel)
infolge von Pilzinfektionen entstehen können, zeigte Ludwig, daß jedoch z. B. die sog. «gum-
möse bacillaire» von Prillieux an der Rebe keine Bakterienerkrankung ist, Rathay.
Der von einigen angenommene, zum mindesten bisweilen förderliche Einfluß der Bakterien
auf die Gummibildung kann sehr verschiedene Gründe haben. Ich erinnnere daran, daß die Bak-
terien sehr oft Enzyme produzieren. Diese können direkt oder indirekt die Gummibildung be-
einflussen oder Prozesse einleiten, die zur Gummibildung führen. Auch Beijerinck denkt daran,
daß die von ihm beobachteten Pilze ein Ferment bilden, da Gummibildung auch entfernt von der
Wunde eintrete. Dann erinnere ich daran, daß der Bacillus spongiosus von Aderhold und Ruhland
auf den Nährböden auch reichlich organische Säuren (Essigsäure, Ameisensäure, Milchsäure,
Buttersäure) bildete und Grüss und Sorauer eine günstige Beeinflussung der Gummöse durch
Säuren (spez. Oxalsäure) beobachtet haben. Vielleicht wirken die Oxydasen besonders energisch
in saurer Lösung.
Auch Tiere sind als Erreger des Gummiflusses betrachtet worden. Zimmer-
Mann, der an Acacia decurrens arbeitete, brachte die Gummibildung mit Verletzungen durch
Käfer in Beziehung. Nach Busse entstammt das G. der Ac. stenocarpa in Deutsch-Ostafrika
ausschließlich Verwundungen, die durch Ameisen hervorgebracht wurden. Jeder Gummi-
tropfen entspricht einem Bohrloch. Doch beteiligen sich bisweilen auch größere Tiere (bes.
Insekten). Auch David spricht bei den Gummiwäldern Cordofans von «massenhaft zuwandern-
den Ameisen», und davon, daß diese beständigen Begleiter der Gummiacacien an den Gummi-
klumpen naschen. Ebenso sah MURIEL bei A. Seyal Insekten. Gentz fand bei der Acacia horrida
(nicht bei A. Giraffae) in Südwestafrika Bohrgänge einer Raupe und eines Käfers. GuiBOURT
glaubte, da er im Innern der Marrons de gomme (gomme lignirode) eine große eiförmige
«Zelle» fand, dies G. sei durch ein Insekt erzeugt und die Mortons seien die Behälter der
Larven, was aber unrichtig ist. Auch bei der Bildung des Sonoragummi (s. d.) scheinen Tiere
beteiligt und eine Begünstigung der Gummibildung durch Verwundung durch ein Tier
nimmt ja auch Wiesner bei der Bildung des Chagual gummis an (Rohstofife, S. 124), dessen
Stammpflanze aber auch normalerweise Gummigänge bildet.
Die meisten Autoren betrachten also die Gummosis als eine Krankheit.
Grüss und Sorauer dagegen, welche den Wundreiz für eine häufig vorhandene, keineswegs
aber für die einzige Veranlassung der Gummosis der Amydalaceen ansehen, halten den
Gummifluß für eine physiologische Störung, die auf einem Übermaß der abbauenden gegenüber
den aufbauenden Enzymen beruhe. Die im Plasma gebildeten abbauenden Enzyme rufen so-
wohl die Umwandlung des Reservematerials (Stärke, Hemizellulosen) als die Schmelzung der
Membran hervor. «Ein solches Übermaß kann sowohl durch absolute Vermehrung der lösenden
Enzyme zustande kommen, als auch durch Gleichgewichtsstörungen entstehen, indem die
koagulierenden Enzyme nicht rechtzeitig in genügender Menge zur Wirksamkeit gelangen»
oder lahmgelegt werden und die hydrolysierenden die Oberhand gewinnen. Sorauer, der
Gummiherde auch im unverletzten Gewebe sah (waren nicht doch vielleicht Wunden in
« I 1 Gummo-Membranindrogen.
der Nähe?), verlegt die Gummosis in die Membran und sieht, gestützt auf Versuclie, einen
erhöhten Gehalt der Gewebe an Säure (bes. Oxalsäure) als begünstigenden Umstand an. Es
gelang ihm künstlich, durch Oxalsäure Gummifluß zu erzeugen. Er sieht den Gummifluß als
einen speziellen extremen Fall einer allgemein verbreiteten Neigung gesunder Gewebe an,
bei bestimmten Waclistumsverhältnissen, die eine Hemmung der Wirksamkeit der koagulieren-
den Enzyme veranlassen, Wandquellungen- und Lösungen einzugehen. GrOss nimmt an, daß
die Gummisubstanz aus dem Zerfall von Zellwänden herrührt, die Hemizellulosen enthalten
und zwar speziell aus dem Galaktan derselben hervorgeht unter dem Einfluß von En-
zymen (Cytasen, Diastasen). Bei mangelhafter Ableitung des verflüssigten Gummis kann eine
Gummilücke entstehen, da schließlich die Grundsubstanz der sekundären und weiterhin die
primäre Membran angegrifl'en wird. GRÜSS denkt sich die Gummibildung in der Weise ver-
laufend, daß die Gruppe COH in dem Zucker- oder Saccharo-Colloid-Molekül durch Sauerstoff-
Überträger in die COOH-Gruppe verwandelt wird und so Arabin- resp. Galaktinsäuren ent-
stehen. Als Sauerstoffüberträger würden die Oxydasen fungieren. GRÜSS zeigte, daß die Cytase
des Kirschgummi Hemizellulosemenibranen zu verschleimen und zu lösen vermag. Bei der
Gummibildung im Kirschholz, der normalen und der pathologisch gesteigerten, ist die Cytase
beteiligt. '• Jeder Gummibildungsprozeß setzt die Anwesenheit von Hemizellulosen im Holzkörper
voraus.» Sitz der Cytocoagulase sind die MIKOSCH sehen Gummiparenchymzellen.
Nach Beijerink und Rant beruht der Gummifluß bei den Amygdalaceen auf einer durch
Wundreiz verursachten anormalen Entwicklung des embryonalen Holzgewebes, die schließlich
zur (Verflüssigung» desselben führt und die verursacht wird durch einen cytolytischen Körper.
Cytolytische Substanzen werden von nekrobiotischen Zellen, wie man sie in der Nähe von
Wunden findet, deren Plasma tot, deren Enzyme aber erhalten sind, vielleicht in besonders
großer Menge abgeschieden. Die Autoren sind der Ansicht, daß alle Ursachen, welche zur
Nekrobiose führen, Gummifluß veranlassen und zwar um so heftiger, je umfangreicher die
nekrobiotischen Prozesse sind. Quecksilberchlorid erzeugt auch dort noch Gummifluß, wo er
sonst ausbleibt (Aber HgClj tötet doch alle Enzyme!) Coryneum u. and. Parasiten führen zur
Gummibildung, weil sie ein Gift ausscheiden, Saprophyten [Demaiüim pulhilans, Phyllosticta
Persicae) verstärken die Gummibildung, weil sie einzelne Zellen abtöten. Die genannten Autoren
betonen, daß der Gummifluß bei den Amygdalaceen wirklich bedeutungsvoll nur im sekundären
Jungholze auftritt, wo auch normalerweise die Cytolyse am ausgiebigsten auftritt.
Demgegenüber hält Ruhland die Gummöse für eine allgemeine Eigenschaft embryonaler
Zellen, die aber im normalen Leben nicht zur Auslösung kommt, sondern erst infolge eines
äußeren Anstoßes. Er leugnet das regelmäßige Auftreten von nekrobiotischen Zellen und die
Diffusion von zellstofflösenden Körpern aus nekrobiotischen Zellen in das embryonale Gewebe
und führt durch zahlreiche Versuche den Nachweis, daß, sobald der Sauerstoff bei der
"Verwundung abgeschlossen wird, die Gummöse unterbleibt. In den embryonalen
Zellen wird, wenn Sauerstoff hinzutritt, statt Protopektin (S. 277) Gummi gebildet, das normale
Wandbildungsmaterial in die sauerstoffreichere Gummisubstanz übergeführt. Danach würde also
weder der Wundreiz allein, noch die durch die Wunde in die Pflanze gelangenden Parasiten
und ihre Produkte Primärerreger der Gummosis sein, sondern der zutretende Sauerstoft"
chemische Prozesse in der Pflanze einleiten oder auslösen, die zur Gimmibildung führen. Wie
diese Prozesse verlaufen, ist noch unklar. Aber das vorstehend Mitgeteilte weist doch wieder auf
Oxydasen und Peroxydasen, die wir bekanntlich ja noch in den Gummis selbst antreffen, hin.
Daß Gimimi arahic. Enzyme enthält, ist lange bekannt. Doch sprach erst WiESNER
1885 von einem «Gummiferment > und schrieb ihm die Eigenschaft zu Zellulose in Gummi ver-
wandeln zu können. Aber schon Reinitzer zeigte 1890, daß das Guramiferment wenigstens
außerhalb der Pflanze nicht hierzu imstande ist, sondern nur aus Stärke Zucker bildet, also ein
diastatisches Enzym enthält. Als solches erkannte diesen Teil des Enzymgemisches auch Be-
CH.YMP (1893), der ihm den Namen Gummizymase gab, und Gräfe (1907). Daß aber neben dem
diastatischen Ferment auch eine Oxydase im Gummi vorkommen muß, zeigt ja schon der Ver-
such mit Guajaktinktur, zeigen dann die Beobachtungen von Bourquelot über die oxydierenden
Wirkungen verschiedener Gummiarten, sowie meine eigenen über die «Gummasen» und sprach
endlich Reinitzer aus, der den Nachweis führte, daß im Gummi arab. neben einer Amylase
sowohl eine Oxydase wie eine Peroxydase vorkommt. Mir erscheint nun nach allem die Frage
sehr diskutabel, ob wir in diesem Enzymgemisch, dem ich, da ich der DüCLAUXschen Nomen-
Gummi arabicum. 4 1 'S
klaturregel nicht folgen konnte, den Namen Gummase gab, nicht wirklicli die Gummibildner
vor uns haben, die in der gummogenen Schicht der lebenden Pflanze unter dem Ein-
fluß von durch die Wunde zugeführten Sauerstoff (die Oxydasen wirken als SauerstofFüberträger)
aus den z. Z. unbekannten Gummibildnern, die wir aber wohl unter den Sacchariden und Poly-
sacchariden zu suchen haben, das Gummi erzeugen. Ein Beweis ist dafür aber noch nicht er-
bracht. Für die Bildung des Kirschgummis nimmt MIKOSCH die Beteiligung von Enzymen an.
Daß Gummifluß durch Reize hervorgerufen werden kann, bei denen Mikroorganismen nicht
beteiligt sind, unterliegt jetzt aber keinem Zweifel mehr {Aderhold, Ruhland, Beijerinck, Rant).
Über die Gummibildung bei den Amygdalaceen bemerkt MiKOSCH: -Das Gummi ent-
steht in der lebenden Substanz der Gummiparenchymzellen, wird von dem Plasma als Lösung
zwischen Hautschicht und primärer Membran ausgeschieden und hier unter dem Einflüsse des
Plasmas zum Teil in Wasser unlösliches, aber darin quellendes Gummi umgewandelt. Der Pro-
zeß geht in der Zelle zentripetal vor sich. Die primären Membranen bleiben lange erhalten
und werden erst später gelöst.» «Die kambialen Gummiräume werden bei fortschreitender Gum-
mosis auch noch dadurch erweitert, daß die angrenzenden Markstrahlen in den Umwandlungs-
prozeß mit einbezogen werden.» «Die Gummibildung beginnt in der Membran stets in den Ver-
dickungsschichten, zuletzt werden die primären Membranen gelöst.» Zur Membran brachten die
Gummibildung zuerst Karsten, Trecul, Wigand, Frank und Prillieüx in Beziehung. Auch die
Bildung des G. a. ist an Membranen geknüpft. Sie beginnt vielleicht schon in den Membranen
der Cambiumzellen (Lutz) und wird deutlich in einer Vergummung der Membranen der Sieb-
röhren und Cambiformzellen {Hornbastprosenchym, Keratenchym Wigand.s) der sekundären
Rinde (Wigand, J. Moeller), einem Vorgänge, den Wigand «rückschreitende Metamorphose
der Zellmembran» nannte. Immerhin müssen sich — das nahm schon Trecul an — an der
Gummibildung auch noch zugeführte InhaltsstoiFe beteiligen, denn wie von Höhnel an einem
bestimmten Falle zeigte, hatte der an einem Zweige von A. Senegal ansitzende Gunimiknollen
einen Inhalt von 41 000 cbmm, während der Spalt, aus dem er hervorgequollen war, nur 84 cbmm
maß. Höhnel schließt daraus, daß die Beteiligung der Membranen auf die ersten Anfangsstadien
beschränkt sein müsse und 99,8 "/d ohne ihre Beteiligung entstehe. (Ähnlich hatte sich bereits
1866 Frank ausgesprochen.) Es verhielte sich dann mit der Bildung des Gummi arabicum ga.nz
ähnlich wie mit der des Kirschgummi und der Gummis bei Combretaceen, z. B. Terminalia
Bellerica und Catappa paniculata (v. HÖHNEL) und Bromeliaceen (Boresch). Denn wie neuer-
dings MiKOsCH zeigte, beginnt in der Regel die Kirschgummibildung durch Bildung von Kappen
an den einen schizogenen Raum umgebenden Zellen (solche Kappen sah ich auch bei schizo-
lysigenen Harzbehältern). Diese Randzellen, sowie ihre Umgebung gehen alsdann zu gründe,
es entsteht ein «schizolysigener (Tschirch) oder auch rein lysigener Raum», und in diesem
kann nun eine enorme Gummibildung dadurch Platz greifen, daß alles zugeführte Kohlehydrat-
Baumaterial (durch die reichlich auftretenden Enzyme) direkt in Gummi übergeführt wird: die
aus den Membranen hervorgegangene Masse wird «gummogen». Ähnlich muß es beim G. a.
sein. Es scheint, daß beim G. a. zunächst die Membranen einiger obliterierter Siebröhren und
Geleitzellen (oder die Zellen einer s Gummizellen -> -Gruppe?) vergummen und daß von diesem
Herde aus die Vergummung fortschreitet. «Die Einwände, welche Höhnel gegen die Entstehung
des Gummis aus Zellmembranen erhebt (s. oben), können übrigens leicht beseitigt werden, wenn
man überlegt, daß es sich bei der Gummosis um pathologische Hyperplasie handelt» (Czapek).
Die Ansicht von VoGL und G. Kraus, daß das G. a. aus dem Siebröhreninhalte
stamme, ist durch nichts bewiesen. (Kraus sah bei Acac. melanoxylon aus den Siebröhren eine
gummöse Flüssigkeit austreten.)
Mangin setzt die Gummibildung zur Pektinbildung in Beziehung. Er betrachtet sie als
eine pathologische Mehrproduktion pektinartiger Substanzen. Da das G. durch Erhitzen in Met-
arabinsäure übergeht und diese zum Bassorin und der Pektinsäure Beziehungen zeigt, so werden
wohl auch Beziehungen des Gummis zum Protopektin (S. 278) bestehen. In der Tat scheint die
Gummibildung bei den Gummiacacien in der Interzellularsubstanz (d. h. dem Protopektin)
ihren Anfang zu nehmen Qos. Moeller) und die an den Interzellularraum angrenzende Mem-
branpartie bei den Pruneen gehört ja ebenfalls zum Protopektin («Auskleidungen der Inter-
zellularen», S. 280). Endlich sieht man oft noch in vergummenden Geweben die mit der sekun-
dären bzw. tertiären Membran umgebenen Lumina der Zellen, durch Gummi voneinander getrennt
(Fig. 141 u. 142).
410
Gunimo-Membranindrogen.
Eine ganz besondere Bildung ist das Gummi im Kernholz und das Gummi im Schulz-
holi (Gauxersdorfer, Frank, Temme, PR.AÜt.l. Bei der Bildung des Kernholzgummi (Kern-
gummi) und Wundgummi beteiligt sich die Membran nicht (BÜHM, Prillieux, Gaunersdorfer,
Krank), es wird vielmehr eine bestimmte zarte Plasmaschicht «bassorinogen» (Tschirch u.
Will), Diese Guramiverschliisse der leitenden Organe des Holzkörpers scheiden die damit
versehenen Gewebe aus dem Saftverkehr aus. Sie sind in Wasser unlöslich und verhalten sich
wie Bassorin (Tschirch u. Will).
Holzgummi erhielt Fr, Koch (Pharm. Zeit. f. Rußl. 1886) vorwiegend aus dem Holze der Laub-
bäume. Die Coniferen sowie ligninfreie Gewebe ließen kein Holzgummi gewinnen. Es lieferte bei der
Hydrolyse Xylose und enthielt 82
bis 86 °/o Xylan, hat mit dem eigent-
lichen Gummi also nichts zu tun.
Lit. Karsten, Bot. Zeit.
1857, 313. — Trecul, Maladie de
la gomme, Compt. rend. 1860,621
u. 1862, 248. — Frank, Pringsh.
Jahrb. 5,(1866) 25. — Prillieux,
Compt, rend. 78 (1874); Ann. sc.
nat. (6) I (1875), 176. — Jos.
MOELLER, Über d. Entsteh, d.
Acacieng. Sitzungsb. d. Wien.
Akad. 72 (1875), 219 u. Buchn.
Rep. 1876, 323. — CORRE, Notes
sur les gommes du Senegal. Journ.
pharm. 1876, 318. — Wigand,
Desorganisation d. Pflanzenzelle.
Pringsh. Jahrb. 3, 136. — VON
HOEHNEL, Über das Material,
welch, z. Bild. d. arab. G. in d.
Pfl. dient. Ber. d. d. bot. Ges. 1888
und (Combretaceen) Bot. Zeit. 1882.
— Czapek, Biochemie. — Louvet,
Etud. sur la mode de production
de la gomme arab. faites pend.
plus, voyages dans les forets de
gommiers. Journ. pharm. 1876,405.
— Greig Smith, The bacterial
origin of the gums of the arabin
group, Proceed. Linn. Soc. New
South. Wales 1902 — 1904. Journ.
soc. ehem. ind. 23, 1904. (Centralbl.
f. Bacteriol. 10 und n, 1903. Zeit-
schr. Angew. Chemie 1905). —
Ruhland, Arabinbild. durch Bacter. u. der. Bez. z. Gummi d. Amygdalac. Ber. d. d. bot.
Ges. 1906, 393 und zur Physiolog. d. Gummibild, bei d. Amygdalaceen. Ebenda 1907, 302.
— Edie, Bacterial origin of gum im IH. Report Wellcome Research Laborat. Khartoum
1908. — Martins, Sur une mode particul. d'excret, d. g. arab. Rev. sc. nat. Montpellier 1875,
553. — G. Kraus, Entstehungsweise d. G. a, Sitzungsber. d. Naturf. Ges. Halle 1884, 19.
(Ph. journ. 16 [1886] 840). — Beijerinck, Gomziekte in Natuurk. Verh. d. hoU. Akadera. 23.
Amsterdam 1883, 35 und Hedwigia 1883. — Tschirch, Angew. Pflanzenanatomie. 1888. —
Naudin, Journ. pharm. 20 (1889), 122. — SavaSTANO, I fatti traumatici nella gummosi degli
Agrumi ed Amigdalae Ann, Sc. agric. Portici 1885, Experimenti sui rapporti tra i fatti trau-
matici e la gummosi. Giorn. bot. ital. 1887. Gummosi e carie degli agrumi Att. Comizio agrar.
d. Circondar, di Napoli 1887. — Carriere, Rev. hortic. Paris 1886. — Garros, Nouv. fer-
ment organisi de la gomme de ciJrisier. Bull soc. chim. 7 (1892) 625. — Mikosch, Entsteh, d.
Kirschgummis. Sitzungsb. d. Wien. Akad. 115 (1906) 911. — Maiden, Vegetable exudations.
Fig- 143.
Stamm von Acacia Senegal mit Gummiausscbeidungen, aus der Baum-
gra-ssteppe von Ugogo [Busse phot.]
Gurami arabicum. 4 1 7
Scient. res. of Eider Explor. Expedit. 1892. — BÖHM, Bot. Zeit. 1877. — Frank, Ber. d. d.
Bot. Ges. 1884, 327. — Gaunersdorfer, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1882, 38. — Prillieux
et Delacroix, Gommose bacillaire des vignes. Conipt. rend. 118 (1894) 1430. — Ludwig, Lehrb.
d. nied. Crypt. Stutig. 1892. — R^vthay, Jahresber. d. Önolog. u. pomolog. Lehranst. Kloster-
neuburg 1896 (dort die Lit. d. Rebengummose). — Mangin, Joum. de Botan. 1893. — Lutz,
Sur la raarche de la gommose dans les acacias. Bull. soc. bot. France 1895, 467 (Zeitschr. f.
wissensch. Mikrosk. 12, 522) und Th^se, Paris 1895. — Gentz, Tropenpflanzer 1901, 601. —
David, Kordofang. Apoth. Zeit. 1901, Nr. 97. — Aderhold, Clasterospor. carpophil. u. Be-
zieh, zum Gummifluß. Arb. d. biolog. Abt. d. K. Gesundheitsamt. 1902. — Sorauer, Handb.
d. Pflanzenkrankh. 1909, I. — Beijerinck und Rant, Wundreiz, Parasitism. u. Gummifl. bei
d. Amygdalaceen. Centralbl. f. Bact. 1905. — Rant, De gummosis d. Amygdalaceae. Dissert.
Amsterd. 1906. — Brzezinski, Anzeig. d. Akad. Krakau 1903. — J.ADtN et Boucher, Orig.
et prod. d. 1. gomme chez les Moringa. Bull. sc. pharm. 1908, 247. — Busse, Nalurw. Wochenschr.
1901, 100. Ber. d. pharm. Ges. 1904 und Reisebericht V. — Zimmermann, Centralbl. d. Bact.
(2) 20, 716. — Grüss, Lös. u. Bild. d. aus Hemizellulose besteh. Zellw. und ihre Bez. z.
Gummosis. Bibl. Bot. 39 (1896). ■ — GRÜSS und Sorauer, Stud. über d. Gummifl. d. Kirschen.
Notizbl. d. K. botan. Garten 19 10. — GRÜSS, Verh. d. Cytase u. Cytocoagulase bei d. Gumrai-
bild. Jahrb. wiss. Bot. 47 (1910), 393. — K. Boresch, Über Gummifluß bei Bromeliaceen nebst
Beiträgen zu ihrer Anatomie. Sitzungsb. d. Wiener Akadem. igo8.
Ge-winnung des Nilgummi. Die Bedingungen der Einsammlung des Sudan-
gummi beschrieben der Director of forests of the Sudan C. E. Muriel (1901), sowie
David (igoi) und neuerdings (1908) Beam in Khartoum. Der Sudan exportiert haupt-
sächlich das sog. Hashab-Gummi, das Gummi von Acacia Senegal, die besonders in
Cordofan, westlich vom weißen Nil (z. B. bei Djcdid, Bara und el Obe'id) gefunden wird,
weniger in Gezireh und Gedaref, sowie in Sennaar zwischen blauem und weißem Nil
und bei Kassala (Beaji). (Vgl. die Karte auf S. 429.) In dem Bezirke Bara Tajara el
Obeid in Cordofan besteht etwa 'l, des lichten Buschwaldes aus Gummiacacien. Muriel
unterschied zwei Sorten: Gummi aus «Gärten» (hashab geneina oder genaineh) und
wildes Gummi (hashab wady oder ouadi) — ersteres von angeschnittenen Bäumen,
die einen Besitzer haben, letzteres von unangeschnittenen Bäumen, die keinen Besitzer
haben. Von einer eigentlichen Pflege, Anpflanzung oder geregelten Besitzverhält-
nissen ist aber meist nicht die Rede (David), so daß also die Bezeichnung «Garten»
und «Besitzer» nicht wörtlich zu nehmen ist: die Genainas sind lichte Haine. Immer-
hin kommen, seit die Engländer sich in Khartoum festgesetzt haben (1900), die Gegen-
den in geregeltere Verhältnisse. Schon jetzt gibt es kaum noch Wady-Gummi. Alles
Gummi stammt von angeschnittenen Bäumen, selten von solchen, wo es aus natür-
lichen Wunden austritt. Jetzt ist Wady der Name für dunklere Gummitränen. Die
Gummigewinnung ist abhängig vom Vorhandensein von Brunnen, da die Sammler in
den sehr zerstreuten, lichten Gummigärten sich ihr Wasser, ihre Nahrung und end-
lich auch das Gummi tragen müssen. (Fig. 144.) Da die Einsammlung in der heißesten
Zeit stattfindet, so gehen die Sammler nur so weit wie nötig.
Die Bäume werden nach dem Aufhören der Regenperiode, also vom Oktober an
angeschnitten und das Anschneiden (tapping, barking) fortgesetzt bis zum Februar. Das
Anschneiden erfolgt mit einer kleinen Axt. (Taf. VIII.) Es werden zunächst transversale
Einschnitte gemacht, dann reißt man einen dünnen Streifen Rinde ab. Dieser Streifen
sollte nicht länger als 2 — 3 engl. Fuß lang und i — 3 engl. Zoll breit sein (Muriel vgl.
Taf. IX), je nach der Dicke des Stammes. Größere Wunden schädigen den Baum, auch tritt
weniger Gummi aus, ebenso bei kleineren Wunden oder Einschnitten. Es wird Sorge
getragen, daß der Schnitt nicht bis in den Holzkörper geht. Wenn die Einschnitte an
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 27
4i8
Gunimo-Membranindronen.
einem kühlen Tage gemacht werden und mehrere kühle Tage folgen, so tritt beinahe
kein Gummi aus. Die Einschnitte müssen an heißen Tagen gemacht werden. Nach
60 Tagen kann, wenn das Wetter kühl ist, das erste Gummi gesammelt werden, bei
warmem Wetter geht es schneller. Man läßt das Gummi zwei Wochen am Baum zum
[Genehmigter Abdruck aus dem Dritteo Bericht der Wellcome Untersuchungs-Laboratorien Kliartum igo8.]
Fig. 144.
Gummisammler in Cordofan, ausgerüstet mit Wasserschlauch und Beutel für Gummi und Mundvorrat, sowie mit Speer
zum Schutze gegen wilde Tiere.
Erhärten. Vor dieser Zeit ist die Träne im Innern noch flüssig, läuft beim Sammeln
aus und man erhält dann hohle Schalen, die leicht zerbrechen. Jeden vierten Tag kann
das Gummi abgesammelt werden, bis die neuen Blätter erscheinen und der Regen
einsetzt. Man sammelt (Fig. 144) in einer Saison meist 7 — 8 Mal (Beam). Besonders
sammeln Frauen das Gummi. Verwundet werden 3 Jahre alte und ältere Bäume.
Tafel VIII.
Tschlrch, II
\'ci-l.iL,' von Clir. Herrn, Taiiclitiitz, Leipzig
Anschneiden des Baumes zur Gummigewinnung.
(Genehmigter Abdruck aus dem dritten Bericht der \\'cllcome Untersuchungs-Laboratorien Khartum 190S.)
Tafei IX.
Tschirch, Handhiicli
.^[i.iL, \u]( ^.lir. llcrni. i juchnitz, Leipzig.
Ausschwitzen des Gummis neben der angeschnittenen Stelle.
(Genehmigter Abdruck aus dem dritten Bericht der \\-ellcome Untersuchungs-Laboratorien Khartum 1908.)
Gummi arabicum. 4 1 Q
Schon Bäume von 8 — lO Fuß Höhe und 6 — 8 Zoll Umfang können Gummi pro-
duzieren. Ältere Bäume, wie solche von 15 Jahren, liefern kein Gummi, das beste
solche von 8 — 12 Jahren. Dann beginnt die Kernholzbildung und sobald diese ein-
getreten, wird kein Gummi mehr erzeugt. Belaubte Bäume liefern kein Gummi, ebenso
durch Feuer beschädigte. Während der Ernte muß trockenes heißes Wetter sein.
Starke Bodenfeuchtigkeit und Schatten beeinträchtigen die Gummiproduktion; so ist
z. B. in Agari, wo der Khor Agari im Sande verläuft, keine Gummiproduktion zu
finden, trotzdem überall Hashab geneinas sich finden.
Die Bildung des Gummis wird begünstigt durch einen leichten sandigen, eisen-
schüssigen Boden und gute Drainage. Während der trockenen Jahreszeit darf A. Senegal
nicht befeuchtet werden {A. arabica dagegen verträgt Wasser gut). Die größte Gummi-
produktion erfolgt, wenn auf eine gute Regenperiode eine ungewöhnlich heiße und
trockene folgt. Bodenfeuer sistiert die Produktion in der Geneina für eine Saison.
Man kann bei der jetzt üblichen Verwundungsart jeden Baum nur alle zwei Jahr
verwunden. Ein großer Baum liefert ungefähr i,9rotl (2,166 rotl = i kg), ein mittlerer
1,33 und ein kleiner 0,75 (Beam). Gummi von Bäumen, die angeschnitten
wurden, ist heller als aus natürlichen Wunden austretendes. Das Gummi
des ersten Gummiausflusses nach dem Anschnitt ist gewöhnlich weniger löslich, be-
sonders bei älteren Bäumen, doch wird es beim längeren Liegen löslicher. Gegen das
Ende der Sammelzeit wird das Gummi alimählich härter und glasiger, und die Lösung
zeigt eine immer geringere Viskosität. Im allgemeinen fand Beam, daß, entgegen
der Meinung der Sammler, eine Lösung des Gummis älterer Bäume eine etwas
größere Viskosität besitzt als das aus jüngeren. Das Gummisamnieln wird sehr schlecht
bezahlt. Es wird von den Bauern nur als Nebenbeschäftigung betrieben, und nur
wenn sie Sesam imd Dura geemtet haben. Sie kommen daher oft erst im Januar und
Februar dazu die Bäume anzuschneiden. Die Gummiausscheidung ist dann im Mai
beendigt.
Als der Khalif gefallen (1900), bereiste David aus wissenschaftlichem Interesse
und um Gummi aufzukaufen Cordofan von Dongola aus. Er besuchte Bara, Khursi,
Tajara im Osten von el Obeid, Khor Hable, Schekkan und Kattero im Süden und
Nehoud im Westen, wo die Bewohner ihre freie Zeit mit Gummisammeln ausfüllen. Sein
Bericht ergänzt das Obige. Das Anschneiden im Dezember und Januar geschieht meist
in den oberen Regionen des Stammes, die mindestens 4 — 5 jährig sind. «Die einge-
borenen Jungen und Mädchen bringen durch Anritzen der Rinde mit Lanzenklingen und
Messern das Gewebe zu stärkerem Ausscheiden», doch wird in den von David (1900)
besuchten Gegenden die Prozedur nur beiläufig vorgenommen. Die Bäume schwitzen
vom Dezember bis Februar, also 2 — 5 Monate, nach der auf die Regenzeit folgen-
den Vegetationsaufflackerung bei Beginn der Trockenzeit Gummi aus. Niemals findet
man an den Bäumen altes Gummi, nur diesjähriges. Je weiter ab der Baum vom
Flusse liegt, um so besser ist das Gummi. Die Gummiausscheidungen sitzen meist an
10 — 20 cm dicken Ästen, spärlicher an dünnen Zweigen (David). Das Gummi ist
anfangs weich und schmeckt dann recht erfrischend. Es erhärtet am Baume und
erhält dann die charakteristischen Risse. Das Gummi von A. Senegal bildet kleine
runde oder wurmförmige Klümpchen von höchstens 3 cm Durchmesser. Als Instrument
zum Ablösen des Gummis wurde in den von David besuchten Gegenden das breite
Blatt der Lanze benutzt. David schlägt vor, Brunnen zu graben und Gummi als
Abgabe für Benutzung derselben zu erheben, sowie Acacienhaine anzulegen. Die
27*
420
Gummo-Menihianindrogen.
Geueinas müssen als lichte Haine gehalten werden (i8 — loo Bäume pet acre).
Nacli Beam lieferte eine lo acre große (leneina bei Sher geila bei der ersten Samm-
lung 75 — lOO Ibs, bei der zweiten und dritten 60, dann mehrmals 50 und am Ende
der Saison 10 Ibs. Die jährliche Produktion dieses Gartens betrug 12 — 15 Kantar
(d. h. 1200 — 1500 Ibs). Unzeitiger Regen, der aber in der heißen Zeit kaum vor-
kommt, schädigt die Ernte
sehr. Ein niedriger Preisstand
vertreibt die Lust zum Sam-
meln, alsdann geht die Pro-
duktion rasch zurück. Von
März bis Mai kann Gummi
gesammelt werden. In dieser
Zeit, ja bis zum Juli, bringen
die Sammler das Gummi in
kleinen Portionen (5 — 7 Ibs)
den Händlern, die bei den
Brunnen ihr Zelt aufgeschlagen
haben. Die Chefs lassen ihre
Sklaven und Weiber sammeln
(David). Dies rohe Sammel-
produkt enthält stets das
Gummi mehrerer Acacien, doch
scheidet schon der Händler
beim Ankauf die dunklen Knol-
len von Seyal- und Kitrsorten
aus. [Kitr {A. stenocarpd) bil-
det bis 1 50 g schwere braune
Knollen.] Einige Sammler brin-
gen das Gummi nach Mand-
jura, el Duem oder Fakischowa
am weißen Nil, andere nach
Dabbe am Nil in Dongola.
Dort erwarten sie die arabi-
schen Händler (gellabas). Die
Nubier transportieren das
Gummi in Ziegenfellsäcken.
Die Händler bringen es dann
in oben verengte Bastkörbe
(llahäwi), die c. 125 kg fassen
und auf Kamelen transportiert
werden. [Im Durchschnitt ladet man 3 — 4 Cantar (a 100 Rottoli) auf ein Kamel
(Pallme).] In Khartoum werden sie dann bis zu 200 kg aufgefüllt. In den Nil-
stationen wird das Gummi von der angio- ägyptischen Regierung mit der Regal-
taxe von 20 "Iq ad valorem belegt. (Schlechte Sorten zahlen weniger.) Während früher
das Rohgummi des Sudan zunächst auf dem Rücken der Kamele, dann auf dem Nil
über Berber, Dongola, Mokrat und Wadi Haifa nach Kairo und Alexandrien oder von
Berber über Land nach Suakini bzw. von Kassala nach Massaua an das Rote Meer
o
o
5
Gummi arabicum.
421
gebracht wurde, strömt es jetzt fast ganz in Khartoum resp. dem gegenüber gelegenen
Omdurman (am Zusammenfluß des weißen und blauen Nil) zusammen. (Fig. 146.)
Auch die Ghezireh-, Gedaref- und Talhasorten werden jetzt dorthin gebracht und
während früher das Gummi unsortiert nach Europa kam und sich z. B. in Triest die
Gummiauslese zu einem besonderen Beschäftigungszweige entwickelt hatte, wird jetzt
D ^
I !
c
Q ^
viel Gummi schon in Omdurman vorläufig ausgelesen (Fig. 145), sortiert und bis-
weilen auch, wenn nötig, in der Sonne gebleicht — in Omdurman befinden sich
große Bleichanlagen. Immerhin ging noch igo8 die Hauptmenge des Gummi un-
sortiert nach dem Norden. In Hamburg hat sich seit Ende des XIX. Jahrh. die
Triage entwickelt.
Als beste Sorten gelten: Picket turkey gum und white sennaar gum. Die
Haupthandelssorten werden im Sudan und Ägypten nach der Größe der Tränen unter-
422
Gummo-Membranindrogen.
B
f
M-
schieden: hold, large, medium und gramilar, dann nach der Qualität: hard gura (in
Triest: Khartumgummi). hart, glasig von hoher Viskosität, meist im bold und large
Gummi prävalierend, bleached gum, d. h. in der Sonne gebleichtes Gummi, brüchig
und heller infolge der zahlreichen Risse, von geringerer Viskosität. Glasige Sorten
werden nicht gebleicht. Das Bleichen verändert die Farbe übrigens nur wenig; sorts
ist unsortiertes Gummi. — Die
Viskosität hängt nicht von der
Grösse der Körner ab (Beam).
Das weniger wichtige
Talh gum wird von zwei
Varietäten von Acact'a Seyol
in Kassala am blauen Nil,
bei Karkoj mamuria im süd-
lichen Teile des Wad-el-ab-
bas-mamuria und im Roserires
Distrikt gesammelt, nämlich
von der Talha hamra (= roter
talh) und von der Talha beida
(z= weißer talh) oder soffar,
A. Seyalxax. fistida. Bei diesen
handelt es sich um natürlich
austretendes geringeresGummi.
MuRiEL berichtet von Insekten
die diese Bäume bewohnen.
Das Gummi von A. vera
WiLLD. i^Acacia arabicd), im
Sudan santa (plur. sant oder
sunt) genannt, ist weniger be-
nutzt. Das Verwunden wird
hier durcli Herausschneiden
von 2 — 3 Zoll großen Stücken
aus der Rinde bewirkt und
die Wunde geschlagen.
Es vergehen für gewöhn-
lich 6 Monate bis die ganze
Ernte des Sudangummi nach
den ägyptischen Ausfuhrhäfen
und dort zur Verschiffung ge-
langt (Gehe).
Auch im Somalilande
werden die Acacien angeschnitten (Vaughan, Miles) und unterhalb der Schnittwunde
eine Ba.stbinde angelegt. Dies erfolgt Anfang März, die Ernte beginnt einen Monat
später und dauert bis zum September (Paulitschke). In Abyssinien wurde auch noch
1905 Gummi ganz vernachlässigt, obwohl dort die gleichen Arten wie im Somali-
lande vorkommen.
Lit. C. E. MURIEL, Rep. on the forests of the Sudan. 1901. — DAvm, Kordofang.
Apolh. Zeit. 1901, Nr. 97. — Beam, in III Rep. Wellcome Resarch. Laborat. Khartoura 190«.
ö
3 3
Gummi arabicum.
423
— Hartmann, Reise d. Freih. v. Barnim. Berlin 1863. — Pallme, Beschreib, von Cordofan
(Jahresber. 1842, 339). — Vaughan, Jahresb. d. Pharm. 1852, 86. — MiLES, Journ. R. geogr.
Soc. 22 (1872J 64. — PaUHTSCHKE, Ethnographie Nordostafrikas. 1893. — Haggenmaciier,
Reise im Somaliland. Peterm. geogr. Mitt. 1876.
Daß Cordofan- und Senegalgummi identisch sind und daher von derselben
Acacmart stammen müssen, bemerkte zuerst Flückiger (1869), nachdem Cienkowsky
{1848) festgestellt hatte, daß A. Senegal, die Guille.min und Perrottet (1824 bis
1829) am Senegal gefunden, auch im Stromgebiete des Nil vorkommt und Schwein-
FURTH (1867) gezeigt hatte, daß das beste Cordofangummi in der Tat von A. Senegal
stammt. Aber wie auch beim Sudangummi einige Sorten nicht von A. Senegal sX&mxiiQn,
so stammt auch nicht alles Senegalgummi von dieser Pflanze. Nur das gomme du
bas du fleuve wird hiervon abgeleitet, das Galamgummi dagegen von anderen Arten
{A. Vera, A. albida, A. Neboued).
Über die Gewinnung des Senegalgummi sind wir durch zahlreiche franzö-
sische Forscher orientiert worden. Acacia Senegal bildet im Senegalgebiete lichte Be-
stände. Sie geht bis an die Grenze der großen Wüste, in die Oasen derselben und
nachBornu (Rohlfs). Die bedeutendsten Gummiwälder (Krabbas) finden sich in Sahel
im Gebiete des maurischen Stammes der Trarsa, (Fig. 148) der sich von der Küsten-
A5S3ba
D u a i s c h
'•^^ H a a r /■ 3
Fig. 148.
Die Distrikte des Senegalgummi. [Tschirch gez.]
landschaft am rechten Ufer des Senegal aufwärts bis Dagana und tief ins Innere
erstreckt. Dann liegen Krabbas bei Alfatak zwischen dem See von Chomak (Kayak)
und der Stadt Podor am Senegal und im Lande des Braknastammes. «Diese nördlich
vom Strome liegenden Gehölze liefern das vorzüglichste Gummi in reichlichsten Men-
gen, doch sind eigentlich auch die den Franzosen unterworfenen linksuferigen Ge-
A2A Gumnio-Membianindrogen.
biete Walo (Ualo) und Ca}-or (15" n. B.), welche vom Negervolke der Dhioloffen
(Djoloi') bewohnt sind, nur ein ungeheuerer Gummiwald» (Flückiger). Ferner sind zu
nennen die Wälder von Dimar, Toro (am linken Ufer des Senegal), Chamana (am rechten),
Diubuldu, Djeuleuss, Ndombo, Sanente, Bökel, Ndiaien, Lerabc, Diambur (Louvet).
Das Einsammeln betreiben im Unterlande (bas du fleuve) besonders die maurischen
Nomadenstämme der Trarsa, Brakna und Duaisch am rechten Senegalufer bis Bakel
(15" n. B.), dann die Negerstämme im Galam- oder Gadingalande und oberhalb
Galam (Kadschaga, en haut du fleuve) am Falemefluß die Bewohner der Landschaften
Bondu und Bambuk, sowie die der Fulah- und Guidimakhadistrikte. Die Gegenden am
Gambia (Rivieres du Sud), am Cazamonce, Rio Grande, Rio Pongo und Melacoree,
welche Flüsse alle in den Ferlobergen entspringen, liefern kein Acaciengummi (Cotton).
Die Franzosen, die den ganzen senegalensischen Gummihandel in Händen haben,
unterscheiden die gommes du bas du fleuve, vom Unterlauf des Senegal (Dagana,
Podor, Wüste von Bunun, Gebiet der Brakna) und die gommes du haut du fleuve
oder Galam, vom Oberlauf (Galam, Bakel, Medine). Der Unterlauf des Senegal, das
Unterland, reicht ungefähr bis Mafu, bis wohin der Strom auch bei niederen Wasser-
stande schiflTbar ist. Das weiter aufwärts liegende Gebiet ist das Oberland. Für reich-
liche Gummiproduktion scheint ein vorhergehender regelmäßiger Regenfall von min-
destens 40 — 50 cm im Juli, August und September und dann im Dezember und
Januar (nach Guillemin und Duveyrier im Oktober und November) folgende an-
haltende, starke und heiße Ostwinde (mbohio, harmattan) aus der Wüste unerläßlich
(«Wenn der Scirocco fehlt, kommt es auch nicht zu einer Gummibildung», Cotton).
Die letzteren trocknen die Rinde aus und bringen sie zum bersten (Louvet, Per-
GOLotte). Je stärker und anhaltender der Wind, um so stärker ist auch der Gummi-
fluß (Guillemin). Einschnitte scheinen nirgends gemacht zu werden. Das Gummi tritt
aus den natürlichen Wunden aus. Nach dem im Sudan gemachten Erfahrungen
(s. S. 417) würde das Senegalgummi wesentlich verbessert werden, wenn
man die Eingeborenen veranlassen könnte, Einschnitte zu machen, denn
das natürlich austretende Hashab wady ist ja auch in Cordofan minderwertig (s. oben).
Die Pflanze blüht im Unterland im Januar bis März, im Oberland im November
bis Februar. Das Gummi tritt vornehmlich zur Blütezeit des Baumes oder unmittel-
bar nachher aus. Der Gummifluß erreicht seinen Höhepunkt zwischen Mitte März
und Mitte April kurz vor Eintritt der Belaubung. Die Einsammlung (Traite) erfolgt
vom Dezember oder Januar an. Die Bäume liefern Gummi vom 6. bis 7. Jahre.
Wenn sie 3 — 4 Jahre Gummi lieferten, tritt eine Ruhepause ein. Im Januar und
Februar treten bisweilen Seewinde, die reichliche Taubildung oder gar Regen bedingen,
ein. Sie erzeugen eine zweite Saftfülle und (im März) unter Umständen eine zweite geringere
Sekretion, können aber auch die ganze Ernte schädigen oder vernichten. Auch Cotton
berichtet (1893) von einer zweimaligen Einsammlung: die beste Sorte im April bis Juni
(grande traite), eine geringwertige im Dezember bis Februar (petite traite). Die leicht
erreichbaren Gummitropfen werden mit der Hand, die schwer zu. erreichenden an
den oberen Teilen des Stammes mit an Stangen befestigten scheren- oder löfTel-
artigen Werkzeugen abgebrochen (Guillemin). Die Einsammlung soll besonders durch
Sklaven oder durch Kriegsgefangene der nomadisierenden Stämme am rechten Ufer
des Senegal erfolgen. Die Sammler ernähren sich, sobald ihnen die mitgenommenen
Nahrungsmittel ausgehen, von dem Gummi. Der Ertrag wird oft durch Epidemien
unter den Eingeborenen und durch Feuer vermindert. Das gesammelte, meist in
Gummi arabicum. 42 5
ganze Ochsenhäute (zu 70 — 120 kg) verpackte Gummi wird auf Kamelen, Ochsen
und Eseln nach den Stationen gebracht. Die Kamele tragen c. 300 kg, die Ochsen
120 — 150 kg, die Esel c. 80 kg. Das Gummi wird von den Franzosen an bestimmten,
nach gegenseitigem Einverständnis gewählten Uferstellen (Escales) gegen Tauschartikel
wie Getreide, Zucker, Reis, Quincaillerie, Waffen, Schmuck, Pulver, Gewebe und be-
sonders einen blauen BaumwoUstoflF, genannt «la guinee», eingetauscht. Diese Escales
oder Handelsstationen am Senegal, bei denen die Kamelkarawanen oft erst nach
50 — 60 tägigem Marsch eintreffen und auf denen man oft hunderte von Kamelen sieht,
sind (Fig. 148) für Gomme du bas du fleuve: Dagana (167 km von der Küste), Podor
(267 km), Saide (461km) und Matam (6öi km). Zwischen Matam und Bakel wird
ein Gemisch von gutem Gummi mit Galam an den Fluß gebracht und bei Bakel
(850 km) beginnt die Region des Galam. Sie reicht bis Medine (1150 km), wo der
Fluß einen großen Wasserfall bildet, der der Schiffahrt eine Grenze setzt (Cotton
1893). Das Gummi geht dann auf dem Senegal nach der Hafenstadt St. Louis an
der Mündung des Senegal, wo jetzt eine vorläufige Sortierung durch die Societe des
Importateurs-Trieurs erfolgt (weniger nach Rufisque und Freetown), und von dort (in
Jutesäcken ä 80 — 90 kg) nach Bordeaux. Dort erfolgt die eigentliche Triage, die
Sortierung. Es wird das viele Rindenreste enthaltende Trümmergummi (baquaques ou
marrons rotis), sowie etwa beigemengtes Harz (z. B. Bdelliuin) entfernt und der Rest
durch die Trieurs in die üblichen Handelsorten (s. unten S. 431) sortiert. Der Auf-
schwung des Senegalgumraihandels datiert von der Einführung der Triage in Bordeaux.
1905 war die Produktion des Senegalgummi bedeutend zurückgegangen, da sie
sich durch den niedrigen Preisstand des Sudangummi als nicht mehr lohnend
erwieß. Auch hinderte die Besetzung der nördlichen Landstriche am rechten Ufer
des Senegal, Podor und Kaedi, durch französische Truppen die Eingeborenen von
den Stämmen der Trarsa und Brakna an der Einsammlung und in manchen Gegen-
den wurde sie ganz aufgegeben. Das über Timbuctu ausgeführte deckte nicht einmal
die Transportkosten (Gehe).
Lit. GuiLLEMiN, Perrottet et Richard, Flor. Seneg. tent. I, 246. — Duvetrier,
Les Touareg du Nord I (Paris 1864) 164. — SoUBEIRAN, Des gorames du S^nigal. Journ. pharm,
1856, 53. — LouVET, Voy. d. 1. forets de gommiers. Journ, pharm. 24 (1876), 405. — CORRE,
Journ. pharm. 24 (1876), 318. — FlüCKIGEr, Gummi u. Bdelliura. Schweiz. Wochenschr. 1869.
— Berenger-Feraüd, Les peuplades de la Senegambie. 1879 (Einsammlung). — CoTTON, La
traite des gommes au Senegal. Journ. ph. 1893, 598. — (D. Gummihandel am Senegal). Bull.
Soc. ph. Sud-Ouest (Pharm. Post 1896). — Gehe, Handelsberichte.
Handelssorten. Im Folgenden werden die Sorten in zwei getrennten Gruppen
behandelt: Acaciengummi und Gummi von anderen Pflanzen. Das Rohgummi ist ein
Gemisch sehr verschiedener Qualitäten, stammt auch bisweilen von verschiedenen Stamm-
pflanzen. Schon Ehrenberg bemerkt, daß ein und derselbe Baum oft durchscheinendes,
mattes, helles und gefärbtes Gummi liefert. Wie beim Traganth (s. d.) werden die ver-
schiedenen Handelssorten durch Auslesen (triage, picking, scelta) des Rohgummi hergestellt.
Diese Auslese geschah bei Sudangummi früher fast ausschließlich in Triest, jetzt zum Teil
schon in Khartoum (Fig. 145), beim Senegalgummi besonders in Bordeaux (s. oben), bei
den anderen Gummis in London, Hamburg u. and. Häfen. Prof. MoRPURGO-Triest schreibt
mir (191 1): «Die alten, patriarchalischen Geschäftsverbindungen der Triestiner mit den
ägyptischen Händlern haben aufgehört, so daß jetzt die Vermittlung des Triester Marktes
im Gummihandel nur noch wenig Bedeutung hat. Das Geschäft entwickelt sich entweder
A2() Gumrao-Membranindrogen.
direkt zwischen den ägyptischen Häusern und den Konsumenten, oder die ^^'are
wird von deutsclien, französischen und speziell englischen Spekulanten eingekauft, und
infolgedessen konzentriert sich das Geschäft mit ägyptischen Gummi immer mehr in
Hamburg, Bordeaux und London. Auch nach New York wird direkt viel Gi/mmi
arabicum exportiert. Was die Gummiauslese betrifft, so hat noch immer Triest dafür
ein Renommee, es gibt nämlich noch eine Menge von Arbeiterinnen (Sessolote ge-
nannt), welche in der «Scelta della gomraa» eine außerordentliche Praxis besitzen.»
Für pharmazeutische Zwecke eignen sich nur die besten Sorten
Cordofan- und Senegalgummi.
I. Acaciengummi.
Acaciengummi kommt aus Afrika, Indien, Australien und Amerika. Doch liefern
die einzelnen Arten ein sehr verschiedenwertiges Produkt. Unter den afrikanischen
Sorten befinden sich die besten Gummis und das vorwiegend für pharmazeutische
Zwecke brauchbare \on Acacia Senegal.
A. Afrikanisches Gummi,
a) Nilgummi aus dem Stromgebiete des oberen Nil südlich vom 20" n. B.
1. Westliches Gummi, Cordofan- oder Sudangummi, das Hashab ge-
neina G. (S. 417). Die beste Sorte: Picked Turkey oder Picked Cordofan, diese
nur von Ac. Senegal [der Name turkey oder türkisches Gummi ist \'ielleicht aus torg-
Gummi (gomme turique), einem alten Namen für Sudangummi korrumpiert, Torg soll
ein Hafen bei Suez gewesen sein, ein Tor liegt auf der Sinaihalbinsel]. Cordofan
liegt westlich vom weißen Nil zwischen dem 10. und 15." n. B. (s. die Karte S. 429).
Gewinnung oben (S. 417) beschrieben. Bestes Gummi des Handels, zum
pharmazeutischen Gebrauch geeignet (Gummi arabicum officinale), klar löslich,
linksdrehend (S. 427), Lösung färb-, geruch- und geschmacklos. Weiches helles Gummi,
wird am höchsten geschätzt, hartes, besonders gefärbtes weniger. Die besten Sorten
sind fast farblos. Die rundlichen oder wurmförmigen Stücke haben selten mehr wie
2,5 cm Durchmesser, sie sind innen mehr oder weniger glasig, außen stark rissig
und trübe. Das Cordofangummi kam früher nach verschiedenen Stationen am Nil (vgl.
S. 420), jetzt fast ganz nach Khartoum bzw. Omdurman am Zusammenfluß des weißen
und blauen Nil und geht entweder auf dem Nil oder zum Teil auf Karawanen-
straßen unter Umgehung der Nilkatarakte nach nördlicheren Nilstationen, wenig erst
auf der Eisenbahn Khartoum-Kairo nach Alexandrien. Cordofangummi findet sich in
Schilfmatten von pyramidenförmiger Gestalt, die außerdem mit Sackleinen umnäht
sind und im Handel deshalb die Bezeichnung Ballen führen (Weigel 1905). Man
unterscheidet beim Sortieren (nicht in Cordofan) hartes (hard) und weiches (soft)
Gummi. Das harte wird in der Färberei und Seidenfabrikation, das weiche in der
Confiserie und Pharmazie' benutzt.
Die Comtoercial grades des Kordofan Gummi Hashab sind (nach Beam in Khar-
toum): Grossgum as 11 is gathefed (Natural Turkey sorts), — Sifled and cleaned sorls — sif-
ted and cleaned sorls. Medium — partly cleaned and sifted sorts — bleached gum Selected
Bold, — bleached gum. Selected Medium — Half bleached gum, — Selected sorts. Bold, —
Selected sorts, Large, — Hard selected sorts, — Granulär sorts cleaned, — Pickings, partly
cleaned, — Pickings, uncleaned, — Siftings. Die ersten 8 geben helle Lösungen, die 3 folgenden
gelbliche, die 3 letzten dunkle.
Acaciengummi.
427
In Tri est wird sortiert in: Chartum und Cordofan, das erstere hell, hart wie
Senegal und eine viskose Lösung gebend, das zweite, das höher bezahlt wird, (bianca
scelta, bionda scelta, rossa scelta) ist weicher, zeigt Risse und verliert in der Sonne
die Transparenz, eine blasse Lösung gebend von geringerer Viskosität. Weitere Sorten
sind : granis crivellato, bianca friabile naturale, mezzo friabile nat., dura nat. und granello
naturale. Der österreichische Drogenhandel unterscheidet daher: Natur. Cordofan
weich; Natur. Khartoum hart; Natur. Granis grob; elect. albiss. ; alb.; flav. ; granello.
Der deutsche Großhandel unterscheidet (1910) (nach dem Preise geordnet) : Cordofan
el actum: mittelstückig, albissimum — blondweiß, weich, groß- und mittelstückig
— weiß, mittel- und kleinstückig — blond, großstückig — granello, weiß-fein-
grob — granis, hochfein-ffein-grob — naturell. — Kolli ä 100 kg. Die beste Sorte
(albissimum) ist etwa viermal teuerer als granis und naturell.
Fromm fand bei Cordofangummi:
Lösung, spe-
zifisches Ge-
wicht 1,035
•s
6
B i
:« 0
I:
1
■5 1
u
u
'S
0
>-•
1 §
Q ^
Allialische
Kupferlösung
wird
0
an
a
tu
0
hell u. klar
wenig
15
2,21
2,5
— 2»281
etwas reduziert
2,29
14,1
hell
mäßig
20
2,0
2,4
_2«23l
kaum reduziert
2,20
14,6
»j
7'
IS
2,17
4,45
— 2''29'
etwas „
2,10
15,2
ij
wenig
52
2,23
2,35
-2»47'
kaum ,,
2,13
15,3
sehr hell
mäßig
II
1,59
2,3
— 2»36'
deutlich „
2,10
11,3
Lemeland fand in Cordofang. 15% Wasser, 2,5°/o Asche, 35,7% Galaktane, 4i,i°/o
Pentosane. Es lieferte Arabinose. Die Analysen von Be.\m s. unten (S. 444), die von Martina
S. 437. Weitere in Bullet. Imper. Instit. London. igo8.
Das Sudangummi scheint im Altertum und Mittelalter unbekannt gewesen zu
sein. Es ging früher meist auf der Karawanenstraße von Berber (am oberen Nil)
nach Suakim am Roten Meer und nach Kairo (Berber und Suakira sind jetzt durch
eine Eisenbahn verbunden). Auch damals schon war Khartoum ein wichtiger Gummi-
platz. Dort strömten z. B. 1876 loooo cwts Gummi zusammen. Der blühende
Sudangummihandel wurde aber zunächst gelähmt — die Zufuhren von Triest z. B.
sanken von 20637 Kolli (1880) auf 10383 Kolli (1883) — , dann fast ganz zer-
stört, als 1882 die sudanischen Wirren begannen und der Sudan 16 Jahre in Auf-
ruhr sich befand, der jeden regulären Verkehr, namentlich auf der Route Khartoum-
Kairo, unmöglich machte. Neufeld, der 1887 nach Cordofan reiste, um Gummi zu
erwerben, büßte sein Unternehmen mit zwölfjähriger Gefangenschaft. Bis zum Sep-
tember 1898 befand sich Khartoum, bis November 1899 ganz Cordofan in den
Händen der Mahdi (Kalif Abdullahi). Der Kalif hatte den Export von Gummi
bei hohen Strafen verboten, da er es zur Verproviantierang seiner Truppen brauchte,
auch der Abgang von Kamelen von Berber und Suakim nach Cordofan war
untersagt. Gummi gelangte daher nur auf Schleichwegen aus dem Sudan nach Europa.
i888|89 war kein Cordofangummi im Handel. 1888 — 1890 erschien zunächst Ghe-
zireh als Ersatz und nun machten die anderen Gummi produzierenden Länder (Indien,
Australien, Kap, deutsche Kolonien) Anstrengungen, ihr Gummi einzuführen, was be-
sonders dem Senegalgummi überraschend schnell gelang, so daß es bald den Platz
A28 Guimiiü-Meinbranindrogcii.
des Cordofangummi einnahm. 1890 wurde der Sudanhandel zwar wieder freigegeben,
aber es erschien auch 1891 noch kein Gummi und 1802 nur schlechtes sog. Char-
tumi. Die Verhältnisse blieben bis 1S99 schwierig. Der 1896 einsetzende Feldzug
der Engländer, der Gordon das Leben kostete, endete mit dem Falle des Mahdi
(1809) und nun kamen allmählich die großen aufgespeicherten, zum Teil vergrabenen
Gummivorräte in den Handel. Während Alexandrien, das nun Gummiexporthafen
wurde, 1898 nur 257149 Ibs Gummi (jeder Provenienz) ausführte, betrug der Export
von Cordofangummi 1899 schon: 4160100, 1900: 6042050, 1901: 16937550,
1902: 21791000, 1903: 18939747, 1908: 17 Mill. Ibs und erreichte 1909 die
enonne Höhe von 26 Mill. Ibs, trotzdem seit i. September 1904 laut Verfügung des
Generalgouverneurs des Sudan der Ausfuhrzoll 20 "/^ des Wertes beträgt. Aber die
Handels Verhältnisse haben sich verschoben. Von der Ausfuhr von Cordofangummi
ig02 gingen nunmehr nach Hamburg c. i Mill. kg, nach Frankreich c. 3 Mill. kg,
nach England c. i'^j.^ Mill. kg, nach New York i^/^ Mill. kg, nach Triest aber nur
787050 kg. Deutschland, das sich in der kritischen Zeit mit Senegalgummi beholfen,
importierte 1902 Cordofangummi c. 2 Mill. kg, ostindisches Gummi c. i 'I3 Mill. und
anderes Gummi c. i^j^ Mill. kg. Seit 1906 verdrängt nun wieder das Cordofangummi,
das heute ein beliebtes Spekulationsobjekt geworden ist, das Senegalgummi. Ein Teil
des arabischen Gummi geht auch nach Bombay und kommt von dort mit den in-
dischen Gummis nach Europa (s. unten).
2. Ostliches Gummi. Unter diesem Nameo werden von mir hier G. verschiedener
Gegenden östlich vom weißen Nil zusammengefaßt.
Sennaargummi. Die Landschaft Sennaar (Sennär) liegt in dem Dreieck zwischen dem
weißen Nil (Bahr el Abjad) und blauen Nil (Bahr el asrak), südlich vom Zusammenfluß beider
(s. die Karte S. 429). Die Sennaarg. gelangen jetzt gleichfalls nach Khartoum, früher
vielfach über Land via Berber und Kassala nach Suakim und Massaua, besonders von
Ghezireh und Gedaref (östlich von Khartoum, südwestlich von Kassala, 14° n. B.) und von
Distrikten zwischen Sernaar und dem roten Meer. Obwohl sie im Aussehn dem Cordofa-
nischen G. gleichen, müssen sie von anderen Arten stammen, denn sie drehen meist rechts.
Die linksdrehenden stammen wohl von A. Senegal. Gute Sorten heißen meist Gedaref (auch
hashab geneina gedaref).
Jedenfalls ein Teil des gelblichen Gedarefgummi kommt von A. fistula, einem Baume,
der z. ß. im Lande Schilluk (10° n. Er.) ganz außerordentlich verbreitet ist und dort so
kolossale Gummimengen produziert, daß ein Einzelner leicht 1 cwt täglich sammeln könnte.
A. fistula und A. stenocarpa finden sich am linken Ufer des Atbara bei Gedaref und weiter
südlich im Distrikt Kalabat und im oberen Stromgebiete des blauen Nil (ScHWEiNFURTH 1874).
In Faschoda wird das G. von A. verugera SCHWF. gesammelt. Gedaref gum Hashab (1908)
sifted and cleaned sorts enthielt 8,52''/o Wasser und 1,12 Unlösliches. Die Acidität war =
2,95. Die Viskosität betrug 34° Retardation entsprechend einer 60% Rohrzuckerlösung. Die
Lösung war braun (Beam).
Auch das hierher gehörige Ghezirehgummi, das auch heute noch (1911) im Handel
ist und gute Preise erzielt — es bildet relativ kleine, fast glashelle, hell -gelblich -weiße
Körner — muß von einer anderen Acacia als A. Senegal abstammen. Sein ganz anderes
Drehungsvermögen deutet darauf (Fromm fand es zu + 3"). In den Distrikten südlich von
Djesirat fand David A. Seyal, A. spirocarpa und stenocarpa. In Khartoum gilt «gezira» jetzt
als Sekundasorte, da sein Schleim weniger konsistent ist als der des Cordofang. Gezirah (Ghezireh,
Gezira, Jerise, Djesire, Djesirat, Dschesire) liegt gegenüber der Mündung des Atbara, 17 — 18°
n. Br., also ziemlich weit nördlich. Etwas Ghezirehg. des Handels stammt aber auch von der
Hochsteppe der Bischari zwischen Nil und rotem Meer. Lemeland fand in vollständig lös-
lichem Gezirehg., das [a]D +45° drehte, 97„ Wasser, 4,i7o Asche, 27,8% Galaktane, 47,6 7o
Pentosane. Das G. lieferte Arabinose. Als während des Mahdiaufstandes die Ausfuhr von Cordo-
Acaciengurami.
429
fang, ganz sistiert war, gelangte Ghezirehg. auf dem Landwege zum roten Meer und bildete
z. B. 1888/89 die Ersatzsorte für das Cordofang. Jetzt steht es im Preise den schlechteren
Cordofansorten gleich. Das samagh savakumi ist eine schlechte Sorte des Ghesirehg. Das minder-
wertige G. aus der Landschaft zwischen Sennaar und dem roten Meer wird von A. fistula und
stenocarpa abgeleitet (Hkuglin). In Triest wurde igii von Gheziri unterschieden: in Sorte,
granello und granis.
Talhgummi (Talha, Talch, Talka) von A. Seyal (oder A. stenocarpa und fishda abge-
leitet, vgl. .S. 407), geht zum Teil nach Suakim, bildet kleine, zerbrechliche, verschieden von
Fig. 149.
Die Distrikte des Nilgummi. [TSCHIRCH gez.]
weiß bis rotbraun gefärbte Stücke oder ein Pulver und hat eine hohe Säurezahl, ja ist manch-
mal sogar relativ stark sauer. Die Lösung ist gefärbt und wird an Luft und Licht dunkler. An-
geschnittene Bäume liefern ein besseres Gummi, dessen Lösung nicht nachdunkelt, wie Versuche
in Khartoum zeigten. Talhg. gilt in Khartoum, wohin es jetzt ebenfalls gebracht wird, als
Tertiasorte. Bei Talhg. von Kassala schwankte die Acidität zwischen 2,75 und 6,29, die Asche
zwischen 2,42 und 4,42 "/o, die Viskosität {im Torsionsviskosimeter) zwischen 29,2° und 43"
A^io Gummo-Membranindrogen.
Ketardiition entsprechend einer 61,3 — 63,870 Rohrzuckerlösung. Talh-Gum sorts enthielt 7,77 "/o
Wasser, 2,87 "/o Unlösliches. Acidität = 4,50, Viskosität: 34° Retardation entsprechend einer
6:,2''/„ Rohrzuckerlösung (Beam).
Das wenig benutzte Santa- oder Sunt-Gummi wird von .1. arabica in Sennaar gesammelt.
Es ist von guter Beschaffenheit und löst sich zu einem hellen geschmacklosen Schleim (Beam).
Ein Gummi von Acacia arabica von Sennaar enthielt \lfi^°l^ Wasser, 2,02 °/o Asche, die Aci-
dität betrug 2,09. Ferner fanden sich 1908 in Khartoum: Das Kuk-Gummi von Acacia verugea
SCHWTTH., dunkler, löst sich nicht ganz. Es bleibt eine Gelatine zurück. Und das Gummi von
Acacia Suma Kurz {yl. campylacantha Höchst.), das Kakamut oder Sinein der Eingeborenen,
ist dunkler, aber vollständig löslich. Die Lösung schmeckt widerlich, etwas nach Terpentin.
Kadab heißt in Khartoum ein schmutziges wertloses G. (Muriel).
Auch das als Mittelsorte geltende, aber oft recht schlechte Suakimgummi (Savakim,
Savakumi, Sauakim, Hafen am Roten Meer) zum Teil von der Hochebene von Taka und angeblich
von A. stetiocarpa und fistitla gesammelt, ist hierher zu ziehen. Es ist sehr brüchig, im Handel
fast pulverig, hell oder gefärbt, oft rötlich, bisweilen rissig. Das Muster meiner Sammlung ist
sehr unrein. Von allen Acacieng. fand Wiesner das von A.fistiila am schlechtesten. Es bildet
meist ziemlich stark gefärbte Körner und dreht rechts. In Ägypten heißt das schlechteste G.
Samagh Savakumi (= G. von Suakim, Flückiger). Es ist nicht regelmäßig als Sorte im Handel
und wird vielfach mit dem Talkag. (s. oben) zusammengeworfen.
Somaligummi. Im Somalilande wird ziemlich viel und gutes G. gesammelt, z. B. in
der Gegend von Mieh im Innern (Revoil), im Jahre 2 — 3000 t (Paulitschke) , besonders von
A. abyssinica und glaiicophylla. Es geht wohl hauptsächlich nach Berbera, das 1904 viel G. ex-
portierte und Bender Felek, und von dort nach Aden oder Dschidda (Gedda) und hierher ge-
hört also wohl ein Teil des Adengummi und des Geddag. (s. unten). Das Rohg. wird von den
Somalis sortiert (safi = Auslese). Gute Sorten sind wordi (= feinkörnig) und adad (= grobkörnig),
dunklere heißen djerjun, schlechte lerler (H.\ggenmacher). Ich habe in meiner Sammlung zwei
Muster Somalig., das eine, Karamg. (Karam ist ein Hafen in der Nähe von Berbera), bildet
große hellgelbe Knollen, die nicht ganz löslich sind, das andere, Jairieg., ist ein buntes Ge-
misch farbloser, gelber und dunkelbrauner, rundlicher Stücke. Das Somaligummi ist wohl das
G., das die Ägypter vor 4000 Jahren aus dem Lande Punt holten. Das G. des in Ägypten
heimischen Sontbaumes {s. oben S. 407) scheinen sie weniger benutzt zu haben.
Auch das erythräische Gummi, das unter diesem Namen kaum noch nach Europa kommt,
von der erythräischen Kolonie stammt und südlich von Arkiko (bei Massaua) längs der Samhara-
küste gesammelt wird (die ganze Samharaküste ist voller Gummibäume, Munziger), geht oft
nach Dschidda und kommt dann als Geddag. (s. d.) zu uns. Es stammt von A. Senegal und A.
Seyal (Schweinfurth). In Triest wurde igii eine Sorte als Massauagummi unterschieden.
Adengummi. Nach Aden gelangt außer Somalig. auch Zeylag. Unter dem Namen
Adeng. geht wohl vorwiegend ersteres. Ein Teil stammt aus Arabien. Das Adeng. meiner
Sammlung besteht aus ungewöhnlich großen, bis 5,5 cm breiten, innen glasigen, außen grobrissigen
Stücken, die oft im Innern eine Höhlung haben. Adeng. lieferte 3,7°/,, Asche und enthielt nur
3,92°/„ Unlösliches. Aden exportierte 1905/06: c. loooo cwts G., das meiste nach Indien.
Das nach dem Hafen von Mekka Djidda (Djedda) oder Gedda (Jidda, Jedda) genannte
Geddagummi, das bisweilen auch nach der Landschaft Hedschas (Hidschaz), in der Mekka
und Djidda liegt, Hedschas - Gummi (samagh hidschazi oder hejazi) benannt wird, findet sich
noch jetzt bisweilen im Handel. Es war wohl das Gummi des Mittelalters. Es ist sehr ver-
schiedenen Ursprungs. Nach Hunzinger stammt die Hauptmenge von der Samharaküste zwischen
Bab el Mandeb und Massaua, und gelangt über Massaua (und Suakim) nach Djidda. Djidda ist
also nur Durchgangshafen. Dann kommt auch aus Berbera (Somali) G. nach Djidda, so daß
sich für Geddag. auch der Name berberisches findet. Neben dem Namen Geddag. finden sich
auch andere Namen für arabisches G., wie Mekkag., El wisch-Gummi u. and. In Triest wurde
1911 Gedda eletta, bianca, rosa und rossa unterschieden. Alle sind großstückig. Im Geddag.
fand O'Sullivan eine andere Gummisäure, wie im Cordofang., die Geddinsäure (s. unten S. 445).
Es stammt also jedenfalls nicht von A. Senegal.
Die Herkunft des neuerdings aus dem Innern von Arabien, wo verschiedene Acacien
wachsen, nach Makalla, Aden, Djidda oder über Land nach Damaskus gebrachten Gummis
Acaciengummi. a^ I
ist unbekannt, Südarabien sammelt wenig (Hanbüry). Doch traf Glaser 1887 im Innern
von Yeraen vorzügliches G. Die in Triest 191 1 gebändelten, früher über Gedda, jetzt über
Aden exportierten Sorten Litty, Sarki (Schiarky), Fachmi und Mecca Fachmi stammen aus
Arabien (Morpdrgo). Auch im Altertum scheint Arabien Gummi erzeugt zu haben (DiODORUS
SlCtTLUS, zur Zeit des Kaisers AuGUSTirs) , oder doch wenigstens Gummi über arabische Häfen
ins Mittelmeergebiet gekommen zu sein. Der uralte Name Gummi arabicum deutet aber keines-
wegs mit Sicherheit darauf, daß Arabien das Pro duktionsland war.
b) Senegalgummi. Das Senegalgummi des Unterlandes (bas du fleuve), d. h.
das nach dem Unterlauf des Senegal gebrachte Gummi, stammt von A. Senegal, das
des Oberlandes auch von anderen Arten [A. Noboued, A. vera, A. albida, A. Adan-
sonii, A. Seyal u. and.). Die Gewinnung des Senegalgummi ist oben (S. 423), die
chemischen Eigenschaften S. 437 geschildert. Hauptausfuhrhafen ist St. Louis an der
Senegalmündung. Das meiste Gummi geht nach Bordeaux, wo die zweite Sortiertmg
(triage) durch die trieurs erfolgt (s. oben). Der Gummihandel am Senegal ist Monopol
französischer Firmen. Auch die Royal- Niger -Compagnie exportiert Gummi. (1906:
6080 cwts) Die Verpackung geschieht in Säcken aus Ochsenhaut ä 70 — 120 kg. Das
Senegalgummi nimmt nach dem von Jahr zu Jahr steigenden Export an Erdnüssen
(Arachis hypogaed) unter den Produkten Senegambiens meist den ersten Rang ein. Es
geht frei nach Frankreich. Auch beim Senegalgummi unterscheidet man harte (dures)
und weiche (molles, friables) Sorten. Rohes Senegalgummi wird in drei Haupt-
klassen eingeteilt:.
1. Hartgummi. Gemme du bas du fleuve (Pudor). Besteht aus ziemlich
großen, runden, wurmförmigen oder unregelmäßig geformten Tränen, variierend von
fast farblos bis dunkelgelb.
2. Gemme du haut du fleuve (Galam). Kommt vom oberen Senegal. Die
Tränen sind kleiner als die von «Bas du fleuve» und im ganzen dunkler.
Der Ausdruck Galam wird übrigens sehr verschieden benutzt, meist bezeichnet
er schlechtere Qualitäten und nicht nur solche vom Oberland. Galam (oder Kadschaga)
ist der Name der Landschaft bei Bakel (s. die Karte S. 423) am linken Ufer des Senegal.
Beide, besonders aber 2., werden oft mit glasigen Stücken von rötlicher Farbe
und bitterem Geschmack vermischt gefunden, die wohl von dem Gummi von A.
arabica und anderen Acacienarten herrühren.
3. Gomme friable (Salabreda). Dies ist besonders das Produkt von A. albida
(weißer Baum = Cedra beida oder korrumpiert Sadra-beida, Sadra-brada und Sala-
breda). Das Gummi ähnelt rohem Salz. Es ist sehr bröcklich und seine Lösung hat
weniger Viskosität als die der oben erwähnten Gummis. Gewöhnlich besteht es aus
kleinen Fragmenten oder wurmförmigen Tränen. Letztere sind oft fast farblos, aber
die Fragmente sind gewöhnlich dunkel gefärbt. Die Varietät korrespondiert in der
Qualität mit dem Talhgummi vom Sudan.
4. Ein Gummi vom mittleren Laufe des Senegal trägt bisweilen den Namen
Gomme Medine.
Nach der in Bordeaux vorgenommenen Sortierung unterscheidet man:
I. Gomme blanche. Bildet farblose bis schwach gefärbte, aber nie so schön weiße Stücke
wie Cordofang., von sehr verschiedener Größe (i — 4 cm). Die meisten derselben haben i cm im
Durchmesser und sind kugelig bis ellipsoidisch geformt, innen glasig und oft hohl und weisen
bisweilen eine netzförmig von Rißlinien durchzogene Oberfläche auf, welche, mit der Lupe be-
trachtet, eine feine Parallelstreifung erkennen läßt. Die einzelnen Stücke haben auch im Gegen-
satz zu den besten Sorten des arabischen Gummis geringen Glanz, was die Unterscheidung von
^3 2 Gumiiio-Mcmbranindrogen.
letzterem leicht macht. Eine zweite, dem Gomme blanche fast in allen erwähnten Eigenschaften
analoge Sorte bildet das:
2. Gomme petite blanche. Die einzelnen Stücke sind viel kleiner und haben nur einen
Durchmesser von 0,5 — 1,5 cm, wurmfürmiye, sind häufig.
3. Gomme blonde. Weingelbe Stücke mit einem Stich ins Rötliche, in der Größe jenen
der Sorte Gomme blanche ähnlich, die Oberfläche ist rauh ; mit der Lupe betrachtet zeigen sich
viele Runzeln und Streifen, hingegen wenige Sprunglinien. Innen glasig, bernsteinartig.
4. Gomme petite blonde. Diese Sorte hat kleinere Körner als die frühere, ist aber in
bezug auf die Eigenschaften mit derselben identisch. Der Durchmesser der einzelnen Körner
ist 0,5 — 1,5 cm.
5. Gomme vermicellie blanche. Weißlich bis blaßgelb gefärbte, Stalaktiten- oder
wurmförmige Stücke.
6. Gomme forte ä fabrique ist eine mit dem Gomme blonde im allgemeinen über-
einstimmende Sorte, welche jedoch dunkler gefärbt ist und aus ungleichen Stücken besteht,
daher ebenso wie die folgenden Sorten den bereits erwähnten als minderwertig nachsteht.
7. Gomme boules wird aus Stücken bis zur Größe einer Orange gebildet, ist blaßgelb
gefärbt und dürfte wohl künstlich geformt sein (für Reklaraeauslagen in Schaufenstern in Frank-
reich benutzt).
8. Galam en sorte besteht aus sehr ungleich, von hellgelblich bis rotbraun gefärbten
Stücken von sehr verschiedener Größe; es finden sich neben runden auch wurmförmige Körner
vor, sowie öfters Rindenstückchen, welche die Ware verunreinigen.
9. Gomme du bas du tleuve en sorte. Weingelb oder dunkler gefärbte, dicke,
wurmförmige, gestreifte oder gerunzelte Stücke, meist i — 3 cm lang, 0,5 — 0,8 cm stark. Oft
ist die Oberfläche mit dünnen Rindenstückehen bedeckt.
10. Salabreda en sorte (Sadrabeida). Dünne, ast- bis wurmförmige Körner, welche
eine weiße bis gelbe Farbe zeigen und von kleinen, sehr verschieden gefärbten Bruchstücken
und Rindenteilchen durchsetzt sind. Die Sorte ist sehr ungleich und stammt vielleicht von ver-
schiedenen Starampflanzen.
11. Baquaqueset marons. Diese Sorte ist von sehr geringem Werte, stark verunreinigt ;
es finden sich Rindenstückchen und andere nicht gummöse Substanzen vor, so daß der Gehalt
an Gummi gewöhnlich 73 "/o nicht überschreitet. Die Lösungen zeigen geringe Klebkraft und
die einzelnen Stücke sind ungemein verschieden gefärbt (licht weingelb bis rötlichbraun, grau-
lich, sogar schwarz), oft vakuolig. Der Geschmack der Lösung ist ein rein süßlicher und er-
innert an Karamel.
Die sogenannte Bruchware wird ebenfalls sortiert, und kommen im französischen Handel
folgende Sorten vor:
12. Gomme gros grabeaux. Körner bis 8 mm Durchmesser, auch astförmige Stück-
chen, welche etwas länger sind.
13. Gomme moyen grabeaux. Körner bis 8 mm Durchmesser, kommt im österreichi-
schen Handel unter dem Namen Granisgumrai vor.
14. Gomme menus grabeaux. Körner 2 — 3 mm im Durchmesser; enthält keine wurra-
förmigen Stücke.
15. Gomme poussiere grabeaux. Diese Sorte stellt ein ziemlich homogenes grau-
gelbliches Pulver dar, dessen Körner weniger als i mm im Durchmesser zeigen.
Oft findet man auch die Namen: Gomme grosse blanche — Grosse blonde, — Petite
blanche — Petite blonde — Blonde larmeuse — Damienne blonde ou rouge — En sorte en bas
du fleuve - — Galam — Salabreda, Sadrabeida (unrein) — Baquaques ou marrons rölis = Trümmer-
gummi (mit Bastfasern und Rindenstücken verunreinigte verklebte Massen [G. lignirode]) —
Außer Gros, Moyens und Menus grabeaux auch Fabrique grabeaux — Poussiere de gomme.
— Gomme pelliculee (Guibourt) ist ein Senegalg., dessen Stücke an einer Stelle von einem
gelblichen undurchsichtigen Häutchen bedeckt sind.
Der deutsche Großhandel unterscheidet: Senegal elect., weiß, mittelgroß —
naturblond, großstückig, hell — Granen und Granellen hell — naturell. Der
österreichische Handel: Grosse blanche, Grosse rouge und Granello. Auch die besten
Sorten erreichen nicht die Preise der besten Sorten Cordofan.
Acaciengimimi.
433
Fromm fand bei Senegalgummi
Lösung vom
spezifischen
Gewicht 1,035
Schäumt
a
'S M
3 2,
s i
.ti 0
Säuregrad,
ccm Zehntel-
Normal-
fci3
's
0
12!
Drehungsver-
mögen KD
Alkalische
Kupferlösung
wird
tao
C
a
a
■s
0
'S
i
5
hell
mäßig
3
1.94
2,1
— 2»26'
etwas reduziert
2,16
13.0
gelblich
"
9
2,0
2,1
— 2<'20'
,. ,,
2,06
14,1
gelblich
„
10
1,04
2,0
-I'>25'
,, >.
1,99
12,6
hell
stark
10
1,7
1.95
— lOig'
,. ,,
1,93
12,9
gelblich
mäßig
12
2,0
1.95
-2°l6'
>> ,.
2,23
14,0
sehr hell
)'
30
2,13
2,4
— 2°28'
'. ?,
2,17
14,4
sehr hell
„
35
2,41
2,3
-2''47'
kaum „
2,13
14.8
hell
stark
8
1,87
2,15
— 2''5l'
deutlich ,,
2,19
13.0
hell
,,
10
1,69
2,1
- i°44'
etwas ,,
2,12
11,2
gelblich
mäßig
35
1,9
2,0
-2''27'
„
2,15
12,7
lellbraun
„
18
1,58
2,25
C. 1°
kaum ,,
1.99
11,0
Möglicherweise brachten schon 1365 Kaufleute von Dieppe und Rouen, die «Pfeffer» holten,
Gummi von der westafrikanischen Küste, St. Louis wurde schon zu dieser Zeit gegründet, aber
erst 1449 tritt Gummi wirklich als Handelsartikel der portugiesischen Insel Arguim am Cap
Blanco auf (Kunstmann), welche Insel von 1638 an Stützpunkt des Gummihandels der Holländer
wurde, die die Insel eroberten, aber 1678 an die Franzosen, die schon vor 1664 sich am
Senegal festgesetzt hatten, abtreten mußten, von welcher Zeit an die Franzosen mit geringen
Unterbrechungen Herren des Gummihandels wurden. 1555 erwähnt Sebastian Münster Senegal-
gummi in seiner Cosmographie. Der Gummihandel war Sache der Compagnie des Indes occi-
dentales (I, S. 919), dann seit 1674 der Compagnie d'Afrique u. and. Gesellschaften. 1758 bis
177g war England im Besitze der Kolonie, die aber 1785 wieder an die Franzosen überging.
Damals wurde eine Compagnie de la Gomme gegründet, der 1786 die Comp, du Senegal folgte
(Durand). Bereits 1760 erschienen 18000 cwt Senegalgummi am Markt. Der Aufschwung datiert
von der Einführung der Triage in Bordeaux durch A. Doris pere 1832. 1865 erreichte die
Ausfuhr von Senegalgummi den Wert von fast 4'/2 Mill. frs., der Export betrug 2,4 Mill. kg,
1880: 3013624kg. 1884 wurde, als wegen der Erfolge des Mahdi im Sudan das Cordofan-
gummi ausblieb, das Senegal-Konsortium gegründet. 1893 betrug die Produktion bereits c. 8
Mill. kg (Cotton). 1894 betrug die Ernte: 40000 Ballen, 1895: Bas du fleuve 35000 Ballen,
Galam loooo Ballen. Das Senegalgummi war das herrschende Gummi des Weltmarktes ge-
worden. 1896 importierte Bordeau.x 38600 Säcke. 1897 betrug die Ernte: 29000 Ballen Bas
du fleuve und 2 1000 Ballen Galam, 1898: 20000 Ballen Bas du fleuve und 1 8 000 Ballen Galam.
1902 wurden 3 Mill. kg exportiert {20000 Ballen Bas du fleuve, 12000 Ballen Galam). Die
Preise für Senegal gingen aber stark zurück, seit Cordofan in bester Qualität wieder erschien
(1902) und die Einsammlung wurde, da weniger lohnend, eingeschränkt. 1903 erscheinen nur 6000
Ballen Galam im Handel und 1904 exportierte St. Louis nur 2370031kg, davon 1842610kg
Hartgummi von den nördlichen Distrikten des Senegal, 484095 kg vom Sudan und Senegambien,
37396kg Bruch und 5930kg Staub; 1905: 49482 cwts. 1905 betrug der Export: 49482 cwts.
Marseille empfing 1908 noch 6522 dz Senegalg., 1909 nur 4565, igro nur 2250 dz gegenüber
10094, 12204 """i 10781 G. anderer Provenienz (bes. Nilgummi). Neben Bordeaux kommen auch
Hävre und Paris als Stapelplätze in Betracht.
Das Senegalgummi scheint allmählich seine Bedeutung zu verlieren. Die Pro-
duktion schwankt jetzt zwischen 2 und 4 Mill. kg. Es findet in der Hauptsache nur
technische Verwendung (Caesar-Loretz).
c. Maroccogummi (Mogador, Barbarisches, braunes Barbary) aus Mogador, Saffi und Ma-
zagan verschifft, wird von A. gummifera WiLLD. (nach JACKSON = attalch) abgeleitet (Hooker),
spielt jetzt aber keine große Rolle mehr. Marocco verschiffte nach England 1905: 1731, 1906:
2073 cwts. Von dem Maroccogummi wurde (1891) die bessere Sorte als Mogador, die schlechtere
als Amrad unterschieden (Maeen). Es kam früher besonders aus den Provinzen Süs und Abda,
weniger aus Shedma und Duguella, jetzt auch aus Fessan. Es ist nicht immer ganz in Wasser löslich
Tschirch , Handbuch der Pharmakognosie. Bd. ü. 28
4-» , Guniino-MembranindroEcn.
iPereir.\, Guibourt). Neben diesem fanden sich auch unter dem Namen weißer Mogador helle,
vollkommen wasserlösliche Tränen, die wohl aus dem Sudan und von A. Senegal stammten. A.
giimmifera wächst in den Provinzen Blad Hamar, Rahamma und Süs. 1888, zur Zeit der
Gumminot, lieferte Mogador bessere Sorten. Bisweilen bilden Marocco, Mogador und Brown
Barbary drei unterschiedene Sorten. Maroccogummi dreht rechts und soll von allen Gummis
die geringste Menge Schleimsäure liefern (doch fand Martina 1894 c. 18 %, vgl. S. 437). Vom
Sudan wurde 1878 auch das Gummi von A. arabica nach Marocco gebracht (Hooker). Es
löst sich gut zu einer hellen geschmacklosen Lösung.
d. Ttmisgummi ist meist besser als das Maroccogummi. Es stammt von A. horrida
(Doumet-Adanson). Die Ausfuhr ist gering. Die Ausfuhr von Tripolis erreichte 1890 — 1900
nur den Wert von ä? 150—250 pro Jahr.
e. Capgummi und Orange River Gummi wird besonders von der im Herero-
lande weit verbreiteten Ac. honida Willd. (Dornbaum) gesammelt, dann auch von A. Karoo
Hayne (Karoobaum), die wohl mit A. capeiisis Burchell identisch oder nahe verwandt
ist (dies Gummi stammt vorwiegend \-om Orangefluß) und von A. Giraffae, die in Groß-
Namaqua und Damaraland häufig ist. Capgummi kommt auch als hartes und weiches
Gummi im Handel vor. Sein Aufschwung datiert von der Zeit der Gummimisere. Es ist
gefärbt und viele Stücke lösen sicli nicht klar in Wasser zu einem dicken Schleim (Vee).
f. Gummi aus den deutsch -afrikanischen Kolonien. Neuerdings — besonders als
die Gumminot Ende des XIX. Jahrh. am höchsten gestiegen war — hat man versucht, Gummi
sowohl aus Deutsch -Ostafrika (Usambara), wie aus Deutsch -Siidwestafrika (Angra Pequena,
Namaqualand) in den Handel zu bringen. Deutsch-Ostafrika liefert noch wenig (kaum für M. 1000
jährlich), Deutsch-Südwestafrika aber (nach dem Cap und direkt) viel (für M. loooo und mehr.
1897: 5000 kg, WoRLtE). Das Gummi der deutschen Kolonien ist von sehr ungleichem Werte.
Zum Teil mag dies darauf zurück zu führen sein, daß man die guten Gumrailieferanten noch
nicht kennt oder doch von den schlechten nicht genügend unterscheidet, zum Teil darauf, daß die
Auslese (Triage) noch in den Kinderschuhen steckt. — Man findet oft in dem gleichen Handels-
muster helle und dunkle, lösliche und unlösliche Stücke. Für pharmazeutische Zwecke ist es
unverwendbar. A. horrida vermag jedenfalls ein gutes Gummi zu liefern, das von A. iisamba-
rensis und Giraffae scheint jedoch minderwertig zu sein.
In Deutsch-Ostafrika sind besonders A. stenocarpa, A. usambarensis und A. spirocarpa,
vielleicht auch A. arabica, A. Seyal, A. veriigera, A. Stiihiinanni, A. Kirkii gummiliefernd. Die
gummiliefernden Acacien Ostafrikas hat T.a.ubert zusammengestellt (in Engler, Pflanzenwelt
Ostafrikas und Notizbl. d. Bot. Gart. Berlin Nr. 14, 1898).
Das Gummi aus Deutsch-Südwestafrika ist, da die gleiche Stammpflanze und zum Teil
wohl auch die gleichen Provenienzen in Betracht kommen, mit einem Teile des Capgummi
identisch. Jedenfalls stammt der größte Teil des südwestafrikanischen Gummi von A. horrida
(Warbürg, Marloth) und nur ein kleiner Teil von A. erioloba, A. Giraffae, A. albida und A. dulcis.
Gessert empfahl daher die Anpflanzung der A. horrida, des Dornbaums. Die Vegetations-
bedingungen in Deutsch-Südwestafrika, das sonst fast nichts hervorbringt,
eignen sich in derTat ganz außerordentlich für dieKultur vonGummiacacien und
außer .^. horrida möchte ich auch A, Senegal und A. arabica zur Kultur empfehlen.
Das Gummi von Angra Pequena, das Hartwich (1898) untersuchte, stammte wohl von
A. horrida WiLLD. Es besitzt eine starke Viskosität, dreht rechts, hat eine geringe Aschenzahl
(1,997 — 2,722°/o) und löst sich in Wasser. Gummi aus dem Hinterlande von Angra Pequena
drehte bald rechts: G. Tlach (= braun), bald links: G. Amrad (Dikterich). Eine dritte Sorte
war als Auruar bezeichnet. Hefelmann bestimmte in sog. Heiragummi von A. horrida den
Pentosangehalt zu 20,65—51,21 % (bestes Cordofan 29,4 "/o), das Wasser zu 8,5 — 17 %. Neuer-
dings untersuchtes Gummi von A. horrida WiLLD. aus Südwestafrika (Angra Pequena) erwies
sich als bestem G. arabicum gleichwertig (Meininger 1908). Ein Gummi von A. detinens BURCH.
vom nördlichen Hererolande (Watersberg) löste sich in Wasser und besaß starke Klebkraft,
war aber gelbbraun gefärbt (Mannich).
Das Gummi aus Deutsch-Adamaua, das 1909: 274 1 10 kg exportierte, wird in 3 Sorten:
Falli und Marrua von A. Senegal (und xanthophloea?) und Mumuye (von einem Combretum)
gebandelt (Dalziel, Bull. Kew Gard. 1910).
Acaciengummi. 435
Auch die deutsche Kolonie Togo liefert etwas Gummi. Das Gummi von der Station
Sansanne Manga in Togo, von einer mit A. arabica verwandten Art, untersuchte Fendler.
g. Das Gummi von Angola, der an Deutsch-Südwestafrika im Norden angrenzenden Kolonie,
stammt nach Moller von A. horrida WlLLD., A. etbaica, SCHWF., A. eruhescens Welw., A. al-
bida Del. (Cöcötö, Capollo, Espinheira).
h. Das Gummi von Nord-Nigeria (aus den Provinzen Bornu und Yola) stammt besonders
von Acacia Senegal (Kol-Kol), A. Seyal (Karumga) A. Suma (kara kaia) und A. Sieberiana (Kata-
labu u. Farin kaia). Die Ausfuhr betrug 1905: 4140, igo6: 6080 cwts. (Beschreibung und Ana-
lyse in Bullet. Imper. Instit. iqio).
i. Auf Reunion wird von A. dealbata und A. Lebbeck G. gesammelt (Bocquillon 1899).
B. Indisches Acaciengummi.
Die Pharmacographia indica bemerkt 1890, daß das aus Ostindien, besonders
Bombay, exportierte G. arabicum ausschließlich «vom Roten Meer» stammt, also ost-
afrikanisches Gummi ist. «No part of it being the produce of India.» Von dem
arabischen Gummi unterscheidet der indische Markt zwei Sorten: maklai (große runde
oder wurmförmige Stücke, ähnlich dem Senegalgummi) — nach dem Hafen Makala
genannt — und maswai (eckige oder wurmförmige Stücke) — nach dem Hafen
Massaua genannt — (Dymock). Auch die Namen Bombay pink und Aden pink
sind für Sudangummi in Indien in Gebrauch (Prebble).
Es wird aber seit 1893 auch Acaciengummi, das aus Indien selbst, und zwar
den Wüsten im Nordwesten, stammt, exportiert. Das Gummi von Sind (Karachigummi)
liefert besonders A. Senegal, dann auch A. arabica, die beide in der Wüste wachsen.
Das Oomarkoteggummi stammt jedenfalls von A. Äw^^a/ (Prebble 1893). Die besten
Qualitäten ostindisches oder Bombaygummi sind blaßbräunlich oder rötlich und
vollkommen in Wasser löslich. Das Pondicherygummi ist weniger gut. Das Gummi
von Acacia arabica aus Ostindien ist das Amrad-, Amraoti-, oder Oomrawatti-gummi
{von hamra = rot). Es bildet ziemlich große, zum Teil stark gefärbte Tränen und
gibt einen schwachen reduzierenden Schleim. Die dunkleren Stücke enthalten Gerb-
stoff. Fromm fand die Drehung — i" 12'.
Auch ein Teil des Ghatti, Ghäti oder Gatti gum aus Indien wird von A. arabica
gewonnen (Atkinson). Das Gummi der von Penjab bis Behar vorkommenden A. arabica
heißt in Indien Babul gum (babül-ki-gond, kikar, ki-gond, babül-gönd) und ist ein
minderwertiger Ersatz für Cordofangummi. Man sammelt es im März und im April. Ein
Baum liefert 2 Ibs (Watt, Dict.). Das Gattigummi meiner Sammlung (1888) bildet
relativ große, hellgelbliche, glasige Knollen. Der Namen Ghati (das Adjektiv ghati be-
deutet: aus dem Lande Desh stammend, Dymock) wird aber auch für das Gummi
von Anogeissus latifolius benutzt (s. weiter hinten S. 437).
Weniger Bedeutung besitzen die Gummis von Acacia lencophloea (ist in Wasser reichlich
löslich), von Ac. Catechn (auch fälschlich unter dem Namen babul gum gehend), hauptsächlich in
rundlichen, gefärbten Tränen (reichlich in Wasser löslich), von ^. »zoi/w/a Wall., kommt aus Nord-
indien unter dem Nameu Amritsargumrai in kleinen Tränen oder wurmförmigen Stücken (sehr
löslicii in Wasser) und von Acacia Farnesiana aus Sind, rundliche Stücke, hellgelb-rötlichbraun,
B 1
O M
1^
<
Kalk
in Gummi
0/
/o
Kalk
in der Asche
/o
4.
■■s
p 0
0.
0 .
« 0
0
S
3 ^
3
0?
tfl
0 ^
a '
Gesaint-
glukosen
/o
Galaktose
-f- Pentosen
7o
Arabisches
Arabien
3.6o
1,04
28,88
22,98
30,66
13,57
27,14
58.30
57,80
»
Senegal
Ghezireh
3.25
3.75
0,90
0,94
27,69
34,13
19,72
12,42
26,29
17,89
12,97
19,32
25,94
36.62
57,58
60,66
52,23
54,52
'
Sensal
3.30
7,i6
0,95
1,21
28,70
16,89
15,13
22,68
20,17
30,24
16,75
16,58
33.50
33,16
60,59
64.34
53.67
63,40
,
>»
3.30
1,07
29.39
12,30
16,68
22,40
44.80
61,53
61,48
j
Aden
3,70
J,33
35.40
18,68
24,90
15,26
30.52
56.90
55,42
1
>
Mogador
Neu- Holland
3.5°
0,50
0,78
22,30
18,10
45,82
24,13
61,09
13.90
10,85
27,80
21,70
50.31
43,75
51,93
82,79
f
Egypten
3.60
0,64
17.77
14,95
19,93
15,56
31,12
55.10
51,05
G. C
lartum
Keggias
Obemil
3.15
3,05
1.17
1,22
37.14
40,00
10,27
5.67
13.69
7,56
21,06
24,60
42,12
49,20
57,72
63.90
55.81
56.76
G. bianca
Sudan
3,30
1,00
30.30
6,72
8,96
17,60
35,20
42,76
44,16
Arabisches
Ostindien
4,16
0,97
23.31
14,75
19,66
17,68
35,96
56.52
55.62
G. Galam
Senegal
3.00
0,53
17,66
15.15
20,20
13,91
27,82
47.16
48,02
G. Adansonü
.»
4.05
0,61
15,06
4,00
5,34
21,10
42,20
46,1 1
47.54
A. Senegal
A. nilotica
.1
Egypten
3,30
2,80
2,60
0,78
1,36
0,77
23.63
45,00
29,61
10,03
5,91
13,40
13,37
7,88
17,86
13,89
21,44
30,10
27,78
42,88
60,20
43.80
49.13
70,80
41.15
50,16
78,06
A. homaloph.
A. Lebbeck
Melbourne
Isle d. France
2,20
3.25
0,78
0,49
35.45
15,07
55,41
22,99
73,77
30,75
9,75
17,10
19.50
34.20
71.57
66,20
93.27
64.90
A. dealbata
Van Diemensland
0,65
—
—
39,09
52,12
8,89
17,68
73.93
69,80
A. della Vesta
Australien
0,75
—
—
45.49
60,65
10,27
20,54
59,86
81,19
A. A
ngico
Brasilien
2,89
—
—
1,23
1,63
40,35
80,70
74.22
82,33
n. Gummi von Pflanzen, die nicht zur Gattung Acacia gehören.
A. Indische Gummis.
Außer den oben genannten G. von Acaciaarten produziert Vorderindien noch eine ganze
Anzahl anderer G. und bringt einige auch zur Ausfuhr. (1887 schon 60000 Quint.) Obenan steht hier
das G. von Feronia Elephantiim CoRR., einer in Vorder- und Hinterindien, Ceylon und Java
vorkommenden baumartigen Aurantiee, die viel G. aus der Rinde ausschwitzt. Dies Wood
apple gum ist das wertvollste indische G. Es findet sich in kleinen farblosen bis rötlich-
braunen unregelmäßigen Tränen oder großen Klumpen oder Stalaktiten oder hornförmigen
Stücken, ist, wenn nicht mit anderen G. vermischt (was öfter vorkommt), ganz (oder doch zu
7570) in Wasser löslich und gibt eine Lösung, die stärker viskos ist als die des G. arab. Die
Lösung rötet Lakmus, dreht rechts (-f 0,4°, FlüCKIGEr) und wird gefällt durch Alkohol, Am-
monoxalat, Alkalisilikat, Eisenchlorid, Bleiacetat und Bleiessig, Ätzbaryt, nicht durch Borax und
Pottasche. Es enthält 17"/,, Wasser und 5,12 "/„ Asche und gibt mit HNO, Schleimsäure. Es ist mit
C ara*. nicht identisch. Feroniableiarabat gab z. B. 14,76% PbO. Bleiarabat 30,6% PbO. Leme-
LAND fand im G. von Feronia Eleph. 8,4 °/„ Unlösliches, \ 7,7 "/„ Wasser, 4,3 "/o Asche, 5 1,8 "/„ Galak-
tane, 40,1% Pentosane. Es lieferte Galaktose und drehte [a]D ^ — 6'*4i. Es ist das beste in-
dische Ersatzmittel für G. arab. und wird als solches von der Pharmacopoea indica empfohlen.
Da es keine Oxydasen enthält, ist es also in mancher Hinsicht besser als jenes (GORIS et LEFi:VRE).
Ein anderes wichtiges G. ist das auch unter dem Namen Ghattigummi, G. indicum Ghäti
oder Dhaurag. (s. oben S. 435) im Handel vorkommende G. der Combrctacee Anogeissiis latifol.
WAI.L. (und A. pendula Edzw.). Es bildet jedenfalls die Hauptmasse des Ghati von Bombay
(Pharm, indic.) und wird in großen Mengen exportiert, etwas auch aus franz. Indien und Nord-
Nigeria. Es bildet rundliche oder wurmförmige, bernsteingelbe oder farblose, opake Stücke mit
glasigem Bruch, frei von Rissen, löst sich, wenn rein, in Wasser, hat die doppelte Viskosität wie G. a.,
ist also sehr wertvoll, seine besten Sorten auch für pharmazeutische Zwecke wohl brauchbar.
43S
Gummo-Membranindrogen.
Weniger wiclitig sind dann die folgenden indischen G. (vgl. Pharmacogr. indic). Zunächst
das G. von Melia Azadirachta L. (Meliacee) in großen Tränen oder wurmförmigen Stücken,
farblos bis bernsteinfarben, leicht löslich in Wasser, die Lösung gelatiniert durch Eisenchlorid
und Eleiessig, nicht durch Borax oder Bleiacetat (wird auch in Reunion, Gouadeloupe und Franz.
Indien gesammelt, Bocquillon). S-i'ictcnia Mahagoni (Meliacee) aus der Rinde, helle Fragmente,
löst sich leicht in Wasser, Lösung reduziert FEHLiNGsche Lösung. — Pithecohbium dulce (Mimosee)
in rundlichen Tränen von rotbrauner Farbe ; in Wasser löslich. — Pithecoloiium. Saman (Mimosee)
liefert ein schlechtes G., das in Wasser aufquillt. — Prosopis spicigera, viele Risse, sehr brüchig,
gibt eine dunkel gefärbte viskose Lösung, ein wertvolles Gummi, ähnlich dem Mesquileg. — Alhhzia
procera wächst bei Bombay. Das G. bildet rötlich-braune, glatte Tränen, wird beim Liegen opak
und löst sich dann nicht mehr vollständig, enthält oft Hyphen, Kristalle und Gewebetrümmer.
— Albizzia stipulata gibt ein dunkelgefärbtes G., das in Wasser nur aufquillt und nur wenig
öslich ist. — Albizzia Lebbeck bildet glatte Stalaktiten, ist nicht immer ganz löslich. — Albizzia
odoratissima, große transparente Tränen von Bernsteinfarbe, quillt nur mit Wasser. — Albizzia
amara Boiv., süßlich, mit hoher Klebkraft. — Anacarditim occidentale L. (Acajoug. Cashawag.),
gelbe bis rotbraune Stalaktiten, trübe löslich, reduziert Fehlingsche Lösung, dreht links. Wird
auch in Brasilien, Martinique und Guadeloupe gesammelt (BocQUiLLON, Beschreibung in WiESNER,
Rohstoffe). Semecarpus Anacardium in Cochinchina, Indien, Neucaledonien, Reunion (enthält 96 "/(>
Bassorin) — Spondias Mangifera, gelbhch bis rotbraun, mit viel Wasser einen Schleim gebend. —
Odina Wodier RoxB. in großen brüchigen, rissigen Tränen und Stalaktiten von heller bis Bernstein-
farbe. — Mangifera indica. Lemeland fand im G. von Alangif era indica 60,64 °/„ Unlösliches,
'6,5*'„ Wasser, 4<'/„ Asche, 30,36 % Galaktane, 42% Pentosane. Das G. lieferte Arabinose.
Es drehte [aJD = — ^s^JS. Buchanana /az'^jyb/. RoxB. völlig löslich. — Bazihinia pttrptireayiemg
löslich. — B. variegata L., enthält viel Stärke und Calciumoxalat, unregelmäßige Stücke, nicht
vollständig löslich. — Cedrela Toona (Meliacee) von den Nilagiris, bildet einen dicken Schleim.
Wird beim Aufbewahren unlöslich. — Terminalia Beierica in Tränen und wurmförmigen
Stücken, schwillt nur in Wasser, enthält Kristalle. — Terminalia tomcntosa Wight et Arn.,
nur zum Teil löslich. — Aleiirites moluccana, teilweise löslich, enthält oft Pilzhyphen. — Poin-
ciana regia, enthält viel Kalkoxalatsphärokristalle, löslich in Wasser zu einem dicken Schleim,
reduziert etwas Fekling. — Chloroxylon Swietenia aus Bangalore, in Wasser kaum löslich. —
Eriodendron Orientale, ähnlich dem Cochlospermumg. (Wiesner). — Bomba.x malabariciim RoXB.
und B. pentandrum L., Malabargummi. — Aegle Alarmelos. — Diospyros melanoxylon. — Mo-
ringa pterygosperma (gomme de ben aiI6 Moscherus, G. Shega, auch aus Reunion), wohl eher
einTraganth (s. d.), wie das von Cochlospermum Gossypium (s. unter Traganth).BeschreibungbeiWlES-
NER. — Über die Sterculiaceeng. siehe unter Traganth (S. 406) und Bull. Imp. Inst. London 1910,361.
Unter den ostindischen .Sorten finde ich 1910 bei Grossmann auch Camporeg. (Cownpore
ist eine der besten technischen G. Sorten Indiens, MoRPURGO), in der Liste von Fritz ein
Elas-India (.') aufgeführt.
Übersicht der Löslichkeit und der Reaktionen von indischen Gummis. (Nach
Pharmacographia indica.)
A. Dem arabischen ähnliche Gummis, in Wasser löslich.
Neutrales Bleiacetat
Eisenchlorid
Borax
Acacia arabica
—
Gelatinisiert
„ leucophloea?
—
—
Gelatinisiert
Anogeissus latifolia .
—
—
Gelatinisiert
Acacia modesta . .
Wird niedergeschlagen
Gelatinisiert
—
Feronia Elephantum
Wird niedergeschlagen
Gelatinisiert
—
Swietenia Mahagoni
Wird niedergeschlagen
Gelatinisiert
—
Acacia Catechu .
—
Gelatinisiert
Gelatinisiert
Pithecolobium dulce
—
Gelatinisiert
Gelatinisiert
Melia Azadirachta .
—
Gelatinisiert
—
Prosopis spicigera .
Wird niedergeschlagen
Gelatinisiert
Gelatinisiert
Gummi von Pflanzen, die nicht zur Gattung Acacia gehören.
439
B. Gummis, die sich leicht in Wasser lösen, aber einen mehr oder weniger
trüben Schleim bilden, infolge unlöslicher, suspendierter Substanzen.
Bleiessig
Eisenchlorid
Suspendierte
Substanzen
Anacardium occidentale
Odina Wodier . .
Bauhinia variegata .
Poinciana regia . .
Wird niedergeschlagen
Gelatinisiert
Gelatinisiert
Gelatinisiert
Ein gelbliches Öl
Ein gelbliches Öl
Stärkekörner
Calciuraoxalat in
Sphaero-Kristallen
Keines dieser Gummis wurde durch Borax gelatinisiert.
C. Gummis, die unvollkommen löslich sind und einen mehr oder weniger gela-
tinösen Schleim bilden mit einer großen Menge Wasser.
Neutrales Bleiacetat
Eisenchlorid
Borax
Cedrela Toona
—
—
—
Albizzia Lebbeck
—
Gelatinisiert
—
Acacia Farnesiana
—
Gelatinisiert
—
Albizzia procera
—
Gelatinisiert
—
Spondias mangifera
Wird niedergeschlagen
Gelatinisiert
—
Aleurites moluccana ....
Gelatinisiert
—
Gelatinisiert
D. Gummis, die zu einer gelatinösen Masse aufschwellen, sehr wenig löslich.
Albizzia odoratissima — Albizzia stipulata — Bauhinia purpurea — Terminalia belerica
— Chloroxylon Swietenia.
Auch LÜHN bestimmte bei zahlreichen indischen Acacien- u. and. Gummis Viskosität,
Klebkraft, Asche, Verhalten zu Alkohol, Eisenchlorid und Bleiacetat. Ebenso untersuchte
Ma-SINg (1880) zahlreiche indische Sorten. (Siehe Lit.)
B. Javanische Gummis.
In Java finden sich wenige Gummis, das Klima ist zu feucht. Das beste ist das wasser-
lösliche Mimbagummi von Azadirachta indira Juss. (Prinsen GeeriiGS).
C. Australische Gummis.
Das Gummi der australischen Meliacee Flindersia mactdosa ist vorzüglich; es enthält
c. 80% Arabin, 16,5 °/o Wasser und 2,6 — 2,7 »/„ Asche (Maiden). Dann \\^iex-D. Eucalyptus&x\.e-a
(Wiesner), z. B. Etic. rostrata (Brownscombe) Gummi, sowie Grevilleaaritn. z. B. Gr. robusta
(RÖSER und Pnaux). Weitere australische Gummis erwähnt Maiden. Sie stammen von Mezoneurum
&or^fc/;i«ii F. V. M., einer Caesalpiniee (Barristergummi, quillt nur in Wasser), Panax dendroides
var. angusta F. V. M., einer Araliacee (nur quellbar), Paiui.x Murrayi F. V. M. (löslich). Auch
andere Panax&ritn (P. elegans, P. sambucifol. var. angusttim) werden angegeben (Hartwich).
D. Amerikanische Gummis.
Das Cajougummi (s. oben S. 438) ist das Gummi von Anacardium occidentale 1^. Es ist
löslich in Wasser. — Das Mesquitfig. (Mezquite, Misquit, Miquit) aus den südlichen Vereinigten
Staaten, Mexiko und Südamerika, besonders von Texas bis Kalifornien, von der Mimosee Pro-
sopis glandulosa ToRREY u. and. /Vo.rojÄ/jarten (vgl. Wiesner, Rohstoffe), ist eine untergeordnete
Sorte, die nur in der Technik und Malerei brauchbar ist. Einige Sorten sind löslich in Wasser,
von süßem Geschmack, andere lösen sich nur teilweise (Wiesner). V.^lenta und Stohmann
stellen diesem Gummi ein günstiges Prognostiken. — Das amerikanische Chewing gum stammt
von Prosopis dulcis Schiede. — Das Sonorag. Mexikos, früher von ü/i/nora coccifera abgeleitet
(Soubeiran), ist wohl auch ein Prosopisg. Bei seiner Bildung ist, wie es scheint, ein Tier
{Coccus?) beteiligt. Die Mexikaner nennen es auch tzinacantuitlatl (= stercus vespertilionum).
AAO Gummo-Mciiibianindrogen.
Ebenso wird das Gonia de cuje yaque aus Venezuela von /'/oso/iüanen abjjeleitet. Außer
den angeführlen Prcsf/>ts^rien werden noch besonders genannt : P. /lorrüfa KUNTH, P. i'nermis
K. B/K., P.piiifSCftisBE^iTll. — Das Ciruelagummi aus Caracas stammt von Bunckosia glanduli-
fera H. B. K. Es ist vollständig in Wasser löslich (Hartwich). — Das Guaramachog. aus
Caracas von /V^«/!'/« Giiamaclw h\. nur zu 48 "/„ löslich , das Cederng. aus Caracas von Cedrela
odorata sogar nur zu 25 "/„. — DasChagual- oder Magueygummi aus Chile, das lösliche und
nur zum Teil lösliche Stücke, meist HoUzylinderfragmente, enthält und bei dessen Bildung
auch ein Tier {Castni'n e/ej^'uiis) beteiligt ist, stammt von Bromeliaceen, und zwar Piiya-^Pourrefia)-
Arten (Wiesner, Hartwich). Es löst sich meist nur zu c. 16 — 18% ii heißem Wasser
(Haktwich), ist daher eines der bassorinreichsten. Die Gallerte färbt sich mit Soda gelb. Es
enthält 13,46 "/„ Wasser und 2,43 "/o Asche (Wiesner). Doch kommen sehr verschiedenartige
Produkte unter dem Namen im Handel vor. Die Farbe schwankt zwischen farblos und schwarz. —
Das «Goma de orore>> von Venezuela stammt von Pjthccolohhim hymenaeaefol. Benth., das
«Goma de caro» von ebenda von Enterolobium cychcarpntn Gris. (Ernst, vgl. bei Wiesner),
das «Goma de tuna: von Venezuela und den Antillen von 0/?;//a yfi?!« /«rfzca (Ernst, Hanaiisek).
— DOMIMGUEZ beschreibt zwei argentinische G.: Cebil von Piptadenia CebilQi'&.\SS&.{tnih\^\i
80,78% Arabin) und Brea m on Caesalpinia praecox R, et Pav. (mit 77,9 "/„ Arabin). Er erwähnt
auch ein brasilianisches G. von Piptadenia rigida Benth., das 8o,7''/o Arabinose aber nur
''^SVo Galaktose und 1,2 "„ Schleimsäure lieferte. Die Herkunft des Perugunimi ist unbekannt.
Einige (Gintl, Hoehnei,) leiten es von einer AspJiodehisuri ab, Wiesner bestreitet die Ableitung.
Lit. Cordofang.: David a. a. O. — Beam, III Rep. Welle, res. Labor., Khartoum
1908. — Senegalg.: Soubeir-A-N, Des gommes du Sönigal. J. ph. chini. 1856. — FlückiGER,
Schweiz. Wochenschr. 1869. — Vuillet, Gommes etc. du S^n^gal. Bull. jard. col. Paris igoi.
— Somalig.: Revoil, Voyages au Cap des Aromates. Paris 1880. — Durand, Voyage au
S^n^gal. 1802. — CORRE, Journ. pharm. 1876. — Pharm. Post 1896 und Bull. soc. pharm, du
Sud Ouest. — WÖRDEHOFF und Schnabel, Zeitschr. trop. Landwirtsch. 1897. — Somalig.:
JIiles, Roy. geogr. Soc. 1872. — Capg. : Vfe, These. Paris 1888. — Hahn, Zeitschr. Ges.
f. Erdkunde. 1868, 214. — Tunisg.: Doumet-Adanson, Note sur l'acac. gommifere de la Tu-
nesie. Rep. pharm. 1874. — Mogadorg.: J. D. HoOKER und John Batl, Journal of a tour
in Marocco and the Great Atlas etc. London 1878. Bot. Jahresb. 1878, 899. — G. aus
Deutsch-Südwestafrika: Hartwich, Apoth. Zeit. 1897 u. 1898, Nr. 22. — Thoms, Tropenpfl.
1898. — Siedler, Ber. d. pharm. Ges. 1898. — K. Dieterich, Ebenda 1898. 87. — War-
burg, Zeitschr. trop. Landw. 1898. • — Mannich, Tropenpfl. 1901, 284. — Gessert, Zeitschr.
f. trop. Landwirtsch. 1898. — G. aus Deutsch-Ostafrika: Volkens, Notizbl. d. K. Bot.
Gart. Nr. 14 (1898). — Busse, Reisebericht V, 1900. Naturw. Wochenschr. 1901. Ber. d. pharm.
Ges. 1904. — Waage, Ber. d. pharm. Ges. 1893. — Thoms, Notizbl. d. Bot. Gart. 1899. —
Mannich, Gummiarten Deutsch-Ostafrikas. Tropenpfl. 1902, 201. — Togo: Pendler, Tropen-
pflanzer 1903, 228. — Angola: Moller, Tropenpfl. 1898. — Nord-Nigeria: G. from North.
Nig. Bullet. Imper. Instit. London 8 (1910). — IndischeG.: Flückiger, Pharm. Journ. 10
(1869) 641- — Hanbury a. a. O. — Prebble (East Ind. gums). Pharm. Journ. 1892, 683
u. 1893, 22. — GoRis et Lefevre, Ghati -Gummi. Bull. Sc. pharmacol. 1904, 17. — Leme-
Land (G. von Mangifera indica). Journ. pharm. 1904, 584. — Masing, Vergl. Unters, einiger
indischer Handelssorten d. arab. G. (Tabelle). Arch. pharm. 59 (1880) 34. — LOhn, Indische
G. Pharm. Zeit. 1902. — Rideal und Youle, Pharm. Journ. i 891, 147. — Dymock, Veget.
mat. med. West. Ind. 1885. — Pharmacograph. indic. — Javag.: Prinsen Geerligs, Rev. cult.
col. 1902. — Austral. G.: Maiden, Chemistry and commercial possibilities of wattle gum
Pharm. Journ. 20 (1890) 869 und Panaxgum Pharm. Journ. 1892. — J. Wiesner, Unters, über
d. Sorten von sog. Eucalyptusgummi, welche in d. Samml. d. Öster. Apoth. Ver. enthalten sind.
Zeitschr. d. Öster. Ap. Ver. 1871. — F. v. Müller, Select plants for industr. cult. in Victoria.
1876. — Brownscombe, G. Eucal. rostr. Pharm. Journ. 1899. — Röser et Pnau.\, Anal, de
la gorame du Grevillea robusta. Journ. ph. 10 (1899) 398. — Maiden, Proc. Linn. Soc. New
South Wales 1891 u. 1892. — Amerikan.G.: Symes, Notes on Brazilian Drugs Yearbook ofph.
1882. — S0UBEIRAN, La gomme de Sonora. Journ. pharm. 1855, ^9^- — Miller, Mezquite gum.
Pharm, journ. 1876. — Hartwich, Chagual-Gummi. Z. öster. Ap. Ver. 1896, 565 (dort die
Literatur). — Hoehnel, Öster. Chem. Zeit. 1900. — Domimguez, Note sur deux gommes d.i.
Rep. Argent. Rev. farmac. Buenos Aires 1904.
Gummi arabicum.
441
Lemeland, Contrib. k l'^tude d. quelqu. gorames (Gezireh, Cordofan, Brasil, Cochlo-
sperra., Ferouia u. and.). These 1905. — Thomas Maben, Notes on some gum samples. Pharm.
Journ. 20 (1890), 717, Pharm. Zeit. 1891, 122. — Simmonds (Gummisorten des Hand.\ Bull,
of pharm. 1891. — Martina, l'Orosi 1894 (Apoth. Zeit. 1894, 296). — Bocquillon (Gumrai-
sort. d. franz. Hand.). Rep. de pharm. 1899, 194. — T. F. HanaUSEK, Gummi in LuEGER,
Techn. Lexikon. — Hartwich, in Hager-Fischer-Hartwich, Pharmaz. Praxis. — Wiesner,
Gummi u. Harze und RohstoiTe. — VaI-Enta, Klebe- und Verdickungsmittel. Catal. d. colon.
franc. Exposition intern. Paris 1867. ■ — Cooke, Rep. of the gums etc. of the East India Mu-
seum 1874. — Gehe & Co., Handelsberichte. — Flückiger, Pharmakogn. (dort auch die Lit.
der Reisen). — USES, Propert. a. production of gums. Bullet. Imper. Inst. London 6 (1908) 29.
Handel. Hauptgummihäfen sind Hamburg, London, Bordeaux, Marseille, Triest, Ant-
werpen, New York, Melbourne, dann auch Hävre, Liverpool, Barcelona. Hamburg impor-
tierte 1908 seewärts 32758 dz Gummi araiictcm; davon aus Ägypten: 17576, Brit. Ostindien:
4210, kleinere Mengen aus Westafrika {1084), Argentinien, Kamerun, Marocco , Australien,
Syrien, Arabien, Persien, beträchtliche Mengen über London und Frankreich. Die Einfuhr an
Gummi Senegal ging von 1087 (1907) auf 512 dz (1908) zurück; dagegen kam erheblich mehr
(1383 dz), über Portugal. Deutschland importierte 1909: 25424 dz Gummi aus Ägypten (aus
Brit. Indien I3590dz). Triest importierte 1908: 8487, 1909: 4484 dz Nilgummi. Frankreich
importierte 1908: 74145 Quint.; davon entfielen auf Ägypten 30550, auf den Senegal 28525.
Bordeaux importierte 1909: 24807 quint. -Senegal und 5804 quint, Nilgummi. Die Einfuhr von
Gummi arabicum aller Art nach London betrug 1906: 12779,1907:10776,1908: 8540,1909:
10733 packages. Die britische Einfuhr an Gummi arabicum betrug 1908: 63786, 1909: 84710,
1910: 107367 cwt (die Ausfuhr 1909: 20440, 1910: 33068 cwt). Nordamerika importierte G.
ardb. 1907: 7084468, 1908: 489589" und 1909: 4 153 958 pounds. Nordamerika importierte G.
Senegal l<)0'j : 298258,1908: 148618, 1909: 111942 pounds. Die Ausfuhren s. bei den einzelnen
Sorten.
Morphologie und Anatomie der Droge. Bestes Cordofangummi bildet mehr
oder weniger rundliche, seltener wurmförmige, helle, weißliche oder höchstens gelbliche
Stücke von verschiedener Größe (bis nußgroß), die außen matt und von zahlreichen
Rissen durchzogen sind und leicht in kleinmuschelig-eckige, scharfkantige, glas-
glänzende, zuweilen leicht irisierende Fragmente brechen. Bei 100" erweitern und
verlängern sich die Risse und das Gummi wird bröckelig. Das Senegalgummi ist meist
etwas rötlich, was besonders bei Betrachtung in größerer Masse hervortritt, und zeigt
weniger Risse. Es wird aber im Schwefelsäureexsikkator auch stark rissig (Flückiger).
Wurmförmige Stücke sind bei ihm häufiger. Während die Risse beim Cordofangummi
stets bis in tiefere Schichten reichen, sind sie beim Senegalgummi auf eine ober-
flächliche Schicht beschränkt. Dadurch lassen sich selbst die besten Sorten Senegal-
gummi von dem Cordofangummi unterscheiden (Wiesxer). Mikroskopisch zeigen die
Fragmente des Gummipulvers bisweilen eine leichte Streifung (Wiesner, Koch) und
bei beginnender Lösung Körnelung, eine eigentliche Struktur, etwa wie beim Traganth,
oder Zellwandreste sind nicht wahrzunehmen. Nur sehr selten finden sich in den
guten Sorten kleine Stärkekömer oder mit Stärke erfüllte Rindenzellen. Wenn man
sehr große Mengen löst, verdünnt und lange absetzen läßt, findet man bisweilen der-
gleichen, häufiger sind, auch in den guten Sorten, Bastfasern, wie überhaupt Frag-
mente des Rindengewebes. Gummischleim muß stets coliert werden.
In aus schlechteren Sorten hergestelltem Pulver fand Koch : Bastfasern, Holz-
elemente, Kork, Pilzmyzel, Pollenkörner, Haare, Blattfragmente und Gesteinstrümmer,
aber Stärke auch nur in Spuren.
Abbild.: Wiesner, Rohstoffe. — Koch, Mikr. Anal. d. Drogenpulver IV, S. 169. —
Chemie. John führte den Namen Cerasin, Chevreul den Namen Arabin
112 Guinmo-Mcmbianindrogen.
ein, GüERiN fügte dann noch das Bassorin hinzu und so haben sich bis heute die
drei Gruppen erhalten, obwohl schon Berzeliüs darauf hinwies, daß dies keinen
tieferen Einblick in die Chemie dieser Gruppe zu tun erlaube. Arabin ist in Wasser
iCJslich, Cerasin und Bassorin quellen nur darin. Die letzteren unterscheiden sich nur
dadurch, daß Cerasin mit Alkalikarbonaten gekocht Calciumkarbonat abscheidet und
in Lösung geht, Bassorin scheidet bei gleicher Behandlung keinen Kalk ab. Cerasin
kann also als metarabinsaurer Kalk betrachtet werden. Beide reduzieren FEHLiNGsche
Lösung nicht und geben bei der Hydrolyse Arabinose und Galaktose. Im G. arabi-
cum ist nur Arabin enthalten, im Kirschgummi Cerasin, im Traganth (s. d.),
Chagual- und Moringagummi Bassorin. Neubauer und Fremy gelang es Cerasin in
Arabin überzuführen.
GuERiN fand im G. arabicum kein Bassorin, 79,4 "/q wasserlösliches Arabin, 1 7,6 "/q
HjO und ß^lo Asche; im Senegalgummi kein Bassorin, Si,!"!,, wasserlösliches Arabin,
i6,io''|(| Wasser und 2,8 "Jq Asche. Auf 150" erhitzt wird G. arabicum zum Teil
unlöslich, nimmt also die Eigenschaften des Kirschgummis an (Gelis). Mit Natron-
lauge färbt sich Gummi nicht, nach einigen Stunden wird es gelblich, damit erwärmt
rasch schwarz (Flückiger). Alkohol von 52 vol "Iq löst Gummi nicht, verdünnter
etwas, im Verhältnis zu seinem Wassergehalt. In dem doppelten Gewichte Wasser
löst sich G. arabicum langsam aber vollständig (Unterschied von den bassorin-
und cerasinhaltigen Gummis) zu einem klebenden, aber nicht fadenziehenden, hell-
gelblichen Schleim von saurer Reaktion. Das Verhalten zu Wasser wechselt bei den
einzelnen Sorten sehr. Nur die Gummis, welche sich in Wasser, bis auf einige bei-
gemengte Pflanzenreste, vollständig zu einem filtrierbaren oder doch kolierbaren
Schleime lösen, sind für pharmazeutische Zwecke brauchbar. Andere Gummis «geben
einen scheinbar völlig homogenen Schleim, der aber nicht filtrierbar ist, andere eine
mehr oder weniger konsistente Gallerte, bei anderen wieder quellen die einzelnen
Körnchen so weit auf, daß scheinbar ein gleichmäßiger Schleim entsteht, in dem aber
bei genügender Verdünnung die einzelnen Körnchen sich erkennen lassen, bei anderen
trennt sich der Schleim bald in zwei Teile, einen gewöhnlich sehr konsistenten dicken
und einen wässrigen, dünnen, und schließlich kommen Sorten vor, die nur mehr
oder weniger aufquellen» (Hartwich). Bleichen mit Chlor oder schwefliger Säure
vermindert die Löslichkeit. Der Gummischleim wird durch Beimischung eines gleichen
Volumens Alkohol weiß und gallertig, klärt sich aber auf weiteren Zusatz des fünf-
fachen Volumens Wasser wieder vollständig. Auch durch Wasserglas, Eisenchlorid,
Ferrisulfat (Lassaigne) und Bora.xlösung (Lambert und Gieseke) wird der Schleim
zu einer steifen Gallerte verdickt. Der Gummischleim ist eine kolloidale Lösung.
Er ist mit Bleiacetat ohne Fällung mischbar (Unterschied von den Schleimen),
erleidet dagegen selbst in einer Verdünnung i : 50000 durch Bleiessig
noch eine Fällung (Lassaigne). Gerbsäure fällt Gummilösung nicht (Unterschied
von Leim). G. arabicum läßt sich aus der Lösung mit Ammoniumsulfat, Ammonium-
phosphat oder Kaliumacetat nicht aussalzen (Pohl). Die bei der Gärung des Gummi-
schleims entstehende Säure ist Milchsäure (Arabinsäure liefert hierbei fast nur Milch-
säure, Bourquelot). Gummischleim neigt nicht zur Schinimelbildung. Bei längerer
Aufbewahrung bildet sich Zucker. Die Jodabsorption des G. arabicum bestimmte
Grelot (roog absorbierten 7 mg J). Jod und Natriumbicarbonat bilden aus G. ara-
bicum etwas Jodoform, mit Kalk erhitzt entsteht neben Aceton auch Metaceton
(Fremy). Essigsäureanhydrid bildet Acetylarabine (Schützenberger und Naudin).
Gummi arabicum. 443
Hefe und Diastase sind ohne Einfluß auf Arabin. G. arabicum reduziert FEHLiNGsche
Lösung auch bei 60 — 70" nicht.
Vauquelin fand bereits, daß das G. arabicum ein organisches Kalksalz ist.
Die Säurenatur des Arabins (der Arabinsäure) erkannte C. Neubauer (1857). Er
betrachtete das Arabin als das saure (Kali-, Magnesium- und) Kalksalz der
Arabinsäure. Das Calcium läßt sich durch Oxalsäure fällen oder nach Zusatz von
HCl durch Dialyse entfernen. Auch Fremy betrachtete das Gummi als das Kalk-
salz einer sehr schwachen wasserlöslichen Säure (acide gummique), die durch Hitze in
ein unlösliches Isomeres (acide metagummique, Metarabinsäure) übergeht. Kalk ver-
wandelt die unlösliche Säure wieder in Caldumgummat. Auch Calciumgummat wird
durch Hitze unlöslich. Graeger stellte die Metarabinsäure zu den Pektinen. Ob die
Metapektinsäure (Zellulosesäure Fremys) mit der Arabinsäure Scheiblers aus Rüben
und diese mit der Arabinsäure Neubauers identisch ist, erscheint im Lichte der neueren
Untersuchungen zweifelhaft. Das G. arabicum wird seit Scheibler als ein wechselndes
Gemenge von zwei Bestandteilen, einem rechts- und einem linksdrehenden aufgefaßt
(Rechts-Arabin und Links-Arabin). Im normalen Kalksalz der Arabinsäure sind 2,15
bis 2,5o''/q CaO enthalten (Neubauer). Zur Darstellung der Arabinsäure (Neubauer,
Scheibler) wird das Gummi in Wasser gelöst, filtriert, mit Essigsäure (Bechamp) an-
gesäuert und dialysiert — es dialysieren Zucker und anorganische Salze — , die eventuell
mit Essigsäure angesäuerte im Dialysator verbleibende Lösung wird mit Alkohol fraktioniert
gefällt. Eine so dargestellte Arabinsäure enthält aber, wie ich gezeigt habe, stets Stick-
stoff und alle bisherigen Analysen sind, da es unmöglich ist die stickstoffhaltige Sub-
stanz quantitativ abzutrennen, mit N-haltigem Material gemacht worden (Tschirch und
Stevens). Die übrigens vorwiegend in den ersten Alkoholfällungen enthaltenen N-haltigen
Bestandteile lassen sich zum Teil auch dadurch entfernen, daß man die mit Kochsalz
versetzte Lösung zunächst mit einer mit Essigsäure angesäuerten Tanninlösung fällt.
Der Arabinsäure, dem Arabin der Autoren, das auch im Tierreich gefunden
wurde (? Städeler), wird bald die Formel (Ci2H220ii)n resp. CijHjoOiq.HjO (Neu-
bauer, Scheibler), bei 120^ getr. CgHj„0r,, bald die viel kompliziertere C^fiHjj^O,^
oder C91H142O74 (O'Sullivan) gegeben. Jedenfalls ist ihr Molekulargewicht sehr groß
(über 2000, Gladstone und Hibbert). Sie löst sich, nur wenn sie feucht ist, in
Wasser leicht, trocken quillt sie in Wasser nur langsam auf. Die wässrige Lösung
reagiert sauer und dreht links. Das Drehungsvermögen wird sehr verschieden ange-
geben ( — 25,5" bis — 98.5", ja sogar Rechtsdrehung) und steht im Zusammenhang
mit der relativen Menge der bei der Hydrolyse abgespaltenen Araban- und Galaktan-
gruppen (Guichard), neben denen auch zuweilen bei gewissen Gummis Glykosan-
(nicht aber Fruktosan- und Mannan-) Gruppen vorhanden sind. RtJMPLER erhielt sie
in mikroskopischen Nadeln. Durch Erhitzen über loo" geht sie in Metarabinsäure
über, die in Wasser nur froschlaichartig aufquillt. Bei höherem Erhitzen entsteht
Furol (Schiff), beim Erhitzen mit Kalk viel Aceton neben wenigen Furanderivaten,
mit Salpetersäure Schleimsäure, bei der Kalischmelze COj, Ameisensäure, Essig-
säure, Propionsäure, Oxalsäure und Bernsteinsäure (Hlasiwetz und Barth), durch
Destillieren mit starker Salzsäure Furol (aus den linksdrehenden Arten das meiste,
Herzfeld). Da die Lösung der Arabinsäure sauer reagiert, hat man daher in der
Bestimmung der Acidität ein Mittel der Identifizierung in der Hand.
Die Säurezahl einiger G. bestimmte zuerst Williams. Beam fand bei Cordofan hard
variety: 9,89 — i2,i5''/o Wasser, 2,66 — 3,28 7o Asctie, Acidität (mg KOH auf 1,0) 2,66 — 2,93,
AAA Gumrao-Membranindrogen.
bei Cordofan softer: 1 1,69— 12,14"/',, Wasser, 2,77 — 2,86»/o Asche, Acidität 2,48 — 2,57. Bester
Hashab grosse gum ^TurUej-) enthielt: 9,03% Wasser und 0,3470 Unlösliches und zeigte eine
Aciditlit von 3,14. — Granulär sorts cleaned: 8,70 "/„ HjO und 2,67% Unlösliches, Acidität
= 2,95. — Siftings: 7.45"'/o HjO und 20,i2°/„ Unlösliches, Acidität = 1,95. Beam fand bei
Senegalgurami picked: 9,18 — l l,2o"/o Wasser, 2,45 — 3,33 "/o Asche, Acidität 2,45 — 3,33.
Bei Senegal crude gomme du bas du fleuve : 9,60 — 10,50% Wasser, 3,33 — 3,41% Asche,
Acidität 2,14 — 2.50. Galara: 10,19 — 10,57° 0 Wasser, 3,22 — 3,39% Asche, Acidität 2,50 — 2,54.
Salabreda: 11,51% Wasser, 2,81% Asche, Acidität 3,56.
Daß bei der Hydrolyse des Gummis ein Zucker entsteht, fand bereits Ludwig
(1859). Bei der Hydrolyse der Gummis (und der Arabinsäuren) entstehen
neben Gummisäuren (O'Sullivan) Pentosen und Hexosen. Sie enthalten also
Hexoso-Pentosane. Es entstehen aber selbst bei derselben Handelssorte wechselnde
Mengen der Zucker, woraus man schließen muß, daß es verschiedene Arabinsäuren
gibt oder wechselnde Gemenge vorliegen. Unter den Hydrolysierungsprodukten wurde
in erster Linie Arabinose (S. 274) (Guerin Varry, Scheibler, Claesson, von
LiPPiiANN, KiLiANi) und Galaktose (S. 274) (Kiliani) gefunden, bisweilen auch etwas
Glukose(VoTOCEK und Vondracek) und Xylose (Hauers u.Tollens); nach Ullik
soll auch ein Mannan in einigen Gummis enthalten sein, was der Bestätigung bedarf.
Doch herrschen stets Arabinose und Galaktose beträchtlich vor. Daß arabisches Gummi
bei der Oxydation mit Salpetersäure Schleimsäure gibt, fand bereits Guerin Varry.
Entsprechend der wechselnden Menge Galaktose zeigt auch die bei der Behandlung
mit Salpetersäure entstehende Schleimsäure verschieden hohe Beträge [bis 66,7''|(,(?)
Maüjiene]. Man kann aus der Menge der gebildeten Schleimsäure (S. 282) die
Galaktosemenge berechnen (Tollens, Kiliani) (75 Schleimsäure = 100 Galaktose).
Die rechtsdrehenden Gummiarten liefern meist weniger Schleimsäure als die links-
drehenden. Kiliani erhielt bei verschiedenen Gummis 14,3 — 38,3 "/o Schleimsäure,
bei Cordofan- und Senegalgummi 20,7 — 24''|q, (vgl. auch die Tabelle von Martina
S. 437). Daneben treten Oxalsäure, Weinsäure (Liebig), Mannozuckersäure, Trioxy-
glutarsäure, Zuckersäure, Arabonsäure, Galaktonsäure auf.
Den Pentosanen kommt die Phloroglucin- und die Orcin-Reaktion zu. Phloro-
glucin in Salzsäure (20 "Jq) gibt beim Erwärmen eine kirschrote Lösung (Ihl), die
einen Absorptionsstreifen zwischen D und E Fraunhofer zeigt (Tollens, Wheeler
und Allen). Orcin in Salzsäure gibt in der Kälte eine blauviolette, beim Erwärmen
erst rötliche dann violette Färbung, zuletzt blaugrüne Flocken, die in Alkohol gelöst ein
Band zwischen C und D geben (Reiche, Reinitzer, Allen u. Tollens). Ebenso kommt
die Eigenschaft des Gummis beim Kochen mit I2''/(| Salzsäure Furfurol (S. 274) zu
liefern (Stone und Tollens) den Pentosanen zu, und man kann aus der Menge des ge-
bildeten Furfurols die Arabinose berechnen. G. arabicum ergab c. 2 8''/q (Günther), Kirsch-
gummi 45,5 — 59<*/,j (Chalmot, Flint und Tollens). Der Pentosangehalt des Gummis
schwankt in weiten Grenzen zwischen 20,6 ^^j^ im australischen und 5 1,2 1"/^ im argentini-
schen Gummi (Hefelmann). Die Cerasingummis enthalten mehr Pentosane als Galaktane
(Lemeland). (Bei der Furfurolreaktion tritt auch Lävulinsäure und Ameisensäure auf.)
Hefelmann fand keine Beziehung zwischen der Menge der Pentosen und dem Handels-
wert. (Vergl. auch die Tabelle von Martina S. 437).
Im Gummi von Acacia Senegal und anderen Acaciaarten fand Rosenthaler neben
Pentosen auch Methylpentosen und WiDTSOE und Tollens konnten Methylpentosane
nicht nur in G. arabicitm und Traganth, sondern auch im Gedda-, Brasil- und Kirsch-
gummi nachweisen. Möglicherweise enthält das G. arabicum auch Fucosan. (S. 292).
Gummi arabicum.
445
Edie erhielt (nach Krokber und Rimbach bestimmt) Pentosen, als Arabinose berechnet,
bei Cordofan: 33,52 — 35,49°/o' l'^i Senegal 33,66 — 34,59%- I^'^ Galaktose (bestimmt durch
Hydrolyse mit Essigsäure und Reduzieren mit Fehlingscher Lösung, enthält wohl auch die Pento-
sane, Tollens) betrug bei Cordofan: 50,52 — 53,04 "/o. bei Senegal: 51,72 — 53,1770 (Beam). In dem
rechtsdrehenden Gummi von Acacia arabica WiLLD. fand Meininger 21,85 % Galaktan und 50,43 °/o
Pentosane (die Hydrolyse lieferte Galaktose und Arabinose), in dem rechts- (-|- 53,94°) drehenden
Gummi var^^ Acacia horrida'^UÄÄi.: 27,36 °/(, Galaktan, 36,5 "/o Pentosane und 2,83% Methylpento-
sane (die Hydrolyse lieferte Galaktose und Arabinose), in dem links- ( — 19,37 °) drehenden Gummi
\on Acacia pyoiantha Benth. : 58,72''/o Galaktan, 1 6,98 "/„ Pentosane und 2,92 "/o Methylpentosane
(die Hydrolyse lieferte Galaktose und Arabinose). Auch das Opuntiag. liefert Arabinose und Galak-
tose (Harlay), ebenso alle anderen untersuchten Acaciagummis (Martina, vgl. S. 437, Stone)
und das Pfirsich-, Kirsch- und Pflaumengummi (Stone, Bauer) — Kirschgummi ist ein gutes
Material zur Arabinosedarstellung (Bauer, Kiliani) — femer das Rübengummi (Lippmann), das
GuTamwon Mangi/era indica(\^KUE.l.ANa), das Weingummi (Hubert). Der G. von Cochlospertnitm
Gossypiiitn und das von Feronia elephantum liefern bei der Hydrolyse Galaktose und eine Pen-
tose, die mit Arabinose nicht identisch ist (Lemeland). Das Chagualgummi liefert Xylose und
i-Galaktose (Winterstein), ebenso das Laplatagummi, aber kein Acacieng. gab Xylose (Hauers),
Es enthalten Ostafrikan. G. : 22,59 °/o Galaktan, 29,53 "/o Pentosane; Cochlosperimim Gossyp.:
45,28% Galaktan, 32,97 "/o Pentosane (Lemeland); Feronia elephantum: 51,84 "/o Galaktan,
40,16% Pentosane; Aprikosengummi: 23,6% Galaktose, 48,57% Arabinose (Lemeland); Chagual-
gummi lieferte: 28,47% Galaktose, 45,29% Pentose (Winterstein); Mangifera indica G.
30,36% Galaktose, 42,06% Pentose; Laplatag.: 0,62% Galaktose, 55,31% Pentosen.
Nach O'SuLLiVAN sind aber Arabinose und Galaktose nur die Endprodukte der
Hydrolyse und es entstehen zunächst Zwischenprodukte, beim arabischen Gummi in-
aktive, beim Geddagummi rechtsdrehende. Diese sauren Zwischenprodukte zerfallen
dann in Arabiose (Arabinon) bzw. Arabinose und in einfachere Säuren und diese dann
erst bei mehrstündiger Hydrolyse in d-Galaktose und eine stark rechtsdrehende Gummi -
säure, die O'Sullivan Geddinsäure (C^aHggOg.j) nannte. Im arabischen Gummi sind
vielleicht Arabinose und Galaktose als Ester einer I söge ddinsäure (Zeisel, O'Sullivan
nennt sie Arabinsäure) (CgaHggOjj) vorhanden. Die Gummisäuren sind starke Säuren,
werden nur durch abs. Alkohol aus ihren Lösungen gefällt und geben bei weiterer
Hydrolyse keine Zucker. O'Sullivan nimmt an, daß die Gummis resp. die
Arabinsäure gemischte Glykosidogummisäuren der allgemeinen Formel:
^•23"38 — 2n022 — n • '^^\i^1i4
15,4
57,9
28,89
—
Indisches Gummi
2,00
0,37
12,6
58,5
29,82
—
Eastern-Gummi . .
2,98
0,24
26,8
43,5
—
—
Senegal-Gummi . .
3,03
0,14
21,5
54,9
15,96
—
Bestes arab. Gummi
3.01
0,94
24,2
57,25
—
—
Gutes arab. Gummi
3-15
2,30
29.9
46,23
—
—
Amrad arab. Gummi
2,24
0,14
7.39
67,2
16,62
4,86
Ghatti arab. Gummi
2.45
0,25
7,8
53.5
8,4
33,8
Austral. Gummi
2,09
1,91
3,21
20,8
0,45
65,9
Brasil. Gummi . .
1.39
0,46
'7,74
11,8
0,45
67,14
Das Verhalten zahlreicher Gummis zu Reagentien studierten Masing (1879),
Holpert (i888), Martina (1894, bestimmte auch die Schleimsäuremengen, vgl.
S. 437) und Hirschsohn (1904). Es ist aber dabei nicht viel herausgekommen:
eine scharfe Charakterisierung ist zurzeit noch nicht möglich.
Lit. Älteste Untersuchungen der Gummiarten: Fourcrov et Vauquelin, Ann. d. chira.
6 (1790) 178, Vauquelin, Ebenda 54 (1805), Cruikshank, Scher. Journ. 3, 289, Lauoier,
Ebenda 72 (1909) 81, Gilb. Ann. 42 (1812) 228. Ältere Analysen von Berzelius (Ann. de
chim. 95, 77), Prout (Phil, transact. 1827), GufeRiN-VARRY (Journ. d. chim. mfed. 7, 742), Gui-
BOURT, (Ann. Pharm. 9, 221 und Drog. simpl.) , MuLDER (Journ. pr. Chem. 16, 246. Pharm.
Centralbl. 1839, 137), GoEBEL, Gay-Luss.\c u. Thenard, Berthollet, Saussure, — die Ana-
lysen wiedergegeben in Pereira, Heilmittellehre II, 618 und bei Meininger (s. unten). —
John, Schweigg. Journ. 6 (1812) 374. — Gue'rin, Ann. chira. phys. (^2) 49 (1832) 248, Schweigg.
Journ. 65 (1832) 220, Pogg. Ann. 29 (1833) 50. — Lambert u. Gieseke, Schweiggers Journ.
1826. — Lassaigne, Arch. Pharm. 1852. — Neubauer, Journ. pr. Ch. 62 (1854) 193 und Lieb.
Ann. 102 (1857) 105. — Gelis, Compt. rend. 44, 144. — Urrn in Gmelins Handb. 1862, IV,
642. — Fremy, Sur la compos. et la mode de production des gommes dans l'organisat. veget.
Journ. pharm. 1860, 81. — L. Patrouillard, Rech, sur la gomme arabique, sur la transformat.
en dulcite. Journ. pharm. 1879, 532. — Graeger, N. Jahrb. d. Pharm. 38, 129. — Städeler,
Lieb. Ann. 121, 26. — Hekmeyer, R6p. chim. appl. 1858, 214. — Joixy, Et. sur les
gommes These. Paris 1870. — Giraud, These Paris 1875. L'Union pharm. 16, 249. — E.
Masing, Vergl. Unters, d. wichtigsten Handelssorten d. arab. Gummis u. seiner Surrogate.
Arch. Pli. 15 (1879) 216 u. 17 (1881) 34. — Koch, Über Holzgummi. Sitz.-Ber. d. Dorp.
Nat. Ges. 1886 und Holzgummi u. dessen Verbreitung im Pflanzenreiche. Ph. Z. f. Rußl.
1886. — Vee, Et. sur les gommes dit. arab. These Paris 1888. — Lutz, Contribut. ä l'^tude
chimique et botanique des gommes. Thise Paris 1S95. — Gelis, Journ. pr. Chem. 71, 378. —
"Williams, Chem. News 58, 224. — Scheibler, Ber. d. chem. Ges. i, 58 u. 108, 6, 612, 17,
1729. — VON Lippmann, Ebenda 17, 2238. — Tollens, Handb. d. Kohlenhydrate, Landw.
Versuchsstat. 39, 416 und Chem. Zeit 25, 857. — Wheeler und Tollens, Ber. d. chem. Ges.
22, 1046 und Zeitschr. d. Ver. f. Rübenzuckerind. 39, 848. • — Allen und Tollens, Lieb. Ann.
260, 289. — WiDTSOi; und Tollens, Ber. d. chem. Ges. 1900, 143. — Hauers u. Tollens, Ebenda
1903, 3306. — Herzfeld, Zeitschr. Ver. f. Zuckerind. 41, 667. — Guichard, Bull. soc. chim. (3)
19, 9. — Maumene', Bull. Soc. chim. (3) 9, 138. — Garros, Contrib. ä l'etude d. acid. gumm. etc.
(Prunose) These, Paris 1894. — Ullik, Chem. Centralbl. 92, 432. — RCmpler, Ber. d. chem. Ges.
33, 3475- — Bechamp, Bull. soc. chim. lU, 7, 586, Compt. rend. 51, 255. Journ. pharm. 1878,
51. — Reichl, Dingl. Polyt. J. 235, 232. — Reinitzer, Zeitschr. phys. Chem. 14, 453. — Hefel-
mann, Wasser- u. Pentosangeh. d. G. a. Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1901. — O'Sullivan ,Journ. ehem.
soc. 1884, 41 und 1891, 1029 (Chem. Centralbl. 1890 u. 1892). Chem. News 48, 301 ; 61, 23 ; 64, 271.
Chem. Zeit. 25, 569. — Zeisel, Gummi in Wiesner, Rohstoffe. — Flückiger, Pharmakogn.
4^S Gummo-Membranindrogen.
— TscHiRCH, Gummi in Realenzyklop. d. ges. Pharm. 2. Aufl. — Kröber und Rimbach,
Zeitschr. Angew. Chem. 15 (1902) 477. — Grelot, Journ. pharm. 1906. — Kiliani, Ber. d.
ehem. Ges. 13, 2304; 15, 34. — Claesson, Ebenda 14, 1270. — Votocek und Vondracek,
Ber. d. d. ehem. Ges. 37, 3858. — Votocek und Sebor, Zeitschr. f. Zuckerind, in Böhmen
24, I. — Fischer und Meyer, Ber. d. chem. Ges. 22, 1943. — Fischer und Beensch, Ebenda
2", 2483. — Meininger, Beitr. z. Kenntn. einiger Gummiarten. Dissert. Straßburg 1908. —
Hauers, Dissert. Göttingen 1902. — Lemeland, Journ. pharm. 19, 584, 20 (1904) 253 und
21 (1905) 289 und Contrib. ä l'etude de quelqu. ichant. d. gomme Thfese. Paris 1905. —
Rosenthaler, Zeitschr. anal. Chem. 1909, 165. — Leo Lieberiil\nn, G. a. und G. Senegal.
Apoth. Zeit. 1890, 273. — Rideal, Pharm. Journ. 1892, 1073. — Rideal and Youle (Ind. G.),
Pharm. Journ. 1S91, 147. — Martina, Jahresb. d. Pharm. 1894, 56. — Garros, Chem. Zeit.
1894, 1094. — Hirschsohn, Beitr. z. Unters, einiger Gummisorten d. Hand. Pharm. Centralh.
1904. — Boucher (chera. Const. d. G.). Bull, pharm. Sud-Est 1907. — Bourquelot, L'orig.
d. 1. color. d. cert. gommes. Journ. pharm. 1897; 164.
Enzym: Göttling, Bull. d. pharm, i (1809), 220. — BoULAY, Ebenda, p. 225. —
Planche, Journ. de pharm. 6 (1820), 16. — Struwe, Lieb. Ann. 163 (1872), 162. — Cler-
mont und Chautard, Compt. rend. 94. — Wiesner, Über d. Gummiferment. Sitzungsber. d.
Wien. Akad. 92 (1885), 40 (Monatshefte f. Chem. 6 [1885] 592). — Bechamp, Faits pour serv.
ä l'hist. d. 1. g. a. Bull. soc. chim. 9 (1893) 45- — Lutz, Contrib. ä l'ötud. chim. et bot. des
gommes Thfese. Paris 1895, — Bertrand, Compt. rend. 120 (1895), 268. — Bourqitelot, Sur
la pres. d. ferm. oxyd. dans quelqu. subst. m^dicam. C. r. Soc. d. biolog. 4 (1897), 25. —
Gräfe, Stud. über d. Gummiferm. Wiesner Festschrift 1908. — Mikosch Sitzungsb. d. Wien.
Akad. 115 (1906) 911. — Grüss, D. Oxydasen u. d. Guajacreaktion. Ber. d. d. Bot. Ges. 1898,
134. — Tschirch und Stevens, Japanlack. Arch. Pharm. 1905, 532 und über d. Gummienzyme.
Pharm. Centralh. 1905, 501. — Bach, Stickstoffgeh. d. Oxydationsferm. Ber. d. d. chem. Ges.
1908, 226. — Reinitzer, Über d. wahre Natur d. Gummifermentes. Zeitschr. phys. Chem. 14
(1890) 453 u. über d. Enzyme d. Acacieng. Ebenda 6i (1909) 352. — Tschirch, Chem. u.
Biolog. d. pflanzl. Sekrete. Leipzig 1908. — Volcy-Boucher (Emulsin). Bull. soc. Pharm. Sud-
Est 1908, 297. — Firbas, Einw. von G. auf Morphin. Pharm. Post 1905.
Physikalische Eigenschaften. Das Gummi verhält sich im allgemeinen wie
ein Kolloid (Graham), doch zeigt die Lösung osmotischen Druck, verhält sich
also nicht wie ein typisches Kolloid (Lineburger). Aus dem kryoskopischen Ver-
halten leiten Gladstone und Hibbert ein Molekulargewicht der Arabinsäure von
c. 2000 und Lineburger ein solches von 2400 ab, was mit der O'SuLLiVANschen
Formel (s. oben S. 445) gut stimmen würde. Der osmotische Druck einer 6 "jg
Lösung von Cordofangummi betrug, bestimmt im Osmometer von Moor und Roaf,
bei 32" C.: 152- — 170 mm Quecksilber, bei 22" C.: 141mm. Beim Senegalgummi
betrug der osmotische Druck bei 16,5" C. 114 mm Quecksilber.
Das spezifische Gewicht ist wegen der oft eingeschlossenen Luft nicht leicht
zu bestimmen. Reines Gummi hat bei 15" ein spez. Gewicht von 1,487, bei 100"
getrocknet: 1,525 (FlüCKIGEr). Ein anderes Muster Sudangummi zeigte ein spez.
Gewicht von 1,316 — 1,482 (Pereira). Das spez. Gewicht des Angra-Pequenagummi
war ^ 1,123 — 1,134 (Hartwich).
Die Härte ist verschieden — man unterscheidet ja im Handel hartes und
weiches Gummi — , im Durchschnitt ist sie etwa die des Steinsalzes.
Brechungsvennögen. Das G. arabicum ist infolge innerer Spannungen doppel-
brechend.
Wichtig für die Unterscheidung der Sorten ist die Bestimmung der optischen
Aktivität, des Drehungsvermögens. Sie variiert bei Cordofan- und Senegalgummi bei
einer i o *|(, Lösung im 1 00 mm-Rohr zwischen — i " und -|- 3 " 2 1 ', in abnormen
Fällen zwischen — 5 ' bis + 9 "■ -D'^ besten Sorten sind stets linksdrehend (Fromm).
Gummi arabicum.
449
Edie fand bei Untersuchung zahlreicher Muster, daß alle Cqrdofan-Hashab-Gummis
linksdrehend sind und die Drehung in engen Grenzen schwankt. Auch von anderen
Beobachtern wurden Cordofangummi und Senegalgummi so gut wie ausnahmslos links-
drehend gefunden (Wiesner, Scheibler, Flückiger). (In der Literatur ist meist die
direkte Drehung «d, nicht die spezifische [öJd angegeben.) Die Drehung des Cor-
dofangummi schwankte nach Edie bei lo"!,, Lösung und loomm Rohr zwischen
— 2,77 und — 3,14", also in sehr engen Grenzen und betrug bei 10 "l^ Lösung
und 100 mm Rohr nach der H3^drolyse: +5,35 bis -|- 5,56" (22 Muster). Bei
Senegalgummi betrug die Drehung vor der Hydrolyse: — 2,70 bis — 2,93, nach der
Hydrolyse: -|- 5,42 bis -\- 5,48", bei Gedarefgummi — 3,09" (nachher +5,33"). Wie
hieraus ersichtlich, ist auch die Bestimmung der Drehimg nach der Hydrolyse von
Wichtigkeit. Lejieland fand linksdrehend außer Cordofang. auch Aprikosengummi
• — i''93, Matigifera indica — 25 "33, Feronia elephantum — 6" 41, Mannich (io*^|o
Lös. 100 mm Rohr) die Gummis von A. Senegal — 1,1°, A. spirocarpa — 2,6", DlETE-
RiCH: Amradgummi ünksdrehend, Fromm Cordofang.: von — 2^23' bis — 2'^ ^1' ,
Senegal: i" bis 2051', Meininger das Gummi von A. pycnantha ■ — ■19,37". Doch
kommen Anomalien vor. So beobachtete Fromm Rechtsdrehung: bei arab. Gummi
+ 1" und bei Senegal +9° 8', -(-3" 21', -j-S^'ji' und — 4" 52' und Flückiger
und Wjesner fanden das Feronia^wmxax rechtsdrehend, aber das ist beim Cordofan-
und Senegalgummi — ich zweifle nicht daran — auf Vermischung mit Gummis, die
nicht von A. Senegal stammten, zurückzuführen.
Andere Gummis zeigen dagegen stets Rechtsdrehung. Scheibler fand (1873),
daß unter den Sennaargummis rechtsdrehende sich finden, was Flückiger bestätigte.
Geddagummi ist stets rechtsdrehend. Die Drehung schwankt zwischen [«]d "1- 45 und
-]- 54" (O'Sullivan) Guichard fand Salabreda- und berberisches Gummi rechts-
drehend. Ebenso dreht Ghezirehgummi regelmäßig rechts (c. + 3 ") wie Mogador-
gummi (Flückiger). Das Gummi von A. horrida (Angra Pequena-G.) drehte -\- 2^ 20',
-|-3° und -|-3<'2o', nach |E.xtraktion mit Alkohol +3", +3 "40' und -\- ^^ 20
(Hartwich). Lemeland fand rechtsdrehend ([a] d ?) : Gezireh + 45 ", Brasil + 46 " 94',
Cochlosperm. Gossyp. -\- 77° 152'. Mannich fand rechtsdrehend das Gummi von Acacia
Kirckii -\- 2,6", A. Seyal -f- 5,1 ", A. arabica -j- 7,98", A. stenocarpa -\- 4,75 ". Weitere
Angaben im Kapitel Handelssorten (S. 436 u. 437). Im allgemeinen findet man an-
gegeben, daß die Gummis, die relativ wenig (bis 20,7 "j,)) Schleimsäure bilden, rechts
drehen, die, welche über 2 1 "/q Schleimsäure bilden, dagegen links (Wiesner). Das
scheint aber nicht richtig zu sein. Es fehlt eine speziell hierauf gerichtete Untersuchung.
Eine der wichtigsten Methoden zur Wertbestimmung des Gummis ist die Be-
stimmung der Viskosität. Sie erfolgt im Viskosimeter. Der erste, der Bestimmung
der Viskosität der Gummata vorschlug, war Sacc (1857). Er benutzte das Viskosi-
meter von Ochs (Bestimmung der Zeit des Einsinkens eines Senkkörpers). Duclaux
bediente sich des Compte-gouttes de Salleron, dem er die Form einer Pipette gab.
Dann beschrieben Vee (1888) und Lunge (1892) Viskosimeter für Gummilösungen.
Lunges Viskosimeter ist eine Spindel von bestimmter Schwere. Man bestimmt die
Zeit, die diese braucht, bis sie bis zu einer bestimmten Marke eingesunken ist.
Andere Viskosimeter bestimmen die Ausflußgeschwindigkeit des Schleims aus einer
Bürette mit bestimmter Ausflußöfl!hung. So beruhen z. B. das Viskosimeter von
Engler, das REiscHAUERsche und das nach letzterem konstruierte von E. Schmid
darauf, die Ausflußgeschwindigkeit aus einem Rohre bestimmter lichter Weite (2 mm)
Tschirch , Handbuch der Pharmakognosie. Bd.H. 29
450
Gummo-Membranindrogen.
ZU messen. Zum Vergleich dient entweder Wasser, Rüböl oder eine Rohrzuckerlösung
bestimmter Konzentration. Fromm benutzte Englers Viskosimeter für Gummilösungen.
Das sehr gute Ausfluß -Viskosimeter von Mf.rveau (Fig. 151) berücksichtigt den Ein-
fluß, den Druckhöhe, Temperatur und Querschnitt der Ausflußöfifnung besitzen. Seltener
benutzt wird das OsxwALUsche Viskosimeter. Das teuerste, aber beste, ist das
Fig. 150.
Torsionsviskosimeter.
Fig. 151.
Viskosimeter von Merveau.
Torsionsviskosimeter (Fig. 150). Die Bestimmung der Viskosität mit dem
Torsionsvisko.simeter wurde von Beam mit einer 20 oder 30 "/^ Lösung gemacht.
Groß ist die Zahl der für Öle und Firnisse vorgeschlagenen Viskosimeter. Ich nenne nur
die von HuGUET, Schubler, Redwood, Ai.len, Schmid, Engler, Barbey, Valenta. Dann
seien die Viskosimeter von Neumann, Wender, Mayer, Hess, Yvon, Grorert und Demichel
und das Laktoviskosimeter von Micault genannt. Sie sind auch für Gummilösung brauchbar.
Beam fand igo6 mit dem Torsionsviskosimeter von Doolittle, bei go* F.
gemessen, die Viskosität bei Cordofan hard bei lo^jo Lösung = 94 — 112, bei
2o'|q Lösung = 93,5 — iii, bei Cordofan softer bei 20 ''Iq Lösung = 87,5 — 92.
Bei Senegalgummi bei lo^/o Lösung = 83 — 98, bei 20 "Iq Lösung =^ 92,5 — 104
(bez. der Umrechnung der Grade vgl. bei Beam. Die Temperatur muß genau beachtet
werden). Bestes Cordofan gross gum (Turkey) zeigte im Torsionsviskosimeter 32"
Retardation entsprechend der Viskosität einer 61,85*10 Rohrzuckerlösung. Merveau
bestimmte (1910) mit einem von ihm konstruierten Ausflußviskosimeter (Fig. 151) bei 15*
die Viskosität von Cordofangummi zu 5,27, die des Gomme pelliculee de ITnde zu 7,9,
Gummi arabicum. 4SI
die des Gomme d'Aden Mokri zu 3,81. Mit steigender Temperatur geht die Vis-
kosität herab. Sie beträgt z. B. im obigen Falle beim Cordofangummi bei 30": 4,12,
bei 40": 3,87 und bei 50" nur noch 3,28. Die Viskosität des Angra Pequena-G.
betrug 1,72, 2,052, 3,39 und 3,67 (Hartwich). Bei gewöhnlicher Temperatur be-
reitete Lösungen haben eine größere Viskosität, wie heiß bereitete gleicher Konzen-
tration. Beim Aufbewahren des Gummis nimmt die Viskosität ab. Gummis mit hoher
Klebkraft zeigen auch eine hohe Viskosität, einen hohen Säuregrad und eine negative
Drehung (Fromm).
Methoden zur Bestimmung der Klebefähigkeit rühren von Dalen und
Hirschsohn her. Die Klebefähigkeit des Gummi prüfte Hirschsohn in der Weise,
daß er eine bestimmte Menge Gips mit einer bestimmten Menge 10 "j^ Gummilösung
verrieb und die Masse zu Stangen formte. Diese wurden durch imten angehängte
Gewichte auf ihren Zerreißungspunkt geprüft. G. arabicum riß bei 1000 g Belastung,
Senegalgummi bei 1600g, australisches Gummi bei 1400g, ostindisches Gummi bei
1500g («Kunstgummi» erst bei 1800 — 2000 g) Belastung. Die DALENSche Methode
beruht darauf, daß man Saugpapier von bekannten Festigkeitseigenschaften mit der
zu prüfenden Gummilösung tränkt, trocknet und von neuem nach den bekannten
Methoden die Festigkeit prüft.
Auch die Bestimmung der Emulgierungsfähigkeit ist praktisch nicht ohne
Bedeutung. Hirschsohn hat sie bei verschiedenen Gummis bestimmt.
Lit. Osmometer: Moor and Roaf, Biochemie. Journ. 7, 34. — Viskosime ter:
Sacc, Essai des gommes employ^es pour epaissir les couleurs. Joiirn. d. pharm. 1S67, iig. —
DüCLAUX, Ann. chim. phys. 21 (1870) u. 25 (1872). — Vee, Etüde sur les gommes dites ara-
biques. These 1888. — Lunge, Nouv. viscos. pour l'examen des gommes. Ann. chim. an. 1896,
411. — Be.\m, Second Report of Wellcome Res. Labor. 1906, 232. — M. J. Merveau,
Recherches sur la viscosit^ et en particulier sur la viscosite des gommes. These Paris 1910
{hier d. Literatur). — Lunge, Zeitschr. angew. Chem. 1895, 437. Apolh. Zeit. 1897, Nr. 75,
1898, Nr. 22. — Fromm, Zeitschr. anal. Chem. 40 (1901) 143. — Drehung: Grah.\m, Lieb.
Ann. 121, 56. — Gl.adston u. Hibbert, Chem. News 59, 277. — Lineb.\rger, Am. journ. sc.
(3) 426. — GuiCHARD, Bull. soc. chim. (3) 9, 19. — Dieterich, G. vom Hinterland von Angra
Pequena a.a.O. • — Bechamp, Compt. rend. 51,255. — Scheibler a. a. O. — Wiesner a.a.O.
— Flückiger a. a. O. — Mannich, Gummiarten Deutsch-Ostafrikas. Tropenpfl. 1902, 201.
— Fromm, Zeitschr. Anal. Chem. 40 (1901), 143. — Dalen, Mitt. d. k. techn. Versuchsanstalt
1894, 149. — Hirschsohn, Pharm. Zeitschr. f. Rußl. 1893, 803.
Verfälschung und Prüfung. Für pharmazeutische Zwecke kommen nur die
besten Cordofan- und Senegalsorten in Betracht. Als Klebstoff sind alle anderen
guten G. zulässig. Das Gummi arab. officin. muß sich zu einem hellgelblichen, schwach
sauer reagierenden, geruchlosen Schleime langsam aber vollständig lösen, der die oben
(S. 442) angegebenen Eigenschaften besitzt und Fehlingsche Lösung kaum sichtbar
reduziert. Jodlösung darf auch in der heiß bereiteten Lösung weder eine blaue (Stärke)
noch eine weinrote Färbung (Dextrin) geben. 10 ccm des Gummischleims (i = 10)
sollen sich z. B. mit einem Tropfen n./io Jod rein gelb färben (Pharm, helv. IV).
Auch nach dem Kochen und Wiedererkalten darf die Mischung durch einen
weiteren Tropfen der Jodlösung keine Violettfärbung annehmen. Dextrinhaltiges
■Gummi dreht stark rechts. Auf Dextrin, das öfter im Gummi vorkommt, kann mit
Anilinsulfat (Pietro) oder auch in der Weise geprüft werden, daß man 3 ccm
■einer Lösung, die aus 1 5 gtts Liqu. ferr. sesquichlor., 1 5 gtts einer gesättigten Lösung
von rotem Blutlaugensalz, 5 gtts verd. Salzsäure (sp. Gew. 1,165) und 60 ccm Wasser
29*
1 r2 Gummo-Membranindrogen.
besteht, mit 6 ccm einer 2o''|q Lösung des G. vermischt. Die Lösung von reinem
G. wird gelb und bleibt es lO — 12 Stunden lang, bei Anwesenheit von Dextrin wird
die Lösung blau. Die Prüfung auf Gelatine (Leim) gründet Gautier auf die Eigen-
schaft derselben durch Formaldeh\d in der Wärme unlöslich zu werden (G. wird
nicht angegriffen). G., das mit schwefliger Säure gebleicht wurde (Verfahren Pici-
OTTO), gibt mit Baryumchlorid eine Fällung, solches, das mit Chlor gebleicht wurde,
mit Silbemitrat. Piciotto empfahl auch Reinigung gefärbter G. mit Alaun und KOH,
so daß auch hierauf zu prüfen wäre. Auch mit Schwefelsäure soll G. gereinigt werden (?).
Reines Cordofang. erhärtet mit Borax zu einer gummiähnlichen Masse, dasselbe ge-
schieht mit bas. Bleiacetat und Eisenchlorid, mit Kalisilikat gelatiniert es. Eine Mischung
von Traganthschleim mit Acaciengummi ist dicker als die entsprechende reine Mischung
(White). Vee empfiehlt als bestes Mittel, Verfälschungen aufzudecken, Bestimmung
des Rotationsvermögens, und dem möchte ich beistimmen (vgl. oben S. 449) und
außerdem Bestimmung der Drehung nach der Hydrolyse vorgeschlagen.
In der Pharmazie sollte nur schwach linksdrehendes G. zugelassen werden.
Für die Technik ist das wichtigste die Bestimmung der Viskosität (Hefelmann).
Fromm hält für die Wertbestimmung wichtig festzustellen: Löslichkeit, Viskosität, Säure-
grad, Drehung, Dehnimg und Klebfähigkeit, sowie Feststellung, ob die Lösung schäumt
und ob sie reduziert (s. oben S. 427 u. 433). Rideal und Youle (1891) halten
auch die Bestimmung des Wassergehaltes für ein gutes Mittel zur Charakterisierung
und Aufdeckung von Fälschungen. Jaksch u. and. empfehlen Bestimmung der Lös-
lichkeit. Auch die Bestimmung der Emulgierungsfähigkeit ist bei G. a. officinale nicht
ohne Bedeutung (Hirschsohn).
Mit dem Mikroskop lassen sich die meisten Fälschungen des Pulvers, be-
sonders bei Anwendung von Jodlösung, erkennen: Traganth (vgl. Fig. 140, S. 397),
Dextrin (schon von Hager 1869 beobachtet, und oft vorkommend) (vgl. Fig. 73,
S. 200), Stärke (Reisstärke, Wilson), Mehle (Maismehl, bis ^o\\ Fernau). Man
geht von einem Glycerinpräparat aus. Die Fragmente von beigemengtem wasserlös-
lichem Dextrin färben sich mit etwas jodhaltigem verd. Glycerin violett-rötlich, bevor
sie sich lösen (Koch). Als anorganische Verfälschung des Pulvers wurde Borax (5 "/^
Fernau) beobachtet. Im Senegalg. findet sich bisweilen Bdellium (s. oben S. 425),
ein Gummiharz, das zu ']o'^\q in Alkohol und Äther löslich ist.
Als Ersatzmittel des G. a. kommen jetzt nur in Betracht: Capgummi, Berberi-
sches G. und die blassen Varietäten vom indischen Amradg. und Ghattig. (Maben).
Nur für technische Zwecke kommen in Betracht (für pharmazeutische Zwecke auszu-
schließen!) die Surrogate: Gummi aus Mesetnöryanthe/iuimlxüchien (1898), Kunst-
gummi aus Dextrin, durch NaOH und Na^CO-^ löslich gemachtes Kirschgummi, der
gummöse Rückstand der Myrrhentinkturbereitung (gibt einen vorzüglichen Klebleim!
Alcock). Ein neueres Gummiersatzmittel besteht aus mit Stärke versetztem einge-
trocknetem Carageenschleim (Tropenpflanzer 1905, 282).
Lit. HoPFF (Verhalten gegen Reagentien), Jahrb. prakt. Pharm. 15, 234. — HiRSCHSOHN,
Vgl. Vers, mit Natur- und Kunstgummi. Pharm. Zeitschr. f. Rußl. 1893 und Zeitschr. Allg.
Österr. Ap. Ver. 1904. Ph. Centr. H. 1904, Nr. 20. — Maben (Reagentien), 1891 a. a. O. —
Karl Dieterich, "Wertbestimmung. Zeitschr. anal. Ch. 40, 408. — Gautier, Compt. rend.
1898. — Whii-e (Vergleich mit Traganth). Brit. Pharm. Conf. 1904. — Wilson, Reisstärke. Pharm.
Journ. 1889, Nr. 988. — Masing, Arch. Ph. 1879/80. — Holfert, Jahrb. d. Ph. 1888. — Rideal,
ebenda 1892. — Martina, ebenda 1894. — Jaksch, Cham. Zeit. 1891,77. — Rideal und Youle,
Chem. Drugg. 1891, 788. — O. Fromm, Wertbest. v. G. a. Zeitschr. anal. Chem. 40 (1901),
Gummi arabicum.
453
143. — Hartwich in Pharm. Praxis. — Koch, Atlas. — A. Frrnaü, Untersuchungsergebn.
b. offiz. Präp. u. Drog. im Jahre 1902/1903 in Östr. Jahresh. f. Pharm. IV, 1903, 150. • —
Mitlacher, Zeitschr. d. allg. Östr. Apoth. Ver. 1904, 1480. — Pietro, Proc. Am. ph. assoc.
1894, 901. — Sollmann, Response of guras etc. to Moores Reaction. Am.journ. pharm. 1911, 176.
Anwendung. G. arabicum ist das am meisten in der Medizin gebrauchte
Mucilaginosum. Es wird als einhüllendes Mittel, dann besonders bei Katarrhen, aber
auch bei Diarrhöen angewendet. Gummi ist Bestandteil vieler Hustenmittel (Gummi-
bonbons) und wird auch als Bindemittel für Emulsionen benutzt. Man benutzt es
auch als Hilfsmittel beim Pulvern einiger Drogen (Fruct. Capsici, Fnict. Colocytilh.).
Vor dem Pulvern ist das Gummi zu trocknen, dies darf nicht über 30 — 40" und
länger als einen Tag geschehen, da sich sonst das Gummi verändert. Da Gummi
aus der Luft Feuchtigkeit anzieht, ist es in gut verschlossenen Gefäßen aufzubewahren.
Lösungen des G. arabicum dürfen nicht zugesetzt werden: Mineralsäuren, Metallsalze,
Bleiessig, Brom- oder Eisensalze, Sulfate, Oxalate, Silikate, Alkohol und alkoholische
Tinkturen, sowie, es sei denn, daß die Lösung «sterilisiert» wurde, die oben (S. 446)
genannten Substanzen. Technisch wird es als Klebemittel (Briefmarken! die Reichs-
druckerei braucht jährlich über 60000 kg) und bei Appreturen (bes. der Seiden-
waren), in der Färberei, Druckerei, bei der Bereitung von Tinte, Farben und Zünd-
hölzern, die feinsten Sorten auch in der Liqueurfabrikation und der Confiserie (Pasta
gummosa) benutzt Mit Kaliumchromat gibt Gummi eine lichtempfindliche Masse (Eder).
G. arabicum ist ein gutes Nahrungsmittel, denn die Verbrennungs wärme der
Arabinsäure beträgt bei konstantem Volum 4004 Cal. für i g (1369,4 Cal. für i g-Mol.).
Salzsäurehaltiger Magensaft wirkt glykosebildend (Fudakowski), mindestens 46 "Jq werden
verdaut (Voix). In Australien leben die Eingeborenen in der trockenen Jahreszeit fast
nur von Acaciengummi oder Koljang (Preiss). Auch die Tuaregs der Sahara verzehren
das Gummi (Duveyrier), ebenso die Eingeborenen in Ostafrika (Holst). Im Somali-
land wird das «süße» Gummi (d. h. G. arab., das «bittere Gummi» ist Mynha) gekaut
und dient bei langen Märschen oft als einzige Nahrung. Während des Mahdiauf-
standes im Sudan lebten die Heere besonders von Gummi (s. oben S. 427). Frisches
vom Baume gebrochenes G. stillt auch den Durst. David schützte sich in Cordofan
durch Gummigenuß vor dem Verdursten.
Geschichte. G. a. findet sich nicht bei den Sanskritschriftstellern, die arabisch-persischen
beschreiben es unter dem Namen Samgh-i-arabi (Dymock). Der Autor des Makh z an beschreibt
G. a. als das G. des Baumes ammughilän oder mughilän, gelblich-weiß, durchscheinend und
gänzlich löslich in Wasser (Pharmacogr. ind.). In der Schatzkammer des Rhapsenit in Me-
dinet-Abu finden sich Darstellungen von Gummibäumen und fand sich Gummi (kami-en-punt)
selbst, das die Ägypter seit den ältesten Zeiten aus dem Lande Punt (vgl. I, S. 459) holten.
In zahlreichen Rezepten des Papyrus Ebers wird die ägyptische Acaci'a und Gummi erwähnt.
Theophrast erwähnt einen Wald der Gummiacacie in der Thebais in Ägypten. Und auch in
dem botanischen Lexikon Kitäb as sagar (X. Jahrh.) stehen die Nilacacien. Die äxav^a des
Theophrast (bist. pl. IV, 2, 8), von der er sagt „ylverai 6s ix xavxiji; xal tb xöfifii xal
^BCi xal 7iX>]yelai]g xal avtäfiatov avsv ersetzt. Außer
diesem unterscheidet Pomet noch ein G. turique, G. vermicuWe und G. d'Angleterre.
Das Altertum unterschied die Gummis nicht von den Harzen. Auch noch im Mittelalter
gingen unter dem Namen Gummi auch die Harze (z. B. gumma colofonia, gummi pini in der
Alphita, und auch noch später [Nördlinger Register 1480]: gumi pini, in der Berluliste
[1724]; gum copal). Das hat sich bis heute erhalten. In den Grossistenlisten figuriert immer
noch Gummi Benzoes, G. Mastix, G. Elemi. Die Jahrtausende sind über diese falsche Bezeich-
nung hinweggegangen, ohne Spuren zu hinterlassen. Ja, unter Gummi par excellence versteht
man heutzutage oft — Kautschuk! Daß G. a. von dem Amygdalaceeng. (gummi qui exit de arbore
ceraso vel pruno) verschieden ist, war schon im XII. Jahrh. bekannt.
Der Bezeichnung Gummi arabicum begegnen wir schon im Altertum, bei DlODORUS
SicuLUS, bei Nicolaus DamascEnus (I, S. 573), Oribasius (I, S. 589) u. and. Und auch in
der Alexandrinischen Zolltafel (I, S. 569) steht onyx (commis [.'] oder gummi) arabicum — bei
ScRiBONiu.s Largus (I, S. 577) dagegen commi alexandrinum und bei Alexander Trallianus
xonfjii ).fvx6v. — Die Bezeichnung blieb dann durch das ganze Mittelalter erhalten. Sie findet sich
z. B. bei Serapion (I, S. 605). Gomarabische steht unter den Einfuhrartikeln von Pisa (1305) und
Telamone fl379), dann in der Liste von Paris (1349, I, S. 706) und Paxi erwähnt gomma rabica
unter den Artikeln des venetianischen Handels (Flückiger). In der Alphita (I, S. 64g), in den
Prunoideengummi. ^rr
Tabulae, bei Platearius sowie den Sinonoma Bartholomei steht: gummi arabicum — Sanig,
Sanag arabicum. Im Inventaire Lefort (I, S. 804) steht: «2 onces de gomme arabique tauxee
2 blancs», was auf keinen großen Bedarf schließen läßt. Im Droits de Courtage etablis ä Paris
au XVe siecle (ed. Dorveaux) steht «gomme arabic VI d. t. la bale». Cordus (I, S. 799) unter-
schied: G. Splendidtim, arabicum und vermiciilatum (Traganth.') Er verwendete auch Succtis et
fructus arboris Acaciae. Gummi arabic. steht in der Frankfurter Liste (I, S. 812), dem Eßlinger
Drogenverzeichnis (I, S. 815) und zahlreichen Taxen. In der Taxe von Hamburgk 1587 steht
Gummi arabicum = Dinten Gummi. Die Berluliste (I, S. 950) hat neben gum arabicum auch
gum cerasorum. Aber die Bezeichnung arabicum bedeutet nicht, daß Arabien das Land ist,
wo das G. produziert wurde, ebenso wenig wie wir aus dem häufigen Beisatz aegypticum, indi-
cum, aethiopicum, romanum irgend welche Schlüsse auf das Produktionsland ziehen dürfen.
Über Arabien kam G. aber sicher schon im Altertum und Mittelalter. Auch IBN Kosdadbah
(I, S. 616) nennt es bei Temen.
Acacia Senegal ist schon von Prosper Alpin (I, S. 770) beschrieben, sodann von Adanson
(XVIII. Jahrh.) und endlich von Guillemin und Perrottet (a. a. O.).
Lit. Flückiger-Hanbury, Pharmacographia. — Flückiger, Pharmakognosie. — Wönig,
Die Pfl. d. alt. Agypt. — Die Acacien Ägyptens in JORET, Les plant, dans l'antiquitS I, 144.
— Pereira, Heilmittellehre.
Prunoideengummi.
Amygdalaceengummi, Kirschgummi, gummi nostras, gomme du pays, cherry gum.
Zu technischen Zwecken wurde der Gummi der Kirsche (Prunus Cerasus) und
Pflaume {P. domestica u. and.) schon im XII. Jahrh. benutzt (Theophilus oder Rogker
Schedula divers, art. in Eitelberger, Quellenschr. f. Kunstgesch. 1874) und die Hildegard
(I, S. 667) erwähnt ein Gummi de Persico {Pr. Persica'i) als Heilmittel. Außer diesen wird
auch das Gummi des Mandelbaumes (Prunus Amygdahcs) und der Aprikose [P. armeniaca)
gesammelt und in Böhmen das G. von Amygdalus spartioides (Hoffmeister). 189 i kam aus
Buschir ein Prunus-G. von P. Bopkarensis ROYLE und P. Piiddum KOKB. (SiCKENberger), 1906
persisches G. besonders von Amygdalus leiocarpa Boiss. in den Handel (Hillier). Schindler
bemerkt (1881), daß das Djedk-i-ardjin genannte Gummi Persiens von dieser Pflanze bei Kerman
gesammelt wird und in Afghanistan sammeln die Eingeborenen Pflaumen- und Aprikoseng.
(Aitchison). Der cherry gum Indiens wird von Prunus Puddum abgeleitet (CooKEj und min-
destens ein Teil des Bassorag. und des Hog gum (vgl. S. 405) ist ebenfalls Amygdalaceeng.
In China wird Pfirsichg. (tdu-kian) gesammelt, ebenso in Indien (aru, reck, mandala, Dragen-
dorff). Jetzt ist Prunoideeng. nur wenig in Gebrauch (unter anderem beim Kattundruck}, da
es nur wenig löslich ist und mit Wasser aufquillt. Es ist der Typus des Cerasingummis.
Die Bildung des Prunoideengummis erfolgt in, infolge von Verwundungen vom Cambium
im Jungholz gebildeten, Gummiparenchyminseln (MiKOSCH), aber auch in der Rinde (Wigand,
Tschirch), s. auch oben S. 410 — 416. Prunoideengummi ist blaßgelb bis rötlichbraun, doppel-
brechend, hat glänzende, muschelige Bruchflächen, außen ist es meist trübe. Es wird durch Alkalien
braun, durch Salzsäure rotviolett. Es enthält 13 — l4"/o Wasser und 2 — 3,5% Asche. Während
sich alle Arabingummis in Chloralhydrat (6o"/o) klar lösen, hinterlassen die Cerasingummis einen
gequollenen Rückstand, die Bassoragummis (Traganth) geben eine klare Lösung, über der sich
eine klare gequollene Masse absetzt (Mach, Wiesner).
Das Prunoideeng. wird meist als metarabinsaurer Kalk betrachtet (Fr^my). Der lösliche
Teil des Kirschg., der (nach Schmidt) bis 52,1°/,, betragen kann, ist kein Arabin (Garros),
er wird durch Bleiessig nicht gefällt. Pfirsich- und Mandelg. scheint mehr lösliches G. zu ent-
halten als Kirschgummi. Pfirsich- und Pflaumengummi geben bei der Oxydation Schleimsäure.
Kirschgummi enthält c. 39,96% Pentosane und liefert bei der Hydrolyse Galaktose und
(bis SO^/o) Arabinose (Hauers) — die Arabane überwiegen also. Die gleichen Produkte lieferten
neben unbekannten Zuckerarten auch das Pfirsich- und Aprikosengummi (Lemeland, Stone).
Kirschgummi gibt bei der Hydrolyse keine Xylose (Kirschholz viel!) oder doch nur sehr ge-
ringe Mengen (Browne und Tollens). Über das Cerasin vgl. oben S. 442. Das Cerasin der Kirsche
soll sich durch ein in der Kirsche befindliches (nicht durch ein anderes Amygdalaceen-) Enzym
in Arabin überführen lassen (Garros). Oft enthält das Kirschg. auch Zucker und Gerbstoff'
456
Suberino-Membranindrogen.
(Schmidt), stets eine Oxydase. Bei der Hydrolyse des Pflauraeng. erhielt Garros eine neue (?)
Pentose, diePrunose. Lemeland fand im Aprikoseng. 8,83°/o in Wasser Unlösliches, lö.i"/,
"Wasser, 3,3 7o Asche, 23,6% Galaktane, 48,57, Pentosane. Es lieferte Arabinose und drehte
— l'gj. In Pflaumeng. waren dagegen 20,87o Unlösliches, 15,4 7o Wasser, 2,5 7„ Asche,
'3.3*o Cilaklane und 76,3 7o Pentosane enthalten. Es lieferte Arabinose und drehte kaum.
Martina gibt folgende Übersicht:
s
tD
a
Art des
Gummis
Asche
7o
Kalk
im Gumiri
7o
Kalk
in der Asc
0/
/o
a
0
03
0
0 =>
Gesamt-
glykosen
/o
G.ilaktose
-|- Pentose
7o
Aprikosen
4.20
1,85
44.04
15,16
12,21
17,27
34.54
43.48
46,75
Pflaumen
2.15
1,07
49,76
5.19
6,92
31*03
62,06
66,47
68,98
Kirschen
2.50
1,00
40,00
6,13
8,17
23.07
46,14
56,38
54.31
Durch eine Lösung von i 7o NaOH und 2,5°;'o Na^COj löslich gemachtes Kirschg. ist als
«Kunstgummi» im Handel. Auch durch Erhitzen mit Wasser unter Druck werden unlösliche
G. löslich.
Lit. MiKosCH, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1906, 91 1 (dort die Lit.). — AVigand, Pringh
Jahrb. 3. — TscHiRCH, Angew. Anatomie S. 210, Fig. 211. — Wiesner, Rohstoffe. — Sicken-
BERGER (Prunusg.). Chem. Zeit. 1890, 350. — C. Hoffmeister, Amygdalusg. Ber. d. d. bot,
Ges. 1898. — Aprikoseng.: Lemeland, Journ. pharm. 1905, 443. — Hillier, Kew Bull. 1906,
109. — Hükrre (G. d. Mandelbaums). Journ. pharm, chim. 1908, 561. — Hauers, Dissert. Göt
tingen 1902. — Lemeland, Journ. pharm, chim. 21, 443. — Stone, Ber. d. d. chem. Ges. 23
2574. — Garros, Journ. ph. 1892, 535. Bull. soc. chim. (3) 7, 625. — Allen und Tollens.
Lieb. Ann. 260, 289. Ber. d. chem. Ges. 23, 137. — Martina, Apoth. Zeit. 1894.
B. Drogen, welche vorwiegend aus Membraninen bestehen, die keine Poly-
saccharide enthalten oder von denen es nicht sicher ist, ob sie solche enthalten.
Zu dieser Gruppe gehören Kork, Pollenin, Pilzzellulose und die Diatomeen-
schalen. Neuere Untersuchungen haben es zweifelhaft gemacht ob in diesen Poly-
saccharide vorkommen, da die als Beweis angeführte Reaktion, daß die mit Kali be-
handelten Membranen mit Jodreagentien (z. B. Jod-Schwefelsäure, Chlorzinkjod) sich
violett färben, auch auf andere Substanzen, beim Kork auf die Phellonsäure, bei der
Pilzzellulose auf Chitosan zurückgeführt werden kann.
Die Drogen dieser Gruppe mögen also den Zellulosindrogen gegenüber gestellt
und ihnen hier angehängt werden.
1 . Suberino-Membranindrogen.
Ein höchst eigenartiges Membranin ist der Kork, der hier als Suberino-
membranin bezeichnet werden mag, da er eine Bildung sui generis ist. Die ältere
Annahme ging dahin, daß die Korkmembran eine durch Suberin (v. Höhnel) «in-
krustierte >' Zellulosemembran sei. Daß dies nicht richtig ist, wissen wir jetzt bestimmt.
Ob die Suberinlamelle überhaupt Polysaccharide enthält ist unsicher und neuerdings
bestritten worden (Gilson, Wisselingh). Die älteren Beobachtungen von Payen,
MoHL, Fre.my und Urbain, Kügler, Wiesner, Haberlandt und von Höhnel
stützten sich auf die Tatsache, daß die Korkmembran nach Behandeln mit kochen-
dem Alkali sich mit Chlorzinkjod und Jodschwefelsäure violett färbt, was als «Zellu-
losereaktion» angesprochen wurde. Aber es ist zu berücksichtigen, daß auch die
Phellonsäure und ihre Salze, die beim Behandeln von Kork mit kochenden Alkalien
Suber.
457
entstehen, durch Chlorzinkjod violett werden (Gilson), also die Zellulosereaktion vor-
täuschen können, v. Wisselingh bestreitet daher das Vorkommen von Zellulose in
der Suberinlamelle. Bemerkenswert ist auch, daß bisher aus Kork allein weder Hexosen
noch Pentosen isoliert werden konnten. Charakteristisch für den Kork sind jedenfalls
andere Verbindungen als Polysaccharide, besonders Fettsäureester, weniger aromatische
Reste. Die wichtigste Gruppe ist die der Fettsäuren, die Kügler zuerst darin (1884)
nachwies und die dann Gilson und v. Schmidt näher studierten. Gefunden wurde
neben Stearinsäure, besonders Phellonsäure, Suberinsäure und Phloion-
säure. Der Phellonsäure schreibt Schmidt die Formel:
H^C^ \c(OH).CH3
I I
HgCv /CH.COOH
\c/
zu. Sie wäre dann eine hydroaromatische Verbindung. Bei der Aufspaltung des Ringes
CH2CH2CH2COOH
bei Behandeln mit HNO3 entsteht Korksäure: | . Wie diese Säuren
CH2CH2CH2COOH
gebunden sind, ist noch nicht aufgeklärt. Die geringe Menge Glycerin, die Kügler
bei der Verseifung erhielt (auf 30 "Jq Säuren nur 2,65 "^^ Glycerin, v. Schmidt fand
mehr), deutet darauf, daß nur relativ geringe Mengen der Säuren als Glycerinesler
vorliegen können, das meiste ist wohl anders gebunden. Gilson denkt an zusammen-
gesetzte Ester, Kondensations- und Polymerisationsprodukte verschiedener Säuren, Czapek
auch an laktonartige Anhydride, v. Schmidt an Anhydride und Polymerisationsprodukte.
Keinesfalls können wir den Kork als ein Gemisch von Fett und Zellulose auffassen,
wie man dies früher tat und Zellulose findet sich, wenn überhaupt, nur als Lignino-
membranin in der Mittellamelle (und der Innenlamelle, Gilson). Daneben finden
sich auch aromatische Reste im Kork. Korkzellmembranen speichern Chlorophyll,
Alkanna (Correns), Cyanin (Zimmermann) Sudan III (Lagerheim), was auf die
Fettsäuren zurückzuführen ist und färben sich mit Osmiumsäure, müssen also unge-
sättigte Verbindungen enthalten. Mikrohistochemisch ist die Korkmembran dadurch
au.sgezeichnet, daß sie in konz. Schwefelsäure, selbst nach längerer Einwirkung, sich
nicht löst (Mitscherlich, 1850). Ebenso ist sie in Kupferoxydammon, in kaltem
und heißem Schultze sehen Gemisch (chlorsaures Kali und Salpetersäure), in kalter
Chromsäurelösung unlöslich. Konz. Kalilauge färbt besonders beim Erwärmen gelb,
dabei tritt zuerst Kömelung auf und dann gelbe Tropfen.
Ich habe schon 1888 darauf aufmerksam gemacht, daß nicht alle in konz. Schwefelsäure
unlöslichen Membranen als «verkorkt» zu betrachten sind. Besonders bei Drogen kommen oft
durch postmortale Infiltration mit Phlobaphenen mehr oder weniger gefärbte Membranen vor,
die sich nicht in Schwefelsäure lösen und doch nicht verkorkt sind.
Vgl. ferner das mikrohistochemische Verhalten bei Suber.
Suber,
Syn. Suber quercinum, Kork, — liege (franz.) — cork (engl.) — corcho (span.)
— sughero (ital.) • — kurk (hoU.) — korkki (fin.) — para (ung.) — suberin (russ.) —
plutovina (kroat.) — korek (böhm.) — fptlXoq, (griech.).
I ; S Suberino-Membranindrogen.
Die Korkeiche (Korkbaum, Korg- oder Karclibaum [CoRDUs], Gorekenbaum, Sohlenholz,
Pantoffelholz) heißt franz. ebene lifege, engl. Cork-tree, holl. Korkboom, vlothout, ital.
sughero, suvero, port. sobro, sobrereiro, span. alcornoque (in Catalonien suro, surera, in
Galicien subreiro), in Algerien, Tunis und Marocco: kerrouch oder fernan. Den Baum
nannten die Römer Suber (so schon bei Virgil) oder cortias arbor , den Kork vielfach kurz
Cortex (Katexochebegriff!), da von allen Rinden die wichtigste — das deutet also auf vielfache
Benutzung (Flückiger).
Etym. Süber von sub (= unter) und suere (= nähen) wegen der Verwendung zu Schuh-
sohlen (s. Geschichte), aus dem gleichen Grunde auch zu subire in Beziehung gebracht. Kork,
seit ScHOTTEL 1663 gebucht (Kluge) — ich finde Kork aber schon 1659 im Rostocker Cato-
logus (s. Taxen, I, S. S25) — , aus span. corcho = Korkholz, Pfropf, frühengl. cork, dies von
cortex über scorzia, scorza (ital. von excortea) — liege von levis, also = der leichte Stoff —
Pantoffelholz wegen der schon von Plinius erwähnten Benutzung für Schuhe — Pantoffel aus
ngr. -jiavxocpsXXoi = Ganzkork.
Stammpflanze und systemat. Stellung. Quercus Suber L. F"agaceae —
Castaneae. — (Quercus Sect. Lepidobalanus Endl. c. Suber.)
Sehr ähnlich und fast nur durch zweijährige Fruchtreife, einjährige, etwas breitere Blätter
unterschieden ist die einen in geringerer Menge in den Handel gebrachten, übrigens guten Kork
liefernde, in Südostfrankreich (zwischen Gironde und Adour), Portugal und Spanien heimische, härtere
(über den 45° hinausgehende) Qiiercus occicientalis Gay. (in Frankreich: Corcier), die einige für
eine Varietät der Korkeiche halten [Quere. Suber var. lafifolia). Der Kork der in Mittelitalien
und der Provence häufigen Qu. Psetido-Suber SantI ^Bastard von Q. Suber und Cern's'i) ist
minder\vertig (Mathieu). Als Faux lieges gelten (in Algier) die Hybriden: Qu, numidica
Trabut (^«/. Suber x Qit. Afares = Qu. Pscudo-Suher De. ex parte) und Qu. Fontanesn [Qu.
Suber X Qu. Cerris).
Beschreibung der Stammpflanze. Die Korkeiche bildet einen bis 10, ja 16
selten 20m hohen immergrünen Baum von 3 — 5 m Stammumfang, mit großer, un-
regelmäßiger, aufgelöster, zerzauster, meist nicht sehr reich belaubter Krone (vgl. I,
Fig. 86 u. 8q u. Taf. X). Die jüngeren Zweige sind grau oder gelblich-filzig, die jüngeren
Stämme und Äste sind mit einem glatten, rotbraunen Kork bedeckt, der mit den Jahren
sehr dick und rissig und grauweiß wird und sich schließlich vom 50. Jahre an zum Teil
in kleinen Schuppen ablöst. Die 2 — 3 Jahr dauernden Blätter sind elliptisch, eiförmig,
eiförmig-länglich bis länglich (wie bei anderen immergrünen Eichen von erstaunlicher
Vielgestaltigkeit, Rickli), 3 — 7 cm lang, 1,5 — 3 cm breit, auf 5 — 12 mm langem Stiel,
meist scharf bis dornig-gezähnt, selten ganzrandig, in der Jugend graufilzig. Die männ-
lichen Kätzchen mit filzigen Spindeln, stumpf sechslappigem Perigon und behaarten
Antheren. Die weiblichen Infloreszenzen fast sitzend. Früchte im ersten Jahr reifend.
Cupula verkehrt-eiförmig-halbkugelig mit locker angedrückten graufilzigen Schuppen.
Eichel zweimal länger als die Cupula, glänzend hellbraun. Der Baum blüht meist im
April und Mai. Die Samen reifen vom September bis Januar. Sie sind bitter und
als Viehfutter weniger brauchbar als die von Q. Ile.x var. Ballota, doch kommen auch
Varietäten mit süßen Samen vor. Die Wurzel treibt reichlich Schößlinge.
Verbreitung. Größere Bestände der Korkeiche lassen sich nördlich vom 45.
Breitengrade nicht halten. Ihre Polargrenze fällt zusammen mit der Isotherme von
13,5" C. Sie gedeiht am besten auf Hügeln und mittleren Gebirgen (200 — 800 m in
Algier, 400 bis 600 m in Spanien). In Spanien geht der Baum bis 1200 m, in Algerien
bis 1300 m. Sein Alter übersteigt nicht 200 Jahre. Die Korkeiche findet sich in der
Westprovinz des Mittelmeerdrogenreiches (s. die Karte) in Südostfrankreich,
Spanien, Portugal, Balearen, Sardinien, Korsika, Sizilien, Italien, Istrien, Dalmatien
und Nord Westafrika, besonders Algier und Tunis, aber bis ins Innere von Marocco.
c
u
o
^ I
73
C
lU
CJ
'S
o
bp
5
O
Suber.
459
Sie bildet Wälder oder ist (selten) in Alleekultur (I, Taf. V). Sie wurde neuerdings
in die Südstaaten Nordamerikas und an die atlantische Küste südwärts von Virginien
eingeführt.
In Spanien sind c. 300000 ha der regenreicheren Provinzen mit Korkwald bedeckt, meist
als Mischwald (mit Steineiche) an niederen Gebirgshängen in einer Meereshöhe von 500 — 600
(800) m, vornehmlich in Catalonien, Nieder-Andalusien und Estremadura. Cata-
lonien besitzt die schönsten und bestkultivierten Korkwälder des ganzenKork-
gebietes (Abhänge der Pyrenäen und des catalonischen Gebirges, Ebene von Ampurdan).
Besonders schön sind die 80000 ha großen Wälder der Provinz Ger ona, zwischen Junquera
und Figueras, an den Abhängen der Sierra de las Gabarras (La Bisbai) und im östlichen
Bergland (Gerona bis Arbucias) sowie an der Küste (Blanes, Calonge) (s. die Karte).
Die Korkeichenwälder Nieder- Andalusiens, die 112000 ha bedecken, befinden sich
in den Provinzen Huelva, Sevilla, Cadiz und Cordoba, die meisten in der Provinz Huelva:
in der westlichen Sierra Morena, der sog. Sierra Aracena (Aracena im Ouellgebiet des Odiel,
Huelva und Murtija) und im Süden (Lepe, Ayamonte, Almonte) in der Provinz Sevilla: zwischen
Sevilla und Utrera und in der Sierra de Pedroso, in der Provinz Cadiz: auf den Bergen zwi-
schen Guadiaro und Guadalete und den Sierras de Gazules, de Algeciras, de Palma und de
Tarifa — hier fast reine Bestände bildend, weiter oben Mischwald (mit Qu. Lusitanica und
Ilex). Schöne Korkwälder liegen auch bei San Roque und in den Tälern des Guadiaro, Joger-
ganta und Rio Guadarranque, zwischen Arcos de la Frontera und Medina-Sidonia (dort die
«Lomas de alcornoque» = Korkhügel); in der Provinz Cordoba: Sierra de Cordoba bis zum
Guadalquivir. Von den andalusischen Korkdistrikten liefert Cortes den meisten Kork (1896:
11005 ')) dann Jerez und Alcald, weniger Huelva, Easares und Cadiz u, d. and. Distrikte. In
der Sierra Aracena bildet die Korkeiche in Höhen von 400 — 600 m gemischte Bestände mit
Q. Ilex und Q. Baihta (Rein).
Die Korkwälder Granadas liegen in der Provinz Malaga (Sierra de Antequera, Hoch-
ebene von Ronda, Sierra de Bermeja zwischen Marbella, Estepona und Gaucin, Sierra Contra-
viesa), die von Estremadura in der Provinz Cäceres (zwischen M^rida und Cäceres bis zum
Rio Tiitar und Toril). Auch die Provinz Burgos in Altkastilien hat Korkwälder, sowie Asturien,
weniger Galicien.
Die Korkwälder Portugals umfassen (191 1) c. 500000 ha (Weber), sie liegen besonders
im Süden in den Gebirgsketten von Algarve (z. B. den Tälern der Serra de Monchique) im
südlichen Alemtejo, in Estremadura (Tal des Sado, Palmella), endlich im südlichen Beira
— weniger in Mittel- und Nordfiortugal (Serra de Cintra). Die Korkwälder längs der West-
küste bestehen besonders aus Quercus occidentalis.
Frankreichs Korkwälder umfassen 191 1 c. 150000 ha. Die meisten liegen in der Pro-
vence (Var, Alpes maritimes), weniger in der Gascogne (Landes, Lot-et-Garonne, Gironde —
fast ausschließlich
Erwärmt man Schnitte in Wasser, so sieht man, daß die Korkmembranen über dem
Gipsblättchen sich neutral verhalten, daß aber mit dem allmählichen Erkalten die frühere optische
Reaktion wiederkehrt (Ambronn) — kann beliebig oft wiederholt werden — . Daraus schließt
Ambronn, daß in diesen Membranen die Einlagerungssubstanz in kristallinischer Form mit gleich-
sinniger Orientierung der kleinsten Teilchen vorhanden ist. Verkorkte Membranen verlieren auch
durch Behandlung mit Kalilauge ihre normale optische Reaktion, das Achsenverhältnis kann
sich sogar umkehren (Dippel) oder sie werden wenigstens neutral (Ambronn).
Lit. MOHL, Entwickl. d. Korkes. Diss. 1836 u. Vermischte Schrift. Bot. Zeit. 1847, 497. —
MiTSCHERLiCH, Monatsber. d. Berl. Akad. 1850. — Schacht, Anat. u. Phys. 1856 I, 287. — ■
S.\Nlo, Vgl. Unters, über d. Bau u. Entw. d. Korkes. Pringsh. Jahrb. 2 (1858). — De Bary,
Anatomie. — Tschirch, Angew. Anatomie. — HAn.\usek, Techn. Mikroskop. — VON Höhnel,
Über den Kork u. verkorkte Gewebe überhaupt. Sitzungsb. d. Wien. Akad. 76 (1877), 527.
— Ross, Contr. alla conosc. del periderma Malpighia 1890. — Zimmermann, Reakt. von Kork
und Cuticula. Zeitschr. f. wiss. Mikrosk. 9 (1892) 59. — KÜGLER, Über d. Kork von Quercus
Suber. Arch. Pharm. 22, 217. — ■ van Wisselingh, Sur la paroi des cellules sub^reuses. Arch.
Nierland. 22, 1888 und 26, 1893. — GiLSON, La sub/(, (0,54 — 0,64 o|o Kügler) der
Trockensubstanz. Sie enthält viel Mangan (2 7,7°|o MngO^ Kügler) und Kalk (2 5*'|o
CaO), dann 11,3% 5102.8,50/,, K^O.
Das bei der Herrichtung der Korkplatten durch Abkratzen erzielte «Korkholzab-
schabsel» enthält nach dem Sieben: 44,91 % Sand und SiO^, 20,87 "/„ CaO, 4,627,, MgO,
3.79% Fe,03 + Al,03, 5,55% K^O, i,077„ Na^O, l,887„ P^, I2,o67o CO;,, 5,25»/, Glüh-
verlust. Es wird als Kalidünger empfohlen (Mastbaum).
Das spez. Gewicht des Korkes gibt Rollmann zu 0,12^0,195, Muschenbrock
zu 0,24 an. Doch ist bei diesen Versuchen wohl nicht die Luft entfernt worden, denn
mit Wasser oder Alkohol gut ausgekochter Kork sinkt in kaltem Wasser unter (Flückiger),
muß also schwerer als Wasser sein. Selbst außerordentlich dünne Korklamellen lassen
sich nur sehr schwer (Kochen mit Alkohol) ganz von der Luft befreien (Tschirch).
Das reine Korkgewebe ist wenig hyroskopisch , dagegen ziehen die braunen
Lentizellen-Streifen begierig Wasser an (Kügler).
Lit. Czapek, Biochemie (dort und bei Kügler die Lit.). — Brügnatelli, Elementi
di chim. II. Crells Ann. 1787. — John, Chem. Schrift. IV. — Bouillon la Grange, Ann. d.
^•JO Suberino-Membranindrogen.
chim. 23 (1797), 42- — Chevreul, Ann. de chim, 62 (1807), 323, 96 (1815), 141, Schweigg.
Joum. 16 (1816), 323. — BoussiNQAULT, Journ. pharm, chim. 1836. — Mitscheruch, Lieb.
Ann. 75 (1850). — DOEPPING, Lieb. Ann. 45 (1843), 286. — Siewert, Chem. Centralbl. 1856,
Journ. pr. Chem. 104 (1868) 118. Zeitschr. Ges. Naturw. 30 (1867). — Payen, Compt. rend.
1S68. — Koroll, Quant, chem. Unters, d. Kork- usw. Gew. Diss. Dorpat 1880. — Fremv
und CJrbain, Journ. pharm, chim. 1882. — KüGLEr, Der Kork von Quere. Suber. Arch. d.
Pharm. 1884, 217. Dissertat. Straßburg 1884 ("nd A. Meyer, Ber. d. d. bot. Ges. 1883). —
De Graffigny, Le liege. Paris 1888. — Gilson, Le Subirine et les cellules de liege. Diss.
Straßb., La Cellule "VI (1890), 63 (und in Flückiger, Arch. Pharm. 1890, 690). — van Wisse-
LINGH, Sur le paroi des cellules subireuses. Arch. N^erland. 12 (1888) und 26 (1893). Chem.
Centrbl. 1892 II, 516. — Bräutigam, Pharm. Centralh. 1898, 685. — Büttner, Ebenda. —
Thoms, Pharm. Centrh. 1898, 699. Chem. Centrbl. 1898 II, 1102. — Istrati u. Ostrogovich,
Compt. rend. 128 (1899), 1581. — von Schmidt, Monatsh. f. Chem. 25 (1904), 277 u. Öster.
Chem. Zeit 191 1, 21. — Drabble und Nierenstein, Biochem. Journ. 1907 (Chem. Centralbl.
1907 II, I. 79). — Mastbaum, Chem. Zeit. 30 (1906), 39. — Bordet, Compt. rend. 92 (1881),
728. — RoLLULANN, Polyt. Centralbl. 27, 465 (1873).
Anwendung. Die Verwendung des Korkes beruht auf seiner Eigenschaft, sich infolge der
Dünnwandigkeit der Zellen leicht zusammendrücken zu lassen, gegen Lösungsmittel und Fäulnis relativ
resistent zu sein, wegen seines hohen Luftgehaltes auf Wasser zu schwimmen und (z. T. auch wegen
der eingeschlossenen Luft) Wärme sowie Schall schlecht zu leiten. Doch wird Kork von konz.
Mineralsäuren, den Halogenen, Ammoniak und einigen ätherischen Ölen (bes. Terpentinöl) ange-
griffen. Die Verwendung des Korkes als Verschlußmittel beruht auf der Eigenschaft der Suberin-
lamelle für Wasser und Wasserdampf, sowie für die Dämpfe der meisten Flüssigkeiten imper-
meabel zu sein. Kork ist auch für Gase, z. B. Luft, undurchlässig (Wiesner, Wiener Anzeiger
1879). Zum Teil mag dies auch darauf zurückzuführen sein, daß die Zellen selbst Luft enthalten,
die sich nicht verdrängen läßt (Tschirch). Die Undurchlässigkeit des Korkes hängt mit seiner
Funktion bei der Pflanze zusammen. Denn die Korkschicht bildet ja den vornehmsten Schutz
gegen Verdunstung. Sonst wird der Rohkork auch zu Einlegesohlen, zur Umhüllung von Dampf-
leitungen, zu Schalldämpfern, zu Belegen für Eisbehälter, zu Schwimmgürteln verwendet — die
Korkabfälle zu künstlichen Korkplatten, zu Linoleum und Kamptulikon (Kortizin). Bei der
Linoleumbereilung wird Korkpulver mit Linoxin (in Oxydierhäusern oxydiertes Leinöl, s. S. 323)
behandelt. Der männliche Kork ist nur zu Schwimmkörpern, Korksteinen u. dergl. verwendbar.
Lit. Ed. H.\nausek, Technologie d. Drechslerkunst 1897 und Erdmann-König, AUgem.
Waarenkunde. — T. F. Hanausek in Luegers Lexikon.
Geschichte. Theophrast beschreibt (Hist. pl. III, 17, i u. IV, 15, i) eine Korkeiche
((psXXoQ), die er nach Tyrrhenium (d. h. nach Westen) verlegt, und sagt, daß wenn die Rinde
(?.oiöc) entfernt werde, sie in 3 Jahren wieder wachse. (peXXoQ des Theophrast deutet Sprengel
als Qtiercits Psettdo-Suber'Dn&V. Pausanias kennt eine Eiche in Arkadien, deren Rinde so leicht
ist, daß sie als Ankerzeichen (Bojen) oder als Flossen an Fischnetzen befestigt, auf dem Wasser
schwimmt (Hehn). Auch die Benutzung des Korkes zu Schwimmgürteln war den Römern be-
kannt (Sage von Camillus). Es war Plinius bekannt, daß sich die «Rinde» erneuert und er
erwähnt die Verwendung des Korkes zu Verschlüssen (obturamenta). Plinius sagt: «Suberi
minima arbor, glans pessima, rara: Cortex tantum in fructu, praecrassus ac renascens,
atque etiam in denos pedes undique explanatus. Usus ejus ancoralibus maxime navium, piscan-
tiumque tragulis et cadorum ob turamentis: praeterea in hiberno feminarum calcealu. Quam-
obrem non infacete Graeci corticis arborem appellant. Sunt et qui feminam ilicem
vocant: atque ubi non nascitur ilex, pro ea subere utantur, in carpentariis praecipue fabricis,
ut circa Elin et Lacedaemonem. Nee in Italia tota nascitur aut in Gallia omnino». Auf den
Gebrauch des Korkes als «Schwimmer» spielen auch Aeschylos, Plutarch, Pindar und
Archias an (daher Cortex natdrius z. B. bei Festos). Virgil erwähnt die Verwendung als
Dachbedeckung, wozu die Korkplatten noch heute in Algier benutzt werden. V.\RR0 sagt: Die
besten Bienenstöcke sind die aus Cortex gemachten. Auch Columella (I, S. 572) kannte das
schlechte Wärmeleitungsvermögen der Korkplatten nnd empfiehlt sie als Umhüllung der Bienen-
stöcke, zur Herstellung einer gleichmäßigen Temperatur. «Siva illa (regio) ferax est suberis,
band dubitantur utilissimas alvos faciemus ex cortibus quia nee hieme rigent, nee candent
aestate> (De re rustica IX, 6) — wozu sie noch jetzt in Südspanien und Algier benutzt werden.
Suber. 471
QüiNTUS Serenus Sammoniacus (Liber medicinalis) erwähnt einen Trank aus Korkrinde als
Blutstillungsmittel.
«Die Sitte, Gefäße mit verharztem Kork zu verschließen, stammt, wie es scheint, von
den Galliern» (Schrader). Sie wird bei Cato, Columella und HoRAZ (cortex adstrictus pice)
erwähnt. Doch war das Verkorken bei den Römern selten, die Gefäße mit Holz, Pech, Gips, Kreide
oder Wachs verschlossen oder Öl auf die Flüssigkeiten gössen — was bekanntlich in Italien
noch heute beim Wein geschieht. «Die Kunst, die enge Öffnung eines Gefäßes mit der elasti-
schen Rinde der Korkeiche zu verschließen, geht in ein hohes Altertum hinauf, und allgemein
geworden ist sie erst seit den letzten Jahrhunderten, und zwar sehr langsam. Erst das Auf-
kommen enghalsiger Glasflaschen, die zuerst im XV. Jahrh. auftreten und die Notwendigkeit,
derartige Flaschen gefüllt versenden zu müssen, brachte den Kork in allgemeinen Gebrauch
(Hehx-Schrader). Im Mittelalter bediente man sich zum Verschließen von Fässern der Holz-
pflöcke, bei kleineren Gefäßen der Verschraubung oder des Wachsverschlusses. 1410 führte
Danzig Kork aus Lissabon ein (I, S. 811). ClüSIUs sagt 1601 {a. a. O.): «Verum in Hispaniis
primum illum praecrassum corticem dum taxat detrahere solent: quo non modo ad cadorum
obturamenta, alvearia et nonnulla etiam vasa rustici utuntur, sed etiam ad tugurio-
rum, parietum, et murorum praetexta, praesertim in ea Baeticae parte, quam Estramaduram vocant,
ubi interdum totis pagis aedes magnis suberis fragmentis imbricum loco tectas conspicere licet.»
POMET erwähnt 1694, ^^^ '^'^ abgelösten Korkplatten in mit Wasser gefüllten Gräben
übereinander geschichtet und mit Steinen beschwert, dann nach dem Ablassen des Wassers
getrocknet und zu Ballen vereinigt wurden. Er nennt als besten Kork den spanischen, daneben
aber auch schon einen französischen aus der Gascogne und von Bayonne. Die Korkkohle
erwähnt Pomet unter dem Namen Noir d'Espagne als Malerfarbe. Er gedenkt der Verwendung
des Korkpulvers als Blutstillungsmittel und äußerlich bei Hämorrhoiden. Valentini (I, S. 912)
sagt: «Die Apotheker stopfen und verwehren die Gläser damit.« Im Catologus von
Rostock 1659 steht Suber, Pantoffelholz oder Kork I Loht = 2 Kr. Die Idee, Wein-, speziell
Champagnerflaschen mit Korkstopfen zu verschließen, wird dem Pater Kellermeister der Abtei
Haut-Villiers Dom Perignon (1636 — 1715) zugeschrieben. Um diese Zeit erlangte die Sitte
jedenfalls Verbreitung.
Nach Artigas soll die regelrechte Kultur des Baumes und Gewinnung des Korkes in
Spanien erst in der zweiten Hälfte des XVHI. Jahrh., und zwar in Gerona begonnen haben.
Catalonien liefert auch heute noch den besten Kork. Von dort breitete sie sich nach Anda-
lusien und Estremadura und die südlichen Provinzen Frankreichs und Portugals aus. Von 1830
an wurden die Korkwälder Algeriens durch die französische Regierung erschlossen, 1847 erreichte
die Ausfuhr des Korkes dort bereits 46683 kg. Um diese Zeit wurde auch die Privatindustrie
für die Gewinnung interessiert, große Strecken verpachtet und gegen die sehr gefährlichen Wald-
brände strenge Verfügungen erlassen, z. B. das Ziehen von Gräben und Beseitigung des Unter-
holzes angeordnet, schließlich auch die Gewinnung gesetzlich geregelt. Jetzt bildet der Kork
einen der wichtigsten Ausfuhrartikel des Landes. Auch in Tunis begann die geregelte Gewin-
nung mit der französischen Okkupation (1881), die Dämasclage 1884 (Lamey).
Robert Hooke sah zuerst mit seinem sehr einfachen Mikroskope die Zellen des Korkes
(Micrographia 1667) und erkannte, daß der Kork zur Rinde eines Baumes gehören müsse, was
damals noch nicht bekannt war. Johnston bestätigte das letztere. Hocke benutzte bei der Be-
schreibung des anatomischen Baues des Korkes zuerst den Ausdruck «celli (er verglich ihn
mit Bienenwaben). Der Ausdruck wurde dann auf alle -cZellen-» übertragen. Hooke schätzte die
Anzahl der Zellen im KubikzoU auf 1200 Millionen (FlüCKIger).
Die ersten Korkstöpselschneidereien (taponerias) sollen c. 1760 in Llagostera bei Gerona
entstanden sein. 1789 wurden Korkstöpsel in Stuhr (Oldenburg) geschnitten (FlÜckiGER). Kork-
pantoffeln wurden aber schon im XV. Jahrh. in Danzig fabriziert (Pabst).
Auf Flaschenkork läßt sich bekanntlich sehr gut schreiben. Die Benutzung des Korkes
anderer Pflanzen zum Schreiben finden wir schon im Altertum (vgl. S. 256). Die altindischen
Bhürja- (= Birken) Manuskripte sind auf den Blätterkork der Behtla Bhojpattra Wall, ge-
schrieben (Dymock). Auch heute wird noch Birkenkork zum Daraufschreiben benutzt, z. B.
bei den Tanguten (Prschewalski 1878). Ich erhielt 1909 aus Amerika einen auf Birkenkork-
papier geschriebenen Brief und sah 1908 in Frankreich Visiten- und Geschäftskarten auf dünne
Flaschenkorkscheiben gedruckt.
Ay2 Pollenino-Membranindrogen.
Lit. Flockiger, Pharmakogn. — Bfxkmann, Beitr. z. Gesch. d. Erfind. 1790. — Hehn,
Culturpfl. 1877. — BlCmner, Technol. u. Terminol. d. Gewebe. 1879. — Dymock, Mat. med.
West India 1885.
Ersatzmittel. Keine andere Pflanze bildet eine Korkschicht, die technisch wirklich
brauchbar und exportfähig ist, da keine den Kork der Korkeiche an Elastizität, Weichheit und
Dicke erreicht. Immerhin dienen einige andere Korke an den Produktionsorlen zu ähnlichen
Zwecken, wie z. B. der Kork von U/mus campestris var. sicberosa. Auch einige Rinden und
Hölzer werden gelegentlich in den betreffenden Ländern wie Kork, z. B. zum Verschluß von
Calebassen u. dgl. benutzt, so die Rinde von Pintis Merkusii in Johore und die von Melaleuca
Lfucadendron in Südasien, das schwammige Holz von ^«o«ff/>a/!«;ra in Südamerika, das weiche
Holz von Ochroma Lagopus Sw. in Westindien, das einiger Nyssaa.iX.e.'a in Nordamerika (Nyssa
aquatüa liefert das Tupeloholz), das des Baobab und der Herminiera elaphroxylon in Afrika,
sowie das Holz von Bomhax, Aeschy nomene und Ahtonia-Kxie.Vi in Asien. Endlich wird auch das
Holz von Hibiscus tiliaceits , von einigen JErythrinaaxien [Erythrina acanthocarpa liefert den
Marble-Cork) und Lianen und das Mark von Agaven und Fourcroyen als «Korkholz» be-
nutzt (Semler). In Slavonien wird Süßholz für Stöpsel verwendet (Hoehnel).
Neuerdings wird als Ersatz für Kork das Holz einer Mimose (Mareabaum) vom Tschadsee
angegeben, dessen spez. Gew. noch geringer ist als das des Korkes. Aber weder dieses noch der sog.
Kaffrarian Marble Cork, der ebenfalls ein Holz ist (Jos. Moeller), kann den Kork ersetzen,
da auch seine Zellen verholzt und nicht verkorkt sind.
Künstlicher Kork von Grünzweig & Hartmann besteht aus gepulvertem «Korkholz»
und Stärkekleister, dem Leinöl oder Teer zugesetzt wird (vgl. auch oben S. 469). Über künst-
lichen Kork findet sich eine Zusammenstellung in M. Schall, Verfahren z. Herstellung künst-
licher Korkmassen. Kunststoffe i (191 1), 141.
Lit. Semler, Trop. Agrikult. — Dingl. polyt. Journ. 250 (1883). — T. F. Hanausek in
Luegers Lexikon. — Hoehnel in Wiesner, Rohstoffe. — Jos. Moeller, Bot. Zeit. 1879, 7I9
und Pharm. Centralh. 1886, 240. — Tropenpflanzer 1904 u. 1907.
2. Pollenino-Membranindrogen.
Als Anhang an die Suberino-Membranindrogen mag der Pollenino-Membranin-
drogen gedacht werden, denn die Polleninmembran der Pollenkömer und Sporen ist
jedenfalls verwandt mit der Cuticula und diese mit dem Kork.
FoDRCROY erkannte bereits 1801 die Ähnlichkeit des Korkes und der Cuticula. MlT-
scherlich erhielt aus beiden die gleichen Produkte, aber in verschiedenen Mengen. (Er ver-
glich Kartoffelkork mit ^/ot"-Cuticula.) Nach van Wisselingh und Fr^my sind die Cuticula
und die verkorkte Membran nicht identisch. Wisselingh erhielt z. B. keine Phellonsäure
aus der Cuticula und die Fettsäuren scheinen andere zu sein. Fremy und Urbain nannten
die «inkrustierende» Sustanz der Cuticula Cutose. Es ist nicht nachgewiesen, daß die Cuti-
cula Polysaccharide enthält. Denn die Tatsache, daß die mit Kali anhaltend behandelte Cuti-
cula die Jodreaktion gibt (Hofmeister), kann auch anders gedeutet werden (s. oben). Jeden-
falls zeigt aber die Cuticula viel Ähnlichkeit mit der Korkmembran (VON Höhnel,
Zimmermann); sie ist resistent gegen konzentrierte Schwefelsäure (Mohl, Mulder) und auch
gegen Fäulnis (Brogniart), gibt nach Behandeln mit kochendem Kali die Reaktionen mit
Jod («ähnlich» wie Cellulose, Mohl), liefert mit Salpetersäure Korksäure und Bernsteinsäure
(Mitscherlich) und wird von kochender Kalilauge angegriffen (Schacht), ist aber dagegen
widerstandsfähiger wie Kork (von Höhnel). Sie zeigt gewisse Aldehydreaktionen (Geneau de
LAMARLifeRE). Auch lassen sich aus ihr durch Einwirkung heißen Wassers wachsartige Sub-
stanzen ausschmelzen (de Bary). Bei Behandlung mit kochender Lauge soll die krist. Stearo-
cutinsäure (C^H^Os) und die flüssige Oleocutinsäure (CäsHjoOg) entstehen (Fremy u. Urbain).
Die Wand der Sporen und Pollenkörner, die mit dem Namen Pollenin
(Braconnot, John) bezeichnet wurde, einem Namen, den ich hier wieder aufnehme,
zeigt vielfach die Eigenschaften einer cuticularisierten Membran (Biourge), sie ist
z. B. unlöslich in konz. Schwefelsäure, Alkohol und Äther. Sie ist jedenfalls ^ine
Lycopodium. 473
komplizierte Substanz. Ältere Angaben von einem Stickstoffgehalt des Pollenins be-
dürfen der Nachprüfung. Bei einigen PoUenkörnem beträgt der Prozentsatz an Pollenin
ziemlich viel (beim Pinuspollen z. B. c. 22 "jg, Planta).
Lit. Brogniart, Ann. sc. nat. 1830 u. 1835. — Mitscherlich, Lieb. Ann. 75 (1850).
— Schacht, Lehrbuch. — Mohl, Bot. Zeit. 1847. — Mulder, Phys. Cham. 1844. — Hof-
meister, PflanzenzeUe. — Cohn, De Cuticula. Linnaea 1850. — Fr4my, Rech. chim. sur la
Cuticule. Compt. rend. 1S59. — A. Wigand, Intercellularsubstanz und Cuticula. Braunschweig
1850. — Kabsch, Unters, über d. ehem. Beschaff, d. Pflanzengewebe. Pringsh. Jahrb. 1863. —
V. HÖHNEL, Öster. Bot. Zeitschr. i8;8. — DE Bary, Bot. Zeit. 29. — Fremy und Urbain,
Ber. d. d. ehem. Ges. 1877, 90, Compt. rend. 93 (1882), 926 u. 100 (1885) 19. Ann. sc. nat.
(6) 13 (1882), 360. — A.MBRONN, Opt. Verh. d. Cuticula. Ber. d. d. Bot. Ges. 1888. — VAN
WISSELINGH, Sur la cuticularisation et la cutine Arch. Neerland. 28 (1894), 373, O^er Cuticu-
larisatie en Cutine Ned. Kruidk. Arch. VI. und Verh. d. Akad. Amsterdam 1894. — Geneau
DE Lamarli^re, Bull. Soc. Bot. 1903, 268. — Czapek, Biochemie (dort die Lit.).
Pollenin: Braconnot, Ann. chim. phys. (2) 42 (1829). — John, Schweigg. Journ. 12
(1814). — Fritzsche, Pogg. Ann. 32 (1834), 481. — Berzelius, Lehrbuch, 3. Aufl. 1837, VI,
474. — Planta, Landw. Versuchsstat. 1884 und 1885. — Kresling, Arch. Ph. 1891, 389. —
Th. Biourge, Le Cellule 8 (1892) 45.
Lycopodium.
Syn. Sem. lycopodii, Sporae lycopodii, Hexenmehl, Bärlappsamen, Bärlapp-
sporen, Streupulver, Blitzpulver, Erdschwefel, Alpenmehl, Blumenstaub, gelber Puder,
Pillenmehl, Schlangenmehl, Wurmmehl, Pöschpulver, Puderbleiweiß, Steinpulver, — in
der Schweiz: Zäpflimehl, Tröcknipulver, — lycopode, souffre vegetal (franz.) — earth-
moss seeds, vegetable sulphur, clubmoss (engl.) — nikt, heksemel (schwed.) — ulvefoed
(dän.) — wolfsklaauw (holl.) — licopodio (ital.) — spori plauna (russ.) — plavuh
(böhm.) — widlak (poln.).
Bärlapp, Wolfsklaue, Wolfsranke, Teufelsklaue, Krähen fuß, Druden-Fuß oder Kraut,
Johannisgürtel, Schlangenmoos, Zigeunerkraut, Blitzkraut, Hexenkraut, Briszweig, Gäbali, Gertel,
Gertlein, Kohlerkraut, Kosen, Rimpe, Saukraut, Sausanne, Zigeunerkraut (Pritzel- Jessen) ; —
in der Schweiz: Freselmehlkraut, Kolbenmoos, Lienle, Wolle, Schäbel — mousse terrestre, griffe,
patte ou pied de loupe, plicaire — im Tessin: erba scaretta, musco terrestre. — In England:
common club moss, stagshorn. — Im Mittelalter: bryon (?), soldana (?) — bei BoCK: Muscus ter-
restris, Beerlap, Bärlappen, Teuffesklawen, Seil- oder Gürtelkraut, Neunheyl, Neungleych, Wein-
grein, Harschar — bei CoRDUS: Katzenleiterlein, Minzengrün, chamaepence — bei Gesner:
Tüfelsschlüssel, muscus ursinus, pes ursinus — bei Camerarius : Dehnkraut — bei Tabernae-
montanus: Löwenfuß, pes leoninus, pes lupinus. Weitere Namen in Nemnich, Polyglotten-
Lexikon.
Stammpflanze. Lycopodium clavatum L. Spec. pl. ed. I, 1 1 o i (Lyc. offici-
nale E. Neck., Meth. musc. 150, L. inflexum Sw.). In zahlreichen Varietäten (z. B.
tristachyum mit weit abstehenden Blättern, curtum u. and.), von denen einige (L. tri-
chiatum, L. venustulum, L. inflexum) auch als Arten betrachtet werden.
Etym. Der Name Lycopodium findet sich zuerst bei Dodonaeüs (Pemptad. 1583, 469),
der hinzufügt i. e. pes lupi. Es ist also eine griechische Übersetzung von Wolfsfuß, Wolfs-
klaue, gebildet aus Ivxoq (= Wolf) und nööiov (= Füßchen). Auch T.\bern.\emont.\nus hat
Lycopodium. — Clavatum (= keulenförmig, clava = Keule) nach der Form des Sporangienstandes.
Bereits bei Caspar Bauhin steht muscus terrestris clavatus, bei Lobelius muscus clavatus
= pes leoninus. — Die Bildungen Wolfsfuß, Wolfsklaue, pied de loupe, pes lupinus, Löwenfuß,
pes leonis, pes ursinus, (Bärlappen, Drudenfuß, Teufelsklauen sind abgeleitet von den einen
zottigen Eindruck machenden beblätterten Laubsprossen, — muscus terrestris, Schlangenkraut, von
der Eigenschaft am Boden zu kriechen. Tabernaemontanus sagt «Mooss oder Beerlap», be-
1-1 PoUenino-Membranindrogen.
nutrt also beides als gleichbedeutend. (Über mos vgl. S. 264.) — Bärlapp = Bärenpfote (lappo =
Hand, Pfote). — Hexenmehl wohl wegen des plötzlich an der Ähre auftretenden und verstäuben-
den Sporenmehls, auch andere Namen (Drudenfuß, Teufelsklauen) verraten in die Pflanze hinein-
gelegte mystische Beziehungen.
Systemat. Stellung. Pteridophyta — L^copodiales — Lycopodiaceae — (Lyco-
podiuiii Sectio Clavata).
Die Gattung Lycopodium umfaßt etwa loo Arten, die über die ganze Erde
verteilt sind.
Beschreibung der Stamtnpflanze. Auf einem kleinen, sehr vielgestaltigen, mit
Wurzelhaaren besetzten thalloidischen Vorkeim (Prothallium), der die Antheridien und
Archegonien trägt, also die geschlechtliche Generation darstellt, und der sich sehr
langsam, erst in 7 — 12 Jahren, und ziemlich tief im Boden heranbildet, entsteht
nach Befruchtung der Eizelle des Archegoniums aus dieser die junge Pflanze, die
ungeschlechtliche Generation. Der auf der Erde oft zwischen Moos kriechende, mit
dichotom verzweigten fädigen Wurzeln im Boden befestigte Stengel kann i m lang
werden. Er verzweigt sich ziemlich reich. Ein Teil der aufstrebenden oder aufrechten,
5 — 15 cm langen Äste ist bis zur Spitze dicht mit spiralig gestellten, 3 — 4 mm langen,
lanzettlichen, in eine hyaline Spitze auslaufenden Blättern besetzt. Ein anderer Teil
läuft in die meist lang (8 — 18 cm) gestielten, ährenartigen, gelblichen, walzenrunden,
3 — 6 cm langen, 3— 4 mm breiten Sporangienstände («Blüten») aus, die zu i — 4
(meist I — 2, in warmen Ländern auch mehr wie 4) an der Spitze des mit wenigen
Blättchen besetzten Stieles angeordnet sind.
Die Sporophylle (Fruchtblätter, Deckblätter, Tragblätter, Bracteen) sind 3 mm
lang, ebenso breit, eiförmig, am Grunde fast herzförmig, am Rande durch Vortreten
einiger Randzellen fein gezähnt und laufen oben in eine lange farblose Borste aus,
so daß der Sporangienstand behaart erscheint. Die Sporangien sind ^j^ schmäler als
die Sporophylle und sitzen auf der Blattoberseite.
Die Anlage der Sporangien erfolgt bereit^, wenn das Sporophyll sich noch in meriste-
matischem Zustande befindet. Eine an der inneren Seite der Blattbasis gelegene Zellgruppe
streckt sich senkrecht zur Blattfläche. In dieser Protuberanz wird nach Innen zu durch perikline
Teilung der Oberflächenzellen das Archesporium abgeschieden. Es sind meist drei neben-
einanderliegende Reihen (c. 20 Zellen), welche das Archespor bilden (Bower). Während aus
diesen, und zwar besonders aus den mittleren und inneren, durch lebhafte Zellteilungen das Ge-
webe der Sporenmutterzellen hervorgeht, dehnt sich die äußere Hüllzelllage durch antikline
Zellteilungen aus, das Sporangium wölbt sich vor und wird durch Wachstum des Basalgewebes
emporgehoben. Das letztere treibt Vorsprünge in die sporogenen Massen, die die Ernährung
erleichtern. Die äul'ere Hüllzelllage wird dann durch perikline Zellteilung mehrschichtig. Die
innerste Schicht teilt sich dann nochmals und scheidet nach innen die plasmatischen Tapeten-
zellen ab. Schließlich ist das ganze sporogene Gewebe mit Ausnahme des Scheitels des Sporan-
giums von der Tapetenschicht umgeben. (Sadebeck in Pritzel, Lycopodiaceae, Fig. 370,
Engler-Prantl, Pflanzenfam.) Die Entwicklung der Sporen aus den Sporenmutterzellen stimmt
hier, wie bei allen Pteridophyten, mit der der Mikrosporen (Pollen) der hölieren Pflanzen über-
ein: Es entstehen aus dem Kern der Sporenmutterzellen zwei Tochterkerne und durch Teilung
dieser vier Enkelkerne, die sich mit einer Membran umgeben und zu Sporenzellen werden.
Nach der hierauf erfolgenden Lostrennung von den Schwesterzellen findet die Ausbildung der
Sporenhülle und damit zugleich auch diejenige der Sporen statt (Sadebeck).
Das Sporangium ist ein tangential gestreckter, nierenförmiger, einfächeriger
Sack, der mit einem dicken, bündelfreien Stielchen der Basis des Sporophylls ansitzt.
Die Wand des Sporangiums ist oben zweischichtig, unten bis fünfschichtig. Die Zellen
Lycopodium.
475
der äußeren Schicht sind mit Verdickungen an den inneren und seitlichen Wänden
versehen. Das Sporangium ist ganz mit gleichartigen gelblichen Sporen erfüllt und
springt im Juli oder August durch einen tangential über den Scheitel laufenden Spalt
Fig. 155-
Lycopodium cluvatiim.
A Ast in natürl. Größe, a Blatt vergrößert, b Sporophyll mit geöffneten Sporangien, c — e Sporen in 900 fach. Vergr.
[nach Luerssen]. B Prothallium mit jungem Pflänzchen von Lyc. annoiiniim [nach Fankhauser].
in zwei muschelförmige Klappen auf. Die Verstreuung der Sporen erfolgt durch den
Wind. Die Sporen sind mit einem Netzwerk kleiner Leisten bedeckt, über welches
ein Häutchen ausgespannt ist, das nicht benetzbar ist. «Durch diese Vorrichtung wird
die Spore befähigt, durch die Hohlräume des Bodens tief in die Erde zu gleiten;
1-6 PoUenmo-Membranindrogen.
bei dieser Wanderung wird aber die Membran allmählich abgerieben und die unter
ihr befindlichen Kammern, welche benetzbar sind, werden frei gelegt. Ist dieses Ziel
erreiclit, so haftet die Spore an den Bodenteilchen und findet so eine bleibende
Stätte, an welcher die Keimung erfolgt» (Schumann). Aus der Spore geht das Pro-
thallium (s. oben) hervor.
Vorkommen. Die Pflanze findet sich in Mittel- und Nordeuropa, Sibirien,
Japan, Nord- und Südamerika, Südafrika, auf den Marianen und Sandwichinseln und
in Australien, ist also über die ganze Erde verbreitet. Sie findet sich in Europa mit
Ausnahme der Steppengebiete auf Haiden, in lichten Wäldern, an trockenen Stellen
der Moore, auf Bergabhängen, buschigen Wiesen und besonders in Nadelwäldern
an etwas frischeren Stellen (in der Schweiz in moorigen Wäldern besonders auf kies-
haltigem Boden), in den wärmeren Gegenden besonders im Gebirge, in den Tropen
nur dort, in Europa bis 2000 m.
Übersicht über die deutschen Lycopodium- KTien. in Luerssen, Med. pharm.
Botanik.
Lit. Pritzel, Lycopodiaceae in Engler-Prantl, Pflanzenfara. (dort weitere Lit.). —
Sadebeck, Gefäßkryptogam. in Schenks Handb. d. Botan. 1879. — Luerssen, Mediz. pharm.
Bot. I. — David et Weber, Et s. 1. Lycopod. en gen. et en part. sur le Lycop. clav. Soc.
synd. d. pharm, d. 1. cöte d'Or Bull. 15 (1896). Jahresb. d. Pharm. 1897,140. — Der Vorkeim
der Lycopodien wurde von Fankhauser in Bern entdeckt (Bot. Zeit. 1873). Vgl. darüber
ferner Bruchmann, Über d. Prothallien u. d. Keirapflanz. mehrerer europäisch. Lycopodien u.
zwar über die von Lycopodium clavatum, L. annotinum, L. complanatum und L. Selago. Mit'
7 Taf. Gotha 1898. — Abbild, in Berg-Schjudt, Atlas II. Aufl. t. 157. — Pabst-Köhler,
Medizinalpfl. t. 49. — Nees von Esenbeck, t. 13. — Bentley-Trimen, Med. pl. t. 299 und
vielfach anderwärts.
Pathologie. An den Sporangienähren von Lycopodium clavatum kommen mehrere Asco-
myceten vor: Helotium Sommieria^jum P. MaGN., Mollisia Lycopodii Le Bret. et Maler.,
Sphaerella Lycopodii Peck. — In den Sporophyllen von Lycopodium annotinum treten die Peri-
thecien von Leptosphaeria Crepini (Westd.) DE NOT. auf; die befallene Ähre wird durch den
Pilz sehr auffällig geschwärzt; in den Sporangien sind die Sporen zwar noch zu finden, aber
sie erscheinen abgestorben und zwischen ihnen ziehen sich die Mycelhyphen des Pilzes hin.
(Ed. Fischer.)
Einsammlung und Handel. Lycopodium wird besonders in vielen Teilen
Rußlands (besonders im Gouvern. Wladimir) gesammelt (I, S. loi), dann in be-
schränktem Maße in der Schweiz [Kanton Bern, Emmenthal, Entlebuch, I, S. 98,
Zug, Schwyz (Schürmann)], in Deutschland (besonders in den Gebirgen), in
Österreich und Schweden. Rußland e.xportierte 1910: 8000 Pud. (Ferrein).
1910 sank ein russischer Dampfer, der einen großen Teil der Lycopodiumernte an
Bord hatte und die Preise stiegen daher. Frankreich bezog 1897 c. 8000 kg Lyco-
podium via Deutschland. Bisweilen (z. B. 1910) litten die Pflanzen unter Frühjahrs-
frösten oder zu starker Sommerhitze, dann war die Ernte gering, die Preise stiegen
auf das Doppelte und die Fälschungen (s. unten) wurden wieder häufiger (1909).
Auch die russische Revolution brachte Preisscliwankungen. Die Sporangienstände
werden im August und September gesammelt, auf Tellern oder Schüsseln an der
Sonne getrocknet, ausgeklopft und dann durch ein Haarsieb von den Beimengungen
(Sporophylle, Stengel usw.) befreit. In Rußland wird das Lycopodium zunächst in
Säcke aus fester, ziemlich feiner Leinwand getan, diese werden umgeben von groben
Hanfsäcken, und diese stecken in Bastmatten aus Schilf geflochten mit Tauen um-
schnürt. So ist ein Verstäuben ausgeschlossen. Diese «Bauern wäre a enthält c. 10 "/q
Lycopodium. 477
Verunreinigungen, Bruchstücke von Stengeln und Blättern (Weigel 1905). Sie wird
von den Drogenhäusern durch mehrmaliges Sieben gereinigt. Für pharmazeutische
Zwecke ist nur prima doppelt oder dreifach gesiebtes sog. «leichtflüssiges» Lycopo-
dium zu benutzen. Dies Lycopodium ist in Säcken ä 50 kg und Kisten ä 10 Pack.
ä 10 kg im Handel (Grossmann).
Lit. Gehe, Handelsberichte. — Caesar und Loretz, Handelsb. — Weigel, Pharm.
Centralh. 1905. — Schürmann, Schweiz. Wochenschr. 1908.
Beschreibung der Droge. L}'copodium bildet ein feines, blaßgelbes, sehr be-
wegliches, geruch- und geschmackloses, nicht hygroskopisches Pulver, das in die
Flamme geblasen verpufift (auch Famsporen und Kamala verpuffen ähnlich), langsam
erhitzt aber ruhig abbrennt. Es muß beim Ausgießen leicht «strömen» und darf nicht
feucht sein. Da die Sporen ein mit Wasser nicht benetzbares Häutchen besitzen,
(s. oben), so schwimmen sie auf dem Wasser, trotzdem ihr spez. Gewicht höher ist.
Sie sinken aber darin unter, sobald man sie mit Wasser kocht oder mit Alkohol
benetzbar macht.
Anatomie. Die Lycopodiumsporen sind tetraedrisch mit gewölbter Basis und drei
flachen oder — seltener — etwas eingesunkenen Pyramidenflächen (Fig. 155 u. 156).
Das Exosporium zeigt ein Leistenwerk von fünf- bis sechsseitigen Maschen, das be-
sonders schön hervortritt, wenn man Schwefelsäure zum Präparat hinzufließen läßt.
An den Ecken der Leistenmaschen finden sich kleine Knötchen. Am Rande der Spore
erscheinen die Leisten als kleine Stacheln, deren Spitzen durch ein sehr zartes, in der
Mitte eingesunkenes Häutchen (s. oben) verbunden sind. In der Nähe der Kanten
der Pyramidenflächen verschwinden die Leisten meist ganz oder werden unregelmäßig.
Die Größe der Sporen beträgt 25 — 40, meist 30 — 35 mik. Durch Kali werden die
Sporen gelb, wäscht man dann aus und läßt Jodschwefelsäure zufließen, so färbt sich
das Exosporium braun, das diesem innen als zartes Häutchen anliegende Endosporium
blau. Zerdrückt man das in Schwefelsäure liegende Präparat, so tritt aus jeder Spore
ein Öltropfen hervor.
Lit. Abbild, in fast allen Lehrbüchern der Pharmakogn. , z. B. in KoCH, Atlas IV,
VoGL, Atlas t. 58, MOELLER, Lehrbuch und Atlas, Karsten-Oltmans, Lehrbuch, Berg Atlas,
LUERSSEN, Med. pharm, bot. etc. etc.
Chemie. Die Sporen enthalten c. 45 "Iq Pollenin und 47,4 (Flückiger),
48,5 (Bukowsky) bis 49,34 "Jq (Langer) fettes Öl. Dieser Prozentsatz ist nur bei
Chloroformextraktion der unter Alkoholzusatz mit Sand zerriebenen Sporen zu er-
halten, Äther liefert auch nach 10 Tagen nur 40,90/(1. Unzerkleinerte Sporen geben
an Chloroform nur 2 — 4 "Ig ab (daraus erklärt sich die frühere Angabe von Bucholz:
Öl ö^jo)- Das sauer reagierende Öl von der Konsistenz des Olivenöls setzt sich (nach
Langer) aus 80 — 86,67"!^ einer flüssigen Ölsäure, wechselnden Mengen Glycerin
und eines Gemisches fester Fettsäuren zusammen. Die flüssige Lycopodiumölsäure
(Cj^HgoOg) betrachtet Langer als ß-Dekyl-j3-Isopropylakrylsäure. Zu etwas
abweichenden Resultaten kam Bukowsky. Er fand im Öl frischer Sporen neben
0,3 *|o Phytosterin (C25H^.,0. F. = 132— 133 «, Cadets Wachs?), 80 0/0 Öl-
säure (CjgHg^O,), 3 "lo Arachin-, Stearin- und Palmitinsäure und 2"/^ Lyco-
podiumsäure (CjgHggO^, isomer mit der Dioxystearinsäure), sowie 8,2 "/q Glycerin.
Das von ihm untersuchte Öl war neutral, erstarrte noch bei — 2Z^ lucht und ähnelte
dem Mandelöl. Die Lycopodiumölsäure Langers und Myristicinsäure konnte er
nicht finden. Er vermutet, daß sie Umsetzimgsprodukte sind imd Langer, dessen
j - 8 PoUenino-Menibranindrogen.
Öl sauer reagierte, alte Sporen untcrsuclite. Es bleibt zu untersuchen, ob Langers
mit Ölsäure homologe Lycopodiumölsäure: CjßHaoOj, die er p„^>CH.CH =
C(CHs(CH2),,)C00H schreibt, aus Ölsäure, Ci^Hg^.,, die bald CHg.lCHjjjgC =
CH.CH.COOH (Saytzeff), bald CHg(CH2)7.CH = CH.(CH,),COOH (Baruch)
geschrieben wird, hervorgehen kann, was mir bei obiger Formel sehr unwahrschein-
lich erscheint. Identisch ist sie damit nicht, denn Langer erhielt aus seiner Ölsäure
bei der Oxydation Dioxypalmitinsäure, Bukowsky aus der seinigen Dioxystearinsäure.
Eine neue Untersuchung des Öls von Rathje ergab (wesentlich in Bestätigung von
Langer): 8i "/j Lycopodiumölsäure, 3,2^|q Lycopodiumsäure (Dioxystearin-
säure), i.ij'Ij Stearinsäure, o,85"/(, Palmitinsäure, 2''|q Myristicinsäure, im
Mittel jß^lo Glycerin, 0,43 *|q Unverseifbares, 0,03 "i^ anorganische Substanz. Das
Fett ist bei den Sporen Reservestoff.
Die Sporen enthalten auch c. 3''/(| Zucker (Buchoi.z, Rebling), darin 2,1 "l^
Saccharose (Langer). Stärke fehlt (entgegen der Angabe von Riegel, Fritsche und
Winkler). Kocht man Lycopodium mit Wasser und dampft die Flüssigkeit ein, so
erhält man einen gallertigen Rückstand, der sich mit Jod grünlich färbt (Winkxer).
Der Stickstoffgehalt beträgt i,48*'|o (Alcock, 1,021 — i,o75''/o Butler, oß^y'^j^
Langer). Die trockene Destillation liefert eine «ammoniakalische» Flüssigkeit. Beim
Kochen mit Kali entsteht Methylamin (Langer). Dies dürfte das flüchtige Alkaloid
gewesen sein, das Flückiger bei Destillation eines Auszuges von 8 kg Lycopodium
mit Atznatron in sehr geringer Menge erhielt. [In Lyc. complanatum fand Bödeker
das alkaloidische Lycopodin (CgjHjjNgOg), in Lyc. Saururus Adrian und Bardet
Piligan in (CijH.^^N^O), ein amorphes Alkaloid.]
Lycopodium oxydiert, da es Sauerstoff zu aktivieren vermag, mit Alkohol
maceriert, diesen zu Acetaldehyd (Langer). Schmelzendes Kali bildet einen Körper
mit fäkalem Geruch und eine mit Protokatechusäure verwandte Substanz. Riegel
gibt auch Zitronensäure, Apfelsäure, Leim, Harz und Gummi an (?). Lufttrockenes
Lycopodium verliert bei 100" nur 4"/^ Feuchtigkeit (Flückiger). Sein spez.
Gewicht beträgt 1,062 (Flückiger).
Schon Neumann gibt in seiner Chymia medica (1752) an, daß Lycopodium
verbrannt «nur ein leichtes Gewebe, so überaus wenig wäget» zurückläßt. Der Aschen-
gehalt ganz reiner Sporen beträgt denn auch nur 1,15 — i.iö^lo (Langer) oder höchstens
1,5 "Iq (Evell), die Handelsware enthält aber meist mehr. D. A. V und Pharm,
helv. IV limitieren die obere Grenze zu 3"(o> ebenso Hauke, der i,ii — 4,8''|(, (meist
I — 3 "/u wie Caesar und Loretz) in der Handelsware fand. Caesar und Loretz
empfehlen (19 10) zur Aschenbestimmung das Lycopodium mit Sand gemischt zu
glühen und vor Schluß 5 — 10 Tropfen rauchende HNO3 und dann Oxalsäiu'e zu-
zufügen. Die rein weiße Asche der Sporen enthält Tonerde (Cadet) und zwar
i5)3o''/o AlgOg (Langer; Bucholz gibt 8,5"/, an, nach Flückiger soll sie ton-
erdefrei sein).
Die Lycopodien gehören zu den «Aluminiumpflanzen» (Cadet, John, Ritthausen). Das
Kraut von Lycopodium clavatum enthält in der Asche nach Solms (i856)27°/„, nach Alder-
HOLDT (1852) 26,65 "/o, nach Church (i888) aber nur i5,24"/o. L. complanattim nach Axder-
HOLDT S^j^S ^"62. 57)36%, L. complanatum var. Chamaccyparissus nach SoLMS 54"/o> L.alpiniim
nach Church 33,5, L. Selago 7,29''/(|, Z. cermcum 1(1,0^"/^, Al^Oj. Aluminium ist sonst bei
Pflanzen nicht gerade häufig, doch findet es sich in der Asche vieler Flechten ( Variolaria,
Cetraria islatidica, S. 270) und Moose und in Spuren in vielen anderen Gewächsen (vgl. WoLFF,
Lycopodium. 4 70
Aschenanalys. Besonders aluminiumreich sind die Blätter von Symplocos lanceolata (c 50%) und
das Holz von Orites e.xceha (36 — 45 %)> vgl- R.vdlkofer). Aluminium fehlt in anderen Gefäß-
kryptogamen, z. B. den Farnen (außer einigen Baumfarn), in Eguisettim, Salvinia, Marsilia und
Selaginella (ChurCh), aber auch einige Lycopodien enthalten es nur in Spuren. Es findet sich
bei den Lycopodien in löslicher Form, wohl an organische Säuren gebunden, als Malat (Ritt-
haüsen) oder als Tartrat (Arosenius).
Ferner wurde in der Asche der Sporen gefunden: 45,7% P2O5. 18,41 "Jq
FeA. 9.3 "lo K2O, 5,1 «/o Na,0, ferner SO,, CaO, MgO (je c. i%) und 0,220/0 Cl
nebst Spuren Mn (Langer).
Lit. Neumann, Chymia "medica 1704. — Bergius, Mat. med. 1782 (beschreibt die
trockene Destillat.). — BuCHHOLZ, Taschenb. f. Scheidekünstler 1807, Gehlens Journ. VI,
573. — Wichmann, Arch. Pharm. 35, 38. — Fritsche, Poggend. Ann. 32, 481. — John,
Handwörterb. d. Chem. 3, 231. — Schwartze, Tabellen I (1819). — Winckler, Buchn. Rep.
34, 58. — Flückiger, Pharmakogn. I. bis III. Aufl. — Rebling, Arch. d. Pharm. 84 (1855),
II. — Kamp (Lyc. chamaecyp.) Lieb. Ann. 100, 300. — Langer, Bestandth. d. Lycopodium-
sporen. Arch. Ph. 1889, 241 u. über die Lycopodiumölsäure ebenda S. 625 (Diss. Erlangen 1889).
— BuKowsKY, Bestandt. d. Lycopodiumöls. Dissertation Dorpat 1889 u. Pharm. Zeit. f. Rußl.
1889, 359- — ^- R-\THJE, Neuere Unters, d. Fette von Lycopod. etc. Arch. Ph. 1908, 692.
— Alcock, Pharm. Journ. 1906, 23, 100. — Butler, in Flückiger Pharmakogn. — Bödeker,
Arch. d. Pharm. i88i, 304. — Adrian, Jahresber. d. Ph. 1886, 60. — Arata u. Canzoneri,
Pharm. Zeit. 1892, 409. — Asche: C.aesar-Loretz, Handelsber. 1897 u. and. — H. Evell,
Jahresber. d. Pharm. 1892, 10. — Hauke a.a.O. — Aluminium: Ritthausen, Journ. prakt.
Chem. 53 (1851), 413. — AxDERHOLDT, Lieb. Ann. 82 (1852), iii. — Solms-Laubach, Lieb.
Ann. 100 (1856), 297. — Church, On the occurence of Aluminium in certain Vascular Cryp-
togams. Proc. Royal Soc. 44 (1888), 121 (Pharm. Journ. 1889, 846). — Fluri, Einfluß v. Alu-
miniumsalzen auf das Protoplasma. Diss. Basel 1908. — Radlkofer, Über Tonerdekorper im
Pflanzenreich. Ber. d. bot. Ges. 1904.
Verfälschungen. Fast regelmäßig findet man im Lycopodium sehr kleine
Mengen von Fragmenten der Sporangienwand, die durch ihre knotig verdickten Zellen
sofort auffallen. Sofern diese nur in sehr geringer Menge vorhanden sind, ist das
Lycopodium nicht zu beanstanden. Bruchstücke von Stengeln und Blättern, besonders
faserige, dürfen nicht anwesend sein, auch nicht in Spuren.
Von organischen Verfälschungen sind neuerdings beobachtet: Stärke ver-
schiedener Herkunft (seit 1896 in jedem Jahr, Döll), Mehl (1909), Weizenstärke
(DöLL, Koch 1908), Reisstärke, Kartoffelstärke (Döll, auch in Amerika 1899,
in Deutschland 1908, bis 30"/,,), Dextrin (1904), Buchsbaumpulver (Perrot
1907), Harzpulver (1904) und besonders Pinuspollen (Weigel 1904, 1899 bis
2o''|q beobachtet). Neuerdings (1908) haben die Fälschungen mit Stärke und Pinus-
pollen wieder auffällig zugenommen (Caesar und Loretz), da Locopodium teuer ist.
Ferner werden angegeben verschiedene Mehle, z. B. Erbsenmehl (Pereira), und nicht
näher bezeichnete Stärkesorten [bis 2o"|o (1909), bis SO^/q (1891) Brown], mit
Methylorange gefärbte Maisstärke, Curcumapulver, Holzmehl (Pereira), Wurm-
mehl, Kolophonium und andere Harze und andere Pollenkörner, besonders von
Corylus, Larix, Cichorium, Cannabis (von mir nie beobachtet).
Von den anorganischen Verfälschungen steht Talcum obenan, das auch
neuerdings (1904) oft beobachtet wurde (Stärke und Talcum werden schon 1826
erwähnt!). Dann werden genannt: Kreide (Scriba), Gips (Hanbury), Magnesia,
Schwefel (Walpley), Baryumsulfat (?), Sand.
Als Substitution wurde besonders Pinuspollen beobachtet. Das «ungarische»
(oder «österreichische») Lycopodium, das sich 1904 im Handel fand, bestand ganz
48o
PoUenino-Membranindrogen.
aus PinuspoUen (Mitlaciiek). Pinuspollen wird in denKarpathen in ziemlichen Mengen
gesammelt (Vogl). Femer: gepulvertes österreichisches Fichtenharz (Gallois 1906),
gepulverter Bernstein (van Itallie), ein Skiereiden, Bastfasern und Kork enthalten-
des Rindenpulver (van Itallie). 1904 tauchte in Amerika unter dem Namen
Lykopodine ein dem echten Lycopodium äußerlich ähnlicher «Lycopodiumersatz»
auf, der aus Talcum, Dextrin und Harzpulver bestand.
Die meisten Verfälschungen und Substitutionen sind leicht mit dem Mikroskop
zu erkennen (Fig. 156), die Stärkesorten und Mehle durch ihre Formen (vgl. S. 153
bis S. 198) und auch durch die Jodreak-
tion, das Dextrin (nicht im Wasserpräparat!
vgl. S. 200) mittelst Jodglycerin, das Cur-
cumapulver an den gelben Kleisterballen,
die Holz- und Rindenpulver an den ge-
formten Elementen. Das Talcurri bildet
farblose eckige Kristallsplitter, der subli-
mierte Schwefel rundliche, zu Ketten
oder Massen vereinigte dunkle, struktur-
lose oder kristallinische Körper.
Der Pollen der Abietincen
(speziell der von Pinns silves/ris wird ge-
sammelt) ist oval und besitzt nicht genau
an den beiden Seiten angefügte Luftsäcke
(Fig. 156), die von der an diesen Stellen
blasig aufgetriebenen Exine gebildet wer-
den und die von halbkugeliger Gestalt
und mit netziger Oberfiächenzeichnung
versehen sind. Das Pollenkorn selbst ent-
hält Öltropfen. Die Größe beträgt je nach
der Pinus- oder .i4fo'«-Species 54 bis 126
mik. Alkoholische Fuchsinlösung färbt
sofort violett, Lycopodium erst beim Er-
wärmen (Vogl).
Fig. 156.
^[it Pinuspollen (pp), CoryluspoUen (p) und Roggenstärke (a;
vermischtes Lycopodium (s). [Nach Vogl.]
Der Pollen von CorylusAvellana
(Fig. 156) ist kugelig, glatt und an der äquato-
rialen Zone an drei etwa gleichweit von einander entfernten Stellen mit breiten stumpfen, am Scheitel
mit einem Loche in der Exine versehenen Papillen versehen. Die drei Poren (Austrittsstellen des
Pollenschlauches) treten besonders bei Behandeln mit Essigsäure und beim Eintrocknen gut
hervor. Der körnige Inhalt erscheint dreistrahlig. Unterhalb der Poren ist die Intine kreisförmig
von der Exine abgehoben. Rings um den Porus ist die Exine schwach wulstig verdickt. Durch-
messer 26 — 30 mik. Der Pollen von Typha besteht aus Gruppen von zu vieren miteinander
verbundenen Pollenkörnern (Tetraden). Die Pollenkörner von Cichorium zeigen eine stachlige
Exine. Die Pollenkörner von Cannabis sntiva sind rundlich und besitzen drei deutliche Austritts-
stellen für den Pollenschlauch. Die Pollenkörner von Lnrix decidna sind eiförmig (Moeller).
Die Pollenkörner sind sämtlich tiefer gelb gefärbt als Lycopodium.
Eine kleine Menge von Stärkekömem kann in das Lycopodium zufällig dadurch
hineingelangen, daß es in Rußland bisweilen in Mehlsäcken versandt wird, oder daß
in den Drogenhäusem Stärkestaub hineingelangte, i °|o kann man tolerieren. Nach
dem Kochen mit Wasser darf letzteres durch Jodwasser nicht blau werden (Caesar
Lycopodium. ^ g j
und LoRETz). Auch einige Pinuspollenkömer können zufällig hineingelangen, da ja
die Pflanze in Nadelholzwäldern wächst (doch stäubt die Kiefer viel früher als die
Lycopodiumarten).
Die anorganischen Beimengungen erhöhen den Aschengehalt, verraten
sich aber auch schon teils im Mikroskop, teils beim Vermischen des Lycopodium
mit Wasser oder Chloroform. Reines Lycopodium schwimmt auf Wasser, mineralische,
in Wasser unlösliche Beimengungen sinken zu Boden. Auch auf Chloroform und
Schwefelkohlenstoff schwimmt reines Lycopodium. Der Schwefel verrät sich durch
die beim Verbrennen entstehende schweflige Säure. Die Harze lösen sich in Alkohol
oder Alkoholäther.
Lit. Caesar-Loretz, Handelsb. — Journ. of pharmac. 1898. — G-\i.l.oiS, Journ. pharm,
chim. 1906, 242. — Perrot, Bull. sc. pharm. 190;, 350. — Mitlacher (1904). — "Weigel,
Pharm. Centralh. 1904. — Brown, Bull, of ph. 1891, 10. — Pereira, Heilmittellehre. — Ab-
gebildet sind Pinuspollen in Moeller, Lehrbuch, VoüL, Atlas, Berg, Atlas, Planchon-Collin
u. and., Larixpollen bei Moeller, Cannabispollen ebenda, Cichoriumpollen ebenda, Corylus-
pollen bei Vogl.
Anwendung. Als Streupulver (allein und mit Salicylsäure oder Zinkoxyd)
bei Intertrigo, zum Aufstreuen auf wunde Stellen, besonders bei Kindern, usw. eignet
sich Lycopodium gut, da es leicht haftet, mit Wasser nicht benetzbar ist und nicht
zusammenballt. Die gleichen Eigenschaften und seine IndifiTerenz empfehlen es auch
als Konspergierungsmittel der Pillen.
Zum Bestreuen der Pillen wird es in den Apotheken so viel benutzt, daß der Staub
der Apotheke und alle Geräte und Utensilien derselben immer Lycopodiumsporen enthalten.
Dies muß beachtet werden, wenn man aus der Apotheke bezogene Objekte mikroskopisch unter-
sucht. (Ein Botaniker beschrieb einmal die Lycopodiumsporen als den Dauerzustand eines
Schleimpilzes [!], den er in aus einer Apotheke stammendem Fleisch gefunden hatte und den
er wegen der Netzleisten der Sporen: Haplococats reticulatits nannte [!]).
Mit Salpeter gemischt dient es zur chinesischen Moxa. Die innerliche Anwendung, z. B.
bei Dysurie, Blasenkatarrh, besonders als Emulsion (Linctus diureticus Hufeland), in Pastillen-
form usw. kommt kaum noch in Betracht. Etwas verbraucht die Gießerei zum Ausstreichen der
Formen. Eine große Menge L. (zuweilen Hunderte von Kisten) verbraucht die Feuerwerkerei
besonders an den Nationalfesten, z. B. in Nordamerika. Die Sitte stammt aus Persien (Olearius,
Persian. Reiß-Beschreib.). Herba Lycopodii wird kaum noch (als Diuretikum) benutzt. Das Kraut
von L. Selago ist ein russisches Volksheilmittel. Es wirkt drastisch und abortiv. Auch das Kraut
von L. Sminirtis wirkt drastisch. (Vgl. HusEMANN, Arzneimittellehre).
Geschichte. Das etwas bitter schmeckende Kraut (Herba Lycopod. s. Mtisci clavatt)
war früher als das Sporenpulver besonders beim Volke in Gebrauch und ist noch da und
dort (Polen) Volksheilmittel, ebenso wie Herba Selaginis s. musci erecti s. cathartici (von L.
Selago)^ das auch gegen Ungeziefer benutzt wird. (Weitere Angaben über arzneilich verwendete
Lycopodien in Dragendorff, Heilpflanzen.) Vielleicht ist die Herba terrestris, pes pullt der
Alphita ein Lycopodium. Die patres botanices sowie Dodonaeus, Tabernaemontanus, Bauhin,
P.\rkinson, Ray benutzten die ganze Pflanze und ein daraus destilliertes Wasser. JoH. Ray (L
S. 911") bespricht sie und Rolfink (f 167") rühmt sie als Antiepilepticum. Die erste Abbildung
der Pflanze findet sich in BoCK, Hist. stirp. 1552 p. 555 (vgl. I, S. 327, Fig. 316), weitere bei
Tabernaemont.\nus (1,5.847), b^i CORDUS u. and. Lonicerus sagt (Nat. histor. op. nov. 1551)
von den Sporangienständen, «asparagos», sie seien «leves et molles, ceu farina aut pulvere con-
spersos, mox decidentes, quos pro flore licebit sumere», erkannte sie also bereits als «Blüten».
Der von Clusius (Rarior. pl.) abgebildete Muscus terrestris hisitanns ist vielleicht auch ein
Lycopodium (oder eine Selaginella}). «DoDONAKUS tadelt den groben Mißbrauch Lycopodium
clavatum in den Apotheken für Spica celtica (Sali!mca= Valeriana celtica'L.) zu geben. Schon
Anguillara (Semplici 1561) erwähnt eine «Spica celtica commimei mit Früchten < simili al
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II 3I
48j
Mycmo-Membranindrogen.
Pepe lungo», welche statt der echten Spicaceltica gebraucht werde. Darin ist wohl (mit Berg)
Lycopodium zu erblicken.
Die erste Angabe über medizinische Anwendung der Sporen zum Bestreuen von Wunden
findet sich bei Schröder in dessen Pharmacop. medico-chymiea 1649 (Flückiger), doch findet
sich L. weder in Dale, Pharmacologia London 1693 (Hanbury), noch in der BERLU-Liste
(I, S. 950), noch in der Londoner Pharmacopoee, noch bei PoMET. Wohl aber steht Sem. Lyco-
podii in der Taxe von Ulm 16Ö4, Franckfurt ibög und 1718, Basel 1701, im Gießener Catalogus
1688 als Synonym auch Muscus ferrestris, in der Taxe von Schwäbisch-Hall 1700: Beerlapp-
oder Gürtelkrautsamen (vgl. die Taxen im I. B.) , muß also schon damals viel benutzt gewesen
sein. Der Preis des Sem. Lycopodii betrug (Reform, d. Stadt Frankfurt 1718) i Lot = 4 Kr.
Der Züricher Stadtarzt JoH. Muralt (f 1733) rühmte L. gegen Intertrigo (Dierbach).
BerGIUS erwähnt 1782 das Farina Lycopodii s. Pollen gegen Excoriatio und V.\lentini sagt
(im Museum 1704"), G. W. Wedel ausschreibend, dem wir eine Monographie: De musco ter-
restri clavato Jenae 1702 verdanken: «Es heilet auch allerley Räudigkeit, Verwundungen,
Rothlauff, Jucken an heimlichen Ortern, absonderlich wenn die kleine Kinder allda wund werden».
Besonders durch Wedels Dissertation scheint man auf die Lycopodiumsporen, die auch inner-
lich bei zahlreichen Krankheiten angewendet wurden (vgl. in Neuil\nn Chymia medica) auf-
merksam geworden zu sein. Die merkwürdigen Eigenschaften des L. — ein staubfeines trockenes
Pulver, das fast keine Asche gibt, das zur Hälfte aus Öl, das man doch nicht extrahieren
konnte, besteht und im Lichte rückstandslos verpufft! —
haben den Chemikern viel zu schaffen gemacht. BerGius z. B.
nennt es eine «vera cera cruda» ; Lemery sagt, es habe viel
sal essentiale. Neumann, daß die partes resinosae mit den
partibus oleosis «surschagiret» sind. Doch erkannten schon
Lemery-, König und Neumann, daß wirklich Öl darin ent-
halten ist.
Paralleldrogen. Ähnlich wie die Sporen von Lyc.
clavatnm, die die meisten Pharmacopoeen ausdrücklich ver-
langen, können auch die Sporen anderer Lycopodien, die alle
tetraedrisch sind, aber zum Teil eine andere Skulptur des
Exosporiums zeigen, gebraucht werden und werden dort, wo
die Arten häufiger vorkommen, auch ebenso benutzt. —
Pharmacop. american. läßt sie auch zu — . So z. B. die
beiden in Norwegen ebenso benutzten Lycopodium compla-
>iat7ini L. (L. Chamaecyparissias A. Br.). Sporen fast gleich
wie bei L. clavat. Breite 28 — 30 mik. und Lyc. annotinum L.,
Netzleisten sehr weitmaschig (Fig. 157, 2), Breite etwa wie
bei L.clav. Kleine .Sporangienähren haben: L. Selago L. mit
getüpfeltem Exosporium (Fig. 157, 3), Breite 24 — 33, meist
H:V' ■■ >•■■•;-.•?■
a
a
h
30 mik, L. inundatum L. : Exosporium mit welligen
Leisten. L. alpiniim L. und L. dendroideum Mich. (Nord-
amerika, Maisch). Die Sporen von L. phyllanthum haben
Tüpfel, die von L. densiim Stacheln. In Deutschland ist nur
L. clavatttm häufig, in der Schweiz auch L. Selago^ in Skan-
dinavien auch L. complanattini und a?inotimim (SchCbeler),
seltener sind in Deutschland L. annotinum, alpimim, inundatum und complanatnm.
Fig. isr.
Lycopodium clavaiitni, 2. L, ati
finum. 3. L. Selago.
[Aus Korometar Svenska Farmak.]
Lit. Flückiger, Pharmakogn. — Maisch, Jahresb. d. Ph. 1870, 34. — SchCbeler,
Pflanzenwelt Norwegens. — Abgebildet sind bei Pritzel in Engler-Prantl, Pflanzenfam. I,
4, 587 die Sporen von Lycopod. phyllanthum, densum und inundatum.
3. Mycino-Membranindrogen.
Früher nahm man gestützt auf die Tatsache, daß sich die in Kupferoxydammon
unlöslichen (Fremy) Pilzzellmembranen (Fungin Braconnot, Metazellulose Fre.my)
nach Behandeln mit Kali durch Jodschwefelsäure violett färben, an, daß ihre Sub-
Mycmo-Membranindrogeu. 4Ö3
Stanz aus einer ^ inkrustierten» Zellulose bestehe, die de Bary «Pilzzellulose» zu
nennen vorschlug. Ich habe den Komplex der Inkrusten 1888 als Mycin bezeichnet
(entsprechend dem Lignin und Suberin). Diese Auffassung ist jetzt verlassen. Nach
Staedeler, Winterstein, Gilson, Wisselingh und Wester enthalten die Zell-
membranen der verschiedensten Pilze Chitin, eine Substanz (von Odier 1823 so
benannt), die bei den niederen Tieren weit verbreitet ist und z. B. in den Panzern
und Flügeldecken der Insekten und Crustaceen, in der Haut der Seidenraupe und den
Knorpeln der Sepien einen Hauptbestandteil bildet. Die quantitativen Bestimmungen
Westers zeigen jedoch, daß das Chitin in den Pilzzellmembranen noch von anderen
Substanzen begleitet sein muß, denn er fand den Chitingehalt z. B. bei Seeale cornutum
zu 5''|q und bei Hymenomycetenfruchtträgern zu 5 — j^/^,. Zellulose scheint der Be-
gleiter aber nicht zu sein (Wester). Tanret nennt ihn Fungose (CgH^oOg),; (?). Die
Chitinmengen scheinen übrigens zu schwanken, denn während Gilson und Escombe
nur o — io°/o Glukosaminchlorhydrat aus Seeale eornutum erhielten, erhielt Iwanoff
20 — 40^/5 davon. Keinesfalls ist die jetzt viel verbreitete Ansicht, daß Pilzzellmem-
branen nur aus Chitin bestehen, richtig. Gefunden wurde Chitin von Winterstein
und Gilson in Agaricus eampestvis , Boletus edulis, Polyporus offieinalis u. and. von
Gilson und Tanret in Aspergillus, Bovista, Cantharellus und Claviceps purpurea, von
Wisselingh und Wester in zahlreichen anderen Pilzen (und auch einigen Flechten)
mit Ausnahme der M\xom}-ceten und Bakterien. Neuerdings wurde es aber auch in
Bakterien aufgefunden.
Wir dürfen jetzt annehmen, daß das Chitin und auch noch das bei der Be-
handlung mit Kali aus ihm neben Essigsäure hervorgehende Chi tos an (Mycosine
Gilson) hochmolekulare, der Stärke und dem Glykogen, deren Jodreaktion das
Chitosan teilt [es wird durch Jod und verd. (i^/q) HjSO^ tief violett], analoge Poly-
saccharide sind, die aber stickstoffhaltig und am Stickstoffe acetyüert sind (Ledder-
hose, Fränkel und Kelly, Gilson, Sundwick, Schmiedeberg). Es kommt also
dem Chitin kaum die einfache Formel Ci^HgQNgOj.,, vielleicht eher die höhere Formel
CßoHioo NgOjg (Sundwick) zu, und auch das Chitosan muß komplizierter als C^^HjgN.^Oio
zusammengesetzt sein. Jedenfalls entstehen beim Behandeln der Pilzzellmembranen
mit Salzsäure zunächst mehr oder weniger große Mengen des von d-Glukose:
OH H OH OH
COH— C— C— C— C— CHj,OH
H OH H H
abzuleitenden d-Glukosamins :
(NH.,) H OH OH
COH— C— C— C— C— CH.,OH
H OH H H
und schließlich ein Chitose genannter Zucker, den E. Fischer als hydriertes Furan-
derivat auffaßt, und:
COH— CH— CHOH— CHOH— CH— CHjOH
schreibt. Das synthetisch aus d-Arabinose dargestellte d-Glukosamin ist, wie neuere
Untersuchungen zeigten, identisch mit dem aus Chitin erhaltenen (E. Fischer und
Leuchs). Offer betrachtet das Chitin als ein polymeres Monoacetyldiglukosamin.
VAN Wisselingh schreibt mir (191 1): «Im Widerstreit mit früheren Ansichten kommt
bei den Pilzmembranen im allgemeinen keine Cellulose vor. Nur in einigen Fällen findet sich
diese Wandsubstanz bei den PiUen, nämlich bei den Myxomyceten, Peronosporeen und Sapro-
31*
^$4 Mycino-Membranindrogen.
legnieen. Das Vorkommen von Chitin bei den Pilzmembranen ist dagegen eine sehr allgemeine
Erscheinung. Wenn man die Bakterien, die Saccharomyceten und die drei obengenannten Fa-
milien nicht berücksichtigt, so findet man bei den Pilzen fast ohne Ausnahme Chitin in den
Zelhvänden. Auch bei Plasmodiophora Brassicae (Myxomyceten^l kommt diese Wandsubstanz vor.
In keinem einzigen Falle sind Chitin und Cellulose nebeneinander in den Pilzmembranen nach-
gewiesen. Dagegen fehlen in einigen Fällen beide Stoffe in der Zellwand, nämlich bei Bakterien,
Saccliaromyces Cernisiae , FuUgo septica und Cetraria islandica. Neben Chitin und Cellulose
kommen noch mehrere Stoffe in den Pilzmembranen vor. Wahrscheinlich gehören dieselben zu
den Kohlehydraten; im allgemeinen sind sie aber noch wenig bekannt, auch fehlen noch charakte-
ristische Reaktionen für ihre Nachweisung.»
Fettsäuren sind bis jetzt aus den Pilzzellraembranen, die übrigens (s. Mikro-
chemie) eine sehr verschiedene Zusammensetzung zeigen, nicht isoliert worden, so
daß sie also von den Korkmembranen stark abweichen. Nach Winterstein ent-
halten die Membranen einiger Pilze auch Eiweiß; nach ihm sind vielleicht in ihnen
mucinähnliche Stoffe in Verbindung mit Kohlehydraten enthalten. Winter-
stein isolierte aus Boletus cdiilis und Polyporus beluUnns Paradextran (liefert bei
der Hydrolyse Traubenzucker). Auch Iwanoff nimmt bei Hutpilzen neben Chitin
stickstofffreie ZellmembranstofTe in der Membran an. Alles in allem betrachtet scheint
in der sog. Pilzzellulose ein Mittelglied zwischen den Kohlehydraten und
Eiweißstoffen vorzuliegen, in dem besonders poh'mere Amidoglukosen eine Rolle
spielen.
Über den mikrohistochemischen Nachweis des Chitins teilt mir van WissELiNGH
(191 1) Folgendes mit. «Chitin kann mit großer Schärfe mikrochemisch nachgewiesen werden.
Die zu prüfenden Objekte werden im Olbade in zugeschmolzenen Rohrchen auf 160 oder 180"
mit konzentrierter Kalilauge erhitzt. Hierdurch wird das Chitin in Chitosan umgesetzt. Nach
Abkühlung werden die Objekte mit absolutem oder mit 95 proz. Alkohol sorgfältig ausgewaschen
und in destilliertes Wasser gebracht, worauf hintereinander Jodjodkalilösung und sehr verdünnte
Schwefelsäure (o,5°/o J "iid 1% H^SOJ hinzugefügt werden. Chitinhaltige Zellmembranen und
chitinhaltige Teile von Zellmembranen sind dann schön rotviolett gefärbt. Nach der Erhitzung
mit Kalilauge färben chitinhaltige Membranen sich mit Chlorzinkjod blau. Diese Reaktion ist
jedoch weniger scharf als die mit Jod und Schwefelsäure. Das Auswaschen mit Alkohol dient
dazu, um einem Zerfließen der Präparate vorzubeugen, welches stattfindet, wenn man sie von der
Kalilauge unmittelbar ins Wasser überträgt. Chitosan ist löslich in verdünnter Salzsäure (2'/j-
proz.) und in sehr verdünnter Essigsäure. Mit konzentrierter Kalilauge erhitzte Membranen
lösen sich unmittelbar in diesen verdünnten Säuren, falls sie ausschließlich aus Chitosau be-
stehen. Chitin leistet einer Erhitzung in Glycerin auf 300° Widerstand, während viele andere
Wandsubstanzen und Bestandteile des Zellinhalts zersetzt und entfernt werden. Diesem Prozeß
kann man die Umsetzung des Chitins in Chitosan vorhergehen lassen, falls es nötig ist zur
Verschärfung der Reaktion andere Substanzen zu entfernen.»
Lit. Ledderhose, Ber. ehem. Ges. 9 {1876), 1200, Zeitschr. phys. Chem. 2 u. 4. —
Städeler, Lieb. Ann. in, 21. — Winterstein, Zur Kenntn. d. in d. Membr. d. Pilze enth.
Bestandt., Zeitschr. f. phys. Chem. 19, 521 u. 21, 134. Ber. d. chem. Ges. 26, 3098, 27,
3113; 28, 167 u. 1374. Ber. d. Bot. Ges. 11, 441 und 13, 65. — Gilson, Ber. d. chem. Ges.
28, 821. Rech. chim. sur la membr. cellul. d. Champignons, La Cellule 1894 und BuH- soc. chim.
1894. Compt. rend. 1895. — Sundwick, Zeitschr. f. phys. Chem. (1881), 5, 385. — Schmiede-
EERG, Arch. exper. Path. 28, 355. — Fränkel und Kelly, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1901.
— Offer, Bloch. Zeitschr. 1907. — Tanret, Bull. soc. chim. III, 17,921. — von Wisselingh,
Mikrochem. Unters, über d. Zellwände d. Fungi. Zeitschr. f. wiss. Botan. 31, 619. (Dort
auch die mikrochem. Reaktion auf Chitin.) — Wester, Studien über d. Chitin. Dissert. Bern
1909 (dort weitere Literatur) und Verbreit. u.'Lokalisat. d. Chitins im Tierreiche. Zoolog. Jahrb.
1910. — E. Fischer u. Tiemann, Ber. d. chem. Ges. 27 (1894), 138. — E. Fischer Ebenda
35 (1902), 3789, 36 (1903), 24 und 2587. — Weitere Lit. in Czapek, Biochemie, Röhmann,
Biochemie und in Zellnee, Chemie d. höh. Pilze.
Fungus igniarius.
485
Fungus igniarius.
Agaricus quercinus praep., Fungus quercus, Fungus s. boletus chirurgorum, Feuerschwamm
(daher igniarius von ignis = Feuer), Wundschwaram, Blutschwamm, Zunder (daher fomentarius
von fomentum = Zunder) — agaric de chene, amadou (franz.) — surgeons agaric, touchwood,
german tinder (engl.) — vuurzwam (hell.) — esca (ital.) — taplö (ung.).
Die Stammpflanze muß zu Fomes Fries und nicht zu Polyporus gezogen
werden, da der Fruchtkörper von Anfang an holzig, derb und dauerhaft und kon-
zentrisch gefurcht ist.
Fig. 158.
Fomes fomentarins.
A Hut von oben gesehen. B Hut median-Uingsdurchschnitten. C Rührenhymenium von unten gesehen. [Nach Luerssen.]
Fomes fomentarius (L.) Fries, Syst. mycol. I, 374 (Polyporus fomentarius
Fries, Boletus fomentarius L., Agaricus fomentarius Lam.) ist ein zu den Hymeno-
mycetinae, Polyporaceae — Polyporeae, Sectio Fomentarii, gehöriger, in Europa,
<85 Mycino-Membranindrogen.
Sibirien (bis über den Polarkreis), Nordamerika und auf Malakka vorkommender Pilz, der,
ein echter Parasit, auf Laubbäumen, vorwiegend auf Buchen (und Birken) vorkommt.
Die Infektion des Baumes erfolgt stets durch Wunden. Das Mycelium verbreitet
sich vorwiegend zwischen Rinde und Holz und erzeugt schließlich, von der Mitte des
Stammes nach oben fortschreitend, den mehrere Jahre andauernden Hymenial-
körper (den Hut). Dieser ist hufförmig-polsterartig, an der Peripherie halbkreisförmig
oder halbelliptisch, sitzt mit sehr breiter Fläche ungestielt dem Stamme an und wird
an der Anheftungsstelle bis 50 cm hoch, 30 cm breit und 25 cm tief. Auf der Rücken-
fläche (Oberseite) ist er entfernt konzentrisch gefurcht, kahl, nackt, anfangs rußfarbig
oder bräunlich-grau, dann perl-grau mit welligen, ungleich dicken, parallelen Zonen;
auf der Bauchseite ist er flach oder schwach vertieft; bräunlichgrau, später rostbraun.
Innen weich, flockig, rostfarbig-gelbbraun mit c. 3 mm dicker, sehr harter, zäher, dauer-
hafter, aus Paraplectenchym (Pseudoparenchym) bestehender Rinde. Die Hymenial-
schicht liegt auf der Unterseite. Sie läßt sich leicht abtrennen. «Unter der Rinde
liegt eine etwas umfangreichere, weichere rostbraune Schicht, auf welche eine dicke
atlasglänzende, zartflockige und sammetweiche, hellzimtfarbene Schicht, welche parallel
zur Hymenialschicht gezont ist» (Berg-Schmidt) folgt. Diese geht allmählich in die
unterste, dunklere, dichtere, grobflockige Basalschicht des Hutes über. Diese drei
Schichten bilden das Plectenchym. Nur die mittlere liefert den Feuerschwamm.
Die Hymenialschicht (Schlauchschicht), die nun nach unten hin folgt und meist
umfangreicher ist als der obere Hutkörper, besteht aus dichtem Plectenchym und ist
von zahlreichen, \ertikal verlaufenden, 0,5 mm weiten Röhren (Röhrenhymenium) durch-
zogen (daher Pohpoms von jcnlvq und jimgog), in welche die Basidien hineinragen,
von denen je vier ellipsoidische Basidiosporen abgeschnürt werden. Die Hymenial-
schicht zeigt den Jahreszuwachsen entsprechende Zonen.
In den Fruclitkörpern dieses und anderer Baumpilze leben die Larven vieler Kaferarten,
z. B. [Cistelae, Melandryidae, Mordellidae] Mycetochares bijtiistiilaia III., Eustroplins (Myceto-
phagus) dermestoides Fabr., Orchesia micans. Payk., Hallomenus hinotatus Qdens. u. a. (IsraBl).
Der auf verschiedenen Laubhölzern, besonders Weiden, wachsende, in Europa, Sibirien,
Nord- und Südamerika, Afrika und Australien vorkommende Weidenschwamm, Fontes igiiiarius
(L.) Fries (Polyposis igniarhis Fr., Boletus igniaruis L.) besitzt einen meist kleineren, flacheren,
reichlicher gezonten, am Rande gewulsteten Hut (Abbild, bei Hennings), der im Alter rissig
wird und dessen rostbraune holzige Schwammschicht viel härter ist als die des F.fomentarius,
daher einen schlechteren Feuerschwamm liefert, übrigens meines Wissens jetzt nirgends mehr
darauf verarbeitet wird. Das gleiche gilt von den Fruchtträgern von Fontes marginatus {Poly-
portis marginatus Fr.). Dagegen soll F. applanatus verwendbar sein (Flückioer). Der Frucht-
körper von Farnes igniarhis ist anfangs kugelig-knollig, später huf- oder polsterförmig, 6 — 20 cm
lang, bis 10 cm dick, erst mit flockigem, gelbbraunem Filze, später kahl mit harter, grauer
oder schwärzlicher Rinde, mit konzentrischen Furchen und stumpfem Rande (Hennings). Weitere
Polyporeen bei Sydow in Realenzyklopäd. d. Pharm., bei Luerssen und Hennings.
Feuerschwamm wird besonders in den Karpathen in Siebenbürgen (im Szekler
Lande und im Comitat Haromszek im Südosten), dann im Gouvernement Archan-
gelsk, aber auch in Böhmen, Ungarn (Temesvar), Galizien, Kroatien, Thüringen
(früher c. 1000 cwts jährlich, FlüCKIGEr), im Harz und Schwarzwald (Todtnau
im Wiesenthal), bei Ulm und Fredeburg (Westfalen), sowie in Schweden gesammelt
und verarbeitet. Die mittlere lockere Schicht «Zunderschicht» des im August und
September gesammelten Fruchtkörpers (s. oben) wird mit einem Messer herausge-
schnitten, in Wasser oder schwache Aschenlauge oder verd. Natron- oder Kalilauge
Fungus igniarius.
487
eingeweicht, durch Waschen gereinigt, getrocknet und durch Klopfen der auf Steine
aufgelegten Stücke mit hölzernen Hämmern in eine weiche Platte verwandelt, die
dann meist noch gewalzt wird. Diese «Felle» erreichen (aber jedenfalls nur in seltenen
Fällen) eine Länge von iiocm, eine Breite von 50cm und eine Dicke von 1,5 cm
(Flückiger). Man fertigt aus Feuerschwamm auch Kleidungsstücke, Mützen, Westen.
Der Wundschwamm des Handels besteht aus sehr langen, 2,5 — 5,5 mik dicken,
geraden oder wellig gebogenen, locker durcheinander geschlungenen Hyphen mit sehr
dünner, bräunlicher Membran, zwischen denen keinerlei Substanzen sich abgelagert
finden und die auch nahezu inhaltsleer sind.
SCHLOSSBERGER und DöFPiNG geben dem Zellstofif des Feuerschwamms die
Zusammensetzung 45.37 "/qC, 6,82<'|qH. Der Fruchtträger enthält Methylpen tosane
(Wichers), ein Fett, das eine hohe Säurezahl besitzt (Zellner). Ferner wurde
gefunden: eisenbläuender Gerbstoff o,6''|(, und in einem jungen Fruchtträger ein
glykosid-(salicin-) spaltendes Ferment (Bourquelot). Die Asche beträgt ijOg^L
(Flückiger).
Polyporus igniarius enthält Oxalsäure (Bouillon L.\gr.\jige), Apfelsäure (derselbe,
Braconnots acide fongique, Schwammsäure), eisenbläuenden Gerbstoff. Die Polyporsäure scheint
ein pathologisches Produkt zu sein, sie findet sich jedenfalls nicht regelmäßig (Stahlschmidt).
Zellner fand in Polyporus igniarius Ergosterin, Harz, Fettsäuren, Fumarsäure (.'"), Mannit,
Glukose, Phlobaphene, gummiartige Kohlehydrate und sehr wenig Eiweißkörper, von Fermenten
ein fettspaltendes, ein diastatisches, ein glykosidspaltendes und ein Cellulose lösendes. Die
Membranen geben, mit HC! destilliert, Furol, enthalten also wohl Pentosane. Bei Destillation
mit Alkalien liefert der Pilz Amanitol und Aminbasen (sehr wenig). Asche 7,85 — 8,67. (Darin
23,82% K,0, 23,93% CaO, i9,9i''/„ SO3, 6,67% MgO, 2,29% SiO^, 2,85% Fe.O, + Al.O,,
1-78% PäO^, 0,87% NaoO, 0,42% S als Sulfid.) CaSO., war reichlich vorhanden, die Tonerde
in wasserlöslicher Form.
Als Blutstillungsmittel wird Feuerschwamm jetzt vielfach durch Eisenchlorid-
watte ersetzt. Die Wirkung beruht wohl auf einer kapillaren Aufsaugung des Blut-
serums und dadurch bedingter rascher Gerinnung des Blutes infolge Verklebung der
Blutkörperchen. Die Hyphen bilden sehr feine Röhren. Als Blutstillungsmittel wurde
früher auch der ebenfalls Fungus chimrgoruvi genannte saprophyte Bovist [Lvcoperdo?i
caelatiiin BuLL.) benutzt.
Zur Darstellung des Zunder, der seit Einführung der Zündhölzer nur noch in
Gebirgsdörfern da und dort benutzt wird, wird der Schwamm mit Salpeter getränkt.
Ein solcher Schwamm ist als Blutstillungsmittel unverwendbar. Daher muß der
Schwamm stets auf Salpeter geprüft werden. Guter Wundschwamm muß weich und
dehnbar sein, angezündet ohne Knistern und ohne Funkensprühen verglimmen und
leicht und reichlich Wasser aufnehmen. Das ausgedrückte Wasser muß rückstandslos
verdunsten und darf keine Salpeterreaktion (mit Diphenylamin) geben. Feuerschwamm
hält auch nach dem Ausdrücken leicht das doppelte Gewicht Wasser zurück.
Die Verwendung eines «Schwammes» beim Feuermachen erwähnt Plinius {16, 77) mit
den Worten; «teritur ergo lignum ligno, ignemque concipit attritu, excipiente materia aridi
fomitis, fungi vel foliorum facillimo conceptu. > — «Fungus • findet sich auch bei Serapion
(I, S. 605).
Lit. Abbild, in Berg-Schmidt, Atlas II. Aufl., t. 160 (dort die Liter.), Pabst-Köhler,
Arzneipflanzen, t. 139, Luersse.n, Med. pharm. Botan., Hennings in Engler -Prantl, Pflanzenf.,
Hartwich in Hagers Pharm. Pra.xis, Berg, Anatom. Atlas, Vogl, Atlas. — Flückiger,
Pharraakogn. — Bouillon-Lagrange, Ann. d. chim. 51, 75. — Braconnot, Ebenda 79
4SS
Silico-Membranindrogen.
und 87. — SCHLOSSBERGER u. DöppiNG , Lieb. Ann. 52 (1844), 106. — Bourquklot, Bull. soc.
myc. 1894. — Zellnkr, Monatsh. f. Chem. 29, 1171 und Chemie d. höh. Pilze 1907.
4. Silico-Membranindrogen.
Die Abteilung der Bacillariaceen (Diatomeen) ist unter anderem dadurch aus-
gezeichnet, daß die bekanntlich eine ganz außerordentlich mannigfaltige Zeichnung
zeigenden (Fig. 159, vgl. auch Fig. 107 u. Fig. loS) Membranen der Zellen der sehr
kleinen Pflanzen sehr reich an Silcium sind. Daneben findet sich aber ein Membranin,
das nicht Zellulose zu sein scheint. Wenn man nämlich das Silicium mit Flußsäure
entfernt, so färbt sich der Rückstand mit Jodschwefelsäure auch dann gelb, wenn
man zuvor mit Kalilauge oder Schultze scher Flüssigkeit behandelt (Pfitzer). Wie
das Silicium gebunden, ob eine «Silicozellulose» oder, was wohl das wahrscheinlichere
ist, ein Kieselsäureester vorliegt, wissen wir nicht. Jedenfalls kommen auch Alkalien
in der Schale vor, denn wenn man ohne zuvor mit Säuren zu kochen direkt
verascht, bekommt man oft ein Glas. Kocht man aber mit Salpetersäure oder
Fig. 159.
Häufiger vorkommende Diatomeen.
a Sitrirella sjtlertdida, b Meridian circulare, c Xitzschia linearis^ d Nitzschia acicularis, e Epititemia Zebra^
J "Tabellaria /cnesirata , g Synedra Ulna^ h Gompkoneina acuminafum, i Rhoicosphenia citrvaia, k Cocconema
cistula, l Xavicula stauroptera, m Sfaiirpneis phoenicenteron. [Aus Hager-Mez, Das Mikroskop.]
Schultze schem Gemisch aus und glüht dann, so bleibt die Schale mit allen ihren,
auch den feinsten Skulpturierungen erhalten. Das gleiche finden wir bei den
Kieselguren, deren organische Substanz durch Fäulnis zerstört wurde. Wir können
also die Kieselgurdiatomeen, die längst ihre Chromatophoren, ihr Plasma und die
organische Grundsubstanz ihrer Membranen nicht mehr besitzen, auch heute noch
nach der Struktur ihrer nunmehr vorwiegend aus Kieselsäure bestehenden Schalen
diagnostizieren.
Kieselgur. 489
Lit. Siehe unter Kieselgur. Über die Verkieselung der Membran höherer Pflanzen vgl.
MoHL, Bot. Zeit. 1861 und Sachs, Flora 1862, sowie Miliarakis, Die Verkieselung lebender
Elementarorgane bei den Pflanzen. Diss. Würzburg 1884.
Kieselgur.
Der Kieselgur (Infusorienerde, Bergmehl, Infusorienmehl, Kieselmehl, Diatomeen-
pelit) des Handels bildet ein leichtes, sehr feines, weißes oder grauweißes Pulver, das,
wie die mikroskopische Untersuchung lehrt, so gut wie ausschließlich aus den zum
Teil ganzen, zum Teil zertrümmerten Kieselschalen von Diatomeen (Bacillariaceen)
besteht, die keine organische Substanz mehr enthalten. Nur selten finden sich die
Nadeln des Süßwasserschwammes darunter. Er findet sich in bisweilen ziemlich
mächtigen Lagern in Böhmen (Biliner Polierschiefer, Franzensbader K.), in Ungarn
(Zabresta), in Toskana (Castel del Plane bei Santa Fiora) und in Deutschland
(Lüneburger Heide, im Habichtswald, bei Kassel, am Hochsimmer in der Nähe des
Laacher Sees, bei Altenschlürf und Steinfurth im Vogelsgebirge), in Finland (Lillhagshyön,
Degernfors), Schweden (Drepenäre), Norwegen, Rußland, in Amerika (New York,
Oregon, Nevada, Virginien und bes. Kalifornien). Richmond, Berlin und Königsberg
stehen zum großen Teil auf stellenweise 23 m mächtigen Kieselgurlagem. Das Lager
bei Ebsdorf in der Lüneburger Heide ist 13 m, das in Zabresta 5 m mächtig. Die
mächtigsten sind die von Fremont in Oregon (U. S. A.). Dort, wo wir nur aus
Diatomeenschalen bestehende Kieselgurlager finden, können wir sie kaum für Sedi-
mente von Süß- oder Salzwasserseen halten — die meisten Diatomeen sind Süß- oder
Salzwasserbewohner — , da ihnen sonst wohl die Kieselreste anderer Organismen
und anorganische Schlammbestandteile beigemengt wären, sondern diese sind wohl
Produkte großer Quellen, die nur eben die Oberfläche naß erhielten.
Die Kieselgurlager enthalten, da die Diatomeen sehr klein sind, ganz unge-
heuere Mengen dieser Organismen. Nach Brun sind in einem Kubikmillimeter 8000,
nach Schumann in einem Kubikfuß 3 Billionen Diatomeen enthalten. Schon ein
Kubikmeter enthält also schwindelerregende Mengen. Die ältesten Diatomeenformen
reichen bis zur Kreide und ins Tertiär, die meisten sind viel jünger (Alluvium, Diluvium).
Der meiste Kieselgur, der in Deutschland technisch und in der Medizin ver-
wendet wird, stammt aus den Lagern der Lüneburger Heide, wo sich verschiedene
Fundstellen finden (Oberohe, Ebsdorf, Hutzel im Luhetal), deren Zusammensetzung
nicht stark voneinander abweicht. Von dort werden jährlich 300 — 400 Doppelladungen
exportiert.
Ein aus der Lüneburger Heide (von Oberohe oder Ebsdorf) stammendes
Muster, das Dr. Keller- Escher in Zürich vor einiger Zeit bezog, bestand aus
folgenden Arten: Svnedra (S. Ulna dominiert, sie findet sich massenhaft), Fragilaria,
Gomphonema , Melosira , Navicula, Epithemia, Cymbella, Amphora, Slephanodiscus und
Cocconets.
Nach einer mir 1911 von O. MÜLLER-Berlin gesandten Bestimmung besteht der Kiesel-
gur von Lüneburg aus; Melosira grmiulata (EHR.) Ralfs, Melosira crenulata Kg. (italica),
Melosira arenaria MooRK, Melosira (crenulata var.) tenuis Kg., Synedra {Ulna var.) splendetis
Kg., Cymbella Ehrenbergii KG., Cymbella [Cocconema) lanceolata Ehr., Cymbella cistula Heiipr.
u. var. macnlata, Cymbella cttspidata Kg., Epithemia sorax K.G., Epithemia Hyndmanni VI . ?>M..,
Epithemia turgida (Ehr.) Kg. und var. granulata Grün., Cymatopleura (elliptica var.) hibernica
40O
Silico-Membranindrogen.
W. Sm., Campylcdiscus hibernicus Ehr., Surirella Campronii BüjiB., Surirella biseriata (Ehr.)
Br£B., Surirella elegans EHR., Cyclotclla opcrcitlata var. major Kg., Finnularia viridis u. var.
Kg., Finnularia major Kg., Naviaila sailpta Ehr., Eucyonema ventricosiim Kg., Gomphonema
constrictum var. capitata Ehr., Amphora ovalis Kg., Stephanodiscus astrasa (Ehr.) Grun., A'a-
vicula £^astnim (EHR.) DONK., Navicula elliptica Kg., Cocconeis pedinthis 'K^'B.., Epithemia zebra
(Ehk.) Kg. u. var. proboscoidea Grun., Cymatopleura elliptica (Br4b.) W. Sm.
Ganz ähnlich ist nach Keller ein Lager bei Celle zusammengesetzt: Synedra
(bes. Ulnd), Amphora, Cocconei's, Cymbella, Epithemia, Eucyonema , Fragilaria, Gom-
phonema, Melosira, Navicula und Stephanodiscus.
^^^^^:>:>. J.-- i}/ /,5i
Fig. i6o.
Kieselgur von Eger nach Ehrenberg.
Die runden Scheiben sind Campylodiscus Clypeits Ehrbg., die schiffchenähnlichen Schalen Anomoeonis {Nazncida)
sculpta Pf. (in der jMitte) nnäbohemica Pf. (oben und unten). [AusPf i tzer , BaciUariaceen inSchenks Handb.d. Botanik.]
Beide Lager, das in der Lüneburger Heide und das von Celle, sind Süßwasser-
ablagerungen.
Eine Infusorienerde von Eger (Franzensbad) enthält hauptsächlich Cam-
pylodiscus Clypeus Ehrb. und Navicula [Anomoeoneis) sculpta und bohemica (Fig. l6o),
daneben (nach Keller) Cytnhella und Nitzschia.
Von italienischen Erden sind im Handel:
Monte Amiato (Süßwasserdiatomeen), bestehend aus (etwa 12 Spezies) Navi-
cula, Epithemia, Cymbella, Svnedra, Cymatopleura, Amphora, Stauroneis, Cyclotella,
Fragilaria und Melosira (Keller).
Santa Fiora (Süßwasserdiatomeen), bestehend aus Amphora, Cocconeis, Cymato-
pleura, Cymbella, Epithemia, Fragilaria, Gomphonema , Melosira, Nai'icula, Pleurosigma,
Stauroneis, Synedra, Tabellaria (Keller).
Als Beispiel einer Meereswasserdiatomeenablagerung sei das Tripeigestein von
Kieselgur.
491
Richmond in Virginien erwähnt (Fig. i6i), das Coscinodisais Gigas, Adinoptychus
biternarius, femer Aulacodiscns, Paralia marina, Aciinocyclus, Grammatophora, Navtcula,
Pleurosigma und Hemiaulus enthält (Pfitzer).
Bei der Untersuchung eines Kieselgur ist zu beachten, daß die Diatomeen
eine «Schalenseite» und eine «Gürtelseite» besitzen, also je nach seiner Lage das-
selbe Objekt ein verschiedenes Aussehn zeigt.
Im Handel findet man jetzt folgende Sorten: Extra weiße calcinierte, Rosa cal-
cinierte, Weiße geschlämmte und geschlämmte und calcinierte Infusorienerde (Prollius).
IT
Fig. i6i.
Tripeigestein von Richmond in Virginien.
I Coscinodi$cu% Gigas Ehrbg. , 2 Acfhtopiychns biternarius Ehrbg. , 3 Aulacodiscus sp., 4, 5 Paralia tnai-ina
Heib., 6 Aciinocyclus sp., 7, 8 Grantjnafophora sp., 9 Navtcula geniina^,^.^ 10 Pleurosigma sp., Ii Hemiaulus sp.
[Aus Pfitzer, Diatomeen in Schenks Handb. d. Botanik.]
Für medizinische Zwecke wird besonders die Terra silicea calcinata praecipitata
(d. h. geschlämmte und calcinierte) benutzt.
Die im Handel befindliche weiße (nicht die grüne!) Infusorienerde besteht fast
nur aus Kieselsäure.
Der weiße (und grüne) Kieselgur der Lüneburger Haide z. B. enthält 97,3 (79,8) "/o
Kieselsäure, i (1,9) °/o Tonerde, i (2,6) "/d Eisenoxydul, 0,3 (0,4) "/o Magnesia, 0,2 (o,3)°/„ Kalk,
0,2 (150% Wasser und organische Substanz. Im grünen Kieselgur, der ungeglüht für unsere
Zwecke unverwendbar ist, findet sich auch eine Spur Phosphorsäure.
IQ » Carboiio-MembianiiKiro^oii.
Die Verwendung des Kieselgur beruht darauf, daß die hohlen Schalen oder
Schalenfragmente so rasch jede Feuchtigkeit kapillar aufsaugen, daß z. B. ein
auf ein Kieselgurstäbchen fallender Tropfen Wasser sofort aufgesaugt wird. Von Wasser
nimmt Kieselgur i/j des Gewichtes auf. Auch Gase und Dämpfe werden von Kieselgur
rasch absorbiert (z. B. Ciosetgase, Frank). Kieselgur wird deshalb in der Medizin als
aufsaugendes und daher austrocknendes Mittel in der Dermatologie benutzt, ferner zur
Bereitung von Streupulver, Desinfektionspulver, Zahnpulver, als Verbandmittel.
Brom darf über See nur in Form von Bromkieselgurstäbchen versandt werden,
d. h. das Brom muß von solchen Stäbchen, die meist 8 — lomm dick sind, auf-
gesaugt werden. Denn das Platzen einer Flasche mit i kg Brom könnte zum Er-
stickungstode der Besatzung führen. Diese Bromkieselgurstäbchen haben sich auch
zur Desinfektion von Aborten bewährt.
Der Dynamit ist von Kieselgur aufgesogenes Nitroglycerin und die Kieselgur-
platten dienen ähnlich wie die unglasierten Tonteller zum Trocknen von Nieder-
schlägen. Kieselgur ist auch vorzüglich geeignet zum Klären trüber Flüssigkeiten (Soxhiet;
Schweissinger). Man streut es auf das Filter oder verrührt die Flüssigkeit damit.
Auch die Eigenschaft des Kieselgur Wärme schlecht zu leiten wird benutzt
(Isoliermassen für Dampfleitungen, Eisschränke und Trockenkästen — Beschläge von
Retorten), sowie die Eigenschaft sehr fein und dabei doch sehr hart zu sein, die
ihn als Poliermittel von Goldwaren empfiehlt. Und endlich dient er auch als Ersatz
des Quarzes in der Glasfabrikation. (Weitere Anwendungen bei Andes.)
Im dreißigjährigen Kriege sowie noch 1719 und 1733 in Wittenberg diente das «Berg-
mehl» als Zusatz zum Mehl und auch in Schweden und Finland wird es (nach Berzelius)
ebenso benutzt. Es besitzt natürlich keinen Nährwert und wirkt nur ähnlich wie die Kleie,
darmreizend, also die Ausnutzung der eigentlichen NährstoflFe fördernd.
Die Bacillariaceen, von Leeuwenhoek (1702) entdeckt (er sah Synedra Ulna), von
Ehrenberg zu den Tieren, von Kijtzing zu den Pflanzen gestellt, sind wegen der zierlichen
Zeichnung ihrer Schalen jetzt auch beliebte Testobjekte zur Prüfung der mikroskopischen Ob-
jektive (bes. Pleurosigtnd).
Lit. Schutt, Bacillariales in Engler-Prantl, Pflanzenfam. (mit vielen Abbild.). —
Pfitzer, Die Bacillariaceen in Schenks Handb. d. Botan. — Brun, Les diatomies des Alpes
et du Jura 1879. — Andes in Luegers Le.\ikon der Technik. — Prollius in Realenzyklopaed.
d. Pharm. — Chem. Analysen auch im Artikel Kieselgur in Fehlings Handwörterbuch (1878).
— Abbildungswerke: A. Schmidt, Atlas der Diatoraeenkunde. Leipzig 1874 — 1877. —
VAN Heurck, Synopsis des Diatom. de Belgique 1880/81 und Treatise on the Diatomaceae 1896.
5. Carbono-Membranindrogen.
Wenn pflanzliche Membranen unter Luftabschluß der Zersetzung anheimfallen,
so vollzieht sich an ihnen ein langsamer Carbonisierungsprozeß. Der Wasserstoff und
der Sauerstoff und ein Teil des Kohlenstoffes gehen als Wasser und Kohlensäure
fort und die Membran reichert sich immer mehr an Kohlenstoff an: sie beginnt sich
zu bräunen und wird schließlich schwarz. Dieser Carbonisierungsprozeß, der also ein
langsamer innerer Verbrennungsprozeß vom Charakter der trockenen Destillation ist,
läßt sich in seinen einzelnen Phasen an der Kohlenbildung verfolgen. Während die
Zellulose 44,4% Kohlenstoff enthält, finden wir im Torf 56 — 60 "/g, in der Braun-
kohle 60— 70°|(,, in der Steinkohle 75 — 90 "/o und im Anthracit c. 94''/o. Auch die
Zellinhaltsbestandteile werden zum Teil verbrannt, aber ebenfalls nicht vollständig.
Denn wie wir aus der Leuchtgasfabrikation ersehen, treten unter den Produkten der
Tafel XI.
Tschircli, Handlmch der Pharmakognosie. BJ. 11-
\'erla^ von Chr, Herrn, Tauchnitz, l.fipzig.
Schwitzender Kohlenmeiler in Thüringen.
(Aus Regel, Thüringen.)
Holzkohle.
493
Fig. 162.
Slavischer Kohlenmeiler.
[Aus Hausier, Technologie.]
trockenen Destillation der Kohle auch Ammoniak und Schwefelverbindungen auf, die
als aus den Plasmaresten der schon vor Jahrhunderttausenden von Jahren abgestorbenen
pflanzlichen Zellen entstanden zu denken sind.
Der sich im Laufe sehr langer Zeiträume unter dem Drucke der darüber
liegenden Erdschichten nur sehr langsam vollziehende Carbonierungsprozeß wird außer-
ordentlich beschleunigt, wenn man die pflanzlichen Organe der trockenen Destillation
unterwirft. Dies geschieht bei der Darstellung der Holzkohle in den Holzmeilern
— man unterscheidet stehende (Fig. 162) und liegende und gemauerte (Fig. 163)
Meiler — oder in Retorten. Die Meiler
werden mit einer Lehmdecke versehen
und dann bei b (Fig. 162) angezün-
det. Zunächst verdampft das Wasser
(«Schwitzperiode»,Taf.XI), dann treten
unten helle Dämpfe aus (Periode des
«Treibens»). Das «Zubrennen» ist be-
endigt, wenn der austretende Rauch
blau ist. Bei der Darstellung der Meiler-'
kohle gehen die nebenher auftretenden
Teerprodukte und der Holzessig ver-
loren — nur beim gemauerten Meiler
werden sie unten bei K (Fig. 163) ab-
gelassen — , bei der Retortenholzkohle werden Holzteer, Holzessig und roher Holz-
geist (Meth3'lalkohol und Aceton) gewonnen. Das Produkt ist, abgesehen von den
Aschebestandteilen, fast reiner Kohlenstoff. Das was wir hier in einer Phase sich
vollziehen sehen — die Überführung der Zellulosine in Kohlenstoff — , vollzieht
sich bei den Stein-
kohlenpflanzen in zwei
Phasen. In der ersten
werden die Pflanzen-
teile im Laufe der Jahr-
hunderttausende in
Steinkohle, in derzwei-
ten bei der trockenen
Destillation diese in
Coaks übergeführt, der,
abgesehen von den
Aschebestandteilen,
auch fast reiner Koh-
lenstoff ist.
Immerhin enthält die käufliche Holzkohle, Carbo ligni (Charbon vegetal, Car-
bone vegetale), nicht selten außer Kohlenstoff noch KohlenstofF-Wasserstoff-Sauer-
stoflfverbindungen, so daß D. A. V und Pharm, helv. IV vorschreiben, daß sie in
bedecktem Tiegel so lange geglüht werden solle als noch Dämpfe entweichen. Erst
eine so behandelte Holzkohle erfüllt dann die Forderung, daß sie an Weingeist
nichts abgeben, sowie siedendes Wasser nicht färben darf (Teerprodukte) und ohne
Flamme vollständig bis auf z^j^ (Pharm, helv.) bzw. s^j^ (D. A.) Asche verbrennen soll.
Stellt man durch die Holzkohle nach geeigneter Präparation Dünnschliffe her,
Fig. 163.
Gemauerte Meilerstätte.
[Aus Heusler. Technologie.]
^Q 1 Albunünoiddrogen.
SO findet man die Membranen geschwärzt und es zeigt sich, daß die guten Holz-
kolilesorten aus Laubhölzern dargestellt werden. Pharm, helv. verlangt ausdrücklich
Laubholzkohle, besonders Carbo Tiliae. Die Carbo Belloci ist Carba Populi. Auch
Brotkohle (C. panis) wird benutzt. Die Meilerkohle ist meist Fichtenholzkohle. (Vgl.
auch Netolitzky, Mikrosk. Unters, d. Kohlepulv. Pharm. Post 1903.)
Die Benutzung der Holzkohle beiaiht auf ihrer Eigenschaft übelriechende Gase
(wie überhaupt Gase) und viele andere Stoße zu absorbieren. Sie dient daher als
Desinfektionsmittel zum Aufstreuen auf putride Wunden, zu Zahnpulvern und inner-
lich bei Gasbildung im klagen, und muß in gut verschlossenen Gefäßen aufbewahrt
werden. Sie dient auch zur Räucherkerzenfabrikation.
Die Carbo aninialis, Tierkohle, Fleischkohle (meist aus 3 Teilen Kalbfleisch mit i Teil
Kalbsknochen dargestellt) und die Carbo ossiiim, Knochenkohle, Spodium (aus Knochen bereitet)
besitzt diese Eigenschaften in noch ausgeprägterem Maße, besonders die, von den, im Gegensatz
zur Holzkohle, hier sehr erheblichen Mengen anorganischer Bestandteile (die '/s resp. *',„ aus-
machen können) befreite Tierkohle dient als Entfärbungsmittel, nimmt aber auch Alkaloide und
Bitterstoffe aus den Lösungen auf und absorbiert reichlich Gase.
Carbo atu'malis wird neuerdings (1909) gegen Vergiftungen durch Pilze, sowie andere
pflanzliche Gifte (MüCK), sowie auch bei Eiterungen und granulierenden Knochenwucherungen
bei Knochentuberkulose empfohlen (Mercks Jahresbericht 1911). Die alte Medizin unterschied
viele Kohlen: Jiinmdznes iistae (Schwalbenkohle), Talpae ustae (Maulwurfsk.), Cucidi usti
(Kuckucksk.), Carbo picae (Elsterkohle), Ciuis huhuunn, Soleae ustae u. v. a.
An dieser Stelle mag auch die Torfwatte (vgl. auch S. 276) und der Torfmull
eingereiht werden, deren Rohmaterial besonders an der Nordseeküste, in Friesland
und Holland gewonnen wird. Man unterscheidet nach der Provenienz und den darin
vorkommenden Pflanzenteilen: Moortorf (bes. Sß/itJgnumaiten) , Heidetorf (bes. £nca
tetralix), Wiesentorf (Gräser, z. B. Eriophorum , dann Carex, Scirpiis), Holztorf (bes.
Erlen, Weiden). In den Mooren wird Torf streu (grob — der von dem Brenntorf
abfallende Grus) und Torfmull (feines Torfpulver) dargestellt. Die Torfwatte wird
durch Verarbeitung von besonders lockerem, langfaserigen Obertorf gewonnen. Sie
dient als Packmaterial, als Wärmeisolierungs-, Konservierungs- und Desinfektionsmittel
und besonders in der Verbandstoff'fabrikation. Torfstreu saugt das achtfache ihres
Gewichtes Wasser auf, die Torfwatte das zwanzigfache.
Über die Anatomie vgl. Royer, L'ouate de tourbe et ses applications, Trav. lab. mat.
med. Paris 1910.
Das zu Moosbinden benutzte Torfmoos ist dagegen nicht in diese Gruppe zu ziehen.
Es ist das unveränderte, noch nicht carbonisierte, meist aus SphagmimarXen [Sph. cymbi-
folium, acutifolium u. and.) bestehende gewaschene und getrocknete Moos der Torfoberflächen,
das aber auch das dreizehnfache seines Gewichtes Wasser aufzusaugen vermag.
II. Albuminoiddrogen.
An die Membranindrogen, die nicht mit Sicherheit zu den Polysacchariden ge-
zählt werden können, mag eine Gruppe von Drogen angeschlossen werden, von denen
einige eine äußerliche Ähnlichkeit mit den Faserstofifdrogen besitzen (wie die Seide
und Wolle), die aber alle kolloidale Albuminoide enthalten oder aus diesen be-
stehen. Die Spaltungsprodukte der Albuminoide, die einerseits Säuren, andererseits
Basen sind, gehören vorwiegend zur aliphatischen Reihe, z. B. Glycocoll,
Leucin, Serin, die Asparaginsäure, die Glutaminsäure, Lysin («-t-Diaminocapron-
säure), Arginin und Histidin, oder enthalten doch einen aliphatischen Kern wie die
Phenylaminopropionsäure und das Tyrosin. Daneben finden sich allerdings auch
]
Gelatine
495
zyklische Verbindungen wie das Prolin. Femer sind darin über das Glukosamin zu
den Kohlehydraten hinüberleitende Hexonbasen gefunden worden.
Glycocoll = CH2(NH2) . COOK.
AJanin = CH, . CH^NH^) . COOK.
Serin = CH3OH . CH(NH2) . COOH.
Phenyl-a-aminopropionsäure (Phenylalanin) = C^Hj . CH^ . CH(NH2) . COOH.
Tyrosin = CgH^OH . CH^ . CH(NHj) . COOH (;9-Oxyphenyl-a-Aminopropionsäuie).
rf-Leucin = ch''^*^^ • CH(NHJ . COOH.
Asparaginsäure = COOH . CH^ . CH(NH2) . COOH.
Glutaminsäure = COOH . CH^ . CH^ . CH(NH.,) . COOH.
HjC CHj
1 1
OH . HC CH.,
1 j
HjC CH . COOH
HjC CH . COOH
NH
NH
Prolin
(a-PyrroIidincarbonsäure)
Oxyprolin
(Oxypyrrolidincarbonsäure
C.NHj
CH
/\
NH
N NH
NH
I I I
CHj . CH.^ . CH2 . CH(NH,) . COOH CH — CH . CH^ . CH(NHj) . COOH
Arginin Histidin
Zu den Albuminoiden gehören die Keratine, Elastin (im elastischen Gewebe),
Kollagen (leimgebende Substanz) und Glutin, die wichtigsten Albuminoide des Körpers
der Wirbeltiere; ihnen reihen sich an das Spongin (in den Schwämmen), Kornein (im
Achsenskelett der Korallen) und die Bestandteile der Seide (Seidenleim und Fibroin)
und der Wolle.
1. Gelatine.
Die farblose, durchsichtige, geschmack- und geruchlose Blätter bildende Gelatine
(Gelatina in foliis, in tabulis) wird aus Knochen dargestellt, kann aber auch aus
Sehnen oder Knorpel dargestellt werden [die Technik unterscheidet vom Leim: Leder-
leim (aus Haut) und Knochenleim]. Die medizinale Gelatine, die als Gelatina ani-
malis und G. soluta sterilisata in den Pharmakopoeen sich befindet, ist ein meist aus
Kalbsfüßen dargestellter, mit besonderer Sorgfalt gereinigter Knochenleim. Der Leim
geht durch Kochen mit Wasser aus albuminoiden Kollagenen (leimgebenden Sub-
stanzen) hervor, die sich bei den Vertebraten als Grundsubstanz in den Fibrillen des
gewöhnlichen Bindegewebes (Bänder, Sehnenfascien) und als organische Gnmdsubstanz
der Knochen und Knorpel, meist mit Mukoiden und Albumoiden vereinigt, finden.
Das Kollagen verschiedener Gewebe scheint eine verschiedene Zusammensetzung
zu haben. Die käufliche Gelatine enthält 5i,45''|o C, 7,o8 "jo H, 17,47 — i8,i8ö|q N
und 0,41 — 0,46 "/q S (Sadikoff). In chemisch-technischem Sinne unterscheidet man
zwei Leimformen, den Knochenleim (Glutin) und den Knorpelleim (Chondrin). Chon-
drin ist aber ein Gemisch (Mörner).
Die Darstellung des Knochenleims erfolgt in der Weise, daß man die gewaschenen
Knochen entfettet und ihnen den Leim dann durch Kochen mit Wasser oder Be-
handeln mit überhitzten Dampf entzieht.
Leim oder Glutin (Glutein, Colla) ist ein kompliziert zusammengesetzter
Eiweißkörper (CigHjoN^Oj ?), der bei der Spaltung i6,5''|o Glycocoll, 14 "/o Glutamin-
säure, 9,3 "/o Arginin, ^% «-Prolin, 5— 6 o/g Lysin, i\ Oxy-ß- Prolin, 2,\\ Leucin
^g5 Alhuniinoiddrogen.
und weniger wie i '/,, NH.,, Alanin, Asparaginsäure, Serin, Phenylalanin und Histidin
liefert und auch einen Kohlcliydratkomplex enthiilt. Auffallend ist der hohe Gehalt
an GlycocoU, die Armut an NH3 und Histidin und das Fehlen von Tyrosin und
Tni-ptophan. Von basischem Stickstoff enthält der Leim 3 5,3 8 "/g des Gesamtstickstoffs.
Das Glutin verschiedener Provenienz zeigt eine etwas verschiedene Zusammensetzung.
Glutin aus Sehnen enthüll 50,9—50,11% C, 6,56 — 6,80% H, 17,81 — 18,59% N,
0,26 — 0,53 % S, Glutin aus Knorpel enthält 50,22—50,46% C, 6,8—7,12% H,
17,72 — 17,80% N, 0,52—0,63% S (Sadikoff). Über andere Glutine vgl. die Ta-
belle bei Oppenheijier, Handb. d. Biochemie I, 337. Auch reinste käufliche Gelatine
enthält immer Spuren Eiweiß. Es ist sehr schwer, aus ihr wirklich reines Glutin dar-
zustellen (Sadikoff). Leim quillt in Wasser, ist aber darin unlöslich, mit heißem
Wasser gibt er eine kolloidale Lösung, die stark klebt. Über die Bedingungen der
Gelatinierung, Erstarrung, Quellung und den Schmelzpunkt sind die Arbeiten von
Padly und RoNA, Ostwald und die Zeitschrift für Kolloidchemie zu vergleichen.
Durch längeres Kochen seiner wässrigen Lösung oder zweitägiges Verweilen
bei 37'' verliert der Leim seine Fähigkeit zur Gelatinierung. Es entsteht ^-Gelatine
(Nasse), die eine niedrigere spez. Drehung als die linksdrehende Gelatine besitzt (Nasse,
Framm, Krüger). Die Reaktionen des Leims siehe bei Oppenheimer. Durch Essig-
säure, Ferrocyankalium und Schwefelsäure wird Glutin nicht gefällt (Unterschied von
den echten Eiweißkörpem). Gerbsäurelösung erzeugt noch in sehr verdünnten Lösungen
einen weißen, flockigen Niederschlag. Auf der Bindung der Gerbsäuren durch Leim
beruht die Verwendung von Hautpulver zur Bestimmung der Gerbstoffe.
Dieterich fand in Gelatina alba D. A. IV 1,83 — 2,14% Asche und 17,28
bis 17,46% Wasser, in Gelatineleim 1,14 — 3,07% Asche und 11,72 — 20,59% Wasser,
im Knochenleim 1,57 "/o Asche und 17,66"/^ Wasser. Die Asche darf nicht über
2% betragen (D. A. V) und soll kein Kupfer enthalten.
Medizinal-Gelatine darf nicht gebleicht sein. Das D. A. V läßt auf schweflige
Säure prüfen: die mit Wasser angequollene Gelatine wird mit Phosphorsäure erhitzt
und ein angefeuchteter Kaliumjodidpapierstreifen in die Mündung des Kolbens gehängt.
Die sterilisierte Gelatine wird subkutan, intravenös und in Form von Klysma
als Hämostatikum benutzt, zu welchem Zwecke Gelatine schon im HL jahrh. n. Chr.
in China und Japan in Gebrauch war, in Europa seit 1 896. Reines Glutin be-
wirkt durch Agglutination der Blutkörperchen eine Gerinnung des Blutes (Kaposi),
während seine Derivate, ebenso wie das Hirudin, gerinnungshemmend wirken. Bei der
Darstellung der Gelatina sterilisata muß also Peptonisierung vermieden werden. Die
Sterilisierung erfolgt im Autoklaven bei 100' an drei aufeinanderfolgenden Tagen je
15 Minuten lang. Zwischen den Sterilisationen werden die Röhrchen im Brutschrank
bei 35" gehalten (Pharm, helvet. IV. Ebenda eine Prüfung der Gelat. sterilisat).
Die gewöhnliche reine Gelatine dient zu Gelatine-Bougies, zu medizinischen Gallerten
Cnach Alm^n) und zu F'ruchtgelees. Rote (meist mit Fuchsin oder Bordeauxrot extra gefärbte)
sowie braune Gelatine (Weinschöne) sind vom medizinischen Gebrauch auszuschließen, die eine
dient zur Herstellung von Gelees (wie die weiße G.), die andere zur Klärung trüber Weine.
An Klebefähigkeit steht die Gelatine der Hausenblase nach. Die photographischen Trocken-
platten werden jetzt meist mit einer Jod-, Brom- oder Chlorsilber-Gelatine hergestellt, da Silber-
Gelatinen sehr lichtempfindlich sind. Ebenso spielt die Chromgelatine in den photographischen
Reproduktionsverfahren eine große Rolle, da der «Chromleim» durch das Licht auch in heißem
Wasser unlöslich wird (Eder).
Djoskurides erwähnt xökka {^vXoseöXXa, TavQOXoXXa) und seine medizinische Benutzung
Ichthyocolla. 4gy
zu äußerlichen Zwecken. Als bester Leim galt der weiße Leim von Rhodus, «wo er aus Ochsen-
häuten gemacht wird».
Lit. Über Leimbereitung vgl. Dawidowsky, Die Leim- und Gelatinefabrikation. Wien
1893. Valenta, Klebe- und Verdickungsmittel und T. F. Hanausek, Artikel Leim in
LUEGERS Lexikon (dort auch die Handelssorten). — Hell, Artikel Gelatine in Real-Enzyklop.
d. gas. Pharm. — Oppenheimer, Handb. d. Biochem. — Röhmann, Biochemie. — Levene,
Über d. Spaltung d. Gelatine. Zeitschr. phys. Cham. 37 (1902), 81. — Sadikoff, Sehnenglutin,
Knorpelglutin, Zeitschr. f. phys. Cham. 39 (1903). — Ostwald, Pflüg. Arch. 108 (igo6). —
Nasse bei Oppenheimer I, 338. — Dieterich, Helfenberger Ann. 1900 — 1904. — Kissling,
Fortschr. auf d. Gebiete d. Cham. usw. des Laims. Cham. Zeit. 35, 423. — Über Gelatinaprä-
parate vgl. den Gehe Codex.
2. Os Sepiae.
Die im Rücken des in allen europäischen Meeren vorkommenden, zu den Kephalopoden
gehörenden Tintenfisches, Sepia officinalis L. sitzende Schulpe wird nach Verwesung des Tieres
vom Meer ausgeworfen. Sie ist das weiße Fischbein, Os Sepiae. Sie bildet eine flache, beider-
seits gewölbte, in der Mitte bis 2 cm dicke, bis 2,5 cm lange und 7 cm breite, an den Enden
zugeschärfte Schuppe, die neben 80 — 85 "/j Calciumcarbonat vornehmlich aus Leim- und Knorpel-
substanz besteht. (Beschreibung des Tieres und der Schulpe bei VoGL und Berg.)
3. Cornu cervi raspatum.
Das geraspelte Geweih des Hirsches, Cei-viis Elaphus, enthält neben 57,5 °/o Calcium-
phosphat und 1% Calciumcarbonat 27 "Z,, Knorpelsubstanz.
4. Ichthyocolla.
Fischleim, CoUa piscium, Ichthyocolla, Hausenblase, Colle de poisson, Ichthyo-
colla, Isinglass, Fishglue, ist die getrocknete, präparierte, innere, pulpöse und vaskuläre
Haut der Schwimmblase verschiedener in europäisch-asiatischen Gewässern vorkommen-
den, zu den Knoq^el-Ganoiden gehörenden Acipenser-{^Xäx-)kx'xa., zu denen der
Hausen A. Huso L. (Bjeluga) gehört, der im Schwarzen IMeere und den in dieses
mündenden Strömen vorkommt, ferner der Scherg oder Sewerjuga {A. stellatus Fall.)
im Kaspischen und Schwarzen Meer, der Sterlet (A. Ruthenus L.) im Schwarzen und
Asowschen Meer, im Baikalsee und Nördlichen Eismeer und der Ossetr {A. Giilden-
städtii Br.) im Schwarzen und Kaspischen Meer und dem Baikalsee. Die Fische
sammeln sich zur Laichzeit an den Flußmündungen und gehen auch in großen
Scharen in die Flüsse (Wolga, Ural, Emba, Dnjestr, Dnjepr) hinauf und werden dort
in großen Mengen gefangen. Der Eierstock bildet den Caviar, die Schwimmblase die
rohe Ichthyocolla. Ein Fisch liefert 100 — 150 g Hausenblase. Die Blasen werden auf-
geschnitten, abgewaschen (bisweilen in Kalkwasser eingeweicht) und auf Bretter ge-
spannt getrocknet. Die halbgetrockneten Scheiben werden durch Reiben von der
äußeren, nicht leimgebenden Silberhaut befreit und dann, das Innere nach außen ge-
kehrt, aufgespannt, fertig getrocknet (Blätterhausenblase, I. in foliis), oder in eine der
anderen Handelsformen gebracht («gebrackt»). Mehrere, gefaltet übereinander gelegte
Blätter bilden die Bücherhausenblase, zusammengerollte die Rollenhausenblase, aus-
gewalzt und in Fäden geschnitten ist die Fadenhausenblase (I. in filis), zwischen zwei
Nägeln hufeisenförmig, herzförmig oder lyrafürmig gebogen die Leier-, Klammem-,
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 32
ii)8 Allniminoiddrogeii.
Kranz- oder Riegelhausenblase. Schlechte Sorten sind die Klumpen-, Zungen-, Band-
oder Krümelhausenblasen. Die tongs und Beutel sind unpräparierte Schwimmblasen.
Rußland exportiert im Jahr c. loooookg. Handelszentren für Hausenblase sind
besonders Nischni Nowgorod und Petersburg (bisweilen wird die Hausenblase erst
liier gebrackt). In den Dogghallen Londons sah ich große Mengen. Die beste Sorte
ist die Astrachaner, besonders die sog. Patriarchenhausenblase (Blätter und Klammern),
die meist von A. Güldemtädtii stammt und deren Oberfläche ein sehr charakteristisches
blaues Irisieren zeigt, dann die kleinen Blätter von A. stellatm (Blätter und Bücher)
imd die dicken und reinen Blätter von A. Htiso.
Hamburg importierte 1908 Hausenblase (echte und unechte) 220810 kg, davon aus
Japan: 182580 (Agar.'), russischen Ostseehäfen: 7670, Brasilien: 68lo, China: 5410.
Deutschland führte 1909: 148 dz Hausenblase aus Rußland ein.
Der deutsche Großhandel unterscheidet (igiö): Beluga, Blätter extraf.
Salianski, nat. Blätter und Schnitzel und gebleichte Blätter und Schnitzel in vielen
Sorten, dann (weniger wichtig): Premislowoy, Assetrowa, Astrachan, uralische
Hausenblase usw. [sowie (als Sekundaware): Samovy (s. hinten unter Paralleldrogen)
und sibirische Hausenblase]. In London werden besonders gehandelt (1907):
Brasilianische Zungen (tongues), Maracaibo (Herzform), Venezuela (Zungen und Taschen).
Die Hausenblase bildet weiße oder gelbliche, durchscheinend-hornartige, in der
Richtung der Fasern zerreißbare, bisweilen geschmacklose, aber stets etwas, manchmal
sogar ziemlich stark riechende Stücke, die bisweilen mit schwefliger Säure oder durch
Schnee und Salz gebleicht sind (die Formen abgebildet bei Dieterich). Sie quillt in
kaltem Wasser und löst sich in kochendem Wasser zu einer kolloidalen, stark kleben-
den, neutralen oder schwach alkalischen Flüssigkeit, die, wenn konzentriert, gelatiniert.
Die wenig haltbare Lösung wird durch Zusatz von ijjj Glycerin haltbar (Meyer).
Das Bindegewebe der Hausenblase besteht aus sehr charakteristischen, büschelig-
pinselig angeordneten Fibrillen (Abbild, bei Prollius).
Scherer gibt die Zusammensetzung zu 49,5 "/o C, 6,9 *|'q H, iSiS^jo N, 24,8"!^
O an, also annähernd wie bei dem Glutin (s. d.). John gibt 70,5 "/g Tierleim, i6'/'o
Osmazom, 4^/0 Milchsäure, K-, Na- und Ca-Salze, 2,5 °|q unlösliche Haut und
7 "i'd Wasser an. Die Asche wird meist zu 0,5 (Henkel, Redwood) bis 1,5 (ja sogar
bis 5%), der unlösliche Rückstand zu 2 — 28 "|o (2 — 15 Dieterich), selten nur zu
'ö^/o (Cop), das Lösliche zu 70 — 98 "Jq angegeben.
Russische, speziell Astrachaner Hausenblase ergab Prollius: 0,2 — i,2''|q Asche
(höchstens 0,9 "jo Letheby), 16 — 1()% Wasser, 0,7 — 3 °|o in Wasser unlöslichen
Rückstand. Meyer fand in russischer Hausenblase I2''|(, Unlösliches. K. Dieterich
fand (1909) bei russischer Hausenblase (Saliansky, Beluga, Samovy) folgende Grenz-
werte: Wasser 13 — 20%, Asche 0,5—1,70/0 (darin 8 — 33 "/o KjCOg), lösliche
Anteile 65— 81 «/o, unlösliche 1 — 19%, Fett 0,1 — i,20|o, Collagen 79—85%
(Rohglutin 66 — 82 ''/(,). Die Jodzahl betrug 19 — 45, die Säurezahl o — 6. Die op-
tische Drehimg des Glutins war stets links, Schwefel war stets vorhanden. Windisch
fand 15 "lo N, Schlieper bis o,54''/o S (der hohe Gehalt wohl von der Bleichung
mit S). Der Hauptbestandteil der Hausenblase ist also Collagen bzw. Glutin.
Hausenblase wird in der Pharmazie besonders zur Bereitung des Englisch-
Pflaster und zum Klären trüber Flüssigkeiten (hierfür unentbehrlich!) benutzt, weniger
zur Herstellung von Gelatinen (nur die ungebleichten Sorten!), viel in der Technik,
z. B. zu Kitten.
Ichthyocolla.
499
Als Paralleldrogen können gelten: Hamburger Hausenblase von ^<'«jf/- Äz^/-;ö L.
gilt als eine gute Ersatzsorte. Hudsonsbay H. von A. brevirostris und rubicundiis, meist in
tongs. Die in immer größeren Mengen im Handel erscheinenden Neufundland- und Kanada- H.
stammen jetzt meist von Gadus-, MerhKciiis- und /Vh'f/i-Arten. Samowij-H. von &7; (ein kräftiges Eisenrohr, ungefähr 20 Zoll lang und vier-
zehn Zoll im Durchmesser, an dessen einem Ende eine Glasscheibe befestigt ist). Das Ende
dieses Rohres wird ins Wasser gesetzt und nun ist ein klares Beobachten der Schwammbeete
möglich. Die Schwämme werden dann mit Harpunen, die mit Zacken und einem hölzernen Schaft
versehen sind, aufgespießt und in das Boot gebracht. — Früher kam es in den Tunesischen Ge-
wässern vor, daß man Schwämme aus relativ tiefem Wasser vermittelst Harpunen heraufholte.
Die Griechen waren so geschickt in der Handhabung der Harpunen, daß sie einen Speer hinten
an den Schaft des andern
werfen konnten. Die ver-
einigte Länge ermöglichte es,
den Schwamm auch aus tie-
ferem Wasser heraufzuholen.
Die letzte und am
meisten verbreitete Methode
ist das Aussenden eines un-
bekleideten Tauchers ohne
besonderen Apparat. Dazu
werden kleine Boote mit
3 — 4 Mann gebraucht; diese
senken einen flachen Stein,
an dem ein starkes Tau be-
festigt ist, ins Wasser. Der
Taucher steht aufrecht auf
dem Stein, indem er sich an
dem Seil hält, so läßt man
ihn auf den Seeboden bis-
weilen 50 oder gar 80 m her-
ab und er sammelt während
I — 2 Älinuten rasch so viele
Schwämme wie möglich und
tut sie in ein auf dem Rücken
angebrachtes Netz. Mög-
lichst junge Männer werden als Taucher gebraucht ; der Druck des Wassers wirkt aber oft ungünstig
auf das Rückenmark und Paralyse kann die Folge sein. Diese Methode wird in gewissen Teilen
des Mittelländischen Meeres, an der Ostküste Afrikas und auch im Caraibischen Meer angewendet.
In den Fischereigründen von Florida, Bahama und Cuba werden die Schwämme durch
Speerwerfen gewonnen. Die Speere sind dreizinkige Gabeln, die sich in ein schweres eisernes
Rohr fortsetzen. An diesem ist oben ein Stab befestigt, den man je nach der Tiefe des Wassers
verschieben kann. Wie im Mittelländischen Meer wird auch hier ein «water glass» angewendet,
Fig. 164.
Kultur von Meerschwämmen auf dem Dreieck. [Aus dem Prometheus.]
50::
Allmniiiuiiddrogen.
doch ist es nur ein Eimer, in den man an Stelle des Bodens ein Stück festes Glas eingesetzt
hat. (Nach The sponge industry in Bull. Imperial Institut London 5 [1907], 393.")
Die Züchtung der Schwämme lehrte Oscar Schmidt (1862) und BuccrcH, In Tunis ist
dann 1897 ''*' '^^f Insel Kerkennah der, wie es scheint, erfolgreiche Versuch gemacht worden,
Spongien zu kultivieren (^Her.\il). Auch die 1901 einsetzenden Versuche der United States
Commission of fish and fisheries waren erfolgreich. Nachdem schon 1S97 Harris in Amerika
Versuche mit auf galvanisierten Draht gereihten Schwammstücken gemacht, benutzt MooRE
jetzt (1910) Cementunterlagen (Dreiecke und Scheiben), die mit Stiften versehen sind (Fig. 164).
Die Kultur gründet sich auf die Tatsache, die Cavolini (1785) und LieberkOhn (1855) fanden,
daß sich der Schwamm aus Ideinen, zerschnittenen Stücken wieder regeneriert.
Für den Handel werden die Schwämme durch Auspressen von ihrer gallertigen Körper-
substanz und dann von den eingeschlossenen oder aufsitzenden Steinchen, Muscheln, Korallen usw.
befreit, gewaschen und getrocknet und auch wohl imit SO^, Brom oder Kaliumpermanganat)
gebleicht.
Von den zahlreichen Handelssorten dürfen für den pharmazeutischen Gebrauch, z. B.
zur Herstellung der schon Plinius bekannten Spongia pressa, bei denen es auf eine möglichst
große Aufsaugefähigkeit ankommt, nur die besten, feinporigen, hellgelbbräunlichen Champignon-,
Damen- oder Badeschwämme benutzt werden, deren Asche nur etwa 3 — 4% beträgt. Bade-
schwamm läßt sich schwer sterilisieren. Man behandelt nacheinander mit Lösungen von
Permanganat, Natriumbisulfit, dem etwas HCl zugefügt wurde, Phenol und Sublimat (l : 20001
(Terrier et Vercamer). Die Schwämme werden aber jetzt meist durch Gazetampons ersetzt.
Spongiopiline (Schwammfilz) ist mit hygrophiler Baumwolle oder Schafwolle zu einem Filz
verarbeiteter Pferdeschwamm.
Hauptmarkt für die Mittelmeerschwämme ist Triest, das jährlich für über Ä looooo
exportiert, dann Paris, London, Hävre, weniger Livorno und Venedig. Die Bahamaschwamm-
fischerei macht große Fortschritte. 1907 standen dort schon 500 Schoner und 2500 Boote in
ihrem Dienst und der Export betrug 1906 bereits über l'/j Mill. Ibs. (bei den Baharaaschwämmen
unterscheidet man velvet, sheepwoot, hardearth). Auch Florida exportiert schon viel (1906:
5°953 Ihs) und sehr beträchtlich ist die Schwammfischerei auch bei Cuba (Bull. Imp. Inst.
1907). Neuerdings tauchen auch Schwämme von Australien im Handel auf.
Deutschland führte 190g 3576 dz rohe Meerschwämme ein, besonders von den Bahama-
inseln, den Ver. Staaten, Griechenland, Österreich, Cuba, Großbritannien; bearbeitete vorwiegend
aus Österreich und Griechenland.
Die besten (soprafine) Schwämme sind die syrischen und vom Archipel, die mittelmäßigen
(zimocche) die von Salonici und die barberischen, die schlechten (communi oder di Gerba) die
Marseiller und die venetischen. Die beste Sorte ist der feine Levantiner Schwamm
(Becherschwamm, turkey cup, coupe turque, fine douce de Syrie), von Syrien, Mandruka (an
der ägyptischen Küste», Kreta und Cypem — von der Varietät vioUisstma (werden mit M. 125 bis
800 das Kilogramm bezahlt!), der zweitbeste der Levantiner (turkey tollet sponge) von der
var. adriatica, die dritte der Ohren- oder Mundschwamm (Levantinerlappen, Elephantenohr)
von der var. lamella — eignet sich besonders für chirurgische Zwecke — und die vierte der
Zimokkasch wamm. Der groblöcherige Pferdeschwamm (Honigwabenschwamm, Honev-
comb) kommt von Marseille bis zu den Dardanellen und dem Roten Meer vor: Adria, Küsten
Kleinasiens, Ägypten, Algier, Tunis, Tripolis, Archipel, Kreta, Corsica.
Die besten amerikanisclien Wollschwämme stammen von Rock Island (Florida) be-
sonders von Hippospongia ca/iah'ailata var. gossypina. Ferner liefern die Bahamas, Cuba, Mexiko,
Honduras Schwämme, besonders die zweite Sorte, die Yello w sponges und die Velvet sponges,
die wohl von Hippospongia equina var. maeandriformis Lekdf. stammen. Die Gras- und Draht-
schwämme sind minderwertig. Kein amerikanischer Schwamm erreicht an Güte die Levantiner.
Croockewit nannte die Substanz des Schwamms Fibroin und fand in ihr (1845) Jod,
Schwefel und Phosphor und 3,7% Asche (Posselt 3,59%)- St.Hdeler zeigte, daß sie sich nicht
durch Kochen mit Wasser in Leim verwandelt. Er nannte sie zum Unterschiede vom Fibroin der
Seide Spongin und erkannte, daß sie bei der Hydrolyse Leucin und Glycocoll (von Kruken-
BEKG bestätigt), aber kein Tyrosin liefert. Nadlkr fand im Spongin J und Br. Stanford schätzt
den Jodgehalt des Seh., der aber sehr schwankt, auf c. 0,5 "/o- Nach Krukenberg ist das
Spongin keine einheitliche Substanz. Es gibt weder die Xanthoproteinreaktion, noch die mit
Spongia. 503
MiLLONS Reagens. Zalakostas fand bei der Behandlung mit Barythydrat: Leucin, Leuceinhydrat,
Bulalanin, Glykalanin und Spuren von Tyrosin. Auch durch Behandeln mit Wasser bei l6o°
geht der Schwamm nicht in Lösung (FlÜCKIger). Die auch in heißem Wasser unlösliche Gerüst-
substanz der Spongien, die nach Extraktion der Badeschwämme mit Wasser, Alkohol, Äther
und verd. Säure zurückbleibt, das Spongin, ist ein jodhaltiges Albuminoid (48,51 °/o C, 6,30% H,
14,79 7o N, 0,73 7„ S, 1,5 7„ J, c. 28 "/o O. Haenack). Einige Spongien enthalten auch Brom.
Bei der hydrolytischen Spaltung liefert Spongin i3,97o Glycocoll, 7,5% Leucin, 6,3 "/o Prolin,
18,1 7„ Glutaminsäure, 4,7% Asparaginsäure, 5 — 6 7„ Arginin, 3—4% Lysin (Abderhalden
und Strauss). Durch den hohen Gehalt an Glycocoll und das Fehlen von Tyrosin erinnert das
Spongin an Elastin und Glutin, unterscheidet sich aber von beiden durch den hohen Gehalt an
Glutaminsäure. Durch Behandlung mit kalter 38 "/„ Schwefelsäure zerfällt das Spongin in lös-
liche Körper und das unlösliche, aber in Natronlauge lösliche Jodospongin, einen 8,2''/o J^'^
enthaltenden Körper (C5gHj,jJN,|,S20jo Haknack), durch Kochen mit Salzsäure wird aus Spongin
das 4,86°/o Jod enthaltende Spongome lanoidin (Rosenfeld) abgespalten.
Daß die aus unverkäuflichen Badeschwämmen oder Abfällen der Mundierung dargestellte,
bei Kropfkuren seit Langem vom Volke benutzte Seh wammkohle, Carbo Spongiae (•S/'o«.^i2
7ista oder tosta, Kropfschwamm) Jod enthält, ist längst bekannt. J. C. Straub in Hofwil (Bern)
vermutete bereits 1819, dali die Card. Spong. Jod enthalte und Dumas wies es 1820 einwand-
frei nach (Flückiger). Sie enthält neben Fe, SiOj und Ca auch Brom (0,76 MgBr^). Der Schwamm
liefert etwa 33% Kohle. Die Schwammkohle muß bei mäßiger Temperatur, womöglich in ge-
schlossenen Trommeln, aus gut gewaschenem, von Sand befreitem Schwamm hergestellt werden.
Sie enthält nach älteren Analysen 0,99 — 1,09 (Herberger) bzw. 2,i4°/o (Preuss und Raggazini)
NaJ, nach E. Richter im Durchschnitt 0,67 (0,31—0,81) % Jod. Sie darf nicht mehr wie
67o in Salzsäure Unlösliches enthalten (Richter). Die Schwämme werden oft mit Sand be-
schwert. Auch das Achsenskelett der Gorgonia enthält einen 7 °/o Jod enthaltenden Körper,
das Gorgonin (Drechsel).
Die aus den Schwämmen ausgelesenen Korallen usw. wurden früher als Lapis Spongia-
rvun (Kropfstein) benutzt.
Plinius (9, 69 und 31, 47) kennt schon drei Spongia- KxK.^n [tragos, manos und achilleuni)
und die Handelssorten : afrikanische und rhodische und wußte, daß es Tiere sind. Er kennt
(wie auch Galen) die blutstillende Wirkung, besonders des in Essig getränkten Schwammes,
mit dem ja auch die Blutung von Christi Wunden gestillt wurde, und nennt eine Menge
Krankheiten, gegen die sie und die Schwammasche angewendet werden. Die weichsten kamen
schon damals von der Küste von Lycien. Aus ähnlichen Quellen schöpft DiosKURlDES (V, 137),
der außer dem anoyyoq, auch die anoyywv XLdoi kennt. Er erwähnt ihre Benutzung ähnlich wie
Charpie. Auch Aristoteles kennt die anöyyoi. Bei Ibn Baithar, der die tierische Natur der
Schwämme leugnet, finden sich die Bezeichnungen: ilfondsch elbahr, gaim, gamäm und gamlaw.
Lit. Hyatt, A revision of the North American Poriferae (wichtig für die Systematik
und Classification). — H. F. Moore, The commercial sponges and the sponge fisheries. Washing-
ton 1910 und A practical method of sponge culture. Washington 1910. — Deutsch Amer.
Apoth.-Zeit. 1905 Nr. 12 — Pharm. Centralh. 1898, 803 und 1905, 802. — Merat-Lens, Dict.
mat. med. 6 (1834), 511. — Flückiger, Grundriß und Artikel Schwamm in Fehlings Hand-
wörterbuch (1898). — Husemann in Realenzyklop. d. Ph. — Pharm. Journ. 1877, 107 und
1S83, 108. — Am. journ. ph. 1881, 182 mit Abbild, (aus Manufact. a. Builder 1881). — Leden-
FELD, Pharm. Journ. 17 (1887), 937. — Eckhel, Le spugne da bagno in riguardo al modo di
raccoglierhe. Triest 1873, mit Karte u. Taf. — The sponge industry. Bull. Imper. Instit. London
5 (1907) 382 (Gesamtüberblick). — Vogl, Arzneikörper (dort und in Arch. Pharm. 53 (1874),
56 ist die Schwammfischerei beschrieben). — K. Sajö, Die Badeschwämme. Prometheus 1911, 290
(m. vielen Abbild.). — Herail, Trait. d. pharmac. 1901. — Zwiedinek v. Südenhorst, Syrien
1873 u. Arch. d. Pharm. 1876. — Hyatt bei Holmes, Pharm. Journ. 17 (1887), 761. — Herberger
in Döbereiner Apotherb. HI, 1842. — Croockewit, Jahresb. d. Chem. 1843, 24. — Posselt,
Ebenda. — Städeler, Lieb. Ann. iii (1859), 12., Journ. pr. Chem. 78,169. — Nadler, Jahresb.
d. Ph. 1862. — Stanford, Pharm. Journ. 15, 1884. — Krukenberg, Ber. d. chem. Ges. 1856,
Ref. — Zalokostas, Compt. rend. 1888, 252. Journ. ph. 19 (1889) 104. — Dumas, Bibl. univ.
d. Geneve 14 (1820), 301. — Hundeshagen, Zeitschr. ang. Chem. 1895, 473- — Harnack,
Zeitschr. phys. Chem. 24 (189S), 421. — Rosenfeld, Arch. f. exp. Pathol. 45 (1900). —
504
Albuminoiddrogen.
Abderhalden u. Strauss, Zeitschr. phys. Cheni. 48 (1906). — Kossel und Kutscher, Ebenda
31 (1900). — Drechsel, Zeitschr. f. Biol. 33 (1896). — E. Richter, Über Schwammkohle
Apoth. Zeit. 1911, 317 (dort zahlreiche Analysen).
¥~~l
7. Seide.
Der von zwei Drüsen der Raupe des Seidenspinners, Bombyx Mori L. zur Herstellung
der Cocons sezernierte und durch einen Ausführungsgang herausgequetschte Seideufaden be-
steht aus zwei, durch eine klebrige, voa zwei andern Drüsen beim Austritt des Fadens in den
Ausführungsgang abgeschiedene,SericinhülIe miteinander verbundenen, Fibroinfäden (Fig. 165).
Die Hülle wird iniDegummierungsprozeß gelöst und dadurch die Fäden getrennt. DasDegummieren
(Eutbasten, Entschälen) der Rohseide erfolgt durch neutrale Seifenlösungen, Borax, Carbonate usw.
Bei «halbgekochter» Seide ist die Sericinhülle nicht ganz entfernt. Der Querschnitt des soliden
Fadens ist rund oder rundlich-dreieckig oder etwas abgeplattet (Fig. 165), die Oberfläche glatt
oder feingestreift; Luftkanälchen fehlen, die fibrilläre Struktur kann durch Jod-Schwefelsäure
sichtbar gemacht werden. Die Dicke beträgt 8—25, meist c. 15 raik. (Höhnel).
Die Seidenraupen sondern etwa 8 — 10% ihres Gewichtes an Seide ab (Schlossberger).
Die Menge der produzierten Seide ist der Menge der verfütterten Maulbeerblätter proportional.
Das Tier wird in den Cocons entweder durch Hitze oder durch Kälte (drei Wochen unter o*
bis — 8 " Loveredo) getötet.
Die Rohseide ist oft durch ein Lipochrom (Duüois) gelblich gefärbt, das bei der gelben
Seide in der Sericinhülle sich befindet; der Fettgehalt der Rohseide beträgt 0,036— 0,06 "/o-
Jodlösung färbt hellbraun bis rotbraun, MiLLONs
Reagens rot, Zucker und Schwefelsäure rosa. Kali-
lauge löst, ebenso alkoholische Glycerin-Kupferlösung
(Löwe), schwer Kupferoxydammon, das Wolle unge-
löst läßt. Konz. Schwefelsäure löst alle Seidenarten,
nachdem sie sich zunächst unter Aufquellen ver-
kürzt haben. Beim Kochen mit Salzsäure tritt kaum
Violettfärbung ein , wohl aber rasch Lösung (die
Sericinhülle löst sich nicht, ebensowenig Wolle und
andere Haare). Konz. Chromsäure löst S. ebenso
wie Wolle (nicht Baumwolle und Lein), Salpeter-
säure färbt gelb, Pikrinsäure wird gespeichert (nicht
von Pflanzenfasern). Taucht man S. in eine Mischung
von Bleizuckerlösung und überschüssiger Kalilauge,
so färbt sie sich nicht (Wolle wird braun). S. löst
sich in Chlorzinklösung bei 30 — 40° (Wolle nicht,
Persoz). Farbstoffe werden stark gespeichert.
Die Fäden der sog. wilden Seiden (Yamamay-
seide, Tussahseide) sind dicker und deutlich gestreift.
Bei allen exotischen Seiden sind Fibrillen sichtbar,
die bei der echten Seide meist ganz zu einer homo-
genen Masse zusammengeflossen sind (Höhnel). Die
Seidenfäden sind doppelbrechend, die Farben zwi-
schen gekreuzten Nicols sind sehr lebhaft. Die Fi-
broinfäden sind zweiachsig, Sericin ist doppel-
brechend (Panebianco).
Seide enthält keinen Schwefel. Das Fibroin
Fig. 165. zeigt die Zusammensetzung 48,6370 C, 6,08% H,
Seide. 18,97 7„ N, 26,32 7o O. Sericin liefert nur 0,1—0,2 "/„
a Roher Seidenfaden von ÄoOT«)'jr A/ori; in der Mitte Glycocoll und 5% Alanin, Fibroin 36%Glycocoll
die beiden Fibroinfäden, b die Sericinhülle, c ein und 21 7o Alanin. Der Arginingehalt ist bei beiden
Doppelfadcn querdurchschnitlen, d einfacher Seiden- gj^j^j^ j^og^ ^^^ Tyrosingehalt beim Sericin nur
faden, e Querschnitt desselben, f Faden von Tussah- , ,, ^ , / „, „ , , , , ,,
scide, g Querschnitt desselben. "^^^^ =° "^^"^ (S"/«'- Sowohl das kollagenartige
[AusHager-Fischcr-Hartwich, Pharm. Praxis.] Sericin wie das Fibroin sind Eiweißkörper. Das
lif'ii
Seide. 505
Sericin, das dem Glutin nahe steht, geht durch Behandeln mit 1 "/„ HCl und Kochen mit Wasser
als «Seidenleim» in Lösung. Das Fibroin ist ein relativ einfacher Eiweißkörper, der sich
durch einen sehr hohen Tyrosingehalt von allen bisher bekannten Albuminoiden scharf unter-
scheidet (Fischer und Skita). Es reagiert auf Millons Reagens und zeigt auch die Biuret-
Reaktion (wie das Sericin). Fibroin ist in konz. Säuren und Alkalien löslich und aus den
Lösungen durch Neutralisation wieder fällbar. Der hohe Gehalt an Monoaminosäuren im Ver-
gleich zu dem Gehalt an Basen stellt es dem Elastin zur Seite, den hohen Gehalt an Glyco-
coll teilt es mit dem Leim, von dem es sich aber durch seinen hohen Tyrosingehalt (10%)
unterscheidet. Monoaminodikarbonsäuren fehlen ganz. Bei der Hydrolyse des Seidenleims ent-
steht das Serin. E. Abderh.'UJJEN und JuL. Schmidt erhielten bei der Hydrolyse von Leim
befreiter Cocons der Tai-Tsao-Seide 25,2°/,) der trockenen aschefreien Substanz Glycocoll, 18,2 "/„
Alanin, 0,9% Leucin, 1,2 °/o Serin, 2,1% Asparaginsäure, 2,0 °/„ Glutaminsäure, 1,0% Phenyl-
alanin, 7,8 "/o Tyrosin und I "/(, Prolin. Die gleichen Substanzen wurden von Abderhalden und
Welde bei der Hydrolyse der Cheefoo-Seide erhalten (auch ungefähr in den gleichen Mengen-
verhältnissen, doch Glycocoll nur halb so viel).
In der Chirurgie wird von der Nähseide (Ligaturseide) sowohl die mit schwacher
Seifenlösung in der Wärme ausgelaugte, dann mit 2 "/o'ger Sodalösung und endlich mit Wasser
gewaschene drellierte Seide, sowie auch die geflochtene Seide (Turners Patentseide)
benutzt. Ferner: Seidewatte, Seidenabfallgewebe (Bourettestoff), Seidenraupendarm (iil de florence,
Silkwormgut, Wormsilk^ und SchutztaflFet (silk protectiv).
Zur Sterilisierung chirurgisch er Seide empfiehlt AusiN (1904) die DifFusionsströme,
die beim Mischen von Wasser und Alkohol entstehen: Auskochen mit Wasser während 20 Mi-
nuten, dann Auskochen mit 95 % Alkohol während 30 Minuten. Aus dem Alkohol wird die
Seide noch warm herausgenommen und sofort zur Naht benutzt. Die Seide kann ohne Schaden
sechsmal dieser Operation unterworfen werden.
Über die Seiden anderer i>o;«J_i'-varten vgl. bei VON Höhnel.
Er gibt bereits eine Menge, aber ausnahmslos in der Chirurgie nicht verwendbare, Seiden-
surrogate (Chardonnetseide [Soie francaise], Viscoseseide, Kunstseide (Lehner), Vivier (soie
de France) Cadoret, Siriusseide), die meist aus Cellulose, besonders dem Tetraacetat oder -nitrat
dargestellt werden oder von nicht nitrierter Cellulose ausgehen (Paulys Celluloseseide) oder das
Viskoid iCellulosexanthogenat) benutzen (Stearn). Lösungen von Cellulosenitraten in Äther-
Alkohol geben, wenn sie in dünnem Strahl in Wasser einfließen einen Faden von Seidenglanz,
ebenso Lösungen der Zellulose in Kupferoxydammon, wenn sie in verdünnte Säuren einfließen.
Die Entzündlichkeit der nitrierten Fasern kann durch «Denitrieren» mit Schwefelammon ver-
mindert werden. Viskose ist eine Lösung von Zellulose in einem Gemisch von Alkali und
Schwefelkohlenstoff. Die Viscoseseide hat einen eckigen Querschnitt (Süvern und Mach). Künst-
liche Seide wird bisweilen «animalisiert», d. h. mit einem aus den Abfällen natürlicher Seide
bzw. Wolle (aus Fibroin oder Lanigeninsäurej bereiteten Firnis glänzend gemacht. Auch Gelatine
ist zur Herstellung künstlicher S. benutzt worden (Vanduaraseide, nicht mehr im Handel).
DUYK gibt folgende Unterschiede zwischen natürlicher, gelatinierter und Celluloseseide
sowie Wolle an. Natürliche Seide, gelatinierte S. und Wolle brennen schwer und entwickeln
dabei den Geruch nach verbranntem Hörn. Celluloseseide brennt leicht und mit dem Geruch
brennender Baumwolle, 2°/„ Natronlauge löst Seide, Wolle und Haare beim Kochen, Cellulose-
seide nicht. Konzentrierte Natronlauge greift Celluloseseide stark an, beim Verdünnen mit
Wasser entsteht eine Gelatine. Salpetersäure färbt alle tierischen Fasern gelb (Xanthoprotein-
reaktion), Celluloseseide und pflanzliche P'asern nicht. Millons Reagens färbt Seide dunkelrot.
Wolle gelblich-schwarzrot, Celluloseseide nicht. Ammoniakalische Nickeloxydullösung (i Nickel-
carbonat, 6 Ammoniak, 6 Wasser) löst nur Seide, weder künstliche Seide noch Wolle oder
Pflanzenfasern, konzentrierte Schwefelsäure löst künstliche Seide. Jodwasser und verdünnte
Schwefelsäure färbt Celluloseseide blau, Seide gelb, Kupferoxydammon löst Celluloseseide, Seide
nicht. Herzog empfiehlt (Chem. Zeit. 1904) zur Unterscheidung natürlicher und künstlicher Seide
Congorot, Benzoazurin und Methylenblau. (Vgl. auch bei Höhnel.)
Die Festigkeit beträgt nach Hassak und Herzog in Kilogramm für i mm Querschnitt:
trocken feucht trocken feucht trocken feucht
bei echter Seide 37 37 bei Lehnerseide 16,9 1,5 bei Gelatineseide 6,6 0,0
„ Chardonnetseide 12 2,2 „ Celluloseseide 19,1 3,2 „ Acetatseide 10,22 5,8
5ot>
Säurcdro"en.
Lit. H. Silbermann, Die Seide, ihre Gewinnung und Bearbeitung. Dresden 1897 im.
Abbild.'). — VON HÖHNEL, Mikroskopie d. techn. verwand. Faserst. 1905. — Vogel u. Reischauer,
K. Rep. d. Pharm. 8 (1860): 529. — E. Fischer und Skita, Zeitschr. phys. Chem. 33 (1901)
171 und 35 (1902), 224. — Oppenheimer, Handb. d. Biochemie. — Weyl, Ber. d. d. chem.
Ges. 1S8S. — Die Chemie der Seide auch in Fehlings Handwörterbuch (1898). — Witt,
Kunstseide, Färberzeit. 1904. — DuYK, Monogr. d. Ersatzmittel d. Seide, die künstliche S.
u. ihr Nachw. in Geweben. Bull. ass. belg. Chim. 1901, 166. Schweiz. Wochenschr. 1903, 488.
— Berl, GlanzstofF-Kunstseide. Kunststoffe l (191 1) 151. — Herzog, Z. Kenntn. d. neueren
Acetatseide. Chem. Zeit. 1910, 347 und Die Unterscheid, d. natiirl. u. künstl. Seiden. Dresden 1910.
8. Schafwolle.
Wenn vollständig, besteht das Wollhaar aus der schuppigen Epidermis, aus der faserigen
Rindenschicht und der aus übereinander stehenden Zellen bestehenden Markschicht. Von diesen
Schichten kann die Markschicht fehlen (feine Merinowolle), die Rindenschicht kann reduziert,
die Epidermis abgerieben sein (Shoddy). Die Länge kann 20 cm erreichen, die Breite wechselt
l^Merino 12 — 37 mik, Leicester 30 — 90mik).
Jodjodkali färbt braun, Millons Reagens beim Erwärmen ziegelrot. Kalilauge löst,
beim Verbrennen tritt Geruch nach verbranntem Hörn auf. Durch Kochen mit verdünnter
Schwefelsäure (oder Behandeln mit Wasser bei 150°) geht Wolle fast vollständig in Lösung.
Die Lösung bildet mit sauren Teerfarbstoffen Niederschläge (Farblack), auch Gerbsäure und
Kaliumbichromat fällen (Knecht, Breindl). Der Wollfaser wird meist folgende Zusammensetzung
zugeschrieben: 50,27,, C, 22,8470 O, 6,72 7^ H, l6,54 7„ N, 3,7 7oS. Der Wärmewert beträgt
pro g 5510,2 cal. (Stohmann u. Langbein). Wanklyn und Cooper erhielten (1879) bei der
alkalischen Oxydation der Wolle Cyanpropionsäure. Schxjtzenberger (1878) stellt die Schaf-
wolle zu den Albuminoiden. Er erhielt aus ihr Leucin, Tyrosin, Glycoprotein, «Leucine der
Buttersäure, Valeriansäure und Propionsäure und Leuce'ine der Butter- und Valeriansäure».
Die Wolle enthält jedenfalls Keratine, d. h. schwefelhaltige Albuminoide. Die chemische Zu-
sammensetzung der Wollfaser scheint ähnlich wie die des Horns und der menschlichen Haare
zu sein. Sie liefert bei der Hydrolyse Aminosäuren, Leucin, Tyrosin usw. und enthält im
Keratinanteile an Sauerstoff gebundenen Schwefel (Raikow). Natronlauge entzieht der Wolle
den Schwefel. Prudhomme nimmt in der Wolle (wie im Albumin) die Gruppe
— N — CnHan — O,
aber keine NHj-Gruppen an.
Die Wolle fixiert sowohl saure wie basische Farbstoffe; sie zeigt gleichzeitig saure und
basische Eigenschaften. Zahlreiche Theorien des Färbeprozesses von Wollgeweben sind auf-
gestellt worden. Knecht glaubt, daß die Aminosäuren der Wolle mit den Farbbasen Lacke
bilden, der Tyrosinkomplex scheint bei dem Färben nicht beteiligt zu sein u. and. mehr.
Da Schafe bisweilen in arsenhaltigen Bädern gewaschen werden, ist auch die unbe-
arbeitete Wolle oft arsenhaltig (Abenius 1900). Beim «Waschen» der Rohwolle wird das an
Cholesterinestern reiche 'Wollfett (Analysen bei Kleinschmidt, Jahresb. d. Chem. 1S87, 2335
u. and.) und ein Waschwasser enthalten, das Caprinsäure, Ammoniak, Methylamin und Di-
raethylamin liefert (Buisine).
Wolle findet namentlich in der Form von Flanellbinden medizinische Anwendung,
seltener als Filz und Crepon.
Lit. Das Mikroskopische in HÖHNEL, Mikroskop, d, techn. verwend. Faserstoffe 1905.
III. Säuredrogen.
IJnter diesem Namen mögen alle die Drogen zusammengefaßt werden, die
niedere aliphatische Säuren, besonders die sog. Pflanzensäuren, oder saure Salze der-
selben als charakteristische Bestandteile enthalten. Die niederen Fettsäuren der Ameisen-
säurereihe sind in kleinen Mengen in den verschiedensten Pflanzen als häufige und
Säuredrogen.
507
regelmäßige Stoffwechselprodukte nachgewiesen. Bakterien vermögen sie ebensowohl
aus Zucker und anderen Kohlehydraten wie aus Eiweißstoffen zu bilden (das Detail
in Czapeks Biochemie).
Daß die aliphatischen Säuren, besonders die sog. Pflanzensäuren zu den
Kohleh}'draten Beziehungen besitzen, kann jetzt keinem Zweifel mehr unterliegen.
Wir können uns plausible Vorstellungen davon bilden, wie Zucker im Abbau-
prozeß in die Säuren übergehen und aus den Säuren umgekehrt Zucker synthetisch
entstehen kann. Als Beispiel für den Abbau mag folgendes, von E. Fischer auf-
gestelltes Schema dienen:
CHO
COOK
HCOH
HCOH
OHCH
OHCH
COOK
HCOH — HCOH -> HCOH COOH
HCOH HCOH OHCH COOH
CH2OH
d-Glukose
COOH
d-Zuckersäure
COOH
d-Weinsäure
Oxals
Femer sei erwähnt, daß es gelungen ist, aus Maltose, Saccharose, Dextrose
und Lävulose im Prozesse der sog. Zitronensäuregärung Zitronensäure aufzubauen
(Wehmer, Buchner, Wüstenfeld, Herzog und Polotzky). Buchner und Wüsten-
feld denken sich den Prozeß in der Weise verlaufend, daß der Zucker zunächst in
Kohlensäure und Alkohol gespalten, der Alkohol assimiliert und aus dem Plasma der
gealterten Zelle unter dem Einfluß eines proteolytischen Enzyms neben Stickstoff-
verbindungen Zitronensäure abgespalten wird.
Weniger sicher ist der Übergang von den Pflanzensäuren zu dem Zucker zu
verfolgen. Wir sehen zwar, daß die unreifen Früchte reich an Pflanzensäuren sind
und daß diese ganz oder fast ganz beim Reifen und Nachreifen verschwinden und an ihrer
Stelle Zucker auftritt, ob aber hier (nach Liebig) ein direkter Übergang stattfindet wissen
wir nicht. Allerdings haben Versuche von C. Gerber an reifenden Früchten zu Vor-
stellungen geführt, warum Apfelsäure führende Früchte in kalten Klimaten reifen
können, aber nicht weinsäurereiche (wie z. B. Trauben): Nur in diesen Früchten ist
ein Übergang der Säure in Zucker bei relativ niedriger Temperatur möglich. Noch
schwerer wie Apfelsäure und Weinsäure wird Zitronensäure angegriffen. Erst bei c. 30"
kommt sie bei Gegenwart von Zucker für die Atmung in Betracht. Zitronen werden
durch Lagern (Nachreifen) nicht süß. Doch liegen die Verhältnisse hier wohl weniger
einfach als sich dies Gerber denkt. Bemerkenswert ist z. B. auch, daß alle jungen
Feigenfruchtstände, bevor sie süß werden, Auszüge geben, die stark nach Caprylsäure
riechen, ganz ähnlich wie Cocosfett (Tschirch).
Die niederen Fettsäuren können wir uns ebenso als direkte Assimilationsprodukte
der Kohlensäure wie aus Spaltungsprodukten von Kohlehydratresten hervorgegangen
denken. Oft entstammen sie dort, wo wir sie in Drogen oder Drogendestillaten an-
treffen, auch der Zersetzung von Estern ätherischer Öle, denn die Primäröle die wir
in der Pflanze antreffen, sind oft Ameisensäure-, Essigsäure-, Buttersäure und Bal-
driansäure-Ester. Die aliphatischen Säuren treten also auch in die Sekrete ein und
cqS Ameisensäuredrogen.
den Charakter eines Schutzsekretes besitzt z. B. die Ameisensäure auch bei den
Fonnicae (s. d.).
Die höheren Fettsüuren bilden bekanntlich mit dem Glycerin Ester, die wir
Fette nennen und die im Anschluß an das vorstehende Kapitel in einem besonderen
Abschnitte behandelt werden sollen.
Eine scharfe Methode zur quantitativen Trennung der verschiedenen, oft gleichzeitig
auftretenden Pflanzensäuren existiert nicht, oft macht bereits der qualitative Nachweis der ein-
zelnen Säuren in einem Gemisch Schwierigkeiten. Als Beispiel für eine der brauchbareren Me-
thoden kann die folgende angeführt werden (Berg und Gerber). Die Säuren werden mit Blei-
zucker gefällt, das Blei wird mit Schwefelwasserstoff entfernt und das Filtrat mit Kalk gesättigt.
Die hierbei entstehenden unlöslichen Calciumsalze {A) werden mit Essigsäure behandelt, welche
das Calciumoxalat ungelöst läßt, während die essigsaure Lösung Weinsäure und Phosphorsäure
aufgenommen haben kann. Auf erstere wird mit Mohlers Reagens geprüft , auf letztere mit
Molybdänlösung. Die löslichen Calciumsalze {B) werden mittelst Ammoniumoxalat vom Kalk
befreit, worauf das saure Filtrat auf Citronensäure und Apfelsäure untersucht wird. Die Citronen-
säure wird mittels 66proz. Schwefelsäure bei 50 — 60° i" Acetondicarbonsäure übergeführt, letz-
tere wird ausgeäthert. Äpfelsäure kann isoliert werden durch Auskochen der getrockneten Am-
moniumsalze mit 95proz. Alkohol, wobei nur Malate in Lösung gehen, während Tartrate und
Citrate im Rückstande bleiben. Durch diese Methode hat man z. B. in Mi'setnbryantheinum-AxS.tu^
in welchen man früher nur Oxalsäure annahm, Citronensäure, Oxalsäure. Äpfelsäure und Phos-
phorsäure nachweisen können (EuLER, Pflanzenchemie).
Lit. Buchner und Wüstenfeld, Biochem. Zeitschr. 1909, 395. — Herzog und Polotzky,
Zeitschr. phys. Chem. 49 (1909), 125. — C. Gerber, Ann. sc. nat. 1897. — Tschirch, Chem.
u. Biolog. d. pflanzl. Sekrete. — Czapek, Biochemie. — Euler, Pflanzenchemie.
I. Ameisensäuredrogen.
Die Ameisensäure oder Methansäure, H.COOH, findet sich frei und gebunden
in den Nadeln der Tanne (Aschoff), den Brennhaaren der Nessel, in den Früchten
von Tamarindus indica (s. d.), Sapindus Sap07iana (Gorup-Besanez), Arctostaphyllos,
Gingko, Ceratonia (S. 144), im Honig (S. 12), in unreifen Wacholderbeeren, Wein-
trauben, im Safte von Sempenivum (Döbereiner), im Milchsafte von Bassia latifolia
(Heckel und Schlagdenhäuffen), in der Prozessionsraupe, in Muskeln, Milz und
Thymus des Menschen und anderwärts, aber meist nur in sehr geringen Mengen; in
größerer nur in den Ameisen (Zusammenstellung bei Bergmann, Bot. Zeit. 1882, 731).
Formica.
Die geschlechtslosen Arbeiter der gemeinen Waldameise, Formica nifa L., einer
durch Europa verbreiteten, in Kolonien lebenden, Nadelholzwälder bevorzugenden
Hymenoptere sind ungeflügelt, 4 — 7 mm lang, mit braunroter Brust und daranan-
sitzenden sechs rotbraunen Beinen versehen, und tragen in dem breit-eiförmigen,
fünfgliederigen, bräunlich-schwarzen, durch einen zweigliederigen Stiel mit der Brust
verbundenen Hinterleibe eine mit einer scharfen ätzenden, vorwiegend aus einer
ziemlich konzentrierten Lösung von Ameisensäure bestehenden Flüssigkeit gefüllte
Giftdrüse, deren Inhalt sie bei Angriffen weit fortzuspritzen vermögen.
Die Giftdrüse findet sich bei den Weibchen und Arbeitern stets in der hinteren Region
des Hinterleibes (Abdomens) ventral von der RectalampuUe, zwischen Anus und den Geschlechts-
organne. Sie ist ein ziemlich komplizierter Apparat (Meinert, Forel), an dem man unter-
Fonnica.
509
Polsn-
scheidet: die eigentliche, das ameisensäurehaltige Gift sezemierende Drüse, das Sammelreservoir
(die Giftblase), den ausführenden Abschnitt (mit oder — bei Formica — ohne Stachel) und
die accessorische oder Nebendrüse, welche ein anderes öliges Sekret bildet. Die «Giftblasen
mit Polster» (Fig. 166 A) finden sich bei den Formiciden, die «Giftblasen mit Knopf» (Fig. 166 B)
bei den Myrmiciden (Forel). Bei beiden Typen zeigt die Giftdrüse einen tubulösen Bau und
besteht aus Röhren, deren Wände aus Drüsenzellen gebildet werden. Der das Polster bildende
Teil, der die dorsale Decke der Gift- A B
blase darstellt, besteht aus einem (z. B.
bei Camponottis, dessen Polster nur
2 mm lang ist) bis 20 cm langen, in
unzähligen Windungen zusammenge-
legten Schlauche. Bei den Formiciden,
denen der Stachel fehlt, ist der Aus-
führungskanal breit (Fig. 166 A) und
mündet, frei, ohne Stachel, in die
Kloake, bei den Myrmiciden ist er
schmal und steht mit dem Stachel in
Verbindung. Der Giftapparat ist die
Hauptverteidigungswaffe der Ameisen.
Die stachelfreien Formiciden beißen
mit ihren Mandibeln eine Wunde und
spritzen in diese das Gift oder senden,
wenn sie den Feind nicht erreichen
können, das Gift, durch die Bauch- Fig. 166.
presse ejakuliert (Forel), ihm entgegen. Giftapparat A von Formica rufibarhis J; B von Myrmica laevi-
Stört man einen Haufen von Formica «<"'" 5' -^''''' Ausfübrgang des Giftapparates, Bl. Sammelblase, Fr.
„„^„ 1 ^ # .' • ot • i_ freies Ende der Drüse, T. in die Blasenintima eingeschlossener Teil des
riija und pratensis , so ergießt sich . '^ , ,
Drüsenschlauches, Kn. -Knopf», M. ilündung der Drüse in das Blasen-
Nebr-
--Neb.
lumen, Neb. Nebendrüse, Pols. «Polster», St. Stachel, St. R. Stachel-
rudiraent. [Aus Escherich, Die Ameise.]
ein meterweit reichender Sprühregen,
der auf der Haut eine leichtere Ent-
zündung hervorruft, wie die Bißwunden.
Das Gift ist für die Ameise selbst schädlich und ein von anderen Drüsen sezerniertes alkali-
sches Sekret dient zu seiner Neutralisation (Janet) — die Ameisenhaufen reagieren alkalisch.
Die Analdrüsen sezernieren stark riechende Substanzen (Forel).
Die Natur des Ameisengiftes ist unbekannt. Es enthält bei den Camponotinen.
{Formica riifa und pratensis) jedenfalls Ameisensäure. Aber ich bin der Ansicht, das
auch hier, wie bei der Nessel, ein Enzym und nicht nur die Ameisensäure das die
Entzündung erzeugende Agens ist. Auch Fürth macht nicht die Ameisensäure für
die eigentliche Wirkung verantwortlich. Die Giftblasen mit Knopf enthalten ein anderes
Sekret (Forel), das sich z. B. bei Myrmica rubida mit Alkohol trübt. Die Ameisen
enthalten außer der Ameisensäure noch einen Riechstoff (i^/o «ätherisches Ol»,
Neumann, Marggraf, John), Fett (Marggraf) und Eiweiß, angeblich auch
Weinsäure (? Herjibstädt) und Apfelsäure (? Pfaff), sowie «Gallerte», so daß eine
(r,2 5"jo H.COOH (D. A. V.) enthaltende) Auflösung von Ameisensäure in Spiritus,
die meist jetzt als Spir. formicae (Ameisengeist, Esprit de fourmis, Spirito di for-
mica) bezeichnet wird, nicht als gleichwertig mit einem weingeistigen Aus-
zug oder Destillat frisch gesammelter Ameisen betrachtet werden kann.
Die Ameisen werden in der Weise gesammelt, daß man an einem heißen
sonnigen Tage im Juni oder Juli eine oben mit Honig bestrichene Medizinflasche bis
zur Mündung in einen Ameisenhaufen eingräbt. Die Ameisen kriechen, angelockt vom
Honig, in die' Flasche, aus der sie nicht wieder herauszukommen vermögen.
Auch die in hohlen Bäumen vorkommende schlankere, bräunlich -schwarze
Fonnica nigra L. kann eventuell zur Ameisenspiritusbereitung herangezogen werden.
= 10 Baldriansäuredrogen.
Sowohl das durch Destillation der Ameisen mit Spiritus dargestellte Eau de
magnanimite, sowie das Ameisenöl (huile de Fourmis) sind jetzt nur noch Volksmittel.
Die Säure der Ameisen war sclion Ende des XV. Jahrh. durcli Röten der in den
Ameisenhaufen gefallenen Cichorienblätter erkannt worden (Pfaff), wurde 1670 von Sam.
Fischer durch Destillation der Ameisen mit Wasser dargestellt und von AVray schon in ziem-
lich starker Konzentration erhalten, und darauf zuerst von P. G. Sperling, dann von Neu-
mann studiert, der auch das .Htherische Öl (Ol. essentiale aethereum) in den Ameisen auffand.
äIargGraf erkannte 1749 die Eigenart der Ameisensäure und auch Suersen stellte die be-
sondere Natur der Ameisensäure des «eintzigen demonstrativen Acidum animale», wie Neu-
MANN sagt, fest, die Fourcroy und Vauquelin für eine Verbindung der Apfelsäure mit Essig-
säure erklärt hatten. Pfaff glaubte, daß sie bei der Oxydation mit HNO3 Essigsäure liefert
(es entsteht aber hierbei Oxalsäure) und Dumas, Peligot und Stas zeigten, daß sie bei Oxydation
von Holzgeist entsteht. Schon BrunsCHWYG stellte (15001 ein Destillat aus Ameisen her, doch
findet sich Spir. Formicarum erst in Arzneitaxen aus der Mitte des XVII. Jahrh. (Flückiger).
Lit. Escherich, Die Ameise. Braunschweig 1906 (mit vielen morphol. und anat. Ab-
bild, u. Literaturnachweisen). — Fürth, Vergl. ehem. Physiol. d. nied. Tiere. Jena 1903. —
Über die Giftdrüse vgl. Meinert, Bidrag til de danske Myrers Naturhistor. Kjobenhavn.
Kogl. Videnk. Selsk. Skrift 1860 und Forei,, Les fourmis de la Suisse, Denkschr. d. Schw.
Naturf. Ges. 1874 und d. Giftapparat u. d. Analdrüs. d. Ameisen, Zeitschr. f. wissensch. Zoo-
log- 30 (Suppl.) 1878, 28 (mit vorzügl. Abbild.). — Über den Verschluß der Giftdrüse und
die Ausspritzung des Giftes vgl. Janet, Etudes sur les fourmis No. 18. Paris 1898. — Ch. Janet,
Les fourmis Soc. zoolog. de France 1896. — Janet, Essai sur la constitut. morph. d. 1. tete
de l'insecte. Paris 1899, hierund bei EsCHERiCH ein guter Längsdurchschnitt durch eine Ameise.
— Sperling, Dissert. de chymica formicarum analysi. Viteb. 1689. — Neumann, Chymia me-
dica 1753 HI, 38 (dort die älteste Lit.). — Geoffroy, Mat. m^d. — Marggraf, Schriften I,
340. — Hermbstädt, Chem. Vers, mit Ameisen. Phys. ehem. Vers. II, i. — Fourcroy- Vau-
QU-ELIN, Gehl. Allg. Journ. Chem. II, 42. — Suersen, Ebenda IV, 3. — Pfaff, System d.
Mat. med. 1815, 5, 252 (dort weitere Lit.). — Dümas-Peligot, Lieb. Ann. 15, 7. — Dumas-
Stas, Ebenda 35, 137. — Berg-Garcke, Pharmakogn. 1879, 613. — Vogl, Kommentar. —
Flückiger a. a. O.
IL
Von den weiteren Säuren ist die Essigsäure ebenso weit verbreitet wie
Ameisensäure (Vgl. Bergmann a. a. O.) und begleitet diese oft. Als Ester findet sie
sich auch in Sekreten. Propionsäure ist selten. Sie findet sich z. B. in den Blüten
von Achillea Millefolium (Kraemer), in den Früchten von Gingko (Bechamp) und in
Amanita Muscariiis (BornträGer). Sie tritt oft bei der Oxydation und der trockenen
Destillation organischer Substanzen, als Spaltungsprodukt längerer Kohlenstoffketten
auf, und findet sich daher z. B. im Holzessig- n-Buttersäure ist in den Früchten
von Sapindiis und Tamarindus (GoRUP) und in Tanacehim, verestert in Sekreten, z. B.
in Pastinaca und Heraclettm gefunden worden. (Zusammenstellung in Husemann-
HiLGER, Pflanzenstoffe.) Die Butter enthält z^\q n-buttersaures Glycerin. Isobutter-
säure findet sich in den Früchten von Ceratonia (S. 144), der Rhiz. Arnicae (Siegel)
und verestert im Römisch Kamillenöl (Köbig).
III. Baldriansäuredrogen.
Die Normal -Valeriansäure ist selten, die Isovaleriansäure (Isopropylessigsäure,
3 -Methylbutansäure) :
" ~3>CH.CH,,.C00H,
CHg^
CH3
dagegen sowohl in Rhiz. valerianae, wie in Angelica Archangelica (Meyer, Zenner),
der Rinde von Viburnum Opulus und im Delphintran (Chevreul) gefunden worden.
Rhiz. Valerianae. • ^ 1 1
Rhizoma Valerianae.
Syn. Rad. valerianae minoris, montanae s. silvestris, Phu minus, Baldrianwurzel,
Marien-, Magdalenen-, Mond-, Augen-, Wend-, Speik- oder Katzenwurzel, Speer-,
Brach-, Hexen- oder Katzenkraut, Ballerjan, Baiderbracken, Folter Johann, Tollerjahn,
Dreefoot, Benediktiner-, St. Georgen- oder Gürgen-Kraut, — in der Schweiz: dam-
marge, tannmark, menten, katzenbuckel, risch tamara (in Graubündten) — valeriane
sauvage, souche de valeriane officinale, herbe aux chats, guerit tous (franz.) — common
valerian, vandal root, all-heal (engl.) — Valeriana silvestre s. minore (ital.) — vale-
riaan, faldriaan, koortswortel {= Fieberwurzel) (holl.) — vandelrot, vejamsrot, veland-
rot (schwed.) — vendelrod, venderöd, vendingsrod (norw.) — velandsurt, danmarks
graes (dän.) — semlänoi ladan (russ.) — virma juuri (fin.) — macska gy"k6'nke
(ung.) — vaQÖog (griech.). — In Indien: käläväla, jalalakan.
Bei Plinius und Dioskurides und auch bei Ten Baithar und Alhervi: Fü oder Phu
— althd. : baldrian, denraarka — mhd. : valdran, waldrian, tenemarg, abpiss, waldrion — nd. :
bolderian, bullerjahn, baldeijan, ballerjaon, balderjän, valeraen. In der Alphita, Circa in-
stans, bei Ser.\pion, in den Tabulae und den Synonomae Bartholomei (1,5.640) finden
sich die Bezeichnungen: Valeriana, Ualariane, Fu, Araantilla (so noch jetzt in Italien), Fistra,
Vau, maturella, matrella, matura, matha. Im Mittelalter wurden die Namen Nard, Spiek, Se-
liank, Saliunk (bes. für Val. celtica benutzt), Theriakskraut, Katzentheriak auch auf Val. off.
übertragen und auch die Bezeichnungen marinella, marcinella, marconella, valentina herba bene-
dicta, s. genicularis antilla, agriomela, serpyllum majus, herba gate, dania major, ballariana,
maturesia, nancilla benutzt (Brunschwyg). Bei der Hildegard: denemarcha — im Ortus sani-
tatis: boldrian, — bei Brunschwyg : denemarcha, danmarks graes. — bei Bock, Fuchs: bal-
derian, baldrian, baldrion, denmarck, Augenwurzel, Katzenkraut, Wendwurzel, bei Tabernae-
montanus: dania major, großes Dönnmarck.
Etym. Grassmann deutet Baldrian etwas abenteuerhch als Balder Johann(es), bringt
(wie Perger und Günther) die ersten Silben mit dem Gotte Balder, dem Sohn Odins und der
Frigga, in Verbindung (baldrs-brä ist aber Anthemis Coiulä) und betrachtet die zweite als
«christliches» Anhängsel (?). (Die Balders Feuertod zu Ehren brennenden Sonnwendfeuer wurden
später Johannisfeuer). Ob der Ausdruck Wend- oder Wendelwurz auf die Sonnwende deutet
(Pruckmayr), bleibe dahingestellt. Balder war der «wohlwollende» Gott. Auch die nordische
Bezeichnung für Baldrian: velands urt {= Wielandswurz) deutet vielleicht auf die Heilkraft,
da Wieland nicht nur der Götterschmied, sondern auch der Götterarzt war. Jag. Grimm ver-
wirft die Ableitung des Wortes Baldrian von Balder. Schrader denkt an Verstümmelung und
Umdeutung aus velandsurt. Ich habe (I, S. 1058) der mir jetzt unwahrscheinlich erscheinenden
Ansicht von Söhns und Martin beigepflichtet, daß Valeriana zu Ehren des Plinius Vale-
RIANUS (nicht des Kaisers Valerian) benannt worden sei, eines römischen Arztes, dessen
apokryphe Pflanzenbeschreibung aber wohl ein Werk der Mönche des Mittelalters ist und die
sicher richtige Ansicht vertreten, daß umgekehrt Baldrian aus Valeriana umgebildet
worden sei \h und v wechseln häufig, das d liönnte aus Gründen des Wohllautes eingeschoben
sein, Kanngiesser). Immerhin könnte man auch an Beziehungen von Valeriana zu valere (=
gesunden, sich wohl befinden) denken (Weigand, Wittstein). So sagt bereits Caspar Bauhin:
«Officinis et herbariis Valeriana dicitur a multis quibus valet virtutibus». Auf die starke Heil-
wirkung bezieht sich ja auch die serbische Bezeichnung Odaljan (von odoljeti = überwältigen)
— böhmisch: Odolen — und das polnische dolega (doleka = Gewalt) sowie einige französische
und englische Namen (s. oben). Da der Name Valeriana, den SchR-\der kaum als echte roma-
nische Bildung anerkennen will, zum ersten Male in einer lateinischen Übersetzung einer ara-
bischen Schrift (der des Isaac Judaeus) vorkommt, halte ich eine Ableitung aus dem Arabischen
für möglich. Seybold pflichtet dem bei und schreibt mir (191 1), daß er Valeriana als umgebildet aus
(Sun)bal berr(än)i (suubal berri oder berränl = wilde Narde) glaube ansehen zu sollen. Das erscheint
auch mir plausibel. — Daß die alte, schon bei der Hildegard auftretende Bezeichnung
denemarcha auf Dänemark zu beziehen ist (danmarks graes), wie Schrader meint, ist un-
i: 1 2 Baldriansiiuredrogen.
wahrscheinlich. Hartwich denkt an tamm-mark, d. h. zahme, kultivierte Mark. Mark ist der
Name für das ahnliche 5/«»« lati/oHum (s. Verwechslungen) und Tanime findet sich oft (Tamme
morren = Daums Carola, Tammschlee ^ Prunus insititüi, weitere bei Pritzel-Jessen) bei
kultivierten Pflanzen. (In einer Frankfurter Handschrift aus dem XII. Jahrh. steht neben tenemarg:
samsucus.) Pruckmayr deutet (recht abenteuerlich) — Dennmark als Tinn-mark {== Becher-
Mahr, Napf-Mahr oder Saufteufell, da Mittel gegen das Delirium (?). Der Name, in vielen
Formen vorhanden (s. oben) und bis auf unsere Tage, z. B. im Berner Oberland, erhalten, ge-
hört zweifellos zu Valeriana, obwohl in der Synonoraa (I, S. 639) an einer Stelle ein Petroselinum
macedonicum auch «stanmarche> genannt wird. — Die Namen Katzenkraut, Katzenwurz
usw. deuten auf die Idiosynkrasie der Katzen für den Baldrian, die durch das Kraut und
die Wurzel geradezu in Verzückung geraten, der Ausdruck Ratzenwurzel, daß B. auch ein
Mittel gegen Ratten und Mäuse ist (Ortus sanitatis).
Lit. Pruckmayr, Deutsch. Pflanzennam. Valeriana. Zeitscbr. d. Öster. Apoth. Ver. 1880,
469. — GraSSMANN, Deutsche PflanzennameniS/O. — SOHNS, Unsere Pflanzen 189;. — Hart-
wtcH, Schweiz. Wochenschr. 1896, 494. — Pritzel-Jessen, Volksnamen d. Pflanz. — Perger,
Deutsche Pflanzensagen 1864. — KannGiesser, Etymol. d. Phanerog. Pflanzennomenklatur. —
J.\c. Grimm, Deutsche Mythologie. — Flückiger, Pharmakogn. — Schrader, Reallexikon.
Stammpflanze und systemat. Stellung. Valeriana officinalis L. Flor.
suec. 34. Spec. plant, ed. I, 31. — Valerianaceae (Sect. Euvaleriana). Die Gattung
Valeriana hat etwa 100 Arten.
Ändert nach der Länge der Ausläufer und den Blättern ab: V. angiistifol. Tausch (=
var. ß minor KoCH) in Japan: kesso oder kanokoso, in trockenen Wäldern und auf Hügeln,
schmälere, oft ganzrandige Fiedern, stärker behaart, kleinere, gedrängte Blutenstände; Var. a
major mit starkem Stengel und tief gezähnten Fiedern; V. cxaltata Mikan, keine Ausläufer;
Blättchen breit, ei-lanzettlich, wird bis 2 m hoch; ]'. exceka (]'. sambucifolia MiK.) in Frank-
reich, lange Ausläufer, wenig (4- — 5)jochige Blätter, die unteren Blätter grob gesägt. V. Mykani
Syme mit breiten grobgezähnten Fiedern (in England) (Taf. XII); V. latifolia (in Japan), V. Dios-
kiiridis (im Orient), V.capensis, V. dubia, V. javanicansw., die bald als Varietäten, bald als Arten
betrachtet und dann als Ser. 3 V. ojfic. mit 12 — :I4 Arten zusammengefaßt werden (Höck).
Es sind mindestens 10, zum Teil auch habituell recht gut charakterisierte und daher als Arten
beschriebene Varietäten unterschieden worden. Die Variabilität ist sehr groß (Irmisch). Dü-
FRESNE unterscheidet vier deutsche Varietäten: V. excclsa, T'. latifolia (s. media), V. tenuifolia
(von der er die Formen V. officinalis xmä pratensis unterscheidet) und V. bicida. Früher wurde
nach den Standorten der Bergbaldrian [silvestris) vom Sumpfbaldrian (palustris) unterschieden.
Bei der Ser. J'. officinalis zeigen fast alle Arten eine so nahe Beziehung zu der Spezies, nach
welcher diese Gruppe benannt ist, daß HÖCK eine direkte Abstammung von dieser Art an-
nehmen möchte.
HÖCK stellt zur Ser. (3) V. officinalis: V. petrophila (Südwestkleinasien und Armenien),
V. ficariai-folia (Persien), V. heterophylla (Sibirien), V. Stracheyi (Himalaya), f. sambucifolia
(Skandinavien, England, Pyrenäen, Schlesien, Karpathen, Rußland, Serbien), ?'. officinalis, 1'.
capensis (Kapland), V. sisymbrifolia (Persien, Kleinasien), V Dioscoridis (Kleinasien, Griechen-
land), V. Arnottiana (Khasiaberge), V. Ilardwiciii (Hinia.\siyn), V. j'avanica (Java), }'. Hookeriana
(Himalaya), K. Moonii (Ceylon), V. Jaeschkei (Himalaya).
Beschreibung der Stammpflanze. V. offic ist ein ausdauerndes Kraut, das
sich durch Ausläufer erneuert. Aus dem 2 — 3 cm dicken basalen Teile des Stengels,
der den Charakter eines rhizumartigen Speichersprosses besitzt (Zentralwurzelstock) ent-
springen 5- — 15 cm lange und 2 — 3 mm dicke, mit 2 — 3 schuppenförmigen Niederblättern
besetzte Wandersprosse (Nebenwurzelstöcke), die an der Spitze speichersproßartig an-
schwellen und aus deren Knospe ein neuer Stengel sich entwickelt, der aber erst im
folgenden Jahre zur Blüte kommt. Der angeschwollene Teil des Nebenwurzelstockes
wird später zum Zentralwurzelstock und entsendet dann wieder Wandersprosse. Zu-
weilen unterbleibt die Bildung von Wandersprossen und die neuen Achsen «entstehen
X
H
CS
C =
o s
w 1
o ü
3
Rhiz. Valerianae.
513
unmittelbar in der Achse der Grundblätter des Mutterstockes». Die Bewurzelung
erfolgt an den Speichersprossen. Der bis 1,2 m und darüber hohe Stengel ist auf-
recht, stielrund, gefurcht, hohl, kahl, an den Blattansätzen zottig. Die Blätter bilden
dekussierte, mit der stengelumfassenden Scheide paarweis miteinander verschmolzene
Blattpaare, sie sind unpaarig gefiedert, 5 — löjochig, die grundständigen langgestielt,
die oberen sitzend, kahl, an den Scheidenrändern zottig. Fiederblättchen gegenständig
oder abwechselnd, lanzettlich spitz, mehr oder weniger an der Spindel herablaufend,
gesägt oder fast ganzrandig, das oberste Paar mit dem Endblättchen verschmolzen. Es
gibt breit- und schmalblätterige Formen (s. oben S. 512). Die endständigen oder in den
Achseln der Blätter entspringenden trugdoldigen, meist vielblütigen Infloreszenzen bilden
eine dekussierte Rispe, deren oberste Äste zu Dichasien werden, die in Wickel auslaufen.
Die hermaphroditen, c. 4 — 5 mm langen, weißen oder fleischroten, von zwei Vor-
blättern behüllten Blüten besitzen einen unterständigen, glatten, bis 2 mm langen,
oblongen, einfächerigen Fruchtknoten mit einem hängenden anatropen Ovulum,
einen aus zehn pappusartigen, linealen, zur Blütezeit eingerollten Blättchen bestehenden
Kelch, eine 3 — 4 mm lange, zygomorphe, ungleich-fünflappige, trichterförmige Corolle,
die am Grunde mit einem kurz-spomartigen Nectarium versehen ist, drei der Corolle
inserierte Stamina (das obere und linke untere sind abortiert) und einen GrifTel mit
drei spreizenden Narben. Bei dem sog. männlichen Zustande der Blüte ragen die
Stamina weit aus der Blüte hervor, beim sog. weiblichen sind sie zurückgekrümmt
und der Griffel überragt die Blumenkrone. Die Gattung Valeriana zeigt deutlichen
Übergang von Proterandrie zur Diclinie. Die c. 5 mm lange, einsamige Frucht ist
eine Achaene, sie ist von dem großen fiederhaarigen, als Flugapparat dienenden
Pappus gekrönt und besitzt einen Rücken-, zwei Seiten- und drei Bauchnerven. Der
Same ist endospermfrei.
Der Baldrian ist vom arktischen Rußland an durch fast ganz Europa ver-
breitet, nur im Süden ist er spärlicher und fehlt in Portugal, Süd-Spanien, Südost-
Frankreich. Er findet sich ferner in der Krim, Kleinasien (die Form V. Dioskoridis
SiBTH. von Vorderasien bis zur Balkanhalbinsel), in Kaukasien und Türkisch-Armenien,
Nord-Kaschmir, Süd-Sibirien, Mandschurei, Japan (hier besonders die var. angiistifol.)
In Indien findet sich die Form V. dubia Bunge, in Java die Form V. javanica Bl.
(in den Gebirgen des Monsungebietes etwa sechs Formen oder Arten). Eingeführt
ist er in Südafrika ( V. Capensis Thbg. ist = V. offic. var.) und Nordamerika, z. B.
in New- York, New -Jersey (var. silvatica'}).
Die Pflanze findet sich auf feuchten Wiesen, an Gräben, Bächen, Flußufem,
Waldrändern, sowohl in den Niederungen wie den Bergregionen. Die Bergformen
pflegen aromatischer zu sein als die Sumpfformen.
Blüht in Deutschland im Juni und Juli (bis August).
Lit. Fernando Hock, Beitr. z. Morphol., Gruppier, u. geograph. Verbreit. d. Valeriana-
ceen. Englers Bot. Jahrb. 3 (1882) I (hier die Lit.). — • Eichler, Blütendiagramme. — Entwick-
lungsgesch. d. Blüte in Winnicki. Diss. Bern 1908. — Luerssen, Med. pharm. Bot. (dort die
System. Lit. der Familie). — Henkel, U. S. Dep. Agric. 1906. — Timbal-Lagrave, Jahresb.
Pharm. 1867, 50. — Irmisch, Beitr. z. Naturgesch. d. einheim. Valeriana-Arten, insbes. V.
offic. u. dioica. Abh. Naturf. Ges. Halle 1853 mit 4 Taf. {Morphol. auch d. Rhizome). —
Chatin (,. unter Anat.). — Tchihatcheff, Asie mineure 1856. — Regel, Tent. flor. ussuriens.
Mem. Ac. St. Petersb. 1862. — Herder, Bull. Soc. imp. Nat. Moscou 1864, I, 229. — Beeby,
Journ. Bot. 1888. — Abbild.: Hayne, Arzneigew. III, 32. — Nees von Esenbeck, t. 254.
— Berg-Schmidt, Atlas, II. Aufl. t. 10. — Pabst-Köhler, Medizinalpfl. I, t. 47. — Bentley-
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 33
^ I ^ Baldriansäurcdrogen.
Trimt.n, Meclic. pl. t. 146. — Syme, Bot. t. 666 und in zahlreichen Floren usw. Schon in DoDO-
N.\Eus, Purgant., eine gute Abbild, d. Ausläufer. Die Abbild, bei Guibourt ist V. sambucifolia
(^T I MB AL-LaG RjVVE) .
Pathologie. Über die pflanzlichen Schädlinge teilt Prof. E. Fi.schf.r folgendes mit:
Auf den oberirdischen Teilen von Valeriana officinalis sind verschiedene parasitische Pilze be-
obachtet, unter denen wir besonders Erysiphe Cichoraceanim (De.) und Uromyces V'alfrianae
(ScHüM.) WiNT. erwähnen; doch dürften dieselben, wenn sie sich nicht sehr intensiv entwickeln,
die Entwicklung der Rhizome kaum beeinträchtigen.
Israel berichtet über die tierischen Schädlinge:
Falter: Melilaea dictynna Esp. Raupe an Plaritagoaxien, Melampynim pratensc, Vale-
riana officinalis, Valerianella olitoria usw. Gortyna fia-vago Hb. Raupe in den Stengeln vieler
raarkhaltiger Pflanzen, z. B. Senecio, Valeriana, Petasites, Lappa, Verhascum, Sambttcus. Cara-
drina quadrimaculata F. Raupe an Stellaria, Alsine, Valeriana, Fumaria usw. Eupithecia vaUria-
nata Hb. Räupchen an Blüten und Früchten von Baldriangewächsen. Sonst leben die meist sehr
kleinen Raupen der Eupithecien meist in den Dolden der Umbelliferen, Blüten und Früchte
verzehrend. Schistotleprrssaria piilcherimella Stt. Das Räupchen dieser Gelechidee rollt die
Blätter von Umbelliferen und Baldrian zusammen.
Gradflügler: Thrips (spec.'). Auf Baldrianblüten und anderen Gewächsen {Helleborus,
Eupatorium) trifft man oft ein und dieselbe kleine Physapode.
Kultur und Emtebereitung. Baldrian wird in Deutschland in Sachsen
(Bockau, Lauter, Zschorlau), Franken (Schweinfurt), Harz (Pansfelde, Aschersleben,
Ermsleben, Ballenstedt), Thüringen fCölleda, Heldrungen, Ringleben, Neu-
hausen, Gebesee) [ — weitere Orte I, S. 64 — ], in Holland, Frankreich (Hou-
dan), Belgien (Hennegau, I, S. 6g), Ungarn (I, S. 68), Schweden (seit 1761) und
in England (z. B. bei Chesterfield in Derbyshire) gebaut. Hanbury nennt 1872 die
Orte: Ashover, Wolley Moor, Morton, Stretton, Higham, Shirland, Pilsley, North und
South Wingfield, Brackenfield, gegenwärtig sind die Kulturen beschränkter und finden
sich namentlich bei letzterem Orte am River Amber (N. Smith) und in den Long
Melfort Medicinal Herb Farms in SufFolk (Taf. XH). Baldrian wird auch in den Ver-
einigten Staaten (New York, New Hampshire, Vermont) und in Japan kultiviert. Ver-
suchskulturen befanden sich 1904 in Washington. Die Fortpflanzung wird durch die
Schößlinge (nicht durch Samen) besorgt.
Von der wildwachsenden Pflanze wird die Baldrianwurzel besonders in
Gebirgsgegenden [Thüringen, Harz, Ardennen, Vogesen (Dep. Vosges und
Ardennes), Schweiz, Österreich] gesammelt, da die Pflanze auf trockenem, steinigem
Boden ölreicher ist. Doch ist im deutschen Großdrogenhandel zurzeit vorwiegend
kultivierter Baldrian.
igio unterschied der deutsche Handel: Harzer, Thüringische, Belgische
und Holländische Rhiz. valerian. Die mit vielen Nebenwurzeln besetzte, mehr gelb-
liche Rad. Valerianae montanae Hercynica, besonders die kleinzöpfige, echte Gebirgs-
ware von der wilden Pflanze, wird meist der Rad. valer. min. Tliimigica cullivata, und
selbst der nachgekämmten und der großzöpfigen kultivierten Harzer V. vorgezogen
(Caesar-Loretz IQ 10). Am geringsten bewertet wird die R. val. minor, cilrina aus
Belgien und Frankreich.
Der eigenartige Geruch tritt erst beim Trocknen stärker hervor, frische Wurzel
riecht wenig und anders als die Droge (s. unten S. 520). Es unterliegt keinem Zweifel,
daß gerade beim Baldrian während des Trocknens auch bei gewöhnlicher Temperatur,
besonders aber bei etwas höherer, in den absterbenden Zellen, solange noch Wasser
vorhanden ist, tiefgreifende Veränderungen durch die Enzyme hervorgerufen werden.
Rhiz. Valerianae.
515
Choay hat daher vorgeschlagen, bei 0° im Vakuum zu trocknen. Das ist nicht nötig,
wenn das Enzym (wie Boxjrquelot vorschlägt) durch Erhitzen der frischen Pflanze
abgetötet wird (s. hinten). Die getrocknete Droge verändert sich weiter nicht, wenn
sie trocken aufbewahrt wird.
Die Kultur erfolgt in England in der Weise, daß man die Tochterknollen wilder
Valeriana ■ — man benutzt besonders Valer. Mikani Syme (s. oben S. 512) — als
Stecklinge benutzt. Die Blütenanlagen der sich entwickelnden Pflanzen werden ab-
geschnitten. Man läßt nur die tieferliegenden Blätter stehen. Im September bis Oktober
wird die ganze Pflanze ausgegraben, Stengel und Blätter beseitigt, die dickeren Rhizome
längs durchschnitten, und alle in mit Löchern versehenen Kästen in fließendem Wasser
gewaschen. Das Trocknen erfolgt auf Brettern in der Wärme im November und
Dezember. Trockenheit schädigt die Kulturen. Es entwickeln sich dann nur wenige
Blätter. In Cölleda werden die vom Zentralknollen losgetrennten Ausläufer gepflanzt
(bisweilen in Mischkultur mit Rüben). Nach einem Jahr wird das Rhizom samt den
Wurzeln gegraben, gewaschen und meist mit eisernen Kämmen von den feinen Neben-
wurzeln befreit («gekämmte» Wurzel) und entweder auf kurzgeschnittenen Wiesen
oder, auf Fäden aufgereiht, an der Hauswand getrocknet (A. Mever 1891). Die
Drogenhäuser kämmen dann noch nach (Caesar-Loretz). Die Wurzeln werden bis-
weilen zu Zöpfen geflochten (wie bei Angelka). In Pansfelde a. Harz werden die
Ausläufer der wilden Pflanze zum Anbau benutzt.
In Deutschland wird im Herbst (September, Oktober) nach der Blütezeit ge-
graben, da die Droge dann ölreicher ist als im Frühjahr (Zeller). Saladin von Ascoli
bezeichnet (im Compendium aromatariorum 1488) den August als den günstigsten
Monat und auch die alten Kräuterbücher nennen als Sammelzeit «zwischen zwei
Unser Lieben Frauen Tagen», d. h. 15. August bis 15. September. Die wendische
Volkssitte schreibt den Tag vor Johannis vor (Beckenstedt). — Im Frühjahr zu
sammeln (wie Pfaff und noch Ph. austr. VIII vorschlägt) empfiehlt sich nicht, da
dann Verwechslungen mit am gleichen Standort vorkommenden Pflanzen leicht mög-
lich sind. Es darf die Droge sowohl von der kultivierten wie der wildwachsenden
Pflanze gesammelt werden (D. A. V und Ph. helv. IV treflfen keine besonderen Be-
stimmungen). 9 — 10 Teile frische geben 2 — 3 Teile trockene Droge. Die Wurzel
wird durch das Trocknen dunkler. Das Nachtrocknen erfolgt am besten in der
Kalk-Kiste. *
Die Jahresproduktion von Harzer Baldrian beträgt 200 — 400 cwts. (In erster Linie kommt
Pansfelde hier in Betracht, Caesar-Loretz). Eine gute Thüringer Mittelernte beträgt 800
bis 900 cwts (Gehe). Die Vollernte 1000 — 2000 cwts (Caesar-Loretz). Nach Hamburg kamen
belgischer Baldrian 1905: 24500, 1908: 35 500 kg, und holländischer B. 1908: 6100 kg (Tun-
mann). Frankreich verwendet besonders deutschen B. (L. Planchon). In Japan wird Valeriana
var. angtisti/ol. MiQ. (nach Holmes dagegen: V. latifolia) kultiviert. Hamburg empfing 1908:
3700 kg Japan. B. (Tunmann).
Baldrian ist in Blechbüchsen aufzubewahren und schon beim Trocknen auf dem
Trockenboden gegen Katzen zu schützen (s. oben S. 512). Der Ortus Sanitatis (I,
S. 688) sagt bereits: «Die katzen ryben sich an diß krut und werffen darvider ihren
samen, und darumb sol diß krut vervaret werden vor den katzen, da es zu artzney
gebrucht sal werden.» Baldrian hat auch für Ratten und — Forellen Anziehungskraft.
Lit. Upsher Smith, Cultivat. of valerian rhizome in Derbyshire. Year book ph. 1904,
557. — Schwabe, Medizinkräuterbau in Thüringen. Pharm. Zeit. 1876 (Handelsbl.) — Gehe,
Handelsber. 1885 u. flgd. — Tunmann, Drogenhandel Hamburgs. Apoth. Zeit. 1910. —
ii6
Baldriansiiuredrogen.
Flückiger-Hanbüry, Pharmacographia. — Hovorka-Kronfld, Volksmedizin. — Bourquelot
und HfiRlSSEV haben (Journ. pharm. 19 ll) einen Apparat konstruiert, frische Pflanzen mit sieden-
dem Alkohol zu sterilisieren.
Morphologie der Droge. Die unterirdischen Organe des Baldrian werden bald
als Rhizoma (rii. helv. IV), bald als Radix (D. A. B. V) bezeichnet. Die richtigste
Fig. 167.
Valeriana officinalis L.
I. Centralknollen (I) mit den Nebenknollen {II) durch Ausläufer (ws) verbunden. 2. Querschnitt durch den Central-
knollen, 3. Querschnitt durch einen Nebenknollen. [Tschirch-Oesterle, Atlas.]
Bezeichnung wäre «Rhizoma cum radicibus», denn die Droge besteht aus dem mit
Wurzeln (und Ausläufern) besetzten Rhizome oder «Knollstock» (Berg), der oben
noch meist durch Stengel- und Blattreste beschopft ist. «Das Rhizom zerfällt in eine
dünne ausläuferartige Wandersproßregion und in eine diese oben abschließende
knollige Speichersproßregion. Die erstere vermittelt
die Verbreitung des Rhizoms im Boden. Im typischen
Falle figuriert ein Speichersproß, dessen zugehörige basale
Wandersproßregion abgestorben ist als Zentralknollen
oder Zentralwurzelstock (Fig. 167). Wie die Keimungs-
geschichte lehrt, geht der Zentralknollen aus dem Hypo-
cotyl hervor (Tschirch und Dye). Derselbe entsendet
nach verschiedenen Seiten Ausläufer und diese Wander-
sprosse verdicken sich alsdann an ihrer Spitze knollen-
artig, auf diese Weise Nebenknollen oder Neben-
wurzelstöcke bildend, die alsdann ihrerseits wieder Aus-
läufer entsenden» (Tschirch). Die Speichersprosse sind
reich bewurzelt. Die Wandersprosse tragen bisweilen
p. jgg an den Knoten einige Wurzeln. Die Droge enthält also
VaUriana officinalis. sowohl dicke Zentral- wie dünnere Nebenwurzelstöcke.
i^ngsschnitt durch einen Nebenknollen, Beide Stehen vertikal im Boden und sind im Innern
unten der Rest des Ausläufers (Wander- ^ r^-. -r^ -t,^
H«»ses).lTschirch-Oesterie, Atlas.] gekammert (Flg. i68). Die Kammern entsprechen den
Rhiz. Valerianae.
517
Intemodien. Die Zentralknollen sind oft mehrere Zentimeter dick, außen durch die
Blattreste geringelt, oben mit dem Knospenrest, unten mit der Wandersproßnarbe
versehen, die Nebenknollen sind dünner und tragen an der Spitze mehr oder weniger
lange Blatt- und Stengelreste, unten gehen sie in die Wandersproßregion über, die
wie ein echter Ausläufer, überall gleich dick und an den Knoten mit Niederblättern
und Wurzeln besetzt ist. Die mit zahlreichen feinen Nebenwurzeln besetzten Wurzeln
werden bis 30 cm lang und sind meist etwa 2 — 3 mm dick, frisch — wie die Wurzel-
stöcke — hell, nach dem Trocknen graubraun, außen etwas geschrumpft und sehr
brüchig, die einen (Emährungswurzeln, Tschirch) nach dem Aufweichen weich und
biegsam, die anderen (Befestigungswurzeln, Tschirch) starr und fest. Der Baldrian
zeigt also Heterorhizie (hier IQ05 von mir zuerst nachgewiesen). Die kräftiger
riechenden kleineren Wurzelstöcke der Gebirgsdroge wurden früher als Rad. valerian.
montana s. anglica unterschieden. Die kultivierte Droge pflegt reicher bewurzelt zu
sein als die wilde.
Baldrian schmeckt eigenartig süßlich-gewürzhaft und bitterlich.
Anatomie. Das Lupenbild des Rhizomquerschnittes ist unregelmäßig im Um-
riß (Fig. 167, 2 u. 3), das Cambium erscheint als dunkle, unregelmäßige Linie, vom un-
regelmäßigen Gefäßbündelring treten Bündel in die Wurzeln. Die meisten Wurzeln
(s. unten) besitzen einen sehr schmalen runden Zentraizylindei, der im Querschnitt kleiner
ist als die oft 3 — 4mal dickere Rinde (Fig. i6q, i).
Die Speichersproßregion (Zentral- und Nebenknollen) trägt außen Kork,
dann folgt eine Stärke (Körner bis 8 mik., Hartwich) führende dünnwandige Rinde,
1 2
Fig. 169.
Valeriana offzcmalts.
I, Querschnitt durch eine Erniihrungswurzel. 2. Querschnitt durch eine Befestigungswurzel von etwa gleichem Durch-
messer, c. 2,5 mm. [Neuber phot.]
deren Zellen bisweilen Tüpfelung zeigen, und endlich die verkorkte Endodermis, die
von unverkorkten Zellen unterbrochen und bei älteren Knollen bisweilen durch
Skiereiden verstärkt ist. Lmerhalb derselben liegt der Gefäßbündelzylinder, der bei
den Nebenknollen aus einem, bei den Hauptknollen oft aus zwei Kreisen von kolla-
teralen Bündeln besteht, die bei letzteren im Gefäßteil oft Libriform, sonst nur un-
regelmäßig radial angeordnete Spiral- und Tüpfelgefäße und Holzparenchym führen.
Zwischen dem Siebteil und der Endodermis liegt oft ein breiter CoUenchymbeleg.
Von dem Gefäßbündelzylinder treten viele Bündel in die Ausläufer und Wurzeln*
c I S Baldriansäuredrogen.
Seine Elemente werden dadurch und durch eine Staui;hung des ganzen Organs ver-
bogen, im Längsverlauf unregelmäßig. Das ebenfalls Stärke führende parenchymatische
Mark ist in ziemlich regelmäßigen Abständen geschwunden, so daß Kammern ent-
stehen (Fig. i68). In den stehenbleibenden
Diaphragmen (Marklamellen) finden sich
reichlich sehr stark verdickte Skiereiden,
.j.'-i. Die Diaphragmen entsprechen den Knoten,
die Kammern den Internodien.
Die ausläuferartige, im Querschnitt
kreisrunde, nur wenige Millimeter dicke
Wandersproßregion zeigt einen ähnlichen
Bau, nur ist das Mark viel schmäler und
nicht geschwunden, die Internodien sind
länger, aber an den Knoten liegen auch
hier Sklere'iden führende Querbrücken. Der
J,icc Gefäßbündelkreis ist durch interfaszikulares
Libriform geschlossen. Der Gefäßteil führt
Spiral- und Tüpfelgefäße. Die Hypodermis
führt das Öl.
Die Wurzeln zeigen stets noch die
primäre Rinde, die hier nicht (wie sonst
gewöhnlich) abgeworfen wird, lassen also da
und dort noch auf der Epidermis Wurzel-
'/ haare erkennen. Der Zentralzylinder ist von
der stärkefreien Endodermis umgeben. Aus
?^^'~<-'P?^v^"V-^^^^0^ der primären Bündelanlage, die meist triarch
--end. ist, aber di- bis octarch sein kann, entwickeln
^'^■r-X>h^ri^^^^^T''G^S^^i:ff'^'^- /'«'^ ^'<^^ ^^^^^ ganz verschiedene Wurzeltypen:
_„ Ernährungswurzeln (Fig. 169, i) mit
.\j— > - _;, großem. Stärke führendem Mark, kleinen
C^i-'r "Vv"vV/T }-[ Xä t 'W^- wenig gliederigen, in einen Kreis gestellten,
^^ , . keine mechanischen Elemente führenden Ge-
:j^j . j j~^JC\-/'r\A ■X^yf'r'Vii- fäßteilen und Befestigungswurzeln (Fig.
"^Xv^^fi^'A/w ' 169, 2) mit großem, strahiig gebautem, reich-
lich Libriform führendem Holzzylinder und
kleinem Mark (Tschircii und Neuser).
Bei den Ernährungswurzeln unterbleibt
die Bildung sekundären Gefäßteiles entweder
ganz oder es entstehen nur wenige Elemente
zwischen den primären Anlagen. Alsdann
ist der Übergang des primären Baues des
Bündels in den sekundären meist noch schön
MiM-i i( ' ^ ? zu sehen (Fig. i 70). Die primäre Rinde folgt
Fig. 170. dem Dickenwachstum des Zentralzylinders.
Valeriana ofßcinahs. Ihre Zellen sind relativ dickwandig und er-
Querschnitt durch eine pentarche Ernährungswurzel, bei fQ]]}. jjjj(. einfachen, rundÜchen oder ZU
der eben der primäre Bau in den sekundären übergeht. i • -i o
[Nach Bonnet.] ~ — ^ Zusammengesetzten bis 30 mik. großen
RMz. Valerianae.
519
Fig. 171.
Valeriana officinalis.
Randpartie einer Wurzel, stärker vergrößert, oez die Ol führende
Hypodermis. [Tschirch-Oesterle, Atlas.]
Stärkekömern. Bei Alkoholmaterial sieht man da und dort Sphaerokristalle. Das unter
der verkorkenden Epidermis liegende, ebenfalls verkorkte, einreihige Hypoderm, das die
Wurzel also mantelartig umgibt, enthält [neben bisweilen beobachteten prismatischen
Kristallen von Kampher (?), Vogl] das
ätherische Öl, das durch Schwefel-
säure zuerst kirschrot, dann violett
und blau wird (Zacharias). Löst man
Epidermis und Hypoderm von der
Wurzel ab, so ist der Rest geschmack-
los (A. Meyer). Das Öl kommt also
nur im Hypoderm vor, nicht in
Interzellularlücken der Rinde (Schlei-
den). Zacharias sah bei den Öl-
zellen außer der Suberinlamelle eine verholzte und eine Zellulosehaut. Bisweilen ist
eine resinogene Schicht, die aus einer Schleimmembran hervorgeht, zu sehen (Tschirch).
Bei längere Zeit in Glycerin liegenden Schnitten beobachtet man überall in
Rinde und Mark kleine spießige Kristalle. Erwärmt man den in Wasser liegenden
Schnitt und läßt erkalten, so entstehen größere büschelförmige Kristalle.
Das Pulver enthält sowohl die Elemente der Wurzeln wie die der Rhizome, führt da-
her sowohl Sclere'iden wie dünn- und dickwandiges, stärkeführendes Parenchym und dessen
Fragmente, Stärkekörner von 3 — 15 (8 — 12 Koch), selten 18 oder 20 — 30 mik Durchmesser,
schmale Ring-, Spiral- und weitere Tüp feige faß fragmente (Breite der Gefäße 8 — 60, die Tüpfel-
gefäße meist 30 — 40 mik KoCH) und Libriforra mit linksschiefen Spaltentüpfeln. Die Fetzen der
Wurzelhaar tragenden Epidermis und der gestreckten Hypodermzellen treten besonders bei
Behandlung mit konz. Schwefelsäure hervor. (Verkorkt sind: Endodermis, Hypodermis, Epi-
dermis, Kork). Die mit Stärke gefüllten Parenchymzellen lassen nach Behandlung mit Chloral
ein zartes Plasmanetz erkennen. Oxalatkristalle fehlen, dagegen findet man oft Sandkörner und
bisweilen Elemente der Stengel und Blattstiele.
Lit. TscHtRCH-OESTERLE, Anatom. Atlas (dort das Detail). — Tschirch, Heterorhizie
bei d. Dikotylen. Flora 1905. Die Einwände von Flaskämper (Flora 1910) gegen die Hetero-
rhizie sind unberechtigt. Die Befestigungswurzeln sind nicht Alterszustände der Ernährungs-
wurzeln. — A. Meyer, Wissensch. Drogenkuude I, 215 (m. Abbild.) u. Damiiers Lexik, d.
Verfälsch. 1887. — VOGL, Kommentar 1908. — Berg, Anatom. Atlas t. 16. — Härail-Bonnet,
Manupilat. pl. I[. — GoDFRlN-Noi^L, Atlas man. de l'hist. d. drog. 1887, t. 19 u. 26. — Miltrophoto-
graphien inBRAEMER-Suis, Atlas de photomicrographie 17 u.|i8. — Karsten-Oltmanns, Pharmak.
Fig. 84—87. — Hartwich in Hagers Pharm. Praxis. — Irmisch a. a. O. — Hoeck, Beitr. z. Morph,
d. Valerianae. Englers Bat. Jahrb. 1882 und a. a. O. —^ Chatin, Etudes bot. chim. et med. sur les
Valerian^es. Paris 1872 (m. 14 Taf.) (hier auch die Rhizome der übrigen Valeriana3.xX.tv1). — HoLFERT
(prim. Bau) Arch. Ph. 1889. — Neuser, Vgl. Anat. d. Würz. usw. Dissert. Bern 1904. —
Zacharias, Sekretbah. m. verkorkt. Membr. Bot. Zeit. 1879, 617. — Maisch (Mexic. Val.)
Am. journ. ph. 1886, 168. — Die Keimung und Entwicklungsgeschichte der unterirdischen Or-
gane ist beschrieben in C. A. Dye, Entwicklungsgesch. Unters, d. unterird. Org. von Valeriana nsw.
Dissert. Bern 1901 (mit zahlr. Abbild.). — Das Pulver: KocH, Atlas 11, t. 24. — MOELLER,
Atlas t. 107. — Greenish-Collin, Veget. Powders pl. 119.
Chemie. Baldrianwarzel enthält (nach Li>fDENBERG 1886) in Prozenten: 11,57
Wasser, 0,36 Fett, 0,9 äther. Öl, 0,31 flüchtige Säure löslich in Äther, 0,85
Harz und Wachs, 0,975 Harz löslich Alkohol, 1,64 Gerbstoff, 0,565 Citronen-
und Weinsäure, 5,32 Zucker, 14,39 andere Substanzen löslich in Wasser, 7,83
Eiweißsubstanzen, 16,7 Metarabin, Phlobaphene usw., 12,87 Stärke, 11,65
Zellulose, 16,8 Lignin u. and., 4,31 Asche.
C20 Baldriansäuredrogen.
Die von Pentz (1S29) und Grote (1831) im Baldrian aufgefundene, von
Trommsdorff als besondere Säure erkannte, studierte und benannte Baldriansäure
(Valeriansäure , s. oben S. 510), die Pentz falschlich für Essigsäure hielt, findet sich
in der Droge zu 0,25 — i,4''|o (ir* frischer Wurzel 0,6%, Schoonbrodt), teils frei,
teils als Kaliumsalz und Borncolester (im Ol, s. unten), begleitet von Apfelsäure
(Trommsdorff, Schoonbrodt) und Magnesium, Calcium- und Kaliummalat, sowie
von Buttersäure, Ameisensäure (als Calciumformiat), Essigsäure (Aschoff)
und Methyläthylessigsäure (Shimoyama und Hyrano).
Vollständig kann man die Baldriansäure aus der Wurzel, besonders solcher, die ziemlich
frisch ist, nur dann erhalten, wenn man zunächst die Ester (s. unten) mit einer Säure oder
Alkali verseift und dann erst mit einer Säure (am besten Phosphorsäure) destilliert. Katz gründet
die Wertbestimraung der Tinctur. valer. auf die Titration der durch Destillation mit Phosphor-
säure (nach vorherigem Eindampfen mit Soda) übergetriebenen Baldriansäure. Die aus der Wurzel
gewonnene Säure ist das Hydrat CjHjoOj . HjO. Sie besteht fast ganz aus optisch inaktiver
Isovaleriansäure: (CH3)jCH . CH, . COOH, der kleine Mengen rechtsdrehender Methyl-Äthyl-
Essigsäure:
^^°Ch'^ CH . COOH,
Ameisensäure, Essigsäure und Capronsäure beigemengt sind. Auch in der synthetisch aus Amyl-
alkohol (Dumas, StaS, Cahours) mittelst Chromsäuregemisch (Balard 1845) dargestellten Säure
ist neben Isovaleriansäure etwas Methyl-Äthyl-Essigsäure vorhanden. Die Identität des Ac.
valerianic. e radice mit der synthetischen Baldriansäure und der 181 7 im Fette der Delphine
(.besonders Delphinus globiccps) von Chevreul entdeckten Acide delphinique ou phocenique
stellte Dumas fest, die Identität der bei der Spaltung des Athamantins entstehenden Säure mit
Baldriansäure AVinckler (1842). Daß es mehrere Baldriansäuren gibt, fand Dessaignes (1851).
Schoonbrodt fand gelegentlich seiner umfangreichen vergleichenden Unter-
suchung frischer und trockener Arzneipflanzen, daß frische, stets viel Zucker enthaltende,
Baldrianwurzel nur wenig riecht, obwohl sie mehr ätherisches Ol enthält als ge-
trocknete, dieses Öl aber keinen starken Geruch besitzt, getrocknete dagegen, die weniger
süß schmeckende Extrakte liefert, weniger Öl gibt, dieses aber stark nach freier Baldrian-
säure riecht, von welcher sich in ganz frischer Wurzel nichts findet. Carxes zeigte,
daß es ein Enzym ist, welche beim Absterben gelegentlich des Trocknens die Zer-
setzung der Ester der Baldriansäure bewirkt (Baldrian enthält auch Mangan in der
Asche). Schon beim Absterben des Rhizoms, mehr noch beim Trocknen, werden also
die Säuren in Freiheit gesetzt.
BÜHRER (Ciarens) erhielt bei, auf meine Veranlassung (1909) angestellten, Titrationen von
Auszügen mit verd. Alkohol mit n/io NaOH einen Verbrauch an ccm (auf i g frische Wurzel
berechnet):
Wurzel aus Chaux de fonds, frisch 1,4. Bei 70° getrocknet 1,9.
Wurzel vom Rhonetal bei Aigle, frisch 1,6. An der Luft getrocknet 2,4. Bei 70° ge-
trocknet 2,8. Dialysat 3,0.
Wurzel aus dem Elsaß (Mühlhausen), frisch 3,7. An der Luft getrocknet 4,7.
Pflanzen verschiedener Standorte zeigen also ziemliche Verschiedenheiten.
Neben Gummi, Schleim und Stärke findet sich auch Zucker und zwar
sowohl Dextrose als Saccharose (Harley, Kromer, in Thüringer Baldrian 0,73 bis
1,42 "Ido, in russischem o,3^|g,j) — bisweilen setzt sich Saccharose aus äther. Baldrian-
tinktur ab — , sowie eine Oxydase (Carles) und ein hydrolytisches Enzym
(Tschirch). Femer (in frischer Wurzel) zwei, wie es scheint, mit Kafifeegerbsäure verwandte,
durch Blei fällbare Baldriangerbsäuren (C14H9O3 und CijHgOg, Czyrniansky). Schon
Rhiz, Valerianae. ^ 2 I
Runge fand eine «grünige Säure», deren Salze an der Luft grün werden. Das bekannte
Nachdunkeln der Baldriantinkturen kann nicht auf das Enzym zurückzuführen sein, da
es besonders bei der ätherischen Tinktur hervortritt. Es ist wohl auf diese Gerbsäuren
oder das Öl zurückzuführen. Die Alkaloide Chatinin und Valerin (Waliczewsky)
bedürfen näherer Untersuchung. Chatinin wird von den gewöhnlichen Alkaloid-
reagentien gefällt. Es soll zu o,oi^'>jo in der frischen Wurzel enthalten sein. Neuer-
dings beobachtete auch Chevalier in frischem Baldrian ein sehr zersetzliches
Alkaloid. Auch ein Glykosid (Harley) und ein Harz werden angegeben. Alkaloid,
Glykosid und Harz (?) werden beim Trocknen zerstört (Chevalier). Trommsdorff
erwähnt einen eigentümlichen Extraktivstoff «Baldrianstoff» (Valerianin) und einen
gelben Farbstoff.
Die europäische 7?///i. valerian. enthält o,i — \^\^ der Trockensubstanz (am
meisten in holländ. Wurzel, Schimmel) ätherisches Öl. Der Gehalt ist abhängig
vom Boden (Kionka). Schon Fr. Hoffmann, Boerhaave, Geoffroy wußten, daß
frische Wurzel weniger Öl gibt als getrocknete. Das gelbgrüne bis bräunlichgelbe,
ziemlich dünnflüssige, schwach saure Öl wird mit der Zeit dunkelbraun und dick-
flüssig und scheidet Bomeol ab. Es besitzt ein spez. Gewicht von 0,93 — 0,96
(Ardennen- und Vogesenöl 0,875 — 0,900) und dreht links ( — 8 bis — 13"). Säure-
zahl: 20 — 50, Esterzahl: 80 — 100, Verseifungszahl : 100 — 150. Es enthält (besonders
nach Bruylants und Oliviero) mehr oder oder weniger freie Baldriansäure und
auch ziemlich viel (g.S^/o Gerock) Baldriansäure-1-Bornylester, dann die 1-
Bornylester der Ameisen-, Essig- und Buttersäure (je i "/o)» femer 1-Camphen,
1-Pinen, Citren (?), Terpineol, ein Sesquiterpen (Siedep. 160 — 165*) einen Alkohol
CjjHgßO (Sp. igo'") und einen stark links drehenden Alkohol CiqH.,q02 (F. 132°).
Bomeen, Valeren, Valerol (Gerhardt, Pierlot) sind zu streichen. Auch ein Blauöl
(Azulen), das bei c. 300" übergeht, ist nachgewiesen (FLtTCKiGER). (Kopp gibt
diesem Blauöl Flückigers die Formel C.^gHg^Oj ?). Bei spektralanalytischer Untersuchung
eines Blauöls, das bei 210 — 265' überging, fand ich vier Bänder: I. / =r 0,720
bis 0,750 |M, IL }. = 0,650 — 0,670//, HL X = 0,590 — o,6io/<, IV. X = 0,555
bis 0,575 (M, matt. Ein Tropfen Baldrianöl färbt sich mit 20 Tropfen Schwefelkohlen-
stoff und I Tropfen Salpetersäure tief violett (Flückiger). Das aus frischen wild-
wachsenden Pflanzen dargestellte Öl hat ein geringeres spez. Gewicht (0,875 — 0,900,
Oliviero) als aus der Droge bereitetes.
Das zu S'/o (nach Shimoyama 2,7 "/„) erhältliche, also viel reichlicher gebildete, schwerere
(spez. Gew. 0,990 — 0,996) Öl der japanischen Var. angtistifolia (Kessoöl) ist ähnlich zusammen-
gesetzt, es enthält ferner ein Sesquiterpen (Sp. 260 — 280") und das linksdrehende (aD = —
70«6') Kessylacetat (Sp. 178—179»). Das Blauöl (Ci^HagC^COCHä) siedet auch bei c. 300»
(Bertram, Gildemkister, Walbaum). Die spektralanalytische Untersuchung des Öls ergab
für die vier Azulenbänder (s. oben) eine ähnliche Lage wie beim deutschen Baldrianöl (TscHiRCH).
Die V. mexicana lieferte bei der Destillation fast gar kein äther. Öl, sondern fast nur Baldrian-
säure (89% des Hydrates, SCHIMMEL & Co.). Kemp erhielt aus Indischer Narde (s. unten S. 525)
0,9 "/o eines linksdrehenden Öles vom spez. Gew. 0,974, beim Erhitzen nimmt das Öl eine grün-
liche Fluoreszenz an (Prebble, vgl. auch Lafite, Pharm. Zeit. 1887, 465 und ASAHINA, Journ.
pharm, soc. Japan 1907 und Schimmels Ber. 1907). In der Valeriana celtica findet sich 1,5 bis
1,75 °/o (bzw. 0,1 °/o Haensel) Öl, in dem ein Sesquiterpen und Palmitinsäure (.') nachgewiesen
wurde (Schimmel 1887, Haensel 1909).
Der Extraktgehalt schwankt von 17,64 — 24,03<'|q (Röder), 17,35 — 3i,95*'/o
(Dieterich), 26 "/q (Carles). Zweijährige Rhizome geben die höchste Extraktausbeute,
C22 Baldriansäuredrogen.
Pharm, austr. verlangt wenigstens 1 5 "/(,. Da die Wurzeln noch die Wurzelhaare be-
sitzen (s. oben S. 518), die bekanntlich mit den Bodenteilchen verwachsen (richtiger:
verkleben), so ist Baldrianwurzel durch Waschen niemals ganz von Erde zu befreien
— auch die «staubfreie» des Handels enthält Erde — . Der Aschengehalt schwankt
daher sehr. Besonders schlecht gewaschener Baldrian enthält oft viel Asche (bis
30,8"|o Peters, bis 4i"/(| Hauke, bis 43,980/0 Röder 1906). 4,7—8,40/0 sind bei
gutem Baldrian beobachte Zahlen (Hauke). Gadd und Sydney wollen nicht über
9 o/o hinausgehen. Hauke gibt als obere Grenzzahl für ganze Wurzel 10 "/p, für
Pulver I2'^j(, an. Pharm, helv. 12 "j^. Die Asche ist grau. Phosphate, Sulfate und
Silikate fand darin schon Trommsdorff.
Lit. Trommsdorff, N.Journ. Pharm. 18 (1809), 3, 24 (1832), 134, 26 (1834), i., Über
die Valeriansäure u. ihre Verbind. Ann. d. Pharm. (6) 1833, l"6, 10 (1834), 213. — ■ Pentz,
Arch. Ph. 28, 337. — Grote, Arch. Pharm. 32, 160, 33 (1830), 160, 38 (1831), 4. — Riegel,
Journ. pr. Chem. II (1845), S^^. — (Darstellung der Säure: Winkxer, Buchn. Rep. 1833,
BoN.\P.\RTE, J. chim. med. 1842 u. 1843, Rabourdin, Journ. pharm. 1844, S'Oj WlTT-
STEiN, Buchn. Rep. 87 [1845]). — AsCHOFF, Arch. Pharm. 48 (1846I, 275). — CzyrniÄnsky,
Über d. nicht flucht. Säur. d. W. v. V. offic. Lieb. Ann. 71 (1849), 21. — Schoonbrodt,
Journ. d. med. Bruxelles 45 und 46, Deutsch in Wittstein, Vierteljahrsschr. 18, 73 f Jahrb.
Ph. 1869, 17). — Carles, Valeriane et O.'cydase. Journ. pharm. 12 (1900), 148, Rep. pharm.
1903, 289. — Lindenberg, Unters, d. Rhiz. von V. offic. u. V. Hardwickii. Pharm. Zeitschr.
f. Rußl. 1886. — Katz, Werlbest. homöop. Urtinkt. Pharm. Centralh. 1901, 291. — H.\UKE
(Asche), Wien 1902. — Peters, Apoth. Zeit. 1909, 538. — Waliszewski, Un. pharm. 1891,
109 (Apoth. Zeit. 1891, 186). — Shimgyama und Hyrano (Mitt. Med. Fak. Tokio 1890. Apoth.
Zeit. 1892, 440 (Kesso). — K. Dieterich (Extraktgehalt), Helfenb. Ann. 1900, 211. — Harley,
Saccharose dans 1. org. v6g. etc. These Paris 1905. — Kromer, Pharm. Centralh. 49 (1908),
397. — Chevalier, Compt. rend. 144 (1907), 154. — Kionka, Biochem. Centralbl. 1905, 452.
— Zavatti und Sestini. Zeitschr. anal. Chem. 8 (1869), 388. — Holzmann, Arch. Ph. 1898,409.
Öl: Graberg, in Crell, Die neuesten Entdeck. 6 (1782), 123. — Trommsdorff, Trommsd.
Journ. d. Pharm. 18 (1809), 3 und Neues J. d. Ph. 24 (1832), 134. Lieb. Ann. 6 (1833), 176
u. 10 (1834), 213. — Pf ÄFF, Syst. d. Mat. med. 18 15 (dort d. alt. Lit.). — Ettling, Lieb.
Ann. 9, 40. — Rochleder, Ebenda 44 (1842), i. — Gerhardt, Ebenda 45 (1843), 29, Journ.
pr. Ch. 28 (1843), 34. — Gerhardt und Cahours, Annal. d. chim. 3 (184 1), 60. — Kopp,
Arch. Ph. 55 (1876), 204. — Zei.ler, Ausb. äth. Öl aus offiz. Pfl. Stuttg. 1855. — Pierlot,
Compt. rend. 48, 1018. — Bruyl.\nts, Bull. Ac. r. m6d. Brux. II, 1209. Journ. pharm. 1878,
349. Ber. d. chem. Ges. II (1878), 452. — Oliviero, Compt. rend. 117(1893), 1096. Bull. soc.
chim. II (1894), 150 u. 13 (1895), 917. Et. chim. sur l'huile essent. de Valer. These Paris 1895.
— Gf.rock u. Bronnert, Journ. pharm. Eis. Lothr. 19 (1892), 82. — Flückiger, Arch. d.
Pharm. 209 (1876), 204. — Schimmel, Ber. 1887, 1891, 1894 und 1897 ""'^ Gildemeister-
Hoffmann, D. äther. Öle. — TschirCH, Harze u. Harzbehälter.
Kesso: Bertram u. Gildemeister, Arch. Ph. 228 (1890), 483. — Bertram u. Wal-
BAUM, Journ. pr. Ch. 49 (1894), '8-
Verfälschungen und Verwechslungen. In erster Linie werden genannt:
Valeriarta sambucifol. (Timbal-Lagrave), besonders in Böhmen, Veratnim album
(Bentley 1877, Kaspar 1886) — die Unterschiede beschreibt Bentley (übersetzt
bei Wittstein) — , Sium lati/oliiun'L. var. longifoliuni L. (Bernbeck 1880), Cypripedium
macranthum und Cynanchum Vincetoxicum (Charbonnier bis söo/^) mit gelblich-weißem
Rhizom. Dann finde ich (z. B. bei Wittstein) angegeben: (von mir nicht beobachtet)
Valeriana dioica L. (Rad. vakrian. paluslr., Rad. Phu minor.) mit dünnem Rhizom,
Valeriana Phu L. {Rad. valerian. major., fwrlens., pontici oder Phu) mit großem Rhizom
und dicken hellen Wurzeln (vgl. Paralleldrogen), Rantmculus acris, polyanthemos und
repens L. (Hoppe 1807), Sium angusti/ol., Serpentaria virgin., Geum urbanum L. (Rad.
Rhiz. Valerianae. c 2 ■?
caiyophvllat.), Scabiosa mvensis L. (Reveil bis 2 2 "L), Succtsa pratensis Mönch., Betonica
officinalis L., Eiipatorium cannabinum L., Arnica tuontatia L., Spigelia und Helleborus- kxi&\.
Alle nehmen, wenn dem Baldrian beigemengt, den Geruch an. Man muß zur Unter-
scheidung das Mikroskop zuhilfe nehmen. Besonders gefährlich, aber leicht kenntlich,
sind die Beimengungen der giftigen Rhizome von Veratrinn und Sium, von denen
aber nur das Letztere an gleichem Standorte vorkommt. Ein gekammertes Rhizom
besitzt Ciciita virosa, scheint aber nie im Baldrian beobachtet zu sein.
Der rote Baldrian der Gärten ist Centranthus ruber, der griechische Baldrian
Polemonium coeruleum.
Lit. Timbal-Lagrave, Journ. chim. med. (5), 3, 589 (Jaliresber. Pharm. 1867, 50). —
Bentley, Pharm. Journ. 7 (1877), 64g, — Berneeck, Arch. Ph. 1880, 431. — L. Pl.^nchon,
Precis 1906. — Wittstein, Handwörterb. d. Pharm. 1882.
Anwendung. Rhiz. valaian. wird als Tonico-Excitans (bei Ermüdung, Fere
1904), Antispasmodicum, Nervinum, Antihystericum und Antiepilepticum benutzt [die
Anwendung als Antiepilepticum wird auf Fabius Columna (t 1460) zurückgeführt].
Es ist ein wichtiges krampfstillendes Mittel (z. B. bei Krampfkolik) und
spielt unter den Volksheilmitteln (hier auch als Diureticum, Fieber- und Wurm-
mittel), sowie unter den Mitteln des Pfarrer Kneipp eine große Rolle. (Über die
Verwendung in Rußland vgl. Demitsch, Russische Volksheilmittel in Kobert, Studien I.)
«Plus la preparation contient d'acide valerianique, moins eile est active» (Pouchet 1904).
Da der Isovaleriansäure-Borneolester, CjoHjjO.OCjHg (s. oben S. 521), als der wirk-
same Bestandteil des Baldrian betrachtet wird, bringt man ihn — synthetisch dar-
gestellt — seit 1904 unter dem Namen Bornyval als Mittel gegen Neurasthenie,
Hysterie und Herzleiden, meist in Gelatineperlen ä 0,25 g, in den Handel. An der
Wirkung des Baldrian sind aber jedenfalls auch andere Körper noch beteiligt. Carles
schlug daher (1903) vor, ein von ihm «Pan-Valeriane» genanntes Fluidextrakt
durch Extraktion der Droge mit iS^Iq Weingeist, dem ^^\^ Ammoniak zugesetzt
worden war, zu bereiten. Kalle schlug Zusatz von Ammonsalzen bei Bereitung der
Baldriandestillation vor (Pharmac. Un. Stat. hat die alte Tinct. valer. ammon.). Ich
sehe keinen Vorteil im Ammoniakzusatz. Das Dialysatum Valerianae Golaz (Saxon)
wird aus der frischen Pflanze bereitet. In Frankreich wird der frische Saft emp-
fohlen oder Darstellung der Präparate aus der frischen Pflanze unter Erhaltung
der Oxydase. Die Bereitung der als sehr wirksam erkannten Präparate aus der frischen
Pflanze sollte aber besser in der Weise erfolgen, daß man die frisch gegrabenen und
gewaschenen Wurzeln zehn Minuten in Wasser von 80" bringt, um das Enzym
zu töten und dann erst e.xtrahiert (Tschirch). Dabei bliebe denn auch wohl das
Alkaloid, dem eine Wirkung auf den Augapfel und die MeduUa oblongata zugeschrieben
wird, sowie das Glykosid erhalten. Bourquelot schlägt Sterilisation durch Eintragen
in siedenden 90 "Ig Alkohol vor. Jedenfalls ist aus der «sterilisierten» Wurzel oder
mittelst siedenden Alkohols bereitete Baldriantinktur haltbarer, da das Enzym seine
Wirkung nicht mehr ausüben kann (Lesueur).
Lit. Louis Planchon, Prec. d. mat. med. 1906, II, 187 (dort weitere Angaben). —
Lesueur, Infi. d. mod. de prep. etc. These Paris 1910. — Bourquelot, Journ. pharm. 191 1.
Geschichte. Im Altertum hieß eine der medizinisch verwendeten Narden Phu (wohl ein
poetischer Name). Plinius sagt (XII, 26) bei Narden: «In nostro orbe proxime laudatur Syriacum,
mox Gallicum, tertio loco Creticum, quod aliqui agrium vocant, alii phu, folio olusatri
etc.» Die Beschreibung, die Dioskurides (I, 11) vom S. 947) kennt drei Arten
Valeriane: La valeriane des jardins ou la grande Val. (V. hortensis, Phu folio Olusatri Dios-
coridis Bauhin Pinax), La valeriane sauvage ou des bois ou petite Val. (V. sylvestris major
B.AUHIN Pinax) und La Val. des marais ou petite V. aquatique (V. palustris minor Bauhin
Pinax). — Die wilde Valeriana ist unsere V. officin., die Garten-V. wohl V. Phu, der kleine
WasserbaUlrian F'. dioica. LiNNE übernahm Valeriana als Gattungsname und unterschied: V. ofßci-
nalis, V. Phil und V. celtica {== Nardus celtica Dioscoridis Bauhin Pinax). Die Kultur des B. ist
erst spät versucht worden. Er fehlt noch bei Karl, im St. Galler Klosterplan, bei MaCER und
Strabo, sowie im Kalender des Harib (I, S. 612). In den Destillierbüchern des XVI. Jahrh.
sind Vorschriften für Baldrianwurzeldestillate mit Wasser und Wein enthalten. Das Öl erhielten
Fr. Hoffmann, Boerhave, Cl. J. Geoffroy sowohl aus trockener wie aus frischer Wurzel
(PfaFF). Dann beschrieb es Graberg und Trommsdorff, der die Wurzel untersuchte, nannte
(1830) die Säure Valeriansäure, Alte Dissertationen über Valeriana sind: J. C. Spies, De Vale-
riana, Heimst. 1724 und M. Axberti, De Valerianis officinalibus, Hai. 1732 (I, S. 928 u. flgd.).
In der germanischen Götterlehre wird die Pflanze erwähnt. Die Göttin Hertha trug
einen Baldrianstengel als Reitgerte (Perger). Im nordischen Altertum hieß sie Wielandswurz
(s. oben S. 511). Im Volksglauben ist Baldrian ein kräftiges Schutzkraut gegen Hexen und
Teufelszauber und gegen Elfenneid (Schiller, Tier- und Kräuterb. d. Mecklenb. Volk.). («Hältst
du nicht Dosten und Baldrian, wollt ich den Kragen dir umdrehet han», ruft der Hexenmeister).
Der Bräutigam muß am Hochzeitstage einige Blätter der Pflanze bei sich tragen. Das Rhizom
gilt aber als Antaphrodisiacum, mit Bibernell zusammen dann auch als Pestmitlei «Baldrian und
Bibernell, hält die Pestilenz zur Stell». (Das finnische rullo juuri bedeutet Pestwurz.) Nach
Schambach wird beim Graben der Wurzel in Mecklenburg gesungen: «Baiderjan! Most upestan,
Most hengan, Most helpen allen Minschenklndern. Un allen Naversrindern!» (Reling und
Rhiz. Valerianae.
525
Bohnhorst). In Sachsen ist der Vers bekannt: «Trinkt Baldrian, sonst müßt ihr alle dran»
(weiteres bei SÖHNS). In Serbien lautet ein Spruch: «Dies kostbare Kraut zu vernachlässigen
warnt die vila» (Grimm). Baldrian ist auch Bestandteil einiger Pestlatwergen.
Im Mittelalter und dem Beginn der Neuzeit scheint der Baldriangeruch beliebt gewesen
zu sein, da der Baldrian zum Parfümieren von Zimmern, Kleidern und Wäsche benutzt wurde
(TtmNER, New Herball 1568, Langhans, Garden of Health 1633), ähnlich wie im Altertum
V. celtica'L. und A'ardostachys Jatamansi De. (s. unten). In England wurde B. in früheren Zeiten
setwall (sonst auch für Zedoaria benutzt) genannt und viel gebraucht. Gerardk bemerkt in seinem
Herball (1567), daß die ärmeren Klassen in Nord-England keine Speise ohne B. bereiteten
(Hanbury). Also auch der Geschmack muß beliebt gewesen sein.
Paralleldrogen. Von dem Indian and Colon, addend. to Brit. Pharm. (I, S. 22)
wird als Ersatz der V. officin. auch das Rhizom von Valeriana IVallichii'Dc. (V. villosa'WAl-l..,
V. Jatamansi Jones, f. Spica Vahl), in Indien: dalä, wrilä, bälä, tagar (weitere Namen in
Pharmac. indic.) — zugelassen, die von Kashmir bis Bhutan bis zu Höhen von 10 000 Fuß und
in den Khasiabergen vorkommt (Dict. econ. prod. India). Die stark nach Baldriansäure riechende
Wurzel liefert c. i "/o äther. Öl und enthält 3,13% Gerbstoff, 6% Zucker, 14% Stärke und
1% Harz (Lindenberg, Pharm. Zeitschr. f. Rußl. 1886).
Ähnlich wie diese wird das Rhizom von Valeriana Hardwickii "W ALI.. (V. tenera Wall.,
V. javanica Bl., V. acuminata Royle) in Indien: tdgger, die Wurzel: dsärun, die an den gleichen
Standorten wie V. Wallichii vorkommt und auch sehr hoch (bis 12000 Fuß) steigt, aber wohl
nur eine Form der V.offc. ist, benutzt. Es soll dies die syrische Narde der Alten (s. unten)
gewesen sein (Adams).
BiDiE (Pharm, ind.) empfiehlt als Baldrianersatz ferner die in den Nüagiris wachsende,
bei der Destillation viel Baldriansäure gebende Valeriana Brunoniana (Pharm, indic).
O'Shaughnessv bezeichnet (Bengal Disp.) als einen brauchbaren indischen Ersatz des
Baldrian auch A'ardostachys Jatnmansi De. (Patritiia Jatam. DoN., kaum von ^V. grandiflora De.
zu trennen) — in Indien: Jatamansi (sansc.) baluchar, bhutakesi (= Teufelshaar), arab.: sum-
bulul-aa saffir (bei Ihn Baithar: sambal). Es ist dies die echte indische Narde (Nardiis
indica, Spica Nardi, sunbul hindi, sennbol (arab.), nerd (hebr.), die in den nordindischen Ge-
birgen (Himalaya), besonders in Nepal, Kumaon und Bhutan bis 17000 Fuß hoch steigt. Aber
deren von faserigen Niederblattresten umhüUtes Rhizom riecht nicht nur nach Baldriansäure,
sondern auch nach ilosclms und Patchouli. Wegen dieses eigenartigen Geruches wurde diese
Narde im Altertum viel zur Bereitung wohlriechender Salben [yüii&oi niarixt'i = echte oder
flüssige Narde Tristram) zur Salbung des Körpers (vgl. I, S. 1014) benutzt, wie wir aus der
Bibel und Horaz erfahren. Sie dient noch heute (mit Ga/gant, Prunus Mahaleb, Andropogon
mvricatiis, Pogostemon Patchoiiii u. and.) zur Bereitung des von den indischen Frauen benutzten
Haarwaschwassers Angalepan (Pharmac. indica) — war aber auch bereits bei den Hippokra-
tikern Heilmittel. Sie wurde schon von Plinius von der unechten Narde (Ozaenites vom
Ganges) und dem Pseudonardus {A'ardiis italica = Lavendel) unterschieden. Später diente
zu gleichem Zwecke die in den südlichen und östlichen Alpen wachsende, bei den Alpenbe-
wohnern als Speik bekannte romische oder keltische Narde oder Sahunca, Nardus ex
Apulia {J'aleriana celtica'L,), die auch ein Bestandteil des Mithridats (bei AviCENNA) war, der
die keltische gut von der indischen unterschied. Zum gleichen Zweck diente auch die Moschus-
wurzel von Ferula Sttmbul. Aber auch Andropogonaxien (Schoenos, indisches Gras) wurden bis-
weilen als indische Narde bezeichnet, galten aber schon im Altertum nicht als echte Narden.
Die indische Narde wird schon in Susrutas erwähnt. Der Autor von MaKHZAn el-Adwiya
vergleicht sie mit dem Schwänze des Zobels. Es ist zweifelhaft, ob vaQäoq aus dem iranischen
(npers.: närd) oder dem semitischen (hebr. : nerd) Kulturkreise stammt. Alle Ausdrücke gehen auf
das indische ndlada (schon in Atharvaveda als Aromapflanze genannt). Periplus nennt vapiJoc als
Exportartikel indischer Häfen. Alexander traf die Pflanze in Gedrosien (Arrian, Anabasis VI, 22)
Durch die Bibel verbreiteten sich got. nardus, ahd. narda (Schrader). Dioskurides kennt außer
vÜQÖoi; (vaQäov axdxv? Galen, Spica nardi Plinius, Nardos Arrian, Nardifolium Columella),
von der er eine aus Gebirgen stammende «syrische > (aber nicht in Syrien gesammelte), eine von
dem Tale des Ganges exportierte (Gangitis) und eine sampharitische (wohl über Arabien kommende)
unterscheidet (er weiß, daß die Gebirgsnarde die beste ist) noch: vdgöOQ xsXxixi^ (von Ligurien
und Istrien) und v. ÖQftVTj (aus Cilicien und Syrien). Die syrische (d. h. hier indische) Narde
526
Baldriansliuredrogen.
ist jedenfalls Xardcstachys Jatamansi, die vom Ganges vielleicht ein Andropogon (nach anderen
Kardostachys grantii/ol.), die keltische: Valeriana celttca, die Bergnarde wohl V. tuberosa. Was
die sampharitische ist, ist unklar. Des Plinius Gallische Narde (s. oben S. 525) ist vielleicht
Valeriana saxatilis (SPRENGEL). ScRlBONlUS LargüS nennt die keltische Narde Saliunca, CoLU-
MELI_\ Nardum celtiaim. Im Liber de simpl. ad Paterniam stehen die Namen: Salvicula, Sali-
unca und Saloincha. Scriboniüs Largus bemerkt, daß Ä'ardus indica, celtica und itnlica, Spica
nardi {Lavendula}) und indisches Gras ähnlich riechen, was ich aber nicht finden kann. Auch
Celsus (I, S. 587) kennt indische, syrische und gallische Narde. Narde steht sowohl im Peri-
plus (I, S. 535) wie in der Alexandrinischen Zolltafel. In der mittelalterlichen Literatur wird
die echte Narde nur noch einmal unter den Räuchermitteln beim Einzug Heinrich VI. in Rom er-
wähnt (Flückiger-Haneury). In den Destillierbüchern (z. B. Brunschyg) ist sie nicht mehr
genannt, wohl aber Spikenard und Spica (HoffmannI. Die echte Narde kommt hier und da noch
nach London und die keltische Narde wird noch jetzt in den schweizerischen und italienischen
Alpen gesammelt und von Triest nach dem Orient exportiert (Flückiger).
Als Paralleldroge kann kaum gelten das wenig aromatische IVtiz. valerianae majoris von
Valeriana Pliii Z., einem als Gartenpflanze da und dort (Schlesien, Livland) kultivierten, in Ar-
menien, Kaukasien, dem Ural und Südsibirien einheimischen Gewächs, wohl aber alle oben
(S. 512) angeführten, zur Sectio Officinalis gehörenden Arten (bez. V^arietäten), besonders
die V. angustifolia {V. offic. var. ««^«i/z/ö/ia MlQ.) Japans (kesso, Idsso, kanoko-so), mit kurzem,
reich bewurzeltem Rhizom — seit 1879 im Handel. In Frankreich wird durch die Herboristen
oft Val. exceha PolR. gesammelt (Camus 1901). Ferner sei erwähnt die Valeriana mexicana De.
(s. oben), neben welcher in Mexico auch V. ceratophila HBK. und V. tohiccana Hc. medizinisch
benutzt und bisweilen nach Europa gebracht werden (Holmes). Weitere, ähnlich wirkende
Valerianaaiten in DraGendorff, Heilpflanzen und in PlanCHON-Collin, Drogues simples 1896.
Lit. GiLDEMEiSTER-HOFFMAJJN, Äther. Öle, II. Aufl., S. 208. — Abbild, der indischen
Narde: Royle, Illustrations of the Himalayan Bot. t. 54 (kopiert bei Nees). — Jones, On the
spikenard of the ancients Trausact. Asiat. Soc. Bengal. Calcutta 1889. — Roxburgh, ebenda.
— Flückiger-Hanburt, Pharmacogr. ■ — Flückiger, Pharmakogn. — Dymock, Mat. med.
West. Ind. — Tristram, Nat. history of the bible. • — Pharmacogr. indica. — Dict. econom. prod.
of India. — Guibourt, Hist. nat. d. drog. (dort Näheres über die Narden, auch Abbild.). —
Schrader, ReaUex. d. indogerm. Altert.
IV.
Die Produkte der Oxydation der Hexosen sind Glukonsäuren (Hexonsäuren),
z. B. Glukuronsäure (S. 77), Glukonsäure, Zuckersäure (S. 77), Schleimsäure (S. 282),
bei stärkerer Oxydation tritt aber Zerfall ein und es entsteht Glykolsäure, Oxalsäure,
Traubensäure, Weinsäure. Schon Scheele beobachtete (1776), daß bei der Oxydation
von Zucker Oxalsäure auftritt. Bei der Aufspaltung des Zuckers bei der alkoho-
lischen Gärung (?) und der intramolekularen Atmung entsteht aber auch dl- Milchsäure
(a-Oxypropionsäure), CH3.CH(0H).C00H, die sich zuweilen im Wein findet und bei
der intramolekularen Atmung der Zuckerrübe sich bildet und die in größerer Menge
bei der Milchsäuregärung des Trauben-, Milch- und Rohrzuckers auftritt.
Die Glykolsäure (Oxyessigsäure), CHjOH — COOH, findet sich im Zuckerrohr
und kommt auch im Rübensaft und unreifen Trauben vor. Sie liefert oxydiert zu-
nächst die in unreifen Früchten (Wein, Stachelbeeren und Äpfeln) vorkommende Gly-
oxylsäure: COH— COOH, dann Oxalsäure: COOH— COOH.
Die Oxalsäure ist bei den Pflanzen und auch den Drogen weit verbreitet
(C. Schmidt, Bayley, Payen, vgl. die Zusammenstellung in Czapek, Biochemie),
besonders als Calciumoxalat, das zuerst Scheele (1785) im Rhabarber auffand, das
die Mikroskopiker aber schon früher gesehen hatten (I, S. 341), und von dem besonders
die Flechten reichliche Mengen, bis zu 66 "/q des Trockengewichtes [Lecanora esculenta), ent-
halten. Oxalsäure tritt auch als saures Kaiiumsalz auf (in 0.\alü-, Rheum- und Riime.\z.-&QV^.
Rhiz. Valerianae.
527
An die Oxalsäure schließen sich dann an:
COOK
COOH
t
CHj
1
COOH
1
COOH
COOK
1
1
1
1
CH,
1
(CH,)e
1
(CH,),
1
COOK
COOH
COOH
COOH
COOH
Oxalsäure
MaloDSäure
Bernsteinsäure
Korksäure
Azelainsäure
von denen besonders die Bemsteinsäure in unreifen Früchten (Wein, Stachelbeeren,
Johannisbeeren, Äpfeln, Bananen), aber auch in ^/ra/ablättern, Rhabarberstielen und
in der Zuckerrübe, sowie als Harzester (Tschirch und Aweng) im Bernstein vor-
kommt und endlich die sich an die Bemsteinsäure anschließende Gruppe der Oxy-
säuren :
COOH
^ I
HCH
I
HCH
I
COOH
Bemsteinsäure
COOH
I
HCOH
1
HCH
I
COOH
d-Apfelsäure
COOH
I
OHCH
HCH
I
COOH
1-Apfelsäure
COOH
I
HCOH
I
OHCH
I
COOH
d-Weinsäure
COOH
I
OHCH
I
HCOH
I
COOH
1 -Weinsäure
Racemische Apfelsäure
Racemische Weinsäure
COOH
I
HCOH
I
HCOH
I
COOH
Meso-
weinsäure
Die von Scheele (I, S. 968) entdeckte Apfelsäure (Donovans Acide Sor-
bique) ist als 1- Apfelsäure weit verbreitet (Braconnot, Übersicht bei Czapek). Sie
findet sich meist gebunden, aber auch frei, besonders reichlich in den Vogelbeeren
(Vogel, Houton Labillardiere, Liebig), den sauren Äpfeln, — und dem daraus
dargestellten Extracttun ferri pomati — , dann auch in Kirschen, Pflaumen, Wein-
trauben, Heidelbeeren, Ananas, den Beeren von Hippophae, und Berberis, den Blättern
des Tabak (Vauquelin), des Chelidonium majus und Rhejint (3,5 % saures Malat),
dem Euphorbium {2^°jf) Calciummalat, Tschirch und Paul) und in vielen Pilzen
(z. B. Polyporus officinalis). Besonders reichlich ist Apfelsäure aber in den Blättern
der Crassulaceen (25 — 3o''|„ des Trockengewichtes) enthalten; die hier vorkommende
Säure soll aber eine vierte stereoisomere, rechtsdrehende Form sein, die mit keiner
der übrigen übereinstimmt (Aderson).
Von den ungesättigten niederen Fettsäuren interessieren uns nur:
HC— COOH COOH COOH
COOH— CH
Fumarsäure
und
CH CH2
COOH
Aconitsäure
von denen die erstere in Pilzen häufig ist, und auch z. B. in Cetraria islandica
(S. 268), aber auch in Phanerogamen (Fumariaceen, Papaveraceen) vorkommt, die
andere in Rüben und Ranunculaceen (Aconiluin, Adonis, Delplmiimn) vorkommt. «Viel-
leicht begleitet sie ständig die verwandte Citronensäure» (Euler).
V. Weinsäuredrogen.
Ganz außerordentlich verbreitet ist die Weinsäure, zwar nicht die 1- Weinsäure,
auch nicht die Mesoweinsäure und die Traubensäure (racemische oder d + 1 Wein-
ciS Weinsäuredrogen.
Säure), wohl aber die d-Weinsäure ([«]]? = + 15,06", F. 170"), die zuerst
Scheele (1769) aus Weinstein isolierte. Sie findet sich — vornehmlich gebunden —
in den Weinbeeren (S. 40), den Maulbeeren, Tamarinden, Ananas, Gurken und vielen
anderen Früchten, Wurzeln, Blättern und Zwiebeln (revisionsbedürftige Übersicht bei
Husemann-Hilger), aber wohl kaum, wie Hilger (a. a. O.) meint, «im Zellsafte
aller entwicklungsfähigen Pfianzenteile».
Das beste Material zur Darstellung der d-Weinsäure ist noch heute der rohe
Weinstein, der als Droge in den Handel kommt. Er bildet gelbliche und rötliche
Krusten, die zur Reinigung zunächst in siedendem Wasser gelöst werden. Die ge-
klarte Lösung wird mit Tierkohle und Ton entfärbt und zur Kristallisation gebracht.
Aus dem so entfärbten Weinstein wird die Säure mit Schwefelsäure abgeschieden.
Pulpa Tamarindi.
Syn. Fruct. tamarindi, Siliquae indicae — Rohes Tamarindenmus — pulpe
brüte de tamarins (der Baum: lamarinier de ITnde) (franz.) — tamarind (der Baum:
tamarind tree) (engl.) — tamarinde (holl.) — tamarindo (ital.) — tamarnida (ung.)
— tamarindi (fin.) — 6^v(poTvi§ (griech.).
Arab.; tamr hindi, andeb (in Cordofan: ardeb), humar, sabaril. — pers. : anbalah — in
Indien; amli, imli (hind.), chintz (bomb.) puliyam-pazham (tarn.) tentul (beng.) — im Sanscrit:
tintidi, amlikä (weitere in Watt, Dict. ec. pr.) — mal.: asam manies oder a. djawa, asem
(asem kerandji ist Dmlium indum), kamal. — bei den späteren Griechen: ß(X(p7jvixi'ia,TCfiapevzi.
— Bei Alhervi (I, S. 601) tamr ulhindl (pers.) — In dem Lehrgedichte des Otho Cremo-
NENSis (XIII. Jahrh., vgl. I, S. 627) und bei Serapion (I, S. 607): thamarindus. — Bei Ibn
Baithar (I, S. 608) stehen außer Tamr hindi auch die Namen: subär (für den Baum: subäri),
humar, hamar (auch für Asphalt benutzt!), hamar heißt im Arab. rot (Marti). Deutet wohl
auf die Farbe der Früchte. — Bei Abu Hanifa: elhumar — bei Constantinus Afrikanus:
Oxyfoenicia sunt dactyli Indiae. — Auch in der Alphita und bei Bartholomaeus (I, S. 655)
findet sich Oxi fenica (fincon, inde dactilus indicus vel tamarindus) = dactalus acetosus
und auch in Circa instans (I, S. 637), bei JOH. Actuarius und in den miuelenglischen
Medizinbüchern aus dem XIV. Jahrh. (I, S. 683) steht Oxyfenica. Der Ausdruck (^ palmae
acidae) blieb bis ins XVII. Jahrh. erhalten (Flückiger). Im Mittelalter und noch bei C. Bauhin
auch: Siliqua arabica (Siliqua syriaca ist Ceratoniä) — bei Rumpf: Tamarindus C. Bauhini,
Tamar sive dactylus Indorum, Palmula indica et deresilde Arabum — in Brasilien: Jutay (Piso).
— Tamarindus auch bei Ray, Alpini und Toürnefort — bei Rheede: balam pulli.
Etym. Tamarindus von arab. -pers. tamr (tamar chald. u. hebr.) ^ Palma (Dattel) und
hindi = indisch, also indische Palme (Dattel) (so schon von Garcia da Orta erklärt). Viel-
leicht auch tamr ^ Frucht überhaupt (Pereira) — d^vipolvixa, Oxifenica = Sauerdattel ((polvi^
^Dattel, hier nicht = rot, wie Lemerv will). — Der Malaie drückt im Namen: Asam (= sauer),
manies (= süß) sehr charakteristisch den Geschmack des Fruchtmuses aus.
Stammpflanze und systemat. Stellung. Tamarindus indica L. , Gen. pl.
I, 581 (Rumph. herb. amb. 2, go t. 23), nebst der in Westindien kultivierten klein-
früchtigen, wenigsamigen, herben Var. occidentaüs (T. occidentalis Gärtner) — auch
die javanische T. ist kleinfrüchtig (TscuiRCii). Der Autor des Makhzan el Adwija be-
schreibt zwei indische Arten: die rote süßere, kleinsamige Guzerat- Varietät (die bessere)
und die gewöhnliche rötlichbraune. Diese werden in Indien noch jetzt unterschieden.
RoxBURGH und De Candolle unterscheiden T. occidentalis De. und T. indica De.
als Arten.
Leguminosae, Caesalpinioideae — Amherstieae (die Gattung Tamarindus hat
nur eine Art).
Tafel XIII.
Tschircb, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II.
Verlag von Chr. Herrn. Taiichnitz, Leipzig;.
Tamarindus indica L. in Java.
(Tschircb phoi.)
Pulpa Tamarindi.
529
Beschreibung der Stammpflanze. Die Tamarinde ist ein immergrüner Baum,
der eine Höhe von 25 m erreicht (Taf. XIII) aber langsam wächst. Er braucht viel
Licht und ein dauernd warmes, tropisches Klima, nimmt aber, da tiefwurzelig, mit
relativ trockenem Boden fürlieb. «Sein schöner, ebenmäßiger Wuchs, die dichtbelaubte
und infolge der feingefiederten Blätter doch lichte und reichgegliederte Krone, die
den Boden in weitem Umkreis beschattet, die weitausladenden Äste und der elastische,
aber feste Stamm geben dem schönen Baum ein prächtiges Aussehn (Taf. XIII). Kraft-
voll und doch zierlich, ist er eine herrliche Zierde der Landschaft vollends dann, wenn
er im Schmucke seiner zahlreichen wohlriechenden, feingeaderten Blüten prangt oder mit
tausenden rehbrauner, an langem Stiele herabhängender Fruchthülsen beladen ist»
(TscHiRCH, Indische Heil- und Nutzpflanzen). Ich traf in Java aber oft Tamarinden
ohne Blüten und dann wieder solche mit nur spärlichen. Auch Rumphius sagt:
«Flores sunt rari et vagi». Auf den Blattreichtum geht die griechische Bezeichnung
^tvÖQOV ütoXv(pvXXov (bei Theophrast) und in Java sagt man: «Er hat Schulden
wie der Tamarindenbaum Blätter.» Der bis 8 m im Umfang messende Stamm hat ein
sehr geschätztes Holz, das von Insekten nicht angegangen wird.
Die alternierenden Blätter sind paarig gefiedert, 10 — 20jochig, die fast sitzen-
den, ganzrandigen Fiederblättchen 12 — 20 mm lang, lineal-länglich, abgerundet ge-
stutzt oder ausgerandet, ungleichhälftig, unterseits blaugrün, die häutigen Nebenblätt-
chen hinfällig. Die Blätter zeigen Schlafbewegung (s. unter Geschichte). Die zygo-
morphen, hermaphroditen Blüten stehen in endständigen Trauben. Das enge, röhrige,
kreiseiförmige Receptaculum ist mit dem drüsigen Discus ausgekleidet, der vierzählige
Kelch in der Knospe dachig. Von den vier, dem Rande des Receptaculums inse-
rierten, weißlichen, dann blaßgelblichen und ab-
fallenden, häutigen Kelchblättern sind die beiden
oberen (hinteren) zu einem breiten, fast ovalen
Blatte verwachsen, die beiden unteren (vorderen)
sind länglich. Von der ursprünglich fünfzähligen
Cor olle sind die zwei vorderen Blätter zu pfrie-
menförmigen Spitzchen abortiert, von den drei hin-
teren (oberen) ist das mittlere schmäler, fast sitzend
und etwas kahnartig zusammengelegt, die beiden
seitlichen breit genagelt, alle drei weiß und rot
geädert, etwa gleich groß, wellig gekerbt. Von den
neun zu einer, oberseits oflTenen, Scheide verwach-
senen Staubfäden sind nur die drei vorderen
Kelchstamina fertii, die anderen sechs als spitzchen-
förmige, an der Spitze der Scheide sitzende Sta-
minodien entwickelt. Der gestielte einfächerige
Fruchtknoten trägt einen, wie die Stamina, bogen-
förmig gekrümmten Griffel mit kleiner gestutzter Narbe und enthält eine ganze An-
zahl Ovula (Fig. 172). Die Frucht hängt an einem mehrere Zentimeter langen Stiel.
Sie wird sehr verschieden lang (selten über 15 und bis 20cm, meist viel kürzer,
besonders bei den kleinfrüchtigen Sorten). Sie ist länglich, kurz und scharf zugespitzt,
meist etwas gekrümmt und mäßig zusammengedrückt, an den Steilen, wo die Samen
liegen, meist etwas aufgetrieben, oder gar infoige von Einschnürungen knotig gegliedert.
Sie ist ein nicht aufspringendes Legumen, dessen Bauchnaht kaum deutlich hervor-
Tsch irch , Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 34
Fig. 172.
Blüte von TaTnarittdiis indica L. im Längs-
schnitt. [Nach Luerssen.]
530
Weinsäuredrogen.
Mes.
End.
Fig- 173-
Tamarindits injica. RadiaJer Längsschnitt durch
die Frucht — schematisch. [Tschirch.]
tritt, mit gelbbraunem oder hellbraunem, fast warzig-rauhem, sehr zerbrechlichem, etwa
0,5 mm dickem Exocarp, das außen bisweilen auf hellem Grunde ein feines dunkles
Netzwerk erkennen läßt. Das Mesocarp ist ein weiches Fruchtmus, an dessen äußerem
Rande auf der konkaven Rückenseite der Frucht
ein derbes Bünde! bis zur Spitze verläuft, wäh-
rend auf der konvexen Bauchseite zwei starke
und 2 — 4 zwischen diesen liegende schwächere
Bündel verlaufen (Fig. 174), von denen aber nur
die stärkeren die Spitze der Frucht erreichen, die
2 — 4 schwächeren aber meist schon vorher blind
endigen. Von allen gehen fast in rechtem Winkel
Sekundärnerven ab, die zu Anastomosen führen.
Dieses Bündelsystem läßt sich bei der trockenen
Frucht oft als grobfaseriges Netzwerk in toto vom
Mesocarp außen ablösen. Das Endocarp ist als
papierdünne zähe Pergamenthaut entwickelt und
zwischen den Samen gefächert. Es kleidet die
I — 12 ovalen Fächer der Hülse aus, die innen
bisweilen spiegelglänzend erscheinen und je einen glänzend rotbraunen, der Bauch-
naht angehefteten, endospermfreien Samen einschließen (Fig. 173).
Früchte bildet die Tamarinde vom zehnten Jahre an. In Java blüht der Baum
im November und Dezember zu Beginn der Regenzeit. Die Früchte sind dort im
Februar vollreif, was man an der Brüchigkeit des Epicarps
erkennt. Sie werden mit Bambusstangen abgeschlagen, was
ohne Schwierigkeit möglich ist, da der Fruchtstiel sehr spröde
ist (Tschirch). In Vorderindien blüht T. im April und Mai.
Ein Baum liefert dort 5 — 6 maunds (c. 412 — 494 Ibs.)
Früchte. In Westindien sind die Früchte im Juni bis August
reif (Hooper). Die Eingeborenen Vorderindiens betrachten
die Ausdünstungen des Baumes als schädlich. Semler emp-
fiehlt, die Früchte mit der Hand oder die nicht erreich-
baren mit einer sog. Pfropfreiserschere zu pflücken.
Die Tamarinde ist ursprünglich im tropischen Afrika
'P bis südlich zum Sambesi einheimisch. Der Baum durchzieht
das Gebiet des Senegal, des Niger, Angola und des Tsad-
Sees, geht in die Nilländer, durch den äußersten Nordosten
Afrikas nach Mosambik bis ungefähr 24" s. B., w-ährend er
seine Nordgrenze bei ungefähr 1411'.,** ri. B. am weißen Nil
(nach ScHWEiNFURTH schon bei 12" n. B.) erreicht (Flücki-
„. gerV Er wurde aber sehr frühzeitig nach Arabien, Indien,
Flg. 174. ' "
_ . . ... „ ,, ..„ Cochinchina, den Philippinen, Tava, wie überhaupt nach
7 atnartnaus triatca Frucht geoti- tr tr ' j ' i
net, das Epikarp (p) abgetragen, Südasien gebracht Und ist vielleicht sogar dort wie in Nord-
so daß das F'-Mieisch (Meso- ^ggt- Australien (F. von Müller) schon ursprünglich hei-
karp, m), die Gefaßbundel (f) und ^ ' r o
ein Same (s) sichtbar werden, misch. Nach Tahiti kam T. schon durch Cook. Nach dem
[ m og , oramenter.] tropischcn Amerika, besondcrs Hach den Westindischcu luseln,
Mexiko, Ecuador, Guayaquii, Brasilien, Argentinien ist die T. durch die Europäer im
XVI. Jahrh. gebracht worden, hier hat sich eine Varietät (s. oben) entwickelt. Dy-
Pulpa Tamarindi. ^ß I
MOCK glaubt, daß die T. in Süd-Indien einheimisch ist. Brandis bezweifelt es.
Die Pflanze hat jedenfalls viele einheimische indische Namen. Crawfurd hält sie
auch für in Java einheimisch. Sie hat eigene malaiische Namen und spielt im Volks-
leben eine Rolle. Ich habe sie wild in Java nicht angetroffen. Eigentliche Anflan-
zungen, Tamarindenwälder, traf ich nirgends in Süd -Asien, dagegen sehr oft den
Baum in Alleekultur (I, Fig. 34) und auch wohl in den Kampongs (Taf. XIII). Dies
gilt auch für Vorder- Indien (frequently planted in avenues and topes, Hooper 1907).
Einer der größten Plätze der Erde, der Koningsplein in Batavia, ist von einer Tama-
rindenallee umgeben. T. ist ein vorzüglicher Schattenbaum. Jetzt ist T. durch Kultur
über alle tropischen Länder der Erde verbreitet, aber Versuche, bessere Spielarten
in der Kultur zu erzielen, sind nirgends gemacht worden (Semler).
Lit. Taubert in Engler-Prantl. — Luerssen, Med. pharm. Bot. — Roxburgh, Flor.
Ind. III, 215. — Brandis, Forest flor. northw. a. centr. India 1874, 163. — Bentham, Flor,
austral. II, p. 294. — Oliver, Flor. trop. Africa II, 308. — Ficalho, Plantas uteis da Africa
portugueza Lisboa 1884. — Crawfurt), Dict. of Ind. Islands 1856, 425. — Hooper, Tamarindus
Agric. Ledger 1907, Nr. 2. — F. V. MtJLLER, Not. s. 1. veget. de l'Australie. Melb. 1866. —
Macfadyen, Flora of Jamaica 1837, 335. — M. Perez Maciel, Bot. Min. Agr. Buenos Aires
3 (1905), HO. — DE Clercq, Nieuw plantkund. wordenboek. Nederl. Ind. 1909. - — Die Kultur
ist beschrieben in Semler, Tropische Agrikultur II, 209. — Abbild.: Tschirch, Ind. Heil-
u. Nutzpfl. t. 49 u. 50, Berg-Schmidt, Atlas I. Aufl. t. 9, Pabst-Köhler, Medizinalpfl., t. 131,
Nees, plant, med. t. 343, Haynb, Arzneigew. X, t. 41, Bentley-Trimen, Med. plant, t. 92,
WooDviLLE, t. i6r. Bot. Mag., t. 4563, Taübert in Engler-Prantl, Pflanzenfam. III, 3, Fig. 79
und vielfach anderwärts. — Die ersten Abbildungen der T. finden sich in Bontius, Histor. nat.
Indiae 1658 (I, S. 897) und bei Piso (I, S. 893). — Rheede bringt [Hort, raalabar. I, t. 23)
unter Balam pulli s. Maderam pulli (braman.: sinza) eine gute zweifarbige Abbildung eines
fruchttragenden Zweiges, daneben Bl\ite und Samen sowie eine ausführliche Beschreibung. —
Rumpf (Herb. Amb. 2, 90) gibt unter Tamarindus {== Assam djava) eine sehr ausführliche Be-
schreibung und auf Taf. XXIII eine gute Abbild, eines blühenden Zweiges mit Frucht u. Samen.
— Ältere Beschreibungen; Ray, histor. plant, p. 1748. — Sloane, Cat. pl. Jam. p. 147 (Syno-
nyme). — Marcgraf, Bras. hist. p. 107.
Pathologie. Den größten Schaden richten an der Tamarindenernte die Affen an, die
«reinen Tisch» zu machen pflegen; dann Papageien "und andere Vogel, Eichhörnchen und
fliegende Füchse, weniger Insekten (Semler).
Gewinnung und Handelssorten. Fu/pa tamari?id. kommt besonders aus Ost-
indien und Westindien in den Handel. Die Levante scheint nichts von Bedeutung
mehr in den Großhandel zu liefern, wenigstens fanden sich 191 1 im deutschen
Handel weder levantinische noch ägyptische Tamarinden, die zu Pomets Zeit im
Handel vorherrschten. Die in Deutschland gebräuchlichen ostindischen, braunen «Cal-
cutta» (black tamarinds) sind dunkelbraun oder fast schwarz und fest, nicht feucht,
die in England vorgezogenen westindischen (red tamarinds) heller, gelbbraun oder
rotbraun, oft feucht und weniger sauer. Die Endocarphüllen sind bei der west-
indischen Tamarinde nicht so lederartig, wie bei der ostindischen, die Farbe des
Muses und des wässrigen Auszuges heller, der Samengehalt höher, die Gefäßbündel
länger und dicker, der Geschmack süßer, die Samen sitzen oft noch zu 2 — 4 in der
Hülle (Brunner).
Im deutschen Handel fanden sich 191 1 Calcutta- und Madras -Tamarinden
und in kleineren Mengen die westindischen Barbados. Die beiden ersteren Sorten,
von denen Calcutta meistens die bessere Qualität ist [sie findet sich in Fässern (O.xh.)
zu c. 250 — 350kg], werden in der Hauptsache zum Ansetzen der Kautabak-
saucen gebraucht, gehen aber auch in sehr großen Posten nach Süddeutschland,
34*
:^ ^ 2 Weinsäuredrogen.
der Schweiz und Italien, um dort zur Herstellung von Fruchtsäften verwendet
zu werden. Für medizinische Zwecke dürften Madras- (in Fässern zu c. 200 kg)
und Calcutta-T. weniger verwendet werden, eine größere Verwendung für derartige
Zwecke, in der Hauptsache als Abführmittel, finden die westindischen Barbados-
Tamarinden, die aber von deutschen Firmen fast garnicht, sondern ausschließlich
von englischen Firmen in den Handel gebracht werden (Caesar und Loretz).
Der indische Markt unterscheidet mehrere Qualitäten, je nach dem Gehalt an
Schalen, Samen und Fasern. Die guten Sorten werden einem Nachreifungsprozeß an
der Sonne unterworfen. Die Tamarinden müssen, um ein schönes Aroma auf-
weisen zu können, genügend lange in Indien liegen bleiben, damit der richtige
Gärungsprozeß im Produktionsland stattfindet. Je früher die Verladung der
Tamarinden von Calcutta erfolgt, desto weniger haltbar ist meistens die Ware, und
auch das Aussehn der zu früh verschifTten Ware ist nicht dunkelbraun, sondern
fuchsig (Caesar und Loretz). Erst durch diesen Gärungsprozeß wird also
das frisch hellrotbräunliche Fruchtmus schwarz. In Indien wird das von
dem Epicarp und den Samen befreite Mus oft mit 10 "jg Salz gemischt und mit den
Füßen zu einer gleichmäßigen Masse geknetet. Diese Pulpa gelangt nicht zur Aus-
fuhr nach Europa. In Guzerat, Dekkan, Kontan wird das Fruchtmus bisweilen mit
Seewasser zu einem breiigen Teig geknetet und dieser in Säcke verpackt (Flückiger).
Mit Zucker werden ostindische Tamarinden nur selten präpariert. In Indien wird T.
produziert in Nasick, Poona,Juneer, Kaira,Tullgaum. Am meisten geschätzt ist die Guzerat-
sorte. Calcutta ist wichtigster Tamarindenhafen für den E.xport nach Europa, weniger
Madras und Bombay. Bombay exportiert viel nach Sind, Persien und dem Roten Meer.
Hamburg empfing 1909: 148600 kg (Tunmann); Triest importierte 1903 noch 5039,
1904: 3217, 1908: 217, 1904 nur 4 quint Tamarinden.
In Westindien werden die Früchte von der Schale sorgfältig befreit, in Fässern
übereinander geschichtet und kochender Sirup darüber gegossen bis das Faß voll ist
(oder vorher zwischen die Früchte Zucker geschichtet, Wright). Es ist auch nicht
mit Zucker behandeltes westindisches Mus im Handel. Das westindische Tamarinden-
mus, das, da es keinem Gärungsprozeß wie das ostindische unterworfen wird, rot-
bräunlich gefärbt ist, gelangt in Fässern aus St. Kitts, Nevis, Antigua, Montserrat,
Dominica, Martinique, Barbados, Grenada und Guayaquil vorwiegend nach London.
Die brasilianischen Tamarinden werden besonders nach Nordamerika verschifft. Amerika
importierte 1897 für 2699 Dollars Tamarinden.
Am oberen Nil (Cordofan, Sennaar, Darfur, Arabien) wird die Pulpa in bis i kg
schwere Kuchen gepreßt, die an der Sonne getrocknet werden. Diese sind schwarz
und fest und außen oft sehr unrein. Sie wurden früher bisweilen als ägyptische
Tamarinden im Handel angetroffen und kamen über Alexandrien nach Marseille,
spielen jetzt aber nur im afrikanischen Binnenhandel eine Rolle. Ähnliche Kuchen
formt man in Senegambien und Arabien. Auf den Märkten in Java und Singapore
traf ich sowohl die ganzen Früchte, wie das zu Kuchen vereinigte, in Pisangblätter
eingeschlagene Fruchtmus.
Lit. FlÜckiger-Haneury, Pharmacographia. — Dymock, Veg. mat. med. West. Ind. —
Pharmac. indic. — Wright, Med. pl. of Jaraaica. — Lunan, Hort. Jamaicens. H (1814), 224.
Beschreibung der Droge. Die Droge bildet ein nicht sehr appetitlich aus-
sehendes, entweder schwarzbraunes oder schwarzes (Calcutta-T.) oder rotbraunes (west-
indische T.) Mus, das hauptsächlich aus dem weichen, aber bald hart werdenden Meso-
Pulpa Tamarindi.
533
carp (Sarcocarp) der Frucht, das
ablöst, besteht und in das einmal
die derben Mesocarpbündel, dann
die papierdünnen, die Frucht-
fächer auskleidenden Endocarp-
taschen und endlich die Samen
eingebettet sind. Alle diese Teile
treten besonders beim Aufweichen
des Muses deutlich her\'or. Die
Samen sind wenig regelmäßig,
verkehrt- eiförmig, rundlich, fast
viereckig, etwas zusammenge-
drückt, braunrot oder rotbraun,
glänzend , bis 17 mm breit , bis
8 mm dick, mit schmaler Rand-
furche, die dem Nabelstreifen ent-
spricht. Die Samen sind auch
nach Einweichen in Wasser stein-
hart und nicht zu schneiden («pisa
ipsius saxea fere sunt duritate»,
J. BoNTius 1642), sägt man sie
aber durch und legt sie in Wasser,
so werden sie schneidbar und die
äußere Schicht der Samenschale
rollt sich an den Samenrändem
(nicht im Mittelfelde!) in einzel-
nen sich kräuselnden Schuppen
ab — eine für die Tamarin-
densamen höchst charakte-
ristische, anatomisch zu begrün-
dende Erscheinung. Das Mittel-
feld ist etwas eingesunken und
zeigt Parallelstreifen. Der etwas
dickere Rand ist grobwarzig. Der
Samenkern besteht fast nur aus
den großen, hornigen, plankon-
vexen Cotyledonen , zwischen
denen ein kleines, etwas zurück-
gezogenes Würzelchen und eine
noch kleinere Plumula sichtbar
wird. Das Durchschnittsgewicht
der Frucht beträgt 6 — 10 g. Von
100 Teilen Frucht kommen 41
Teile auf das Fruchtfleisch, 30
Teile auf die Schale und 2 9 Teile
auf die Samen (pulp: 55, seeds:
33.9, Shell and fibre: 1 1,1, Hoo-
sich schon beim Trocknen der Frucht vom Epicarp
Tamarindus ittdtca L. Querschnitt durch die Fruchtschale, 3 — 4 Epi-
karp. 5 Mesoliarp. 6—8 und H Endokarp. H Haarschicht, verfilzt.
[Xach Hallström.]
534
Weinsäuredrogen.
per), ioo Samen wiegen 75,88 g. Der Gehalt der Pulpa an Samen darf io'^Iq nicht
übersteigen. K. Müller fand 2 bis 9,8 "/q (in nicht revisionsfähiger Ware 20,6 und
38''/o), Brunner 3,45 — ^j^j^ (in 15 von 21 Mustern unter io^^Iq), Adam 7 — 8<'/o.
Werden 20 g gut durchgemischtes Tamarindenmus mit 190 g Wasser übergössen und
durch zweistündiges Schütteln ausgezogen, so müssen beim Abdampfen von loog des
Filtrates mindestens 5 g trockenes Extrakt bleiben (Ph. helv. IV). Der Droge dürfen
nur geringe Mengen des Epicarps (äußere Hüllschicht, D. A. V) und nur wenige Pilz-
sporen beigemengt sein. Die Droge schmeckt schwach süßlich und stark sauer und
riecht eigenartig (nicht dumpfig!). Man bewahrt sie in Steintöpfen auf. Sie wird
leicht hart.
Anatomie. Die Fruchtknotenwand läßt noch die Bauchnaht erkennen, d. h. die
Stelle, wo die Ränder des Carpells verwuchsen. Auf der Rückenseite liegt ein großes
Bündel, die Mittelrippe des Carpells, gegen die Bauchnaht hin beiderseits je ein etwas
kleineres und rechts und links von der Bauchnaht je zwei ganz kleine Bündel —
also im ganzen sieben, drei große, bis zur Spitze gehende und vier kleine kurze. Von
diesen gehen dann später zahlreiche Zweige ab, die das Fruchtfleisch durchziehen.
Die Innenwand wird später von Haaren ausgekleidet. Zwischen den Samenfächern
unterbleibt diese Haarbildung und die Endocarpstreifen legen sich mit schwach papillöser
Epidermis fest aufeinander (Hällström). Das Epicarp der reifen Frucht (Fig. 175)
besteht zum überwiegenden Teile aus kurzen drei-, vier- oder vieleckigen Skiereiden
mit dicker gestreifter und reich getüpfelter Membran und verschieden großem, mit
einer braunen, durch Eisenchlorid sich schwärzenden, in Kali aber kaum löslichen
^ci. ^___.-,^_^,^ Phlobaphenmasse erfülltem Lumen.
Außen ist es von einer abschülfem-
den Korkschicht bedeckt, die aus
einem subepidermalen Phellogen her-
\'orgeht, das die außerhalb liegenden
Partien abstößt, wodurch die Zeich-
nung der Oberfläche der Frucht
(s. oben S. 530) bedingt wird. In
den äußersten kleinen Skiereiden
und in dem zwischen die Skiereiden
eingestreuten Parenchym finden sich
bisweilen wohl ausgebildete mono-
symmetrische Kalkoxalatkristalle. Die
Skiereiden liegen entweder zu Grup-
pen vereinigt oder isoliert. Die Frucht-
schale ist daher in hohem Grade
zerbrechlich. Nach Innen zu geht
die Sklereidenschicht in das lockere Parenchym der Mittelschicht der Fruchtschale,
das Mesocarp, über, von dem einige Schichten der Schale anzuhängen pflegen, der
übrige Teil ist samt den Samen von der Schale abgelöst und liegt als eine kompakte
Masse im Innern des Ganzen, einen ziemlichen Zwischenraum zwischen sich und der
äußeren Fruchtschale lassend. Diese Mittelschicht der Fruchtschale, das Mesocarp,
bildet das sog. «Fruchtmus». Sie besteht aus vielen Zellreihen sehr zartwandiger,
parenchymatischer Zellen. Ihre Wand wird durch Jod schwach gebläut (Flückiger).
Betrachtet man das Mus der Droge unter dem Mikroskop in Glycerin oder Öl, so
j.Ä
prH.
Fig. 176.
Tatnarindus ittdica L. Querschnitt durch ein Hauptbündel der
Fnichtschale aus dem Mesokarp. [Nach Hallström.l
Pulpa Tamarindi.
535
sieht man zahlreiche, meist infolge Pektinbildung in der Zwischenzellsubstanz mehr
oder weniger isolierte, So — i6o mik. große Zellen, die einen braunen zuckerreichen
Inhalt und häufig auch zahlreiche kleine, 1,5- — 18 mik. große Stärkekömer enthalten.
Daneben findet man drei Kristallformen: derbe, unregelmäßig ausgebildete, gestreckt-
prismatische, tafelförmige und um einen Punkt angeordnete nadeiförmige Kristalle
(Tschirch). Besonders die großen Tafeln des erst in heißem Wasser löslichen Wein-
steins treten gut hervor, die anderen Kristalle sind Weinsäure und Zucker, die sich
schon in kaltem Wasser lösen. Gefäßbündel durchziehen besonders reichlich die äußer-
sten Partien der Mittelschicht der Fruchtschale, so daß bei dem Ablösen der Mittel-
schicht von der äußeren Fruchtschale auf ersterer ein reich verzweigtes Netz zarter
und gröberer Gefäßbündel oberflächlich aufzuliegen pflegt. Für die Entwicklung von
Schimmelpilzen ist dieser feuchte Raum und der gute Nährboden sehr geeignet. Man
findet denn auch dort oft zahlreiche Kolonien. Auch in den tiefer liegenden Partien
finden sich Bündel. Dieselben sind jedoch meist zarter — auch weniger zahlreich. Die
oftmals von Kristallkammerfasem begleiteten Bündel der Tamarindenfruchtschale zeich-
nen sich durch einen oft ziemlich breiten Bastzellpanzer und viel Libriform aus,
demgegenüber die wenigen getüpfelten und Spiral-Gefäße und der Siebteil nur einen
kleinen Raum einnehmen. Das große Rückenbündel wird von relativ wenigen Bast-
zellgruppen begleitet, führt aber in dem mächtigen Holzkörper reichlich Libriform.
Auch sein Siebteil ist stark
entwickelt (Hällström). Der
innerste Teil der Frucht-
schale, das Endocarp, das
die Samenfächer als Perga-
menthaut auskleidet, ist drei-
schichtig. Unmittelbar an das
Mesocarp nach innen zu
schließt sich ein drei- bis
fünfreihiger Bastzellpanzer,
dessen tangential gestreckte,
bis 300 mik. lange, bis 18
mik breite Zellen ziemlich
stark, aber ringsum gleich-
mäßig verdickt, und mannigfach verbogen, also fest miteinander (gegen tangentialen
Zug) verzahnt sind. Diese Bastzellen besitzen große, linksschiefe Spaltentüpfel. An
diese Schicht schließt sich eine Zone dünnwandiger Zellen und an diese die silber-
glänzende, jedes einzelne Samenfach rings auskleidende Haut, die von außerordentlich
langgestreckten dünnen, hin und her gebogenen und miteinander verfilzten Zellen (Fig.
175 u. 177) gebildet wird, die sich in der Nähe der Querwände der Samenfächer oft
zu einzelnen Fäden isolieren, so daß sich dort ein zartes, durchbrochenes Netz
langer Zellen von einer Seite zur anderen spannt. Diese Schicht geht aus den die
Fruchtknotenhöhle auskleidenden Haaren hervor (Tremeau). Calciumoxalat (Flückigers
Quarzkömchen ?) findet man außer in den Kristallkammerfasem der Bündel (s. oben)
auch in der an die Pergamenthaut angrenzenden Schicht des Mesocarps, weniger im
übrigen Mesocarp (Hällström).
Die Samen werden von einer Testa umhüllt, deren äußerste Schicht aus
c. 190 mik. langen und 8 — 1 1 mik. breiten, radial gestellten, mit spaltenförmigen
Fig. 177-
Tamarindus t'ndica. Die Haarschicht des Endokarps. Beginnende Verfilzung.
[Nach Hallström.]
c->(f Weinsiluredrogen.
Lumen \ersehenen Palissadensklere'i'den gebildet wird. Diese Sklere'idenschicht ist an
dem Rande des Samens einreihig. Die Zellen besitzen hier eine sehr gegen Wasser
empfindliche Wand, so daß sich Teile der Schicht im Wasserpräparat abrollen. Da-
durch wird die oben (S. 535) erwähnte Erscheinung bedingt. Ihre Wand ist außen
braun, innen hell. An dem breiten eingesunkenen Mittelfelde der Breitseiten des
Samens (s. oben S. 533) ist die Palissadenschicht zweireihig. Außen liegt eine ge-
färbte, innen eine farblose Palissadensklereidenreihe, die genau aufeinander passen,
so daß sich das Spaltenlumen durch beide fortzusetzen scheint. Man kann aber
zwischen beiden eine zarte Trennungsmembran sehen. Das erweiterte Lumen der
inneren Reihe enthält kleine Körnchen. Die Palissadenschicht des Mittelfeldes ist
nicht emplindlich gegen Wasser (s. oben S. 533). Unter der Palissadensklereiden-
schicht folgt eine Zone heller, bisweilen knochenförmiger oder doch radialgestreckter,
oft chlorophyllführender Zellen mit stark quellbarer Wand. Die knochenförmigen Zellen
sind am eingesunkenen Mittelfelde besonders hoch und gut ausgebildet. Dann folgt
eine verschieden mächtige Schicht kleiner ausgebuchteter oder sogar sternförmiger
derber Zellen, die einen rotbraunen, in Wasser unlöslichen Inhalt führen und viele Inter-
zellularen zwischen sich lassen (Vogl stellt ihren Inhalt den Inklusen der Ceratonia
an die Seite). Die innerste Schicht endlich, die sich in Wasser ebenfalls stark streckt,
wird von großen, dünnwandigen, in den inneren Schichten oft radialgestreckten Zellen
gebildet, die ebenfalls einen rotbraunen Inhalt führen. Zwischen den beiden Schichten
liegt bisweilen eine Zone obliterierter Zellen. Die beiden den Samenkem bildenden
plankonvexen Cotyledonen besitzen sehr stark verdickte, mit großen Tüpfeln ver-
sehene Zellen, deren sekundäre Wand sich mit reinem Jod nicht (Nägeli), wohl
aber mit jodwasserstofThaltiger Jodlösung bläut, die also aus Amyloid besteht (vgl.
oben S. 263) und deren enges Lumen vollgepfropft ist mit in Ölplasma (Tschirch)
eingebetteten kleinen, nur 4 — 7 mik. großen Aleuronkörnern. Procambiumstränge durch-
ziehen das Interzellularen führende Gewebe. Erhitzt man den Schnitt mit Wasser zum
Sieden, so lösen sich die sekundären Amyloidmembranen und es bleibt nur
das Netzwerk der primären Membranen und die Öltropfen übrig. Das Amyloid der
Tamarinden verhält sich also ähnlich wie Lichenin (s. oben S. 263). Die c. 3 mm
lange kegelige Radicula trägt oben die c. i mm lange Plumula, an der der kegelige
Vegetationspunkt und eine Gruppe junger Blattanlagen sichtbar ist, die schon deutlich
die Fiederung zeigen (Fig. 1 73).
Lit. NÄGELI, Reakt. von Jod auf Stärkekörner und Zellmembranen. Sitzungsb. d.
Münch. Akad. 1863 (Buchn. Rep. 13 [1864] 145). — TrImeau, Rech. s. 1. devel. du fruit et
de l'orig. d. la pulpe d. 1. casse et du tamarin. Th^se Paris 1892. — K. H. Hällström, Z.
Entwickg. d. Fruchtwand v. Cer. Sil. u. Tamar. ind. Ber. d. pharm. Ges. 1910, 446. — VoGL,
Commentar 1908. — Pammel, Joum. appl. Micr. I, 37.
Chemie. Der charakteristische Bestandteil der Tamarinden ist der Weinstein,
das primäre Kaliumsalz der d-Weinsäure (S. 527).
Der Weinstein war schon im Altertum bekannt und wurde auch zur Darstellung von
Pottasche benutzt. Für Faex vini, XitvS, ol'vov, kam im XI. Jahrh. der Name Tartarum, dann
Tartarus auf, welches Wort wohl aus dem arabischen durdij]"" umgebildet und dann umgedeutet
wurde (durdijj = Bodensatz, sowohl beim Öl wie beim Wein, in tartarus = Unterwelt). Marg-
GRAF fand in ihm 1764 das Alkali. Scheele zerlegte 1769 das Calciumtartrat und isolierte
die Weinsäure (Sal essentiale Tartari), die er auch in den Tamarinden nachwies. Aber bereits
Angelus Sala, dem wir eine Tartaralogia verdanken (I, S. 868), hatte (1647) Weinstein im
eingedampften Auszuge der Tamarinden beobachtet und Cornettk sowie de Lassone hatten
Pulpa Tamarindi. c-iy
sein Vorkommen in den T. bestätigt. Weinsäure neben Weinstein fand schon de LaSSONE in
den T. Scheele erkannte sie 1770 als eine besondere Pflanzensäure, die er in den T. nicht
von Citronensäure und Apfelsäure begleitet fand (Retzius erhielt 1776 Weinsäure rein und
kristallisiert, I, S. 967).
Vauquelix zeigte 1790, daß der ausgepreßte Saft von Tamarinden (und
anderen Früchten) in der Ruhe zu einer zitternden durchscheinenden Gallerte erstarrt.
Das Pektin, von Vauquelin gelatine (gelee vegetale) genannt, von Bra-
CONNOT 1834 in Pektin umgetauft, wurde also in der Tamarinde entdeckt.
Vauquelin fand in Prozenten: 12,51 Zucker, 5,11 Gummi, 6,25 Gelatine, 9,4
Citronensäure, 1,56 freie Weinsäure, 3,25 Weinstein, 0,42 Apfelsäure,
37,5 Matteres feculentes, 24 Wasser; Scheele fand keine Citronensäure (s.
oben). Flückiger-Hanbury geben kleine Mengen an (Flückiger 1889: 7, ly^/o);
die Angabe Nesslers, daß Tamarinden 13,5 "/o davon enthalten, beruht wohl auf
einem Beobachtimgs- oder Rechenfehler. Die bei der Destillation mit verd. Schwefel-
säure übergehende Ameisensäure, Essigsäure (Grünzweig) und (in Spuren)
Buttersäure (Gorup-Besanez) betrachten die meisten Autoren als aus der Wein-
säure (und Citronensäure) bei der Gärung hervorgegangen, also als sekundäres Produkt,
da Weinsäure bei der Oxydation diese drei Säuren liefert, f g der im Handel be-
findlichen Pulpa vermag meist 14 — i 7 ccm n/ 10 Natron zu neutralisieren (Flückiger).
Bei der Dialyse des Muses dialysiert vornehmlich Weinstein und im Dialysator bleibt
das Pektin (Flückiger, Tschirch).
K. MtJLLER fand in der von den Samen befreiten Pulpa von Calcutta T. 21,92
bis 32,58 (im Mittel 27)°/o Wasser, 12,2 — 20,2 (M. 16,2) "/o unlöslichen Rückstand, 4,66 — 6,01
(M. 5,27)°/„ Weinstein, 5,29 — 8,80 (M. 6,63)% Weinsäure, 0,64 — 3,95 (M. 2,20) »/„ Citronensäure
(-(- Apfelsäure, die in sehr geringer Menge vorhanden), i g brauchten im Mittel zur Neutrali-
sation 17,6 n/io Ammon. Die wasserfreie Pulpa enthielt im Mittel 7,2 "/„, Weinstein und 9,09
Weinsäure. Brunner fand (1891) in Calcutta T. (und einer Sorte westindischer T.) 20,4 — 29,27
(22,79)''/o Wasser, 29,05 — 56,13 (21,53)% Extrakt, 12,16—21,52 (i5,42)"/„ Cellulose, 0,66—4,68
(5.37) °o Schleimstoffe, 14,93 — 22 (20,47) °/o Zucker, 3,6 — 5,87 (4,62)»/o Weinstein, 4,29 — 7,92
(6,84)''/„ Weinsäure, 0,78 — 3,08 (3,72)°'|, Citronensäure, Spuren Apfelsäure (nicht regelmäßig).
Die Asche des Löslichen betrug: 2,81 — 4,87 %, die des Unlöslichen 0,7 21 — 2,27%. Schwermetalle
waren nicht nachweisbar. Babo und Mach erhielten im Mus 34,33% Zucker als Invertzucker
berechnet, 15,51 freie Säure auf Weinsäure berechnet, 6,6l Weinstein, 8,23 freie Weinsäure,
4,4 Apfelsäure, keine Citronensäure, 3,3 Asche. Auch Adam erhielt (1905) keine Citronen-
säure, dagegen mehr 1-Apfelsäure als die früheren Autoren und etwas Milchsäure und
Essigsäure. Adam fand in kernfreiem Mus: Acidität (als Weinsäure ausgedrückt): 15,4%)
Weinstein 7,74%, Weinsäure im Weinstein 6,17%, freie Weinsäure 10,18%, hieraus Gesamt-
weinsäure berechnet 16,35%, flüchtige Säure, als Essigsäure, 0,014%, Milchsäure 0,465%,
Apfelsäure -{- Milchsäure, als Apfelsäure berechnet, 2,01% — in Wasser unlöslich 12,36,
Wasser 30,5, Asche 2,89, Rohprotein 3,22, Invertzucker 24,73. ^^^ Lösung dreht links, nach
Vergären bleibt eine schwache Rechtsdrehung bestehen. In 100 T. Fruchtfleisch javan. Tama-
rinde fand Prinsen Geerligs 5,81 Dextrose und 2,51 Lävulose; Saccharose fehlte. Eine
andere Analyse javan. T. von Bosz (1910) ergab dagegen 41,91% reduz. Zucker, keine
Saccharose, 0,44% Fett, 8,16% Stärke, 26,9% Wasser, 3,03% Asche.
Die Asche der Pulpa tamarindi enthält bisweilen Kupfer (über die Verbreitung des
Kupfers bei Drogen vgl. TsCHIrCH, Das Kupfer vom Standpunkt d. gerichtl. Chem. usw.
Stuttgart, Enke 1893).
Remeaud untersuchte aus Früchten von Indo-China selbst dargestelltes Tama-
rindenmus. Er fand in 100 g ganzer Frucht: Epicarp und Gefäßbündel 24,35, Endo-
carp: 7,76, Samen 37,07, Pulpa 29,31. Die Pulpa enthielt:
53S
Weiii Säuredrogen,
In 100 2
Präparierte
Pulpa
Gereinigte
Pulpa
Rohe Pulpa
ohne Samen
Trockenes Extrakt
Wasser (und bei loo" flüchtige Bestandt.) . . .
Asche
Unlöslich in Wasser
Gesamtsäure (auf Weinsäure berechnet) ....
Weinstein
Phosphorsäure
And. Säuren (nicht bestimmt, auf Weinsäure berechnet)
Invertzucker
Saccharose
Pektin
62,831
37.169
2,816
6,246
11,729
6,055
0,248
3.603
42.307
0,669
0,352
73.04
26,96
3.259
7,078
15.340
7,340
0,375
5,378
34,284
0,460
73,035
26,965
3,198
12,348
15,888
6,575
0,275
5,906
32,000
>,379
Es ist also auch heute noch nicht sicher festgestellt, ob Tamarinden
Citronensäure enthalten oder nicht. Nach einem vorläufigen Versuche zu
urteilen, halte ich ihr Vorkommen in den ostindischen T. des Handels für zweifelhaft.
Vielleicht wird die ursprünglich vorhandene Citronensäure durch den Gärungs- bzw.
Nachreifungsprozeß (oben S. 532) zerstört.
Dieterich fand (1894) in kernfreiem Mus: 10,83 — lö-io^/o «Säure» (durch
Titration ermittelt und auf Weinsäure berechnet), 19,5 — 34,26"!^ Zucker und
41,7 — 57,37''/o Extrakt. 1904 in Pulpa Tamar. cruda: 3 — 12 ''/q Kerne,
-97 "/o
kemfreie Pulpa, 35 — 49,5i"/o bei 100" getrocknetes wässeriges Extrakt, 9,66 — i3,85"|o
«Weinsäure», 20 — 37,4''/o Invertzucker.
Gute Tamarinde sollte nicht mehr als 1 5 "/q Zellulose und 2 2 "Jq Wasser ent-
halten und nicht weniger als 45^/0 Extrakt geben.
Die Substanz, welche die abführende Wirkung bedingt, ist unbekannt. Soubeiran
und Regnaud führen sie auf den Weinstein, die Säuren und ein (unbekanntes)
principe resinoide zurück. Doch dürfte auch der Zucker daran beteiligt sein.
Die Samen (die Samenkerne) enthalten in Prozenten: 10,5 (9,35) Wasser, 13,87 (18,06)
Eiweiß, 4.5 (6,6) Fett, 63,22 (62,88) Kohlehydrate, 5,36 (0,66) Faser, 2,55.(2,45) Asche (Hooper).
Ülgehalt nach (Sch.\dler) 15 — 20 "/d. Der Samenkern gibt, da er Amyloid enthalt, mit Wasser
gekocht eine dickliche, mit Jod sich bläuende Lösung (s. Anatomie), die bei der Hydrolyse
Galaktose, beim Behandeln mit Salpetersäure Schleimsäure liefert. Das Öl des Samen scheint
in den (94,9%) l'ettsäuren Arachinsäure zu enthalten. Säurezahl: 0,84, Verseifungszahl: 183,
Jodzahl: 87,1 (HoopER).
Ein Exsudat des Baumes von Calciumoxalat beobachtete Prebble (Pharm, ind.).
Lit. Sala, Opera medico-chym. Frankf. 1647, 137. — DE Lassone, Hist. d. 1. Soc.
JWd. Paris II, 269. — Scheele, Phys. u. ehem. Werke II, 379 (1770). — Retzius, Versuche
mit Weinstein u. dessen Säure. Abh. d. Schwed. Akad. 1770. — Vauquelin, Analyse du Ta-
marin et reflexions s. quelqu. unes d. s. pr^p. medic. Ann. d. chim. 5(1790), 92 (dort die ältere
Lit.: RotTELLE, Cartheuser, Bucquet). — Gorup-Besanez, Buttersäure in den Früchten des
Seifenbaumes (Sapind. Saponaria) nebst einigen Bemerk, über d. flucht. Säuren d. Tamarinden.
Lieb. Ann. 69 (1849), 369. — C. Grünzweig, Über Buttersäuren verschied. Ursprungs. Lieb.
Ann. 162 (1872), 227. — Pf ÄFF, Syst. d. Mat. med. — K. Müller, Über Tamarinden, Pharm.
Centralh. 1882, 581. (Arch. Pharm. 1883, 42). — F. J. H. Brunner, Bestandt. d. Fruct. Ta-
mar. Apoth. Zeit. 1891, 53. — Kessler u. Barth, Zeitschr. anal. Chem. 1882, 63. — Prinsen
Gkerligs, Zuckergeh. Chem. Zeit. 1897, 719. — Bosz, Bull. Kolon. Mus. Haarlem Nr. 46,
1911. — Dieterich, Helfenb. Ann. 1888, 1893, 1894. — Adam, Beitr. z. Kenntn. d. Tamar.
Zeitschr. d. Öster. Apoth. Ver. 1905, 797. — Babo u. Mach, Handb. d. Weinb. u. d. Keller-
wirtsch. II, 766. — O. Remeaud, Sur 1. comp. d. 1. pulpe de tamarin. Journ. pharm. 1906,
Pulpa Tamarindi. ^jg
424. — Die Methoden zum Nachweis und zur Bestimmung der Weinsäure und Citronensäure
(sowie des Weinstein) bei K. MÜLLER (a. a. O.), Brunner (a. a. O.), Adam (a. a. O.), Remeaud
(a. a. O.)- Vgl. ferner bei Barbet (Chem. Centralbl. 1859, 366), Schnitzler (Ebenda 1862,
317), Fleischer (Arch. Ph. 1874, 97), Aller (Arch. Pharm. 1876), Cailletet (Ebenda 1878),
Salzer (Ebenda 1888) und in Schmidt, Pharmazeut. Chemie. Vgl. auch oben S. 508. Eine
ganz scharfe Methode, kleine Mengen von Citronensäure neben Weinsäure nachzuweisen, gibt
es zurzeit noch nicht.
Pektin: Soubeiran, Vauquelin, Payen, Br.^connot (vgl. unter Pektin S. 277); — Fremy,
Chem. Unters, über d. Reifen der Früchte, Pektose, Pektase (deutsch v. Gr.\ger) 1851 (Ref.
in Arch. Ph. 68 [185 1], 72); — Übersicht bei Reichardt, Die Gruppe der Pektinkörper. Arch.
Pharm. 56 (1877), 116 und in Gmelins Handb. 1862.
Samen; Hooper, Agric. Ledger 1907, Nr. 2. — Sachsse, Chemie d. etc. Kohlenhyd.
1877. — ToLLfiNS, Kohlenhydrate I, 227. — ScHÄDLER, Öle. — Über Amyloid s. oben S. 263.
Verfälschung. Als Verfälschungen sind beobachtet besonders beigemischte
Samen und Fruchtwandstücke, dann Wurzelteile (1891), Melasse. Eine Verfälschung
mit Zucker, anderen Musen usw. lohnt bei dem billigen Preise der Tamarinden nicht
(Pflaumenmus erwähnt schon Mesue). In schlechtem Muß finden sich bisweilen
Maden und Milben. Als zufällige Beimengungen können (von den beobachteten) Lein-
samen und Kürbiskeme gelten. Kupfer (durch Einstellen eines blanken Messers nach-
zuweisen) ist neuerdings nicht mehr beobachtet (s. oben S. 537).
Anwendung. Die Tamarinde ist noch heute ein sehr beliebtes gelindes Abführmittel,
wie zur Zeit des MESuic, wo wir im Grabaddin(I, S. 599)das Tamar Indorum unter den medicinis solu-
tivis als Bestandteil der Laxirlatwergen antreffen (s. Geschichte). Die allerdings stark verein-
fachte Senna-Tamarindenlatwerge steht noch in unseren neuesten Arzneibüchern und die Tama-
rindenkonserven (Confectio s. conserva t., Tamarindenkonserven Kanoldt, Tamar indien Grillon)
erfreuen sich großer Beliebtheit. (Der Tamarindenmolken, Serum lactis tamarindinatuin^ der An-
fang des XIX. Jahrh. sehr beliebt war, ist jetzt aus der Mode gekommen.) T. wurde also schon
während des Mittelalters in Europa als Purgativ benutzt. Linschoten empfiehlt sie besonders
als billiges Abführmittel an Stelle von Rhabarber, Manna-a%vi. Paludanus berichtet, daß die
Türken und Ägypter sie viel bei Fieber brauchen. Tamarindenlimonade wird von Fieberkranken
auch heute noch gern als erfrischendes Getränk genommen. Die als unschätzbare, köstliche Gabe
der Natur von den Reisenden bezeichnete Frucht des den größten Schmuck der Negerländer
bildenden Baumes, die von höchster Bedeutung für die trockenen, vegetationsarmen Länder,
namentlich die Binnenländer Afrikas, ist ^RoHLFS, Barth, Munzinger), wird bei Reisen durch
den dunklen Erdteil teils zur Herstellung erfrischenden Trankes, teils auch dazu benutzt, ver-
dorbenes Wasser trinkbar zu machen. In Cordofan ist das Fruchtmus zu Ballen geformt, allein
und mit Senna, auch Abführmittel, ebenso sind die Rinde und die Wurzel dort in Gebrauch.
BoNTlus (I, S. 897) beschreibt ein in Java aus Tamarinden bereitetes Bier von delikatem Ge-
schmack und großer Bekömmlichkeit für den Tropenbewohner. Das gleichzeitige Vorkommen
von Zucker und Weinstein ladet geradezu dazu ein, die Tamarinden zur Kunstweinfabrikation
heranzuziehen, was denn auch schon seit längerer Zeit auch bei uns (wie seit langem in Indien)
geschieht. Tamarindenfrucbtsirupe und Bonbons sind besonders in Italien beliebt. Mit Butter
und Zwiebel bildet das Mus eine sehr erfrischende Nahrung, mit Zwiebeln, Honig und Pfeffer
ein beliebtes Mittel gegen Klimakrankheiten in Afrika. In Indien werden daraus mit Zucker
oder Gewürzen beliebte Leckereien bereitet und das Mus auch für Sancen, Currie etc., sowie
zur Bereitung der sog. Tamarindenfische benutzt. Man findet T. auf jedem Markt in Südasien
(TsCHiRCH). Dann dienen T. auch zum Saucieren des Kau- und Schnupftabaks. Bei Hungersnot,
wie sie ja in Vorderindien häufig ist, spielt der Same eine ziemlich große Rolle. Er wird als
famine food besonders in der Präsidentschaft Madras und Central-India, dann auch in Bengalen
und den Zentralprovinzen benutzt (HoOPER) und eignet sich wegen seiner Zusammensetzung
(oben S. 538) hierzu sehr gut, besonders wenn er von der gerbstoffhaltigen Schale befreit wird.
Die Samen werden daher zur Entfernung der Schale geröstet und eingeweicht und die Kerne
dann gekocht oder gebacken oder vermählen und dem Mehl zugesetzt. Roh werden sie wie Betel
gekaut. Der aus den Samen bereitete Kleister (s. oben S. 536) dient zum Stärken. Sie finden
^ 1 0 Weinsäuredrogen .
auch medizinische Anwendung äußerlich und innerlich (Dymock). In Indien werden von der
Tamarinde auch die angenehm sauer schmeckenden, ebenfalls abführenden Blätter, die Blüten,
die Rinde und das Gummi benutzt , wie auch die Asche der Rinde und die Blätter (Phar-
mac. ind.).
Lit. HooPER, Agr. Ledg. 1907. — Barth, Reis. u. Entdeck, in Nord- u. Central-Afrika
1S5S I, 614, III, 334, 400. — ROHLFS, Reisen durch Nordafrika 1872, 23. — Hunzinger,
Ostafrikan. Studien 1864. — Dymock, Veg. Mat. med. West. Ind.
Geschichte. Unter den Heilpflanzennamen des alten Ägyptens ist keiner bis jetzt als
auf T. sich beziehend sicher erkannt worden. Aber unter den Drogen, die z. B. der Papyrus
Ebers als Bestandteile der Composita anführt, sind noch sehr viele nicht gedeutet. Vielleicht
ist die Frucht vom Kesebtbaum, die dort unter den Abführmitteln steht, die der Tamarinde
(Ebers deutet sie, mir nicht einleuchtend, als Ricinus, der aber andere Namen hatte ; in Cordofan
heißt die T. heut: ardeb). Der Baum kam im Altertum nicht in Ägypten vor, ist aber wohl
die xiQazia des Strabo (I, S. 532), die dieser (Lib. XVII, c. 2, § 1) um 20 n. Chr. in Äthio-
pien (wo ja Ceratonia nicht vorkommt) erwähnt (Ernst Meyer). — In Abyssinien traf
F. AxVAREZ (1520) den Baum. — Doch haben sich die Ägypter des Tamarindenmuses, wie es
scheint, beim Färben der Mumienbinden und beim Einbalsamieren bedient (John). Die von
Gardner Wilkinson als Taraarindensamen gedeuteten, in einem Grabe von Theben gefundenen
Gebilde erwiesen sich nicht als solche (BiRCH u. Hanbury). Der Tamarindenbaum war den
Griechen bekannt. Er ist das öivÖQOv noXi'ipvXXor des Theophrast, wie schon Sprengel ganz
richtig vermutete. Sie trafen ihn auf dem Alexanderzuge am persischen Golf auf der Insel Bah-
rein (Bretzl). Doch bedienten sich die Alten nicht der Früchte. Die täglichen periodischen
Bewegungen der Fiederblättchen der Tamarinde — am Abend legen sich die Fiederblättchen
zusammen und die Spindel senkt sich nach unten — Bewegungen, die wir jetzt als nyctitropische
bezeichnen, beobachtete zuerst Androsthenes auf dem Alexanderzuge auf der Insel Bahrein
und Theophrast beschreibt (bist. pl. IV, 7, 8), offenbar nach dieser Quelle, die Erscheinung
des Pflanzenschlafes bei der Tamarinde (Abbild, bei Bretzl) ganz korrekt und in meister-
hafter Kürze. Die Erscheinung ist also bei der Tamarinde entdeckt worden. Sie
fiel auch den Europäern, als diese Indien im XVI. Jahrh. betraten, sofort auf, z. B. Garcia
DA Orta, Acosta u. and. Die alte Sanskritliteratur hat mehrere Namen für T. In der indischen
Medizin spielte das Mus keine sehr große Rolle, wird aber in Indien noch jetzt benutzt. Unter
den Abführmitteln von SuSrutaS (I, S. 504) findet sich wohl Cassia fistula, aber nicht die
Tamarinde. Schon im alten Indien bedienten sich aber die Silberschmiede des Muses zum Weiß-
sieden des Silbers (ähnlich wie später und noch heute des Weinsteins). Die medizinische Ver-
wendung des Tamarindenmuses hat sich im Mittelalter von Indien über Arabien nach Europa
verbreitet. Die Araber haben die T. jedenfalls von den Indern kennen gelernt, wie schon ihr
Name tamr hindi = „Indische Datteln" zeigt. Alexander Tralliands (I, S. 591) kannte die
T. noch nicht. Alhervi (X. Jahrh., vgl. I, S. 601) beschreibt das schwarze, wie Pflaumen
schmeckende, Mus der Tamr ul bind! gut mit seinen Fasern und Samen, wie wir es noch heute
im Handel finden. Abu Hasan (bei Ibn Baithar) und Ibn SSna (I, S. 603) erwähnen die ab-
führende und «herzstärkende» Wirkung der Früchte und ihren sauer-süßen Geschmack. Auch
die Samen wurden von den Arabern arzneilich benutzt. Bei Mesue (XII. Jahrh., I, S. 600)
steht Tamar indi unter den Abführmitteln neben Pruna und Cassia. Als Vorkommen erwähnt Abu
Hanifa: Scharäh, Oman, Abu Hasan: Yemen, Indien, Nigritien, Bassora. Mesue nennt Cambaya
und Guzarate, Ser.\pion: Indien, Bonifaa (fälschlich): Syrien. 1270 wurden sie in Aden verzollt
(I,S.699). Marco Polo erwähnt sie. Die Tamarinden stehen auch sowohl im ältesten wie im jüngsten
persischen Werke über Pharmakologie: sowohl bei Alhervi (Muwaffak, X. Jahrh. I, S. 601)
wie im Makhzan el Adwiya (XVHI. Jahrh. I, S. 614). Sie nehmen aber im mittelalterlichen
Handelsverkehr keine hervorragende Rolle ein (Flückiger). Die Schule von Salerno übernahm
die T. von den Arabern als Oxifenica und Dactyli acetosi. So z. B. bei Platearius und Saladin,
der sie für eine Palmenfrucht hielt. Tamarinden sind (meist in Verbindung mit Cassia fistula,
Senna, Rosinen, Pflaumen und Manna) Bestandteil des Electuarium Unitivum Nicolai Alexandrini,
des El. de Seliesten Bartholomai Montagnanae, des Diaprunum compositum Nicolai, des Diacatho-
licum Nicolai, der Confectio Hamech Mesue u. and. Die Bezeichnung Indische Dattel oder Sauer-
dattel hat viel Verwirrung angerichtet. Noch der Ricettario fiorentino (I, S. 794), ja selbst noch
POMET (1, S. 942), der eine schlechte Abbildung der Pflanze gibt, und Valentini (I, S. 912)
Pulpa Tamarindi. c ^ I
geben (wie die Araber, z. B. Mesue) eine Palme als Stammpflanze an, obwohl doch bereits
Gakcia da Orta (I, S. 736), ACOSTA (I, S. 739), LiNSCHOTEN (I, S. 743) und BONTIUS (I,
S. 897) den Baum im allgemeinen richtig beschrieben und zum Teil ausdrücklich die Unter-
schiede von den Palmen hervorgehoben hatten, Rheede (I, S. 898) eine gute Abbildung und
RUMPHIUS (I, S. 900) eine Abbildung und eine ausführliche Beschreibung gegeben und auch
Alpini (I, S. 910) z. B. die Schlafbewegungen der Blätter gut beschrieben hatte. Den Baum
lernte man also erst kennen, als der Seeweg nach Ostindien gefunden war (I, S. 728). Er hieß
damals in Guzarat ambili, in Malabar puli (Garcia DA Orta). Auch in Barbosas berühmter
Preisliste (I, S. 741) figurieren die T. und in des Pires Brief an Manuel (I, S. 742) wird aus
Cochin über die großen Mengen der T. in Malabar, Coromandel und Java berichtet. T. war
also schon im Anfang des XVT. Jahrh. in Java zu finden. Da Hernandez (I, S. 761) die
Tamarinde (Mizquitl, Hoxinue, Quahunachaztli) 1570 beschrieb und abbildete, so muß sie schon
bald nach der Eroberung Mexicos dorthin gebracht worden sein. Hernandez sagt von ihr:
«nuper ad eas oras translata». Auch nach Westindien ist T. durch die Spanier sehr frühzeitig
gebracht worden.' Sie ist jetzt dort wie in Ecuador sehr häufig. In Brasilien trafen sie Piso
und Marcgraf (I, S. 893) schon 1648. In älteren deutschen Glossarien und Arzneibüchern
fehlen die Tamarinden (FlüCKIGEr). Bei Cordus (I, S. 803) steht Tamarindtcs pulpa et semen,
Tamarin im Inventar Lefort (I, S. 805) und in zahlreichen Pharraakopoeen, Taxen und Listen,
wie z. B. in der Frankfurter Liste, im Eßlinger Drogenverzeichnis (1550) und der Taxe (1571)
findet sich die Tamarinde.
Lit. Udoy Chand Dutt, Mat. med. of the Hindus. — Dymock, Veget. mat. med. West.
Ind. und Pharmac. ind. — KaKNT-Lall Dey, The Indigenous drugs of India. Calcutta 1896. —
WÖNiG, Pfl. d. alt. Ägypt. — Bretzl, Bot. Forsch, d. Alexanderzuges. — Ernst Meyer, Bot.
Erläut. z. Strabons Geograph. 1S52. — JoRET, Le Naturaliste (2) lo, Nr. 36. — Flückiger,
Pharmakogn.
VI. Citronensäuredrogen.
Von den dreibasischen Säuren kommen für uns:
COOK COOK
I I
CH„ CH.,
I ■ ! "
CH.COOH und OH C. COOK
I I
CH, CH.,
I " I "
COOH COOK
Tricarballylsäure Citronensäure
(Oxytricarballylsänre)
in Betracht, von denen die erstere in unreifen Rüben gefunden wurde (Lippmann),
die von Scheele 1784 entdeckte, von Liebig 1838 als dreibasisch erkannte Citronen-
säure aber in zahlreichen Früchten vorkommt, wie den Ci/ntsarien, den Preißelbeeren,
Johannisbeeren, Heidelbeeren (S. 64), Stachelbeeren, Kirschen (S. 73) sich aber auch
im Zuckerrohr, in der Zuckerrübe und in Tabaksblättern findet (revisionsbedürftige Zu-
sammenstellung in HuSEMANN-HiLGER, Pflanzenstoffe, dann bei Czapek und im Beil-
stein) und bei der sog. Citronensäuregärung (s. oben S. 507) entsteht. Es sind besonders
einige Cü>vm\cesarten[C. Pfeßsnamis, citricus, lacticiis, tartaricus, oxaUcus], die unterhalb
20 ", bei mangelhafter Stickstoffnahrung bisweilen 50 "/o und mehr des Zuckers (am besten
eignet sich Maltose, weniger Saccharose, Dextrose und Lävulose) in Citronensäure über-
zuführen vermögen (Buchner und Wüstenfeld, Wehmer, Herzog und Polotzky).
Frei und neben wenig oder gar keiner Apfelsäure findet sich Citronensäure in den Früchten
von Citrus liinonum, Vaccinium vitis idaea, V. oxycoccus und V. macrocai-pum (1,4 "Jq
^11 Citronensäiiredrogen,
Ferdinand), sowie Oxvcocats palustris (2 — 2fi''\^ Kossowicz); neben Apfelsäure
(etwa zu gleicnen Teilen) findet sich Citronensäure in der Johannisbeere ( 1 "L), ferner
in der Stachelbeere, der Heidelbeere, Himbeere und in Rubtts chamaetnorus , sowie
im Kraute von Chelidonium majiis] neben Apfelsäure und Weinsäure in den
Vogelbeeren (und vielleicht auch in der Tamarinde, Vauquelin). Von den Citronen-
preßsäften des Handels enthält am meisten fremde Säuren der Saft der Bergamotte,
dann der Limottensaft, am wenigsten der Saft der Citrone (Warrington). IVIikro-
chemisch läßt sich Citronensäure als Silbersalz nachweisen.
Synthetisch kann Citronensäure aus Gl yc er in über Dichlorhy drin — (9 Dichloraceton —
Dichloracetoncyanhydrin — Dichloracetonsäure und deren Dicyanid (Gb.iM-\ux u. Adam) (bzw.
aus Acetondicarbonsäure) erhalten werden, aber weder diese Synthese, noch die von Adreoni
und Kekule, die von der Apfelsäure ausgehen, werden praktisch ausgeführt. Sie sind zu teuer.
Noch immer liefert die Natur die billigste Citronensäure (in der Citrone und, n,ich AVehmer,
mittelst Citromyces (S. 507), vgl. Chem. Zeit. 17, 1180 u. 21, 381 u. 1022).
Die Citronensäure bemerkte schon vor 1732 zuerst Boerhaa VE (1,8.957) in den Citronen
und studierte die Wirkung des Saftes auf Metalle. Sie wurde dann von Retzius (1776) isoliert,
aber erst von Scheele (1784) kristallinisch erhalten. Daß Citronensäure von Weinsäure ver-
schieden ist, fand außei Scheele auch Retzius (I, S. 966).
Frische Citronen kommen vom Gardasee, wo sich große, sehr eigenartige
Kulturen befinden (vgl. I, Fig. 27 u. 28), die jährlich c. 15 Mill. Citronen liefern,
dann aus Sizilien, das jährlich c. 50 Milliarden produziert. Italien exportierte 1909:
2560628 Quint. Limoni anche in acqua salata. Riesige CiVrz^- Kulturen finden sich
in Kalifornien (I, Fig. 31). Hamburg importierte IQ08: 236943 dz Citronen, davon
kamen 225609 aus Italien, 10273 ^'^^ Spanien, geringe Mengen aus Frankreich,
Griechenland, das jährlich c. 60 Mill. xLtqov xo xoivlv produziert, und Syrien.
Man kann Citronen dadurch konservieren, daß man die Anheftungsstelle mit Paraffin
überzieht und die Früchte in Salz einbettet.
Das mittlere Gewicht einer Citrone beträgt 153,8 g (Olivieri e Guerrieri).
Bei den Citronen kommt c. 35 — 38,50"/,, auf die Schale, c. 59 "/o auf das Frucht-
fleisch und c. 2,5 "Iq auf die Kerne — sie liefern bis 37 — 44,5 ''j^ Saft. Eine gute
Citrone gibt durchschnittlich 24,8 g Saft und liefert c. 2,41 krist. Citronensäure.
Ältere Citronen enthalten keine Citronensäure mehr (Stoddart). iooo kg guter
Citronen sollen 55 kg und 1000 kg Johannisbeeren 7,5 — 10 kg krist. Citronen-
säure geben. Außer diesen wird auch der Preißelbeersaft, der i — 1,2 "/g enthält,
zur Darstellung der Citronensäure im Großen empfohlen (Gröger). Im Liter des
Saftes unreifer Maulbeeren finden sich 26,85 g Citronensäure (Wright und Patter-
son). Echter Citronenpreßsaft hat ein spez. Gewicht von c. 1,043 — 1,045 und einen
Durchschnittsgehalt von 9,72 "/g C. (Stoddart). Er enthält aber oft nur 186 bis
280 g Citronensäure in der Gallone, d. h. nur 4 — 6 "l^, (Warrington), doch steigt
der Gehalt auch auf ii,3''/o (5,- — lfi% bildet die Regel bei gutem Saft, Hensel
und Prinke). Fremde Säuren enthält Citronensaft meist nur 2,5 "/g, Limettensaft
7 — 8 "/o , Bergamottensaft 12 — 1 3 "/o-
Im Citronensaft wurde neuerdings gefunden: io,44''|q Extrakt, c. 1,42 % Invert-
zucker, 0,52 */j Saccharose, 5,39 — 5,83''/o Citronensäure, 0,32 "/g StickstofiTsubstanz
mid 0,2 "/q Asche (Zusammensetzung der Asche bei König). In looccm Saft unreifer
Citronen fanden sich 7,52 g, im Safte reifer 7,27 g Citronensäure, der Säuregehalt
bleibt also etwa gleich (Bornträger), doch steigt der Gehalt bisweilen bis 8,30 g in
looccm, wovon 1,57 g als Ester gebunden (Späth und Sendtner).
Citronensäuredrogen.
543
Citronensaft wird für den Großhandel in Italien aus den Früchten von Citrus
medica L. subsp. Lirnojium (Risso) Hooker fil. {Citrus Limonum RiSSO, C. medica var.
ß L.), der Citrone oder Limone — Sugo di Limone — und Citivs medica Risso
(C. medica cedro Gallesio, C. m. var. a L.), der Cedrolimone — Sugo di Cedro — ,
viel seltener aus denen von Citrus Aurantium L. subspec. Bergamia (Risso et Poiteau)
Wicht et Arnott, der Bergamotte, in Westindien (Montserrat) aus denen von Citrus
Limetta Risso dargestellt.
Über die zur Citronensäuregewinnung nötigen Rohprodukte, die in Süditalien
hergestellt werden, hat Ravasini ( i 9 i i ) an Ort und Stelle folgende Auskünfte, erhalten :
Die Citronensäure wird technisch ausschließlich aus dem Safte der Citronen
und Cedrolimonen, der in Süditalien, namentlich in Calabrien und Sizilien, bereitet wird,
gewonnen. Die Citronenfrüchte werden, wenn sie ihre volle Reife erlangt haben, ge-
schält (I, Fig. 165) — die Schalen werden zur Bereitung der Limonen (Citronen-)
Essenz verwendet (I, Fig. 166) — , und der Saft des Fruchtfleisches mittelst hölzerner
zylindrischer Pressen (torchi) ausgepreßt (I, Fig. 176). — Ein Liter des so erhaltenen
Citronensaftes enthält 55 — 60, im günstigsten Falle 70g Citronensäure. — Da die Citronen-
säuredarstellung nicht in Italien selbst ausgeführt wird, so muß dieser Saft, um
Fig. 178.
Die Orte der Citronensaftverarbeitung in Sizilien und Calabrien. Die Orte, wo Agro-cotto bereitet wird mit unter-
strichen, die, wo Cedrato di caice hergestellt wird, mit x x x x x bezeichnet. [Ravasini gez.]
exportiert werden zu können, vorerst eingedampft werden, was in großen Gefäßen
aus glasiertem Ton ausgeführt wird. Der eingedampfte Saft wird noch warm filtriert
und kommt dann unter dem Namen Agro-Cotto in großen hölzernen Fässern von
100 — 250 kg Inhalt an die ausländischen Fabriken zur Versendung. Dieser konzen-
trierte Citronensaft, Agro-Cotto, stellt eine sirupähnliche bräunliche Flüssigkeit dar, welche
am Citrometer 60" zeigen muß, d. h. sie besitzt eine Dichte von 1,2394 und ent-
hält c. 400 g kristall. Citronensäure im Liter. Die Darstellung von Agro-Cotto findet
in folgenden Provinzen und folgenden Orten Süditaliens statt: Reggio Calabria (bei
Gallina, Motta S. Giovanni und Gallico), Catania (bei Acireale, Giarre, Calatabiano,
Fiumefreddo und Riposto), Messina (bei Guidomandri, Nizza Sicilia, Milazzo, S. Teresa
di Riva und Giardini), Siracusa (bei Floridia), Palermo und auf der Insel Ischia
^^4 CitronensHuredrogen.
nalie Neapel (,hier wenig). Deutschland importierte 1909: 1705 dz Citronensaft, be-
sonders aus Italien. Neuerdings wird Citronensaft aus den zerquetschten geschälten
Früchten durch Centrifugieren dargestellt. Dieser ist leicht zu klären.
Behufs der Reindarstellung der Citronensäure wird der rohe Citronensaft mit
Kalk neutralisiert und der so erhaltene citronensäure Kalk dann durch Waschen mit
Wasser von den löslichen, nicht mit Kalk unlösliche Verbindungen eingehenden
fremden Saftbestandteilen befreit und dann mit Schwefelsäure zerlegt. Die zur Kristalli-
sation gebrachte Lauge liefert zunächst gefärbte Kristalle (rohe Citronensäure, in der
Kattundruckerei benutzt), die dann mit Kohle gereinigt werden. Die reine Citronen-
säure, das Acidum citricum des Handels, ist das Monohydrat. Die Ausbeute
beträgt c. 5,5 "/o (bei Johannis- und Preißelbeeren nur 1 — 1,50/0).
Um den kostspieligen Transport des verhältnismäßig wenig verwertbares Material
enthaltenden Citronensaftes zu umgehen, ist man auf den Gedanken gekommen, an
Ort und Stelle die Citronensäure in unlösliches Tricalciumcitrat («Citrato di calce >
[odercalcio] oder, wie in Sizilien meistens genannt, «Cedrato di calce») zu verwandeln
und dieses letztere an Stelle des Saftes in den Handel zu bringen. Diese Operation
wird folgendermaßen ausgeführt. Der durch Pressung erhaltene Citronensaft wird
zuerst einige Zeit sich selbst überlassen bis Gärung eintritt, was die Absonderung
von Eiweiß- und Schleimsubstanzen bewirkt (der Schleim entstammt besonders der
Samenschale). Nun werden in einer großen gemauerten, gewöhnlich 10 000 Liter
Flüssigkeit fassenden Cisterne, die mit einem mechanisch beweglichen Aufrührer
und einem Serpentinrohr versehen ist, 2000 Liter Citronensaft und 8000 Liter kaltes
Wasser zusammengebracht. Man rührt alles gut um und läßt durch das Serpentin-
rohr so lange kaltes Wasser durchfließen, bis die ganze Flüssigkeitsmenge auf eine
Temperatur von 5'^ erniedrigt worden ist. Nun wird das Umrühren durch weitere
lo Minuten fortgesetzt und schließlich 50 Liter eines Summachextraktes hinzugefügt,
durch dessen Tanningehalt die Fällung aller Eiweiß- und Schleimsubstanzen vervoll-
ständigt wird. Die Flüssigkeit wird jetzt durch eine Filterpresse geführt, wobei der
Niederschlag beseitigt wird, und kommt aus dieser entweder in 2000 Liter fassende
hölzerne Wannen oder (was bei neueren Installationen zu finden ist) wieder in ge-
mauerte Cisternen, welche aber mit einer durchlöcherten Serpentine versehen sind,
durch welche soviel Dampf eingeführt wird bis die Flüssigkeit zum Sieden gelangt. Man
ermittelt nun in einem kleinen Flüssigkeitsquantum die in diesem enthaltene Säure-
menge und setzt auf jede 100 kg Säure 45 kg gebrannten Kalk oder 57 kg Kalkhydrat
hinzu, wobei sich sogleich citronensaurer Kalk absetzt, welcher in einer Filter-
presse aufgefangen, durch 10 Minuten mit heißem, durch weitere 10 Minuten mit
lauem und durch folgende 5 Minuten mit kaltem Wasser ausgewaschen wird.
Getrocknet wird dieser Citronenkalk in hölzernen Fässern aus Catania und
Palermo meistens nach Nordamerika, Frankreich, Deutschland und England exportiert,
wo er zur Citronensäurefabrikation Verwendung findet. Italien selbst fabriziert
keine Citronensäure und wird sogar die hier zum Verbrauch kommende
Quantität fast ausschließlich aus England und Deutschland bezogen, aus
letzterem Lande 1909: 359 dz. «Citrato di Calce» wird dagegen schon in fol-
genden Provinzen und an folgenden Orten dargestellt: Reggio Calabria (bei Gal-
lina und Palizzi), Messina (bei Roccalumera und San Filippo del Mela), Siracusa
(bei Modica), Palermo (bei Bagheria).
Es ist vorauszusehen, daß mit der Zeit die Darstellung vom Citrato di Calce jene von
Fett- und Wachsdrogen.
545
Agro-Cotto ganz verdrängen wird. — In der Provinz von Palermo, wo sechs Fabriken zu finden
sind, die den konzentrierten Preßsaft und Cedrato di Calce darstellen, hat sich schon eine
von diesen in eine größere Aktiengesellschaft verwandelt, die über 70000 kg im Jahre Ci-
trato di Calce exportieren soll. — Die Provinz Messina allein soll über i Million kg kon-
zentrierten Citronensaft (Agro-Cotto) im Jahre darstellen, was sicher eine enorme Quantität
darstellt, wenn man bedenkt, daß man, um lOO kg gewöhnlichen (nicht konzentrierten Saftes)
zu erzielen, 2000 — 2800 Citronen benötigt. Die Exportzififern sind folgende: Gewöhnlicher,
nicht konzentrierter Zitronensaft (Succo di cedro e di limone crudo) 1908: 9250,
1909: 6172, igio: 6014 quint. Konzentrierter Citronensaft (Agro-Cotto): 1908: 8366, 1909: 1 178,
1910: 8352 quint. Cedrato di calcio: 1908:77101, 1909: 23809, 1910: 64755 quint. (Ravasini).
Citronensaft kann dadurch haltbar gemacht werden, daß man den mit Talcum
geklärten Saft mit i o "/q Zucker aufkocht. Die Konservierung des Citronensaftes kann
auch durch Alkohol oder Erhitzen auf 100" oder durch Filtration geschehen (Judicis).
Citronensaft ist eines der besten durstlöschenden Mittel. Citronensaft und Citronensäure
werden zur Limonadenbereitung in großen Massen verbraucht. Citronensaft (nicht
Citronensäure) gilt auch als das beste Mittel gegen Scorbut — Schiffe sind verpflichtet
für lange Fahrt Citronensaft an Bord zu nehmen — , dann wird er auch jetzt viel-
fach zu den sog. Citronenkurven bei Gicht und als Entfettungsmittel benutzt.
Die Citronensäure des Handels ist oft mit Weinsäure verfälscht oder sogar durch sie
ersetzt. Das D. A. V läßt auf Weinsäure durch folgende Reaktion prüfen : Eine Mischung
von I g Acid. citric. und 10 ccm H^SO^, die in einem mit HjSO^ gespültem Mörser bereitet
wurde, darf sich höchstens gelb, nicht aber braun färben, wenn sie in einem mit H^SOj ge-
spülten Probierrohr eine Stunde lang im Wasserbade nicht über 90° erwärmt wird.
Lit. Stoddart, Pharm. Journ. (2) 10, 203. — Warrington, Ebenda 2, 384. — Gröger,
N. Jahrb. d. Chem. 39, 194. — Wehmer, Citronensäuregärung 1893. — Herzog und Polotzky,
Citronensäuregärung. Zeitschr. phys. Chem. 49 (1909), 125. — Buchner und Wüstenfejdd, Citronen-
säuregärung. Biochem. Zeitschr. 1909, 395. — Wüstenfeld, Dissert. Berlin 1908. — König,
Nahrungs- u. Genußm. 4. Aufl. (dort zahlreiche Limonen-Analysen von Olivieri e Guerrieri,
Danesi e Boschi u. and.). — JUDicis, Zeitschr. d. Öster. Apoth. Ver. 1880, 467. — Hallerbach,
Die Citronensäure u. ihre Derivate 19 11 (dort die Lit.).
IV. Fett- und Wachsdrogen.
Die Beziehungen der Fette zu den Kohlehydraten sind oben (S. 5) erörtert.
Es darf als erwiesen betrachtet werden (Vallee, Andre, Gerber), daß in der
Pflanze Mono- und Polysaccharide in Fette übergehen. Ebenso findet der umgekehrte
Vorgang statt. Physiologisch spielen die Fette bei den Pflanzen die Rolle von Reserve-
stoff'en wenigstens überall da, wo sie, wie in den Früchten und Samen, in größerer
Menge auftreten (das Fruchtfleisch der Ölpalme enthält 65 — yz^jo, Leinsamen 3 5 — 42 '^j^^,
Ricinussamen 46 — SS"/,,. Mandeln c. 53''/o, Wallnußsamen 64%, Copra 67 "/(, Fett —
auch die Knollen von Cypenis esculentus enthalten 28 "j^ Fett, sonst sind Rhizome
fettarm). Sie werden bei der Keimung verbraucht. Und diese Fälle sind es denn auch,
bei denen allein ihre technische Gewinnung lohnt. Ebenso ist das Fett der Sporen
Reservestoff' (vgl. Lycopodium).
Bei den Tieren finden sich die Fette im sog. Fettgewebe, das besonders im
intermuskulären und subkutanen Bindegewebe, im Mesenterium und im Knochenmark
auftritt. Aber auch außerhalb des Fettgewebes können die Fette in allen Zellen des Tier-
körpers abgelagert werden und finden sich auch in tierischen Sekreten, wie z. B. der Milch.
Im weiteren Sinne gehören auch die Wachsdrogen zu den Fettdrogen und sie
sollen denn auch diesen hier angeschlossen werden.
Tschirch , Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 35
546
Fett- und Wachsdrogeu.
Bei beiden handelt es sich um aliphatische Ester, deren Bestandteile azyklisch
sind, nur in der Cholesteringruppe begegnen wir zyklischen Verbindungen.
Die Fette und Wachse setzen sich also aus Säuren und Alkoholen zusammen.
Die Säurehälfte gehört zu folgenden Fettsäurereihen (ich folge der Einteilung von
Lewkowitsc«) :
I. Säuren der Essigsäurereihe: CnHnjOj. Die niederen Säuren dieser Reihe (Butter-
säure, Baldriansäure, Capronsäure, Caprylsäure, Caprinsäure) sind flüchtig, auch noch die Laurin-
säure ist mit "Wasserdämpfen flüchtig, aber schon die Myristicinsäure erst bei Anwendung von
gespanntem Dampf, — das erklärt ihr Auftreten in vielen sog. ätherischen Ölen — , die höheren
Fettsäuren der Reihe (Palmitinsäure, Stearinsäure, Arachinsäure, Behensäure, Carnaubasäure,
Cerotinsäure, Melissinsäure) auch mit diesem nicht.
Die homologe Reihe der gesättigten Fettsäuren enthält folgende Glieder:
HCOOH Ameisensäure
CHjCOOH Essigsäure
C5H5COOH Propionsäure
CjH.COOH Buttersäure
C4HgCUOH Baldriansäure
CjHiiCOOH Capronsäure
CjHjaCOOH Önanthsäure
C,H,5COOH Caprylsäure
(ß
bjo
V
(/}
fr.
U)
hH
:3
^-<
fl
9
OJ
CjH,gCOOH Caprinsäure
C,„Hj,COOH Undecylsäure
C„H.,,COOH Laurinsäure F = 43,6»
CjjHjsCOOH Ficocerylsäure F = 57°
C,jHä,COOH Myristicinsäure F = 53,8»
C,iHäj,COOH Isocetinsäure (?) F = 55»
CijHa,COOH Palmitinsäure F = 62»
CjgHjjCOOH Daturinsäure F = 54,5 "(57 »]
u
CjjHs^COOH Stearinsäure F = 69,3°
[Cj^Hg.COOH Nondecylsäure F = 66,5»]
CjgHjjCOOH Arachinsäure F = 77°
[C,„H,,COOH]
CjiH^aCOOH Behensäure F = 83—84°
[C20H45COOH]
CjjHjjCOOH Lignocerinsäure F = 80,5°
Isomer damit: Carnaubasäure F = 72,5° und
Pisangcerylsäure F ^ 71"
CjiHjgCOOH Hyänasäure F = 77—78°
Cj^HsiCOOH Cerotinsäure F = 78,5 '
[C,,H„COOH]
[C.,,H„COOH]
.5'
C2,H^,COOH Isoerucasäure
CgjHj^COOH Psyllostearylsäure F =
94—95°
Margarinsäure ist ein Gemisch (von konstantem Schmelzpunkt) von Palmitin- u. Stearinsäure.
II. Säuren der Ölsäurereihe: CnH2n— aO^; ungesättigte Säuren:
C^HjCOOH Tiglinsäure I ( Ci^Hg^CODH Döglingsäure
ICjjHjgCOOH Hypogaeasäure \ CjgHjjCOOH Jecoleinsäure
CisHäjCOOH Physetölsäure
CjjHjjCOOH Lycopodiumölsäure
/ C„H,3COOH Ölsäure
j CjjHjgCOOH Rapinsäure
ICjjHjjCOOH Elaidinsäure
C„Hs3COOII IsoÖlsäure
Die höheren Säuren sind mit Wasserdampf nicht flüchtig; ihre Bleisalze sind in Äther löslich.
III. Säuren der Linolsäurereilie: CnH2n—40ä, in trocknenden Ölen, absorbieren leicht
Sauerstoff (vgl. S. 553):
CjjHgjCOOH Hirseölsäure
Ci,H3,C00H Telfairasäure
CijHjjCOOH Elaeomargarinsäure
IV. Säuren der Linolensäurereihe: CnH2n— (iO^:
Cj^H^^COOH. Linolensäure, Isolinolensäure und Jecorinsäure.
V. Säuren der Isansäurereihe: CnHsn— sOj. Isansäure, Terapinsäure.
VI. Säuren der Lanopalrainsäurereihe. Hydroxylierte Säuren: CnH2n03:
C„H,jOg Lanopalminsäure, C^jH^jOg Coccerinsäure.
VII. Säuren der Ricinolsäurereihe. Hydroxylierte Säuren: CnHsn— 20^:
CjjHj^Oj Ricinolsäure,lsoricinolsäure, Ricinela'idinsäure, Ricinsäure und Quittenölsäure.
Vin. Säuren der Dioxy stearinsäurereihe: CnHanO^:
CjjHjjOj Dioxystearinsäure, C^^ü^fi^ Lanocerinsäure.
Fett- und Wachsdrogen. 547
IX. Säuren der Reihe: CnHän— 2 0^, zweibasisch, gesättigt: C.3jHj.j04 Japansäure.
Medullinsäure, Moringasäure, Theobrominsäure, Crotonoleinsäure, Umbellulsäure sind zu
streichen (Lewkowitsch). Die einzelnen Fettsäuren und Alkohole sind beschrieben in Lew-
KOWiTSCH, Chem. Technol. u. Analys. d. Öle usw.
Die Alkoholhälfte der Ester gehört in folgende Reihen:
I. Alkohole der Äthanreihe CnHsn+kO: CijHjgO Pisangcerylalkohol , CuHj^O Cetyl-
alkohol (Äthal) Cj^H^^O Carnaubylalkohol, C^gH^^O Cerylalkohol, CaoH^.jO Myricylalkohol
(Melissylalkohol), CgjHggO Psyllostearylalkohol.
II. Alkohole der Allylreihe: CnHänO: CijHj^O Lanolinalkohol,
Iir. Alkohole der Reihe CnH2n-60: CjjHjgO Ficocerylalkohol.
IV. Alkohole der Glycolreihe CnH2n4-202: Cj^H^jO^ Coccerylalkohol.
V. Alkohole der Reihe CnH2n+203: CgHjOj Glycerin.
VI. Alkohole der hydroaromatischen Reihe: C^gH^jO Cholesterin, Phytosterin und Iso-
cholesterin, C^jH^^O Sitosterin u. and. Phy testerine.
Die Fette im engeren Sinne sind alle Glycerinester, wie — nachdem
Scheele das Glycerin entdeckt — zuerst Chevreul feststellte und Berthelot (1854)
durch die Synthese bestätigte. Die Bindung der Fettsäuren am Glycerin erfolgt ent-
weder in der Weise, daß alle drei Hydroxyle des Glycerins mit der gleichen Fett-
säure abgesättigt sind nach dem Typus:
yO.Rl
CsHs^O . Ri ,
\o.Ri
also z. B. Tripalmitinsäure-, Tristearinsäure- und Trioleinsäure-Glycerinester entstehen
— man bezeichnet diese als Tripalmitin, Tristearin und Triolein — oder die drei
Hydro.xyle mit zwei oder drei verschiedenen Fettsäuren sich nach dem Typus:
yO.Ki yO.Ri ^ORn /ORn /ORi
CsHs^O.Rii , CsH^^O.Rn , CjH.^ORi , CaH.^ORi , CaH.^ORni
\O.Rm \O.Rii \ORil \ORni \oRii
paaren, also gemischte Glyceride entstehen. Auch diese sind in den von der Natur
gebildeten Fetten neuerdings häufig gefunden worden, seit Bell und Lewin ein
Oleopalmitobutvrat :
C3H / O . C„H3,0
\o . C^HjO
in der Butter annahmen und Heise (1896) ein Oleodistearin :
yO . C,sH330
\0 . C,3H3,0
im Mkanyifett und der Kokumbutter auffand, das nach Sack auch im Fett der
Mangifera indica auftritt.
Der Vergleich der Formeltypen zeigt, daß es auch zahlreiche Strukturisomere geben
muß, deren Zahl bei den Säuren, die doppelte Bindungen besitzen, noch durch den Wechsel
in der Lage dieser letzteren vermehrt wird. Die Stereoisomerie der Fettsäuren wurde durch
das Studium der Spaltungsprodukte der Ozonide bestätigt (H.\rries und Thieme). Ob Fette,
bei denen nicht alle Hydroxyle des Glycerins mit Fettsäuren verestert sind, z. B. vom Typus:
.CR yOR yOR xOH
CaHj^OH, CjH^^OR oder CjH^^OH , CjHj^OR
\0R \oH \OH \0H
in der Natur vorkommen, ist noch zweifelhaft. Bisher ist nur ein Diglycerid, das Dierucin, ge-
funden worden.
35*
zaS Fett- und Wachsdrogen.
Die eigentlichen Fette sind also nach der Formel:
C„H(2„ + i) — //COO.H,C
1
CpH(2p + ii — vCOO.H C
I
CrH(2r+l) — ICOO.H3C
zusammengesetzt, wobei n = p = r oder n nicht = p bzw. r und ^u =. v = ^ oder ß nicht
= v bzw. f sein kann, fi, v, | sind kleine gerade Zahlen.
Die Wachse besitzen zumeist die Formel:
CnH(2n 4-1) — ^COO . HjC . CkH(2k -f 1) — X.
Der charakteristische Alkohol ist gesättigt oder ungesättigt, aliphatisch oder zyklisch, aber ein-
wertig. X kann eine kleine gerade oder ungerade Zahl bedeuten (Ulzer und Klimont).
Auch in gewissen Lecithinen sind Fettsäurereste enthalten, z. ß. im Distearyllecithin:
CH, . o . o . c^H^a
I > (Fettsäurerest)
(Glycerinrest) CH . O . O . CjgHjj )
1
HO-^PO (Phosphorsäurerest)
C.H^.O/
I /CH,
N^CH,
I \CH3
OH
(Cholinrest)
Es darf als Regel gelten, daß die Fette nie nur aus einem Glycerid bestehen,
und daß ein oder mehrere Glyceride (besonders die der Palmitinsäure, Stearinsäure
und Ölsäure, d. h. Palmitin, Stearin und Olein) vorzuherrschen pflegen. Das Vor-
kommen von Glyceriden niederer Fettsäuren gibt einem Fette einen besonderen
Charakter (Cocosöl). Unter den natürlichen Bedingungen feste Fette gibt es in den
Pflanzen nicht. Ich fand in den Tropen, d. h. in der Heimat der betrefifenden
Pflanzen, auch Palmfett, Cocos- und Cacaofett flüssig.
Die elementare Zusammensetzung der Öle, d. h. ihr Bruttogehalt an C, H und O ist
ziemlich übereinstimmend, nur Palmkern-, Cocos- und Ricinusöl zeigen abweichende Zahlen,
besonders einen niedrigeren Kohlenstoffgehalt.
In Wasser sind die Fette außerordentlich schwer löslich, in kaltem Alkohol etwas
besser (leicht nur Ricinus-, Croton- und Olivenkernöl), leicht in Äther, Schwefelkohlenstoff,
Chloroform, 'Benzol und Petroläther (Ricinusöl löst sich nicht in Petroläther). Beim Erhitzen
der Fette über 260" (am besten unter Zusatz von saurem Kaliurasulfat) tritt Zersetzung ein und es
entwickeln sich (aus dem Glycerin) Dämpfe von Acrolein: CHj = CH . COH. Bei der Destilla-
tion entstehen bisweilen (Ricinusöl) gallertige Massen. Beim Durchleiten von Luft durch er-
hitzte Öle werden diese viskoser, Schwefel wird von Ölen, die ungesättigte Fettsäuren enthalten,
addiert. Die Produkte (Factis) sind Kautschuksurrogate. Salpetrige Säure verwandelt Öle mit
ungesättigten Fettsäuren der Ölsäurereihe (z. B. Olivenöl, Mandelöl) in feste Massen (Elaidin-
säureglyceride). Fette, die Ölsäure, CH^ . (CH^), CH = CH(CHj), GOCH, enthalten, — es sind
dies fast alle — liefern bei der Oxydation zuerst Dioxystearinsäure :
CHj(CH,),CHOH — CH . OH(CH2),COOH,
dann Pelargonsäure CH3(CH2),COOH und Azelainsäure COOH(CHj),COOH. Ölsäure liefert mit
Ozon ein Ozonid (Haksiks):
CHj(CHä),CH CH(CHj),COOH
OZ Xq
Dies Ozonid der Ölsäure zerfällt in Nonylaldehyd bzw. Pelargonsäure und Azelainsäure bzw.
deren Halbaldehyd.
Je größer das Jodabsorptionsvermögen eines Fettes ist, um so leichter absorbiert es auch
Sauerstoff. Es hängt dies also mit den doppelten Bindungen zusammen (vgl. S. 553).
Fett- und Wachsdrogen. 549
Trockene Luft wirkt, wenn jede Feuchtigkeit und das Licht ausgeschlossen wird,
auf Fette nicht ein. Trockene Fette bleiben daher in zugeschmolzenen Röhren un-
beschränkte Zeit unverändert. Ist etwas Feuchtigkeit zugegen, so werden geringe
Mengen Fettsäuren gebildet, aber das Fett wird noch nicht ranzig. Feuchte Fette
werden dagegen an Luft und Licht bald ranzig. Es spalten sich unter dem Ein-
flüsse der fettspaltenden, in Wasser unlöslichen, nur in Gegenwart von Säuren wirk-
samen, also durch diese (Milchsäure? Hoyer) aktivierten Enzyme (Lipase, Steapsin
— zuerst von Green und Sigmund 1891 nachgewiesen), die z. B. in den Samen
regelmäßig vorkommen, aber auch sonst häufig sind (die einzelnen Lipasen sind
untereinander verschieden, Dunlap und Seymour), die Ester auf, die Fettsäuren
werden frei und die Säurezahl steigt. Diese Aufspaltung erfolgt sehr viel rascher
durch Kochen mit Wasser, durch überhitzten Wasserdampf, durch Mineralsäuren, die
als Katalysatoren wirken, Alkalien, Kalk oder Metallo.xyde (PbO) (Seifen-, Pflaster-,
Stearinkerzen- und Glycerinfabrikation). Bleiben die Fette mit der Substanz aus der
sie bereitet wurden, z. B. mit dem stets enzymreichen Fruchtfleisch, in Berührung,
so spalten sich die Glyceride schnell und es kann dann das Fett bis zu 70 "l^
( Bagasseolivenöl) oder fast ganz (Palmöl) in Fettsäuren zerfallen. Die primäre Ur-
sache des Ranzigwerdens sind also Enzyme in Gegenwart von Feuchtigkeit, wo-
durch zunächst die Fette sauer werden, aber ranzig sind sie damit noch nicht.
Sie werden es erst, wenn die sauren Fette der Luft und dem Lichte ausgesetzt
und dadurch oxydiert werden (Ritsert, Duclaux, Lewkowitsch, Geitel). Mikro-
organismen können Ranzidität einleiten, sind aber nicht nötig dazu (Duclaux, Rit-
sert, Mjoen). Fette mit Glyceriden ungesättigter Fettsäuren neigen mehr dazu ranzig
zu werden, als solche von höheren, gesättigten Fettsäuren. Ranzige Fette geben im
allgemeinen eine höhere Acetylzahl (Lewkowitsch) und zeigen eine geringere Ver-
brennungswärme (Stohmann).
Wird durch erwärmte Öle Luft oder Sauerstoff geblasen, so erfolgt eine ener-
gische Oxydation, das spezifische Gewicht steigt, die Öle werden viskos («geblasene Öle»)
Die meisten Fette sind optisch -inaktiv, rechtsdrehend sind z. B. Ricinusöl,
Crotonöl, Lorbeeröl und Sesamöl. Die Zahl für die mittlere Molekularrefraktion ist
bei den meisten Ölen ziemlich dieselbe, z. B. Leinöl 447, Olivenöl 447, Sojabohnenöl
450, Sesamöl 451 (Klimont).
Mikroskopisch betrachtet zeigen die festen oder halbfesten Fette regelmässig
reichliche Kristallbildungen, vorwiegend Nadeln, eingebettet in tropfbar- flüssige Massen.
Die Wachse sind chemisch den Fetten sehr ähnlich, haben aber eine ganz
andere physiologische Funktion; als Überzüge auf den Vegetations- und Reproduk-
tionsorganen von Pflanzen warmer Klimate dienen viele als Schutz gegen Verdunstung,
Benetzung, Licht. Bei anderen ist die Funktion unklar. Das Bienenwachs dient zum
Bau der «Zellen». Die Wachsester sind schwerer verseifbar als die Fettester.
Die Methoden der Analyse der Fette sind p'iyjikaUäche ual chs.niäc'ae. Voi den
physikalischen kommen in Bstracht: Die Bestimmanj de; spez. G;w., des Schu;U- uad
Erstarrungspunktes, des Brechungsexponenten (mit dem Refraktometer), der Viskosität (mit dem
Viskosimeter, vgl. oben S. 450, am gebräuchlichsten sind Englers und Redwoods Viskosi-
meter), des Rotationsvermögens, des mikroskopischen und spektroskopischen Verhaltens, der
Konsistenz, der Löslichkeit, des elektrischen Leitungsvermögens und des Verhaltens im Kolori-
meter. Bei den chemischen Methoden unterscheidet man: Die Bestimmung der Säurezahl,
der Verseifungszahl (Kö ttstorferzahl), der Jod- (und Brom-)zahl (Hübl, Wijs), der
Reichert- Meissl- bzw. Reichert-Wollnyzahl (flüchtige Fettsäuren), der Hehnerzahl
rcQ Fett- und AVachsdrogen.
(Unverseifbares und unlösliche Fettsäuren) und der Acety Izahl. Fokin benutzte die «Wasser-
stoffrahl», d. h. die Zahl ccm H bei o" und 760 mm D (i 1 ^ 0,098 g), welche mit i g Sub-
stanz bei Behandlung mit molekularem Platin in Reaktion treten, um die Zahl der doppelten
Bindungen in ungesättigten Fettsäuren zu bestimmen. Bisweilen werden auch die Glycerinmenge
und die Diglyceride bestimmt. Qualitative Reaktionen sind die Elaidinprobe, die Sauerstoff-
absorptionsprobe und die Hexabromidprobe (zum Nachweis der Linolensäure). Auch die Bestira-
mong der Temperaturerhöhung beim Vermischen mit konz. Schwefelsäure wird vielfach zur
Identifizierung der Öle benutzt (Maumen^S Probe). Für genauere Untersuchungen ist auch die
Prüfung der isolierten Fettsäuren (auf Menge, spez. Gew., Schmelz- und Erstarrungspunkt,
Siedepunkt, Löslichkeit, Brechungsexponent usw.) nötig. Der Fettgehalt von Drogen wird durch
Extrahieren mit niedrig siedendem Petroläther im Soxhlet, Verseifen des Extraktionsrückstandes
und Abziehen des Unverseifbaren bestimmt.
Die meisten Öle sind gelblich, einige fast farblos (manche Sorten von Olivenöl und
Ricinusöl), andere tiefgelb (Leinöl, frisches Palmfett), die Fette meist rein weiß (Cocosfett,
Schweinefett). Einige sind durch Farbstoffe gefärbt, die sich beim Auspressen im Fett lösten. So
ist Lorbeeröl durch Chlorophyll, Muskatbutter durch einen gelbroten, Astrocaryafett durch einen
zinnoberroten Farbstoff gefärbt. Ein Chlorophyllgehalt der fetten Öle, der besonders bei Olivenöl
und Hanföl beobachtet wurde, läßt sich leicht mit dem Spektroskop nachweisen (Tschirch 1884).
Die direkte Synthese der gewöhnlichen Glyceride gelingt mit fast theoretischer
Ausbeute durch Erhitzen stöchiometrischer Mengen von Fettsäure und Glycerin auf 200 — 250"
unter gewöhnlichem Druck, wenn man das bei der Reaktion entstehende Wasser fortwährend
entfernt und den atmosphärischen Sauerstoff mittelst eines inerten Gasstromes (CO,) fernhält
(Belucci 191 1. Weitere Synthesen bei Schacht.) Auch mit Hilfe von Enzymen ist sowohl im
Organismus wie in vitro ein Aufbau von Fetten möglich, da, wie zuerst Hanriot gezeigt hat,
2. B. die fettspaltende Serolipase auch reversibel synthetisierend wirkt (biochemische Fettsynthese).
Solche Synthesen gelangen BodenstEin und Dietz, Taylor, Pottevin u. and.
Lewkowitsch gibt folgende Einteilung der Fettkörper:
L Öle (flüssig), a) vegetabilische:
1. trocknende, 2. halb trocknende, 3. nicht trocknende.
b) animalische: i. von Seetieren: a) Fischöle, ß) Leberöle, y) Tran.
2. Von Landtieren.
n. Fette (fest), a) vegetabilische, b) animalische.
Alle vegetabilischen Öle und Fette enthalten als Begleiter Phytosterine, alle animalischen
Cholesterine. Die chemischen Beziehungen derselben zu den Fetten sind noch nicht aufgeklärt.
Eine ziemlich vollständige tabellarische Übersicht über die Zusammensetzung, sowie die
physikalischen und chemischen Konstanten von 225 pflanzlichen und tierischen Fetten und
IG Wachsen findet sich in Ulzer-Klimont, Allgem. physiol. Chemie d. Fette 1906. Genaueres
bei Lewkowitsch.
Der mikrohistochemische Nachweis der Fette gelingt in allen Fällen,
wo das Öl ungesättigte Säuren (z. B. Ölsäure) enthält mittelst Osmiumsäure: die
Tropfen färben sich im Wasserpräparat bei gelindem Erhitzen mit dem Reagens braun
(die Reaktion tritt aber auch bei anderen Substanzen mit doppelten Bindungen ein).
In den Samen, welche ich selbst angesehen habe (und das ist eine große Zahl) ist
das fette Öl in den Zellen niemals in Tropfen, sondern in innigster Mischung oder
Verbindung mit dem Plasma vorhanden. Es färbt sich daher die ganze zwischen den
Aleuronkömem liegende Masse mit Osmiumsäure braun, wenn man den Schnitt direkt in
diese einträgt. Dieses von mir Ölplasma genannte Gebilde wird aber durch Wasser zer-
setzt und es treten daher Tropfen hervor, wenn man den Schnitt in Wasser legt. Auch
in den Zellen der Vegetationsorgane entsteht das Öl immer im Plasma und dieses ist
wohl regelmäßig ölhaltig. Bisweilen entsteht es in sog. Oleoplasten (Elaeoplasten,
Ölbildnem). Doch bestreitet Uhlmann, daß es sich hier um fettes Öl handelt.
Ein weiterer Nachweis der Fette beruht auf ihrer Verseifbarkeit mit Alkalien.
Man legt den Schnitt in Kaliammoniak: es entsteht eine wasserlösliche Seife (Molisch
Fett- und "Wachsdrogen. ^ ^ I
1891). Die Verseifung tritt schon bei gewöhnlicher Temperatur bei längerem Liegen
ein und es treten dabei charakteristische Kristalle auf (Hartwich und Uhlmann).
Die Fetttropfen nehmen auch Farbstoffe begierig auf, wie z. B. Alkanna, Chinolinblau,
Sudan, Chlorophyll und den roten Farbstofif, der bei der Raspail sehen Zucker-
eiweißreaktion entsteht.
In der Therapie spielen die Fette besonders eine Rolle als Salben- und Lini-
mentvehikel. Alle Öle wirken zudem, wenn eßlöffelweise genommen, abführend, auch
per anum, Gimimiölemulsionen dagegen stopfend. Die gepreßten Öle verhalten sich
nicht ganz gleich wie die mit Lösungsmitteln extrahierten des gleichen Objektes.
In der Pharmazie benutzt man auch die mit Kohlensäure gesättigten Öle
(Brauseöle), sowie die bromierten und jodierten Fette. Der Lösungsfähigkeit des
Phosphors in Öl bedient man sich zur Herstellung des öl. phosphoratum.
Die Verbrennungswärme der Fette ist sehr beträchtlich. Während die
Kohlehydrate im Durchschnitt nur 3900 g- Kalorien geben, geben die Fette im Durch-
schnitt 9300 g-Kal. Sie spielen daher im Stoff- und Kraftwechsel der Organismen
eine große Rolle und sind wertvolle Nahrungsmittel.
Die Frucht- und Samenöle werden meist durch Pressung (kalte oder warme) ge-
wonnen (vgl. I, S. 134). Die hierbei erhaltenen Preßkuchen, die immer noch mehr oder
weniger Fett zurückhalten, sind wertvolle Futter- oder Düngemittel, da in ihnen sich
noch das ganze Eiweiß (besonders in Form von Aleuronkömem) befindet. Neuer-
dings werden aber auch viele Fette durch Extraktion, besonders mit Schwefelkohlen-
stoff und Benzin resp. Petroläther (weniger mit Tetrachlorkohlenstoff, Chloroform,
Aceton, Benzol, Chloräthylenen oder Chloräthanen) gewonnen. Bei beiden Methoden
gehen auch in Fett lösliche Begleiter der Fette in Lösung (Farbstoffe, giftige Sub-
stanzen, ätherische Öle s. oben).
Die Apparate zur Ölgewinnung sind abgebildet bei Stiefel a. a. O.
Der Bedarf an Pflanzenfetten ist ein ungeheurer. Deutschland allein führte 1906 für 3oMill.
Mark Pflanzenöle und für 202,49 Mill. Mark Ölsamen ein (Tunm.\nn). "Von tropischen Ölen
kommen jährlich über 2000 Mill. kg an den "Weltmarkt. Marseille ist ein wichtiger Ölhandels-
platz für Oliven, Arachis, Sesam, Copra und ihre ( >le.
Die Methoden zur Reinigung der Fette beziehen sich auf die Entfernung mecha-
nischer Verunreinigungen, gelöster Eiweißstoffe, Harze, Pflanzenschleim, freier Fettsäuren, Riech-
stoffen (Desodorisation) oder sind Bleichmethoden oder Methoden, welche auf eine Geschraacks-
verbesserung oder größere Haltbarkeit abzielen oder eine Erhöhung des Schmelzpunktes oder
Herabsetzung des Erstarrungspunktes bezwecken (Demargarinierung).
Geschichte. Schon das Urvolk der Sumerer bediente sich des Oliven- und Ricinusöls,
die Babylonier des Sesamöls. Öl (mrht) und Talg('d) werden sehr oft in ägyptischen und auch
in babylonischen Rezepten genannt (vgl. I, S. 467). Oefele nennt (I, S. 486) 16 tierische Fette,
die in babylonischen Apotheken zu finden waren. Die Gewinnung von Öl (umgebildet aus lat.
oleum) aus Pflanzen durch Auspressen ist also sehr alt. Das Olivenöl wurde besonders zu Be-
leuchtungszwecken schon im alten Ägypten benutzt, ebenso in Palästina schon zu Mosis Zeit.
Als Salbmittel bedienten sich seiner auch die alten Griechen, die es von den Ägyptern kennen
lernten (Herodot). Auch das Öl der Mandeln und Nüsse war bereits den Alten bekannt. Sie be-
nutzten die Öle auch als Speiseöle und zur Enfleurage, d. h. zum Ausziehen von Wohlgerüchen aus
Pflanzen (viele Vorschriften bei DiosKURlDEs). Als Salbengrundlage begegnen wir dem 'W"ollfett
(Oisippus) schon in sehr früher Zeit (Plinids). Die Bereitung der Butter aus Pferdemilch durch
starkes Schütteln kannten bereits die Skythen (Herodot) undHiPPOKRATES nennt das Produkt schon
ßovzvQOV. DiosKURlDES, der das Buttern beschreibt, erwähnt Butter aus Schaf- und Ziegenmilch.
Seife, aus Buchenasche und Ziegenfett in Germanien und Gallien bereitet, erwähnt PLlNlus(Hist. nat.
28, 191) als gallische Erfindung. Sapo ist entweder keltischen Ursprungs oder stammt aus ahd. seifa,
seifar (^ Schaum), agls. sape, urgerm. saipa und hängt wohl mit lat. sebum (= Talg) zusammen.
CC2 Fett- und Waclisdrogen.
Die Gallier und Germanen benutzten die Seife zum Rotfärben der Haare (agls. taelg = Talg und
Farbe — beiOviD: feniina canitiera germanis inficit herbis) und so wurde sie auch zunächst in
Rom benutzt, bis man sapo spissus herstellen lernte und zum Waschen anwendete. Schon damals
scheint der Unterschied von harter und weicher Seife bekannt gewesen zu sein. Die Gallier bereiteten
harte mit der Asche von Seepflanzen (Soda), die Germanen weiche mit der Asche von Land-
pflanzen (Kali) und auch Galen, der Seife, aus Rinder-, Ziegen- und Hammelfett mit Aschen-
lauge und Kalk bereitet, kennt, erwähnt deutsche Seife zum Waschen und als Heilmittel.
Übrigens blühte auch im alten Rom die Seifensiederei um Christi Geburt, wie wir aus Pom-
peji wissen (in früherer Zeit dienten Aschenlauge, Nitrum (Soda), alkalisches Wasser und ge-
faulter Urin, auch wohl saponinhaltige Pflanzen zum Waschen). AÜTIUS (VI. Jahrh.) erwähnt die
schwarze Seife, ebenso die Arzneibücher von Wales (I, S. 683). Später war Marseille und sodann
Venedig Sitz großer Seifenfabriken (daher Sapo venetus). Die Bleipflasterdarstellung war den Alten
ebenfalls bekannt (Dioskurides, Plinius). Nach Germanien kam das Öl, die Sache und das Wort,
wohl erst im ni. Jahrh. v.Chr. (oleum über kelt. und got. alSw, ahd. olei, agls. ele in Öl).
T.^CHENius wußte, daß Alkalien und MetalIo.\yde die Fette verändern und daß in ihnen eine Säure
enthalten ist. Moray beschrieb (1665) das Walrat, Homberg (1687) die Gewinnung des Cacao-
fettes, Lemery (1708) das Bienenwachs; Geoffroy, der (1741) die Löslichkeit der Öle studierte,
wußte, daß die Seife eine andere Lösliclikeit hat, wie das ihr zu Grunde liegende Ol, und MaC-
QUER fand (1745) Säuren in der Seife. FrÄMY erkannte die Analogie der Bleipflasterbildung
mit der Seifenbildung. Die Entdeckung, daß rauchende Salpetersäure viele Öle verdickt, machte
schon Boyle (1661) und der Marseiller Apotheker PoUTET fand, daß die salpetrige Säure der
Grund der Bildung des von ihm Elaidin genannten Körpers ist. Macquer meinte (1745), daß ein
Fett um so dicker sei, je mehr es «Säure» enthalte. Dann untersuchten noch im XVIIL Jahrh.
Buchner, de Roi, Vallerius, Saluces, Watson u. and. viele Öle und Cartheuser (I, S. 962)
das Wachs, den Talg, die Seife und die tierischen Fette. Crell unterwarf sie der trockenen
Destillation (1778) und führte (für die flüchtigen Säuren) den Namen Fettsäuren ein. Dem
Prozesse des Ranzigwerdens wandte schon J. C. Gehlen in seiner Dissertatio de oleis pin-
guibus rancidis Lips. 1776 seine Aufmerksamkeit zu. Fourcroy, der das Leichenwachs auffand,
vereinigte dies mit dem von Gren (1788) entdeckten Gallensteinfett (Cholesterin) und dem
Walrat zu der Klasse der Fettwachse (Adipocirej. Scheele entdeckte zwar das Glycerin oder
Ölsüß, principium dulce oleorum (De materia saccharina peculiari oleorura expressorum et pin-
guedinum 1783) und erkannte, daß es beim Erhitzen aller Öle und Fette mit Bleiglätte entsteht,
vermochte aber nicht die Natur der Fette aufzuklären, so daß noch Lavoisier sie für Kohlen-
wasserstoflFe hielt! Die Natur der Fette, wie der Prozeß der Seifenbildung, wurde in einer
denkwürdigen umfassenden Untersuchung der tierischen Fette 181 1 — 1823 von Chevreül auf-
geklärt, der auch bereits feste (acide margarique, a. stSarique), flüssige (acide oläique) und flüch-
tige (acide delphique [^ Baldriansäure] Buttersäure, Capron- und Caprinsäure) unterschied, und
die Namen Stearin (von oriaQ = Talg), Elain (von 8).atov = Öl) und Cetin (Walrat) einführte.
Heintz und Berthelot setzten die Untersuchungen von Chevreul fort. Sie zerlegten die
Margarinsäure in Palmitin- und Stearinsäure. Berthelot, Luca und Wurtz erkannten das
Glycerin als dreiwertigen Alkohol.
Lit. Beckmann, Beitr. z. Gesch. d. Erfind. — Chevreul, Les corps gras d'origine ani-
male. Paris 1815— 1823 (Neudruck 1889). — Berthelot, Am. chim. (3) 41, 216 (1854). —
Hanriot, Compt. rend. 1896, 1897 und 1901. — P. Schacht, Beitr. z. Synthese der Fette.
Diss. Zürich 1908. (Dort eine Liste d. synthet. dargest. Glyceride und eine Literaturübersicht.)
— Grün, Über d. Konstitut, d. Fette. Habilitationsschr. Zürich 1907. — Corelli, Unters, über
d. Spalt. V. Fett. Diss. Zürich 1909. — Skopnik, Synth, dreifach gemischt. Glyceride. Diss.
Zürich 1909. — DuNLAP und Seymoür, Joum. amer. ehem. soc. 27 (1905), 935. — Verbrennungs-
wärme d. Fette: Stohm.ann, Joum. prakt. Chem. 31,32, 42, 44 und 45 und Sherman u. Snell, Joum.
am. chem. soc. 1901, 164. — Klimont, Zeitschr. angew. Chem. 24, 254 (1911). — Heise, Arbeit, aus
d. kais. Gesundheitsamt (1896) 12, 540:13,302. — Belucci, Atti R. Accad. dei Lincei (5) 20, 1 235
(1911). — Fokin, Zeitschr. anal. Chem. 1909. — Molisch, Histochemie i8gi. — Hartwich und
Uhlmann, Nachw. fett.Öle durch mikrochem. Verseif. Arch. Pharm. 1903, ili. — UHLMANN,Dissert.
Zürich 1902. — Bell, Chemistry of foods II. — LewkowitSch, Chem. Technologie u. Analyse d.
Öle, Fette und Wachse. Braunschweig 1905. — Ulzer und Klimont, Allgemeine u. physiol. Chemie
d. Fette. Berlin 1906. — Euler, Pflanzenchemie. — Makcüsson, Laboratoriumsbuch für d. Industrie
Semen Lini und Oleum Lini.
553
d. Öle und Fette 1911. — Tschirch, Einige prakt. Ergebn. meiner Unters, über d. Chloro
phyll. Arch. Pharm. 1884. — Verzeichnis der fettliefernden Pflanzen bei MiKOSCH, in WIES'
NER, Rohstoffe, II. Aufl. — Untersuchungsmethoden: Lewkowitsch in LüNGE, Chem. Techn
Untersuchungsraeth. 5. Aufl. III (1905). — Benedikt-Ulzer, Analyse d. Fette u. Wachs
arten. — Für das Technische : Hefter, Technologie d. Fette u. Öle 1906. — Schädler, Technol
d. Fette. 2. Aufl. 1892. — Stiefel, Fette, Öle, Wachse in Weyls Einzelschriften z. chem
Technolog. 19 11 (reich illustriert). — Über die Fortschritte berichtet der Jahresbericht auf dem
Gebiete d. Fette, Öle u. Wachsarten in der Chem. Revue über die Fett- und Harzindustrie. — Ein
Spezialkomitee für die einheitliche Untersuchung von Fetten und pflanzlichen Ölen der Amer.chemical
Society schlug 1910 einheitliche Methoden vor (Rev. über d. Fett- u. Harzindustr. 1911, 84).
I. Vegetabilische Öle und pflanzliche Öldrogen.
1. Trocknende Öle.
In den trocknenden Ölen sind Fettsäuren mit mehreren doppelten Bindungen
enthalten, die also eine hohe Jodzahl zeigen und welche durch Sauerstoffaufnahme
erhärtende O.xyde bilden. Ölsäure gehört nicht zu diesen, wohl aber Linolsäure und
Linolensäure. Sie geben nicht die Elaidinreaktion, wohl aber, wenn Linolensäure vor-
handen, He.xabromid. Die Sauerstoffaufnahme des Leinöls, die Linoxin(Lino.xyn-)bildung
erfolgt immer an den doppelten Bindungen. Roch denkt sich dieselbe folgendermaßen:
1 Phase >C = < + Oj -> >C — C< (Peroxyd)
I 1
0 — 0
2 Phase >C — C<
I I -^ >c C<
0-0 \^/ +0(0xyd)
Linoxin ist in allen Lösungsmitteln unlöslich. Die Sauerstoffaufnahme ist (z. B. beim
Leinöl) lebhafter, wenn man erst mit Sikkativen (Manganborat, Bleio.xyd) kocht.
Genthe hielt den Vorgang beim Trocknen des Leinöls für eine molekulare
Autoxykatalyse und die Sikkative nur für Pseudokatalysatoren, Fokin für eine hemi-
molekulare Autoxykatalyse, Fahrion meint, daß bei der Autoxydation zuerst Perox}'de
entstehen, daß diese alsdann umgelagert werden und dadurch zu Wasserabspaltung
und Komplexbildung führen. Die Sikkative ändern den Chemismus des Autoxydations-
vorganges nicht, sondern wirken nur als Katalysatoren beschleunigend oder abkürzend.
Bei Einlegen in die Molisch' sehe Kaliammoniakmischung liefern die trocknen-
den Öle kleine Sphärite (Uhlmann).
Lit. MOLDER, Chemie d. austrocknenden Öle. Deutsch von MÜLLER. 186". — RoCH,
Trocknende Öle. Zeitschr. angew. Chem. 1911, 80. — Hazura, Monatsh. f. Chem. 9, 180. —
Hehner u. Mitchell, Analyst. 1898, 313. — Rollett, Chem. Centralbl. 1909, H, 1984. —
Fahrion, Zeitschr. f. angew. Chem. 23 (1910), 722 u. 1910, 1106. — Genthe, Ebenda 19,
2087. — Fokin, Ebenda 22, 1451. — Orlow, Journ. Russ. Phys. Chem. Ges. 42, 658 (Chem.
Centralbl. 1910, II, 1529). — H. Ingle (Bemerk, über Leinöl), Journ. Soc. chem. ind. 30, 344.
Semen Lini und Oleum Lini.
Sowohl über die Stammpflanze, Linum usitatissimum, wie über den Samen und
sein Öl (Leinöl, Leinsamenöl, huile de lin, linseed oil, oil of flaxseed) ist bereits
oben (S. 314) berichtet worden. Der Ölgehalt des Leinsamens schwankt von 24,66
bis 44,46 "/o der Trockensubstanz (König); obere Grenze der Asche ^^\^ (Hauke).
H.VRRY Ingle, der mehrere tausend Leinöle untersuchte, fand Jodzahl und spez. Gew. bei :
Baltischem Leinöl 195 0,9357 I Englischem Leinöl 185 0,9332
Calcutta Leinöl 185 0,9322 I Laplata Leinöl I79>S Oi93I5
Deutschem Leinöl 181,5 0,9323 | Menhaden Leinöl 182 o,9328
554
Trocknende Ole.
Fahrion gibt jetzt (vgl. oben S. 323) dem Leinöl folgende Zusammensetzung:
Unverseifbares o,6*|q, gesättigte Fettsäuren 9,3 "/o, Ölsäure lyjS'/o' Linolsäure 3o"|o,
Linolensäure 38 "jj.
Linolsäure (CjjH.^jCOOH) enthält zwei doppelte Bindungen, addiert also \ner
Atome Brom, gibt oxydiert zunächst Sativinsäure (Tetraoxystearinsäure), dann Azelain-
säure: C00H(CH.,)7C00H.
Linolensäure (Cj-H^oCOOH) ist auch eine ungesättigte Säure (s. oben S. 546).
Sie liefert ein Hexabromid und gibt ox3'diert Linusinsäure (Hexaoxystearinsäure).
Beide Säuren sind flüssig.
Die Annahme einer Isolinolensäure (Hazura) oder j3-Linolensäure (Erdmann,
Bedford und Raspe) erschien nach Rollett unbegründet, doch halten Erdmann
und Bedford (19 10) ihre Angaben aufrecht.
Das Komitee der Amer. Soc. for testing materials schlägt (ungefähr überein-
stimmend mit Benedikt - Ulzer) folgende Konstanten für reines Leinöl vor: spez.
GeN^icht 0,935 — 0,932, Brechungsexponent bei 25*: 1,4805 — 1,4790, Säurezahl 6,
Verseifungszahl 192 — 189, Jodzahl (Hanus) 190 — 178, Unverseifbares o — 1,5. Doch
fand Meister bei absolut reinen Leinölen unter 170, der bisher angenommenen
unteren Grenze, liegende Jodzahlen (160,2 bis 164,5).
Die Verbrennungswärme des Leinöls beträgt bei konstantem Volumen 9364
bis 9379, bei konstantem Druck 9379 bis 9394 g-Kalorien (Sherman und Snell).
Der Entflammungspunkt liegt bei 205 — ^225'' (Rakusin).
Hamburg importierte 1908 seewärts 33211 dz Leinöl, davon aus den Niederlanden
2597s; 1907 geringe Mengen auch aus denrussischen Ostseehäfen und Schweden. Frankreich
importierte 1908 18955 Quint. Leinöl, die Hälfte etwa aus Belgien, dann aus China, England
und den Niederlanden.
Britisch Indien exportierte Linseed 1907/08: 2290185, 1908/og : 1405467 cwts nach
England und engl, Besitzungen und 1907/08: 3907697, 1908/09: 1804080 cwts nach anderen
Ländern. Die Gesamtausfuhr an Leinöl betrug 1908/09: über 36000 Gallons. Die Vereinigten
Staaten exportierten 1908: 4277313, 1909: 882899 busheis Flaxseed, 1908: 367883, 1909:
273029 Gallons Linseed oil und 1909: 682764545 pounds Linseedoilcake.
In dem Leinsamenpreßkuchen (Leinkuchen, Placenta sem. lini, Pain ou gäteau de
lin, linseedcake) sind neben dem Schleim auch alle stickstoffhaltigen Substanzen des Samens
enthalten, also das Protein Edestin, krist. Globulin, ein Albumin, wenig Proteosen und Pep-
tone (OsBORNE und Campbell), ferner Lecithin (Schulze und Steiger), Lipase (Sigmund), Pro-
tease (Will), ein glykosidspaltendes Enzym (Dunst an, Henry und Auld), Linamarin (Phaseo-
lunatin, s. oben S. 322) und Reste des fetten Öls.
Die Zusammensetzung des Leinpreßkuchen in °/o ergibt sich aus folgender Tabelle:
Min.
KÖNIG
Max.
Mittel
Carola
Wagner
Holde-
PLEISS
Wasser
9,54
20,50
12,19
12,86
10,40
13,43
Stickstoffhaltige Substanz
19,00
36,18
29,48
30,87
25,94
25,27
Fett
3,78
i6>34
9,88
8,75
12,30
11,43
Stickstofffreie Substanz . .
24,54
46,58
29,91
28,48
34.81
30,72
Cellulose
5>42
16,50
9,69
11,88
10,75
11,72
Asche
5,13
16,50
9.69
7,16
5,80
7.40
Da der Leinpreßkuchen als Futtermittel sehr geschätzt, aber relativ teuer ist, so wird
er oft verfälscht angetroffen, besonders mit Mohnsamen- und Arachispreßkuchen. COIXIN fand
darin auch die Samen von Chenopodm-m pofyspermiim, Spergularia arvensis, Cerasttum triviale,
Spergula arvensis, sowie Legurainosensamen.
Fructus Cannabis und Oleum Cannabis. 555
Das Flachswachs besteht aus Phytosterin, Cerylalkohol, Palmitin-, Stearin-, Ol-, Linol-
und Linolensäure. F. = 61,5, Jodzahl 10.
Lit. Vgl. oben unter Trocknende Öle. — Chem. Lit. zusammengestellt in Wehmer,
Pflanzenstoffe. — Über die Bestandteile der Aleuronkörner vgl. Tschirch und Kritzler, Ber.
d. pharm. Ges. 1900, 264. — Preßkuchen: Collin-Perrot, Les risidus industriels.
Fructus Cannabis und Oleum Cannabis.
Syn. Hanfsamen: graine de chanvre, hemp seed, seme di canape. Die Pflanze:
Hanf, Bästling, Hämp oder Hemp, in Österreich: Harf, Pastök und Hanef; in der
Schweiz: Werch (die Frucht: Hausset), Tregel, Tschenevo, in Bünden: Chanf, im
Tessin: Canape, Canapule. Die männliche Pflanze: Hanfhahn, fälschlich (weil kleiner)
femmel oder fimmel (von femella = Weibchen — deutet auf späte römische Ein-
flüsse), die weibliche Pflanze: Hanfhenne, Hänfin, Samenhanf, fälschlich mastel, masch,
mäschel (von mas) — so schon im Coipusglossar. Bei Gerarde (Herbai 1633):
der männliche wird Carl- oder Winter-H. genannt, der weibliche Barren- oder
Sommer-H. — hemp (engl.) — chanvre, chenevis (franz.), cambre (norm.), chene (wal-
lon.) — canappa (ital.) ■ — cäfiamo (span.) — canhamo (port). — hennep (holl.) —
hamp (norweg.) — hampa (schwed.) — konopel (russ.) — xavväßi (griech.).
Bei DiosKURiDES: xävvaßic, — bei Plinius: cannabis, — bei den späteren Griechen: axivöa-
ZQO 7— 9 -fach gefingert. Der Stiel besitzt oben eine seichte Regenrinne. Die
sitzenden, rauhhaarigen Blättchen sind lanzettlich, beiderseits zugespitzt, scharf gesägt
(DioSKüRiDES vergleicht sie mit denen der Esche), die pfriemlichen Nebenblätter fein
behaart. Die lockeren männlichen Infloreszenzen sind nur unten laubig.
Die achselständigen Partialinfloreszenzen der männlichen Pflanze sind Doppel-
rispen: die Hauptachse verkümmert, unter ihrer Spitze entspringen zwei gleichwertige
Rispen. An der Spindel der letzteren entspringen in der Achsel von Deckblättern
unten kleine Dichasien, oben Wickel (reichblütige Dichasien mit Wickeltendenz und
stark gestreckter S}'mpodialachse). Am Ende der Hauptachse der Pflanze steht eine
echte Rispe. Die kurzgestielten aktinomorphen Blüten besitzen ein 5 mm langes,
grünliches, aus fünf lineal-lanzettlichen Blättchen bestehendes Perigon, fünf epipetale
Stamina mit linealer, mit Längsspalt aufspringender Anthere und kurzem Filament.
Pollen rundlich (vgl. S. 480). Ein Stempelrest fehlt. Die dichte buschige weibliche
Infloreszenz ist bis fast zum Gipfel laubig.
Bei den achselständigen weiblichen
Partialinfloreszenzen ist die Hauptachse ent-
wickelt. Sie wird zu einem Laubtrieb (Fig.
179, Mi). Die beiden Vorblätter (Dau. /3)
werden zu Deckblättern der zwei weib-
lichen Blüten. Sie umhüllen diese in
Form einer innen offenen, außen behaarten
Scheide, die länger ist wie der Fruchtknoten.
In den Laubblattachseln der Zweige zweiten
Grades wiederholt sich dasselbe und so ent-
steht der buschige Wuchs, der die meist
kräftigeren weiblichen Pflanzen von den
locker beblätterten männlichen unterscheidet.
Das aus zwei Blattanlagen hervorgehende
Perigon umgibt die Basis des einfächerigen,
^ , . . , sitzenden Fruchtknotens becherförmig eng.
Cannabis sattva L. 00
I. Diagramm der weiblichen Infloreszenz. 2 Frucht von Der eiförmige zusammengedrückte Frucht-
der Fläche, 3 Frucht von der Kante gesehn. 4 Keimling knoten enthält ein vom Scheitel der Blüten-
hcrauspräpariert. 5 Querschnitt durch die Frucht und den
Samen. (Tschirch -Ocsterie , Atlas.] achsc gebildetes (Zinger), hängendes, ana-
Fructus Cannabis und Oleum Carmabis
557
tropes Ovulum und trägt zwei lange fadenförmige, in papillöse Narben auslaufende
Griflfel, die nach der Befruchtung abfallen. Die gelblich-graue, platte, kahle Frucht ist
ein Nüßchen, das von dem sich vergrößernden Deckblatt umhüllt ist. Die Mikropyle
der Samenanlagen ist zur Zeit der Reife nicht mehr vorhanden. Der Pollenschlauch
wächst durch das Gewebe der Fruchtknotenwand zum Nucellus (Zinger). Die ganze
Pflanze, besonders aber die weibliche Infloreszenz, besitzt einen' starken narkotischen
Geruch, der von Öldrüsen herrührt, die namentlich auf allen Blattorganen sitzen
(s. Anatomie).
Blüht in Deutschland im Juli bis August.
Die ursprüngliche Heimat des Hanf ist wohl die Gegend am Caspisee. Er ist
sicher wild noch jetzt südlich von diesem See, und bei Lenkoran, sowie bei Astarte
(Bunge). Häufig angetroffen wird er auch in Sibirien, am Irtysch südlich vom
Baikalsee, in Dahurien (Gouvern. Irkutzk), im Ural, an der Wolga, in Persien, Altai,
West-China, Kaschgar, Kaschmir und im Himalaya. Im Himalaya steigt der Hanf
bis 3000 m. Er ist jetzt durch Kultur über die Länder der gemäßigten Zone beider
Hemisphären verbreitet. Daß er am Missoiu-i wild wachse (Wherrel) ist aber nicht
richtig. Nach Afrika ist er ebenfalls eingeführt worden, denn Livingstone fand ihn
im Gebiete des Congo und Sambesi.
Die physiologische Varietät indica (auch wohl als Art Cannabis indica Lam.
unterschieden) weicht nur im Wuchs ab (sie ist kleiner) und in der viel reicheren
Ausbildung der Drüsenhaare und demgemäß stärkerem, fast betäubendem Geruch; die
Art des Sekretes ist aber wohl dieselbe wie bei unserem Hanf (Wood). Sie liefert
keine spinnbare Faser (s. Herb, cannabis). Die Ableitung der Cannabis sativa des
Nordens von dem indischen Hanf (Wiesner) leuchtet mir nicht ein. Eher dürfte
das Umgekehrte der Fall sein.
Lit. Engler, Moraceae in Engler - PrjVNTl, Pflanzenfam. — Luerssen, Mediz. pharm.
Botan. II, 528. — Eichler, Blütendiagr. — Bunge, Bull. Soc. Bot. France 1860, 30. — Lede-
BOUR, Flora rossica. — de Candoixe, L'origine d. pl. cult. — Hügel, Kaschmir. 1840. —
RoYLE, Illustr. of the bot. of the Himalayan mont. 1839 und Fibrous plants of India. Cultiva-
tion of herap in India. — Garnier, Exploration in Tndo-Chine 1873. — Zinger, Beitr. z.
Kenntn. d. weibl. Blüten u. d. Infloresz. d. Cannabineen. Flora 85, 189.
Abbild.: BerG-Schmidt, Atlas 2. Aufl., t. 129 (dort die systemat. Lit.). — Pabst-
KÖHLER, Medizinalpfl. t. 13. — Nees von Esenbeck, Plant, med. t. 102. — Hayne, Arznei-
gew, t. 35. — Reichenbach, Icon. fl. Germ. t. 655. — Bentley and Trimen, Medic. plant,
t. 231. — Rheede, Hort. mal. t. 60 u. 61. — RuirpHius, Herb. Amb. V, t. 77.
Pathologie. Prof. Ed. Fischer teilt Folgendes über die pflanzlichen Schädlinge mit: Auf
Stengeln und Blättern des Hanfes sind verschiedene Parasiten beobachtet, von denen die meisten
nicht sehr erhebliche Schädigungen hervorrufen dürften. Wir erwähnen unter denselben Perono-
spora Cannahüia Otth., Dendrophoma Marconii Cav., Septoria Cannabis (Lasch) SaCC, Phyllosticta
Cannabis SpeG. Wichtiger ist die als Hanfkrebs beschriebene Erkrankung, welche durch eine
Sclerotinia [Sei. KatiffmannianaT\cnoM\'R.O¥¥.i nach DE Bary mit Sei. Sclerotiorum Libert über-
einstimmend) hervorgerufen wird, deren Mycel den Stengel durchwuchert und an dessen Ober-
fläche sowie im Markraum Sklerotien bildet. Die sog. Brusonekrankheit des Hanfes, bei welcher
am Stengel etwas vorspringende, weissgraue Flecken und ein Absterben des Gewebes bis zum
Holzkörper beobachtet wird, ist nach V. PeGlion eine Bakteriose. Endlich leben auf Cannabis
sativa die beiden phanerogamischen Parasiten Orobanche ramosa L. {Phelipaea ramosa C. A.
Meyer) und Cuscuta europaea L.
Kultur und Handel. Der Hanf wird besonders zur Gewinnung seiner Faser,
weniger wegen der Früchte und des aus ihnen gepreßten Öls, in Indien als narko-
tisches Genußmittel (zur Bereitung des Haschisch I, S. 1042) gebaut; in größerem
558
Trocknende Öle.
Maßstabe in Rußlaiul in den Gouverments Smolensk, Kaluga, Tela, Orel, Kursk,
Tschernigofl". Ferner wird Hanf angebaut in China, Ostindien (hier die var. indica),
Persien, Österreich, Ungarn, Deutschland (Baden, Elsaß, Rheinlande), Nordamerika
^hier auch in Form der var. americand) und Neu-Seeland. Er gedeiht ebenso in der
Nähe des Polarkreises (Archangel) wie in Indien. Hanf findet sich bisweilen in den
Gärten der Bauern und Fischer in Kleinkultur (Kampongkultur I, S. 48), die daraus
die Faser gewinnen (Fischer-Benzon). Der Hanf liebt im allgemeinen ein nicht zu nasses,
warmes Klima und eine geschützte Lage. Er verlangt einen kräftigen, tiefgründigen
Boden. Der Hanf reift in 13 — 14 Wochen und welkt nicht eher als bis die Früchte
reif sind. Die Früchte fallen zur Reifezeit aus der Hülle. Man trocknet sie rasch
an der Luft. Die Früchte werden in Mitteleuropa im August gesammelt.
In Amerika kennt man folgende Sonen von Cannabis sativa-¥tüchlen: barren hemp,
black seeded hemp, Chinese hemp, common h., East Indiah., Germanh., Indian h., Imperial Ken-
tucky h., Russian h., New Zealand h. Der Hanfsamen von C.s. var. amen'cana heißt: American
hemp, auch wohl (fälschlich) Chinese h. (Wherrell).
Im deutschen Handel ist Hanfsaat in Ballen von c. 100 kg.
Hamburg führte von Fr. Cannabis igoS: 1082800kg, 1909: 592100 kg ein und 1908:
780300 kg, 1909 : 342 500 kg seewärts aus (Tunmajmn). Deutschland importierte 1909: 77526 dz
«Hanfsaat» besonders aus dem europ. Rußland und Osterreich und exportierte 59188 dz, be-
sonders nach Frankreich.
Lit. Oppenwu, Der Hanfbau im Elsaß, seine Geschichte u. Bedeutung. 1897. — O'Shangh-
NESSi, Bengal dispens. and Pharmac. 1841. — Watt, Dict. econom. prod. India. — Wher-
rell s. unten. — Tunmann, Apoth. Zeit. 191 1.
Beschreibung der Droge. Die nußartigen, einfächerigen, einsamigen Schließ-
früchte, die je nach der Sorte etwas verschieden in Form, Größe, Glanz, Marmorie-
rung und Aderung sind, und denen bisweilen noch bräunliche Reste des Deckblattes
anhaften, sind c. 3 — 5 mm lang und c. 2 mm breit (die Früchte der var. gigantea
sind größer, Harz), oval, breit- eiförmig etwas zusammengedrückt, an den Kanten,
besonders an der dem Würzelchen entsprechenden Seite, gekielt (Fig. 179) und hier
bei der Keimung zweiklappig aufspringend. Das Gewicht einer Frucht beträgt c. 4 mg.
Die dünne, harte, zerbrechliche, glatte und glänzende Schale ist grau, grünlichgrau,
grünlichbraun oder graubraun, innen meist olivenbraun, durch ein zierliches, von der
Basis aufsteigendes, besonders bei Betrachtung mit der Lupe deutliches Adernetz
zarter Gefäßbündel gezeichnet (Fig. 179). Der an der Spitze der Frucht angewachsene,
von einer zarten, grünlichen, neben der Spitze der Radicula eine braune Chalaza
zeigenden Samenhaut bedeckte Same enthält reichlich Endosperm nur um die Radi-
cula. Er ist aus einem camptotropen Ovulum hervorgegangen, daher ist der Embryo
hakenförmig gekrümmt (Fig. 179,4). Dieser besitzt breite, fleischige Cotyledonen und
eine anliegende Radicula, deren Spitze gegen die Spitze der Frucht gerichtet ist.
Zwischen den Cotyledonen liegt die kleine Plumula. Die Früchte schmecken ölig,
süßlich, etwas schleimig, die Emulsion widerlich. Hohle oder zerbrochene (stets ranzige)
Früchte sind zu beseitigen. Aufgesprungene keimen nur zu 54 "/q (Harz). Man be-
wahrt Hanffrüchte am besten in hölzernen Gefässen auf.
Lit. MUTH, Unters, über d. Früchte d. Hanf. Jahresb. d. Verein, d. Vertret. d. angew.
Botanik 1906. — Tschirch in Realenzyklop. — Harz, Landwirtsch. Samenkunde.
Anatomie. Die Fruchtknotenwand ist haar- und drüsenfrei. Das Perigon trägt einige
Oldrüsen, ganz besonders ist aber das große, in einen langen, lanzettlichen Zipfel auslaufende
Deckblatt außer mit Cystolithenhaaren (wie die Laubblätter) über und über mit Oldrüsen be-
sät (vgl. Tschirch-Oestekle, Anatom. Atlas), die beim indischen Hanf sehr dicht stehen, bis-
Fructus Cannabis und Oleum Cannabis.
559
Ep
weilen mehr wie l6 Secernierungszellen enthalten und auf langen Stielen emporgehoben sind.
Platzt die Cuticula der Drüsen, so verklebt das Sekret den ganzen weiblichen Blütenstand, was
besonders beim indischen Hanf stattfindet.
Die Fruchtschale besteht aus zwei Schichten, einer weichen äußeren und
einer harten inneren. Die äußere besteht aus vier Schichten: der Epidermis, einer
Zone unregelmäßigerZellen, eine Schicht brauner, 9ft>
quergestreckter und einer Reihe heller quadra-
tischer Zellen. In der subepidermalen Zone ver-
laufen die zarten Bündel, die die Zeichnung der
Frucht (s. oben u. Fig. 1 79) bedingen. Die Hart-
schicht der Fruchtschale besteht aus einer Reihe
sehr eigenartiger Palissadensklereiden (Fig. 180,
sei). Die grünliche Samenschale besteht aus zwei
Schichten, einer äußeren einreihigen, die aus
eigentümlichen langen, eine grünliche Substanz
enthaltenden Schlauchzellen besteht und einer
inneren breiten, stark obliterierten Nährschicht
(Fig. 180N).
Das aleuronreiche, der Samenschale an-
haftende Endosperm ist gegen die Cotyledonen
hin durch eine Quellschicht (Tschirch) abge-
schlossen (Fig. iBoQu). Die subepidermale Schicht
der Oberseite der Cotyledonen zeigt palissaden-
artige Streckung. Das Gewebe der Cotyledonen
und der Radicula ist erfüllt mit in Ölplasma
eingebetteten, Globoide und Kristalloide ein-
schließenden, c. 4 — 8 mik. langen Aleuronkörnern. Die Angabe Wherrells, daß
auch Stärkekörner in großer Menge vorkommen, beruht auf einen Irrtum. Jede Zelle
enthält einen lappigen Zellkern.
Lit. Tschirch, Anatomie, Fig. 36, 148, 157, 533. — Tschirch-Oesterle, Anatom. Atlas
(dort das anatom. Detail). — Tschirch, Cannabis in Realenzyklop. d. Pharm. — ■ Winton,
Anatom, d. Hanfsam., Zeitschr. d. Unters, d. Nahrungs- u. Genußm. 1904; auch Conn. Agric.
Exp. Stat. Rep. 1903, 175. — COLLIN- Perrot, Les residus industriels (p. 115 die Preßkuchen
mit Abbild.). — Moeller- Winton, Mikroskop, d. Nahrungsm. und Winton-Moeller, Micro-
scopy of vegetable foods (mit Abbild.). — Harz, Landw. Samenkunde (mit ungenauen Abbild.).
— Macchiati, Anat. del frutto e germinat. del seme della canapa Bull. Staz. agrar. di Modena
1889. — Benecke, Mikrosk. Unters, d. Kraftfutterm. i886. — Collin, Guide pratique 1893.
— T. F. Hanausek, Nahrungs- u. Genußm. 1884. — Böhmer in Königs Unters, landwirtsch.
u. gewerbl wichtig. Stoffe 1898.
Chemie. Eine ältere Analyse (Buchholz) gibt an, daß die Früchte enthalten
in Prozenten: 19,1 Öl, 1,6 Harz, 1,6 Zucker und Extraktivstoff, q gummiges Extrakt,
24,7 lösliches Eiweiß, 5 Dextrin, 38,3 Faser. Anderson fand 22 "jo Eiweiß, Phos-
phate 2,4 */q, übrige Asche 4 \. Die lufttrockenen Früchte ergaben im Durchschnitt
zahlreicher Analysen (Boussingault, Dietrich und König, Anderson, Schädler)
in Prozenten: 8,92 Wasser, 18,23 Stickstoffsubstanz, 32,58 (31,42 — 33,6) Fett, 21,06
stickstofffreie Extraktstoffe, 14,97 Rohfaser, 4,24 Asche — in der Trockensubstanz:
20,01 Stickstoffsubstanz und 35,77 Fett.
Frankfurt fand (1894) in der Trockensubstanz in Prozenten: 18,63 Eiweiß
Fig. 1 80.
Cannabis sativa L.
Querschnitt durch die Fruchtschale (frs), Samenschale
(ss), das Endosperm (End.) und die innere Schicht
eines Cotyledon. [Tschirch-Oesterle, Atlas.]
i6o Trocknende Öle.
(Myosin, Vitellin), 3,36 Nuclei'n usw., o,S8 Lecithin, 30,92 Glyceride, 0,07 Chole-
sterin, 2,59 Rohrzucker (E. Schulze) und sonstige lösliche Kohlehydrate, 11,02
Pentosane, 0,68 organische Säuren (Citronensäure) , 26,33 Rohfaser, 5,51 Asche
(Leuchtweiss : 5 *'/o). Der wässrige Auszug der nnzerkleinerten Früchte schmeckt
süßlich und reduziert FEHLiNGSche Lösung in der Kälte, durch Eisenchlorid wird er
nicht gefärbt (Flückiger).
In der von 3,5—6,5% (2.2— 7i30 Wherrell) schwankenden Asche findet sich in %:
20,28 Kali, 23,64 Kalk, 36,46 Phosphorsäure, 11,9 Kieselsäure, 5,7 Magnesia, i Eisenoxyd,
0,78 Natron, 0,19 Schwefelsäure, o,oS Chlor.
Femer wurde in der Hanffrucht gefunden: Edestin (Osborne und Campbell),
krist Globulin (Ritthaosen, Osborne), Anhydrooxymethylenphosphorsäure(?),
als Ca-Mg-Salz = Phytin (?) (Posternak), Trigonellin und Cholin (Schulze und
Frankfurt, Marino Zucco, Jahns), 3,36''/o Nuclein, o,88<','d Lecithin und die
Enzyme: Emulsin (Simon), Lipase (Siegmund), Protease (Will).
In den Aleuronkörnern finden sich hauptsächlich Globuline. Die Kristalloide
enthalten wenigstens zwei Globuline von verschiedener Löslichkeit, die Globoide neben
Globulinen in anscheinend fester Bindung Ca, Mg und H3PO4 mit einem organischen
Rest, die Grundsubstanz neben Globulinen wenig Albumosen (Tschirch und Kritzler).
Durch Pressung erhält man 15 — 30 "Jq Öl (und 70 — 85 "jg «Hanfpreßkuchen»),
durch Ätherextraktion bis 34,5''/o Öl (Flückiger); noch höhere Zahlen erhielten Munch
(1866): 35,5 "/o und Wherrell (1897) mit Petroläther und Äther: 35,65 "/q. Als
Durchschnittsgehalt kann man 32 "Jq annehmen.
Das Hanföl, Oleum cannabis (huile de chanvre, de chenevis, hemp seed oil,
olio di canape) zeigt die Elementarzusammensetzung C = 76,0, H:^ ii,3, 0=^ 12,7,
ist frisch gepreßt hellgrün bis grünlichgelb, wird aber bald braungelb und hat meist
einen unangenehmen Geruch. Es enthält neben den Glyceriden der Stearin- und
Palmitinsäure vorwiegend das Glycerid der Linolsäure (c. 70"!^) neben iS^Iq
Linolen- und Isolinolensäureglyceriden (vgl. S. 546). Bauer und Hazura
fanden darin eine eigentümliche Fettsäure: Hanfölsäure, CjgHgjOj, die aber wohl mit
Linolsäure identisch ist (?). Nach Lewkowitsch fehlt Stearinsäure. Der Gehalt an
freier Säure beträgt c. 5 "j^ (Bauer, Hazura, Grüssner), der Gehalt an unverseifbaren
Bestandteilen (Phytosterin -j- Lecithin) beträgt 1,08 "/„. Das spez. Gewicht ist =
0,925 — 0,931. Das Öl verdickt sich bei — 15 und erstarrt bei — 27". Die Ver-
seifungszahl beträgt 190 — 194,9, die Jodzahl ist sehr hoch: 140 — 166 (meist 148
bis 157), die Acetylzahl der Fettsäuren 7,5, die Sauerstoffabsorption, direkt bestimmt:
i.3>4''/o' '^^^ Temperaturerhöhung bei der MAUMENEschen Probe beträgt 95 — 99"
(Ulzer und Klimont), Brechungsexponent in Oleorefraktometer -f- 30 bis 3 7,5, der Ent-
flammungspunkt liegt bei 250 — 265 " (Rakusin) (weitere Konstanten bei Lewkowitsch
a. a. O.). Das Öl wird rasch ranzig. Da die Fruchtschale stets Chlorophyll enthält und
dieses in Öl löslich ist, so findet man diesen FarbstofT auch, wie die spektralanalytische
Untersuchung lehrt (Tschirch), im Öl. Das mit Äther ausgezogene Öl ist bräunlichgrün.
Die in 12 — 15 kg schweren Broten in den Handel gebrachten Hanfsamenpreßkuchen
(pain de chinevis, tourteau de chanvre) enthalten c. io"/o Wasser, 6 — io,i7°/„üI, 21 — 3i"'/(, Stick-
stoffsubstanz, 17,3 — 24,7°/„ Faserund 7 — 8 "/o Asche (Cornevin, Garola, Dietrich und König).
Narkotische Bestandteile, etwa der Art wie sie die Blätter zeigen, enthält die
Frucht nicht. Sie kann also nicht zu Berauschungszwecken (I, S. 1042) benutzt worden sein.
Wohl aber zeigten die Preßkuchen bei Tieren abführende Eigenschaften.
Fnictus Cannabis und Oleum Cannabis. c6l
Lit. BuCHOLz, Arch. Pharm. (2) 78, 211. — Anderson, Journ. Agric. of the Hightland Soc.
1855,128 (Arch. Pharm. [2] 78, 2ri. Jahresber. d. Chem. 1855, 727). — Leüchtweiss, Lieb. Ann.
50 (1844), 417. — Simon, Pogg. Ann. 43, 404. — König, Nahrungs- u. Genußmittel (dort
weitere Lit.). — Samoggia, Sta.z. sperim. agr. ital. 31 (1898), 417. — FlüCKIGER, Pharmakogn.
— J. B. BoussiNGAULT, D. Landwirtsch. in ihren Bezieh, z. Chemie 3, 202. — Will, Ber. d.
chem. Ges. 1875, 1570. — Schädler, Technol. d. Fette 1883. — Frankfurt, Landw. Ver-
suchsstat. 43 (1894), 145 u. 307. — Schulze und Frankfurt, Zeitschr. phys. Chem. 20 (1895),
511. — Lewkowitsch, Chem. Technol. d. Öle usw. (dort die analyt. Liter.) — Ulzer-Klimont,
Chem. d. Fette. — Wherrell, Bull, of pharmacy 1897, 340. — Osborne u. Campbell, Journ.
amer. chem. soc. 18 {1896), 609. — Posternak, Compt. rend. 137 (1903), 202. ^ Marino-
Zucco, Gaz. chim. ital. 1895, 262. — SiEGMUND, Monatsh. f. Chem. 1890, 272. — Bauer u.
Hazura, Ebenda 1886, 216. — Hazura, Ebenda 7, 637 u. 8, 147. — TsCHiRCH u. Kritzler,
Aleuronkörner. Ber. d. pharm. Ges. 1890, 246. — Lit. der Aschenanalyseu des H. in Wehmer,
Pflanzenstoffe. Analysen der Hanfsamenpreßkuchen in Harz, Landwirtsch. Sameukunde , Böh-
mer, Die Kraftfuttermittel und in D.\mmers Illustriert. Lexik.
Verwechslungen und Substitutionen. In Amerika fand Wherrell als «Hanf» (hemp)
bezeichnet folgende Sorten: Agrimony hemp: Eupatorium cannabinum, Ambareehemp (oder
Deckarreeh.): Hibismis cannabinus, Africanh.: Sanseveria giiineensis, Bastardh. : Datisca canna-
iina, Bengalh. (Bombayh. brownh. , Madrash., Sunnh.): Crototaria juncea, Bowstringh.:
Sanseveria zeylanica, Black indianh. (Canadianh.): Apocynum cannabinum. und A. androsaemi-
folium, Jubbulporeh. : Crotolaria tenuifolia, Manilah. : Miisa textilis , Nettleh. : Galeopsis Te-
trahit, Rajinahalh.: Marsdenia tenacissima, Sisalh.: Agave sisalana, Waterh.: Acnida canna-
bina. White Indianh.: Asclepias incarnata, Wildh.: Ambrosia trifida. Die Herkunft von Chilianh.
ist zweifelhaft. Diese Sorten sind vornehmlich Faserpflanzen.
Das Hanföl dient seinerseits vielfach (z. B. in Amerika) als Verfälschungsmittel des Leinöls.
Die Hanfpreßkuchen werden mit allem möglichen, z. B. Salz, in Frankreich mit Tourteau de
PulghJre oder de Pignon d'Inde {Jatropha Curcas) verfälscht (Collin). Letztere Beimengung
ist gefährlich.
Lit. Orta Wherrell, Hemp seed and hemp seed oil. Bull, of pharm. 11 (1897), 340
(mit Abbild.).
Anwendung. Die Emulsion der Frucht (Emulsio seminis cannabis) dient als
reizmilderndes Mittel besonders bei Blasenleiden, das Ol in der Tierheilkunde als
Einreibung bei übermäßiger Milchsekretion, ferner zur Herstellung von Schmierseife,
«grüner Seife», die hier, da das Ol grün ist, wirklich eine grüne Farbe hat. Aus
dem Samenkern wird Ph3'tin dargestellt, das aber ein Gemenge ist [Inosit-Phosphor-
säure (?) und Glukuron-Phosphorsäure?]. Hanföl ist während der griechisch-katho-
lischen Fastenzeit Hauptnahrungsmittel des russischen Volkes (Hehn). Der Hanf ist
auch Volksheilmittel in Rußland (Kobert, Studien I). Die Hanfsamenpreßkuchen
werden, da sie schlecht schmecken und abführend wirken, nur wenig als Futter-
mittel, viel als Düngemittel und in sehr beträchtlichen Mengen (in Frankreich bis
150000 kg pro Jahr) zum Füttern der Fische benutzt (Collin). Die Hanffrüchte
sind ein beliebtes Vogelfutter. In Nordwest-Europa werden sie geröstet und mit Salz
zu Brot, Suppen usw. gegessen. In England dient Hanf als Liebesorakel, in Serbien
die Blüte als Aphrodisiacum.
Lit. Collin-Perrot, Residus industr. — Phytin :'Levene und Neubkrg, Biochem. Zeitschr.
1909, 399 u. 406.
Geschichte. Da die Heimat des H. in Asien sich befindet, ist es erklärlich, daß be-
sonders die Skythen und die Chinesen sowie andere asiatische Völker von jeher die Hanfkultur
betrieben, die Mittelmeerländer aber die Leinkultur (Engler). Die Heimat der Hanfkultur ist
also wahrscheinlich im nordwestlichen oder zentralen Asien (vielleicht auch in Südrußland) zu
suchen. DE Candolle nimmt an, daß skythische Stämme den Hanf (um 1500 v.Chr. etwas vor
dem trojanischen Kriege) von Centralasien und Rußland nach dem Westen brachten. Den Hanf
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. IX. 3^
562
Trocknende Ole.
kannten die alten Ägypter nicht, ebensowenig die Phönikier. Er fehlt auch im alten Testa-
ment (Hehn). Weder Hanfsamen noch die Faser sind im alten Ägypten nachzuweisen i,Buschan),
auch nicht in den Schriften der Ägypter und Hebräer. Dagegen ^vird er schon in den ältesten
Schriften Chinas (z. B. im Shuking 500 v. Chr.) erwähnt und das chinesische Wörterbuch Rha
ya (I, S. 520) unterscheidet bereits den mannlichen und weiblichen Hanf (Bretschneider).
Auch Pen ts' ao kang mu (I, S. 518) führt Hanfsamen auf und der Hanfkultur gedenkt das
landwirtschaftliche Werk Ts'i min yao shu (I, S, 522). In Nordindien wurde H. schon 800 bis
900 V. Chr. gebaut. Das sanskritische ^ana bezieht sich wohl auf Cannabis, obwohl es auch
Crotularia juncea bedeuten kann (L. VON Schroeder bei Wiesner). In Atharvaveda wird ^ana
als Heilmittel, in Sütras (600 v. Chr.) werden Stricke aus ^ana erwähnt. H. findet sich auch
in Susrutas und Charakas und anderen indischen Werken. Auf iranisch-skythischem Boden ging an-
geblich der Hanfrausch dem Weinrausch vorher. «Jedenfalls ist die Bekanntschaft mit dem Hanf bei
den arischen Indogermanen sehr alt (sansc. bhaügä = Hanf). Über die Benutzung der Fasern
und der Frucht bei den Skythen berichtet Herodot (vgl. I, S. 1042). Er erwähnt wilden und
kultivierten H. in Syrien, Hesychius Kleider aus H. Moschion gedenkt der Faser. Die Griechen
kannten ihn zur Zeit des Herodot nicht, auch Theophrast erwähnt den H. nicht. Bei den
Römern wird Hanf zuerst bei LuciLius (100 v. Chr.) erwähnt. Nach Athenaeus scheinen sich
zur Zeit HiERO II. von Syracus Kulturen in Gallien befunden zu haben (Hehn). Erst DiOS-
KURIDES meint, daß die Frucht die Zeugung vernichte. Er erwähnt, daß die Faser die kräf-
tigsten Stricke liefere. Das Kraut wurde im Altertum nicht benutzt (erst Berlu [I, S. 949] er-
wähnt es). Auch PHNIUS gedenkt des H. zur Verfertigung von Stricken. Er erwähnt, daß er
im Frühling ziemlich dicht gesät und die Frucht zur Zeit des Herbstäquinoktiums geerntet und
an der Sonne, dem Wind oder im Rauche getrocknet werde; der roseische im Sabinergebiete
erreiche die Höhe eines Baumes. Von einer medizinischen Anwendung der Früchte erfahren
wir wenig. Bei ScRiBONius Largus fehlen sie ; dagegen finden sie sich im Edikte des Diocle-
TI.4JJ (I, S. 56g). Prähistorische Funde des Hanf fehlen in Mittel- und Westeuropa (Heer,
SoRDELLi). Das erste hänfene Gewebe stammt aus der Zeit der Völkerwanderung (Buschan).
Wahrscheinlich haben die Germanen den H. und seinen Namen sowie die Kultur etwa im
rV. oder V. Jahrh. v. Chr. von demselben südosteuropäischen Volke erhalten, von dem direkt
oder indirekt auch den Griechen die Sache und der Name übermittelt wurde (Kluge). «Die
Germanen lernten also den Hanf erst zu Herodots Zeit kennen, die Skythen bauten ihn (Herodot
[IV, 74, 75]: «Der Hanf wächst wild und angebaut im Lande der Skythen») und er stammt
wohl aus Bactrien und Sogdiana, den Caspischen und Aralgegenden, wo er noch jetzt in Üppig-
keit wächst (Kluge). Dagegen meint Hoops, daß sich zum Flachs schon in vorgermanischer
Zeit der Hanf gesellt haben müsse, da sein germanischer Name die erste Lautverschiebung
mitgemacht hat. Jedenfalls wurde Hanf schon in vorrömischer Zeit in ganz Deutschland und
auch in den nordischen Ländern kultiviert (HoopS). Daß dies in altnordischer Zeit in Nord-
europa der Fall war, geht aus verschiedenen (bei Hoops mitgeteilten) Dokumenten aus dem
XIII. und XIV. Jahrh. hervor. Bischof Otto von Bamberg fand H. bei den heidnischen Slaven
in Pommern. Von den Angelsachsen wurde er auch in ihrer neuen Heimat angebaut. Karl
DER Grosse schrieb im Capitulare den Anbau von canava auf seinen Landgütern vor (Schrader,
ich finde H. dort nicht). H. fehlt im St. Galler Klosterplan, im Hortulus und bei Macer Floridus,
was auf keine beträchtliche Kultur deutet. Daß Hanf im Mittelalter in Spanien gebaut wurde,
geht aus iBN AxawwaMS landwirtschaftlichem Werke (I, S. 611) hervor. Als ein Bestandteil
des berühmten Würzburger Rezeptes aus dem XIII. Jahrh. (I, S. 624) findet sich auch Canape
sem. (hanofsamo). In den angelsächsischen Leechdoms (c. 1000) steht: «herba chamepitys baet
is henep» und «deos wyrt be man cannane silfatica et obrum naman henep nemneb». Auch das
Gothaer Arzneibuch (I, 680) gedenkt des hennep, das Züricher Arzneibuch aus dem XII. Jahrh.
des hanifsämin und die mittelenglischen Medizinbücher (I, S. 693) der hempe. Große medizi-
nische Bedeutung scheinen die Hanffrüchte im Mittelalter und in der neueren Zeit aber nicht
besessen zu haben, denn sie fehlen in vielen Taxen und Medikamentenlisten. Immerhin steht
H. in der Alphita, bei Serapion und Bartholomaeus (I, S. 644) und die Araber bedienten
sich seiner, auch der Früchte, die Ibn Baithar habb elsamanat nennt. Die erste Abbildung
der Pflanze findet sich im Codex Constantinopol. des Dioskurides (l, S.'554), eine weitere im Ortus
sanitatis (vgl. I, Fig. 382). Schon Rumphius gedenkt des Unterschieds zwischen indischem und euro-
päischem H.Hanfsamen werden schon 1629 in derPlymouthColony in Nordamerika erwähnt (Encycl.
Semen Papaveris und Oleum Papaveris. ^63
bjrit.). H.kam also frühzeitig nach Amerika. ImXVÜI.Jahrh. wurde H. inÄgypten gebaut (Forskal).
Hanffasern wurden in alten Papieren nachgewiesen (Wiesner), aber seltener als Leinfasern.
Lit. Hehn (Schrader und Engler), Kulturpflanzen. — Schrader, Reallexikon. —
DE Candolle, L'origine des plantes cultivees (dort weitere Lit.); auch Prodromtjs XVI. —
Buschan, Vorgeschichtl. Botan. — Fischer-Benzon, Altdeutsche Gartenflora. — Hoops, Wald-
bäume- u. Kulturpflanzen. 1905. — "Wiesner, Rohstoffe, IL Aufl. — Blümner, Technol. u. Ter-
minol. d. Gewerbe. 1875. — Bretschneider, Chin. botanic. works 1870 u. Botanicon sinicon.
— Flückiger, Pharmakogn.
Semen Papaveris und Oleum Papaveris.
Syn. Älohnsamen, Magsamen, Man, Mannkoppensaad, Mahnblom, Maon, 01-
magen, Schlafmohn — Pavot officinal, Ponceau (franz.) — papavero (ital.) — garden
poppy, white p. (engl.) — maan kop, klaproos, heul (holl.) — valmun (fin.) — val-
mue (norw.) — mak (ung.) — fii'jxcav (gnech.) — • kashkäsh, post (hind.) — ahiphena
(sanscr.) — afiun, afiyun (arab., pars., ind.).
In der Schweiz: Kolben, Lichtschnuppen, Mageel, Magsaamen, Pavo, Röttiliöl, in Bünden:
Machoca oder Matschöa. In Tirol: Echter Magen, Ölmagen, Magenpflanze (die Mohnköpfe:
mog'n gugg'l, die Samen: mag'n, Dalla ToRRE). — slav. mak — litauisch agunä ■ — esthn.
maggona — lett. maggons. — athd. raago — mthd. elmagen, magesaeme, magöl, swatz und
wis magsam, magsat, magsamlyn, mähen, masem, masame, mauden, magnesam, moinsayd, ölmag,
olimage, omahenmilch — mnd. maen, mahnmilch, manecop, raangksaat, — im Mittelalter: cadia,
codion, opium — bei Ibn Baithar: hashää — bei der Hildegard: Papaver. — Im Ortus:
magsamen — bei MegenberG: magenkopf, magenkraut — bei Cordus: mahn — bei BoCK:
mägle, magle, mön, ölsamen. — Bei Fuchs : mon — bei Lonicerus: magen.
Etym. fii'jxuiv (dorisch /xäxwv) kehrt in mehreren slavischen und südkaukasischen Sprachen
als mak wieder (die Griechen erhielten die Sache und das Wort aus der Gegend des Kaukasus)
und dies ist auch in der Tiroler Bezeichnung Magen (s. oben) erhalten geblieben — mit einer
angeblichen Verwendung als Magenmittel hat dies also nichts zu tun. Doch hieß /jiijxwv auch die
Blase des Tintenfisches, was auf die Form der Frucht deuten könnte. Einige denken auch an
Beziehungen von /jr'ixiov zu sansc. mah (= groß), andere (Pictet) an Beziehungen zu lit. megmi
(= schlafen), was Grassm.\nn einleuchtender findet. Der Name Mohn, wohl mit ßijxwv ur-
stammverwandt, läßt sich weit in die Urgeschichte Europas zurückverfolgen: altschwed. val-
moghe neben mhd. mähen, althd. mägo — daraus lat. magone und estn. magun, altslav.
makn, altpr. moke. An die Samen erinnert der (Rendsburger) Name Hirsebräu, Magsamen u. and.
Papaver ist nicht sicher erklärt. Man hat dies Wort als altes Participium mit — ver gebildet
aufgefaßt: «Das Gedunsene» (lat. papula, pampinus) (SCHRADER). Andere meinen, es sei aus
apio, capio, UTITOJ (^ fassen) umgebildet (das p ist vorgesetzt), also soviel wie Faß, wegen der
Tonnenform der Früchte (Kanngiesser). Es hängt wohl kaum mit kelt. papa (^ Brei) zu-
sammen, obwohl Mohnbreie seit alter Zeit sehr beliebt waren (s. unten). Aus papaver entstand
im agls. popaeg, dann popig und engl, poppy, sowie franz. pavot und ponceau (dies aber auch
von puniceus, (potvlxeog = scharlachrot abgeleitet). Das holländische heul ist mit huile und
Öl verwandt, das bei Mohnsamen oft vorkommt (s. oben).
Stammpflanze. Papaver somniferum L. Spec. pl. ed. I, 508 (/". opüferum
FoRSK., F. officinale Gmel.) mit den Varietäten bzw. Varietätengruppen:
a setigerum (De.) (auch als Art: P. seiigerum De),
ß nigrum (De.) (ursprünglich a nignim De., P. somniferum GlIEL., P. somnif.
var. glabrum Boiss.),
y album (De.) (ursprünglich /3 album De., P. officinale Gmelin) - — - weitere im
Text. In den Gärten werden auch Sorten mit anders gefärbten und gefüllten
Blüten kultiviert.
Wild ist der Gartenmohn bisher nirgends angetroffen worden. Als seine Ur-
form gilt jetzt allgemein Papaver setigerum De., welche Art sich noch jetzt im ganzen
36*
564
Trocknende Öle.
Mittelmeergebiet, besonders in Spanien, Algier, Corsica, lies d'Hyeres, Sizilien, Griechen-
land (Peloponnes) und Cypern findet (De Candolle, Boissier, Flor. Orient. I, 116).
In Nordfrankreich wird auch heute noch P. setigenim neben P. somtiifemm gebaut.
Systemat. Stellung. Papaveraceae — Papaveroideae — Papavereae. Sect. II.
Mecones Bernh.
Beschreibung der Stammpflanze. Die einjährige, in allen Teilen milchende
Pflanze bildet einen stielrunden, bereiften, 0,5 — 1,5 m hohen kahlen Stengel. Die
grundständigen Blätter sind gestielt, oblong bis eioblong, ungleich-, eingeschnitten-
oder buchtig-gezähnt, die oberen sitzend, mit tief-herzförmigem Grunde stengelum-
fassend, eiförmig, spitz, einfach oder doppelt gesägt, mit blaugrüner, bereifter Unter-
seite. Die Blätter (auch die Kelchblätter) sind bei var. riigrum und albnm kahl, bei
var. setigennn laufen die Zähne des Blattes in Borsten aus und vereinzelte Borsten
finden sich auch auf Blättern, Blütenstielen und dem Kelch; var. nignim hat weniger
tief gelappte Blätter. Blütenstiel abstehend behaart. Die Blüten stehen am Ende
der Hauptachse oder von Seitenachsen. Die Knospe ist nickend. Die zwei c. 2 cm
langen, meist kahlen und bläulich bereiften, in der Knospenlage dachziegelig decken-
den Kelchblätter werden beim Aufblühen abgeworfen. Die in der Knospenlage
geknitterte, nach dem Aufblühen leicht abfallende Blumen kröne erreicht einen
Durchmesser von i ö cm und mehr. Sie ist bei y album weiß mit violettem Grunde
(bei einigen Spielarten auch rot oder lilafarben), bei j3 nigriim mehr oder weniger
dunkel purpurn mit schwarz violettem Grunde. Die vier c. 4 cm breiten Kronen-
blätter sind fast kreisförmig, oben gestutzt oder ausgerandet mit äußerst kurzem
Nagel. Die zahlreichen freien Staubfäden sind nach oben keulenförmig angeschwollen
und besitzen dithekische Antheren mit ellipsoidischen PoUenkörnem. Der sehr kurz
gestielte kugelige Fruchtknoten ist einfächerig und zeigt zahlreiche (7 — 20), in der Zahl
mit den Narbenschenkeln übereinstimmende, 5 — 8 mm tief einspringende Samenleisten,
an denen sehr zahlreiche anatrope Samenknospen sitzen. Die sitzende strahlenförmige
Narbe zeigt zahlreiche (bei setigenim 7 — 8, bei nigmm 10 — 12) nach unten ge-
schlagene Narbenlappen, in deren Längslinien die spaltenförmigen, den Samenleisten
entsprechenden und über diesen liegenden Narbeneingänge sich finden. Die je nach
der Varietät kugelige, eiförmige, eiförmig-längliche oder ellipsoidische kahle Frucht
ist je nach den "Varietäten und Spielarten sehr verschieden groß (von Haselnußgröße
bis 7,5 cm und mehr), kurz gestielt (bei der var. apodocarpon Hussenot ungestielt),
von der nun horizontal abstehenden viellappigen Narbe bekrönt, rmter der sich die
großen, mit Klappen sich öfifnenden Poren finden, mit denen sie meist aufspringt
(bisweilen bleibt sie aber auch geschlossen, z. B. bei var. alhiivi und apodocaifon). Bei
^'ar. album, stipitatiim Huss. und hortense Huss. ist die Narbenscheibe am Rande
gekerbt, bei var. apodocarpon Huss. gegen den Rand hin abwärts gebogen, bei var.
album mit freien, abstehenden, dicken, bei var. hortense mit dünnen, papierartig-
häutigen Lappen. Sie ist durch die großen, in die Höhlung einspringenden, perga-
mentartigen, an den Ansatzstellen der Samen gefleckten Samenleisten unvollständig
gefächert und zeigt außen die Verwachsungsnähte der Carpelle als seichte Längs-
furchen. Der auf dem Fruchtknoten sichtbare Reif verschwindet später und die Frucht
erscheint dann glatt und glänzend. Die sehr zahlreichen (bis 2000 — schon Homer
spricht in der Ilias von der xagjtm ßQid-o/Jtvrj, der mit Samen gefüllten Frucht — ),
kleinen nierenförmigen , grubig punktierten Samen, die bald weiß (var. album), bald
Semen Papaveris und Oleum Papaveris. 5^5
bläulich-schwarz (var. nigrum) sind und einen gekrümmten, in Endosperm eingebetteten
Keimling besitzen.
Blütezeit: Juni bis August.
Lit. Prantl-Kündig in Engler-Prantl, Pflanzenfamilien. — de Candolle, Urspr. d.
Kulturpfl. 1884. — Ritter, Erdkunde von Asien. — Luerssen, Mediz. pharm. Bot. — Will-
komm ET Lange, Prodr. flor. hisp. — Boissier, Flor, orient. I, 116. — Ledebour, Flor, rossica.
— Abbild: Berg-Schmidt, Atlas II. Aufl., t. 116, Pabst-Köhler , Medizinalpflanz, t. 37,
Nees V. ESENBECK, PI. med. t. 404 (album), Hayne, Arzneigew. VI, t. 40, Bentley-Trimen,
Med. plants t. 18, Woodville t. 138.
Pathologie. Über die pflanzlichen Schädlinge berichtet Prof. Ed. Fischer: Einer der
wichtigsten Parasiten der Papaver-A.r\.CTi ist Peronospora arborescens DE By., ein «falscher Mehl-
tau», welcher auf den Blättern Verfärbungen hervorruft und namentlich an Keimpflanzen
Schaden stiften kann. — Auf den Kapseln von Papaver somniferum werden angegeben: Alter-
naria Brassicae Berk. var. somniferi, Phoma morphaea Sacc, Sphaerella morpkaea SaCC. Ein
ausführliches Verzeichnis der Krankheiten der indischen Mohnpflanze in Watt, Dict. econom. prod.
Kultur. Der Mohn gedeiht überall, wo das Wintergetreide fortkommt. Er liebt
aber warme und windstille Lage. Er wird ausschließlich als Sommerfrucht kultiviert
und zeigt eine kurze Wachstumsdauer (120 — 140 Tage). Mohn wird jetzt auf der
ganzen Erde — Zentraleuropa, Indien, Persien, China, Kleinasien, Afrika, Nordamerika,
Australien (Neusüdwales) — gebaut (in Norwegen bis zum Polarkreise), besonders
in Algier, Tunis und Ägypten wird viel Mohn kultiviert. Die Kultur erfolgt teils zur
Samen- bzw. Olgewinnung (in Europa, Afrika und Amerika) — zur Ölgewinnung
besonders die Varietäten mit schwarzen Samen — , teils zur Opiumbereitung (Asien)
— besonders die Varietäten mit weißen Samen. Die Praxis unterscheidet P. s. offi-
cinale, Schließmohn oder Dreschmohn (Pavot blanc et aveugle) mit geschlossen
bleibenden und P. s. vulgare, Schutt- oder Schüttelmohn (Pavot oeillette, gris et
noir) mit sich öffnenden Kapseln (s. oben), und die Samen nach der Farbe: weiße,
rote, blaue, graue, braune, violette, schwarze (in Macedonien wurden 1883 nach der
Farbe vier Sorten unterschieden). Offizineil sind nur die weißen Samen. Blauer Mohn
soll ertragreicher sein, der weiße aber ein feineres Öl liefern (Hart). Im Handel
ist deutsches, levantinisches und ostindisches Öl von Pendschab, Bengalen und den
Nordwestprovinzen.
In Indien gilt das Öl der Bengalpflanze für besser als das der Malvapflanze. Hamburg
importierte 1908 61239 dz Mohnsamen, davon kamen aus Brit. Ostindien: 54564, von den
russischen Häfen am Schwarz, u. Asowschen Meere 2885, aus Kleinasien 1524, von altpreußi-
schen Ostseehäfen 1136; weniger als 1000 dz aus russischen Ostseehäfen, den Niederlanden,
Persien, Ostafrika. British-Indien exportierte Poppy seeds nach England und engl. Be-
sitzungen 1907/08: 965, 1908/09: 882 cwts, nach anderen Ländern 1907/08: 1256562, 1908/09:
790028 cwts. Die Vereinigten Staaten importierten 1909: 52086 busheis poppy seed und
6598 gallons poppy seed oil. Frankreich importierte 1908 : 213349 Qint. Mohnsamen besonders
aus Engl. Indien. Frankreich importiert jährlich für mehr als 6 Mill. Frs. Mohnsamen zur Öl-
gewinnuug (Collin). Auch Jlohnpreßkuchen bilden einen bedeutenden Handelsartikel.
Morphologie der Droge. Die Samen von P. s. ß nigrum messen 0,88 — i mm,
die von P. s. / albuvi 1,17 — 1,29 — 1,41 mm, die von P. s. a setigerum 0,66 — 0,97 min
(die des Phahlbaumohn 0,75 — i mm, Hartwich). Das Gewicht von 1000 Samen
schwankt zwischen 0,239 g (indischer Mohn) und 0,531 g (österreichischer Mohn).
Auf I kg kommen i 880000 — 4 184 100 Samen (Harz). Die allein offizinellen weißen
Samen sind i — 1,5 mm lang und 0,3 — 0,5 mg schwer, nierenförmig — das eine Ende
etwas spitzer als das andere — und außen mit, besonders bei Betrachtung mit der
566
Trocknende ()le.
Lupe, hen-ortretenden großen, polj'gonalen (meist sechseckigen) Netzleisten versehen,
die bei den dunklen Sorten besonders deutlich sind. Diese Maschen des Samens
bildete schon Hooke(i667) ab. In der Einbuchtung des Samens sieht man als gelb-
liche Erhöhung den Rest des Funiculus und das Hilum, das mit der als gelber Fleck
sichtbaren Chalaza durch eine kurze, das Bündel führende Raphe verbunden ist
(A. IMeyer). Durchschneidet man den Samen median-längs, so sieht man, eingebettet
in Endosperm, den gekrümmten, im Querschnitt walzenrunden Keimling, zwischen
dessen Cotyledonen eine kleine kegelige Plumula sichtbar ist. Die Radicula zeigt nach dem
spitzen Ende des Samens. Sie ist etwa so dick als die beiden Cotyledonen. Mohnsamen
ist geruchlos und schmeckt angenehm, milde-ölig. Man bewahrt ihn nicht über ein Jahr.
Anatomie. Die Samen gehen aus anatropen Ovulis hervor, die zwei Inte-
gumente mit sechs Zellschichten erkennen lassen. Aus diesen wird die sehr schmale
12 3
6
Fig. i8l.
Papaver somniferum L.
I Same von außen. 2 Same längsdurcbschnitten. 3 Same querdurchschnitten. 4 Querschnitt durch die Samenschale (i — 6),
das Endosperm (End) und den äußeren Teil des Cotyledons (Cot}. 5 Succedane Flächenschnitte durch die Samenschale
(die Zahlen 1 — 6 korrespondieren mit den gleichen Zahlen in Fig. 4). 6 Aleuronkömer. [Tschirch-Oesterle Atlas.]
Samenschale, deren Struktur erst nach Behandeln mit Salzsäure und Kalilauge sicht-
bar wird (MoELLER empfiehlt auch Färben mit Chlorzinkjod oder Safranin). Die
äußerste Schicht, die die meisten Autoren für eine sehr schmale zusammengefallene
Zellreihe halten, was sie auch wohl ist (und nicht eine verdickte Wand), erscheint
in regelmäßigen Abständen kielartig emporgezogen. Diese Verwölbungen, in welche sich
auch die darunter liegenden Schichten etwas vorstülpen, bilden die Leisten, welche in
ihrer Vereinigung zu polyedrischen Maschen das für den Mohnsamen so charakte-
ristische Maschennetz der Oberfläche erzeugen. An den Leisten sind die Epidermis-
zellen schmal, zwischen den Leisten in den Tälern der Maschen so groß wie ein
Semem Papaveris und Oleum Papaveris. 567
Maschental (Fig. 181). Die Cuticula dieser Zellen enthält Calciumcarbonat ein- und
aufgelagert. Die zweite Zellreihe besteht aus dünnwandigem, tafelförmigem Parenchym,
das dicht erfüllt ist mit feinkörnigem Calciumoxalat, dem auch größere Kristalle bei-
gemengt sind (Meyer), dann folgt die Hartschicht, die der schalenförmigen Einwöl-
bung der Epidermis folgt und die aus gestreckten, flachen, stark verdickten Zellen
besteht, deren Wände mit Chlorzinkjod violett werden. Die darauf folgenden drei
Schichten (Fig. 181,4.4 — e), die aus dem inneren Integumente hervorgehen, sind meist
stark obliteriert. Nach Behandlung mit Kali unterscheidet man eine äußere Parenchym-
zellreihe, dann eine Reihe getüpfelter, gekrümmter, nicht sehr langer Zellen und zu
innerst liegt eine Reihe dünnwandiger Zellen. In der inneren Krümmung des Samens
ist die Samenschale dort, wo die Raphe verläuft, durch Vermehrung des Parenchyms
dicker. Die Mikropyle ist noch sichtbar. Bei den blauen Mohnvarietäten findet sich
in den inneren Schichten der Samenschale (Fig. 181,4. 4 u. 5) ein brauner gelbstofffreier
Farbstoff und die Membranen der Schicht 3 sind gelbbraun gefärbt. Die bläuliche
Farbe kommt dadurch zu stände, daß über diesen braunen Schichten die Oxalat-
schicht liegt, deren mit Luft durchmischte Kömchen den Samen zudem bereift er-
scheinen lassen. Legt man den Samen in Salzsäure, so wird er braun (A. Meyer).
Das breite, parenchymatische Endosperm führt zahlreiche in maschiges, den Zellkern
einschließendes Ölplasma eingebettete, 1 — 7 (meist 4 — 5,5) mik große, Globoide und
Kristalloide führende Aleuronkörner (Fig. 181, 6). Zu innerst liegt typisches Quellgewebe
(Fig. 181,4 Qu). Das Gewebe des Keimlings zeigt noch kaum eine Differenzierung, die
Procambiumstränge sind undeutlich; die Zellen enthalten die gleichen Inhaltsstoffe wie
das Endosperm, doch sind die Aleuronkörner kleiner. Stärke fehlt dem Samen.
Die Preßkuchen (und das Pulver) sind leicht an den Elementen der Samenschale
zu erkennen, besonders an den großen Netzleisten, an der Faser- und Tüpfelzellenschicht
Lit. (Fast jeder Autor beschreibt die Samenschale anders wie sein Vorgänger.) A. Meter,
Wissensch. Drogenkunde (mit Abbild.). — Tschirch-Oesterle, Anatom. Atlas (dort das ana-
tom. Detail). — Tschirch, Kleine Beitr. z. Pharraakobot. usw. 189;, Nr. 17. — Vogl, Nah-
rungs- u. Genußm. — MichaloWski, Beitr. z. Anat. u. Entwicklungsgesch. von Papav. somnif.
Diss. Breslau 1881. — Harz, Landwirtsch. Samenk. — T. F. Hanaüsek in Wiesner Rohstoffe.
— MoELLER-WiNTON, Nahrungs- u. Genußm. und Winton-Moeller, Microscopy (mit Abbild.).
— Karsten-Oltmanns, Lehrb. d. Pharm. — Benecke, Kraftfuttermittel. 1886. — Berg,
Anatom. Atlas u. Phanaakogn. — Böhmer, Ölkuchen in Dammers Lexikon. — Godfrin, Etüde
histol. s. I. tegum. simin. des Angiosp. Soc. d. sc. de Nancy 1880. — Meunier, Les tägum.
säm. des Papaveracees in La Cellule 1891. — Die Preßkuchen in Collin-Perrot, Les r^sidus
industr. (mit Abbild.).
Chemie. Die Samen enthalten nach älteren Analysen (Sacc) 54,61 "jg fettes
Öl, 23,26 "/(, Schleim und pektinartige Substanz, i2,64^|o Eiweiß (Stickstoff 2 — ß^/g)
und 5,93 *(„ Zellulose, 3 — 3,5''|o Wasser, 6 — 7,7 "lo Asche. Im Durchschnitt enthält
Mohnsamen in Prozenten: 8,15 Wasser, 19,53 Stickstoffsubstanz, 40,79 Fett, 18,72
stickstofffreie Extraktstoffe, 5,58 Rohfaser, 7,23 Asche (in der Trockensubstanz 21,26
Stickstoffsubstanz, 44,41 Fett) (Boüssingault, Hoffmann, Dietrich und König,
ScHÄDLER, Hesse, Greitherr — bei König). Nach neueren Angaben (Mach 1902
u. and.) in Prozenten: 47,4 — 51.4 Rohfett, 20 — 22,68 Rohprotein (18,4 — 21,6 Ei-
weiß), 5,1 — 5,6 Rohfaser, 3 — 3,9 Pentosane, i — 1,8 Amide u. a., 9,5 — 10,5 stick-
stofffreie Extraktstoffe, 3,87 — 4,5 Wasser, 5,6 — 6,36 Asche. Ferner enthält der Same
0,25' — 0,94 "/q Lecithin (Schulze und Frankfurt), Diastase (in reifendem Samen,
Brasse), Emulsin (Simon 1838) und Lipase (Sigmund). Die Asche (6,04 ''/g.
568
Trocknende Öle.
Wolff) enthält 31,36 PjOj, 35,36 CaO, 13,62 KO. In der Samenschale sind S,y'>\^
Calciumoxalat enthalten (Weiss).
Die Angaben, daß Mohnsamen Morphin enthalte (nach Meurin 0,003 "I^, nach
AccARiE 0,06 "/p), haben sich nicht bestätigt (Sacc, Mach, Clautri.\u). Hesse
gab (1S65) Rhoeadin darin an.
DieSamen liefern bei derPressung40 — 50 "l^fast geruchloses, angenehm schmecken-
des, fettes Öl, Mohnöl, Oleum papaveris (huilc d'oeillette, h. de pavot, h. blanche,
poppy seed eil, olio di papavero, papaverzaadolie fiexcovtXaiov). Das kaltgepreßte Öl
ist farblos oder goldgelb (weißes Mohnöl), das warmgepreßte dunkler (rotes Mohnöl). Es
trocknet so gut wie Leinöl, ist aber wohlschmeckend. Die Elementarzusammensetzung
ist: 76,5 bis 76,63 C, 11,2 — 11,63 H, 11,74 — 12,3 O (Sacc). Nach 24stündigem
Einlegen in halbkonzentriertes Kaliammoniak (HARTWicH-UHLMANNsche Mischung)
treten im Tropfen kurze und lange, lockig gebogene Nadeln und reichlich Sphärite auf.
Es enthält von festen Fettsäuren 6,67 °/o (Toljian und Munson), wahrschein-
lich nur Palmitinsäure (Lewkowitsch) — nach älteren Angaben auch Stearin-
säure. Die flüssigen Fettsäuren bestehen aus s"],, Linolensäure, 65°|o Linolsäure
und 30*'|o Ölsäure (Hazura und Grüssner), Isolinolensäure ist fraglich; da die
Fettsäuren aber nur sehr wenig oder kein Hexabromid geben, kann die Menge der
Linolensäure nur sehr gering sein (Lewkcavitsch). Das Unverseifbare (Phytosterin,
F. 136 — 137 0) beträgt c. 0,5 "/(,. Der Lecithingehalt des Rohfettes wird zu i3,27'>|o(?)
angegeben (Steli.waag).
Das spez. Gewicht liegt zwischen 0,924 und 0,927 (Allen), der Erstarrungs-
punkt bei - — 17 bis — 19" (Girard), der Schmelzpunkt bei - — 22", die Verseifungs-
zahl ist (189) 190,1 — 197,7 (Dieterich, Valenta, Lewkowitsch), die Jodzahl
132 — 136 (Lewkowitsch), 137,6 — 143,3 (Dieterich), bei mit Petroläther aus dem
Samen extrahierten Öl 153,48 — 157,52 (Utz), die REICHARD-MEISSL-Zahl o, die
Hehnerzahl 95,38 (Dietzell), 94,97 (bei ostindischen Ölen, Crossley undLnSuEUR),
die Maumeneprobe zeigt (74) 86 — 88, 5 ^ der Brechungsexponent im Oleorefraktometer
-{-23,5 bis +29° (Jean), im Butterrefraktometer bei 15O: 78,1 — 78,4° (Utz), bei
25": 72 — 74,5. Die Verbrennungswärme des Mohnöls beträgt 9442 kal. (Stohmann),
9397 g-tal. (Sherman). Der Entflammungspunkt liegt bei 250" (Rakusin).
Die freien Fettsäuren zeigen bei 100" ein spez. Gewicht = 0,888, ihr Er-
starrungspunkt liegt bei 16,5", ihr Schmelzpunkt bei 20 — 21 " (de Negri und Fabris),
die Neutralisationszahl ist 199, die Jodzahl 116,3 — '39 (die der festen Fettsäuren
149,6), die Acetylzahl 13,1, der Brechungsexponent 1,4506 (Thörner). Die tech-
nischen Mohnöle sind reich an freien Fettsäuren (bis 17,73 "/(,).
Die Zusammensetzung der Preßkuchen ergibt sich aus folgender Tabelle:
Schwarzer !Mohn
Weißer indischer Mohn
Artois
Levant
DfecuGis
Garoia
B0USSINGAULT
Di;cüGis
II.I5
10,90
11,70
9.70
5.13
7,24
10,10
9,18
34,50
38,12
37.80
35,38
33,90
19,46
11,08
23,30
11,10
24,61
8,20
16,13
13,20
6,00
12.93
Wasser
Fette
StickstofThah. Substanz
Stickstofffreie Substanz
Cellulose
Asche
Die Preßkuchen des Mohn enthalten im Mittel 5,50 — 6% Stickstoff, 2,75 — 3,5070 Phosphorsäure.
Semen Papaveris und Oleum Papaveris. S^Q
Lit. Sacc, Ann. chim. phys. (3) 27 (1849) 473 (Jahresber. d. Pharm. 1849, 64). Journ.
pr. Chem. 1850, 307. — AcCARlE, Journ. chim. m^d. 1833, 431 (Jahresb. d. Chem. 4 [1835]
250). — Meurin, Journ. d. pharm. 23 (1853), 339. — ClAUTRiAU, Ebenda 20 (1889), 161 und
Bull. Soc. Belg. Mikr. 1894, 35. — WoLFF, Aschenanalysen I, 105 (Asche auch: Wilden-
STEiN, Journ. pr. Chem. 54 [1851], 100). — Mach (Monograph.), Landw. Versuchsstat. 57 (1902),
419. — Schulze u. Frankfurt, Landw. Versuchsstat. 1894, 307. — Brasse, Compt. rend.
1884, 878. — Simon, Poggend. Ann. 43 (1838), 404. — Sigmund, Monatsh. f. Chem. 11(1890),
272. — Hansen, Fermente, Arbeit. Bot. Inst. Würzburg III, 252. ^ Weiss in Meyer, Drogen-
kunde. — Analysen bei König, Nahrungs- u. Genußm., Harz a. a. O. u. Collin-Perrot a. a. O.
Öl: Oudemans, Scheik. Verhand. 1858, II l8o (Jahresb. d. Chem. 1858, 304); Journ.
d. pharm. 44 (1863), 362 (Jahresb. d. Pharm. 1863, 159). — MULDER, Journ. pr. Chem. 1865,
323 u. Chem. d. austrocknend. Öle 1867. — Hazura u. Friedrich, Monatsh. f. Chem. 1887,
247 (Jahresb. d. Pharm. 1887, 296). — Hazura u. Grüssner, Monatsh. f. Chem. 1888, 198.
— Hefter, Fette u. Öle II (1908) 100. — Schaedler, Technol. d. Fette. — Lewkowitsch
a. a. O. — ToLMAN u. Munson, Journ. amer. chem. soc. 1903, 690. — Utz, Chem. Zeit. 1903,
1177 u. 1904, 257. — Stellwaag, Landw. Versuchsstat. 37, 135.
Verfälschungen. Speisemohnöl wird mit Sesamöl (BAUDOUiNsche Reaktion!)
und Haselnußöl verschnitten, Malermohnöl oft durch Wallnußöl ersetzt, das aber 1,4
bis 1,9 "Iq Hexabromid (Mohnöl nichts davon) liefert und dadurch erkannt werden kann.
An'wendung. Mohnöl dient zu Speisezwecken, auch zur Verfälschung des
Olivenöls und zur Herstellung weißer Malerfarben, mit Mastix und Japanwachs als
«Wachsöl». Zur Schmierseifenfabrikation werden nur die schlechtesten Sorten verwendet.
In der Pharmazie wird Mohnöl jetzt vielfach durch das bessere Sesamöl oder Erd-
nußöl ersetzt (D. A. V). In der Medizin dient Mohnsamen zu Emulsionen.
Die wohlschmeckenden Preßkuchen sind — schon allein wegen ihres Phosphor-
säuregehaltes — ein vorzügliches Futtermittel. Sie zeigen keinerlei giftige Eigen-
schaften.
In der Niederlausitz (z. B. in Guben) wird ein aus Milch, Semmel und Mohnsamen be-
reitetes Gericht unter dem Namen «Mopielen» am Weihnachtsabend gegessen (Tschirch). Die
Sitte stammt wohl aus Schlesien, wo der Mohn mo genannt wird. Auch in Tirol findet sich
als Festspeise ein Gericht aus Milch, Semmel, Honig und Mohnsamen (Dalla Torre). Die noch
heute übliche Sitte, Backwerk mit Mohnsamen (oder Lein- bzw. Sesamsamen) zu bestreuen, ist
uralt (Hehn).
Geschichte. Die Heimat der Mohnkultur ist das nördliche Kleinasien. Die Griechen
erhielten den Mohn von der Südküste des schwarzen Meeres. Dort lag die Stadt Sinope, die
in der hesiodischen Theogonie noch ihren ursprünglichen Namen Mekone (= Mohnstadt) führte
(Hehn), der auf reichliche Mohnkultur deutet. Homer, Theophrast, Dioskurides gedenken
des Mohn. Dioskurides kennt auch schon die Varietät mit weißen Samen. Die Römer kannten,
wie Funde in neolithischen Pfahlbauten zeigen, den wilden Mohn schon in vorgeschichtlicher
Zeit, den Gartenmohn zur Zeit der Könige. Nach den Pfahlbaufunden bauten in der neolithi-
schen Periode und der Bronzezeit die Bewohner Mitteleuropas eine zwischen Papaver somni-
ferum und P. setigerum stehende Art (Heer), aus deren Samen sie Mohnkuchen buken und
wohl auch bereits das Öl preßten und die man als Pfahlbaumohn bezeichnet hat. Sie steht
P. setigerum noch ziemlich nahe (Hartwich) |und ist als eine Zwischenstufe zwischen beiden
zu betrachten. «Der Mohn darf der ältest erreichbaren Schicht europäischer Kulturpflanzen zu-
geschrieben werden» (Schrader). Dem ägyptisch-semitischen Kulturkreise ist er ursprünglich
fremd. Auf altägyptischen Monumenten fehlt der Mohn und Samen sind in Gräbern nicht ge-
funden worden. Erst Plinius (XX, 18) berichtet, daß sich die Ägypter des Mohnsaftes bedienten.
Die Pflanze wird also wohl damals auch dort gebaut worden sein. Auch die Nachrichten aus
Palästina über die Samen und ihr Öl (I, S. 489) stammen erst aus der römischen Zeit. Plinius,
Dioskurides, Celsus (I, S. 587) und Galen erwähnen bereits verschieden gefärbte Samen.
Galen hält sie für schwer verdaulich. Als Arzneimittel finden sie sich bereits bei Scribonius
Largus (I, S. 578, Papaver silvat, und nigrum) und Alexander Trallianus (I, S. 592), als
57°
Halbtrocknende Öle.
Handelsartikel im Edikt des Diocletian (I, S. 569). Der Anbau des Mohn ist in Deutschland
alt, denn die ahd. Bezeichnung mShan ging ins Vulgärlatein über (so mahunns, mahonns, manns
in zahlreichen Glossen). MohnUultur in Italien wird aber erst bei ViRGlL erwähnt. Den Garten-
mohn brachten die Benediktiner nach Deutschland. Er steht im Capitulare Karls, im St. Galler
Klosterplan und bei JIacer. Nach dem Kalender des Harib (I, S. 612) soll Mohnsamen im
August gesammelt werden. In der Alphita (I, S. 655) steht Papmier albuni (whatpopy),
P. nigrum (blakpopy) und P. rubeiim (redpopy), bei CORDUS : Papaver album, rubrum und nigrtim,
in der Frankfurter Liste (I, S. 812) Papaucris alhi et nigri. Der Anbau des Mohn (zur Opium-
gewinnung) reicht in Indien nicht weiter als bis ins XVI. Jahrh. zurück, doch finden sich Mohn-
samen (khastila) schon im Glossar des SuvarnäDIVARGa (1,8.505). Die Mohnkapsel galt wegen
der zahlreichen Samen schon den Hellenen als Symbol der Fruchtbarkeit, Man findet sie oft mit
Ähren zusammen in der Hand der Demeter, der Göttin des ehelichen Segens, aber auch sonst
auf Münzen und anderen Bildwerken des Altertums (zahlreiche Abbildungen in Lochners Me-
konopaignion, Nürnberg 1718). Die Pflanze war der Aphrodite geweiht. Der Same wurde gegen
den weißen Fluß benutzt (Aigremont). Mohnköpfe gab man auch Hypnos, Thanatos und Nyx
in die Hand (Gubernatis). In Böhmen findet sich der Aberglaube, daß die Braut, der man
Mohnkörner in den Schuh schüttet, unfruchtbar bleibt.
Lit. Heer, D, Pfl. d. Pfahlbauten. Neujahrsbl. d. Zürch. Naturf. Ges. 1866. — Hart-
wiCH, Pap. somnif. u. dess. in d. Pfahlbaut, vorkomm. Reste. Apoth. Zeit. 1899. — Netjweiler,
D. prähist. Pflanzenreste Mitteleuropas. Zürich 1905. — Flückiger, Pharmakogn. — DE Can-
DOLLE, L'origine d. pl. cultiv. — Gubern.vtis, Mythologie des plantes.
Zu den trocknenden Ölen gehören ferne
Perillaöl von Perilla ocymoides.
Tungöl (Holzöl), Ölfirnißbaumöl von Aleurites
cordata.
Kekunaöl von Aleurites triloba.
Stillingiaöl, Talgsamenöl von Stillingia sebi/era.
Weiß-Acacienöl von Robinia Pseudacacia.
Cedemnußöl von Pinus Cembra.
Walnußöl von Juglans regia,
Safloröl von Carthamtis tinctorius.
Echinopsöl von Echinops Ritro.
Amooraöl von Amoora Rohituka.
Spargelsamenöl von Asparagtis offic.
Nigeröl von Guizotia oleifera.
folgende Samenöle :
Sonnenblumenöl von Helianthus anmius.
Gelbacacienöl von Caragana arborescens.
Argemoneöl von Argenione mexicana.
Kiefern-, Fichten-, und Tannensamenöl.
Madiaöl von Madia sativa.
Erbeeröl von Fragaria vesca.
Rotrepsöl, Nachtviolenöl von Hesperis ma-
trojialis.
Bilsenkrautsamenöl von Hyoscyamus niger.
Celosiaöl von Celosia cristata.
Indisches Lorbeeröl von Laitrus indica.
Resedasamenöl von Reseda luteola.
2. Halbtrocknende Öle.
Die halbtrocknenden Öle bilden den Übergang von den trocknenden zu den
nichttrocknenden Ölen. Ihre Jodzahlen liegen zwischen denen beider Gruppen. Linolen-
säure fehlt in ihnen, sie enthalten aber Linolsäure. Die Gruppe der Baumwollsamen-
öle zeigt trocknende Eigenschaften mehr als die Rübölgruppe.
Semen Gossypii und Oleum Gossypii.
Die Stammpflanze der Baumwollsamen ist oben S. 230, die Morphologie und
Anatomie S. 238 beschrieben. Dort auch die Geschichte.
Bis 1852 wurde der Baumwollsamen meist weggeworfen (vgl. S. 245). Seit
dieser Zeit wird das Öl gepreßt und der Preßkuchen als Futter- und Düngungsmittel
benutzt.
Besonders ist amerikanische und ägyptische Baumwollsaat im Handel, dann
auch ostindische (Bombay), levantinische (Smynia, Mersine, Alexandrette).
Semen Gossypü und Oleum Goss\-pii. cji
British Indien exportierte cotonseeds 1907/08: 3683634, 1908/09: 2777844 cwts nach
England und engl. Besitzungen und 1907/08: 566238, igoS/og: go5528 cwts nach anderen
Ländern. Die Vereinigten Staaten exportierten 1909; 51 626741 pounds cotton seed,
51087329 gallons Cotton oil und 1233750327 pounds cotton seed oil cake. In Nordamerika
besteht eine Cotton-Oil-Compagny. 1894 gab es dort schon 252 Cotton-Oil-Fabriken. Ägypten
exportierte schon 1897: 7V2 Mill. hl Baumwollsamen. Frankreich führte 1908 355633 Quint.
Baumwollsamen ein, vorwiegend aus Ägypten (298520 Qint), sehr viel weniger aus Engl.
Indien, der Türkei, Haiti, den Ver. Staaten, Portorico, Columbien und Algier. Frankreich im-
portierte 1908: 516580 Ouintalm. Baumwollsamenöl, das meiste aus den Vereinigten Staaten.
In großem Stil wird in Frankreich Olivenöl mit Cottonoil vermischt und als «Olivenöl» exportiert.
Bamnwollsamen enthalten 44,4 — 60 "/p Kern und 40 — 54,8 "/q (nach anderen
66 — 7i''/o) Hülsen. In den Samen ist 18,67 (Levante, Mersine) bis 23,93 "/„ (ägyp-
tische), im Durchschnitt c. 2o''|(, Öl enthalten, in den Kernen 37,41 (ägyptische) bis
39,28 "Ip (Bombay) Öl (Lewkowitsch) ; die beim Schälen abfallenden «Hülsen» ent-
halten davon kaum i — 3 "jf^. Das Öl wird sowohl aus geschälten wie ungeschälten
Samen gepreßt.
In Ergänzung der Angaben auf S. 245 sei über die Zusammensetzung der
Samen noch folgendes angegeben. Sie enthalten ungeschält im Mittel in Prozenten:
ii,i Wasser, 19,69 Stickstoffsubstanz, 20,86 Fett, 23,43 stickstofffreie Ex-
traktstoffe, 21,1 Rohfaser, 3,8 Asche (Wagner-Clement 1908). Der geschälte
Samen enthält im Mittel in Prozenten: 7,28 Wasser, 29,55 stickstoffhaltige Substanz,
27,23 Fett, 24,07 stickstofffreie Extraktivstoffe, 4,62 Rohfaser, 7,25 Asche, doch
schwanken die Zahlen je nach Herkunft der Samen. Vom Fett sind z. B. auch nur
I7*'|(, beobachtet, von stickstofffreien Extraktstoffen 24,5 — 32,5 (noch größere Schwan-
kungen bei Bryde). Die Samenkeme enthalten 5,49''|o Pentosane (Skinner). Ferner
sind nachgewiesen: 42,3 "Jq des Globulins Edestin (Osborne und Voorhees) und
44,3 bzw. ii,4*'|q zweier weiterer Globuline, Proteose (Osborne), Nucle'in,
Betain, Cholin, Lecithin, Melitriose (Raffinose, Melitose, Gossypose), Stärke
(? Sacc), Zucker, Wachs, Dextrin. In der 3 — 6 "/q betragenden Asche ist viel
MgO (16—200;,,), Yfi^ (26—310/0) und Kfi {27—37%), auch etwas Titan (0,02 o/^,
Wait) gefunden worden.
Die ägyptischen und Bombay-Samen gelten als die ölreichsten. Sie werden vor-
wiegend in Deutschland, England, Frankreich und Italien verarbeitet. Der Samen
wird vor dem Pressen meist geschält.
Das Baumwollsaatöl, Oleum Gossypü (huile de coton, cotton oil, olio di cotone,
katoenolie, ßafißaxtXaiov) enthält je nach dem bei der Fabrikation angewendeten Drucke
mehr oder weniger flüssige Glyceride. Die Elementarzusammensetzung ist C = 76,30
bis 76,50, H = 11,33 — 11)73' O = 12,17 — 1-'39 (König). Von festen Fettsäuren,
die 22,3 — 32,6 0|g des Öls betragen (Twitschell, Farnsteiner, Tolman, Munson),
sind besonders Palmitinsäure, weniger (c. 3,3 o/^,) Stearinsäure nachgewiesen, von
flüssiger Linolsäure (18,45 — - 1 "/o '^^^ Fettsäuren, Lewkowitsch) und Ölsäure
(c. 76,55 °lf) der flüssigen Fettsäuren). Da kein Hexabromid entsteht, muß Linolen-
säure fehlen. Dagegen scheinen 3,60/^ Oxyfettsäuren (Fahrion), aber keine Arachin-
säure vorhanden zu sein. Die Cottonölsäure (Papasogli) ist zweifelhaft, ebenso der
mit Wasserdampf flüchtige, schwefelhaltige Körper Duponts.
Das spez. Gewicht ist 0,922 — 0,928. Gehalt an freien Fettsäuren (auf Ölsäure
berechnet) 0,15 — 0,5 oj^,, Unverseifbares (bes. Phytosterin, F. 136 — 13 /O) 0,73 — 1,64 o/^,
Erstarrungspunkt o bis — lO, Refraktometerzahl (im Zeiss - Butterrefraktometer bei
Ö7'
Halbtrocknende Öle.
25"): 67,6^69,4, Verseifungszahl 191 — 198, Jodzahl 102 — 1 1 1 , Temperaturerhöhung
bei der Maumencprobe 67 — 84". Die Fettsäuren zeigen einen Erstarrungspunkt von
34,9 — 35,1 und einen Schmelzpunkt von 27 — 30" (beides relativ hoch!) und eine
Acetylzahl von 16,6. Bei der Elaidinprobe wird das Öl dickflüssig oder butterartig.
Der leicht erstarrende Teil (das Öl soll 70 "Jq Palmitin enthalten) wird als Baum-
wollstearin oder Cottonmargarin bezeichnet, der flüssigbleibende wird in erster
Linie als Speiseöl benutzt. Die Verbrennungswärme des Baumwollsamenöls beträgt bei
konstantem Volumen 9390 — 9401, bei konstantem Druck 9405 — 9416 g-cal. (Sherman
und Snell). Im Öl werden auch ein Aldehyd (?), eine schwefelhaltige Substanz (? s. oben)
angegeben.
Das Öl wird in ungeheueren Quantitäten als Speiseöl und in der Margarine-
fabrikation, die geringeren Sorten auch in der Seifenfabrikation, verbraucht und dient
auch zur Verfälschung des Olivenöls, des Schweineschmalzes und anderer Speiseöle
und Fette.
Der Nachweis von Baumwollsamenöl in diesen Fetten und Ölen ist daher
«eine der wichtigsten Aufgaben der Fettanalyse» (Lewkowitsch). Die wichtigste
Reaktion ist die HALPHENSche (Erhitzen des in Amylalkohol gelösten Öls mit Schwefel
und Schwefelkohlenstoff im Wasserbad — es tritt Rotfärbung ein). Die Reaktion
bleibt aus, wenn das Öl zuvor auf 150 — 250" erhitzt wurde und tritt auch ein an
Fett von Tieren, die mit Baumwollpreßkuchen gefüttert wurden. — Dann die auch
an erhitztem Öl eintretende Probe mit Salpetersäure (spez. Gewicht 1,375), wobei
nach längerem Stehen Braunfärbung eintritt. Die BECHische Silbemitratprobe ist
unzuverlässig.
Die Zusammensetzung des Baumwollsamenpreßkuchen ergibt sich aus folgender
Tabelle :
geschält
Garola Völcker
roh
Garola
DicuGis
Wasser
Fette
SticUstofFhalt.Substanzen
StickstofffreieSubstanzen
Cellulose
Asche
7,78
12,87
47.81
20,84
3.80
6,90
9,28
11,05
4', 12
22,50
8,05
12,44
5,86
28,00
40,64
8,14
4,92
9,30
6,10
24,10
54.50
5.96
Vgl. auch S. 245. Da die Preßkuchen nicht ganz ungefährlich sind, dürfen sie nur bei aus-
gewachsenen Tieren mit Vorsicht in kleinen Partien verfüttert werden.
In China werden seit Jahrhunderten aus Baumwolisamcn Futterkuchen hergestellt.
In Nordamerika wird der Samen noch jetzt vielfach nur als Düngemittel benutzt.
Lit. Wagner u. Clement, Zeitschr. Unters. Nähr.- u. Genußm. 16 u. 17. — Hefter,
Fette u. Öle. 1908. — Matthes und Heintz, Arch. Pharm. 1909, 161. — Lewkowitsch
a. a. O. — Weitere Liter. In Wehmer, Pflanzenstoffe. — König, Nahrungsm. (dort [B. I, S. 615]
d. Liter.). — Bömer, Zeitschr. Nähr.- u. Genußm. 1901, 872. — Völcker, The analyst. 1903.
Collin-Perrot, Resid. industr. — Skinner, Exp. Stat. Rec. 1902. — Bryde Ebenda. —
WOLFF, Aschenanalysen. — OSBORNE und Voorhees. Journ. am. ehem. soc. 1894, 778. —
Fahrion, Zeitschr. ang. Chem. 1892, 172. — Papasogli, Publ. del labor. chira. d. gabelle
1893, 90. — DUPONT, Bull. soc. chim. 1895, 696. — Über Cottonölmargarin vgl. DE Negri
u. Fabris, Zeitschr. analyt. Chem. 1894, 563 u. Hart, Chem. Zeit. 1893, 1520. — Über die
Substanz, die die Halphenreaktion bedingt, vgl. Soltsien, Zeitschr. öffentl. Chem. 1899, 306,
Charabot und Marsh, Bull. Soc. chim. 1899, 552, Raikow, Chem. Zeit. 1899, 760 u. 892;
1900, 562 u. 583; 1902, 10, Gill und Denison, Journ. am. chem. soc. 1902, 397. — Rosenthaler
Zeitschr. Nähr. u. Genußm. 1910, 453.
Semen Sesami und Oleum Sesami. 57 j
Semen Sesami und Oleum Sesami.
Syn. Sesamsamen, Kuntschuksamen , — sesame, jugoline, benne (franz.) -^
sesame (engl.) — sorgelin (span.) — gergelim (port.) — sesamo, giuggiolena (ital.)
■ — • simsim (arab.) — til, gingil, gingelin, gergelim (hindost.) — salid (abyss.) — moa,
chima (chines.) — koba (Japan.) — kundschut (buchar., pers., türk.) — in West-
afrika: bennyseed, in Ostafrika (kisuaheli): mfuta, im malaiischen Archipel: widjen
bidjen (wohl aus bidji == Same) — lenga (mak.), ringa (biman.), watu (sund.).
Etym. Das Wort Sesam ist uralt. Es findet sich schon im Babylonischen, äam samni
{= Pflanze des Öls), ging als Lehnwort ins Ägyptische ämsmt über (vgl. I, S. 467), dann ins
Koptische äemsem, ins Griechische CT^JaßiUOv (bei den späteren Griechen: arjaa/iäzov, arjadftivov,
aifioeß-, bei den Neugriechen atjaäfit oder aoiaüfii) und das Lateinische sesamum. Es findet
sich auch im Aramäischen und Syrischen (schusch^mä, sümsemä) und Arabischen (säsim, simsim).
Das indische Gingeli ist aus dem arabischen chutchulän umgebildet. Davon abgeleitet; Bei
Bahthema (1510): zerzalino; bei Castanheda (1552) und GotJVEA (1602): gergelim; bei Fre-
dericke (1599): zezeline; bei MoCQUET (1610): gerselin; bei Thevenot {1661) : telselin. — Til, tila
ist das Sanskritwort für Sesam. Benno ist westafrikanischen Ursprungs und steht vielleicht zu
ben (= Moringa) in Beziehung (?'l.
Stammpflanze und systemat. Stellung. Sesamum indicum De, zusammen-
gezogen aus Sesamum indicum L., Spec. pl. ed. I, p. 634 und S. Orientale L.,
ebenda (S. luteum Ketz., S. oleiferum Moench) mit vielen Kulturvarietäten bzw.
Formen. De Candolle nimmt zwei Rassen, eine mit schwarzen, eine mit weißen
Samen und mehrere nach der Form der Blätter unterschiedene Varietäten an. Er
unterscheidet von seinem S. indicum die Varietäten: a grandidentatum (S. indicum
L.), ß subdentatum (S. indicum Suis.) und / subindivisum (S. Orientale L.).
Pedaliaceen — Pedalieae (Sesamum) Sect. Sesamotypus Benth et Hook. fil.
Beschreibung der Stammpflanze. Die bis i m hohe einjährige, dem Finger-
hut äußerlich ähnliche Pflanze hat einen vierkantigen, nur oben kurz-rauhhaarigen
Stengel und unten gegenständige, gestielte, eiförmige, 3 — 5 lappige, grob- und unregel-
mäßig gezähnte, oben alternierende, fast sitzende, lanzettliche, meist ganzrandige
Blätter. Die großen Blüten entspringen einzeln (die beiden Seitenblüten der C}'ma
sind abortiert) in den Achseln der oberen Blätter. Der außen behaarte Kelch ist bis
fast zum Grunde geteilt, mit vier schmal lanzettlichen, spitzen Blättern. Die weiße
/oder rote) Blumenkrone zygomorph, trichterförmig erweitert, am Grunde rückwärts
schwach höckerig, weit aus dem Kelche herausragend, bis 35 mm lang, mit fünf
Lappen, von denen die drei vorderen, die die Unterlippe bilden, größer sind als die
zwei hinteren. Von den vier Staubfäden sind zwei länger. Sie tragen eine längliche
Anthere, die mit einer Längsspalte aufspringt und am Connectiv eine Drüse. Das
fünfte, hintere Stamen ist als pfriemliches Staminodium entwickelt. Das Gynaeceum
trägt einen Griffel mit zwei lanzettlichen Narbenlappen und ruht auf einem niedrigen
drüsigen Diskus. Es besteht aus zwei Carpellen, die unten durch falsche Scheidewände
in je zwei Kammern geteilt sind. Die Frucht ist daher unten vier-, oben einfächerig.
Die zahlreichen Ovula sitzen an zentral-winkelständigen Placenten. Die Frucht ist
eine hellbraune, bis 35 mm lange, bis 7 mm breite, in eine ziemlich lange Spitze
auslaufende, mit vier Längsfurchen versehene Kapsel, die sich bei der Reife bis fast
zum Grunde dadurch aufspaltet, daß sich die falschen Scheidewände in zwei Platten
trennen.
Abbild.: Stapf in Engler-Prantl, Pflanzenfamilien IV, 3b, 263. — Vogtherr-Köhler,
Medizinalpfl. Ergänzungsb. t. 58 (dort die weitere botan. Literatur). — Bentley-Trimen, Med.
e- 1 Halhtrockncnde Öle.
plant, t. 198. — Wicht. Illust. Ind. Bot. t. 163. — Bot. Mag. t. 1688. — Älteste Abbild.
CÄMERARius, Hortus medicus — , Rumphius, Herb. amb. t. 76 und Rheede, Hort. Mal. IX, 54, 55.
Pathologie. Über die pflanzlichen Schädlinge berichtet Prof. Ed. Fischer: Malkoff
bat in Bulgarien auf Sesamum eine mit Auftreten von Bakterien (er nennt Bacillus Sesamt und
Psaulomonas Sesami) verbundene Krankheit beobachtet, bei der auf den Blättern Flecken auf-
treten, die Stengel schwarz -n-erden und schließlich vertrocknen. — In anderen Fällen (so in
Turkestan, in Indien") wurde ein Absterben von Sesampflanzen beobachtet, das sehr wahrschein-
lich durch Neocosmospora vasinfecta E. Smith hervorgerufen wird, einen Pilz, der auch eine
Krankheit der Baumwollpflanzen (s. dort) verursacht. (A. de Jaczewski, Über das Vorkommen
von Neocoimospora vasinfecta E. Smith auf Sesamum Orientale. AnniiXe^ Myco\og\c\ I1903, p. 31).
Sesam hat von tierischen Feinden wenig zu leiden.
Kultur und Handel. Sesai/ium indicum wird in den Tropen und Subtropen
beider Hemisphären gebaut, vornehmlich in Vorder- und Hinterindien (Siam),
Himalaya, Afghanistan, Persien, Arabien, Rußland, China, Japan, Formosa, Java,
Kleinasien (Hafen: Smyrna), Arabien, Palästina (Hafen: Jaffa), Ägypten, Griechen-
land, Sizilien (bei Syracus und im Süden), Malta, Gozo, Algier, West- und Ostafrika
(Natal, Sansibar, Madagaskar, Mossambik, Senegal, Lagos) und den wärmeren Gebieten
Nord- und Südamerikas (Brasilien, Westindien, Cura9ao). Hauptproduktionsgebiet ist
Vorderindien, das viel Sesam verbraucht und noch mehr exportiert. Dort sind
ungeheuere Flächen mit Sesam bebaut. In der Präsidentschaft Madras allein 400 000 ha.
Die Pflanze verlangt eine möglichst gleichmäßige Temperatur und mindestens drei
Monate gleichmäßige Wärme, sowie trockenen, kalkhaltigen, lehmigen, stickstoffreichen
Sandboden. Man sät in Indien die schwarze Varietät im März, die weiße im Juni;
die erste reift im Mai, die andere im August. Die Frucht wird ausgedroschen. Bis-
weilen werden, da die Vegetationszeit nur drei Monate beträgt, zwei Ernten im Jahr
erzielt.
Im Handel unterscheidet man besonders indische und Levantiner Samen (letztere
von der Form Onentale), sowie weißen, gelben, braunen und schwarzen oder gemischt-
farbigen Sesam. Selbst dieselbe Varietät produziert Samen verschiedener Farbe. Im
allgemeinen zeigen die Samen von 6". indictan weiße, gelbliche oder bräunliche, die
von S. Orientale schwarzbraune bis violettschwarze Farbe (Harz). In Indien heißt
der hellgelbe safed til, der schwarze kala til. Der schwarze produziert mehr Samen,
der weiße das feinste Öl.
Gleichmäßig gelblich- weiß ist der Levantiner Kurrachee und Sansibar -Sesam,
mit grauen Samen gemischt der Bombay-Sesam, braun der ägyptische und Smyma-
Sesam, schwarz der indische.
Deutschland importierte 1909: 779401 dz Sesamsamen besonders aus China und Brit.
Indien (zusammen über 700000 dz), dann aus Portugies. Ostafrika, Nied. Indien, der asiat.
Türkei, Japan und Brit. Westafrika. Frankreich importierte 1908: 554036 Quint. Sesam-
samen. Davon kam das meiste, etwa zu gleichen Teilen, aus China und Engl. Indien, kleinere
Mengen aus der Türkei, noch weniger aus Niederl. Indien, Westafrika, Indochina. Marseille
ist ein wichtiger Sesamimporthafen. Dann auch Triest. British Indien exportierte Sesamsamen
1904/05: 65532, 1908/09: 17 977 cwts nach England und engl. Besitzungen und 1904/05 : 2451225,
1908/09: 1639 3 15 cwts nach anderen Ländern. Von Sesamöl 1908/09: 104306 cwts nach Eng-
land usw. und 69904 cwts nach anderen Ländern. Siam exportiert etwa 4 Mill. kg Samen. China
verschiffte aus den Vertragshäfen 1897: 44899 piculs, Ostafrika für über 200000 M. DieVer-
einigten Staaten importierten 1909: 1274032 pounds Sesamöl.
Lit. Semler, Trop. Agrikult. — Watt, Dict. econom. prod. — Fi.ückiger-Hanbury,
Pharmacogr. — Warburg, Sesamkultur in unser. Kol. Zeitschr. trop. Landwirtsch. 189S. —
Thoms, Sesamsaat aus Togo. Tropenpfl. 1898.
Semen Sesami und Oleum Sesami.
575
Morphologie der Droge. Die Samen sind 1,5 — 4, meist c. 3 mm lang, c. i
bis 2 mm breit und i mm dick, je nach der Sorte gelblich-weiß, rötlich oder braun
bis schwarz, verkehrt eiförmig, etwas zugespitzt, flachgedrückt, spateiförmig. An
den vier Kanten laufen vier mit der Lupe gut sichtbare, schmale Rippen. Dadurch
erscheint der Same im Querschnitt undeutlich vierkantig. Die flachen Breitseiten sind
infolge eines undeutlichen Netzwerkes feingrubig runzlig. In der Mitte der einen
flachen Seite verläuft die Raphe. Das Endosperm ist etwa halb so dick wie ein
Cotyledon. Die ölreichen Cotyledonen sind flach, zwischen ihnen liegt der Keimling.
Der Geschmack ist angenehm milde-ölig.
Anatomie. Die Samenschale zeigt zwei Schichten. Die äußere besteht aus
beim trockenen Samen zusammengefallenen, nach dem Aufweichen palissadenartig ge-
streckten, dünnwandigen Zellen, die, ihrer
Außenwand angeheftet, eine in einer gp
Tasche sitzende große Calciumoxalatdruse
führen (Fig. 182) und bei den dunklen ^j,,,
Varietäten auch den in Alkali löslichen
FarbstofT (in Form von Pigmentkörpem,
Hartwich) enthalten. Von der Fläche
betrachtet sind sie isodiametrisch und
bieten (auch im Preßkuchen) ein für ^1
den Sesamsamen außerordentlich
charakteristisches Bild, denn es sind
nur wenige Fälle (von Benecke und
Collin) beobachtet, wo diese Kristalle
fehlten. An den vier Eckleisten (s. oben)
des Samens sind die Epidermalpalissaden
fächerartig angeordnet (Fig. 182 I). Hier
fehlt ihnen auch meist die Kristalldruse.
Die zweite Schicht ist die aus mehreren
Sesamum indicum Dl.
Reihen obliterierter dünnwandiger, kleine Q„„schmtt durch Samenschale (S), Endospem, (E) und einen
Prismen oder Zwillingskristalle (Collin, Cotyledon (C). [Nach Moeiier-Winton.]
Hanausek) enthaltender Zellen bestehende Nährschicht. Bei den dunklen Sorten
führt auch sie FarbstofT. Das Endosperm ist mehrschichtig. Seine Zellen sind etwas
dickwandiger als die Zellen der bifacial gebauten breiten Cotyledonen (Fig. 182), ent-
halten aber wie diese in Ölplasma eingebettete, Globoide und Kristalloide führende,
Aleuronkömer. Diese sind im Endosperm 2 — 6, in den Cotyledonen bis 10 mik. groß.
Lit. Flückiger, Z. Kenntn. d. Sesamsam. Schweiz. Wochenschr. 1865. — Benecke,
Die verschied. Sesamarten u. Sesamkuchen d. Handels. Pharm. Centralh. 1887, 545 und Anleit.
zur mikrosk. Unters, d. Kraftfutterm. 1886. — Böhmer, Die Kraftfuttermittel 1903. — Moeller-
WlNTON, Mikroskop, d. Nähr.- u. Genußm. 2. Aufl. — Collin-Perrot, Les r6sid. industr. —
T. F. H.^NAUSKK in Wiesner Rohstoffe II. Aufl. — Harz, Landwirtsch. Samenk. — Hebe-
BRAJ^D, Über d. Sesam. Landw. Vers. Stat. 1898, 45. — KoBUS, Kraftfutter u. s. Verfälsch.
Landw. Jahrb. 1884, 813. — H.\rtwich in Realenzyklop. d. Pharm.
Chemie. Die Samen enthalten im Mittel in Prozenten: 5,50 (5,25 — 6,5) Wasser,
20,30 (19,5 — 22,7) Rohprotein, 14,98 stickstoflTfreie Extraktstoffe, 7,15 (6,4 — 8,4)
Rohfaser, besonders Pentosane, 4,5 — 6,47 Asche. Femer enthahen die Samen 47
bis 57 "lo im Durchschnitt 50 — 530/(1 (indische Saat) bzw. 56— 57O/0 (Levantiner) Öl
5/6
Halhtrocknende Öle.
(die indischen Pressen liefern nur 22 — 3 1 "/o Öl), Saccharose (Väi.lee, 0,64 "Jg
Bourquelot) und reduzierenden Zucker (0,14 "/o Bourquelot), ein Pentosan
(E. Schulze, Wittmann), Lecithin und Chol in (im Preßkuchen, E. Schulze),
Phytin (Posternak), Conglutin, Globulin, Legumin (Ritthausen), Amide,
einen i,95<'/(, Schwefel enthaltenden Proteinstoflf. Über 96 "Jq des Stickstofies sind
als Eiweißstickstoff vorhanden. Der Gehalt an Calciumoxalat beträgt 0,2 — i,8''/o.
Das Sesamöl, Oleum Sesami (huile de sesame ou de benne, sesame oil, gingeli,
gingili oder jinjili oil, til oder teel oil, benne oil, olio di sesamo), ist kalt gepreßt
hellgelb, geruchlos und von angenehmem Geschmack. Die Elementarzusammensetzung
des Öls der schwarzen (und weißen) Samen ist C = 76,17 (77,38), H = 11,44
(11,59), 0= 12,39 (ii>03) (König). Es enthält 12,1 — 14,1 "/o feste Fettsäuren
(Farnsteiner) und 78,1 ^/q flüssige (Laue). Letztere bestehen vorwiegend aus Öl-
säure, weniger aus Linolsäure, die festen aus Palmitin- und Stearinsäure,
sowie etwas Myristicinsäure (Kreis). Die Menge des Unverseifbaren, das aus Phyto-
sterin. Sesamin und Rotöl besteht, beträgt 0,95 — i,32''L, die freien Fettsäuren des
kaltgepreßten Öls 0,47 — 5,75 "/g. Das Öl dreht rechts (+0,8° bis + i,6o, Utz)
infolge seines Gehaltes an Phytosterin (F. 137, Villavecchia und Fabris)
und an durch Eisessig aus dem Öl extrahierbaren, zu 0,2 — 0,5 "Jq vorhandenen
Sesamin [CisHjgOs, Nadeln, F. 1180, Tocher; (CiiHi.,03)2, F. 123«, Villa-
vecchia und Fabris; CggHgdOn, (?), Bömer und Winter]. Letzteres wird durch
Nitroschwefelsäure erst grün, dann hellrot, welche Reaktion die U. St. Ph. zur
Identifizierung des Öls benutzt. Ferner wurde daraus ein aus einem krist. Kohlen-
wasserstoff (F. 91 — 92'') entstehendes (Canzoneri und Perciabosco), dickes, stick-
stoflTreies, rotbraunes Öl isoliert (Tocher, Villavecchia), das die Rohrzucker-Salz-
säurereaktion des Öls, die (von Camoin gefundene) sog. BAUDOUiNsche Reaktion,
bedingt und das vollständig in die flüssigen Fettsäuren übergeht, wenn diese mit der
Bleisalz-Äthermethode abgeschieden werden. Da die BAUDOUiNsche Reaktion auf der
Bildung von Furfurol aus der vom Rohrzucker abgespaltenen Lävulose bemht, kann
der Rohrzucker bei der für Sesamöl höchst charakteristischen Probe, die noch
kleinste Mengen Sesamöl nachzuweisen erlaubt, durch Furfurol ersetzt werden (Villa-
vecchia und Fabris). Alle aromatischen Aldehyde mit zyklischem Kern geben mit
Sesamöl Farbenreaktionen (Breindl). Ferner findet sich im Sesamöl das phenolartige
Sesamöl (Kreis).
Das spez. Gewicht des Öls beträgt bei 15": 0^921 — 0,926 (am höchsten bei
russischen Ölen), bei 98": 0,867—0,870 (Ph. helv. IV), der Erstarrungspunkt liegt
bei gepreßtem Öl bei — 4 bis — 6'' (bei e.xtrahiertem Öl bei -|- 5"), der Brechungs-
exponent (im Butterrefraktometer bei 25'') 66,2 — 69, die Verseif ungszahl 187,6 bis
194,6, die Jodzahl 103 — 114,5 (bei Cura9aoöl 116,8), die Reichertzahl 0,35, die
Reichert-Meißlzahl 1,2, die Hehnerzahl 95,6 — 95,86, die Temperaturerhöhung bei
der Maumeneprobe 63 — 68". Die Fettsäuren zeigen die Jodzahl 108,9 — 112, eine
Acetylzahl 11,5, der Erstarrungspunkt liegt bei 18,5 — 28,5", der Schmelzpunkt bei
21 — 31,5. Bei der Elaidinprobe wird das Öl nicht fest. Die Verbrennungswärme des
Sesamöls beträgt 9395 g-cal. bei konstantem Volumen (Sherman und Snell). Der
Entflammungspunkt liegt bei 240" (Rakusin). Die Pharm, helv. IV gibt als Identi-
tätsreaktioa neben der BAUDOUiNSchen nocli an, daß bei Überschichten von Salpeter-
säure (1,4) zunächst mit Sesamöl und dann mit Resorcin-Benzol, nach dem Um-
schütteln eine vorübergehende rot- bis blauviolette Färbung auftreten soll.
Semen Sesami und Oleum Sesami.
577
Die Zusammensetzung der Sesamkuchen (Preßkuchen) ergibt sich aus folgender Tabelle:
Garola
Sesam
schwarz
WOLKER GrANDEAU'
Indischer Sesam
weiß
Dietrich u. König
Max. Min. 1 Mittel
Wasser
Stickstoffhaltige Substanz
Fett
Stickstofffreie Substanz
Cellulose
Asche
I 9,58 I 8,06 10,20 16,40 8,10 12,45
41,50 I 36,87 33,75 42,31 32,20 I 36,57
10,76 ! 11,34 15,38 15,84 5,70 ' 11,86
I 20,10 25,05 24,13 30,81 14,10 21,12
7,06 8,14 5,00 13,28 6,10 8,12
11,00 10,54 11,54 11,40 7,45 9,88
Die Levantiner Sesamkuchen gelten als eiweißreicher. Sesamkuchen können unbedenklich
verfüttert werden.
Lit. DE LA SoüCHfeRE (Baudouinreaktion) , Zeitschr. anal. Chem. 1882, 445. — Lauk,
Journ. Soc. chem. ind. 1901, 1083. — Uxz {vgl. Unters, von afrik., ind. u. levantin. Öl), Pharm.
Zeit. 1900, 522. — Tücher, Pharm. Journ. 1891, 639; 1893, 700. — Villavecchia und
Fabris, Zeitschr. angew. Chem. 1893, 505. — Hazura und Grüssner, Monatsh. f. Chem.
1889, 242. — Breindl, Chem. Zeit. 1899. — Farnsteiner, Chem. Zeit. 1896, 213. — Bene-
dict-Ulzer, Analyse d. Fette. — Kreis, Chem. Zeit. 1902, 1014; 1903, 116 u. 1030 u. Über
Farbenreaktionen fetter Öle. Verhandl. der Basler Naturf. Ges. 1903. — Soltsien, Vierteljahrschr.
Nähr. u. Gen. 1893, 372. — Bellier (Farbenreaktionen des Öls), Ann. chim. anal. appl. 1899,
217. — Ciupercesco (Reaktion auf Sesamöl), Bulet. asociat. farmac. Romania 1903. — Lew-
KOWITSCH a. a. O. — KÖNIG a. a. O. "Weitere Lit. in Wehmer, Pflanzenstoffe und bei KÖNIG.
Verfälschtmg. Gebleichtes und verdorbenes Öl wird durch Phloroglucin-Salzsäure stark
rot. BaumwoUsamenöl kann durch die Halphensche Reaktion erkannt werden. Eine Lösung von
2 g Sesamöl in loccra Chloroform und 20 ccm absolutem Alkohol soll nach Zusatz von drei
Tropfen Phenophthale'in und 2 rem n/io Kali eine bleibende Rotfärbung zeigen (Prüfung auf
altes saures Öl, Ph. helv. IV). Als Verfälschung sind beobachtet: Arachisöl, BaumwoUsamenöl,
Rüböl.
Anwendung, Die besten Sorten sind, da sie nicht leicht ranzig werden und sich
jahrelang unzersetzt halten, dem Olivenöl gleichwertig. Sie werden daher auch in der
Enfleurage benutzt. Die Öle zweiter und dritter Pressung dienen besonders zur Seifen-
fabrikaton. Es ist in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben, daß der Kunstbutter (Margarine)
und dem Kunstkäse 5 resp. 10 "/q Sesamöl zugesetzt werden muß, damit die Identi-
fikation mit der Baudouin sehen Reaktion möglich ist. Die besten Sorten werden
mit Mohnöl, Baumwoilöl und Arachisöl verfälscht, die geringeren mit Rüböl. Aus
dem mit Honig versetzten Mehl wird der ~^aXßäq bereitet, eine im Orient sehr be-
liebte Fastenspeise (Heldreich). Auch in Indien sind viele Tila-Zubereitungen bis
heute in Gebrauch. In Vorderasien und Äg}'pten wird das Brot mit Sesam bestreut,
in Sizilien mit den zuvor gerösteten Samen (Ginggiolina). Herba Sesami wird in
den Vereinigten Staaten medizinisch benutzt.
Paralleldrogen. Sesami/m radiatum ScHUlI. et Thonn {^S. foetidntn Atzel, ä occidentale
Heer et Rgl., bei den Suaheli ufuta muita = wilder Sesam), in West- und Ostafrika heimisch,
wird als Ölpflanze und zur Gewinnung der Samen besonders in Afrika, dann auch auf Ceylon,
in Hinterindien, auf den Philippinen und in Amerika (Guyana) kultiviert imd liefert auch Sesamöl,
sowie den sog. «dickschaligen» Sesamkuchen (Benecke). Ihre Samen sind schmal berandet und
auf den flachen Seiten radial gestreift. Die Epidermiszellen der Samenschale sind innen und an
einem Teile der Seiten verdickt und tragen hier die Calciumoxalatkristalle (Benecke). Sesanmm
angustifoliiim (Oliv.) Engl., in Deutsch-Ostafrika und Sansibar heimisch, liefert ebenfalls brauch-
bare Ölsaat, doch sind die Samen kleiner.
Das sog. «deutsche» Sesamöl ist Leindotteröl, von Camelina sativa.
Geschichte. Sesamsamen und das Öl wurden seit den ältesten Zeiten, z. B. schon bei den
Sumerern (I, S. 475) benutzt, doch fehlen prähistorische Funde. Die ursprüngliche Heimat der
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 37
srs
Halbtrocknende Öle.
Pflanze ist nicht mit Sicherheit bekannt, de Candolle hält, da Blume (Bijdragen p. 778) angeblich
■wilden S. in Java fand, diese Insel (resp. die Sundainseln überhaupt) für die Heimat des S. und
meint, daß er vor 2 — 3000 Jahren nach Indien und ins Euphrattal und etwa 1000 v. Chr. nach
Ägypten gekommen sei. Watt bestreitet dies. Er hält, allerdings mit einem Fragezeichen, die Pflanze
für in Indien heimisch, da er in Behar und im Himalaya angeblich wilde Formen sammelte. Die
Kultur des Sesam tritt in Indien jedenfalls schon zur Zeit des Atharvaveda auf, wo sie neben
der von Reis, Gerste und Bohnen genannt wird. Ebendaselbst wird das Sesaraöl (taila, tila) schon
zu Opferzwecken verwendet. Schrader meint, daß die Pflanze von Indien sehr frühzeitig in die
Euphratliinder vorgedrungen sein muß, wo sie die Stelle des Ölbaumes vertrat. Auf einem ägyp-
tischen Denkmale aus der XX. Dynastie ist das Bestreuen der Brote mit einem Samen (Sesam.') dar-
gestellt (Unoer). Doch kann dies auch ein anderer Same sein. Sesam findet sich auch in
einigen Rezepten des Papyrus Ebers {1500 v. Chr.). Trotzdem Brugsch in einem ägyptischen
Texte des V. Jahrh. v. Chr. Sesam fand und in Afrika 9 andere Arten vorkommen, dürfte
die von de Pruyssenaere geäußerte Ansicht, Sesam sei ursprünglich in Afrika heimisch,
nicht zutreffend sein. Nach Ägypten, wo er jetzt eine große Rolle spielt, scheint S. aber schon
in vorgeschichtlicher Zeit gekommen zu sein(ScHWElNFüRTH). Da die Ägypter aber den Namen
von den Babyloniern erhielten (s. oben S. 573), erhielten sie wohl auch die Pflanze von daher.
Hkrodot (L. I, 193) berichtet, daß die Babylonier nur aus Sesam Öl bereiteten. Der Anbau
muß also dort schon in früher Zeit sehr ausgedehnt gewesen sein.
Auch aus anderen Quellen wissen wir, daß die Babylonier sich des Sesamöls bedienten (I,
S. 467). Auch einige indische Namen des S. — gingeli, gergelium aus arab. schulchulan —
deuten von Indien nach Westen und so meint denn Watt, daß S. zuerst vielleicht irgendwo
zwischen dem Euphrattale und Bochara südlich von Afghanistan und Nordindien kultiviert
wurde, und von dort nach Indien und den Archipel kam, ehe er nach dem Westen gelangte.
Alles deutet auf ein semitisches Volk, das die Sesamkultur einführte. Ich bin daher geneigt,
die Urheimat des S. nach Mesopotamien und die östlich daran anstoßenden Länder zu ver-
legen. Von dort gelangte der S. wohl schon mit den Ariern im II. Jahrtausend v. Chr. einer-
seits nach Indien und dann auch nach Ägypten. Doch erscheint es auch möglich, daß die
Kultur des S. an mehreren Zentren unabhängig von einander begann. Nach Ostasien gelangte
S. wahrscheinlich nicht vor Beginn unserer Zeitrechnung. Die ersten Angaben datieren aus dem
V. bzw VI. Jahrh. Erst im Tsi min yao chou wird S. in China erwähnt (Bretschneider).
Die Portugiesen brachten S. von der Küste von Guinea nach Brasilien.
Nach der Brahmapuräna wurde S. durch YaMA, den Gott des Todes, geschaffen und er
wird daher in Indien besonders bei den Totenfeiern viel benutzt. Sesam repräsentiert das Lebens-
prinzip, das Symbol der Unsterblichkeit, er ist dem Soma heilig und neben Reis und Honig Be-
standteil einiger Totenspeisen. Die alten Sanskritschriftsteller berichten über die verschiedeneu
Sorten der Sesamsamen, über das Öl und seine medizinische Anwendung. Sesamöl war das erste in
Indien gepreßte Öl (Dutt), tila (sansk.) findet sich bereits in den Veden. S. kehrt auch oft in
indischen Sprüchwörtern (Gubernatis) und in Volkserzählungen wieder. Das «Sesam öffne
dich» des Ali-Baba in Tausend und einer Nacht zeigt, daß man in dem kleinen Samen alle
Geheimnisse der Zauberei beschlossen glaubte. In der Bibel scheint Sesam zu fehlen. Aller-
dings zitiert Pharmakographia Jesaia 28, 27, aber das dort (neben Kammon, d. h. Curainum)
stehende kesach ist nicht klar zu deuten, die griechische Bibelübersetzung hat fisXäv^iov, die
Vulgata gith (beide = Nigella sativä), die englische Übersetzung fitches, in der deutschen (von
KaUTZSCh) steht Dill (vielleicht ein mißverstandenes til; dann würde der Übersetzer an Sesam
gedacht haben), in anderen steht Wicke. Herodot erwähnt aijoaixov, ebenso Alkman (VII Jahrh.
v. Chr.). Hippocrates bediente sich des Samen als Expectorans (I, S. 540). Theophrast er-
wähnt an vielen Stellen das aijaufiov. Dioskurides und Plinius berichten, daß Sesam /. B.
in Ägypten gebaut wurde. Plinius sagt, daß er von Indien komme (der ägyptische ist wohl
Ricinus). Auch im Edikte des Diocletian (I, S. 569) finden sich Sesamsamen. Der Periplus
(I, S. 535) erwähnt Sesamöl als Ausfuhrartikel von Moscho, Barygaza und Ariakes. Varro er-
wähnt S. CoLUMELLA kannte den Sesambau aus eigener Anschauung (I, S. 573). Nach dem
Norden ist S. nicht gekommen. Im Mittelalter wurde suseman (oder sempsen) in Cypern,
Ägypten und Sizilien kiJtiviert. Das Öl war ein Exportartikel von Alexandrien nach Venedig.
Sesampreßkuchen wurden, wie Aruch, ein talmudisches Wörterbuch des Mittelalters, berichtet,
mit Jasminblüten parfümiert als Seife benutzt (Low). Sesamum steht bei CoRDUS, aber noch
Semen Tiglii und Oleum Crotonis. cyg
nicht in der Alphita, Sesamöl im Luminare majus und Lumen Apothekariorum (I, S. 793). Trotz
des hohen Alters der Sesamölgewinnung ist das Öl für Europa doch erst seit der zweiten Hälfte
bzw. dem Ende des XIX. Jahrh. von größerer Bedeutung geworden.
Lit. DE Candolle, L'origine des plantes cultivees. — Gdberjiatis, Mythologie des
plantes II, 345. — Dutt, Hind. raat. med. — Watt, Dict. econom. prod. — Hehn, Kultur-
pflanzen. — SCHRADEB, Reallexikon. — Low, Aramäische Pflanzennamen. — Flückiger-Han-
BDRy, Pharmacographia.
Semen Tiglii und Oleum Crotonis.
Syn. Grana tiglii, tiglia, s. tilli, S. moluccana, Sem. Crotonis, Sem. Cataputiae minoris
Croton- oder Purgierkörner, Granatillsamen, Graines ou semences de Tilly ou de Moluques
Petits pignons d'Inde — croton seeds — tilho (port.). Die Pflanze: Purgierbaum, Purging Croton
Croton cathartique. Im Hort. Malabar. : Gajapala, Cadel auanucu. Im Herb. Amboinens. : Gra
num moluccura. In Bauhins Pinax: Pinus indica nucleo purgante. Die Samen in Indien : Jamal
gata pills — San sc: jajapala, kanakaphäla — bind.: jamäl-gota — tarn.: nervalan — mar.
jepal — auf Java: tjeraken, mal.: tjemekijan — in China: pa-tow, pa-teü, ch'uan-pei, chiang-
tsu, tou-jin.
Stammpflanze und systemat. Stellung. Croton TigUum L., Spec. pl. ed.
I, 1004 (1753) (Croton acutus Thnbg., C. Jatnalgota F. Hamilton, Kurkas tiglium
Rafinsqu., Tiglium officinale Klotsch, Anisophyllum acutifolium Bouv.).
Euphorbiaceae, Platylobeae — Crotonoideae — Croton eae (Croton). Unter-
gattung Eucroton Subsectio Medea Müll. Arg.
Etym. Croton von xqotwv = Zecke nach der Form des Samens (vgl. bei Ricinus).
Tiglium von ziXoQ = Durchfall (nicht von der Moluccen-Insel Tilho). Granatill aus Grana tilli
oder dilla, dem alten Handelsnamen der Droge.
Beschreibung der Stammpflanze. Croton Tiglium ist ein kleiner, höchstens
4 — 6 m hoher immergrüner, diclin-monöcischer Baum oder Strauch mit oblongen oder ei-
oblongen, zugespitzten, entfernt sägezähnigen, im Alter kahlen Blättern, die am Grunde,
dort wo der Blattstiel ansitzt, zwei Nektarien tragen. Der Blütenstand ist eine andro-
gyne Traube. Die Einzelblüten stehen einzeln oder zu zwei bis dreiblütigen Büscheln.
Die männlichen Blüten stehen am oberen Teile des Blütenstandes (oder der letztere
trägt nur solche). Ihr tief fünfteiliger grüner Kelch zeigt oblong-lanzettliche, am
Rande und an der Spitze dünnsternhaarige Blätter. Die fünf weißen, lanzettlichen,
mit den Kelchblättern alternierenden, anfangs ausgebreiteten, dann zurückgerollten,
besonders am Grunde dicht zottigen Blumenblätter überragen den Kelch nicht. Die
15 — 20 freien Staubgefäße überragen den Kelch. Die weiblichen, am Grunde des
Blütenstandes stehenden Blüten haben einen bis zur Mitte fünfteiligen Kelch mit
oblongen, sternfilzigen Zipfeln, sehr kleine kurzgestielte Blumenblättchen und einen
großen, goldgelben, dicht mit Sternhaaren bedeckten, kugeligen, dreiteiligen Frucht-
knoten, der drei GrilTel mit je zwei langen fädigen Narben trägt und in jedem Fache
ein Ovulum enthält. Die kugelig ellipsoidische Kapselfrucht, die den Haarbelag ab-
wirft und daher (durch die Haarbasen) außen nur rauh, sonst aber kahl erscheint,
ist 2 — 2,2 cm lang und 1,6 — 2 cm breit, gelb bis hellbräunlichgelb. Sie zerfällt in
drei Kokken (daher: Tricoccae), die sich von der Mittelsäule lösen und bis zur Mitte
zweiklappig aufspringen. Jede der Kokken enthält einen Samen mit reichlichem
Endosperm.
Croton TigHum ist in Ostindien (Malabar, Bengalen, Ceylon) heimisch und findet sich
auch in Assam, Birma und Malakka und wohl auch auf Java, Borneo, Amboina und den Phi-
lippinen wild. Nach China und Japan ist C. seit langem eingeführt; neuerdings (1898) auch
nach Kamerun. Ich traf C. in Java und Ceylon da und dort als Heckenpflanze kultiviert. Er
cgQ Halbtrocknende Öle.
ist sturnifest und •näcl sl rasch. Fcsor.dcrs wiid er in Vorderindien, China, Java, Mauritius und
den Philippinen — in bcschiünlitem Maße — angebaut. Jetzt kommen viel Samen aus China.
Der Crotonbaum ist leicht durch Samen fortzupflanzen, bedarf gar keiner Pflege und nimmt
mit dem schlechtesten Boden vorlieb. Er kann, wtnn der Boden nicht sumpfig ist, bis zu Höhen
von 1000 m tind mehr kultiviert werden. Er dient auch als Schattenbaum (vgl. I, S. 52) in Kafl'ee-,
Cacao-, Vanille- und Cardamomenpflanzungen (Semler).
Lit. J. Scott, Med. plant. Ceylon Edinb. 1819. — Marchand, Adansonia I, 232. —
Hamilton, Transact. Linn. Soc. 14, 258. — Roxbourgh, Flor. Ind. III, 682. — Hooker,
Flor. Brit. Ind. — Fax, Euphorb. in Engier-Prantl, Pflanzenfam. III, 5, Fig. 25. — Semler,
Trop. Agrikultur. — Pereisa, Heilmittellehre II, 210. — Weynton, Commerc. prod. Assam
Ph. journ. 18 (1887), 162. — J. U. Lloyd, Western Drug. 1898. — Abbild.: Berg-Schmidt,
Atlas 2. Aufl. t. 87 (dort die weitere botan. Lit.), Nees von Esenbeck, Düsseid. Abb. t. 138,
Bentley-Trimen, Med. plant, t. 23g, Baillon, Bot. mid. Fig. 2676 — 2682 und Burmann,
Thes. zeylan. t. 90.
Morphologie der Droge. Die Samen besitzen die Größe kleiner Ricinu.ssamen,
meist sind sie etwa 10 — 12 mm lang, c. 8 mm breit und c. 6 mm dick, ovaliänglich,
an beiden Enden stumpf, aber beiderseits, namentlich auf dem Rücken, infolge eines
freilich wenig vorspringenden, stumpfen, namentlich an der oberen Hälfte sichtbaren
Längskiels kantig -konvex, daher im Querschnitt undeutlich vierkantig-rautenförmig,
nicht rein oval, die eine Seite ist etwas flacher als die andere. Die etwas abgeflachte
Bauchseite zeigt eine deutliche Raphe. Außen sind sie schwach glänzend, rötlich-
braun oder matt schmutzig-grau, an den Stellen wo die äußere Schicht abgerieben
ist mit dunkleren Flecken, wo diese ganz fehlt stumpf-schwarz, auf der Rückenseite
gegen das Hilum und die Chalaza etwas längsstreifig und furchig, auf der Bauchseite
mehr glatt.
Die Samenschale ist dünn (c. 0,3 mm), spröde und zerbrechlich, innen grau-
silberglänzend, die dünnhäutige innere Samenhaut läßt sich leicht ablösen; bricht man
den Samen auf, so bleibt sie oft am Samenkern haften und bedeckt diesen als eine
zarte Hülle, die ein reich verzweigtes, von der Chalaza ausgehendes Ademetz, be-
sonders nach Behandeln mit Phloroglucinsalzsäure, deutlich hervortreten läßt. Der
leicht in zwei plankonvexe Hälften zerfallende Samenkern — bei der Droge oft ge-
schwunden • — ist im Querschnitt ölig- fettglänzend, besitzt ein dickfleischiges Endo-
sperm und dünne, breit-blattartige, an der Basis herzförmige, nicht aneinander, abei
am Endosperm festhaftende Cotyledonen mit deutlicher Nervatur, eine kleine Plumula
und eine c. 3 mm lange, gegen das Hilum gerichtete Radicuia. Die Caruncula ist
nur klein und am trockenen Samen kaum noch zu erkennen. Unterhalb derselben
tritt das Hilum deutlich hervor, von ihm läuft die Raphe zur am anderen Ende des
Samens liegenden, undeutlich hervortretenden Chalaza. Die Schalen betragen 3i,6''|q,
der Kern 68,4 ^j^ des Samens (Flückiger). Der Samenkern, der in zwei plankon-
vexe Hälften aufspaltet (Isa Ben Ali vergleicht diese mit Sperlingszungen), schmeckt
anfangs milde ölig, bald wird der Geschmack aber scharf kratzend, lange anhaltend
brennend. Die Schale ist geruchlos und fast ohne Geschmack. Der geruchlose Kern
entwickelt beim Erwärmen einen scharfen, die Augen angreifenden und die Haut
reizenden Geruch.
Crotonsamen findet sich im Handel in Säcken von 50 — 60 kg oder in Fässern (Gehe)
• (nach Hanbury in cases, bales or robbins).
Anatomie. Aus dem äußeren Inlegument des Ovulums, in dem das Raphe-
bündel verläuft und das neben der Mikropyle einen kleinen Obdurator und, aus der
Semen. Tiglii und Oleum Crotonis. s8l
Mikrop3'le bruchsackartig herausragend, das Ende des Nucellus zeigt (ein Pseudo-
nucellus ist hier nicht wie bei Ricinus zu finden), entstehen drei Schichten: eine
auch in der Droge noch meist Stärke und einen braunen Farbstoff führende, aus
polygonalen Zellen bestehende Epidermis, eine mehrreihige, mehr oder weniger zu-
sammengefallene parenchymatische Nährschicht und eine Schicht dünnwandiger Palis-
saden, die kleine Interzellularen zwischen sich lassen. Diese äußere Schicht läßt
sich leicht abreiben. Alsdann tritt die aus der Epidermis des inneren Integu-
mentes hervorgehende, aus stark radial gestreckten, schief gestellten, dickwandigen,
dunkel gefärbten, etwa 250 mik. hohen Palissadensklereiden bestehende Hartschicht
hervor, innerhalb welcher die oben erwähnte nährschichtartig zusammengefallene
Silberhaut liegt, in der die reich verzweigten Ausläufer des Raphenbündels rück-
läufig vom Chalazaende zum Hilumende verlaufen. In den Zellen des Endosperms
und der Cotyledonen finden sich reichlich Aleuronkörner von der gleichen Gestalt
wie bei Ricinus mit deutlichen Globoiden und Kristalloiden, eingebettet in Ölplasma.
Sie messen im Endosperm 8 — 13 mik. In den blattartigen Cotyledonen, die sich
vom Endosperm ablösen lassen, sind sie kleiner.
Lit. TSCHIRCH, Croton in Realenzyklop. d. Pharm. — SchlotterbeCK, Beitr. z. Ent-
wicklungsgesch. pharmakognost. wichtig. Samen. Diss. Bern 1896 (mit Abbild.). — VoOL,
Commentar. — Planchon-Collin, Drog. simpl.
Handel, Das Öl wird in Indien aus den reifen, schwach gerösteten und geschälten Samen
bei gelinder Wärme ausgepreßt. Auch ein mit Lösungsmitteln extrahiertes tritt bisweilen im
Handel auf. Seine Zusammensetzung ist eine andere. Pharm, helv. IV verwirft es ausdrücklich.
Keinesfalls darf ein mit Alkohol extrahiertes Öl benutzt werden. Der Handel kennt außer dem
hell- bis bräunlichgelblichen ostindischen, über Bombay, Cochin und Madras exportierten Öle,
das als sehr wirksam gilt, auch ein braungelbes englisches. Eine gute Sorte ist das in kleinen
Fläschchen mit der Signatur; «Croton eil sold by A. Short, RatclifF, Highway London» in den
Handel gebrachte (H.'iGER-FlSCHER-H.^RTWiCH, Pharm. Praxis"!. Es ist Selbstdarstellung des
Öls durch Pressen oder Extrahieren mit Äther vorgeschlagen worden. Geschieht dies, so müssen
die Preßkuchen, Filter usw. verbrannt werden, da sie giftig sind.
Chemie. Die Purgierkörner enthalten (nach König) im Durchschnitt in Pro-
zenten: Wasser 5,71, Stickstoffsubstanz 18,77, Fett 36,81, stickstoflOfreie Extraktstoffe
9,95, Rohfaser 25,23, Asche 3,53. (Fett in der Trockensubstanz 39,04 "/q.) Die Samen
enthalten 30 — 45°/o Öl — liefern aber bei der Pressung sehr viel weniger (s. unten)
— , c. 18 "Iq Eiweiß, c. 4°|j Asche und c. 6% Wasser, ferner Lipase (Dünlap
und Seymour, Braun fand kein fettspaltendes Enzym), Invertin, Am y läse. Raf-
fln ase, ein proteolytisches Enzym tryptischer Natur (Scurti und Parozzani). Das
lipolytische Vermögen des Crotonsamen äußert sich merkwürdigerweise nicht am
Crotonöl, wohl aber an Sesam-, Oliven-, Ricinus- und Mandelöl, die zum Teil nahezu
vollständig durch die Lipase verseift werden. Das hydrolytische, Ester aufspaltende
Enzym der Samen vermag auch Saccharose zu invertieren und Stärke zu verzuckern
(Skurti und Parozzani). Elfstrand fand in den Samen zwei giftige Eiweißkörper
(Toxalbumine, Agglutinine) , Crotonglobulin und Crotonalbumin, die er aus
ihrem Gemisch [Crotin (Braun)] isolierte. Sie verlieren durch Erhitzen ihre Giftig-
keit. Crotin ist ein Plasmagift. Es greift die Stromata der Blutkörperchen gewisser
Tiere an, bringt Milch zum Gerinnen, ist aber nicht fettspaltend. Verdauung im Brut-
schrank schwächt es nicht ab (Kobert). Schon Stillmark gab einen dem Ricin
ähnlichen Körper an. Die Eiweißkörper des Samens liefern bei der Hydrolyse : Arginin,
Histidin, Lysin, Glutamin, Leucin, Phenylalanin usw. (S. 495).
5S2
Halbtrocknende Öle.
Zweifelhaft sind das giftige (dem Cascarillin ähnliche) Alkaloid Ricinin (TusoN
1S64) und Gummi. Das Alkaloid Crotonin (Brandes = Tiglin Adr. de Jussieu)
ist zu streichen (Weppen). Es ist fettsaure Magnesia (Soubeiran). Elfstrand fand
kein Alkaloid. Die von Schlippe angegebene Angelicasäure ist Tiglinsäure, die flüchtige
Jatrophasäure (Pelletier und Caventou, Buchner) ist wohl kein Individuum. Sie
soll mit der Crotonsäure (Brandes) identisch sein (s. unten). Die Asche der Schalen
beträgt 2,6 "j,, die der bei 100^ getrockneten Kerne 3 '^Jq (Flückiger-Hanbury).
Das aus den Samen durch kalte Pressung der von der Schale befreiten Samen
in Vorderindien gewonnene Crotonöl, Oleum crotonis, (Granatillöl, huile de croton,
Croton oil, olio di crotontiglio, crotonolie, xQormvtXaiov) ist gelb bis gelbbraun und
enthält folgende Säuren teils frei, teils in Form von Glyceriden: Stearinsäure, Pal-
mitinsäure, Myristicinsäure, Laurinsäure (Schlippe), Valeriansäure, Butter-
säure, Essigsäure (Geuther undFRöLicH),Ameisensäure(ScHMiDTundBERENDEs),
Ölsäure (? Schlippe, Benedict-Ulzer) und Tiglinsäure (nach Schmidt und Beren-
DES ^ Methylcrotonsäure von Frankland und Duppa), andere (Geuther, Buch-
heim) geben auch Oenanthylsäure, Capronsäure, Crotonoleinsäure (? Robert
und Siegel) und höhere Glieder der Ölsäurereihe (Schmidt und Berendes) an.
Beim Destillieren mit Soda entsteht Oenanthol (Stille und Maisch). Beim
Stehen scheidet sich ein Stearin ab, an der Luft verdickt sich das Öl, bei der Elaidin-
probe bleibt es flüssig (die Anwesenheit von Ölsäure ist also wenig wahrscheinlich,
Lewkowitsch).
Das Öl zeigt folgende Konstanten (Duliere, Lewkowitsch, Javillier, Wijs):
spez. Gewicht bei 15" = 0,9437 (bei 100": 0,8874), bei einem Öl das zu 53,4*'/o
in Alkohol löslich war: 0,9375, bei einem zu 24,4 "Jq löslichen: 0,9428. Pharm,
helv. IV: 0,940 — 0,950, D. A. V: 0,940 — 0,960. Oleum Crotonis, welches auf
den Philippinen gepreßt worden war, zeigte ein geringeres spez. Gewicht und war
von geringerer Reizwirkung als hier gepreßtes (Gehe i 898). Löslichkeit in Alko-
hol (92 "/(,): I : 63, Erstarrungspunkt — 16° (Schädler), Brechungsexponent (bei 40°):
1,4710 — 1,4724 (Ph. helv. IV), Oleorefraktometerzahl bei 22": +35, Säurezahl
(nach Bürstyn): 21,8, bei gepreßtem Öl: 27,3, Verseifungszahl meist: 210,3 bis
215.6 (nach Ph. U. S. bis 218), Verflüssigung der Fettsäuren bei 16,4 — 16,7", Heh-
nerzahl: 88,9 — 89,1, Reichert-Meißlzahl : 12,1 — 13,56, Jodzahl (nach 2 Stunden):
100,37 — ioi,gi (nach 24 Stunden): 103,63 — 104,39 (Duliere), 106,6 — I09>i (Wijs),
101.7 — 104,7, selten 122,3 (Lewkowitsch), Acetylzahl des Öls: 38,64, Jodzahl der
Fettsäuren: 111.23 — 111,76, Erstarrungspunkt der Fettsäuren: 18,6 — 19, Säurezahl
derselben: 201 (Benedikt).
Das durch kalte Pressung erhaltene Öl stimmt ziemlich mit dem durch Petroläther extra-
hierten überein, dagegen unterscheiden sich die Öle, die durch heiße Pressung oder Ather-
extraktion gewonnen wurden, ziemlich von jenen — schon in der Farbe. Folgende Tabelle läßt
dies erkennen:
Durch Pressen
gewonnen
Durch Äther
ausgezogen
Durch Alkohol
{95 "/o) ausgezogen
Handelsware
Jodzahl (HCbl)
109
108
92,2
—
Verseifungszahl
192,9
194.5
260,6
205,6
Säurezahl
27.3
30,9
60,1
—
Gefrierpunkt
-7°
-7°
— 8»
—
Ausbeute an Öl in %
12,5
38
12
—
Semen Tiglii und Oleum Crotonis. C83
Durch Schütteln mit Weingeist wird das Öl in einen scharfschmeckenden, in Alkohol
gehenden und einen fast geschmacklosen Anteil zerlegt (NiMMO 1823). In weniger als einem Teile
absoluten Alkohol ist das gepreßte Öl löslich. Bei Zusatz größerer Mengen Alkohol tritt Schei-
dung ein. Beim Erhitzen auf 75 " löst sich I Vol. Öl in 2 Vol. Abs. Alkohol (Javillier).
In 55 — 60 T. (36 SchäDLER) Alkohol löst es sich, wenn frisch, klar, ebenso in Äther, Chloro-
form, Schwefelkohlenstoff und flüchtigen Ölen. Es löst sich auch in Petroläther (Unterschied
von Ricinusöl). Crotonöl wird durch Schwefelsäure braun. Beim Behandeln mit kolloiden Me-
tallen der Platingruppe geht Crotonöl in einen rötlichen, nicht mehr wirksamen Talg über, der
bei 49 — 51° schmilzt (Paal und Roth).
Crotonöl zeigt sowohl hautreizende, wie abführende Eigenschaften. Buchner
und Brandes schreiben die Wirkung der flüchtigen Crotonsäure (= Jatrophasäure
Pelletier, nicht = Crotonsäure Schlippe) zu, deren Dämpfe heftig die Haut und
die Schleimhäute reizen. Senier glaubte (1883) den purgierenden Körper von dem
hautreizenden, pustelerzeugenden trennen zu können, diesen in dem alkohollöslichen,
jenen in dem alkoholunlöslichen Anteile des Öls suchen zu müssen (6 Öl -\- 7 Alko-
hol), aber es ist noch heute fraglich, ob nicht beide Wirkungen auf die gleiche Sub-
stanz zurückzuführen sind. Buchheim (1873), sowie Kobert und Hirschheidt (1888)
hielten die ölige Crotonölsäure für die wirksame Substanz des Crotonöls, die nicht
als Glycerid, wohl aber als freie Säure sowohl haut- wie darmreizende Wirkung be-
sitzen sollte. Diese Säure ist aber sicher ein Gemisch, wohl einer harmlosen Fettsäure
mit einer sehr giftigen harzartigen Substanz. Also nicht die Crotonölsäure (CioHjgOg,
Siegel) bzw. das zu ^'^j^ angegebene Crotonöl [CgHj^Oj (?), Schlippe] ist der
wirksame Bestandteil, sondern vielleicht ein in ihr enthaltener harzartiger Körper, der
durch Soda verändert wird. Diese blasenziehende Substanz nennen Dunstan und
BooLE, die die Crotonölsäure als ein Gemisch betrachten, Croton resin. Sie geben
ihr die Formel (Ci3H,gOj)3 bzw. Cof-Hg^Og und halten sie für ein Lakton komplizierter
Struktur. Sie bildet ein gelbliches, amorphes, in Wasser unlösliches Harz, ist also
auch wohl noch kein reiner Körper. Bemerkenswert ist, daß die oben genannten
Toxalbumine in das Öl übertreten, so daß auch sie an der giftigen Wirkung des Öls
beteiligt sein können. Der giftige Bestandteil ist also noch nicht mit Sicherheit er-
mittelt. Die älteren Forscher sahen ihn in einer flüchtigen Substanz und in der
Tat reizen die Dämpfe erhitzten Crotonöls die Haut und die Schleimhäute heftig.
Lit. Brandes, Chem. Unters, d. Samen v. Croton Tigl. Arch. Pharm. 1823, 173 (dort
die ältere Lit.). — Weppen, Lieb. Ann. 76 (184g), 254. — Buchner, Leichte Darstell, d.
Jatrophasäure. Rep. d. Pharm. 19, 185. — TusON, Journ chem. soc. 1864, 195. — Dunlap u.
Seymour, Journ. am. chem. soc. 1905, 935. — Scurti u. Parozzani, Gazz. chira. ital. 1907, I,
476 u. 486. — Stillmark, Arbeit, d. pharmak. Inst. Dorpat III, 1889. — Hirschheidt, Ebenda
IV, 1890. — Siegel, Ebenda. — Elfstrand, Über giftige Eiweiße, Upsala 1897 (Jahresb. d.
Pharm. 1897, 105). — Braun, Crotin. Ber. d. chem. Ges. 1903, 3004.
Öl: Pelletier u. Caventou, Nouv. journ. de med. 2 (1818), 172 (Journ. pharm. 4). —
Schlippe, Lieb. Ann. 35 (1840), 307 u. 105 (1858) i (Wittsteins Vierteljahrsschr. 1858). — Buchheim,
Über die scharfen Stoffe. Vierteljahrsschr. 22 (1873), 485. — E. Schmidt u. Berendes, Z.
Kenntn. d. flucht. Säuren d. Crotonöls. Lieb Ann. 191 (1878) 94. — E. Schmidt, Ber. d. chem.
Ges. 1877, 835. — Frankland u. Duppa, Lieb. Ann. 136, 9. — Geuther u. Frölich, Über
d. flucht. Säur. d. Crotonöls. Zeitschr. f. Chem. N. F. 6 (1870), 26 u. 549. — Senier, The
purgative princ. of croton oil und the vesicating principle of croton oil. Pharm. Journ. 1878,
8, 705 und 1883, 14. 446. . — Zinnel, Am. journ. pharm. 1890, 122. — Robert und Siegel,
Bull, of pharm. 1893. — Warrington, Pharm. Journ. 6 (1865), 382. — Soubeiran, Nouv.
trait. de pharm. II, 54. — Kobert, Chem. Zeit. 1887, 416. — Dunstan and Boole, Croton oil
an enquiry into the nature of its vesicating constituent. Pharm. Journ. 1895, 45> 5 (Proc. Roy.
584
Halbtrocknende Öle.
Soc. 1S95, 238). — JaVIIXIER, Note sur l'huile de crolon. Journ. pharm. 1898, 7, 524. —
Paul und Roth, Ber. d. ehem. Ges. 1909, 1541. — Duliäre, Ann. pharm. Louvain 1899,
229. — Benedikt-Ulzkr a. a. O. — Lewkowitsch a. a. O. — Schädi.er a. a. O.
Anwendung. Das Crotonöl wird gewähnlich zu den drastischen Abführmitteln gerechnet,
da schon ein Tropfen (= 0,022 g. 45 gtt. = I g) starke Abführwirkung hervorruft (dos. raax.
0,05!). Es gehört aber nicht eigentlich zu diesen. Denn die Wirkung ist die Folge einer
Vergiftung durch einen außerordentlich heftig wirkenden, auf der Haut Blasen ziehenden
StofT, der selbst die Verwendung des Öls als Pruriginans (Vesicans, Rubefaciens), wozu es bei
der berüchtigten BAUNSCHEiDTschen Behandlungsmethode (neben Etiphorhhim und Daphne Me-
zrreiim) benutzt wird, nicht empfehlenswert erscheinen läßt. Das Malefizöl des Pfarrers Kneipp
ist ein Gemenge von i T. Crotonöl und 6 T. Mandelöl. Fast alle Jahr hört man von bedenk-
lichen Vergiftungen durch Crotonöl. Die Substanz sollte aus den Pharraakopoeen gestrichen
werden. Arzte bedienen sich ohnehin seiner kaum noch, nur in der Tierheilkunde wird es bei
uns noch benutzt. Doch wird es von den Ärzten und dem Volke in Indien in mannichfacher
Weise innerlich und äußerlich auch heute noch angewendet (Dict. econ. prod. of India), z. B.
zur Herstellung des «poma cathartica^> (aus Orangen). Auch die Anwendung des Crotonöls als
Diureticum und Bandwurmmittel ist zu wiederraten, da wir für beides bessere Mittel genug be-
sitzen. Die Angabe von Radziejewski (Arch. f. Anat. Phys. u. wissensch. Med. 1870, 37), daß
Crotonöl auch in die Haut eingerieben und in die Venen eingespritzt, drastisch wirke, hat keine
Bestätigung erfahren (Buchheim). Beim Menschen können schon vier Samen tödlich wirken. In
Frankreich ist 1901 eine Verfälschung der Jodtinktur mit Crotonöl beobachtet worden (Durien).
Der von Fett und dem giftigen Prinzip befreite, sehr eiweißreiche Preßkuchen wird von BuR-
KIIX (Ann. Rep. Indian Museum Calcutta igo8) als Diabetikernahrung empfohlen.
Lit. KoBERT, Pharmakotherapie. — Pereira, Heilmittellehre. — Durien, Bull. sc.
pharm. 190 1. • — Ainslie, Mat. med. — Pharmacogr. indica.
Das weiße Holz des Stammes — Ligniim Pa~,:a7we, Panavae seu mohiccanum — schmeckt
ebenfalls scharf und brennend und wirkt wie der Same, doch milder. Die Wurzel wird in der
Heimat der Pflanze gegen Wassersucht angewendet. Sie purgiert wie auch die Blätter.
Prüfung. Pharm, helvet. IV verlangt ein spez. Gewicht von 0,940 — 0,950.
Ein Tropfen Crotonöl sinke in einer Mischung von 5,2 ccm Weingeist (90 vol. "/(,)
und 4,8 ccm Wasser unter und steige nach Beimischen von i ,4 ccm Wasser an die Ober-
fläche. 2 ccm Öl mit i ccm rauchender Salpetersäure und i ccm Wasser kräftig ge-
schüttelt, dürfen nach einem Tage keine festen Ausscheidungen zeigen oder ganz
erstarren. Das Verlangen (z. B. der Pharm, brit.), das Ol solle neutral sein, ist schwer
zu erfüllen. Die Handelsöle geben stets eine Säurezahl. Die Anwesenheit von Rici-
nusöl im Crotonöl verrät sich durch höheres spez. Gewicht, niedrigere Jodzahl und
beträchtlich höhere Acetylzahl. Peckolt beobachtete das Curcasöl (s. unten) als Ver-
fälschungsmittel. Crotonöl soll sich in 5 T. (Ph. helv. IV) bzw. 2 T. (D. A. V) abs.
Alkohol bei Erwärmen lösen. Wird das Öl nicht in möglichst gefüllten Flaschen \'or
Licht geschützt, aufbewahrt, so wird es rasch braun.
Paralleldrogen. Ähnlich werden in Indien die Samen von Croton polyandrns RoXB.
{Baliosft'rmitm viontanum MOll.-Arg.) und von Croton oblongifolms RoXB. , die Kowli seeds,
benutzt (FLüCKlOER-HANBURy) und, wie es scheint, auch die Samen von Croton oblongifolnis
Thwaites [C. persimilis Müll.-Arg.), wenigstens fanden sich solche 1896 im Handel (Gehes
Handelsbericht, Hartwich). Die Samen von Croton Pavana (oder Parand) Hamilton sollen
fast noch heftiger als Crotonsamen wirken. (Einige betrachten C. Pavana aber als Synonym mit
C. Ttgli'um.) Über weitere Crotonarten vgl. Tschirch in Realenzyklop. d. Pharmac. IV, 178.
Semler a. a. O., Dict. ec. prod. India und Dragendorff, Heilpflanzen. Über die brasiliani-
schen Crotonarten und ihre Verwendung Peckolt, Ber. d. pharm. Ges. 1905. Die Samen von
Croton purgans Med. (Jatropha Curcas L.), die besonders von den portugiesischen Kolonien
und den Capverden kommen, wo die Pflanze Heckenpflanze ist (sie stammt aus Westindien
und Is'eugranada), enthalten ein Öl (Curcasöl, Purgiernußöl, huile de Pignon d'Inde, Curcas Oil,
Purgingnut Oil, Physicnut Oil, olio di Curcas), das lo"/,, feste Fettsäuren enthält und dessen
Semen Tiglü und Oleum Crotonis.
585
flüssige Fettsäuren etwa zu gleichen Teilen aus Ölsäure und Linolsäure bestehen. Auch die Öle
der Samen von anderen Euphorbiaceen, wie Anda Gomeni Juss., Hura crepitans L. , Aleiirites
triloba Forst, wirken abführend (Büchheim).
Lit. Gehe, Handelsbericht 1896. — Hooper, Crot. oblongifol. in Burma. Pharm, journ.
1904, 956. — Klein, Zeitschr. angew. Chem. 1898, 548.
Geschichte. Die Crotonsamen waren den alten indischen Ärzten wohl bekannt und
werden in den Sanskritwerken unter den Namen Jayapala, Tittiriphala und Kanakaphala er-
wähnt. In Bhavaprakasa wird eine Arzneimischung Mahanaracha rasa beschrieben, die besonders
aus Myrobatanen, Pulpa cassiae, der Rinde von Baliospermum axillare und Picrorhiza Kurrova,
dem Milchsaft von Euphorbia nerüfolia, der Wurzel von Ipomoea Turpethum, den Knollen von
Cyperiis rottindus und Croj'önsamen bereitet wird (Pharmacogr. indica). Nach Persien gelangten
die Samen von China, hießen daher Hab-el-khatai (Samen aus Kathay). Crotonsamen waren
den alten Arabern bekannt und gelangten durch sie in die europäische Medizin. Serapion
(I, S. 644), AviCenna und Ibn Baithar (I, S. 610) gedenken ihrer und der Benutzung als
Purgans. Bei Serapion heißen sie Cataputhia minor = mendana, bei Ibn Sina dand el sini,
auch dend oder dende, dend auch bei Ibn Baithar, der Abo Choraidsch, Honain, Rhazee
u. and. zitiert. Rhazes, der indischen und chinesischen dend unterscheidet, sagt bereits: «Wenn
dieses Arzneimittel nicht mit großer Umsicht genommen wird, so hat es tödliche Wirkung.»
Crotonsamen sind seit 1578 in Europa bekannt, in welchem Jahre sie Christoval Acosta im
Tractado (I, S. 738) als Piüones de Maluco (pini nuclei malucani) beschrieb und die Pflanze
abbildete. Er sagt von den Samen «tambien las buenas mugeres de aquellas partes, amigas de
sus maridos, les da hasta quatro destos por la boca, para embiar a los pobretos al otro mundo»
(Hanbury). Croton findet sich auch bei Cordus (I, S. 798). Die Pflanze wurde dann auch im
Hortus Malabar. (I, S. 898) und in Rumpfs Herbar. amboinense t. IV p. 48 — 42 beschrieben
und abgebildet. In Burmanns Thes. zeylanic. heißt sie Ricinoides indica folio lucido, frtictu
glabro grana Tiglia officinis dicto. Weitere Beschreibungen finden sich bei D.\LE, (I, S. 938),
in Triller, Dispens, pharmac. univers. 1764, bei Geoffroy (Gars.\ult bildet sie ab), Pomet
u. and. Die Samen, im XVII. Jahrh. offizinell und viel benutzt, wurden dann obsolet und erst
wieder beachtet, als i8i2 White und Marshall, die ihre Anwendung von einem Parsen gelernt,
in AiNSLiES Mat. med. of Hindoostan auf sie hinwiesen und das Öl, das schon BORELLUS 1657
beschrieb, durch die englisch -indischen Ärzte (Conwell, Perry, Frost u. and.) empfohlen
wurde (Hanbury). Namentlich Conwells Schrift Recherches sur les propr. raäd. et l'emploi en
m^d. de l'huile de Croton Tiglium 1824 und Wilsons Empfehlung in den Transact. of the med.
and phys. soc. of Calcutta I, 249 trugen viel zur Einführung des Öls bei, so daß Oleum
Tiglü in die Londoner Pharmakopoee 1824 und die U. S. Pharm. 1830 aufgenommen wurde.
Die äußerliche Anwendung datiert besonders von B.\mbergers Schrift De olei crotonis externe
adhibiti efficacia Berolin. 1833. Eine Zusammenstellung d;r älteren msdizin. Literatur bei Brandes
im Arch. d. Pharm. 1823.
Zu den halbtrocknenden Ölen der
folgende Samenöle :
Lcindotteröl, deutsches Sesamöl von Camelina
sativa,
Kleesamenöl von Trifolium pratense und repens.
Sojabohnenöl von Soja hispida.
Kürbissamenöl von Cucurbita Pepo.
Wassermelonenöl von Ciicumis Citrulhis.
Melonenöl von Cucumis Melo,
Maisöl von Zea Mais.
Daphneöl von Daphne Gnidium u. and. Daphne-
arten.
Weizenkernöl von Triticum, mils'are u. and.
Baumwollsamenölgruppe gehören ferner
Daturaöl von Datura Stram-oniutn.
Bucheckernöl von Fagus silvatica.
Kapoköl von Eriodendron anfractuosutn.
Citronenkernöl von Citrus Limonum Risso.
Schwammkürbisöl von Luffa aegyptiaca .
Paranußöl von Bertholhtia excelsa.
Sorghumöl von Sorghum cermtum.
Coumonöl, Patavaöl von Oenocarpus batana und
bacaba.
Pinotöl , Parapalmöl , Parabutter von Euterpe
oleracea.
586
Halbtrocknende Öle.
Semen Rapae und Oleum Rapae.
Rübsen und Kapssamen — Rüböl.
Stammpflanzen und Systemat. Stellung. Brassica campestris L. (B. Rapa L., B.
asperifolia Lam.). Der Rübsen, Rübenkohl mit der var. annua Koch. (B. R. oleifera annua
Metzg., B. R. ol. praecox De, B. campestr. Koch, B. praecox Kitaibel). Sommerrübsen,
Sommerlevat und der var. ß oleifera De. (B. Rapa oleifera De, B. R. ol. biennis Metzg., B.
R. ol. liiemalis Marxens), Winterrübsen, Wintersaat, Rübsaat, Bivitz, Awehl, Navette.
Brassica Napus L. Der Raps, Reps, Rapskohl mit der var. annua Koch (B. N. olei-
fera annua Metzg., B. N. oleifera praecox Rchb,), Sommerraps, Sommerkohlsaat und der var.
ß oleifera De. (B. N. oleifera biennis Rchb., B. N. ol. hiemalis Döll), Winterraps, Winter-
kohlraps, Setzölsamen, Ölraps. — Napus, vnnv, ist wahrscheinlich ein ägyptisches Wort.
Cruciferae Sinapeae Brassicinae (Brassica), Sectio Eubrassica Prantl.
Der Großhandel unterscheidet europäische Colza (von in Europa kultiviertem Raps
und Rübsen) und indische Colza. Diese letztere stammt von verschiedenen Cruciferensamen
und ist oft ein Gemenge, in dem Sinapis glauca, Brassica juncea, S.dichotonia und JSrzica sativa
dominieren (Burchard und KjAERSKou). Die Colza de Guzerat, Cawnpore gelb und Calcutta
weiß besteht aus einer gelben und einer brauiien Varietät von Sinapis glauca^ Colza Cawnpore
braun, Calcutta braun, Ferozepore und Pondich^ry aus Brassica juncea und dichotoma mit etwas
Ertua sati-ca. In der Colza bigarri von Bombay finden sich alle vorgenannten Samen.
Andere Sorten, die als ostindischer Raps gehen, sind : Lalka-Tora, Piarka-Tora, Natua-
Sarson, UKi-Sarson, Jauda-Sarson, Seti-Sarishä, Makhan-Dhana-Sarisha und Rai. Rai wird
yon Brassica juncea HooK. f. et Thoms, Sarson von B. glauca RoxB., Tori von ß. Napjcs'L.
var. dichotoma Prain abgeleitet (Prain, Wittmack).
Beschreibung der Pflanzen und der Samen. Der Rübsen ist eine ein- (annua)
oder zweijährige (hiemalis) Pflanze mit aufrechten, bis 1,25 m hohem, meist ästigem Stengel,
grasgrünen, gestielten, leierförmig-fiederspaltigen, beiderseits steifhaarigen Grundblättern und
blaugrün bereiften, unten leierförmig-gezähnten, oben mit tief-herzförmigem Grunde stengel-
umfassenden, ganzrandigen Stengelblättern. Blütentraube während des Aufblühens flach, die
Knospen von den obersten, geöff'neten, mittelgroßen, goldgelben Blüten überragt. Kelchblätter
zuletzt wagerecht-abstehend, die kürzeren Staubfäden abstehend. Schoten auf abstehenden
Fnichtstielen linealisch, allmählich in einen konischen Schnabel verlängert, fast aufrecht, hol-
perig. Samen einreihig, kugelig, grubig punktiert.
Der Raps hat lauter blaugrüne Blätter, die Grundblätter leierförmig-fiedtrspaltig, die
unteren stengelständigen leierförmig, die oberen länglich. Blütentraube schon während des Auf-
blühens verlängert, Knospen die obersten geöffneten, mittelgroßen, goldgelben Blüten über-
ragend. Kelchblätter zuletzt aufrecht-abstehend. Schoten samt Fruchtstielen abstehend.
Die Samen des Rübsen messen I — 1,5 mm im Durchmesser. Ihre vorwaltend dunkelrot-
bis schwärzlich-braune Oberfläche ist, mit der Lupe betrachtet, fein- oder flach-netzrunzelig
(feiner als beim schwarzen Senf) und feinkörnig. Die Samen des Raps sind größer, c. 2 mm,
bläulich-schwarz, wie bereift. Es gibt außer den braunen auch helle Spielarten. 1886 kam unter
dem Namen «Gelbsaat» ein weißer Rapssamen in den Handel, der als weißer Senf ausgegeben
wurde (Steffeck). Die Sommervarietäien blühen im Juli- August, die Wintervarietäten im April-
Mai des zweiten Jahres.
Pathologie. Über die pflanzlichen Schädlinge berichtet Prof. Ed. Fischer: Die wich-
tigsten Erkrankungen der Raps- und Rübsenpflanzen sind folgende: In den Wurzeln, besonders
der rübenbildenden Varietäten, siedelt sich der Myxomycet Plasmodiophora Brassicae an, der
die als «Kropf» oder «Hernie» bekannten Geschwülste bedingt. Der sog. «Rapskrebs» wird
von einer Sclerotinia hervorgerufen, welche im Mark und Rindengewebe des Stengels ihre
kleinen, schwarz berindeten, knöllchenförmigen Sclerotien bildet. — Verschiedene Pilze siedeln
sich auf den Blättern an: die beiden auf Cruciferen verbreiteten Peronosporeen Albugo Candida
und Peronospora parasitica, erstere kleine milchweise Epidermisauftreibungen, letztere einen
weißlichen Schimmelanflug bildend; beide können auch auf die jungen Schoten übergehen.
Blattilecken werden hervorgerufen von SphaereUa brassicicota, Phyllosticta Brassicae und Napi,
Cercospora Bloxami. Einer der schädlichsten Parasiten ist der «Rapsverderber» ^//«"rnar/a />Va.s-
sicae (Berk) Sacc. {Polydesmus exitiosus KÜHN). Er ruft die sog. Schwärze hervor, welche darin
Semen Rapae und Oleum Rapae.
587
bestellt, daß auf den Blättern und besonders auch auf den Schoten kleine schwarzbraune Flecken
auftreten, dann aber auch das umgebende Gewebe vertrocknet. Auf Brassica Napus sind end-
lich auch Bakterienkrankheiten beschrieben worden : die eine derselben wird als M^'eißfäule be-
zeichnet, die andere ist die sog. Braunfäule, welche sonst hauptsächlich auf Brassica campestris
vorkommt. (Näheres vgl. in SoRAUERS Handbuch der Pflanzenkrankheiten 3. Aufl., Bd. 2, p, 47 ff.)
Über die tierischen Schädlinge berichtet Herr Israel:
An Brassica oleracea L., Napus L., nigra KoCH, Sinapis, Raphaniis2iTitu und verwandten
Pflanzen leben sehr viele Insektenarten. Es seien erwähnt:
Käfer: Haltica oleracea L., ßextiosa ILL., neniorum L., Psylliodes chrysocephalal^, schäd-
lich an Brassica- und Sinapisaxien. Meligethes aeneus Fabr. Die Larven dieses Käfers , die in
den Schoten leben, verwüsten oft ganze Rapssaaten. Der Käfer frißt Blätter und Blüten. Bala-
minus brassicae Fabr. und andere schwer bestimmbare Ba/mnimtsarlen leben als Larven in den
Schoten von vielen Cruciferen und anderen Pflanzen. Baridius chloris. Fabr. und andere Bari-
diusarten leben in den unteren Stengelteilen von Brassica Naptcs usw. CeutorhyncJms erysimi
Fabr. floralis Payk., stdcicollis Gyll. und viele andere Glieder der sehr artenreichen Cento-
rhynchusgattnng leben auf Raps und anderen Cruciferen, die Larven in den Stengeln oder
Früchten. Sulcicollis erzeugt an den Wurzeln Coleopterocecidien (Wurzelgallen).
Falter: Pieris brassicae L., Rapae L., Napi L. Raupen an Brassicaa\\.tTi usw. Agrotis
segeitim W. V. Raupen nicht nur an Getreidewurzeln, sondern auch an denen des Rapses und
anderer Pflanzen. 3/amestra brassicae L., oleracea L. und sehr viele andere Eulenraupen leben
an allen möglichen Kohlarten. Botys extimalis Sc. Die Raupe dieser Pyralide lebt in den
Schoten des Rapses und Rettigs usw.
Fliegen: Sargus formosus Scop., Tipula oleracea L., Ocyptera brassicaria Fabr. Die
Larven dieser Fliegen leben in den Knollen von Brassica usw. Anthomyia brassicae BouCHÄ,
Larve in den Stengeln von Kohlarten. Cecidomyia brassicae Winn., Larve in den Schoten von
Brassica- und Ä«a/>z^arten.
Kultur und Handel. In Europa werden Raps und Rübsen, die wohl aus Südeuropa
stammen, besonders in Deutschland, Rußland, Ungarn, England und Italien, in Frankreich und
Belgien besonders Winterraps gebaut. Es sind die bei uns am meisten kultivierten Öl-
pflanzen. Raps liebt ein gemäßigtes, mehr warmes und feuchtes Klima, Rübsen gedeiht auch
in trockenem, rauhem Klima auf leichterem Boden, liefert aber lo"/;, weniger Ertrag. Die
indische Colza wird in den Kordwestprovinzen, Pendschab, Cawnpore, Guzerat, Calcutta und
Bombay, gebaut.
Die Ausfuhr von Rapssamen (rape) aus Ostindien betrug 1908/9: 40064 cwts. Die
Ausfuhr von Mustard- oder Rape oil betrug 1906/7 : 273684 Gals, 1907/8: 273465 Gals, 1908/9:
170675 Gals.
Anatomie. Die Samenschale des Rübsen und Raps, die ähnlich der des schwarzen
Senf (s. d.) gebaut ist, zeigt, von der Fläche betrachtet, bei schwacher Vergrößerung ein
Maschennetz. Die verdickten Teile der radialen Sklereidenwände erscheinen im Querschnitt un-
gleich hoch oder fast gleich hoch (ostind., die indischen Samen zeigen denn auch ein deut-
licheres Maschennetz, Kinzel). Die schmale Schleimepidermis quillt nicht oder wenig. Die Samen
umgeben sich daher, in Wasser geworfen, nur mit einer sehr schmalen Schleimhülle. Nur in
der Höhe des verdickten Teiles der Sklere'iden, dem Durchmesser und dem Rande derselben
— ob gerade oder krumm — machen sich Unterschiede bemerklich (Details bei Oliva). Das
Lumen der Sklere'iden erscheint, von der Fläche betrachtet, beim Rübsen enger wie beim
Raps (Harz). Eine Pigmentschicht ist deutlich. Die lappigen, Globoide führenden Aleuronkörner
sind am größten bei den Solitären des Winterraps.
Chemie. Die Zusammensetzung der Samen ist im Durchschnitt:
Wasser
Stickstoff-
subst.
Fett
Stickstofffreie
E.xtraktstoffe
Rohfaser
Asche
Raps
Rübsen
Indian Rape
7,28
7,86
5.90
19.55
20,48
22,67
42.23
33.53
41,20
20,78
24,41
15,66
5,95
9.91
10,08
4,21
3,81
4,49
Bei der Spaltung des Glykosids entsteht hier Crotonylsenföl C^HjNCS (Stein).
^88 Halbtrocknende Öle.
Das Rüböl (Kohlsaatöl, Colzaöl, huile de colza, Rape oil, Colza oil, Olio di colza,
Raapolie, xpa/^ßiXatov) -wird, meist nicht nach den Stammpflanzen als Rapsöl (huile de navette,
Rape oil) und Rübsenöl (huile de rabette, Rübsen oil) unterschieden. Es wird in der Weise
gewonnen, daß die Samen zwischen Walzen gemahlen werden und das Mehl gepreßt oder mit
Schwefelkohlenstoff oder PetroUUher extrahiert wird. Das extrahierte ist reiner, aber der Ex-
traktionsriickstand ist nicht als Viehfutter oder doch nur in Mischkuchen zu verwenden. Die
Samen enthalten 3 3 — 43 (resp. S°)°it, öl. Beim Pressen erhält man 30— 33 •/„ beim Winterraps,
beim Rübsen 16 — lS°/„. Das rohe Öl iät dunkel. Es wird meist mit i °/o Schwefelsäure raffiniert.
Dies Öl ist hellgelb^ riecht charakteristisch und schmeckt unangenehm herbe. In 100 T. Alkohol
lösen sich 0,534 T. König gibt die elementare Zusammensetzung des Rapsöls zu C = 77,9t
78,20, H = 12,02—12,08, O = 9,72 — 10,0770, die des Rübsenöls zu € = 77,21, H= 13,36,
O = 9,43% ä°- Rüböl enthält 1,02 (oder weniger) feste Fettsäuren (Tolman u. Munson), Ara-
chinsäure und Lignocerinsäure (das Gemisch beider ^ rohe Arachinsäure [Ponzio, ArCH-
BUTt] oder Behensäure [Reimer und Will]), von ungesättigten Fettsäuren: Erucasäure und
Rapinsäure und wohl auch Säuren der Linol- und Linolensäurereihe. Das «Stearin»
ist fast reines Trierucin (Lewkowitsch) bzw. Dierucin (Reimer und Will). Das Unverseifbare
bilden die Phytosterine: Brassicas teri n (CjgH^jO) und Sitosterin (? Welsch). Es
beträgt 0,5 — i'/oi selten mehr, nie über 2 "/„ (Lewkowitsch). Technisches Rüböl enthält freie
Fettsäuren (0,7 — 6,64°/,, auf Ölsäure berechnet). Europäische Rüböle zeigen, gleichviel welcher
Provenienz, große Übereinstimmung. Die Unterschiede, die Schädler von den Ölen der vier
Varietäten angibt, sind nicht durchgreifend, übrigens auch sehr gering. Das spez. Gew. ist =
(0,9112) 0,9132 — 0,9175 (meist nicht über 0,916, Lewkowitsch), der Erstarrungspunkt liegt bei
— 4 bis — 6°, die Verseifungszahl ist 167,7 (Crosslev und Le Süeur) bis 179 (Allen), meist
171 — 17C (Lewkowitsch), die Jodzahl 98,1 — 103,6 (Lewkowitsch), selten bis 105, die Reichert-
zahl o — 0,79 (Crossley), die Hehnerzahl 94,56 — 96,3, Maumeneprobe 49—64° C. Das ost-
indische Rüböl (Colzaöl) zeigt ein spez. Gew. 0,9141 — 0,9171, Verseifungszahl 169,4 — ^'73>4t
Jodzahl 94,1 — 104,8, Reichert- Meißlzahl o — 0,79, Hehnerzahl 94,56 — 96,3, Säurezahl 1,42 bis
2,57 (Crossley und Le Subur). Altes Rüböl zeigt hohe Acetylzahlen (14,7 — 41,7, Gripper).
Die Fettsäuren zeigen den Erstarrungspunkt 17 — 18,5°, Schmelzpunkt 16—22°, Jodzahl 96,3
bis 105,6, Acetylzuhl 6,3, die flüssigen Fettsäuren eine Jodzahl von 114,3 — '-5>5-
Rüböl verdickt sich beim Stehen und wird ranzig, jedoch ohne zu trocknen. Es steht
also zwischen den halbtrocknenden und den nicht trocknenden.
Die rohen Cruciferenöle sind alle schwefelhaltig (143 — 240 mgr S. im Liter Öl), jedoch
sollen kaltgepreßte und gut raffinierte Rüböle keinen Schwefel enthalten, wohl aber bisweilen
die mit CSj extrahierten.
Verfälschungen. Rüböl wird mit Leinöl, Hanföl, Mohnöl, Leindotteröl, BaumwoU-
samenöl, Ravisonöl, Hederichöl, mit Fischölen und Tranen, Mineralöl, Harzöl und Walratöl
verfälscht. Über deren Nachweis vgl. bei LEWKOWITSCH.
Anwendung. Rüböl wird besonders als Brennöl und Schmieröl, seltener als Speiseöl
und zur Margarinebereitung und in der Pharmacie (als Olivenölersatz, wozu es nicht immer
brauchbar ist) und zur Seifenfabrikation benutzt. Es ist schwer verseifbar und wird leicht ranzig.
Rüböl wird viel als Wanzenvertilgungsmittel benutzt. (Wanzen werden durch jedes Öl fast so-
fort getötet: sie ersticken darin.)
Lit. Prantl in Engler-Prantl, Pflanzenfamilien. — Luerssen, Mediz. pharm. Bot. —
Harz, Landw. Samenk. — T. F. Hanausek in Wiesner Rohstoffe, IL Aufl. — Oliva, Vgl.
Anat. u. entwicklungsgesch. Unters, über d. Cruciferensamen (Bern 1905). Zeitschr. d. Österr.
Apoth. Ver. 1905 (dort d. anatom. Detail m. Abbild.). — Hartwich- Vuillemin, Beitr. z.
Kenntn. d. Senfsam, Apoth. Zeit. 1905. — König, Nahrungs- u. Genußm. — Gross, Stud. über
d. Rapspfl. Öster.-ung. Zeitschr. f. Zuckerind. 1900. — Schröder, Unters, d. Sam. d. Brassicaart.
Landwirtsch. Versuchsstat. 14, 1871. — Sempolowski, Diss. Leipzig 1874. — Collin-Perrot,
Residus industriels (Anatomie und Zusammensetzung des Preßkuchen). — Lewkowitsch a. a. O.
(dort d. ehem. Liter.). — Schädler a. a. O. — Mikosch, Pflanzenfette in Wiesner Rohstoff'e,
II. Aufl. — Steffeck, Landw. Versuchsstat. 33 (1886), 411. — Welsch, Sterine. Diss. Frei-
burg i. B. 1909. — M. Schmitt, Sind Rapskuch. infolge zu hohen Senfölgehalt. schädlich .'
Diss. Bern 1909 (dort d. Lit.).
Fructus Arachidis und Oleum Arachidis.
589
Die indischen Colzasorten bei Burchaed, [Psain und Kinzel, Journ. f. Landw. 1894
1896.
Zu den halbtrocknend en Ölen der Rübölgruppe gehören ferner folgende Samenöle:
Ravisonöl, Black sea rape oil von einer süd-
russischen wilden Varietät von Brassica cani-
pcstris.
Hederichöl von Rhaphanus Rhaphanistrum.
Schwarzsenföl von Brassica nigra.
Indian mustard oil von Brassica juncea,
"Weißsenföl von Sinapis alba.
Jambaöl von einer ^rajüca- Varietät.
Ackerrettichöl von Sinapis arvensis.
Rettichöl von Raphamis sativns.
Gartenkressensaraenöl von Lepidium sativum.
Leindotteröl von Camelina sativa.
Rotrapsöl, huile de julienne von Hesperis
matronalis.
Das Ol. sinapis pingue aus holländ. schwarz.
Senf ist ein gutes Öl für pharmazeutische
Zwecke (Schaumann, Ph. Zeit. 1910, 160).
Die Cruciferenöle enthalten alle Erucasäure.
Die Gruppe des Arachisöls bildet den Übergang zu den nichttrocknenden Ölen.
Fructus Arachidis und Oleum Arachidis,
Syn. Erdnuß, Erdeichel, Erdmandel, Erdpistazie, Erdbohne, Schokoladenwurzel, Man-
dubibohne. Aschantinuß — pistache de terre, noix de terre, arachide — ground nut, pea nut,
monkey nut, manila nut, earth nut, — grondnooten. In Brasilien: mundubi. Auf den Capverden:
mancarra. In Spanien und Südfrankreich: cacahuete. In Indien: buchanaka (Sansk), müng phali,
viläyeti-müng (bind.). In China: loh-hwa-sang.
Beschreibung der Stammpflanze und der Droge. Die zu den Luguminosae —
Papilionatae • — Hedysareae — Stylosanthinae gehörige, nicht in Afrika (FlÜCKIger, Schwein-
FüRTH, Willkomm, Peters), sondern in Süd-Amerika (Brasilien) einheimische, jetzt in vielen
tropischen und einigen subtropischen Gegenden kultivierte, wild nicht bekannte, vielleicht eine
Y..v\'axxior'ai -von Arachis prostrata darstellende Stammpflanze der Erdnuß, Arachis hypogaea L.
Spec. plant, ed. I, 741 {A. asiatica LouR.), ist ein einjähriges Gewächs, dessen Wurzeln zahlreiche
stickstoffbindende WurzelknöUchen bildet und bis i m lange, auf dem Boden ausgebreitete Stengel
besitzt. Die verkehrt eiförmigen, stumpfen Fiedern der Blätter sind gewimpert. Die langgestielten,
einzeln oder zu zweien in den Blattachseln stehenden gelben Blüten sind zweierlei Art. Die oberen
sind unfruchtbar und fallen später ab, die in der Nähe des Bodens befindlichen dagegen frucht-
bar. Nach der Befruchtung verlängert sich der Fruchtstiel, bisweilen bis auf 20 cm, und bohrt
die junge Frucht in den Boden (Fig. 183). Hier, also unterirdisch, entwickelt sich die Frucht
zur Reife (daher hypogaea und Erdnuß). Die Pflanze lockt in Indien zur Blütezeit große
Mengen roter Ameisen an, die den Boden rings um die Pflanze auflockern und so das Eindringen
der Fruchtknoten erleichtern (Watt, Dict. econ. prod.). In Spanien liefert eine Pflanze bis-
weilen 80 — IOC Früchte.
Die Hülsen liegen zur Reifezeit bis 10 cm unter dem Boden und müssen daher aus-
gepflügt oder ausgehackt werden. Sie sind einfächerig, enthalten aber bisweilen mehr wie einen
(2 — 3, selten bis 5) Samen (Fig. 183, rechts) und sind alsdann zwischen diesen eingeschnürt.
Auf der graugelblichen bis strohgelblichen Oberfläche sind die nicht aufspringenden, 2 — 4 cra
langen, walzlichen Früchte mit Netzleislen versehen, die bei den Varietäten verschieden stark
hervortreten, bei var. vulgaris z. B. oft verwischt, bei var. reticulata (Fig. 183) stark entwickelt
sind, und in denen die von viel sklerotischen Fasern begleiteten Bündel liegen (Moeller-Winton).
An der Spitze tragen sie eine Griffelnarbe (callus stigmatiformis).
Die Samen sind länglich-zylindrisch oder länglich-eiförmig, 6 — iS mm lang, 3 — 6 mm
breit, am einen Ende, dort wo Hilum und Radicula liegt, schief und kurz gescheitelt, am anderen
(an der Chalaza) gewölbt oder schief abgeflacht (Hanausek). Unter der Spitze liegt der Nabel,
von dem die Raphe zur Chalaza läuft. Hier gabelt sich das Bündel und seine sechs Äste
kehren in der Samenschale in regelmäßigen Absländen zur Spitze zurück. Die nicht ablösbare
braune Samenschale besitzt eine Epidermis, deren braune Zellen zahlreiche, von der Außen-
wand in das Lumen weit vorspringende gerade oder gekrümmte, schmale oder breite Zapfen
zeigen, so daß sie, besonders von der Fläche betrachtet, ein sehr eigenartiges, für die
Erdnuß charakteristisches, kammartig gezähntes Bild darbieten (Abbild, bei VoGL
und Hanausek). Die breite Nährschicht besteht in ihren inneren Schichten aus einem oblite-
59°
Halbtrocknende öle.
rierten Sternparenchym, in dem die zahlreiche Spiralgefäße führenden Gefäßbündel verlaufen.
Die innere Epidermis ist erhalten. An sie schließt sich eine schmale Schicht an, die als ein
Nucellarrest betrachtet wird. Das Gewebe der dickfleischigen, leicht auseinander fallenden
Fig. 183.
Arachis hypogaea, [Aus Sadebeck, Kulturgewächse der deutschen Kolonien.'
Cotyledonen ist von einer Spaltöffnungen führenden Epidermis bedeckt und besteht aus großen,
relativ dünnwandigen, getüpfelten Zellen, die Interzellularen zwischen sich lassen und neben
Ölplasma, 3 — 15 mik. große Stärkekörner und 4 — 13 mik. große, oft ziemlich unregelmäßige,
globoidführende AJeu ronkörner enthalten. Das Vorkommen von Stärke und Aleuron in
derselben Zelle ist sehr charakteristisch für die Erdnuß.
Fructus Arachidis und Oleum Arachidis. 5 g I
Pathologie. Über die pflanzlichen Schädlinge berichtet Prof. Ed. Fischer: In Java,
in Indien, in Deutsch-Ostafrika tritt eine Krankheit der Erdnuß auf, welche von Septogloeum
Arachidis Raciborski hervorgerufen wird. Die Blätter bekommen dunkle, gelbumsäumte
Flecken und fallen dann ab, die Früchte schrumpfen zusammen und werden wertlos. Weniger
wichtig sind andere auf den Blättern auftretende Parasiten: Cercospora personata (Bkrk. et CuRT.)
Ell., Puccinia Arachidis Spkg. und Uredo Arachidis Lagh. — Sehr verderblich ist nach Karosek
(Gartenflora 1904) in Deutsch-Ostafrika eine der Mosaikkrankheit des Tabaks ähnliche Erkran-
kung (Zimmermann, Pflanzer 1907). Einer anderen gedenkt Braun (a. a. O.).
Kultur und Handel. Arachis hypogaea gehört zu den wichtigeren Kulturpflanzen der
Tropen, die nicht allzu große Ansprüche stellt und einen leichten aber kalkhaltigen (Sadebeck
1877) Boden, sowie viel Wärme verlangt. Trockner Sand gibt die hellsten, humusreicher,
feuchter Boden dunkle Samen. Die Samen keimen nach 8 — 14 Tagen, die Früchte sind nach
4 — 5 Monaten reif. Das Enthülsen der Samen geschieht bei großen Betrieben (z. B. in Amerika)
mit Maschinen. Die Fruchtschalen dienen als Brennmaterial. Der Versand geschieht in Säcken.
Im Kleinbetrieb liefert der Hektar 1500 — 1800 kg, im Großbetrieb viel mehr. Das wichtigste
Exportland ist Westafrika, besonders die französischen Kolonien. Senegambien liefert aus
dem Norddistrikt (Rufisque, Cayor, Galam) die besten, weniger gute aus dem Süden (Kapa-
manze), die schlechtesten kommen aus Sierra Leone und Lagos. Man unterscheidet die guten
Cayor- von den weniger gutes Öl gebenden Galam-Nüssen. Ausfuhrplätse sind: Galam, Cayor,
Rufisque, Gorea, Albreda, Gambia, Sedhiou, Carabana, Casamance und Rio Nunez. Ferner
liefert der Sudan, die Gegend des Tsadsees, Darfur, die Mombattuländer, Ostafrika, Sansibar,
Mosambique viel Erdnüsse. Sehr bedeutend sind die Kulturen in Ostindien (Coromandel, Madras,
Südindien, Bengalen, Bombay), Franz.-Indien und in Nordamerika (Virginien, Georgia, Tenne-
see, Nord- Carolina), wo die Kulturen bis 40° n. B. reichen, geringeren Umfang haben sie in
Cochinchina, Burma, China, Japan und den Sundainseln, sowie den Antillen, Mexiko, Brasilien,
Argentinien, Portugies. Ost- und Westafrika und den deutsch-afrikanischen Besitzungen (Togo,
Kamerun, Deutsch-Ostafrika). Relativ unbedeutend sind sie in Ägypten, Tunis, Algier, Spanien,
Portugal, Südwestfrankreich und Unteritalien. Aus den Tropen gelangen nach Europa meist
die ungeschälten Erdnüsse, da die geschälten leicht verderben, schimmeln und ranzig werden.
Haupteinfuhrhäfen sind Marseille, Hamburg, London, Liverpool, Rotterdam und Triest.
Die Produktion an Erdnuß ist enorm. Indien allein exportierte 1907/08: 1524055,
1908/09: I 513364 cwts groundnuts und 1908/09: 93034 gals groundnut oil. Nordamerika 1907 :
6386012, 190g: 5501107 Ibs peanuts. Frankreich importierte 1901: 120400208 kg graines
d'arachides entieres und 58132221kg Arach. d6cortiqu6es, Marseille 1908: 85,6 Mill. kg
A. d^cort. und 102 Mill. kg A. ent. Die Ölmühlen Frankreichs verarbeiten jährlich mehr wie
looooo t Erdnüsse (Collin). Deutschland importierte 1910: 69,13 Mill. kg, Hamburg 1909:
19,54 Mill. kg Erdnüsse.
Chemie. Geschälte Erdnüsse (d. h. die Samen) enthalten im Mittel in Prozenten: Wasser
7,48, Stickstoffsubstanz 27,52, Fett 44,49, stickstofffreie Extraktstoffe 15,65, Rohfaser 2,37,
Asche 2,49 (in der Trockensubstanz 48,09 "/(, Fett). Der Eiweißgehalt übertrifft den
der Erbse und Bohne. Erdnüsse enthalten viel Stärke (s. oben), 4 — 5 7o ^^^ Stickstoff-
substanz sind in Form von Amiden vorhanden. Nachgewiesen ist darin Vernin (im Embryo)
und Arginin (Schulze und Castoro), Cholin, Lecithin, Conglutin (Ritthausen), von
Enzymen besonders eine sehr aktive Lipase (Dunlap und Seymour), Saccharose (BuRCK-
Hard), angeblich auch ein nicht giftiges Alkaloid (Arachin — vielleicht Cholin?). Der Pen-
tosangehalt beträgt 4,i2°/„ (Wittmann). Apfelsäure (P.wen und Henry) ist zweifelhaft.
Der Ölgehalt des Samens schwankt außerordentlich. Tropische Erdnüsse enthalten bis
55, subtropische oft nur 20 "/o- Sadtler fand in Erdnüssen vom Senegal 51, vom Kongo 49,
von Ostafrika 49, von Bombay 44, von Madras 43, von Amerika 42''/o Öl. 43 bis 45 "/o sind
Durchschnittszahlen. Das Öl wird in hydraulischen Pressen zunächst zweimal kalt, dann warm
abgepreßt — oft in den gleichen Pressen wie Sesamöl. (Es gibt daher bisweilen schwache
BAUDOUlNsche Reaktion!) Nur das erste, helle, kalt geschlagene Ol ist zu pharmazeutischen
Zwecken und als Speiseöl brauchbar. Das Öl wird in den Produktionsländern (Indien, Westafrika),
aber auch in Südfrankreich (z. B. Marseille) und Deutschland (Harburg) gepreßt. Das Öl von
Rufisque und Gambia gilt als besser als das von Bombay und Coromandel.
592
Halbtrockneude Öle.
Das Erdnußöl, Oleum arachis (huile d'arachide, aracliis oil, peanut oil, earthnut oil,
olio di arachide, aardnoten olie, dpa/Jkatov, in Indien: katrhung oil), setzt beim Erkalten eine
kristallinische Masse ab (margarine d'arachide). Die festen Fettsäuren bestehen aus Arachin-
säure (Allen, Gössmann), Lignocerinsilure (Kreiling), Stearinsäure (Hehner und
Mitchell) und vielleicht auch Palmitinsäure (Caldwell) — der Gehalt an Arachinsäure
beträgt c. 5% (4i5 — 5>5J — • die flüssigen aus Ölsäure, Hy pogaeasäure (Gössmann und
ScHEVEN, Schröder, Hazura), Linolsäure (Hazura und Grüssner). Die kalt geschlagenen
Öle enthalten nur geringe Mengen freier Fettsäuren, die technischen Öle mehr (indische bis l6,5°/„,
Crossley und Le Sueur). Arachisöl kann durch Abscheidung der krist. Arachinsäure (d. h.
roher, mit Lignocerinsäure vermischter) identifiziert und quantitativ in Ölgemischen bestimmt
werden (Renard, Lewkowitsch, Tortelli-Ruggkri, Kreis — Vorschrift in Pharm, helv. IV}.
Verseift man das Öl mit alkoholischer Natronlauge, verjagt den Alkohol, scheidet die Fett-
säuren mit Salzsäure ab und löst diese in siedendem Alkohol, so scheidet sich die Roharachin-
säure in perlmutterglänzenden Kristallen (F. = 70 — 71°) ab. Erdnußöl gibt die BELLIER-Reak-
tion (Resorcin-Benzol + HNO3, spez. Gew. 1,4).
Das spez. Gewicht des Öls beträgt: 0,911 (afrikan. Öl) bis 0,9256 (ostind.) • — Pharm,
helv. rV verlangt 0,917 — 0,921 bei 15° und 0,864 — 0,865 ^^^ 9^° — > '^^'^ Erstarrungspunkt — 2,6
bis +3°, die Verseifungszahl 185,6 — 194,8 (Crossley und Le Sueur), die Jodzahl 83,3 — 105 —
Pharm, helv. IV verlangt 85 — 100 — (meist 90 — 96), die Reichert-Meißlzahl 0 — 1,60, die
Hehnerzahl 94,87 — 96,31, die Maumen^probe ergab 45,5 — 75°, der Brechungsexponent ist
bei 40° 1,4626—1,4642 (Ph. helv. IV).
Der Erstarrungspunkt der Fettsäuren liegt bei 22—32,5°, ihr Schmelzpunkt bei 27 — 35°,
die Jodzahl ist 95,5 — 103,42, die Jodzahl der flüssigen Fettsäuren 104,7 — 128,5 (^g'- l"«' Lew-
kowitsch). Nach vierstündigem Einlegen in konzentriertes Kali, dem konz. Ammoniak zugesetzt
wurde, entstehen im Öltropfen kurze, in halbkonzentriertem lange, gebogene, oft lockenförmig
gekrümmte Nadeln — für dies Öl sehr charakteristisch — , nach 24 Stunden auch Sphaerite
(Hartwich-Uhlmann).
Erdnußmehl (Erdnußgrütze) enthält im Mittel in Prozenten: Wasser 6,67 (6,26), Stick-
stoflfsubstanz 48,92 (47,46), Fett 14,61 (17,50), stickstofffreie Substanz 22,99 (21.01), Rohfaser
3.91 (3,90), Asche 4,90 (3,87) (KÖNIG).
Erdnußschalen enlbalten nur 5,68"/o Stickstoffsubstanz und 2,5% Fett, aber 53,27o
Rohfaser.
Aa'wendung. Die schwach gerösteten Erdnußsamen schmecken ähnlich wie Mandeln
und werden, ebenso wie die rohen, in den Tropen (Brasilien, Indien, Afrika), aber auch neuerdings
in Europa viel gegessen. Sie sind jetzt regelmäßig in «Südfruchthandlungen» neben Feigen und
Datteln zu finden. Frisch haben sie einen nußartigen Geschmack. Reichlicher Genuß von Erd-
nüssen soll Kopfweh verursachen (.'). Unter dem Namen Austria-Bohnenkaffee, wie afrikanischer
Nußbohnenkaffee, kommen die durch Pressen von einem Teile des Öls befreiten, aber immer
noch c. 17 (Willert), 19 (Röhrig, Vogl) oder gar fast 28"/o Fett zurückhaltenden gerösteten
Samen in den Handel (Beschreibung bei Vogl). Sie sehen den Kaffeebohnen ähnlich. Arachisöl
ist ein brauchbarer Ersatz des Olivenöls. Nach Indian and Colonial Addendum Brit. Pharmacop.
ist Olivenöl durch Arachisöl zu ersetzen in Indien, den afrikanischen, australischen und öst-
lichen Kolonien (vgl. I, S. 22). Es liefert ein vorzügliches Bleipflaster (Dymock). In Spanien
dienen die Preßrückstände mit Cacao, Zucker und Gewürz gemischt der ärmeren Bevölkerung
als Nahrungsmittel. Man kann in Zeiten der Not aus Erdnußpreßkuchen ein billiges Brot
backen. — Die Erdnußpreßkuchen, aus denen eine Grütze hergestellt wird, bilden ein oft ver-
fälschtes wertvolles Nahrungsmittel (vegetabilisches Fleisch, Nördlinger), ein sehr geschätztes
Mastfutter (Uhlitzsch, Collin- Perrot) und ein gutes Düngemittel. Erdnußmehl wird giftig
durch |beigemengte Ricinuskuchen (Schmidt) oder durch "Wechselwirkung mit beigefutterten
anderen Nahrungsstoffen {? Krüger). Erdnußöl wird mit Mohnöl, Sesamöl (Furfurolprobe!),
BaumwoUsamenöl (Halphens Reaktion!) und Rüböl verfälscht (Nachweis bei Lewkowitsch).
Geschichte. Die Erdnuß war, was ebenfalls für ihren amerikanischen Ursprung spricht,
im Altertum und Mittelalter [unbekannt. Zuerst wird die Manifrucht 1547 bei Fernandez de
Oviedo (I, S. 755) in dessen Cronica de las Indias Lib. VII, cap. 5 fol. 1074 von Hayti er-
wähnt, wo sie von den Eingeborenen kultiviert wurde. Monardes (I, S. 780) berichtete 1519,
daß sie bei den Indianern am Maranon in großem Ansehn stehe. Die französischen Kolonisten
Fructus Arachidis und Oleum Arachidis. jgß
unter Coligny trafen mandobi 1555 in Brasilien, Sloane Arachidna Indiae utriusque in West-
indien und Jean de Lery (I, S. 764) beschrieb die Pflanze. Abbildungen finden sich dann bei
Johannes de Laet in dessen Histoire du nouveau monde 1640 und bei Marcgrap (I, S. 893)
unter dem Namen mundubi (Hanbury). Erdnüsse finden sich auch unter den altperuanischen
Grabbeigaben (De Candolle). 1697 wurde die Pflanze in Helmstedt kultiviert (Stisser,
Botanica curiosa). Der Name Arachis wird zuerst von Ray, dann von Plumier und Sloane
benutzt (Bentley-Trimen). Er ist abgeleitet von dpä](idva, womit von Theophrast eine andere
Leguminose (nach Sprengel: Lathyrus amphicarpus Dorth ) bezeichnet wurde. Die Arbeiten
von Sonnini, Trait^ de l'arachide ou pistache de terre Paris 1808 und Cadet, Sur la cacahuate
ou mani d'amärique in Journ. pharm, i (1815), 37, sowie die chemische Untersuchung von
Payen und Henry (Journ, cliim. med. 1825, 431) lenkten in Europa die Aufmerksamkeit auf
die Erdnuß. Aber erst der französische Kolonist Jaubert in Gorie, nahe den Capverden,
führte sie 1840 als Ölsaat nach Marseille ein, wohin von dann an steigende Mengen von der
Westküste von Afrika gelangten (1867 schon 66 Mill. kg). In der zweiten Hälfte des XIX. Jahrh.
breitete sich die Kultur der Erdnuß über die Erde aus. Um 1860 kam sie über China nach
Indien (Dy'Mock) — sie heißt in Indien noch heute chini-badam (= chinesische Mandel). Die
Kultur nahm dort einen so raschen Fortgang, daß schon 1877: 7130 cwts nuts und 20387 cwts
eil von Madras exportiert werden konnten und 1897 schon 112 000 acres unter Erdnuß standen.
Nach Westindien kam sie zuerst von Brasilien, dann — in neuerer Zeit — von Afrika aus.
Zuerst kam das Öl in die Pharmacopeia of India, erst neuerdings auch in europäische Pharma-
copoeen, z. B. die Pharm, helvet. IV.
Lit. Carr^re et Holle, La Sinigambie frani;aise 1855. — Duval, Colonies et poli-
tique coloniale de France 1864. — Mavidal, Le Senegal. Paris 1863. — Faidherbe, Le
Senegal 1889. — Poiteau, Ann. sc. nat. bot. 19 (1853), 268. — Flückiger-Hanburv, Pharmaco-
graphia. — Beyerinck und Wijs, Aardnoot en le aardnooten-olie. Bull. Kolon. Mus. Haarlem
1896 (Monographie). — Taubert in Engler-Prantl, Pflanzenfam. — Schweinfurth, Im Herzen
Afrikas I 273. — Semier, Trop. Agrikultur. — Block, Geogr. Verbr. d. Erdn. u. Bedeut. als
Nahrungsm. Zeitschr. f. Kolonialpolit. VI. — Watt, Dict. econ. prod. — F. Kurtz, Sitzungs-
ber. d. Bot. Ver. d. Prov. Brandenb. 1875. — Sadebeck, D. Kulturgew. d. deutsch. Kolonien
1899. — Warburg, Fette u. Öle aus deutschen Kolonien. Chem. Centralbl. 1897. — Woldt,
Deutschi. Interess. im Niger- u. Kongogebiet. — VoGL, Nahrungs- u. Genußm., Fig. 159 u. 160. —
Bentley-Trimen, Med. pl. t. 75 (dort d. ältere Lit.). — Benecke, Mikr. Unters, d. Kraft-
futterm. 1886. — Böhmer, Ölkuchen in Dammers Lexikon d. Verfälsch. — Bilteryst, Rech,
de l'arach. etc. Journ. pharm. 1897, 29. — WiNTON, Anatoniy of the peanut etc. Conn. Agr.
Exp. Stat. Rep. 1904, 191. — Möller-Winton, Mikroskopie, Fig. 317 — 322. — T. F. Han.\usek
in Wiesner, Rohstoff'e II. Aufl. (mit Abbild.). — FlÜckiger, Arch. Pharm. 1869. — Flückiger-
Hanbury, Pharmacographia — Pharmacogr. indica. — Harz, Landwirtsch. .Samenkunde. —
Benson, The ground nut. Dep. Land. Rec. agric. Madras 1899. — K. Braun, Die Erdnuß
(Kultur). Pflanzer. Amani, 1910 (Flugblatt). — Erdnußinduslr. in d. Ver. Staaten. Chem. Zeit.
1900, Nr. 38. — Sadtler, Peanutoil and its uses in pharm. Am. Drugg. 31 (1897). Lipase:
Dunlap und Seymour, Journ. am. soc. 27, 935, — König, Nahrungs. u. Genußm. (dort die chem.
Literatur). Weitere chem. Lit. in Wehmer, Pflanzenstoffe.
Öl: Hazura und Grüssner, Monatsh. f. Chem. 1889, 242. — Hartwich und Uhlmann,
Arch. Pharm. 1903, iii. — Kreis, Chem. Zeit. 1895, 451. — Baczewski, Arachins. Ber. chem.
Ges. 1896. — LewkowitsCH, Chem. Techn. d. Öle 1905 (dort d. Lit.). — Erkennung von Erd-
nußöl in anderen Fetten: Guarnieri, Staz. sper. agr. ital. 190g, 408. — Muntz, Paulmyer u.
RiVALS, Monit. scient. 1909. 785. — Preßkuchen: Nördlinger, Erdnußgrütze. Zeitschr. An-
gew. Chem. 1892, 689. — TusoN, Pharm. Journ. 7 (1876) 332. — UhlitzSCH, Landw. Versuchsstat.
1892, 385. — Klingenberg, Zeitschr. f. phys. Chem. 1882, 155. — Collin-Perrot, Residus industr.
(Fig. 65. Querschn. durch die Fruchtschale).
3. Nichttrocknende Öle.
Die nichttrocknenden Öle zeigen eine niedrigere Jodzahl als die trocknenden
und die halbtrocknenden. Linolensäure scheint ganz zu fehlen, Linolsäure nur in ge-
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 38
eg 4 Nichttrocknendo Öle.
ringer !Menge \orhanden zu sein. Sie erhärten wegen ihres Gehaltes an Ölsäure bei
der Elaidinprobe.
Semen Amygdalae dulcis und Oleum Amygdalae.
Syn. Amygdala dulcis, süße Mandel — amande douce (franz.) — sweet al-
mond (engl.) — mandorla dolce (ital.).
Der Baum: Mandelbaura — amandier (franz.) — almond tree. (engl.) — amandelboom
(hol.) — mandola, mandorlo (ital.) — almendro (span.) — amendoeira (port.) — mandelträd
(schwed.) — mindaluve derevo (russ.) -r- him-ho-gin (chin.).
Bei Theophrast: cc/ii^yiSaHj (die Frucht «it/fyddA);) — bei Dioskurides: dfivySaXia und
äfivyöalov — bei Columeixa und Plinius der Baum: amygdala (die Frucht nux graeca, so
schon bei Cato). Später dann (z. B. in Medicina Plinii IV. Jahrb.): amandola, bei C.\RI.: amanda-
larios, bei Albertus Magnus: amigdalus, bei der Hildegard: amygdalus, — in der Alphita
(I, S. 654) oleum amigdalinum (metopiura ex amigdalis amaris) — bei Ibn Baithar: lauz,
lawz (Ol. amygdalar. = duhn al-lauz al murr) — bei Najm Ad-Dyn Mahmud (I, S. 611)
laouz houlou — aramäisch und syr. scheg da, — hebr. schaked, luz oder Jus — arab. louz
davon berberisch: lalouzet (die Mandel: schekedim) — pers. badam. — Der Mandelbaum
hat keinen Sanskritnamen. Bei Sanskritschriftstellern findet sich der (persische) Name bädam.
(hind.) oder vAdam (tarn.). — In China: hang, die süßen Mandeln: bangjin und t'ien-mei.
Etym. d/xvyättlrj ist wohl sicher ein Lehnwort, doch ist, bemerkt Schrader, seine
Quelle noch nicht nachgewiesen (Grassmann: der Name stammt wahrscheinlich aus Asien). Im
persischen Makhzan heißt ein Gummi liefernder Baum ammughihln oder mughililn (oben S. 453).
Dies dürfte auf eine Amygdalacee gehen und aus dem dem Worte zugrunde liegenden persi-
schen Stamme ist vielleicht das griechische dßvydäXrj hervorgegangen. Die bittere Mandel heißt
im Persischen munga, die Bohne im Indischen mudga. Amygdalus stammt also möglicherweise
aui dem Persischen oder Indischen — vielleicht liegt auch die Urheimat der Pflanze in Persien,
das heute noch viel Mandeln produziert. d/ivyääXtj ist freilich auch der Name der phrygischen
Cybele (und bedeutet große Mutter), und da der früh aus dem Winterschlaf erwachende Mandel-
baum aus dem Blute der Göttermutter entstanden sein sollte, so zog MowERS den Namen
^fivySäXrj hierher, was aber Schrader ablehnt. Die Ableitung von dßvx'j (wegen der vielen
Ritzen der .Steinschale, Herodianus) wird abgelehnt, ebenso die von syr. ah-mügdala (= schöner
Baum). Aus dßvyöäXt^ ging dann unter volksetymologischer Anlehnung an mandere und amarus
das lat. amandula, amandola und dann das ital. mandorla hervor (Schrader), angls. magdala-
treow, mhd. mandel, ahd. mandala, nach Baist aus lat. amandula bzw. amundala. Bei Prunus
sagt IsiDORUS (in seiner bekannten Weise!) «Pruna est, quam diu ardet; pruna autem peru-
rendo dicta». Andere leiten Prunus (s. auch oben S. 57) von nv^ivoq = feurig oder UQOvvoQ
= wilder Ölbaum oder nQvJfioq = frühzeitig ab (Kanngiesser).
Stammpflanze und systemat. Stellung. Prunus Amygdalus Stokes (Amyg-
dalus communis L.) var. physiologica dulcis Tschirch (Prun. Araygd. Stok. var.
ß dulcis P. De, Amygdalus dulcis J. Bauh.) mit zahlreichen Spielarten.
Die Botaniker unterscheiden von Prumcs Amygdalus ?iTOKY.s Bot. mat. med. III, loi, non
Baillon {Amygdalus communis L. Spec. pl. ed. I 473) die «Varietäten» var. ß dulcis P. De.
mit harter Steinschale und süßlich schmeckenden Samen, Blumen vor den Blättern, var. a
amara Hayne mit harter Steinschale und bitteren Samen, Staubgefäße bisweilen unterwärts
behaart, var. y fragilis Borkhausen mit zerbrechlicher Steinschale und süßlichen Samen (Knack-
oder Krachmandeln), Blumen gleichzeitig mit den Blättern, var. d ?«ocrö<:ffr/« mit großer Frucht
und harter Steinschale. Blumen heller rot, vor den Blättern und var. f/<'«zcö;a'« Ser. (Pfirsich-
mandel mit mehr fleischiger Frucht, wohl ein Bastard mit dem Pfirsich). In Turkestan gibt es
wilde Mandeln mit glattem Stein. Da es kein einziges durchgreifendes systematisch-botanisches
Merkmal gibt, welches den die süße Mandel liefernden Baum von dem die bitteren liefernden
unterscheidet (die als Unterschied angeführten Drüsen am Grunde der Blätter von dulcis fehlen
auch hier bisweilen), der einzig durchgreifende Unterschied vielmehr ein chemischer ist, der
Semen Amigdalae dulcis und Oleum Amigdalae.
595
auf der Bildung von Amygdalin in den Samen der bitteren Mandel beruht, so kann man auch
nicht von einer Varietät im botanischen Sinne sprechen, sondern muß den von mir eingeführten
BegrifiF der physiologischen Varietät hier benutzen. Oft genügt schonUmpflanzen in besonders guten
Boden, um einen «bitteren» Mandelbaum zum «süße» Früchte Tragen zu veranlassen (Lippmann).
Die meisten Forscher betrachten die süße Mandel als durch Veredelung aus der bitteren
liartschaligen hervorgegangen. Doch kommen in Kerman in Südwestpersien wilde (oder ver-
wilderte?) süße und bittere Mandeln nebeneinander vor.
Rosaceae — Prunoideae, Untergattung II Amygdalus Toürn.
Beschreibung der Stammpflanze. Der Mandelbaum ist von mäßiger Höhe
(selten bis lom) und besitzt eine breitästige Krone oder ist nur strauchig, nur an
den Kurztrieben blühbar. Die spiralig gestellten, 4 — 10 cm langen Blätter besitzen
1,2 — 2,5 cm lange Stiele. Die kahle Spreite wechselt bei Pruntts Amygdalus nach der
Form (lanzettlich bis eilanzettlich) und der Ausbildung des Randes (sehr schwach
gekerbt oder gesägt). Bisweilen finden sich am Grunde der Lamina ein oder zwei
Drüsen. Die kurzgestielten, perigynen Blüten sitzen zu i — -3 an der Spitze der Kurz-
triebe. Die Kelchröhre, der Axenbrecher, ist 4 — 5 mm lang, glockenförmig, kahl,
wenig deutlich zehnnervig, innen mit einem Nektar absondernden Gewebe ausgekleidet,
etwa bis zur Hälfte behaart. Sie löst sich von der heranreifenden Frucht durch einen
ringförmigen Spalt ab. Die fünf, unten braunroten, oben grünen Kelchblätter sind
abstehend, oblong bis oblong-lanzettlich, am Rande gewimpert, die fünf bis 2 cm
langen, zart rosenroten, mit dimkleren Adern durchzogenen Blumenblätter sind oblong
bis breit-umgekehrt-eiförmig, an der Basis kurz keilförmig-genagelt, an der Spitze
etwas ausgerandet (der Pfirsich hat dunklere Blüten), die etwa 30 ungleich langen,
in fünf episepalen, dem Rande des Achsenbechers inserierten, Phalangen angeordneten
'Stamina besitzen rosenrote Filamente. Das der Basis des Achsenbechers stiellos
inserierte Gynaeceum besteht aus einem am Grunde dicht behaarten Carpell und
läuft in einen langen Griffel mit kopfiger Narbe aus. Die einfächerige Frucht ist eine
etwa 3,5- — 4 (selten bis 6) cm lange und 2,5 — 3 cm breite, seitlich zusammengedrückte
Steinfrucht (drupa), die an der Rückenseite eine Furche besitzt, an der die Frucht
aufspringt. Das graugrünliche Epicarp ist sammetartig behaart, das Mesocarp lederig
zäh, das Endocarp als gelbe, derbe Steinschale (coque) entwickelt, die an der Vorder-
und Rückenseite breit und scharf gerandet, innen glatt und glänzend, aber außen mit un-
regelmäßigen Vertiefungen versehen ist (Fig. 1 84 B) (bei den dünnschaligen Krachmandeln
ist die Steinschale
dünn und zerbrech-
lich). Von den zwei
anatropen, an der
Bauchnaht hängen-
den Ovulis, die in "
dem Fruchtknoten
liegen, schlägt meist e
das eine fehl (wo
es sich ebenfalls ent-
wickelt, entstehen
die sog. «Viellieb-
chen»), so daß in
der Fruchthöhle nur
ein Same liegt, der
Fig. 184.
Prunus Anivgdahts.
A Frucht von außen. B Frucht aufgeschnitten, um den Steinkern zu zeigen. C xmd D Same
längs durchschnitten. E Same quer durchschnitten.
[Nach Focke in Engler-Prantl, Pflanzenfamilien.]
38*
59Ö
Nichttrockncndc Die.
Fis
18;
vorwiegend aus den beiden plankonvexen Cotyledonen besteht. Prunus Amygdalus
blüht vor Austreiben des Laubes oder gleichzeitig mit dem Erscheinen der ersten
Blättclien im März bis April, im Süden schon im Februar. Der Fruchtansatz erfolgt
in Italien im März. Er leidet daher von
Frühjahrsfrösten. Die Urheimat des Man-
delbaums ist wahrscheinlich im westlichen
Asien, vielleicht besonders in Persien, zu
suchen (s. oben). In Mesopotamien, Kur-
distan, Turkestan(BoissiER) und dem An-
tilibanon (bis 3200 m), sowie Karmel
(Tristram), am Hermon, wo er zwi-
schen 1000 und 1 600 m gebüschbildend
auftritt, ferner in Persien (am Berge
Avroman in Kurdistan zwischen 2200
und 2900 m), in Afghanistan (Atchison),
im oberen Zarafshanthal, in Turkestan,
im Tschotkaigebirge (Capus) und Trans-
kaukasien (Medwedew) findet sich der
Mandelbaum, der süße und der bittere,
wild, ob auch in Sizilien, Griechenland
(Heldreich) und Algerien (Cosson) ist
zweifelhaft. Im Mittelmeergebiet ist er
Prunus Amygdalus. wohl nur verwildert. Die Mandel reift
Längsschnitt Jurch die Dnipa. m Mesokarp. st Endokarp jj^^g Früchte nördlich der Alpen nur in
(Steinschale), f Funiculus. [Nach iloeller, Lehrbuch.]
der Rheinebene, am Oberrhem, an der
Bergstraße, in der Rheinpfalz und im Wiener Becken. An der südöstlichen Küste
Norwegens, c. 59° n. B., reift sie noch bisweilen in warmen Sommern (Schübeler).
Lit. FOCKE, Rosaceen in Englei-Prantl. — Baillon, Hist. d. pl. (Monogr. Rosac. iSegV
— De Candolle, L'orig. d. pl. cult. u. G^ogr. botan. — Boissier, Flor. Orient. — Christ,
Pflanzenleb. d. Schweiz. — Capus, Sur 1. plant, cultiv. qu'on trouve ä l'^lat sauvage etc. dans
le Thian Schan. Ann. sc. nat. (7) 18 (1884) 278. (Flückiger, Pharm. Zeit. 1884, 878.) — Schü-
beler, Kulturpfl. Norwegens 1862. — Heldseich, Nutzpfl. Griechenlands 1862. — Abbild.:
Bf.rg-Schmidt, Atlas 2. Aufl., t. 62 (dort die botan. Lit.). — Pabst-Köhler, Medizinalpfl.
t. 94. — Bentley-Trimen, Medic. plants t. 99. — Nees von Esenbeck, Plant, med. t. 312 u. 313.
Pathologie. Über die pflanzlichen Schädlinge berichtet Prof. Ed. Fischer: Amygdalus
communis wird ebenso wie alle unsere Steinfruchtarten von Clasterosporium carpophilum (Lfev.)
Aderh. befallen. Dieser Pilz greift Blätter, Blattstiele, Triebe und Früchte an; verursacht auf
den Blättern runde abdorrende Flecken und auf den Früchten schorfartige Bildungen. (Lit.
Aderhold, Über die Sprüh- und Dürrfleckenkrankheit des Steinobstes. Landwirtschaftl. Jahr-
buch 1901, derselbe: Über Clasterosporium carpophilum und die Beziehungen desselben zum
Gummiflusse des Steinobstes. Arbeiten der Biol. Abt. des Reichsgesundheitsamtes für Land-
und Forstwirtschaft II 1902.) Wichtig ist ferner Gloeosporium amygdalintim Brizi. welches die
Anthracnose des Mandelbaumes hervorruft und namentlich dann schädlich ist, wenn es die
jungen Früchte befällt, da diese zum Absterben oder Abfallen gebracht werden (s. Brizi,
Eine neue Krankheit des Mandelbaumes. Zeitschr. f. Pflanzenkrankheiten, Vol. VI 1896, p. 65).
Über die tierischen Schädlinge von Prunus Amygdaltis vgl. Cerasus (S. 72) und Cydonia
(S. 330). Die trockenen Mandeln werden oft von Süodrepa panicea und Coccotrypes zerstört
(I. S. 379).
Kultur. Der Mandelbaum wird in Südeuropa, im Orient, Nordafrika und England kul-
tiviert. Er verlangt ein warmes, lufttrockenes, subtropisches Klima, jedenfalls keine Fröste
Semen Amigdalae dulcis und Oleum Amigdalae. 597
zur Blütezeit und trockenen, lockeren, tiefgründigen, kalkhaltigen Boden. Die bittere Mandel
ist klimahärter (Semler). Die Kultur der süßen Mandel ist im südlichen und südwestlichen
Frankreich beträchtlich, wird aber dort nur als Nebengewerbe betrieben. Mandelpflanzungen
legt man in Italien gern dort an, wo vorher Oliven standen (Valiante). In Italien werden
die Wildlinge, welche man als Unterlage für die Pfropfreiser guter Varietäten der Mandel
braucht, aus hartschaligen einsamigen Mandeln gezogen. Die Mandel wird aber auch oft auf
den Pflaumenbaum und den Pfirsich gepfropft. Der gepfropfte Baum gibt vom 15. Jahre an
Früchte, vom 30 — 40. Jahre den Maximalertrag. Dieser beträgt 50 1 F'rüchte = 8 — 9 1 Samen
(A. Meyer), i Hektar liefert c. 500 kg. geschälte M. In Persien, wo der Baum sehr häufig
ist und die Mandeln viel benutzt werden, wird er besonders in Yedz und Kirman, dann auch
in Afghanistan kultiviert. Die Steinschale wird mit einem hölzernen Hammer aufgeklopft oder
(in Amerika) mit einer Maschine aufgebrochen. In Südfrankreich werden die Mandeln geschwefelt
(Schwefelbleiche). Die besten Spielarten hat Frankreich und Californien. Semler nennt folgende :
Amande des dames (A. dela princesse), Languedoc, Suitana, Pistache, Douce ä coque duce,
Jordanmandel, breite Valencia und die kalifornischen: Excelsior, Non plus ultra, Nonpareil,
Suprema u. and. Der Ertrag einer Mittelweltemte wird auf 35 — 50 Mill. kg geschätzt (Tun-
mann). Die Hälfte davon liefert Italien, speziell Sizilien.
Lit. Bianca, Manuale della coltivazione del Mandorlo in Sizilia. Palermo 1874.
Handelssorten. Süße Mandeln kommen aus Südfrankreich (Provence, bes.
Aix), Italien (Puglia, Apulien, Florenz, Bari, Neapel, Sizilien, bes. Avola bei Syracus),
Spanien (Malaga, Valencia, Alicante. Mallorca), Portugal (Lissabon, Oporto), Dal-
matien, Griechenland (Aegina, Chios), der Levante, Syrien, Persien, Süd-Rußland,
Nordafrika, Marokko (Rebat, Mogador), Tripolis, Algier und den Canarischen Inseln,
sowie Kalifornien. Die spanischen, besonders die Valencia- und Alicantesorten sind
die größten und besten, auch die Malaga-Mandeln (sog. Jordan-M.) sind groß und gut,
ebenso die Florentiner (Ambrosia) Mandeln, die südfranzösischen und italienischen
(z. B. die Puglieser, Communmandeln) sind kleiner und dicker und weniger gut. Am
wenigsten geschätzt sind die berberischen aus Afrika, die persischen, syrischen und
griechischen.
Die Oporto-, Malaga- und Valencia -Mandeln kommen gewöhnlich in Körben
und Fässern, die anderen in Ballen, Säcken und Matten von 1 00 kg, die Barbarice-
(Marokko) Mandeln in Seronen ä 100 kg in den Handel.
Die bitteren Mogadormandeln sind meist mit süßen Mandeln vermischt. Die
Krachmandeln (amandes ä la princesse) kommen besonders aus Südfrankreich und
Sizilien. Nach Indien gelangen viel Mandeln vom persischen Golf. Mandelöl ist in
Indien kein Handelsartikel. Auch Amerika liefert jetzt viel Mandeln. Die chinesischen
Mandeln sind die genießbaren Kerne einer Aprikosenart (Hange, Bretschneider).
Handel. Italien produziert jährlich c. 20 Mill. kg Mandeln. Es exportierte mandorle sonza
guscio 1908: 177683, 1909: 105 913 quint.; mandorle col guscio, 1908 : 22872 , 1909: 10762 quint.
Frankreich führte 1908: 45410 Quint. Amandes en coques und 58185 Oint. A. sans
coques ein, besonders aus Spanien, der Türkei und Italien, weniger aus Griechenland und
Marokko, unbedeutende Mengen aus Algier und Tunis. Frankreich exportiert für 16 Mill. M.
jährlich (Semler). Hamburg importierte igo8 seewärts 75391 dz Mandeln, davon aus
Italien: 40884, Spanien: 15407, Marokko: 13 210, Frankreich: 4816. Weniger wie 1000 dz
kamen aus Kleinasien, Persien, den kanarischen Inseln, Syrien, der europäischen Türkei, Griechen-
land, Portugal usw. Deutschland importierte igog: 6921 000 kg Mandeln (2 Cooooo aus Italien,
1300000 aus Marokko, 625000 aus Frankreich, 1700000 aus Spanien, 640000 aus der Levante,
56000 aus Portugal). Nach Tunmann (Drogenhandel Hamburgs Apoth. Zeit. 191 1) 1909: 9,66,
1910: 11,12 Mill. kg.
Morphologie der Droge. Die Droge besteht aus den aus der Steinschale
(s. oben) herausgelösten, in der Form wechselnden, bald mehr länglichen (Provencer),
egS Nichttrocknende Öle.
bald mehr rimdlichen (Puglieser), im allgemeinen spitz eiförmigen, etwas flach ge-
drückten, bikonvexen (wo zwei Samen ausgebildet wurden plankonvexen oder konkav-
konvexen) Samen. (Nur die Krachmandeln sind noch mit dem hier dünnen und
zerbrechlichen Endocarp und dem diesem aufsitzenden, zum Mesocarp gehörenden
anastomosierenden , weitmaschigen Gefäßbündelsystem bedeckt.) Sie besitzen eine
wechselnde Größe je nach den Spielarten, pflegen aber meist größer zu sein als die
bitteren — es gibt aber auch kleinsamige Sorten (s. oben). (Früher wurden als
Varietäten A. friictu majori und A. fnictu minori unterschieden.) Die größten Sorten
(Malaga-, Jordan-M.) sind bis 4, die meisten 1,5 — 2,5 cm lang. Provencer Mandeln
messen c. 2,8:0,9 cm, Puglieser Mandeln c. 2,0 : 1,4 cm (Hartwich). Sie zeigen
eine hellbraune, mit derbem, zimtbraunem, leicht abreibbarem Reif bedeckte («be-
stäubte»), groblängsrunzelige Samenschale, die von dunkleren, vertieften Adern durch-
zogen ist. Etwas unterhalb der meist ziemlich scharfen Spitze liegt das Hilum. Von
ihm lauft die selten kielartig hervortretende Raphe zu der am abgerundeten breiten
Ende des Samens etwas seitlich verschoben liegenden, als große runde Erhebung
sichtbaren Chalaza. Hier tritt das Raphebündel ins Innere und sendet von hier
zahlreiche (16 — 18), rückläufig nach der Spitze des Samens hin streichende ver-
zweigte Bündelchen, die die Samenschale von Unten nach Oben durchziehen.
Legt man den Samen in warmes Wa.sser, so löst sich die Samenschale samt
dem Nucellus- und Endospermreste (s. unten) leicht vom Samenkern ab. Der letztere
besteht aus zwei plankonvexen, weißen, öligfleischigen Cotyledonen (Fig. 184), die
außen die Abdrücke der Samenschalbündel zeigen und die mit ihrem etwas ver-
schmälerten Grunde der kurzen, gegen das spitze Ende des Samens gerichteten
Radicula derart angewachsen sind, daß letztere zur Hälfte frei hervorragt, während
ihre andere Hälfte nebst der relativ großen länglich-eiförmigen Plumula von den
Cotyledonen eingeschlossen ist.
Süße Mandeln schmecken ölig-süß. Sie geben mit Wasser zerstoßen eine weiße
Emulsion, die weder Bittermandelgeruch noch Blausäurereaktion zeigt.
Anatomie. Die Fruchtschale spaltet sich leicht in eine äußere weiche und eine harte
innere Schicht. Die letztere, die Steinschale, zeigt zu äußerst ein von Sklereiden durchsetztes
Parenchym. Die harte Schicht ist fast ganz aus Sklereiden verschiedener Größe aufgebaut. In
der Mitte sind dieselben quergelagert, schmal und stark verdickt, innen längsgelagert, alle farb-
los oder gelblich. Zwischen den Sklereiden finden sich bisweilen Kristallzellen mit Drusen und
Einzelkristallen (Moeller).
Die bitteren und süßen Mandeln stimmen anatomisch überein. Der Same geht
aus einem anatropen Ovulum hervor, welches zwei Integumente besitzt. Das äußere,
sehr kurze Integument ist der Spitze des inneren inseriert (Fig. 186, loo). Es nimmt an
der Bildung der Samenschale nur an der Spitze des Samens geringen Anteil (A. Meyer).
Bedeckt ist der Same mit einem braunen grobschülferigen bzw. kömigen Überzüge.
Dieser besteht aus sehr großen, oft 120 — 335 mik. hohen und 70 — 135 mik. weiten,
kegel-, pauken- oder tonnenförmigen, geraden oder mannigfach verbogenen und aus-
gestülpten, von oben gesehen rundlichen, rundlich-eckigen oder mannigfach verzogenen
Zellen mit dicker Wand (Fig. 186, 104 u. 188) und dort, wo die Zellen an andere an-
grenzen, deutlichen runden oder spaltenförmigen Tüpfeln, zwischen welche Zellen nicht
minder zahlreich sehr dünnwandige, daher zusammengefallene Zellen eingestreut sind, die
sogar oft die Mehrzahl bilden, so daß die Gruppen der dickwandigen Zellen insel-
artig auftreten. Sämtliche Zellen dieses Überzuges sind als sklereidenartige Korkzellen
Semen Amigdalae dulcis und Oleum Amigdalae.
599
zu betrachten. Die dünnwandigen sind vollständig oder nahezu vollständig verkorkt,
die dickwandigen zeigen eine breite verholzte Mittelpartie und zwar ist die ganze, oft
;o4
105
N-
En-
A^thur Meyer del.
P.Behrend .fec
Fig. i86.
Prunus Amygdalus.
97 Same von außen, Ch Chalaza, R Raphe, n Hilum. g Gefäßbündel der Samenschale. 98 Same längs durchschnitten,
s Samenschale, nc Nucellus, e Endosperm, oa Plumula. 99 Ovulum natürl. Größe. 100 Ovulum längs durchschnitten,
ii inneres, i äußeres Integument, g Funikularbündel. loi junger Same. 102 derselbe längs durchschnitten (Bezeich-
nungen wie in 100). 103 fast ausgebildeter Same längs durchschnitten. 104 Querschnitt durch die Randschicht des
Samens, E äußere Epidermis, p Nährschicht, Ei innere Epidermis der Samenschale, N Nucellusrest, En Endosperm.
105 innere Epidermis und äußere Nucellusschicht aus dem Stadium 103. 106 innere Nucellus- und äußere Endosperra-
schicht des nahezu reifen Samens. 107 Nährschicht (p) aus einem unreifen Samen.
[Aus Arthur ileyer, Wissenschaftl. Drogenkunde.]
5,5 mik. breite Mitte der Membran, die eine deutliche zarte Streifung zeigt, verholzt, färbt
sich also mit Phloroglucinsalzsäure rot, mit Chlorzinkjod gelb. Beiderseits von dieser
Oioo Nichttrocknende Öle.
Mittelschicht, sowohl an der inneren als an der äußeren Seite, liegt eine zarte, gegen
Schwefelsäure resistente Lamelle, die innen so zart zu sein pflegt, daß sie sich oft
als feines Hiiutchen ablöst. Die für die typische Korkzeüe charakteristische Zellulose-
lamelle ist hier bald vorhanden, bald fehlt sie, wenigstens konnte ich sie an der
Handelsware nicht überall mit Jodschwefelsäure nachweisen. Die Zellen enthalten
einen körnigen, auf Gerbstoff reagierenden Inhalt und im unreifen Samen Stärke.
Diese sehr eigentümlichen, meist in einfacher Schicht • — sehr selten sah ich zwei
übereinander — den Samen bedeckenden Gebilde (Tonnenzellen Moeller, Riesen-
zellen Vogl), zeigen den Charakter trichomartiger Sklerei'den. Ihre Verwachsung mit
der darunter liegenden Schicht der Samenschale ist oft eine so lockere, daß die dick-
wandigen sich aufs leichteste von ihr ablösen lassen, gewissermaßen herausfallen und
daher an den Runzeln des Samens ganz oder fast ganz abgescheuert sind. Um ihre
Form studieren zu können muß man daher die Schnitte durch die Falten legen. Bei
besonders günstigen Präparaten sieht man, daß sie in der Tat der darunter liegenden,
meist zweizeiligen leeren Schicht eingefügt sind; über 3 — 6 Zellen dieser subepider-
malen Zone liegt für gewöhnlich eine dieser Tonnenzellen. Die subepidermale Zone
ist selten deutlich, am besten ist sie noch nach Zusatz von Kali sichtbar zu machen.
Ihre Zellen sind sehr zartwandig und enthalten bisweilen eine Oxalatdruse. Wand
und Inhalt färben sich mit Eisenchlorid schmutziggrün (Vogl). Die nächstfolgende,
relativ mächtige, durch Chlorzinkjod sich schmutzig violett färbende Schicht der
Samenschale ist die Nährschicht (Tschirch), sie besteht aus dünnwandigem, reich-
durchlüftetem, stark obliteriertem Sternparenchym, welches besonders in den äußeren
Schichten bisweilen einen braunen Farbstoff führt und nach Innen zu durch eine
einreihige Epidermis abgeschlossen ist. Bis hierher reicht die Samenschale. In der
Nährschicht verlaufen die Gefäßbündel (s. oben), die Spiralgefäße führen und
von Kristallkammerfasem mit rhomboedrischen Kristallen oder Drusen begleitet wer-
den. Hartwich gibt in der Nähe der Bündel auch Sklere'iden an. An die Nähr-
schicht schließt sich nach Innen zu eine einreihige, inhaltslose, stark zusammen-
gefallene Schicht, die als Nucellusrest angesprochen wird (A. Meyer) und dann folgt
eine Zone, die man als das sehr zarte Endosperm aufzufassen hat, dessen allein
deutlich erhaltene äußerste Schicht aus sehr verschieden großen, im Flächenschnitt
meist 21^27 mik. langen, 16 — 22 mik. breiten, in einfacher, doppelter oder (am
Würzelchen) mehrfacher Schicht angeordneten, relativ dickwandigen, farblosen Zellen be-
steht, die neben einem stets sehr deutlichen Zellkern viele sehr kleine lappige Aleuronkörner
enthalten, welche durch Wasser rundlich aufgebläht, durch verdünntes Kali bis auf sehr
kleine, Molekularbewegung zeigende Körnchen (Globoide) gelöst werden. Die Wände
dieser Schicht färben sich mit Chlorzinkjod blau, die innersten Schichten des Endosperms
sind zu einer «Quellschicht > (Tschirch) obliteriert und machen die Samenhaut beim
Einlegen in Wasser so schlüpfrig, daß der Samenkern leicht herausgleitet. Die plankon-
ve.xen Cotyledonen besitzen auf der Außen- (der morphologischen Unter-) seite eine
sehr kleinzellige Epidermis, deren Zellen in der Richtung der Organsachse gestreckt,
etwa 40 — 62 mik. lang und 11 mik. breit sind. Das Gewebe der Cotyledonen besteht
aus dünnwandigen, mit sehr zarten Verdickungsleisten versehenen Zellen, die Interzellu-
larkanäle reichlich zwischen sich lassen. Ein Palissadengewebe ist auf keiner Seite aus-
gebildet. Die Epidermis der Innen(Ober-)seite der Cotyledonen ist großzelliger als
die der Außenseite, die Zellen sind in der Längsachse des Organs nicht gestreckt,
sondern nahezu isodiametrisch. Sie enthalten beide ein feinkörniges Aleuron.
Semen Amygdalae dulcis und Oleum Amygdalae.
6oi
End
-per
Fig. l8y.
Gefäßbündel eines Cotyledon des Mandelsamens.
[Nach Guignard.J
Die Cotyledonen werden von in ein oder zwei, der ebenen Innenseite genäherten,
Reihen angeordneten (bisweilen schon Spiralgefäße führenden) Procambiumsträngen durch-
zogen, welche sowohl bei den bitteren, wie
den süßen Mandeln das Emulsin führen
(JoHANNSEN 1887) Und Zwar in dem Peri-
cycel (zone pericyclique, per in Fig. 187)
und der Endodermis (End in Fig. 187,
GuiGNARD 1 890). Das Grundgewebe der
Cotyledonen ist bei beiden Mandeln frei
von Emulsin. Es enthält bei beiden gleich-
gestaltete Aleuronkörner (5 — 10 in jeder
Zelle, Lüdtke) von sehr unregelmäßigem
Umriß und sehr verschiedener Größe. Meist
sind sie rundlich oder gestreckt mit welliger
Kontur und oft reichlicher Lappung des
Randes. Besonders die größeren, solitärartig
ausgebildeten führen oftmals eine kleine
Druse von Kalkoxalat, alle i — 3 kleine,
rundliche oder wulstig verbogene Globoide,
die übrig bleiben, wenn man den Schnitt
sukzessive mit Äther, Wasser und verd. Kali behandelt. Kristalloide fehlen. Selten
sind Prismen von Oxalat. Die Aleuronkörner haben eine Größe von 2,5 — 13 mik.,
die Solitäre messen 16 — 17 mik. Außer diesen Aleuronkörnem ist bei süßen und
bitteren Mandeln in den Zellen noch Ölplasma (Tschirch) vorhanden, das bei den
bitteren Mandeln das Amygdalin einschließt. Konzentrierte Schwefelsäure färbt das
Gewebe der Cotyledonen rot (RASPAiLsche Reaktion auf Zucker-Eiweiß). Der Farb-
stoff wird von den Öltropfen aufgenommen. Die kurze kegelförmige Radicula so-
wohl wie die zu einem spitzen Kegel ineinander gefalteten Primordialblätter, die den
Vegetationspunkt zwischen sich haben und die beide amygdalinfrei und sehr emulsin-
reich sind (Johannsen) — hier findet sich das Emulsin im Pericycel (Guignard)
— , sind in allen Zellen dicht mit kleinen rundlichen Aleuronkörnem vollgepfropft.
Stärke fehlt dem Samenkem.
Die Aleuronkörner der Mandel verhalten sich, wie Untersuchungen, die ich mit Kritzler
ausgeführt habe, zeigen, anders wie die von Limim, Ricinus, Cannatis usw. Die in Wasser
sehr leicht lösliche Grundsubstanz besteht aus dem Globulin Amaudin. Sie ist löslich in
1,5 und lo^/o Amraoniumsulfatlösung, unlöslich in der konz. Lösung des Salzes, löslich in 1,5
und 20% Magnesiumsulfat, schwer oder teilweise löslich in der konz. Lösung, löslich in Chlor-
ammonium, Kalmmmonophosphat und Kochsalzlösung jeder Konzentration, sowie in Kalkwasser,
unlöslich in konz. Kochsalzlösung, der eine Spur Essigsäure zugesetzt wurde. Salzsäure von
0,1 — o,2"'/„ fällt körnig, 3% und stärkere löst. Die in Wasser unlöslichen Globoide enthalten
ein mit Ca, Mg und Phosphorsäure gepaartes Globulin, das nicht Inl^, wohl aber in 5 und
io°/o Kochsalzlösung, nicht in 1%. wohl aber in 20°/^ Magnesiumsulfatlösung löslich ist, in 1
und 5 "/o Ammonsulfat ist es unlöslich, löslich in 10 und 20%, Chlorammon löst schwer,
Kaliuramonophosphat in allen Konzentrationen leicht, ebenso Salzsäure.
Die Mandelkleie (tourteau d'amandes, päte d'amandes, furfur s. farina amygdalarum)
ist der gepulverte Preßrückstand , den man bei der Darstellung des Mandelöls erhält , besteht
also jetzt meist aus bitteren Mandeln. Man findet in ihm in erster Linie die Fragmente der
Cotyledonen, aber auch meist auf den ersten Blick die Tonnenzellen der Samenschale, Oxalat-
drusenzellen und Spiralgefäße (Abbild, bei Vogl und Collin-Perrot), im Ölpräparate zahl-
reiche Aleuronkörner mit Globoiden und Oxalatdrusen. Vogl empfiehlt Färben des Präparates
()Q2 Nichttrocknende Öle.
mit Cocbenille. In der Mandelkleie finden sich oft Preßkuchen anderer Amygdalaceensamen,
bisweilen besieht sie ganz aus Aprikosensamenpreßkuchen (Collin). Das unter dem Namen
€ Mandelkleie» (son d'amandes, brane of almonds) im Handel befindliche, zu kosmetischen
Zwecken benutzte Präparat ist ein Kunstprodukt (vgl. Hager-Fischer-Hartwich, Pharm. Praxis),
das nicht einmal immer Mandeln enthält.
Das Pulver der Mandelschalen (d. h. des Endocarps, s. oben), das als Verfälschungs-
mittel von Gewürzpulvern (Pfeffer), in der Schokolade- und Biskuitfabrikation beobachtet worden
ist und auch zum künstlichen Altern von Weinen und Spirituosen benutzt wird (1905), besteht
fast ganz aus Sklere'iden, entweder gestreckten, spindel-, spatelkeulenförmigen, geraden oder
kniefürmig fiebogenen, bis 150 je 300 mik langen, mit linienförmigem Lumen oder kürzeren,
bis 120 mik langen, breiteren, gerundet-eckigen oder ausgeschweiften, dicht getüpfelten, relativ
weitlumigen, sowie Übergangsformen zwischen diesen. Daneben findet sich bisweilen dünn-
wandiges Parenchym, Kristallzellen und Bruchstücke von Gefäßen.
Lit. A. Meyer, Wissensch. Drogenkunde (dort die Entwicklungsgeschichte). — Berg,
Anatom. Atlas. — TsCHiRCH, Angew. Pflanzenanatomie 1888, Fig. 36. — Wigand, Lehrbuch
1887. — VoGL, Kommentar 1908 und Nahrungs- u. Genußm., Fig. 261 u. 262. — Schimper,
Anleitung 1900. — Möller-Winton, Mikrosk. d. Nahrungs- u. Genußm. 1905. — Hartwich,
in Realenzyklop. d. Pharm. — Karsten-Oltmanns, Lehrb. d. Pharmak., Fig. 400 — 403. —
Louis Planchon, Prec. de mat. med. I, Fig. 148 u. 149. — Garcin, Du noyau des drupes
Ann. Sog. bot. Lyon 1890, 27, Contrib. ä l'^tude d. peric. charnus Lyon 1890, Rech. s. l'histo-
gen. d. p^ric. charn. Ann. soc. nat. (7) 1890, 175. — GoDFRIN, Etud. histolog. s. 1. tögum.
simin. d. Angiosp. Soc. .d. sc. nat. Nancy 1880, 109. — Collin-Perrot, Resid. industr., Fig.
69 u. 70. — T. F. Hanausek in Wiesner Rohstoffe, IL Aufl. — Johannsen, Sur la localisation
de r^mulsine dans les amandes Ann. sc. nat. (7)6 {1887). 118. — Thome, Bot. Zeit. 1865,
240. — GuiGNARD, Sur la localisat. dans les amandes etc. Journ. pharm, chim. 21 (1890), 233.
— TsCHiRCH u. Kritzler, Mikrochem. Unters, über d. Aleuronkörner. Ber. d. pharm. Ges.
1900, 214 und Kritzler, Dissert. Bern 1900. — Lüdtke, Beschaffenh. d. Aleuronk. Ber. d.
pharm. Ges. 1891, 58. Mandelschalen: Pharm. Centralh. 1905.
Chemie. Die Zusammensetzung der (trockenen) süßen Mandeln ist im Mittel
(nach König) in Prozenten: Wasser 6,27, Stickstoffsubstanz 21,4, Fett 53,16, stick-
stofiTreie Extraktstoffe 13,22, Rohfaser 3,65, Asche 2,3. In der Trockensubstanz:
Stickstoffsubstanz 22,83, Fett 56,71 "/q (Fleury, Colby, Schädler, König und
Crauch). Die Krachmandeln werden regelmäßig geschwefelt, um ihnen eine hellere
Farbe zu geben. In loog Kernen fand Kratschmer 13 mg, in loog Schalen
117 mg schweflige Säure. Im Pericarp finden sich 0,84 "Jq Saccharose und 5,67 "Jq
reduzierender Zucker (Bourquelot), sowie eine Spur fettes Öl (Vallee), Gerbstoff,
Weinsäure mit Spuren Citronensäure und Apfelsäure (FlOckiger).
Die Samen enthalten neben Dextrose (0,09 °|o Bourquelot, auch Flückiger
erhielt im Auszuge mit kaltem Wasser einen in der Kälte reduzierenden Zucker) c. 2
bis i"!^ Saccharose [2,97 "l^ Bourquelot, 2,i''/|)Langley, nach Pelouze bis io"|q(?)
Saccharose, aber keinen reduzierenden Zucker?], gummiartige Stoffe, 2,38 (Godet) bis
3,8% (Wittmann, Langley) Pentosane (unlösliche Pentosane des Hemizellulo.seiück-
standes der entfetteten Kerne: i5,5°|o Godet) und angeblich Gentiobiose, Stärke findet
sich nur im unreifen Samen (Leclerc). Ferner enthält der Same ein chromogenes
gelbes, mit Alkalien kirschrot werdendes Glykosid (Scheitz und Ludwig) und
Emulsin (= Synaptase, Robiqoet). Das Emulsin ist ein Gemisch. Es enthält ein
hydrolysierendes (d-Emulsin) und ein synthetisierendes (ö-Emuisin) Enzym (Rosen-
thaler), nach Armstrong und Horton, Caldwell und Courtauld sogar drei:
ein Enzym, welches /3-Glukoside spaltet (/3-Glukosidase), ein Enzym, welches Milch-
zucker spaltet, (eine Laktase, Glukolaktase) und Amygdalase. Sodann ist vorhanden:
ein fettspaltendes Enzym (Lipase, Dunlap und Seymour, Mario Tonegutti), oft
Semen Aniygdalae dulcis und Oleum Amygdalae. 6o^
Invertin (Invertase, Bourquelot und Herissey, 1903), ein Phytosterin (Benecke),
Asparagin (0,3^0 Henschen 1872, Portes 1876), Cholin (Guareschi), sowie
neben Pepton und Albumosen (zusammen 0,25 "Jq, Lemport) und einer sehr ge-
ringen Menge eines in der Wärme gerinnenden Eiweißkörpers (Commaille) das
globulinartige Proteid Amandin (Proust, Commaille, den Namen behalten Osborne
und Campbell bei, = Glutine Denis (?), nicht = Conglutin, Ritthausen), das bei
der Hydrolyse GlycocoU, Alanin, Valin, Leucin, Prolin, Phenylalanin, Asparaginsäure,
Glutaminsäure, Tyrosin, Arginin, Histidin, Lysin, Tryptophan und Ammoniak liefert
(Osborne und Clapp). Mandelkerne entwickeln schon mit Kalkwasser erwärmt
Ammoniak (Flückiger).
Das Globulin Amandin ist ein Phytovitellin. Es zeigt die Zusammensetzung:
C ^^ 51,30, H = 6,90, N = 19,32, O = 22,04, S = 0,44 (Osborne und Camp-
bell). Es gibt mit Chlomatrium und Quecksilberchlorid keine Fällung und wird durch
Magnesiumsulfat teilweise gefällt; bei 80" scheiden sich aus der Lösung Flocken aus.
Es ist bisher nur in Amygdalaceen gefunden worden. Es kommt wohl vorwiegend in
der Grundsubstanz der Aleuronkömer vor (s. Anatomie). Laktase und Emulsin finden
sich außer in den Mandeln auch in Pfirsich-, Aprikosen- und Apfelkernen (Bourquelot
und Herissey), Emulsin, das im Pflanzenreich weit verbreitet ist, auch in Eichenen,
sowie Pilzen, vielen Gymnospermen und Monocotylen (Herissey, Heut). Amygdalin
scheint in der süßen Mandel ganz zu fehlen oder nur in Spuren vorhanden zu
sein [Almen, Scheitz und Ludwig (1872)]. In den Samenschalen findet sich ein
eisengrünender Gerbstoff (Ludwig).
Die Asche der Samen beträgt 3,05 <•/„ (Fleury), 4,9°/o (König), ^"j^ (Zedler).
Sie enthält in Prozenten: Kali 27,95, Natron 0,23, Kalk 8,81, Magnesia 17,66,
Eisenoxyd 0,55, Phosphorsäure 43,63, Schwefelsäure 0,37.
Der Gehalt der Samen an Öl beträgt etwa 50*'|o, steigt aber auf 54,9 (Fleury),
55j3 (Vohl), 55,42 (FLtJCKiGER) , ja 57,3 "/o (Langley, in «chines. süßen Mandeln»,
s. oben S. 597). Beim Pressen erhält man 38 — 45 "/o-
Das Mandelöl, Ol. Amygdalae s. Amygdalarum expressum (huile d'amande,
almond oil, olio di mandorle, amandelolie, iqtvYi^ctltXaiov) , das ebenfalls und oft in
größerem Umfange aus den bitteren Mandeln oder aus einem Gemische beider dargestellt
wird — beide Öle stimmen im wesentlichen miteinander überein — , wird meist durch
kalte Pressung der zerkleinerten ungeschälten Samen in Zwillichsäcken gewonnen. Es
besteht fast ausschließlich aus Olein, enthält kein Stearin (Gusserow, Hehner und
Mitchell), dagegen 5,71 "/(, Linolsäure (Farnsteiner) - — reine Ölsäure kann
daher nicht aus Mandelöl dargestellt werden — , freie Fettsäuren fehlen ganz (Sal-
KOWSKi erhielt einmal 0,75 "jg). Mandelöl wird nur langsam ranzig. Noch nach einem
Jahre erhielt Lewkowitsch nur geringe Säurezahlen (0,79, 3,i)-
Das spez. Gewicht beträgt 0,914 — 0,920, meist 0,9178 — 0,9183 (Lewkowitsch),
der Erstarrungspunkt liegt bei — 10 (Girard) bzw. — ^21 (Maben), die Verseifungs-
zahl beträgt 189,5 — 195>4> die Jodzahl 93 — 101,26 (meist 96 — 98), die Bromzahl
69,87 — 74,37 (Telle), die Hehnerzahl 96,2, die Maumenezahl 51 — 54", die Brom-
thermalprobe 17,6 — 21*', der Brechungsexponent (bei 40°) 1,4632- — 1,4642 (Pharm,
helv. IV) im Butterrefraktometer (bei 15,5") 70,9 Skalenteile, die Thermozahl, im
Thermoleometer von Tortelli bestimmt, ist 50,7.
Der Erstarrungspunkt der Fettsäuren liegt beim Öle aus süßen Mandeln bei
9,5 — 10,1, bei dem der bitteren Mandeln bei 11,3 — 11,8° (Lewkowitsch), der
0O4
Nichttrocknende Öle.
Schmelzpunkt der Fettsiiuren liegt bei 13 — 14", ihre Neutralisationszahl beträgt 204 mg
KOH, ihre Jodzahl ist 93,5 — 95,5 bei süßen, 94,1 — 96,5 bei bitteren Mandeln (De
Negri und Fabris) (die Jodzahl der flüssigen Fettsäuren 101,7).
Das Mandelöl ist also durch eine niedrige Jodzahl und niedrigen Schmelz-
punkt der Fettsäuren ausgezeichnet.
Die Charakteristika einiger Mandelöle und verwandter Öle ergaben sich aus folgender
Tabelle (LEWKowrrsCH).
1:5
R
1 "
ei
M
73
0
P— ,
3
N
Fettsäuren
Farbenreaktionen
Art des Öles
3 ^
Biebers Probe
(H,SO,-f
Phloroglucin-
Salpetersäure-
1
ir.
>l
rauch. HNO»)
probe
Mandelöl ausgepreßt
aus:
I. Süßen Valencia-
mandeln . . .
0,91995
207,6
99,4
57,5°
5,16
207,8
207,6
Farblos
Keine Färbung
2. Geschälten süßen
Valenciamandeln .
0,9182
191. 7
103,6
57,5°
2,9
196,4
201,7
Farblos
Keine rote Fär-
3. Süßen sicilianisch.
bung
Mandeln . . .
0,9178
183,3
100,3
57,0°
0.79
198,8
202,2
Farblos
Keine rote Fär-
4. Bitteren Mazagan-
bung
mandeln ....
0,9180
188,6
102,5
56,5°
3,1
196,8
203,1
Farblos
Schwach rot
5. Kleinen indischen
Mandeln . . -
0,91907
189,3
96,65
57,0°
2,9
195,8
200,7
Farblos
Schwach rot
6. Bitteren Mogador-
mandeln ....
0,9183
194,98
104,2
57,0°
1,3
197,1
203,2
Farblos
Keine rote Färb.
;•. Pfirsichkernöl
0,9198
191.4
95.24
57,5°
3,0
196,8
205,0
Zuerst farblos,
dann rot
Tiefrote Färb.
8. Aprikosenkernöl
0,9200
192,4
107,4
58,0°
2,3
198,0
202,0
Rotfärbung
Tiefrote Färb.
9. Aprikosenkernöl
Mogador . . .
0,9172
198,2
107,9
57,0°
2,8
194,0
200,7
Schwach rot
Weniger tiefrot
10. Kalifornisches
Sehr schwach
als 8
Aprikosenkernöl .
0,92026
190,3
108,7
58,0»
1,2
197,8
202,8
rot
)» )) »
Nach dem Eintragen in konz. Kali- Ammoniak (HARTWiCH-UHLMANNsche Mi-
schung), verhält sich Mandelöl ähnlich wie Olivenöl (s. d.). Die Verbrennungswärme
des Mandelöls beträgt bei konstantem Volumen 9454, bei konstantem Druck 9469g-cal.
(Sherman und Shell). Bei der Keimung wird das Fett aufgebraucht (Fleury 1865).
Die Mandelpreßkuchen, die, wenn sie ausschließlich von süßen Mandeln stammen,
was aber zurzeit jedenfalls selten ist (s. oben) , als Futtermittel benutzt werden können
(Prüfung auf Blausäure im Destillat!), enthalten im Durchschnitt in % ^ Wasser 6,69, Fetti5,l5,
stickstoffhaltige Substanzen 41,28, stickstofffreie Substanzen 20,63, Cellulose 8,94, Asche 4,31
(Colli n-Perrot).
Mandelschalen enthalten in %• Wasser 9,65, Stickstoffsubstanz 2,08, Fett 1,15, in
Zucker überführbare Stoffe 16,74, sonstige stickstofffreie Substanzen 18,5, Rohfaser 48,76, Asche
3,17 (in der Asche im Mittel il,i7 7o K^O).
Lit. BouLLAY, Anal. d. amand. douc. Journ. pharm. 1817, 337 und Buchn. Rep. 6,
395. — Sachs (Vgl. Unters, d. süß. u. bitt. Mand.), Berl. Jahrb. f Pharm. 1816. — Proust,
Journ. chim. phys. 54, 199. — VALLfe, Compt. rend. 136 (1903) 114. — Pelouze, Ann.
Chim. phys. 45 (1855), 324 Qourn. pharm. (3) 27, 321). — SCHEITZ und Ludwig, Die Bestandt.
d. süßen Mandeln. Arch. Pharm. 1872, 420. — BouRQUELOT, Journ. pharm, chim. 18 (1903),
241 u. Arch. Pharm. 1907, 173. — Leclerc du Saelon, Compt. rend. 123, 1084. — Witt-
Semen Amygdalae dulcis und Oleum Amygdalae.
605
MANN, Zentrbl. d. Landw. Versuchswes. v. Österr. 1901, 131. — Lemport, Über d. Pepton d.
süß. Mand. Pharm. Zeitschr. f. Rußland 1897, 528. — Ortloff (Analyse d. Emulsins). Arch.
Pharm. 98 (1846). 12. — Herissey (Eraulsin in Lichenen). Journ. pharm, chim. 1898, 578 u.
Rech, sur l'emulsine. These Paris 1899. — Brachin, Lactase These Paris 1904. — HEUT,
Emulsin. Arch. Pharm. 1901,581 (dort d. Lit.). — Rosenthaler. Biochem. Zeitschr. 1908 — 1910.
— Caldwell und Coustaltld, Proc. Royal Soc. 79, 350. — Armstrono und Horton, Ebenda 80,
321. — Euler, AUg. Chem. d. Enzyme. 1910. — E. Fischer, Vers. m. Emulsin. Ber. d. ehem. Ges.
1894, 2990. — Benecke, Lieb. Ann. 122, 249 u. 127, 105. — Portes, Journ. pharm, chim. 1877, 30.
— LanglEy, Journ. am. chem. soc. 1907. — OsBORNE u. Campbell, Journ. am. chem. soc. 1896.
609. — Osborne u. Clapp, Am. journ. phys. 1908, 470. — Muss-Arnolt, Transact. am. ph.
assoc. 23, io6. — Commaille, Thfese Marseille, Jahresb. d. Chem. 1866, 712. — Ritthausen,
Eiweißkörper 1872 u. Journ. pr. Chem. (2) 23, 24 und 26. — Bourquelot u. Herissey, Corapt.
rend. 137 (1903), 56 u. Journ. pharm. 1903. — B.\rbieri, Journ. pr. Chem. (2) 18, 102. —
Mario Tonegutti, Pharm. Centralbl. 1911, 332 u. 744. — Dunlap und Seymoür, Journ. am.
soc. 27, 935. — GoDET (Stickstofffreie Bestand!.), Diss. Zürich 1909. — König, Nahrungs-
und Genußm. (dort d. chem. Lit.). — Älteste Analyse: Zwinger (Hegner), Analysis fruct.
amygd. Basil 1703.
Öl: Fleury, Ann. chim. phys. 4 (1865) 38. — Vohl, Dingl. Polyt. Journ. 200 (1871)
410. — FlÜCKIger, Pharmakogn. — Hazura und Grüssner, Monatsh. f. Chem. 10, 242 (Ber.
d. chem. Ges. 1889 Ref. 578). — Lewkowitsch a. a. O. — Hehner und Mitchell, Analyst
1896, 328. — Allen und Brewis, Pharm. Journ. 1900, 87. — Über das Mandelgummi vgl. oben
S. 455 u. Hoffmeister, Ber. d. d. Bot. Ges. 1898, 289.
Anwendung. Die süßen Mandeln dienen außer zur Ölpressung zur Bereitung
der Emulsio amygdalanam, Syr, am3'gd. usw., sowie in der Küche und der Patisserie.
Verfälschungen und Substitutionen. Ganze Mandeln werden oft mit Aprikosen-,
Pfirsich- und Pflaumen-«Kernen» verfälscht. Pfirsichkerne sind flacher, breit eiförmig, scharf-
randig, kleiner, ihre Schale ist sehr dünn, braun. Die Tonnenzellen verjüngen sich nach außen,
so daß sie sich nur an der Basis
berühren. Pflaumenkerne sind
mehr lang als breit-eiförmig, dick,
abgerundet mit dünner brauner
Schale, mit unangenehmem Nach-
geschmack. Die Tonnenzellen ähneln
denen der Aprikose. Aprikosen-
kerne sind breit-herzförmig, flach,
ihre Schale ist lederig, die Tonnen-
zellen sind meist kleiner als beim
Pfirsich und der Mandel, in Flächen-
schnitten nicht wahrnehmbar. Ge-
schmack ähnlich den Pflaumenker-
nen, Geruch nach dem Brühen un-
angenehm süßlich (WiTTMACK und
Buchwald, Moeller).
Hannig gibt folgende auf
die Epidermiszellen (und die Nerven)
gegründete Bestimmungstabelle:
I. Epidermiszellen am Nabel-
fleck (Chalaza) zusammenhängend
(selten mit zerstreuten kleinen Lük-
ken. Außenplatte verdickt (2).
Epidermiszellen am Nabel-
fleck in kleinere oder größere Grup-
pen aufgelöst oder ganz isoliert {X). ^.
. : . Fig- li
'^ Epidermiszellen der Samenschale, i der Mandel, 2 des Pfirsich, 3 der
Flächenansicht groß, bis lOOft Aprikose, 4 der Reineclaude, 5 der Zwetsche. [Nach Hannig.]
6o6
Nichttrocknende Öle.
Durchmesser, dünnwandig. Außenplalte nicht getüpfelt (bei tieferer Einstellung der Außenplatte
luweilen kaum erkennbare Punktierung), Außenplatte nicht (oder nur ganz ausnahmsweise)
rissig aufgesprungen, in der Seitenansicht: Außenplatte kappenförmig verdickt [Pßrsicli).
Epidermiszellen in der Flächenansicht beträchtlich kleiner, stark und unregelmäßig
verdickt, sehr stark getüpfelt {vereinzelte Z'.vetschen).
3. Epidermiszellen in der Flächenansicht groß, bis 120,« Durchmesser, dünnwandig.
Außenplatte auffallend rissig gesprungen, sehr oft ganz abgebrochen, nicht getüpfelt (selten kaum
erkennbare Punktierung bei tieferer Einstellung der Außenplatte). Die Seilenwände erscheinen
gar nicht, oder erst bei tieferer Einstellung getüpfelt. Tüpfel zerstreut. In der Seitenansicht:
Außenplatte nicht kappenförmig verdickt. — Nervenendigungen glatt zugespitzt, nicht baum-
artig verästelt, Nervenstämme ohne baumartig verästelte Abzweigungen (Afandel'j.
Epidermiszellen meist kleiner (etwa 60 ft), dickwandig, stark getüpfelt.
4. Nervenendigungen baumartig verzweigt, Nervenstämme mit kurzen, baumartig ver-
ästelten Abzweigungen. Epidermiszellen ziemlich klein, Außenplatte stets getüpfelt. In der
Flächenansicht: Epidermiszellwände gleichmäßig dickwandig {Aprikose).
Nervenendigungen ohne baumartig verzweigte Enden oder Abzweigungen. Seitenwände sehr
stark getüpfelt, unregelmäßig verdickt (5).
5. Samenschale braun, Tüpfel oft verzweigt, Tüpfelkanäle nach der Außenseite der Mem-
bran zu verdickt {Zwetsche).
Samenschale hellgelb, Tüpfel selten verzweigt, Tüpfelkanäle nicht nach außen verdickt
{Reineclaude"].
Epidermiszellen der Samenschale
Durchmesser Höhe
Mandeln (Bari, Marokko, Pro-
vencer)
Pfirsiche (einheimische) .
Aprikosen (Lyon,Vaucluse, ein-
heimische]
23—124/* (69—84/*)
48—106^ (38-59/*)
64—144/* (136
(ausnahmsweise
200 fi)
52— I04jU
-159)
(66-87)
(ausnahmsweise
165/*)
(42-54/*)
Reineclauden (einheimische)
Zwetschen (einheimische ,
fornische)
34 — 66 I« (60 — 102 1« 36—62,«
franz. bis iii)
32 — 64,« («Pflaumen» 34— 48 /.( (48 — (>o jj.)
66 — 102 //)
kali- 36 — 64 ß (etwas kleiner 36 — 56 fx (ungefähr wie
wie die «Pflaumen») die Pflaumen)
[Nach Hannig, die Zahlen von Wittmack und Buchwald in Klammern.]
Alle diese anderen Kerne sind bitter. Neuerdings kommen aber auch süße Aprikosen-
kerne aus Japan (und China) in den Handel (Analyse derselben bei Rosenthaler und Sch.\effer,
Pharm. Centralh. 191 1,507). Zerbrochene und von Insekten beschädigte Mandeln sind zu verwerfen.
Sie werden leichter ranzig als ganze. Zur Verfälschung benutzte «Mandeln in Flocken», die
1909 im Handel waren, erwiesen sich als zerschnittene Arachiss&raen (Collin), andere als ge-
raspelte Copra. Mit Eau de Javelle gebleichte Mandeln waren 190g im Handel (Debrun). Die
sog. Amygdalae virides sind die Samen von Pistacia vera L. Der sog. «Mandelkaffee» hat
mit der Mandel nichts zu tun. Er besteht aus den gerösteten und gemahlenen Knollen von
Cyperus esculentus bzw. Rüben- oder Cichorienkaffee.
Lit. Wittmack und Buchwald, Untersch. d. Mand. von ähnl. Samen. Ber. d. Bot. Ges.
1901, 584 (mit Taf.). — Hannig, Untersch. d. Mand. v. ähnl. Samen. Zeitschr. f. Unters, d.
Nahrungsm. 191 1, 577 (mit Abbild.).
Als Verfälschungsmittel des Mandelöls werden genannt: Mohnöl, Sesamöl, Nußöl,
BaumwoUsamenöl, Olivenöl, Arachisöl und besonders Pfirsich- und Aprikosenkemöl. Die beiden
letzteren ersetzen oft (z. B. in Amerika 1903) das reine Mandelöl. Das sog. Ol. am. gallicum
ist Aprikosenkemöl, rein oder mit Pfirsichkernöl gemischt. Sie sind z. Z. noch nicht mit Sicher-
heit im Mandelöl nachzuweisen. Reines Mandelöl bleibt mit Salpetersäure von 1,4 spez. Gew.
farblos oder wird leicht gelb, reines Aprikosenkemöl wird orangegelb, reines Pfirsichkernöl
Semen Amygdalae dulcis und Oleum Amygdalae. 607
gelblichbraun. Bei der Elaidinprobe ist die Ölschicht farblos beim Mandelöl, rötlich beim
Aprikosen- und Pfirsichkernöl (Schimmel). Vgl. auch die Tabelle auf S. 603. Mandelöle, die
eine Jodzahl von über I05 geben, sind verdächtig.
Lit. Nelis (Nachweis fremder Öle), Ann. de Pharm. 1896. — Lewkowitsch, Soc. publ.
Analysts. London 1904. — DiETERtcH, Pfirsichkernöl. Pharm. Centralh. 1896. — ScHimmel,
Ber. 1897 u. 1907 (chines. u. Japan, Pfirsichkerne). — ChwOLLKS (Prüf, auf Pfirsichkernöl).
Chem. Zeit. 1903. — Allen und Brewis, Almond oil and its Substitut. Pharm. Journ. 1900, 87.
Geschichte. Die Mandel wird in der Bibel oft erwähnt (z. B. in der Genesis). Der Baum
blüht in Palästina zuerst von allen Bäumen, daher hebr. schaked, d. h. sich beeilen. Arons
Reis war ein Mandelreis. Bei großen Festen tragen die Juden noch heute Mandelzweige in die
Synagoge. Die Frucht der Mandel war das Modell für die Leuchter des Tabernakels (Tristram).
Sie scheint in Ägypten nicht kultiviert worden zu sein, denn die Juden brachten Mandeln dort-
hin als Geschenk. Schon die alten Hebräer und die Griechen kannten bittere und süße Mandeln.
Deutlich werden sie als Amygdala amara und dulcia bei Scribonius Largus (I, S. 576) aus-
einander gehalten. Nach Griechenland kam die Mandel aus den Pontusgegenden. Der Name der
Frucht wird zuerst bei Phrynichus, einem Dichter der älteren attischen Komödie im V. Jahrh.
V. Chr. erwähnt, als vai,ia ä/uvydä>.rj (Athenaeus II, 52), dann bei Xenophon (Anabasis IV, 4) :
äfivyöäXtov ;(p((jjMa. Dioskurides erwähnt das dfivyöiO.tvov sXaiov. Daß die Römer die Mandel
von den Griechen erhielten, zeigt der Name ntix gracca. Nach Pliniüs wird Mandelöl aus
zuvor gedörrten und gestoßenen bitteren Mandeln gepreßt. Die Scriptores rei rusticae erwähnen
ihren Anbau, Scribonius Largus und Alexander Trallianus ihre medizinische Anwendung.
Sie finden sich abgebildet in Pompeji (I, S. 575, SCHOUw, Comes). Cato erwähnt die ^i'W/a^fl^
graecae, CoLUMELLA nennt sie ntices graecae, Scribonius Largus amygdalae, Ceisvs mix amara.
Prähistorische Reste fehlen. In der Terramare wurden keine Mandeln gefunden, ebensowenig
in der Saalburg. Der «Mandelkern» aus dem spätrömischen Pfahlbau von Fulda ist fraglich
(WlTTMACK). 760 n. Chr. werden Mandeln in der Charter des Klosters von Corbie (I, S. 714)
erwähnt. Die mittelalterliche Kochkunst verbrauchte enorm viel Mandeln, wie z. B. das Inventar
des Jeanne d'Evredx 1372 (I, S. 716) und die Rezepte des Kochs RlCH.\Rn II. (1390) zeigen.
In Karls Capitulare (LXX, 83) wird die Kultur der -JOTaKa'a/a/-?i' empfohlen. Die Mandel wurde
zur Karolingerzeit in Süddeutschland und Nordfrankreich naturalisiert und gelangte erst nach
der normannischen Eroberung nach England. Noch zu Turners Zeit (1548) gedieh sie dort
nur in Gärten. Im späten Mittelalter fanden sich Kulturen bei Speyer. Bock erwähnt solche
in der Pfalz, Gesner bei Straßburg, Lindau, Torgau, Breslau. Der chinesische Pentsao aus dem
X. oder XI. Jahrh. erwähnt den Mandelbaum aus Indien und Persien. Im Mittelalter bezog
Deutschland die Mandeln — wie noch heute — aus Italien. Marino Sanuto (I, S. 722) erwähnt
sie als Gegenstand des venetianischen Handels. Sie wurden damals auf den griechischen Inseln,
z. B. auf Cypern, kultiviert. In Norwegen waren Mandeln im XIV. Jahrh. bekannt. In The
spices, groceries etc. (1303, I, S. 84) stehen Ammigdalae, ebenso in der Danziger Preisliste
1410, ambrosianische Mandeln in den Braunschweiger Inventaren (1598 u. 1658} und der Frank-
furter Taxe (1689). Der Autor des Makhzan erwähnt zwei Arten, die dickschalige und die dünn-
schalige (kaghazi), und kennt eine Art Enfleurage, bei der Mandeln benutzt werden, und die
Benutzung der Schalenasche zu Zahnpulvern. Pomet erwähnt verschiedene Methoden der Mandel-
ölgewinnung. Er empfiehlt die noch heute übliche. Malpighi bildet (in Opera tab. XLIII N.) einen
guten Längsdurchschnitt durch die Frucht und den Samen der Mandel ab. «Die Mandel mußte
frühzeitig, wie die Nuß, mit der sie Ähnlichkeiten zeigt, als Sinnbild der sich verjüngenden
Natur, des sorgsam eingeschlossenen Lebenskeimes, der männlichen Zeugungskraft oder der
weiblichen Gebärmacht gelten» (Aigremont). Es knüpfen sich an sie viele stark erotische Sagen.
(Einige teilt Gubernatis mit). Sie galt auch als die von der Natur dargebotene Bestätigung
der unbefleckten Empfängnis Mariae: «Christus wurde gezeuget in Marien, wie der Mandelkern
sich in der unverletzt bleibenden Mandel bildet» (Conrad von Würzburg, Goldene Schmiede).
Die Sitte, sich Weihnachten mit Mandeln zu beschenken, rührt daher. Auch in der Volkserotik
und bei den Hochzeitsbräuchen spielt die Mandel, deren Form an den Hoden erinnert, eine Rolle.
Lit. De Candolle, L'origine d. pl. cult. — Hehn, Kulturpflanz. — Tristram, Nat.
history of the bible. 1898. — Flückiger und Hanbury, Pharmacogr. — Pharmacogr. indica.
— Hoops, Waldbäume und Kulturpflanzen 1905. — Aigremont, Volkserotik und Pflanzenwelt.
— Gubernatis, La mythologie des plantes.
5o8 Nichttrocknendc Öle.
Fructus Olivae und Oleum Olivae,
Syn. Ölbaum, Olive, — Olivier ^franz.) — Olive tree (engl.) — Olijfboom (hoU.) —
Oljetraed (scliwed.) — öljypuu (finn.) — olivo (span.) — oliveira (port.) — arab. aceytuno,
der wilde acebuche, das Öl: aceite — russ., bulg., serb. mälina, maslicna, maslina (maslo
slav. = Öl). Bei den Berbern der Ölbaum zitun (arab.), der Oleaster sebbudj. Bei Ibn Baithar
Olea europaea = zajtOn, Oleum olivarum = zajt. Zeitu findet sich im hebräischen, phöniki-
schen, arabischen und aramäischen. Der Ausdruck ging dann in das persische, kurdische,
kaukasische und tartarische über ^s. unten); goth. alev, alevabagms; althd. olbir, olei, oli-
boum; mhd. oele, ol, olbaum, olvyn sussolpawm; mnd. oly, ulber, ullebom. Bei Luther:
ole, bei Albertus Magnus: oliva, bei der Hildeg.\rd (I, S. 667) Oleybaum und Baumoleum.
Etym. Das Babylonisch-Semitische kennt keinen Namen für Olive. Der älteste Name
der Olive ist das hebräische sait, der sich auch im phönilc, aramäisch, und arab. findet, als
seitun ins pers. türk., georg., malaii. und javan. überging, — syr. zayto, chald. zetä, äthiop.
zayt ■ — und von den Arabern (mit der Sache) auch nach Algerien (zitun, das Öl zit) und Anda-
lusien (aceytuno, das Öl aceite) gebracht wurde. Der Stamm scheint auch im armenischen
(dzet') und ägyptischen (t'et-t, tat) wiederzukehren und auch im berberischen tazemmourt ent-
halten zu sein. Das griech. tXala (= Ölbaum) und iXaiov (= Öl) leitet Lagarde vom arme-
nischen iul (= Öl) ab, was Hübschhl\nn und SchraDEr aber nicht gelten lassen. Das römische
oleum, oliva ging dann ins italienische (ulivo), französische (olivier) und spanische (olivo, oli-
veiro) über. Lagarde leitet auch sowohl das semitische wie das ägyptische Wort aus dem
armenischen oder einer nahestehenden Sprache ab. Das got. aläv (= Öl) alevabagms (= Öl-
baum) ist vielleicht durch keltische Vermittelung aus oliva entstanden.
Stammpflanze u. systemat. Stellung. Olea europaea ß sativa De. {Olea
sativa Lk. u. Hffmnsg.) mit einer großen Anzahl (c. 300) Sorten, von denen einige
zu Tafeloliven eingesalzen, andere zur Ölpressung benutzt werden.
Antoine Gouan beschreibt schon 12 Sorten. Die Enzyklopädie (1765) 19, Semler 25,
DucHESNE 43. Degrully bildet (1907) 23 französische, 12 algerische, 17 tunesische ab und er-
wähnt 43 italienische und 21 spanische Sorten. Die californischen Sorten sind abgebildet in
Yearbook U. St. Dep. of agricult. 1897.
Oleaceae — Oleoideae — Oleineae (Olea) Sectio Euelaea De.
Beschreibung der Stammpflanze. Der Olbaum hat eine graugrüne, im Alter
rissige Rinde, unbewehrte Zweige mit rundlicliem Querschnitt, gegenständige, sehr
kurzgestielte, lederige, immergrüne, lanzettliche, ganzrandige, am Rande etwas umge-
schlagene Blätter, die oberseits grün, unterseits durch zahlreiche, schildförmige Haare
silbergrau sind. Die zu kleinen achselständigen, rispigen Trauben vereinigten Blüten
sind hermaphrodit und besitzen einen spitz-vierzähnigen bleibenden Kelch, eine kurz-
röhrige, tief- vierlappige weiße Krone, zwei am Grunde der Krone inserierte Staub-
gefäße mit kurzem Filament und großer Anthere und einen oberständigen, zweifäche-
rigen Fruchtknoten mit kurzem GrifiTel und zwei Ovulis (Fig. 189). Die Frucht ist
eine Drupa (das Wort drupa schon bei Plinius) mit einfächeriger, einsamiger (seltener
zweifächeriger, zweisamiger), brauner, heller geäderter, etwas zusammengedrückter, harter,
in der Form der Fruchtform folgender Steinschaie. Der Same ist mit einer netz-
aderigen Schale umgeben, enthält reichlich Endosperm und einen geraden Keimling
mit kurzem, nach oben gerichtetem Würzelchen und blattartigen Cotyledonen.
«Schön im Sinne der Romantik ist der Baum der Minerva nicht (vgl. Taf XIV), aber
nichts erweckt mehr das Gefühl der Kultur und friedlichen Ordnung und zugleich der Dauer
derselben, als wenn er in offenen gereinigten Hallen mit dem kaum merklich flüsternden Laube
an gewundenen Stämmen die Hügel ersteigt oder die geneigten Ebenen leicht beschattet und
gern gesteht man ihm dann mit Columella das Prädikat prima omnium arborum zu» (HeHn).
Die Olive ist der Fruchtbaum der Mittelmeerländer par excellence. Das Mittelmeergebiet
Fructus Olivae und Oleum Olivae.
609
ist pflanzengeographisch das Reich des Ölbaums (DE Candolle, Gkisebach, Flahault, Th.
Fischer), seine Polar- und Höhengrenze fällt mit der des Ölbaumes zusammen. Die Mittelmeer-
flora ist im wesentlichen eine Küstenflora und demnach liebt auch der Ölbaum das Küstenklima.
«Der Ölbaum ist also in jeder Hinsicht ein echt mediterranes Gewächs, ja geradezu das
charakteristischste unter den immergrünen laubtragenden Holzgewächsen der Mittelmeerländer!«.
«In lichten Hainen, die sanften oder terassierten Hänge der reichgegliederten Mittelmeerländer,
selten die Ebene bedeckend, verleiht er mit seinen graugrünen, kleinen, steifen Blättern, die
sich alle 2 — 3 Jahre erneuern, seinen, wenn er alt wird, knorrigen Stämmen, der Mittelmeer-
landschaft ein ganz eigenartiges Gepräge» (Th. Fischer).
Fig. 189,
Olea ejtropaea,
A blühender Zweig. B Blüte. C Krone ausgebreitet. D Kelch und Fruchtknoten. E Frucht, F Frucht durchschnitten,
um den Steinkern zu zeigen. G und H Same im Längsschnitt. [Nach Knoblauch in Engler-PrantI , Pflanzenfam.]
Er erreicht selten mehr als 10 m Höhe. Meist wird er im Alter hohl, «der
Stamm zerspringt und löst sich in eine Gruppe knorriger, gespensterhaft verzerrter
Stämme mit wunderlich verstrickten Gliedern auf» (Fig. 1 90). Er erscheintdann auseinander-
geborsten, wie mit Toren versehen, schraubenförmig gedreht, im unteren Teile fast
wie ein Felsblock (Jul. Schmidt). Die silbergraue Beiaubung ist dünn, die Olivenhaine
daher licht. Die Olive ist unverwüstlich. Im Garten Gethsemane bei Jerusalem werden
8 uralte Ölbäume gezeigt, die angeblich schon zu Christi Zeit erwachsen waren (Ritter).
Auch anderwärts, besonders in Algier, finden sich solche alte Oliven. Der Ölbaum
bedeckt z. B. in Ligurien, Apulien, Niederandalusien, dem tunesischen Sahel in lichten
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 39
OIO
Nichttrockncmie Öle.
Hainen ganze Landschaften in einem polwärts sich unmittelbar an die Daltelpalmen-
zone anschließenden Gürtel. In Italien kann man die Zahl der Ölbaume auf loo,
in Spanien auf 300 Millionen schätzen, in Tunis auf 20, in Corsika auf 36 Millionen.
Die Olivenkultur reicht in Algarvien bis 1400', in der Sierra Nevada bis 3000' bzw.
4200', bei Nizza bis 2400', am Ätna bis 2200', in Macedonien bis 1200', in Cilicien
bis 2000' (Grisebach).
Der domige, mehr buschige, selten stattliche, wilde Ölbaum, iXfTa dyQta (Dioskurides),
xorirog i^Theophrast), Oleaster (Plinids), 0/ea europaea a Oleaster De, der kleine, wenig
fleischige, längliche, schwarze Früchte hervorbringt, mehr oder weniger vierkantige Zweige und
längliche oder eiförmige Blätter besitzt, ist vom Ostrande des Hochlandes von Iran (Bellew)
Fig. 190.
Alte Olh'enbäufite bei Rom.
Über Syrien, Griechenland (Heldreich), Italien (Caruel) bis Spanien, Algerien und zu den west-
lichsten Tälern des Atlas verbreitet und wohl in allen diesen Ländern ursprünglich heimisch-
Blätter des Ölbaums wurden im Pliocen bei Mongardino gefunden (Cavara). Er wird nie zu
einem Ölbaum, wie schon Theophrast wußte — wie der Ölbaum durch Verwilderung nie zu
einem Oleaster — und ist bestimmt verschieden von diesem. Der Oleaster bleibt hinter der
Polargrenze des Ölbaums zurück. Er erreicht sie nicht. In Südchile und Mexiko, wo der
Ölbaum kultiviert wird, ist Oleaster ganz unbekannt. Ob er die Urform, die Urolive, ist, aus
der sich die Kulturolive entwickelt hat, wissen wir nicht, aber es darf wohl angenommen
werden, daß entweder er oder ein naher orientalischer Verwandter die Urform ist. Von beiden
verschieden ist der schon von Theophrast unterschiedene indische Ölbaum (Olea cuspidata Wall.).
Lit. Degrullv et Viala, L'Olivier Montpellier 1886 — 1890. — Degrully, L'olivier 1907
(m. zahlr. Abbild.) und Ann. Ec. nat. agric. Montpellier 1906. — A. Coutance, L'Olivier.
Paris 1877. — G. Cappi, La coltivazione dell' Olivo. San Remo 1875. — Theob. Fischer, Der
• Jlbaum, seine geogr. Verbreit., seine wirtschaftl. u. kulturhist. Bedeut. Peterm. Geogr. Mitt.,
Ergänzungsheft Nr. 147, 1904 (mit einer Karte). — Pasquale, Stud. bot. ed agronomici sull'
ulivo e sua variefa. Rend. R. Acad. scieuz. etc. Napoli 1873. — Piccone, Prim. stud. p. una
monogr. d. princ. var. d'ulivo etc. Genova 1879. — Trabut, L'Olivier en Algirie 1900. —
Tafel XIV.
Tscliirch, Handbuch der PIi.irmal;oonosie. Bd. II.
\'erl.ig \on Chr. Herrn. Liuchnii?, Leipzii^.
Terrassierte Olivenpflanzung bei Albergo in Ligurien.
(Ravasini phot.)
Fructus Olivae und Oleum Olivae. 6 1 l
G. Caruso, Monografia dell' ulivo in Enciclopedia agiaria III, 1882 und Coltivazione degli
ulivi e la manifattura dell' olio 1870. — Cabrie, Der Olivenbaura, seine Cultur usw. 1901. —
Aloi, L'olivo e l'olio 1903. — Brizzi, Olivicultura 1903. — Flaminio Bracci, Olivicultura ed
oleificio 1907. — Kurze Übersicht: P. D'Aygallikrs , L'olivier et l'huile d'olive. Paris 1900
(mit Abbild.). — Eastmann, Olivenkultur in Califomien. Pharm. Era 1896. — Über die Kul-
turen in Indien, Cuba usw. Brit. and Colon. Drugg. 1897. — Willkomm, Grundzüge der Pflanzen-
verbreitung auf d. Iber. Halbinsel 1896. — Grisebach, Vegetat. d. Erde. — Semler, Trop.
Agrikult. — Abbild.: Pabst-Köhler, Medizinalpfl. t. 109. — Berg- Schmidt, Atlas I. Aufl.
t. 33. — Nees von Esenbeck, PI. med. t. 212. — Bentley-Trimen, Med. pl. t. 172 und in den
oben genannten Werken.
Pathologie. Über die pflanzlichen Schädlinge berichtet Prof. Ed. Fischer: Auf dem
Ölbaum sind sehr zahlreiche parasitische Pilze beobachtet worden, die mehr oder weniger er-
hebliche Schädigungen hervorrufen. Unter denselben interessieren uns zunächst vor allem die
auf den Früchten auftretenden. Es sind das hauptsachlich sogenannte Imperfekte, die mehr oder
weniger große, vertiefte und verfärbte Flecken hervorrufen und eventuell schließlich auch ein
teilweises oder vollständiges Verschrumpfen oder Lederigwerden des Fruchtfleisches herbei-
führen können: Gloeosporium olivar^im d'Almeida (La gaffa des olives en Portugal. Bulletin
de la sociÄtä mycologique de France XV i8go, p. 90), Macrophoma dalmatica (v. ThOm.) Berl.
ET VoGL. (s. A. MaublanC, Sur une Maladie des Olives due au Macrophoma dalmatica. ibid.
XX 1904, p. 229), Cylindrosporiiim Olivae L. Petri (s. Annales mycologici V 1907, p. 320).
— Ein eigentümlicher Hyphomycet ist Cyclogonhim oleagineum Cast., welcher in der Epider-
misaußenwand der Blätter sein Mycel entwickelt und dunkle rundliche Flecke hervorruft, aber
auch auf Fruchtstiele und Früchte übergeht. Er ist in neuerer Zeit in Frankreich, Italien, Algier
und im Kaukasus beobachtet worden. (Über denselben s. BoYER in Journal de Botanique V
1891, p. 434.) — Andere Erkrankungen wirken mehr indirekt auf den Fruchtertrag nachteilig
ein; so die sogenannte Bruscakrankheit, die in neuerer Zeit auf den Discorayceten Stzctis Pa-
nizzei DE Not. zurückgeführt wird und der Rußtau {Capnodium sah'cinum). — Die wich-
tigsten Kränkelten des Ölbaumes behandelt L. Degrully, L'Olivier, Montpellier 1907. — Ein
Verzeichnis der damals auf Olfa enropaea bekannten Pilze gibt von ThOmen in BoUettino
della societä Adriatica di Scienze naturali in Triest. Vol. VIII 1883, p. 215 ff.
Die tierischen Schädlinge sind beschrieben und abgebildet bei Degrullv a. a. O.
Dort auch die Beschreibung ihrer Bekämpfung (Fumigation etc.). Von tierischen Feinden werden
genannt: die Olivenfliege (Mucha dell' ulivo), Dacus oleae, deren Larve sich vom Fruchtfleische
nährt und auch neuerdings wieder in Südfrankreich und Ligurien riesigen Schaden anrichtete
und gegen die es noch kein Mittel gibt. Dann Tinea oleella Fabr., die den Kern angreift,
Psylla oleae FoRK., die die Blüten schädigt. Über den nach Trabut durch Bakterienimpfung
durch Insekten zustande kommenden Olivenhonig vgl. oben S. 113.
Lit. Cappi, La coltivazione dell' Olivo 1875. — Trabut, L'olivier en Algirie 1900
(mit Abbild.). — Paoli a Tagliaferri, La Mosca delle olive ed il modo di combatterla,
Firenze 1909. — D'Aygalliers a. a. O.
Kultur. In Attika, dem klassischen Lande des Ölbaumes (Herodot behauptet,
daß es eine Zeit gegeben habe, wo nur in Athen Ölbäume zu finden waren?), wurde
die Olivenzucht und die Ölausfuhr staatlich überwacht. Im ganzen Altertum galt das
Fällen von Ölbäumen als Verbrechen und die äußerste Grausamkeit des Feindes
äußerte sich im Altertum und äußert sich noch heute im Niederhauen der Oliven,
d. h. in der Vernichtung der Existenzbedingungen. Noch heute werden (z. B. in
Sizilien und Sardinien) hohe Prämien auf die Anpflanzung der Olive gesetzt. An den
Boden stellt der Ölbaum keine hohen Ansprüche. «Olea maxime coilibus, siccis et
argillosis gaudet» (Colujiella). Er liebt warme, trockene, durchlässige, poröse, kali-
haltige Kalkböden. Die besten Oliven, das feinste Öl kommen von diesen. Über-
schwemmungen darf der Boden nicht ausgesetzt sein. Man legt die Olivenhaine gern
auf terassierten sonnigen Hängen (Taf. XIV), nicht in der Ebene an. Auf feuchtem
fettem Boden wird die Frucht größer, liefert aber weniger und schlechteres Öl. Der
39*
y I > NichttrocUnende Öle.
Ölbaum meidet Gegenden mit reichlichen, besonders zur Zeit seiner Fruchtreife
niedergehenden Niederschlagen. Die Fruchtreife verlangt hohe, trockene Wärme —
je höher die Wärme, um so größer der Ölgehalt. Während z. B. 1909 i dz Früchte
15,7 Liter öl gaben, wurden in dem ungünstigen Jahre 19 10 aus der gleichen
Menge nur 14,8 Liter erzielt. Aber auch im Winter darf die Temperatur nicht
stark sinken und Frühjahrsfröste sind besonders gefährlich. Doch kann der Ölbaum Tem-
peraturen bis — 8" aushalten, aber nicht lange. Die südliche und Polargrenze der
Olive ergibt sich aus der Karte, ebenso die Verbreitung des ()lbaumes im Mittel-
meerdrogenreich. Die Olive blüht im März (Südspanien, Nordafrika), April (Süditalien,
■Mittelspanien) oder Mai (Südfrankreich). Die Früchte werden im Laufe des Oktober
reif. Doch dehnt sich die Ernte oft 3 — 4 Monate, ja über den ganzen Winter aus.
Meist beginnt die Ernte im Oktober und endigt im März-April, nur ganz im Süden
wird sie manchmal bis Juni hingezogen. Der Baum trägt nur an vorjährigem Holz
Früchte. Die aus Samen erzogenen Oliven müssen gepfropft werden (die Samen keimen
langsam, besser wenn sie zuvor in Aschenlauge gelegt werden). Zur Vermehrung
werden außer Ablegern und Wurzelschößlingen auch die an den Wurzeln sitzenden
Knoten (ovoli) benutzt, auch diese werden meist gepfropft. Die Kulturolive wird oft
auf den Oleaster gepfropft. Die veredelten Ölbäume beginnen nach 3 Jahren Früchte
zu tragen und kommen nach 8 — 10 Jahren zu vollem Ertrage, den sie dann bei
guter Pflege (Düngung, Zurückschneiden) jahrhundertelang beibehalten können. Vom
zehnten Jahre an ist der Baum rentabel. Man erntet die Olive, wenn sie '^j,; reif ist.
Der Ertrag wechselt natürlich sehr. Ein großer Baum liefert in Italien bis i i o 1
Oliven, die etwa 13 kg Öl geben, in Sfa.x (Algier) ein volitragender Baum 320 1.
Meist liefert ein ausgewachsener Ölbaum aber nur durchschnittlich 63 kg Früchte.
Vollernten erfolgen durchschnittlich nur alle 7 Jahre, in der Zwischenzeit ist der
Ertrag unbedeutend (Rickli, Corsica). Meist folgt auf eine gute Ernte eine schlechte.
In Italien rechnet man auf 3 Jahre i^jj volle Ernten. Doch erzielt man in Califomien
durch sorgfähige Pflege alle Jahre Vollernten. Man pflanzt die Bäume etwa in Ent-
fernungen von 5 m oder weiter, damit das Licht leicht Zutritt findet. In Südfrank-
reich kommen 125 — 200 Bäume auf den Hektar, in Sizilien und Smyrna 100, in
Tunis oft nur 17. In Mischkultur mit Olive ist (in Sizilien) Sumach, bisweilen auch
die Rebe, in Corsika auch Weizen, Artischocken, Gerste oder Bohnen. Die Kultur
der Olive ist bei Sejiler a. a. O. ausführlich beschrieben.
Verbreitung der Olivenkultur. Portugal hat fast in .seiner ganzen Ausdehnung, mit
Ausnahme allein des Nordens (die Polargrenze fällt fast mit der politischen Grenze zusammen),
Olivenhaine (oliveiras), 200000 ha sollen in diesem Lande unter Oliven stehen, doch ging die
Olivenkultur lange Zeit zurück. Die Ausfuhr von Olivenöl betrug igoo: 379509 hl. Neuerdings
hebt sie sich wieder. Viele Ortsnamen erinnern an die Olive (Oliveira, Olivaes, Azeitas).
Spanien hat von allen Ländern die meisten Olivenhaine (I 154000 ha sollen {1899) unter
Oliven stehen) und liefert das schlechteste Olivenöl. Die nördlichen Gegenden haben, mit Aus-
nahme des Ebrotales, keine Olivenkultur, wohl aber die ganze Mittelmeerküste (Katalonien,
Valencia, Murcia) die Balearen und große Bezirke des Innern um Madrid und südlich davon.
Die für die Olivenkultur wichtigste Landschaft ist Andalusien, dann Katalonien und Aragonien.
Willkomm schildert einen 90 km langen Olivenhain in Niederandalusien. Obenan stehen die
Provinzen Cordoba und Sevilla. Dann folgen Lerida und Tarragona und in weitem Abstand
Badajoz, Murcia, Ciudad Real, Toledo, Valencia, Malaga und Zaragoza. Spanien verbraucht
selbst viel Oliven und Öl, exportiert aber doch noch jährlich für 18 — 57 Mill. Pes. Öl über
Malaga, Sevilla, Cadiz, Barcelona.
In Frankreich finden sich Olivenhaine nur im Süden an der Mittelmeerküste, vorwiegend
>
Da
c
«j
■u
c
11
biO
C
a
o
V
bfl
e
3
Fructus Olivae und Oleum Olivae. 613
in der Provence, Roussillon, Languedoc, Alpes maritimes, Var, Bouches du Rhone, sowie auf
Corsika. Ein Teil des südfranzösischen Arrondissement Grasse ist ganz mit Oliven bestanden.
Grasse liefert das feinste Öl der Provence, dann Aix und Nizza. 130 — 150000 ha sind mit Oliven
bestanden, die etwa 2 Mill. dz Oliven liefern. Marseille ist ein wichtiger Handelsplatz für
Olivenöl. Es führt viel aus Spanien und Tunis ein und viel auch aus.
Nächst Spanien ist Italien das olivenreichste Land (900000 ha). Sein Landschaftsbild
wird durch die Olive geradezu beherrscht. Nur Piemont hat keine Olivenzucht, sonst alle Land-
schaften, besonders die Küsten, fast ganz Sizilien und ein großer Teil Sardiniens. Obenan
steht Apulien, dann folgt Sizilien und die Tyrrhenische Südregion, endlich Toskana, Marken
und Umbrien, Ligurien, Latium, Sardinien. Eine italienische Mittelemte liefert 2 — 3 Mill. hl.
Olivenöl, fast ebensoviel wie das viel mehr Oliven beherbergende Spanien. Italien führt Ol.
oliv, besonders aus Bari, Palermo, Messina, Livorno, Genua, Gallipoli, Porto Maurizio, Neapel,
Tarent aus. 1890 betrug die spanische Ernte 3, die italienische 1,3 Mill., die französische
300000 hl Oliven.
Olivenkultur findet sich auch in Albanien, Epirus, Thessalien, Mittel-Griechenland {Oliven-
hain am Kephissos bei Athen), Peloponnes (Argolis, Messenien), Korfu, Leukas, Lesbos und
anderen Inseln, besonders Kreta, das eine wahre Oliveninsel ist. Die jährliche Olivenproduktion
Griechenlands beträgt c. 141 Mill. kg, wovon c. 6,5 Mill. kg exportiert werden, die jährliche
Ölproduklion 25 Mill. kg, wovon die Hälfte exportiert wird (Emmanuel). In der Türkei sind
namentlich am Marmarameere, auf den Inseln des ägäischen Meeres und in Kleinasien Oliven-
kulturen. Kleinasien hat aber für die Olivenzucht nur geringe Bedeutung, in Betracht kommt
fast nur die Westküste und die ihr vorgelagerten Inseln (Chios, Samos). Cypern ist reich an
Ölbäumen. Die Levante produziert jährlich c. looooo t (Smyma z.B. 1906: 15000 t). Syrien
das Urland der Olivenzucht, hat auch heute noch viel Olivenhaine — Alexandrette exportiert Öl
— und auch in Palästina ist der Ölbaum häufig. Der Ölberg bei Jerusalem trägt noch heute
Ölbäume. Tripolis, das im Altertum und Mittelalter zu den wichtigsten Bezugsländern für
Olivenöl gehörte, deckt heute nicht einmal den eigenen Bedarf. Großen Aufschwung hat in
letzter Zeit die Olivenzucht in Tunis und Algerien (Djurdjura) genommen, so z. B. um Sfax,
im Sahel (Sahel bringt jetzt die besten Oliven hervor). Freilich zu der Bedeutung, die sie in
diesen Ländern im Altertum besaß, ist sie noch lange nicht wieder gekommen. Immerhin er-
zeugt doch Tunis schon jährlich 30 Mill. Liter Öl. Im Sahel (Susa, Monastir) stehen c. 600
Quadratkm. unter Oliven. Auch Marocco besitzt (z. B. in Sus, Haha) viele Olivenhaine, die
aber zum Teil bewässert werden müssen. Bedeutend ist die Olivenzucht in den Tälern des
Atlas. Endlich findet sich die Olive auch noch auf den Canaren.
Nach Amerika brachten den Ölbaum die Spanier, nach Mexiko 15 19 CoRTEZ, nach
Peru c. 1560 Ambrosio de Rivera, nach Californien im XVIII. Jahrh. die Franziskaner. Jetzt
finden sich Olivenpflanzungen auch in einigen südamerikanischen Staaten (Chile, Peru). Beson-
ders nimmt aber die Kultur der Olive in Nordamerika einen großen Aufschwung, seit das Agri-
cultur Department sich seiner angenommen hat. Schon 1907 deckte Kalifornien einen Teil des
Bedarfes von U. S. A. Und auch in Südafrika und Südaustralien wird jetzt die Olive angepflanzt
und Öl exportiert. 1902 zählte man in Australien schon c. 67000 Olivenbäume, dieU327 galls.
Öl lieferten, (Nähere Angaben über die Verbreitung der Olive in Th. Fischer, Der Ölbaum 1904.)
Die californische Olivenzucht liefert vorwiegend Salzoliven. Die besten Salzoliven kommen
aber von Andalusien.
Die Olive gedeiht in Peru, Chile, Südcarolina, Florida, den Bermuden, auf Jamaica, im
Südwesten der Kapkolonie, auf Kawau-Island (bei Auckland) bei Sydney, in Vorderindien und
Japan — in allen diesen Ländern sind Kulturversuche gemacht worden.
Eine Karte der Verbreitung der (Dlivenkultur in Frankreich bei Degrully (a. a. O.).
Die Kultur der Olive, die Pfropfung, Beschneidung, Düngung usw. ist beschrieben bei Degrully
Trabut, Cappi u. and. Lit. s. oben S. 610. Im übrigen vgl. die hier beigegebene Karte.
Emtebereitung. Die Ernte ist in Italien verschieden. Ravasini berichtet mir
darüber das Folgende. Entweder werden sie mit der Hand gepflückt (brucatura, raccolta
a mano Taf. XV) — dies ist unbedingt nötig, wenn man feine Tafeloliven oder feinstes
Öl erhalten will — • oder vom Baume auf darunter gebreitete Tücher (I, S. 94) ge-
schüttelt (scotitura) bzw. abgeklopft (bacchiatura, abbacchiatura) — in Calabrien und
014
Nichttrocknende Öle.
Sizilien üblich — oder die abgefallenen aufgelesen (raccattatura, raccolta a terra). Auch
in Portugal werden noch jetzt die Früchte \'ielfach von den Bäumen abgeschlagen.
Sciarbottatojo. Apparat, welcher
Fig. 191.
Italien zum Waschen der Oliven gebraucht wird, links von außen, rechts innere
Einrichtung. [Ravasini.]
Infolgedessen folgt auf ein gutes Jahr meist ein schlechtes (Mastbaum 1904). Das
Pflücken wird in Italien besonders von Frauen und Kindern besorgt, die die Früchte
dabei in Tuchtaschen oder geflochtene Strohkörbe oder auf ein unter den Baum ge-
breitetes Tuch (recane) werfen.
Die abgeklopften oder abge-
schüttelten werden mit höl-
zernen rechenartigen Werk-
.zeugen (in Calabrien cemigghi
genannt) zusammengeharkt
und dann in Strohkörben ver-
einigt. Diese werden auf dem
Kopf oder den Schultern in
die Ölmühle getragen. Hier
werden sie von Erde, Blättern,
Staub usw. befreit, die unreifen
cjder überreifen Früchte aus-
gelesen (cernita) und dann ge-
waschen. Das Waschen ge-
schieht jetzt vielfach, beson-
ders bei größeren Quantitäten,
in besonderen Apparaten (sciar-
jTjg ,„2 bottatojo), die diese Arbeit sehr
Einfache Ölmühle der Araber in Algier. Vereinfachen (Fig. I 9 1 ). Die
Fructus Olivae und Oleum Olivae.
6i.s
gewaschenen Oliven kommen dann in die Ölmühlen (oleifici), die oft noch sehr primitiv
sind (I, Fig. 174 und Fig. 192) und an denen die Bauern, von denen fast jeder Wohl-
habendere eine Ölpresse besitzt, im Laufe der Jahrhunderte wenig geändert haben
l'ig- 193.
Frantojo. Moderne Mühle, in der die Früchte zu einem Brei gemahlen werden.
(vgl. I, Fig. 175). Erst in neuerer Zeit, wo sich die Ölpresserei allmählich zu zentrali-
sieren beginnt, ist der Betrieb modernisiert worden. Die Oliven werden zunächst mit
Mühlsteinen (frantoj), die, nicht bis zum Boden reichen also die Steinkerne nicht mit
zertrümmern, zermahlen (frangitura)
iFig. 193). Der Brei des Frucht-
fleisches wird nun in die oben
und unten offenen, schon von
Plinius erwähnten geflochtenen
Körbe, Fiscoli (Abbild, in I, Fig.
173) gebracht, von denen 20 bis
25 in den hölzernen oder eisernen
Pressen (torchi, strettoi, Fig. 194)
übereinandergepackt werden und
nun mit der Hand gepreßt. Neuer-
dings werden in den größeren
Etablissements auch hydraulische
Pressen benutzt, aber am fiscolo
hält man auch bei diesen fest.
Das beste Olivenöl, wie solches
in der Pharmazie ad usum inter-
num benutzt wird, wird in Fa-
briken mit Dampfbetrieb aus bei
Fig. 194.
beginnender Reife gesammelten) strettoi, weiche zum Pressen der mit dem Fruchtbrei gefüllten Fiscoli dienen.
p j 5 Nichttrocknendc Öle.
zuvor auf Horden oder in besonderen Trockenapparaten zum Trocknen ausgebreiteten
Früchten durch mäßiges Pressen hergestellt. Eine zweite stärkere Pressung, die aber
audi noch nicht die Kerne zertrümmern darf, liefert Secunda-Speiseöl und für medi-
zinische Pflaster und Seifen benutzbares Ol, eine dritte Brenn- und Maschinenöl. Die
erste Pressung, die in Frankreich nur i2"/(| Ol gibt, liefert das beste Öl, das durch
Baumwolle filtriert, als Olio vergine (huile vierge, Jungfernöl) in den Handel kommt.
Der Preßrückstand wird mit kaltem oder warmem Wasser nochmals zermahlen und
dann wieder in die Presse gegeben. Dies zweite Öl {Olio mangiabile, O. dt seconda
pressione, O. dt pasta franta , O. dt tnacina , O. dt rinozzolo) hat nicht mehr das
charakteristische Olivenaroma wie das erste. Aus den Preßrückständen (sansa) erhält
man mittels Schwefelkohlenstoff", Benzin, Petroläther oder Wasserdampf das gewöhn-
liche, nur technisch benutzbare Baumöl (O//0 di sansa, O. dt ciancia, O. al sol/tiiv,
Sulfuröl, in Frankreich litiilc de ressence, h. d'etifei). Als Extraktionsmittel wird in Marseille
außer Schwefelkohlenstoff auch Tetrachlorkohlenstoff verwendet. Das mit Schwefelkohlen-
stoff extrahierte Öl, das einen schlechten Geruch und Geschmack besitzt, kann durch
Behandeln mit Alkohol verbessert werden. Die z. B. in Sizilien übliche Methode, die
zerquetschten Oliven zunächst in einer Zisterne (enfer) gären zu lassen, führt zwar zu
hohen Ölausbeuten, aber zu einem fettsäurereichen Ol (Tournantöl). Zur Herstellung
ganz feiner Ölsorten werden die Früchte bisweilen geschält, d. h. von der äußersten
Fruchthaut befreit, entkernt, das Fleisch in Mörsern zerrieben und zwischen Tüchern
gepreßt. Eine Wertverminderung des Öls wird durch das Mitzerquetschen der Kerne
nicht bewirkt, da bei dem gewöhnlichen Herstellungsverfahren nur geringe Mengen da-
von hineingelangen (Passerini) und die Samen nur Spuren einer Lipase enthalten
(M.\rcille). Manchmal wird in Frankreich mit dem Pressen eine Art Schlemmprozeß
in sog. Pastenmühlen (auf eine Pastenmühle kommen 6 — 10 Pressen) kombiniert.
Die Preßrückstände werden mit Wasser zu einer Paste angerieben und diese durch
Schlämmen mit Wasser in mit Rührwerken versehenen Bassins in die schwereren und
die ölreicheren, leichteren Bestandteile getrennt, die dann gesammelt und in Tüchern
gepreßt werden (Chem. Rev. 1903). Dies Öl ist minderwertig.
Die Trester dienen als Dünger, die abgeschlemmten Steinkerne auch als Brenn-
material. Doch werden die Steinkerne (Olivenkerne) neuerdings auch auf Öl verarbeitet
und gemahlen zur Verfälschung von Gewürzen benutzt. Über das Filtrieren und Zentri-
fugieren vgl. I, S. 134.
Das in den ersten Monaten der Ernte gepreßte Öl ist dunkler und hat obstähn-
liches Aroma und einen etwas scharfen Geschmack, das Öl wird um so heller, dünn-
flüssiger und milder, je mehr sich die Olive ihrer Reife nähert. Der Versand erfolgt
in Italien nicht vor dem Januar. Die anfangs trüben Öle klären sich beim Lagern
während 90 Tagen in großen (meist mit Porzellan- oder Marmor- oder Tonplatten
ausgekleideten) Zisternen, indem sich die Schleimteilchen usw. zu Boden setzen. Diese
werden durch Watte abfiltriert. Die weniger guten Ulsorten werden oft in Raffinerien
gereinigt. Dort werden die besseren Sorten nach Dekantation filtriert oder mit Citronen-
saft oder Eichenrindeauszug, bzw. einer Tanninlösung, die mit einem Weidenbesen
eingerührt werden, geklärt, die schlechteren mit 0,5 — 2\ Schwefelsäure behandelt.
Ein Bleichen des Öls wird (außer durch Tannin) auch dadurch bewirkt, daß man
das fein verstäubte Öl womöglich bei Sonnenlicht in ein mehrere Meter tiefer
liegendes Wasserbassin fallen läßt.
Die größte Ölmenge soll die in Spanien kultivierte var. hispanka, das feinste Öl
Fructus , Olivae und Oleum Olivae. 617
die in der Provence und bei Genua und Lucca kultivierte var. pignola liefern. Oliven,
deren Fleisch nicht das dreifache Gewicht des Kernes hat, geben zu wenig Öl aus
(Coutance). Die Qualität des Öles ist abhängig von der Olivensorte, dem Reifegrade
der gepreßten Frucht, der Art des Erntens und dem Verfahren beim Pressen. Die
feinsten Öle werden auf Flaschen abgezogen, die anderen auf Fässer bzw. Barells.
Die Oliven in Salzwasser (Colymbades) finden sich während mehrerer Monate als Nach-
tisch jeder italienischen Mahlzeit, werden aber auch viel exportiert. Die Olive muß, um hierzu
tauglich zu werden, nur % reif sein und zuvor 6 — 12 Stunden in eine Kalk-Pottaschelauge eingelegt
und dann sorgfältig während mehrerer Tage gewaschen, d. h. vollständig entbittert werden. Dann
legt man sie in Salzwasser, wechselt dies alle Monate einmal und fügt schließlich etwas wilden
Fenchel hinzu (Ravasini). Beschreibung anderer Methoden der Olivenpickelsbereitung bei Semler.
Lit. MiNGiOLi, Manuale pratico di oleificio 1871 und Oleificio moderne in Nuova
Enciclopedia agraria italiana. Torino 1901 (m. zahlr. Abbild.). — Semler, Trop. Agrikult. —
Skinner, Ölindustrie in Frankreich. Consularbericht in Oil, Paint and Drug. Rep. 1903 (Chera.
Rev. d. Öl- u. Harzind. 1903, 188). — Über die Veränder. d. Oliven von der Ernte bis zur
Verarbeitung vgl. die Unters, d. Versuchsslat. in Lissabon (Ref. in Chem. Rev. 1904, 391. —
Die Mühlen, Pressen, Wasch- und Raffinierapparate sind abgebildet bei Mingioli a. a. O. —
Die primitive Gewinnung des Olivenöls auf Mallorca beschreibt Pollatschek (Chem. Rev. 190", 4).
Handelssorten. Von den italienischen Ölen sind die aus der Riviera, aus Tos-
kana (Lucca, Pisa), Apulien (Bari, Bitonto, Gallipoli) die geschätztesten, die Provinzen
Marken, Umbrien, Latium liefern gute Speiseöle, Sizilien dagegen minderwertige Sorten.
Die besten Sorten (Jungfernöl) werden als Provencer, Aixer, Genueser oder
Lucca Öl bezeichnet — Provenceröl ist eine Qualitätsbezeichnung und keineswegs
nur für Öl aus der Provence in Gebrauch — , die Sekundasorten (Baumöl, grünes
Olivenöl, huile lampante, h. marchande) als Gallipoli-, Puglieser-, Bari-, Lecce-, Monte
San Angelo-Öl, Tertiasorten kommen von Messina, Malaga, Korfu und Tunis. Die
schlechtesten, zur Seifen fabrikation benutzten Öle heißen Lavati (gewaschene), auch
Nachmühlenöl, Höllenöl, Sottochiari. Dann ist auch gebleichtes sog. weißes Baumöl
(als Maschinenöl, Lilienöl) und Ol. oliv, denaturatum (zur Seifenfabrikation, mit Nelken-
oder Rosmarinöl denaturiert) im Handel (Weigel 1904).
In Italien werden die Öle eingeteilt in :
I. Oli commestibili : i. sezione oleinati; a) oli vergini, b) oli mangiabili; 2. se-
zione stearinizzati : oli grassi.
IL Oli non commestibili: i. materia prima avariata, o fondacci di oli di semi di
olive: oli avariati, 2. oli estratti dai residui: a) oli di sansa o di panelli, b) oli di morchia
o di semi, c) oli d'inferno, d) oli al solfuro; 3. oli alterati, a) oli rancidi, b) Oli inaciditi.
Tunesisches Öl kommt aus dem Norden (Tunis, Bizerte, Cap Bon, Medjerdah),
dem Zentrum (Sousse, Mahdia, Monastir), dem Süden (Gabes, Safsa, Djerba) und
von Sfax. Außer den französischen und italienischen Ölen sind auch spanische, portu-
giesische, griechische, dalmatinische, syrische, marokkanische, türkische, Krim, persische,
indische (Pendschab), australische und kalifornische Olivenöle im Handel. Bedeutenden
Aufschwung nimmt die Ölproduktion in Californien und Südaustralien. Caiifomien
z. B. ist schon jetzt ein wichtiges Produktionsland für Oliven geworden. Im Geschmack
stehen die toskanischen Öle obenan, dann folgen die ligurischen. Die californischen
stehen diesen weit nach. Im deutschen Handel war 1 9 1 1 neben italienischem Öl
— Baumöl und Speiseöl — (in Bris, und Fässern von 50, 180, 200 kg) auch Ma-
laga-, Marokko- und Candiaöl zu finden.
Handel. Der Ertrag an Olivenöl betrug in Italic n 1909/10: 2 127097 hl. Das meiste lieferte
die adriatische Seite (838050), dann die Mittelmeerseite (521 010) und Sizilien (435 176); weniger
OlS
Nichttrocknende Öle.
Toskana, I.atium, Sardinien und die Marken. Unbeträchtliche Mengen: Lombardei, Ligurien,
Venetien, Emilia. (Nach Ravasini betrug die Olivenölproduktion Italiens 1909: 2559200 hl,
1910: i3S4 58ohl.) Die Olivenernte betrug 1909: 15292000, 1910: 9366200 dz (Norraalernte
20,3 Mill. dz). Italien e.\portierte olio d'oliva lavato al solfuro 1907: 124881, 1908: 78242,
1909: 55668 und olio d'oliva d'altra specie 1907: 388427, 1908: 368788, 1909: 184481 (1910
im Ganzen 205054) dz. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika imponierten olive
oil (for JIfg. purposesl 1908:
1789001, 1909: 695223 gallons
und olive oil (Salad) 1908:3548649,
1909: 3728386 gallons. Ham-
burg importierte 1908 34 275 dz.
Olivenöl; davon kamen aus Ma-
rokko: 9918, Frankreich: 7314,
Italien: 6201, Spanien: 5343, Grie-
chenland: 2477, weniger als looa
dz aus Kleinasien, der europäi-
schen Türkei, Tunis, Algier, Por-
tugalusw. DieEinfuhrvonOliven-
öl nach London betrug 1906:
2658, 1907: 7512, 1908: 8953,
1909: 5072 casks. Frankreich
importierte 1908 492149 Quint.
Olivenöl, besonders aus Spanien
und Tunis, dann aus Algier, Ita-
lien und Griechenland, wenig aus
der Türkei und Marocco.
Morphologie und Ana-
tomie der Frucht. Die Form
der Frucht wechselt nach der
Sorte und ebenso die Größe.
Einige Sorten sind groß wie
eine Aprikose, andere erreichen
nur die Größe einer kleinen
Kirsche — alle sind mehr
oder weniger oval (Fig. 195)
oder kugelig-eirund, am Scheitel
stumpf oder etwas zugespitzt,
Fig. 195. meist c. 2 bis 3,5 cm lang, an
Zweig eines Olivenbaumes (Sorte Rouget). [Nach Degrully, L'olivier.] der Oberfläche glatt, kahl. Der
sehr harte Steinkern ist schief-länglich oder keulenförmig, etwas zusammengedrückt
(Fig. 195), spitz, gefurcht oder grobrunzelig, gelblich oder bräunlich, durch Fehlschlagen
meist einfächerig und einsamig. Der Same ist 9 — 1 1 mm lang, länglich zusammen-
gedrückt, mit reichlichem Endosperm versehen. Die anfangs grüne Frucht wird beim
Reifen erst rot, dann schwarz. Das Verhältnis der drei Bestandteile ist bei frischen
Oliven: Fleisch mit Schale 71,5 — 80,5*1,,, Stein 17,3 — 23'*|„, Samen 2 — 5,5'^jo (Schäd-
LER, König).
Die Epidermis der Fruchtschale besteht aus dickwandigen polygonalen Zellen, die
ebenso wie die folgenden Parenchymreihen' bei der reifen Frucht einen purpurnen Farb-
stoff enthält, der durch konzentrierte Schwefelsäure sich rot färbt (Hanausek). Das Meso-
carp besteht vorwiegend aus ölführendem Parenchym, in das große Astrosklereiden ein-
gestreut sind, deren Wand durch Alkali gelb wird. Das als i — 3 mm dicke Steinschale
Fructus Olivae und Oleum Olivae.
619
entwickelte Endocarp besteht aus fest miteinander verzahnten Skiereiden, die oft bis fast
zum Verschwinden des Lumens verdickt sind und ziemlich mannigfache Formen zeigen
(die «Matta Livorno», die zur Gewürzfälschung benutzten gemahlenen Olivenkerne, besteht
fast ganz aus ihnen). Zu innerst liegt eine Schicht obliterierten Parenchyms (Moeller).
Die Samenschale besteht, abgesehen von der relativ großzelligen Epidermis mit dick-
wandigen, von der Fläche betrachtet knotig gegliederten Zellen, aus der zum Teil
obliterierten Nährschicht, in der die Bündel verlaufen, der Same besonders aus dem
großen Endosperm, in dem sich zahlreiche in C)lplasma eingebettete Aleuronkörner
finden. Auch das zartzellige Gewebe des Keimlings enthält dergleichen. Die Ent-
wicklungsgeschichte von Frucht und Same bei Alquati (s. Lit.). Während früher
(de Luca, Gerber) das Mannit als das Material bezeichnet wurde, aus dem das
Öl in der Olive entsteht — Mannit kommt aber in den Früchten der Olive nicht
oder nur in geringer Menge vor, nur in den Blättern ist er reichlich zu finden; luft-
trockene Blätter enthalten c. 3,4 "/o, die Rinde 1,9 "/o d-Mannit (Power und Tutin)
— hat Hartwich d-Glukose, die sich in den Früchten nachweisen läßt, als Mutter-
substanz angenommen, conform den Vorstellungen Emil Fischers (S. 4). Stärke
kommt auch in der jungen Frucht nur in den Schließzellen der Spaltöflfnungen vor.
Das Öl entsteht im Plasma der Zelle. Über die besonders durch die Sklere'iden und
die Samenschalepidermis charakterisierten Oliventrestern (tourteau de ressence) vgl.
bei VoGL (a. a. O., Fig. 264) und Collin-Perrot (a. a. O., Fig. 81).
Lit. BOTTINI, Sulla struttura dell' oliva. Nuov. giorn. bot. it. 21 (1S89), 369. — Papa-
SOGLI, Stud. genet. e morfolog. suU' ulivo. Nuov. giorn. bot. ital. X. — Piera Alquati, Stud.
anatomici e morfologici sull' ulivo. Att. Soc. Ligust. scienze naturali XVII, 1906. — Pirotta,
Contrib. all' anat. comp, della foglia, I. Oleaceae 1885. — BÖHMER, Ölkuchen in Dammers
Lexikon. — T. F. HanaUSEK, Nahrungs- u. Genußm. u. Zeitschr. Nähr. Unters. 1894, 95. —
Landrin, Falsific. d. poivre k l'aide des grignons d'olive. Journ. pharm. 10, 194. — MaCE,
Subst. aliment. 1891. — Moeller- Winton, Mikroskopie, Fig. 364 u. 365. — Schimper, An-
leit. z. Unters. Nähr.- u. Genußm. 1900. — Vogl, Nahrungs- u. Genußm. — ■ VlLHERS-CoLLIN,
Substanc. aliment. — Collin-Perrot, Residus industr. — Harz, Über d. Entsteh, d. fett. Öls
in d. Oliven. Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1870. — Spampani (Bild. d. Öls in d. Olive). Bull,
soc. bot. ital. 1899, '39. — de LüCjV, Rech, sur 1. form. d. 1. mat. grasse dans 1. olives. Ann.
sc. nat. bot. (4) 15, 92 und 18, 125. — Gerber, Rech, sur 1. respir. d. olives et sur 1. relat.
exist. entre les valeurs du quotient respirat. et la formal, de l'huile. Journ. bot. 1901. — Hart-
wich u. Uhlmann, Nachw. d. fett. Öles u. s. Bild. bes. in d. Olive. Arch. Pharm. 1902, 471.
— Uhlmann, Entsteh., Vorkommen u. Nachw. d. fett. Öls m. bes. Berücks. d. Olivenöls. Dis-
sert. Zürich 1902.
Chemie. Die Olive zeigt folgende Zusammensetzung:
In der
In der
natürlichen Substanz
1
Trockensubstanz
u
M
ic
5I
i~,
ai
te
''j^; bei Kaligehalt der drei 80,9 bzw. 58,8 bzw. 30,25''L;
der Phosphorsäuregehalt 1,33 bzw. 16,74 bzw. 2 8,24 "l,,; der Kalkgehalt 7,46 bzw.
7,45 bzw. 30,390/0 (König). Der Ölgehalt der Früchte steigt vom August (5,02 o/,,),
September (16,3 "/(,), Oktober (2 1,33 "/o), Dezember (22,7301^) bis Januar (22,85 '*/o)
und sinkt dann im Februar etwas (20,84 "/o- Hartwich u. Uhlmann). Der Gehalt
der Früchte an Öl variiert zwischen 20 und 70 (Benedikt-Ulzer), 40 und 60 "/„
(Lewkowitsch, im Fruchtfleisch: 50 — 70 "/(,). — Zur Bestimmung ist Schwefelkohlen-
stoff zu benutzen, nicht Äther (Peano).
Olivenöl, Oleum olivae s. olivarum [Provenceröl, huile d'olive (franz.), olive eil
(engl.), olijfolie (holl.), olio d'oliva (ital.), puuöljy (fin.), olivaolaj (ung.), t/iaiov IXauöv
(griech.)]. Die Farbe des Olivenöls schwankt von farblos bis goldgelb. Geringe Sorten
sind oft durch Chlorophyll grün gefärbt. Die Zusammensetzung des Öls variiert nach
der Kulturvarietät, dem Reifegrad, der Erntemethode und dem Verfahren der Pres-
sung. Die Elementarzusammensetzung des Olivenöls ist C = 76,67 (77,2), H^ii,95
(11,3), O = 11,38 (ii,5)''/o (König). Olivenöl löst sich nur sehr wenig in Alkohol,
etwas mehr in Eisessig, besser in Äther, leicht in Chloroform, Benzol und Schwefel-
kohlenstoff. Beim Durchschütteln von 2 ccm Olivenöl mit i ccm rauchender Salpeter-
säure und I ccm Wasser entsteht (bei 10") ein grünlich-weißes Gemenge, das nach 2 — 3
Stunden in eine feste weiße Masse und eine kaum gefärbte Flüssigkeit sich scheidet.
Bei dieser sog. Elaidinprobe liefert Olivenöl von allen Ölen das härteste Elaidin und
wird am schnellsten (höchstens in 3 Stunden) fest. Nach dem Eintragen in konz. Kali,
dem konz. Ammoniak zugesetzt wurde (Vorschrift bei Hartwich-Uhlmann), ist infolge
kalter Verseifung und Ausscheidung von fettsauren Salzen nach 22 Stunden der ganze
Tropfen in ein Haufwerk von Nadeln umgewandelt, zwischen denen Sphärite sichtbar sind.
Die festen Fettsäuren bestehen aus Palmitinsäure und Arachinsäure. Stearin-
säure fehlt (Hehner und Mitchell). Bei italienischen Ölen beträgt der Gehalt an
festen Fettsäuren 5 — 17,72, bei californischen 2 — 12,96 "Jg (Tolman und Munson), bei
tunesischen 15 — 2 5''|o (Bertainchaud). Letztere Öle erstarren schon bei -|- 10" und
werden daher oft «demargariniert». In algerischen und tunesischen Olivenölen finden
sich höchstens ganz geringe Mengen Arachin- und Lignocerinsäure. Die flüssigen
Glyceride enthalten auf 93% Ölsäure c. 7 ''/q Linolsäure (Hazura und Grüss-
ner). Holde und Stange erhielten i — 2 ''|q eines gemischten Glycerids (Oleodi-
margarin oder Oleodidaturin oder Oleodipalmitin?) und auch im festen Anteil sind
gemischte Glyceride vorhanden (Margaro- oder Palmitoolein?). Freie Fettsäuren ent-
hält gutes Olivenöl wenig, die technischen Öle dagegen oft 5 — 2 5"|o (Archbutt,
weitere Lit. darüber bei Benedict-Ulzek). Das Tournantöl (s. oben S. 616) enthält
eine große Menge {26"/o) freier Fettsäuren. Auch im «Olivenölfett», in ligurischen und
sardinischen Sulfuröleri sind viel freie Fettsäuren (46 — 57''/o) enthalten, in portu-
giesischen Bagasseölen sogar 60 — 70'*/(,. Alle diese Öle sind aus gegorenen Trestem
bereitet, die eine fettspaltende Lipase (Olease, Tolomei) enthalten. Die flüchtigen
Fettsäuren (auf Ölsäure berechnet) betragen 0,18 — i,i>9% (Dugast). In ranzigem
Olivenöl wurden gefunden: Ameisen-, Essig-, Önanthyl-, Azelai'n- und Korksäure,
sowie Önanthaldehyd (Skala).
Das spez. Gewicht beträgt 0,9141 — 0,9203, meist unter 0,917 (Schweiz.
Fnictus Olivae und Oleum Olivae. 52 I
Lebensmittelbuch: 0,916 — 0,918 bei 15", 0,862 — 0,863 bei loo''). Der Erstar-
rungspunkt liegt zwischen — 6 und -[- 10", die Verseifungszahl beträgt 185 — 203,
die Jodzahl 78,28 — 93,67 (bei guten europäischen Ölen meist zwischen 81,6 und
84,5, Schweiz. Lebensmittelb. : 79 — 88) — je reifer die Olive, desto höher die Jod-
zahl des Öls (Paparelli) — die Bromzahl 51,2 — 54 (Telle), die Reichert-Meißl-
zahl 0,6, die Hehnerzahl 94,96 — 95,i4''|ß, die Maumeneprobe 41,5 — 47", die Brom-
thermalprobe 13,5- — 15^ der Brechungsexponent ist (bei 40") 1,4612 — 1,4626 (Pharm,
helv. IV), die Butterrefraktometerzahl (bei 15,5) 66,9 — 69,2 Skalenteile (Schweiz.
Lebensmittelbuch: Refraktionszahl [bei 40''] 53 — 55). Die Fettsäuren zeigen den Er-
starrungspunkt bei 17 — 24,6'', Schmelzpunkt bei 19 bis 31", die Jodzahl 86,1 bis
90,2 (die flüssigen Fettsäuren haben die Jodzahl 92,8 bis 104,2). Das elektrische
Leitvermögen ist weit geringer als das aller anderen Öle (675 mal kleiner als das
des sonst schlechtest leitenden Öles, Rousseau). Man bestimmt es mit dem Pal-
MiERi sehen Diagometer. Der Entflammungspunkt liegt bei 240* (Rakusin). Es dreht
rechts (Thurston). Olivenöl neigt wenig zum Ranzigwerden. Beim Ranzigwerden
nimmt die Verseifungszahl zu, die Jodzahl ab (Ryan und Marschall).
Das Unverseifbare beträgt 0,46 — 1,62 "/(,, meist weniger als i "/g. Es ist vor-
nehmlich Phytosterin (Bömer, Soltsien, Gill und Tufts), von Beneke 1862
hier gefunden, daneben findet sich ein un verseif bares Öl, Ampelosterin (Sani).
Olivenöl ist der Typus der nichttrocknenden Öle. Es gibt daher bei der Maumene-
probe und der Bromthermalreaktion die geringste Temperaturerhöhung (Lewkowitsch).
Der bittere und herbe Geschmack einiger Öle rührt von Eugenol, Catechin, Gallussäure,
Tannin und einem unbekannten BitterstoflTe her (Canzoneri). Kupfer scheint ein nor-
maler Bestandteil des Olivenöls zu sein. Kupfern der Bäume erhöht den Gehalt
(0,5 mg pro kg Öl) an Cu nicht (Passerini).
Neuerdings wird auch aus Olivenkernen, d. h. den noch in der Steinschale einge-
schlossenen Samen Ol (Olivenkernöl, huile de noyaux d'olive, olive kernel oil, olio di noccioli
d'oliva) gepreßt bzw. extrahiert. Das Ol enthält 10% feste Fettsäuren, unter denen Palmitin-
säure und Stearinsäure, aber keine Arachinsäure sich findet. Oliventrester enthalten in % im
Durchschnitt: Wasser 8,38, Stickstoffsubstanz 8,25, Fett 15,25 (nach DecüGis bis 29,15), in
Zucker überführbare Substanz 13,59, sonstige stickstofffreie Stoffe 14,92, Rohfaser 37,05, Asche
2,56, Alkoholextrakt 2,46.
Lit. Beneke (Phytosterin), Studien, Gießen 1862. — Klein, Zeitschr. angew. Chem.
1898, 848 u. 1900, 635 u. 904. — TOLOMEI, Atti Real. Accad. d. Lincei 1896. — BouR-
QTJELOT ET ViNTiLESCo, Journ. pharm, chim. 1908, 303 u. 1910, 292. — Power und Tutin,
Oleuropein. Pharm. Journ. 1908. — KÖNIG, Nahrimgs- u. Genußm. (dort weit. Lit.]. — Ol:
Hehner und Mitchell, Analyst 1896, 328. — Archbutt, Journ. Soc. Chem. Ind. 1897,
311. — Hazura und Grüssner, Monatsh. f. Chem. 1888. — Holde und Stange, Mitt. d.
Techn. Vers. Anst. Berlin 1901 und 1902. — DuG.\ST, L'industrie oHicole 1904. — Sani, Att. Acc.
Line. 1900 und Staz. sperim. agrar. ital. 1902, 701. — Beneke, Studien, Gießen 1862. — Gill und
TxTFTS, Journ. amer. chem. soc. 1903, 498. — Soltsien, Zeitschr. ö£fentl. Chem. 1901, 184. — Bömer,
Zeitschr. Unters. Nahrra. 1898. — Skala, Staz. sperim. agrar. ital. 30 (1897), 613. — Lewko-
witsch a. a. O. (dort die Lit.). Benedict-Ulzer, Analyse d. Fette. 5. Aufl. 1908 (dort weitere
Lit.). — Zahlreiche Aufsätze in der Chem. Rev. der Fett- und Harzindustrie der letzten Jahre.
— Hartwich und Uhlmann, Nachweis fett. Öle durch mikrochem. Verseif. Arch. Ph. 1903,
II. — Russell W. Moore (Best. d. freien Fetts, im Olivenöl). Chem. Zeit. 1900, Rep. 122,
— Bach (Einfl. von Denaturierungsmitteln), Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1897, 169. — Rakusin,
Entflammungspunkt. Chem. Zeit. 1905, 690. — Thurston, Mercks Rep. 1907. — Lefeldt, Ber.
pharm. Ges. 1906. — Jodzahl: Thomson und Dunlop, Analyst. 1906. — Helfenberger Ann.
1905. — Bachmann, Proc. Minnes. Ass. 1907. — Baudouins Reaktion: Evans Sons Lescher
()2 2 Nichttrocknende Öle.
und AVebb, Analytical Notes 1906/07. — Licht: Droste, Apoth. Zeit. 1907. — Cu in Olivenöl:
Braithwait, Pharm. Journ. (3) 18, 12 und Passkrini, Cliem. Centralbl. 1906, II, 541. Year
book 1007, 116. — Canzoneri, Gazz. chim. it. 27, II, i.
Über algerische Olivenöle vgl. Archbutt, Journ. soc. ehem. ind. 26 (Chem. Rev. 1907,
200. 190S, 19 und DUGAST, Zeitschr. angew. Chem. 1904, 821. — Millian (tunesische Öle).
Zeitschr. Nahrungsm. 1904, 586. — Guozdenoviö (dalmatin. ()!). Zeitschr. Nahrra. Hyg. 1897, 181.
Ahrens und Hett, Über marokkanisches Ol. Zeitschr. öflfentl. Chem. 1903, 284. — Tolman
u. MUNSON (Califom. Olivenöl). Journ. am. chem. soc. 1893 und 1903, 956. — Moerk (Ver-
schied. Öle), Am. journ. pharm. 1889.
Über die Bestandteile der Blätter und der Rinde vgl. Power und TUTIN, Constit. of
olive bark und C. of olive leaves. Transact. Chem. Soc. 1908.
Verwendung. «Zwei Flüssigkeiten gibt es», sagt Plinius (XIV, 150), «die dem mensch-
lichen Körper angenehm sind, innerlich Wein, äußerlich Öl» und auch der hundertjährige PolliO
ROMILIUS und der die 100 Jahre überschreitende Philosoph Demokrit erhielten sich durch
Wein, Honig und Öl so lange gesund. Die Lampe der Stiftshütte, wie die vor dem Bilde
der Athene wurde ebenso mit Olivenöl gespeist wie heute die ewige Lampe in St. Peter in
Rom. Mit Olivenöl wurden alle Könige gesalbt von SaOL und CHLODWIG bis auf unsere Tage,
und die letzte Ölung haben mit ihm unzählige Menschen erhalten. Für viele Millionen ist im
Mittelmeergebiet seit dem Altertum bis heute die Olive und ihr Öl unentbehrliches Nahrungs-
und Genußmittel, für viele Gegenden wichtigster oder gar einziger Exportartikel. Überall wo
die Olive vorkommt, wird das meiste Öl im Lande selbst verbraucht.
Olivenöl wird in der Medizin als einhüllendes Mittel bei Magen- und Darmentzün-
dungen, Vergiftungen usw., zu medizinischen Ölen, Salben, Linimenten, Seifen und Pflastern
verwendet. Im Var dienen die Oliventrester als Schweinefutter. Außer zur Ölbereitung, zu
der allgemein kleinfrüchtige Sorten herangezogen werden, werden die Oliven, besonders
die großfrüchtigen. auch zur Herstellung der sog. Salzoliven benutzt, die eine beliebte
Zuspeise sind (s. oben). Auch das Olivenholz ist wegen seiner schönen Zeichnung sehr
geschätzt. Olivenhonig erwähnt schon Dioskurides (I, Cap. 37, jtEQi iXaiOfitXiToq).
Verfälschungen. Olivenöl wird mit Sesamöl, Rüböl, Nußöl, Baumwollsamenöl,
Mohnöl, Arachisöl (mit Arachisöl verfälschtes Olivenöl ist als Nut sweet oil im
Handel) und Schmalzöl (dem flüssigen Teile des Schweinefettes) verfälscht, neuer-
dings auch mit Mineralöl, das mit Methylazodimethylanilin gefärbt war (Cutolo 1910).
Man achte auf die oben (S. 620) angegebenen Konstanten! Alle zur Verfälschung
des Olivenöls benutzten Öle haben höhere Jodzahlen. Olivenöl färbt sich nicht mit
HNO3 spez. Gewicht 1,4, gibt zumeist weder die Bellier-, noch die Bau-
DOüiN-, noch die Allen-, noch die Soltsien-, noch die HALPHEN-Reaktion. (Wei-
teres bei Lewkowitsch a. a. O.) Bei tunesischem Olivenöl tritt aber bisweilen die
BAUDOUiNsche Reaktion ein (Marcille 1909), — auch bei italienischen Ölen be-
obachtet (Behre) — die Färbung verschwindet aber meist rasch (Zega und Todo-
Rovic). Auch die Kreis sehe Phloroglucin-Salpetersäure-Reaktion tritt bei Olivenöl
bisweilen schwach ein (Dietze). Dagegen ist bisher kein Olivenöl beobachtet, das die
Soltsien sehe Zinnchlorür- Reaktion (Zeitschr. f. öfientl. Chem. 1897, 63) gab (Behre).
Zu beachten ist auch, daß Belliers Reaktion nur bei frischen Samenölen eintritt
(Soltsien erhielt sie auch einmal bei Palm- [Fruchtfleisch-] öl).
Die tropischen Öle der Cocos- und Olpalme, von Sesam und Arachis beginnen
das Olivenöl zu verdrängen, namentlich seit i9o8|og eine Olivenmißemte in Italien
eintrat. Selbst der D. A. V ersetzt das Ol. olivarum commune durch Ol. arachidis und
Sesami. Doch ist der Name «Olivenöl» auch nach den Beschlüssen des internatio-
nalen Kongresses zur Unterdrückung von Nahrungsmittelfälschungen 1909, der die
Namen «bestes Speiseöl» und «feinstes weißes Tafelöl» auch für mit Baumwoll-,
Fructus Olivae und Oleum Olivae. 623
Erdnuß- oder Sesamöl versetzte Olivenöle freigab, nur für das Öl der Olive reserviert
worden. Neuerdings (1909) wurde reines Baumwollöl (Barnard) und reines Sesamöl
(RiCKLE und KuRTz) als «Olivenöl» im Handel angetroffen. Das sog. «Javaolivenöl»
stammt von einer Sterculia (Kreis).
Lit. Prüfung des Olivenöls bei Benedict-Ulzer und Lewkowitsch. — Tolman and
MUNSON, Olive oil and its Substitutes. U. S. Dep. Agric. Bur. ehem. Bull. 77, 1903. — ToR-
TELLl und RuGGERr, Meth. z. Nachw. von Baumwollsamen-, Sesam- und Erdnußöl im Olivenöl.
Chem. Zeit. 1898, 600. . — Biarez (Nachweis von Arachisöl im Olivenöl). Cham. Centralbl. 190",
I, 767. — Marcille, Ann. d. falsific. 1909, 224. — Dietze, Pharm. Zeit, 1909, 260. — Behre,
Pharm. Centralh. 1907, 489. — Sesam und Leinöl: Ridgely, Oil, Paint and Drug Rep. New
York 1907. — Arachisöl: Blarez, Bull. soc. pharm. Bord. 1906, 295. — Cottonöl: BarnaRD,
Rep. Indiana Bd. Health 1906, 294. — Späth, Süddeutsch. Apoth. Zeit. 1906, 136.
Geschichte. «Der Ölbaum gehört zu den Erziehern der Menschheit zu höherer Ord-
nung» (Th. Fischer). «An ihm haftet die Poesie der menschlichen Kultur. Wenn man unter
einem grauen Ölbaume am Meeresstrande sitzt, wird man in das fromme sonnige Morgenland
entrückt, wo unsere Phantasie zu Hause ist, seitdem uns die Mutter die Bilderbibel aufschlug
und vom Ölberge in Jerusalem erzählte. Und wieder rauscht aus diesem Baume die Poesie der
Hellenen und die Weisheit der Minerva und sie versetzt uns in das Land des HoMER, des
Pindar und ÄscHYLUS und unter die Musen und Götter des Olymp. Ein christlich-hellenischer
Baum ist der Ölbaum, ein doppelt heimischer» (F. GregorovidsI Der Ausgangspunkt der
Olivenkultur ist unbekannt (Kilikien?, Syrien?). Die orientalischen Völker haben aus ihm eine
Kulturpflanze gemacht. In das Mittelmeergebiet wurde die domestizierte Olive vom Osten her
eingeführt. Die Kultur der Olive hat sich auf der Linie Ägypten Syrien-Kleinasien-Griechenland
verbreitet (Schrader). Engler und Schrader nehmen an, daß sich der wilde Ölbaum über
das Mittelmeer verbreitete, bevor er domestiziert wurde. Ölbaum, Feige und Weinstock waren
im Altertum die Sinnbilder des Wohlstandes und Glückes. Nach MaSPEro soll der Ölbaum in
Ägypten seit den ältesten Zeiten sich finden, da sein Name schon in Texten der VIII. Dynastie
erwähnt wird (?). Er scheint dorthin frühzeitig gekommen zu sein. Auf Inschriften wird er
(I, S. 468) als bek, bek-t, beka, baka erwähnt und ist auf Denkmälern dargestellt, z. B. auf dem
Gartenplane zu Tell-el-Amarna aus der XVIII. Dynastie (WÖNIG, Fig. 154). Ölblätter sind in
Stirnkränzen (um 1000 v. Chr., WöNiG, Fig. 117 a) und auch sonst in ägyptischen Gräbern oft
gefunden worden, Öl (mrht) wird sehr häufig in Rezepten, z. B. des Papyrus Ebers, erwähnt.
Ölamphoren fanden sich in den Vorratskammern der Villen und ihr Bild als Hieroglyphe be-
deutet sowohl Flüssigkeit wie Wohlgeruch. Das Öl wurde zu Speisen, zum Salben und als Opfergabe
benutzt, zu den gleichen Zwecken diente es den Juden des alten Testamentes. (Über Salböl vgl.
I, S. 1014.) Sehr lange bekannt ist der Ölbaum in Syrien, auch in Palästina ist er uralter Besitz.
Die Juden fanden ihn vor, als sie nach dem gelobten Lande zurückkehrten, und auch die Öl-
gewinnung ist dort uralt und war so umfangreich, daß die Phönikier zur Zeit SaxoMOS einen Teil des
als Nahrung, als Brennstoff, zum Opfern und Salben benutzten Öls exportierten. Auch das Pfropfen
der Olive auf den Oleaster war schon damals bekannt, der Ölzweig No.^HS das Symbol des Friedens.
Palästina besaß umfangreiche Olivenhaine und das gewonnene Öl war vorzüglich. Auch die Sumerer
bedienten sich seiner vielleicht schon (I, S. 467). Dagegen scheint in Babylonien ganz allgemein das
Sesamöl das Olivenöl ersetzt zu haben (vgl. oben S. 551 u. 577). Bei den Griechen war die Olive
der heilige Baum der Athene, der Baum, den sie aus einer eingestoßenen Lanze auf der Akro-
polis hatte hervorsprießen lassen. Sie erscheint denn auch auf zahlreichen Münzen mit einem
Olivenkranz oder einem (.)lbaum. Wer eine dem Staate gehörige Olive ausgrub oder beschädigte,
konnte wegen Gottlosigkeit belangt werden. Der Ausgangspunkt der Olivenkultur in Griechen-
land scheint' also Athen gewesen zu sein. Dort fanden sich die der ATHENE heiligen (loglai.
Nächst Attika war Sikyon die olivenreichste Landschaft Griechenlands (die Olive hieß denn
auch sicyonia bacca). ÄsCHYLUS nennt die Insel Samos iXaiocpiTOg, Thales erwähnt auf Milet,
Chics und Delos Olivenhaine. Auf Santorin wurden im Tuff Bauholz aus Oleaster und Ölpressen
aus der Zeit vor 2000 v. Chr. gefunden (FouQUi:) und in Mykenä Olivenkeme aus der gleichen
Zeit (TsuNTAs, SCHLIEMANN bei Hehn, Schrader). In den homerischen Gesängen wird Oleaster
(xoTivog) und Olivenöl oft erwähnt, sowie der Ölbaum, der schon damals in Griechenland viel
kultiviert wurde (ILIAS XVH, 53 — 55). Das Öl spielte in der Technik der homerischen Linnen-
6^4 Niclittrocknende Öle.
Industrie bereits eine Rolle. Die Kullur der Olive kam also in vorhomerischer Zeit nach Griechen-
land ^SCHRADE]^'). Schon auf den Vasen ältesten Stils finden wir die Olivenernte dargestellt. Zu
Strabos Zeit gab es an Kleinasiens Nordküste große Olivenpflanzungen. Die Phönikier,
welche das Olivenöl zu einem Gegenstande des Welthandels machten, brachten den Ölbaum
nach Tunis und Tripolis und vielleicht auch schon nach Sizilien (Hkhn), die Griechen nach
Barka, Sizilien, Unteritalien, in die Provence und die Kyrenaika. Nach Italien kam der Ölbaum
zur Zeit des T.^rquinius Priscds von Griechenland — aus griech. iXalj^a wurde oliva, aus
iXai^o%' oleum, aus ußö^yt] («Hefe» des Olivenöls) amurca, aus medizinische Ricinusöl» wird stets aus geschälten Samen dar-
gestellt. Die Samen werden durch Walzen, welche so eingestellt sind, daß nur die
Schalen, nicht aber der Kern zertrümmert wird, von den Schalen befreit und die
Schalentrümmer durch einen Luftstrom entfernt. Das Öl wird durch Aufkochen mit
Wasser raffiniert. Hierbei wird das etwa in das Öl übergetretene Enz3'm zer-
stört. Ein so raffiniertes Öl hält sich jahrelang, ohne sauer und ranzig zu werden
(Lewkowitsch).
Handel. Der Großhandel unterscheidet erste und zweite Pressung. In Indien
wurden schon 1889 36 Mill. Liter Ol gewonnen, davon wurden aber c. 9 Mill.
im Lande verbraucht. Viel Öl wird in Amerika dargestellt und auch Rußland
bringt jetzt große Mengen Ricinussamen hervor und preßt auch viel Öl (1906 war
kaukasisches Öl im Handel). Im deutschen pharmazeutischen Großhandel sind jetzt
besonders italienisches, dann französisches und amerikanisches Ricinusöl. Die letz-
teren haben einen unangenehmen Geschmack. Das italienische wird bevorzugt. Da-
neben findet sich aber indisches, brasilianisches, javanisches Öl.
Im Handel unterscheidet man in Italien (nach Ravasini") folgende Sorten:
Zu pharmazeutischen Zwecken:
a) daß aus italienischen Samen gewonnene Öl erster Pressung, welches die beste Quali-
tät darstellt, wird als: <'01io di ricino fiore d'Italie» bezeichnet; davon sind
zwei Sorten «Speciale>~ und «Extra» im Handel;
b) das aus ausländischen Samen erhaltene Öl erster Pressung heißt: «Olio di ricino
prima pressione»; gute Sorte. Findet sich auch unter dem Namen «Olio de
ricino fiore indiano im Handel.
Zu technischen Zwecken:
a) eine bessere Sorte: «Olio ricino commune» und
b) eine schlechtere Sorte: «Olio ricino per uso industriale? oder <. Olio ricino
per le arti ».
Dies italienische Ricinusöl zu pharmazeutischen Zwecken kommt in viereckigen Blech-
kanistern ä 5, 10 und 20 kg Inhalt in Handel, Das zu technischen Zwecken gebrauchte ent-
weder in Kisten mit je zwei Blechkanistern h 18 kg Inhalt oder in Fässern (Barrels) ä c. 180 kg.
Grossmakn unterscheidet: Ol. ric. med. extra prima weiß «Creme» (das teuerste), in
Kisten ä 4 Kan. ä 20 kg, dann prima weiß, dies auch in Barrels von c. 180 kg. Dann: erste
Pressung und zweite Pressung.
Ricinussamen kommen besonders aus Calcutta, Bombay, dem Senegal, Italien,
der Levante und Amerika in den Handel. Von den indischen geht viel nach Italien
(Dymock). Sie sind zurzeit ein großes Spekulationsobjekt, so daß die Preise stark
schwanken.
Marseille ist Hauptmarkt für Ricinussamen (1895 gelangten dorthin 22672 t). British
Indien exportierte Castor oil nachEngland und Kolonien 1907/08 : i 485431, 1908/09: i 076692gall.,
nach anderen Ländern 1907/08: 23114, 1908/09: 23275 gall. Italien exportierte 1909: 56 und
importierte 1909: 126684 quint semi di ricino und exportierte 1907: 5391, 1908: 3454, 1909: 2292,
1910: 4766 quint. olio di ricino. Deutschland importierte 1909: 80990 dz Ricinussamen
aus Brit. und Nied. Indien und 84 934 dz Ricinusöl besonders über Belgien und Großbritannien,
etwas auch aus Italien. Hamburg importierte 1908: 63482 dz Ricinussamen, davon stammten
56233 aus Brit. Ostindien, 6446 aus Nied. Ostindien, nur wenig aus Ostafrika. Hamburg im-
portierte 1908 seewärts: 34660 dz Ricinusöl. Davon kamen aus Großbritannien: 25664,
Belgien: 6076, Frankreich: 2451, Italien: 234, den Niederlanden: 229. Die Einfuhr von Castor
oil nach London betrug 1906: 767, 1907: 827, 1908: 317, 1909: 178 casks und 1906: 1040,
Semen Ricini und Oleum Ricini. 63 I
1907:949, 1908:828, 1909: 599 cases. (1897 importierte England 155850 cwts Castor seeds aus
Frankreich, Indien, Belgien und Italien.) Frankreich importierte 1908 huile de ricin et de
pulghfere 10032 Quint. Nordamerika importierte 1896 : 22 890, 1 909 aber nur 6847 gall. Castor oil.
Lit. Schulte im Hofe, Fabrik, u. Verwend. v. Ricinusöl in Indien. Apoth. Zeit. 1900,
824. — AiNSLiE, Mat. med. I, 256. — Watt, Dict. econ. prod. Ind. — Pharm. Zeit. 1904,
1052. — Wright, Med. pl. of Jamaica, London med. journ. 8. — • Vorderman, Castorolie-
Fabricage op Java. Teysmannia 1S94, 713.
Morphologie des Samens. Die Samen sind von sehr verschiedener Größe und
sehr verschiedener Farbe. Selbst bei derselben Varietät finden sich Spielarten mit
großen und kleinen Samen. Die Länge der Samen schwankt von g — 22, die Breite
von 6 — 15, die Dicke von 4,5 — g mm. Die größten sind die vom Kongo und die
Sansibar. Die medizinalen Samen messen meist 4,5 : 6 : 9 mm, gehören also zu den
kleinsten. Das Gewicht von 100 Samen beträgt 11,8 — 107 gr, das Gewicht des Kerns
beträgt 60,8^ 80,6 "/q (Bruyning). Am häufigsten ist bei den medizinalen Samen die
Grundfarbe ein gesprenkeltes Silbergrau, in welches unregelmäßige, nicht sehr breite,
längsgestreckte, rotbraune Flecke eingestreut sind. Die Variationen kommen besonders
dadurch zu stände, daß entweder die grauweiße Grundfarbe prävaliert und die Flecke
zurücktreten oder umgekehrt die braunen Flecken, die in allen Nuancen des Braun
bis zu Schwarz vorkommen, die Oberhand gewinnen, in wenigen großen oder zahl-
reichen kleinen Flecken auftreten, ja ganz die Grundfarbe verdrängen. Der Same ist
ellipsoidisch, etwas plattgedrückt, an der Bauchseite bisweilen zugeschärft. Er trägt
an der Spitze eine helle, mützchenartige Caruncula. Die Samenschale ist spröde und
brüchig, glänzend und glatt. Das reichlich entwickelte, weiße, ölig-fleischige Endosperm
zerfällt leicht in zwei Hälften. Innen liegen ihm die beiden dünnen, geäderten, blatt-
artigen Cotyledonen auf.
Anatomie. Das hemianotrope Ovulum hat zwei Integumente. Eine große Funi-
cularwucherung (Obdurator) legt sich über die Mikropyle. Durch reichliche Vermehrung
des Gewebes an der Chalaza entsteht eine becherartig den Embr}'osack umfassende,
von Gefäßbündeln durchzogene Wucherung, die den Nuceilus nach oben schiebt, ein
Pseudonucellus (Schlotterbeck). Aus dem äußeren Integumente gehen drei Schichten
hervor: die aus polygonalen Zellen bestehende Samenschalepidermis, deren Außen-
wand mit unregelmäßigen zentripetalen, «gekröseartigen» (Moeller) Verdickungen
versehen ist und die bei den gefärbten Stellen der Samenschale den Farbstoff' führt,
ein 4 — 6 reihiges, reichdurchlüftetes, aus sternförmigen Zellen bestehendes Schwamm-
parenchym, in dem das Raphebündel zur Chalaza läuft und eine Reihe etwas palis-
sadenartig gestreckter, dünnwandiger, c. 20 mik hoher Zellen, deren Seitenwände bis-
weilen wellige Verbiegungen zeigen. Aus dem inneren Integument geht zunächst die nun
folgende breite, außerordentlich harte Makrosklerei'denschicht hervor, die aus stark
radial gestreckten, radial oder schief radial gestellten, miteinander verzahnten, bis
200 mik hohen, 8 — 15 mik breiten (Moeller) Palissadensklereiden mit dicker, brauner,
verholzter Wand besteht, sodann die Nährschicht. Diese besteht beim unreifen Samen
aus einem aus sehr zahlreichen Zellreihen aufgebauten, reich durchlüfteten Gewebe,
das aber beim reifen Samen ganz zusammengefallen ist, aber Oxalatkristalldrusen und
nadeiförmige, oft sternförmig vereinigte Fettkristalle enthält (Collin-Perrot) und das
die zahlreichen Bündelchen führt. Es ist dies die sich als weißes Häutchen leicht
vom Samenkem ablösende innere Samenhaut der Autoren. Ihre Zellen enthalten oft
Calciumoxalat und auch wohl Fett. Löst man die harte Schale von einem reifen
Samen vorsichtig ab und legt den Kern in Phloroglucinsalzsäure, so sieht man, daß
032
Nichttrocknende öle.
das \on der Chalaza ausgehende reichverzweigte Bündelnetz nicht bis ganz zur Spitze
reicht, der oberete Teil also nicht von der Chalazawucherung umschlossen ist. Da
der echte Nucellus ganz resorbiert wird, so liegt hier
nur Endosperm (Schlotterbeck). Der Obdurator ist
beim reifen Samen durch die Caruncula ganz verdrängt.
Sein Gewebe besteht aus reichgetüpfelten, bisweilen
Stärke führenden Zellen. Die Zellen des reichlich aus-
gebildeten, die Hauptmasse des Samens ausmachenden
Endosperms sind dünnwandig und enthalten, in 01-
plasma eingebettet, zahlreiche längliche oder kugelige,
meist 7,5 — 15, selten bis 20 mik große Aleuronkörner
(Fig. 196), die außer Grundsubstanz meist i — 2 wohl-
ausgebildete Kristalloide und ein großes oder mehrere
^. , kleinere Globoide enthalten (Lüdtke).
Flg. 196. ^ '
. , ... j T> • • Die Kristalloide der Aleuronkörner von Ricinus
Aleuronkörner des Ricinus-
sind unlöslich in Wasser, i "L Kochsalzlösung, I und 1; °/i>
Samens. ' 10 &> j /o
A in surkem Glj-ccrin, B in verdünntem """l ''°°^- Magnesiumsulfat, 1 "/„ Und konz. Ammonsulfat,
Glycerin, C in Glycerin env-ärmt, D nach I % Chlorammon, 2o"/„ Kaliummonophosphat, konz. Dinatrium-
Behandeln mit Jodtinktur und Schwefel- phosphat, löslich in I0°/o Kochsalz, 20% Magnesiumsulfat,
säure, das Ölplasma ist zurückgeblieben, ^^o, Ammonsulfat, 10 und 20«/„ Chlorammon. Kalkwasser
[Xach Sachs] ■" < 10 ■
und Salzsäure. Die Grundsubstanz löst sich in Wasser
und allen übrigen verdünnten Salzlösungen. Die Globoide sind unlöslich in Wasser, 1 7o
Kochsalz, I ",„ Magnesium Sulfat und Kalkwasser, sonst in Salzlösungen im allgemeinen leicht
löslich, sehr schwer in konz. Magnesiumsulfat (Tschirch und Kritzler).
Die innerste Schicht des Endosperms besteht aus der Quellschicht (Tschirch).
Die nur 130 mik dicken Cotyledonen sind breit blattartig und den Innenseiten des
in der Mitte gespaltenen Endosperms mit breiter Fläche fest angefügt. Sie enthalten
in dünnwandigen Zellen Aleuronkörner, die sehr viel kleiner als die des Endosperms,
oft nur I mik, meist jedoch 2 — 4 mik lang sind. In den Procambiumsträngen, die
als zartes Ademetz die Cotyledonen durchziehen, sind die Aleuronkörner noch
kleiner. Ober- und Unterseite ist bei den Cotyledonen nicht different ausgebildet. Da
beim Verfüttern der Preßkuchen wiederholt Vergiftung beobachtet wurde, ist der
mikroskopische Nachweis von Ricinuskuchen oft erwünscht.
Lit. Gris, Note sur le devel. d. 1. graine du Ricin. Ann. sc. nat. (4) 15 (l86l) 17 (1862)
und (5) 2 (1864). — Harz, Landwirtsch. Samenkunde. — Pammel, Seed coats of the Gen.
Euphorbia. Shaw School of bot. 1891, 543. — G. Keyser, Beitr. z. Entwicldungsgesch. d.
Samendecken bei d. Euphorb. m. bes. Berücks. v. Ricin. commun. Ber. d. pharm. Ges. 1892
(dort die Lit.). — Schlotterbeck, Beitr. z. Entwicklungsgesch. pharmakogn. wicht. Samen.
Dissert. Bern 1896 (mit vielen Abbild.). — Lüdtke, Aleuronkörner. Ber. d. pharm. Ges. 1891,
58. — Gram (Samensch. d. Euphorb.), Bot. Tidskrift 1896, 358. — CoLLiN, Tourteau de Ricin.
Journ. pharm, chim. 1903, 361 u. Guide prat. 1893. — BÖHMER, Kraftfuttermittel 1903, Öl-
kuchen in Dammers Lexikon 1887 und in König, Landwirtsch. wicht. Stoffe 1891. — T. F.
Hakausek in Wiesner Rohstoffe. — Sachs, Lehrbuch (Aleuron). — Tschirch, Angew. Ana-
tomie, Fig. 36. — TiCHOMiROW, Lehrbuch 1900. — VoGL, Kommentar 1892. — Moeixer,
Mikroskopie II. Aufl., Fig. 348 — 350. — Preßkuchen: Collin-Perrot, Resid. industr., Fig.
14 u. 15.
Chemie. Die Zusammensetzung der ungeschälten Samen ist im Durchschnitt
in *|o: Wa.sser 6,46, StickstofTsubstanz 18,75, Fett 51,37, stickstofffreie Extraktsubstanz
1,5, Rohfaser 18,1, Asche 3,1 (König).
Semen Ricini und Oleum Ricini.
633
SCHÄDLER fand in geschältem italienischem {und indischem) Samen in %• Öl 52,6(55,2),
Eiweiß 20,5 (19,3), Zucker 2,1 (2,2), Asche 2,9 (3,4), Wasser 8 {7,3). Die Samenkerne
(und Schalen) enthalten in °/'|, (nach Maillot); 0152,2 (o), sonst in Alkohol und Äther löslich
4,2 (10,4), Eiweiß 26,6 (15,3), Zucker 2,2 (0), Rohfaser 5,7 (59,6), Asche 2,4 (3,r), Wasser 4,4
(10,5). Fleury fand (1865) im Samen 3,237„ N. (= 20% Eiweiß), 46,6% Öl, 2,2% Zucker
und Schleim, l8°/o Cellulose.
Die Preßkuchen zeigen folgende Zusammen-
setzung:
Johnston
Amerikan.
Ricinus
Decugis
aus ganzen aus geschälten
Samen Samen
Wasser . . . .
2.54
18,20
27,00
\ 43.42
6,14
4,32
2,04
9.85
5.25
20,44
49.44
15,02
3,67
1,62
10,38
8,75
46,37
24,00
10,50
7.42
2,26
Fett .
Nicht stickstoffhaltige Substanz
Rohfaser
Asche
StickstoiT
Phosphorsäure
Die Eiweißkörper bestehen aus viel Globulinen, wenig Albumin, Nucleo-
albumin und Glykoprotein (Taylor, Osborne, Mendell und Harris).
Nachgewiesen ist z. B. das Globulin, Edestin (Osborne und Campbell) (= Conglutin
C = 51,65, H = 6,89, N = 18,75, O ^ 21,86, S = 0,85 "/o), das durch Chlornatrium nicht,
wohl aber durch Magnesiumsulfat vollständig gefällt wird und bei der Dialyse oktaedrische
Kristalle oder Sphäroide gibt. Es ist auch in vielen anderen Samen (Hanf, Lein, Kürbis, Baum-
wolle, Cocos, Weizen, Roggen, Mais) gefunden worden. Die Kristalloide der Aleuronkörner
bestehen aus einem Globulin, die Globoide enthalten ebenfalls ein Globulin, daneben aber, oder
damit verbunden, das Ca-Mg-Salz einer gepaarten Phosphorsäure, die Grundsubstanz neben einem
Globulin wohl auch Albumosen (TsCHlRCH und Kkitzler). In den Kein.pflanzen : Asparagin,
freie Fettsäuren, aber kein Glycerin, viel Zucker, Pepton (Green), in den etiolierten
Keimpflanzen Glutamin (Schulze).
TussoN isolierte 1864 aus den Samen das krist. Ricinin. Es enthält Stick-
stoff, ist aber kein Alkaloid. Wayne fand es auch in den Blättern; Schtjlze in den
Keimpflanzen (Schulze nennt es Ricidin). (Werners Ricinin war etwas anderes,
nämlich das Magnesiumsalz einer organischen Säuie.) Das Ricinin (nach Soave:
CijHigN^04 F. = 194", nach Evans = C,2Hj3Ng03i) bildet bitterschmeckende,
sublimierbare, optisch aktive, neutrale, wasserlösliche Kristalle, die keine Alkaloid-
reaktionen geben, wohl aber die WEiDELsche und die Murexidreaktion. Maquenne
und Philippe fanden es zu o,2''|g in den Preßkuchen (F = 201,5''). Es erwies sich
als ein Pyridinderivat von der Formel CgHgNjO,. Es zerfällt folgendermaßen:
HC
NH
CH„
\.
C . COOCH,
-j- alkohol.
KOH
-^
HC C
NH
O
CH„
Ricinin
Ricininsäure
C.COOH
+ rauch. HCl
bei 150°
->
CH
HC
I
,. C
C(OH)
I
CH
H
Metbyloxypyridon
Es ist giftig (Soave; Cörnevin bestreitet 1897 die Giftigkeit), besitzt aber keine ab-
führenden Eigenschaften (Dey). Vom Ricinin ist im Samenkern 0,03 "j^, in der Samen-
haut das fünffache enthalten. In grünen Ricinuskeimpflanzen war die Menge des
Ö34
Nichttrocknende Öle.
Ricinins auf das zwölffache, in etiolierten auf das fünfzehnfache gestiegen. Etiolierte
Keimpflanzen enthalten 2,45 "/g, grüne 1,33 *'/o Ricinin (Schulze und Winterstein).
Ricinin wird auch in den Schalen (zu 1,5 "/oo) angegeben (Soave).
Das Vorkommen von Amygdalin bedarf der Bestätigung.
In den reifenden Samen sind proteolytische und lipolytische Enzyme
gefunden worden (Green, Nicloux). Reifer Ricinussamen enthält eine sehr
kräftige, zur Fettspaltung technische Verwendung findende (D. R. P. 145413)
Lipase (Coxnstein, Hoyer und Wartenberg; noch wirksamer ist übrigens Chelido-
niumlipase, Fokin), die in 24 Stunden QO^/q der Fette aufspaltet. Daneben werden
angegeben: Invertase und Maltase (Taylor), ein Labenzym (Bruschi), ein
diastatisches (Brasse) und tryptisches Ferment, sowie ein die Fettspaltung be-
schleunigendes säurebildendes Enzym (Hoyer). Die keimenden Samen enthalten ein
proteolytisches, dem Trypsin ähnliches, ein fettspaltendes und ein Labferment.
Diese sollen im ruhenden Samen als Zymogene enthalten sein (Green, Nicloux).
Bei der Keimung werden die Globuline und Albumosen des Samens in Peptone und
Asparagin umgewandelt. Im keimenden Samen sind neuerdings neben Milchsäure und
Essigsäure Katalase, Peroxydase und eine Reductase (Hydrogenase) gefunden
worden (Deleano). M. Nicloux schreibt die lipolytische Eigenschaft des Ricinus-
samens übrigens dem Cytoplasma («Lipasoidin») zu, nicht einem löslichen Enzym.
Lamy erhielt aber das Enzym in Lösung.
Die giftige Wirkung der Samen beruht auf einem Gehalte von etwa ^'^L
an dem To.xalbumin Ricin. 1889 fand Stillmark dies Ricin auf, das bereits
Bübnow und Dixson 1887 in Händen gehabt und Ricinon genannt hatten.
Stillmark extrahierte mit NaCl, fällte mit Magnesiumsulfat und dialysierte den
Niederschlag. Ricin ist enorm giftig, mit i g kann man i^j^ Mill. Meerschweinchen
töten (Ehrlich), 0,006 {= 10 Samen) töten einen Menschen (doch wirken schon
unter Umständen drei Samen giftig). Schon 0,002 mg der Substanz pro i kg Körper-
gewicht wirken bei Kaninchen, 0,04 mg bei Hunden tötlich (Osborne und Men-
del). Ricin ist ein agglutinierendes Toxin (Stillmark). Es bildet mit Abrin (in
Abrus precatorius) Crotin (vgl. S. 581), Curcin (Siegel, in Jatropha Curcas) Robin
(Power), und Phallin (in Amanita phalloides), sowie den GRESHOFFschen Urticaceen-
toxinen die Gruppe der pflanzlichen Blutagglutinine, d. h. der die BlutköqDerchen zur
Verklebung und Ausfällung bringenden Toxalbumine, die Kobert als Gemische eines
Albumins mit einem Globulin betrachtet. Es wirkt agglutinierend auf Frosch-, Säuge-
tier-, Menschen- und Vogelblut, nicht auf Fischblut. Es bringt Milch zum Gerinnen.
Verdauung im Brutschrank schwächt es nicht ab (Kobert). Die Angabe, daß Ricin
durch feuchte Hitze von 90" und trockene von 130" seine Giftigkeit verliert (Miess-
ner), ist nicht richtig (Mooser). Ricin nach der Phasindarstellungsmethode (Biochem.
Ztschr. 18 [1909] II, 549) bereitet, agglutiniert und enthält eine toxische Kompo-
nente, ist also ein Phasin. Aber das Phytotoxin (« Phytalbumose) Ricin, das erste
aus einer höheren Pflanze isolierte Proteid von toxalbuminartigem Charakter ist mög-
licherweise gar kein Eiweißkörper. Denn Jacobys durch tryptische Verdauung von
allen Eiweißkörpern befreites, keine Eiweißreaktionen mehr gebendes Ricin besaß noch
vollkommen seine Giftigkeit und die agglutinierenden Eigenschaften. Auch das reinste
Ricin ist noch ein Gemisch. Jacoby betrachtet es als aus Vollgift, Toxintoxoid und
Agglutinintoxoid bestehend. Ehrlich zeigte, daß sich das Ricin wie ein Bakterien-
toxin verhält, also im Körper die Bildung eines Antitoxins des Antiricins hervor-
Semen Ricini und Oleum Ricini.
635
ruft und daß man also durch Einverleibung von Ricin Immunität gegen Ricin erzielen
kann. Das Ricin spielt daher im Ausbau von Ehrlichs Seitenkettentheorie eine Rolle.
Das Antiricin des Immunserums ist ziemlich resistent gegen Wärme und Säuren.
Das Ricin war das erste Gift, welches man (durch Ehrlich) kennen lernte, das ein
Antitoxin im Blutserum erzeugt. Dann erst folgten Abrin, Crotin, Schlangengifte und
die Bakterientoxine.
Daß Ricinussamen giftig sind und schwere Magendarmentzündungen hervorrufen
können, ist seit langem bekannt. Beauvisage stellte 1894 die bekannten 155 Ver-
giftungsfälle zusammen. Aber auch die Preßkuchen sind unter Umständen giftig, da
außer der Hauptmenge der Lipasen auch das Ricin in ihnen zurückbleibt. (Ricin ist
in Ol unlöslich.) Aber Tiere sind sehr verschieden empfindlich gegen das Gift (vgl.
oben). Pferde z. B. vertragen bis loog der Samen (Bierbaum), ebenso sind Hühner
ziemlich ricinimmun. Auch kann man durch langsame Gewöhnung oder durch Ricin-
injektionen (Cornevin) die Tiere gegen Ricin immunisieren, da ja im Blute Antiricin
entsteht (Schafblutserura enthält sogar normal ein Antiricin) und so ist selbst die vor-
sichtige Verfütterung der an sich giftigen Preßkuchen, wenn man langsam steigende
Mengen gibt, ohne Schädigimg möglich (Kobert), freilich immerhin nicht ganz unbe-
denklich, so daß Nagel vorschlug, die Ricinuskuchen durch Ausziehen derselben mit
10 "/o Kochsalzlösung zu entgiften (Ricin geht in Lösung). Neuerdings wird übrigens
behauptet, daß bisweilen Vergiftungen mit Ricinuspreßkuchen durch Beimischung der
Preßrückstände anderer giftiger Samen zu stände kämen (? Bierbaum).
Der Nachweis, ob ein Preßkuchen Ricin enthält, kann auf biologischem Wege er-
bracht werden. log des Preßkuchen werden 24 Stunden mit 100 g Glycerin bei ^J" digeriert,
filtriert und mit Alkolioläther gefällt. Der Niederschlag wird gewaschen, getrocknet und mit
io°/o Kochsalzlösung eine Stunde digeriert, dann filtriert und auf200ccm verdünnt, i ccm der
Lösung wird mit 0,1 ccm Antiricinserum überschichtet und im Thermostaten gehalten. Bei An-
wesenheit irgendwie wesentlicher Mengen Ricin tritt sofortige Fällung ein, bei geringen Mengen
nach einiger Zeit, bei Abwesenheit von Ricin bleibt die Lösung klar (Mooser).
Maillot fand in den Schalen 0,5 "jg Gallussäure und in den Kernen i "jg
Äpfelsäure. Lösliche Pentosane enthalten die Samenkerne nicht, unlösliche sind
in den entfetteten 2,1 2" jf^ enthalten. Die unlöslichen Pentosane des Hemicellulosen-
rückstandes betragen 18, 2y''j^ der entfetteten Kerne. Die Samenschalen enthalten
i8,77*'|o Pentosane (Godet). Ferner enthalten die Samen c. z'^j^ Saccharose (E.
Schulze, Vallee, Gram) und Invertzucker (Green u. Jackson), Lecithin,
Bernsteinsäure (Gram), Gummi, einen Bitterstoff und nach Green und Jack-
son, die die saure Reaktion des Saftes darauf zurückführen, neben organischen Säuren
eine Spur freie Phosphorsäure. Die Asche der Kerne beträgt 2,1 — 3,6*'/q, die der
Schalen 3,1 — s"],, (Bruyning). Die Asche der ganzen Samen beträgt 3 — 4°!,). Sie
enthält 3i,9''jo Phosphorsäure und i9,8''/o Magnesia (Schulze u. Godet). Über die
Lokalisation der einzelnen Stoffe sind neue Untersuchungen nötig. Bemerkenswert ist,
daß Dierbach den «scharfen StofiT» als ausschließlich in der zarten weißen Sameir-
haut lokalisiert angibt, Boutron und Henry ihn im Eiweißkörper, JussiEU im Em-
bryo suchen.
Ricinussamen enthalten im Kern bis 64,5 '^/g Öl (Bruyning 1896). Der Öl-
gehalt der Kerne (und das spez. Gew. des Öls) differierten bei den einzelnen Varie-
täten. Sie betragen z. B. nach Peckolt bei var. microcarpus 56,17 (spez. Gew. 0,971),
var. genuinus 45,4 (0,970), var. badius 43,29 (0,962), var. brasiliensis 43,29 (0,963).
Greshoff fand bei Javasamen das Gewicht von 100 Samen 19,2 — 21,8 — 31g und
(jjf) Nichttrocluiendc Öle.
den Ölgehalt des Kems 50 — 58%, bei Senegalsamen 100 Samen 45,4 und 9,8 g
und den Ölgehalt 61 — 64*/o, bei Cura(;aosamen 100 Samen 9,5, Ölgehalt 62 "Ig (der
Kem betrug 70 — 78,2 "/q der Samen). In den ganzen Samen sind meist 45 — 53 "/^
Öl enthalten (Lewkom'ITSCIi). Je wärmer das Klima, um so größer der Ölgehalt
(SemlerV
Ricinusöl, Oleum Ricini (Ol. palmae christi, Ol. granae regiae, huile de ricin,
castor oil, lamp oil, olio di ricino, wonderolie, xixiviXaiov) ist sehr dickflüssig, fast
farblos und schwach gelblich mit einem Stich ins Grünliche; fast ohne Geruch, von
sehr eigenartigem, hinterher kratzendem Geschmack, der bei amerikanischen Ölen
stärker hervortritt als bei italienischen und französischen. Es trocknet nicht ein, selbst
wenn es in sehr dünnen Schichten der Luft ausgesetzt wird, sondern wird ausschließ-
lich eine zähe Masse. Nach dem Einlegen in konz. Kali, dem konz. Ammoniak zu-
gesetzt wurde, treten im Öltropfen sehr kleine Nadeln auf, ganz vereinzelt kleine
Sphärite (Hartwich und Uhlmann). Das Öl besteht aus einer geringen Menge
Tristearin (Mangold, Krafft), etwas, c. i^/q, Di(hydr)oxystearin (Juillard,
Haller, Dioxystearinsäure = Margaritinsäure, BussY und Lecanu) und Hydroxy-
stearin (Juillard) und vorwiegend (über So",',,) dem Glycerinester der Ricinol-
säure. Palmitin, Olein, Caprylalkohol (Bouis), Önanthylalkohol (Kolbe) fehlen,
Isoricinolsäure (Hazura und Grüssner) ist fraglich. Durch Alkoholyse mit Me-
thyl-, Äthyl-, Propyl- und Isobutylalkohol unter Zusatz von i — 2''|(, HCl konnte
Haller die Glyceride der Stearin-, Ricinol- und Dioxystearinsäure, nicht aber die
beiden isomeren Ricinoleine von Hazura und Grüssner erhalten. Es muß aber,
wie die Jodzahl zeigt, eine geringe Menge einer anderen ungesättigten Säure außer-
dem vorhanden sein. Die sich beim Erkalten zu 3 — 4 '•|q ausscheidende feste Masse
besteht aus Tristearin und Triricinolein. Die hydroxylierte Fettsäure (Dihydroxy-
stearinsäure) macht nur i % der Fettsäuren aus. Vielleicht ist auch etwas Sebacin-
säure darin. Amerikanisches Öl ist reicher an festen Glyceriden als indisches und
italienisches Öl. Die Elementarzusammensetzung des Öls ist: C = 74, H = 10,26,
O =:^ 15,71 (König). Bei der Elaidinprc )be liefert Ricinusöl eine weiße, feste Masse
(Ricinelaidin kristallisiert leicht).
Das Ricinusöl ist besonders durch sein hohes spez. Gew, sein Ver-
halten zu Lösungsmitteln, seine hoheAcetylzahl, niedrige Vers ei fungszahl,
konstante Jodzahl und seine große Viskosität charakterisiert. Von allen
Pflanzenölen besitzt es das höchste spez. Gew. und die größte Viskosität. Während z. B.
die spez. Viskosität (Schübler) beim Olivenöl bei 15" nur 21,6 beträgt, ist sie beim
Ricinusöl 203,3! Es gibt die HALPHENsche Reaktion nicht und läßt sich mit Traganth,
Kalkwasser, Casein und Seife emulgieren (Bourdier). Das spez. Gew. beträgt (bei 15,5")
bei Medizinalöl 0,9591 — 0,9622, bei indischen Ölen bis 0,9679 (D. A. V: 0,950 bis
0,970, Pharm, helv. IV: bei 15" 0,960 — 0,970, bei 98" 0,909 — 0,910), 44 Tropfen
= I g. Bei o " wird es durch Abscheidung kristallinischer Flocken trübe, bei weiterer
Abkühlung butterartig. Der Erstarrungspunkt liegt bei — 10 bis — 12" (Schädler);
bei europäischem oft erst bei — 18° (Schädler). Verseifungszahl : 176,7 — 186,6
(180,6 — 191,2 Dieterich); Jodzahl: 81,4 — 96,6 (80,2 — 87,8 Bachmann; 81,17
bis 86,28 Dieterich); Bromzahl (bei kalt extrah.): 52,25 (Telle); Reichert-Meißlzahl:
1,1 — 1,4; Gehalt an Unverseifbarem 0,3 — 0,37 (Thomson und Ballantyne); Acetyl-
zahl (146,7) 149,9 — 150,5 (Lewkowitsch); Maumeneprobe: 46 — 47"; Bromthermal-
probe: 14,7 — 15O; Brechungsexponent bei 15": 1,4795 — 1,4803 (Strohmer), bei
■ri
Semen Ricini und Oleum Ricini. 637
40«: 1,4694—1,4721 (Pharm, helv. IV); Oleorefraktometerzahl +43—46 (Jean).
Refraktometerzahl (im ZEiss-Butyrorefraktometer) bei 35": 72, bei 20»: 81,2, bei 15«:
84,5. Ricinusöl dreht rechts, im 200mm-Rohr bei 20» C. + 23,4 bis + 26,1 " (nach
Deering und Redwood im HoFFMANN-LAURENT-PoIarimeter +7,60 bis 9,7", nach
Peter +40,7°, nach Dowzard: +8,3 bis +9", nach Rakusin +8 bis +8,5
Saccharimetergrade). Einige Proben drehten aber links (Flückiger). Viskosität (in
Redwoods Viskosimeter) 1160— 1190 See. bei loo" F. Der Entflammungspunkt
liegt bei 255 — 270" (Rakusin).
Die Fettsäuren zeigen bei 15,5" C. ein spez. Gew. = 0,9509, Erstarrungs-
punkt + 3» C. (Hübl), Schmelzpunkt 13O, Säurezahl 183,1 — 187 (192,1), Ver-
seifungszahl 189 — 191,1, Jodzahl 87 — 93,9 (Jodzahl der flüssigen Fettsäuren 106,9),
Acetylzahl 153,4 — 156, Brechungsindex (bei 60" C.) 1,4546.
Der Gehalt des Öls an freien Säuren schwankt bei gepreßten Ölen zwischen
0,68 und 14,61 (Mittel 9,28)01^ (Nördlinger). Bei extrahierten von 1,18 — 5,25, bei
technischen von 1,46 — 2,16 bzw. 3,5 — 6,04 (Ulzer). Medizinalöl darf höch-
stens i,5°/o freie Säure enthalten. Die meisten Handelsöle enthalten nur geringe
Mengen freie Fettsäuren. Evens Sons Lescher and Webb fanden in 10 English
grade (first pressure) 0,4 — o,49<'|p freie Säure (auf Ölsäure berechnet), in 5 English
second pressure 10 — i4''/o' ^^ 5° Calcutta (good seconds) 0,6 — 2,1"!^, in 3 italieni-
schen (pharmazeut.) Ölen 0,5 — 0,6 ">|q, in 3 französischen (pharniazeut.) Ölen 0,4 bis
0,5 "Iq. Raffiniertes Öl hält sich lange ohne sauer und ranzig zu werden (Lewko-
witsch). Bei einem 4 Jahre der Luft ausgesetzten Medizinalöl hatte die Jodzahl
nicht abgenommen, nur das spez. Gew. war von 0,9591 auf 0,9629 gestiegen und
es ließen sich i "/q freie Fettsäuren nachweisen (Lewkowitsch). Durch «Blasen»
steigt das spez. Gew. von 0,9623 auf 0,9906, die Säurezahl von 1,1 auf 5,7, die
Verseifungszahl von 179 auf 190,6, die Acetylzahl von 146,9 auf 164,8; die Jodzahl
sinkt auf 70,01 (Lewkowitsch).
Ricinusöl ist in Petroläther, Petroleum und Vaselinöl fast vollständig unlöslich,
nimmt aber das gleiche Volumen Petroläther auf und i^j., vol. Petroleum. Es löst
sich in allen Verhältnissen in Eisessig und abs. Alkohol, ferner bei 15'' in 3 Teilen
(D. A. V, 2,4 — 2,94 Teilen van Itallie) und bei 25" in der gleichen Menge 90-
prozentigen Alkohol — ein für öl. ricini sehr charakteristisches Verhalten,
das es von fast allen anderen Ölen unterscheidet. Durch Erhitzen auf 300"
wird ein Öl (Floricin) erhalten von entgegengesetzten Lösungsverhältnissen (Nörd-
linger).
Ricinusöl esterifiziert sich mit Säuren (Oxalsäure, Essigsäure, Ameisensäure usw.)
ziemlich leicht (Lidoff). Die Kohlensäureester, durch Sättigen des Öls mit COj er-
halten (Dieterich), besitzen den kratzenden Geschmack des Öles nicht und höhere
Resorbierbarkeit. Durch Behandeln des Ricinusöls mit englischer Schwefelsäure
(und Neutralisieren mit Ammoniak) wird das Türkischrotöl erhalten. Dies ist ein
Gemisch, in dem Ricinolsäureschwefelsäurester, Dio.xystearinsäureschvvefelsäureester,
polymere Ricinolsäuren, Ricinolsäure und Isoricinolsäure (angeblich ein Gemisch von
Ricinolsäure mit Dioxystearinsäure) resp. deren Salze neben unverändertem Ricinusöl
enthalten ist (Scheurer-Kestner, Juillard, Bogajewsky). Oxydation des Öls mit
Salpetersäure liefert Pimelinsäure (Ganther und Hill). Behandelt man Ricinusöl
mit einigen Tropfen Salpetersäure und neutralisiert mit Soda, so tritt der Geruch
nach Önanthsäure auf (Draper).
63 S Nichttroclinende Öle.
Die purgierende Substanz des Öls ist (nach Buchheim und Hans
Meyer) die Ricinolsäure (Ricinölsäure, Ricinoleinsäure); vielleicht nehmen aber
an der Wirkung auch noch andere unentdeckte Substanzen teil (Finnemore und
Deaxe). Die Ricinolsäure, von Claus 1876 entdeckt, erhielt Krafft kristallinisch
F = 16 — 17". Sie ist eine ungesättigte Säure, wahrscheinlich aber nicht
= CH, . (CHj)^ . CH(OH) . CH = CH . (CHj)„ . COOK
Quillard), sondern :
12 10 9
CH3 . (CH,)b . CH(OH) . CHj . CH = CH . (CHj), . COOK
(Kr.\fft, Behrend, Goldsobel) und zwar die rechtsdrehende labile Form der Okta-
deken g ol 12 Säure i. Sie besitzt den gleichen kratzenden Geschmack wie Rici-
nusöl und geht durch salpetrige Säure in die isomere Ricinelaidinsäure :
CHj . iCHo)^ . CH(OH) . CHj — CH
II
HC . (CHj), . COOK
über. Da durch Oxydation der flüssigen Säuren des Ricinusöls mit alkalischem Per-
manganat zwei isomere Trihydroxystearinsäuren entstehen, so nehmen Hazura und
Grüssner zwei isomere Säuren, Ricinolsäure und Isoricinolsäure, im Öle an. (Grün
erhielt aus Ricinolsäure mehrere isomere Dioxystearinsäuren). Jedoch zeigte Mangold,
daß diese Supposition unnötig ist, da bei der Oxydation von Säuren mit doppelten
Bindungen zwei stereoisomere Säuren entstehen müssen. Scheürer-Kestner fand,
daß Wasser von 150" Ricinusöl zerlegt und dabei Ricinolsäure und Diricinolsäure
gebildet werden, bei höherer Temperatur werden Tetra- und Penta-Ricinolsäuren
erhalten. Ricinolsäure polymerisiert sich also leicht, auch schon allein z. B. bei mehr-
jährigem Liegen bei gewöhnlicher Temperatur (Meyer). — Die Säure- und Jodzahlen
nehmen hierbei ab. — Die Polymeren gehen aber durch alkoholische Kalilauge wieder
in Ricinolsäure über. Die aus den sorgfältig gereinigten Salzen abgeschie-
dene Ricinolsäure wirkt abführend wie das Öl oder stärker wie dieses.
Ebenso ist das Glycerid wirksam (Meyer).
H. Meyer hat festgestellt, daß auch synthetisches reines Ricinolsäureglycerid,
durch Erhitzen von Ricinolsäure mit Glycerin auf 280 — 300" im Kohlensäurestrom
erhalten (sowie Ricinelaidinsäure) wie Ricinusöl wirken. Die Ricinelaidinsäure und das
Ricinelaidin sind aber nur wirksam in Emulsion, nicht in Substanz (Ricinolsäure-
triglycerid gibt kein festes Elai'din). Dott und Stockmanns durch Behandeln mit
überhitztem Dampf erhaltene Säuren waren nicht wirksam. Die Säuren waren wohl
polymerisiert (H. Finnemore und H. Deane), nach Meyer sind aber auch diese
wrksam. Ricinusöl und Ricinolsäure verlieren ihre Wirkung nicht durch Erhitzen auf
300", auch nicht durch Behandeln mit trockener Salzsäure, wohl aber durch Sättigen
mit Brom. Die Ricinolsäure wird durch Behandeln mit Mineralsäuren in die unwirk-
same Pseudoricinolsäure übergeführt. Die mit Ausschluß von Mineralsäuren darge-
stellten Alkylester sind wirksam. Aber nur die Ricinolsäureverbindungen führen ab,
die im Darrakanal entweder selbst löslich sind (Alkaliseifen) oder durch Spaltung lös-
lich werden (Glycerin- und andere Alkylester), während Ricinolamid und ricinolsäure
Magnesia unwirksam sind (H. Meyer).
Die optiäche Drehung des Ricinusöls (s. oben) beruht auf der ein asymmetrisches Kohlen-
stoffatom besitzenden Ricinolsäure (DoWzard). Ricinolsäure liefert oxydiert 2 Trioxystearin-
säuren C„H3ä(OH)3COOH, davon ist eine ätherlöslich (F. 114), eine nicht (F. 137 — 140). Beim
Verschmelzen mit Alkalien liefert Ricinolsäure Methylhexylkarbinol und Sebacinsäure, bei De-
Semen Ricini und Oleum Ricini. 639
stillation unter vermindertem Druck Önanthol und Undecylensäure (CHjj = CH — (CH2)sCOOH),
mit alkoholischem Ammoniak Ricinolamid. Bei der trockenen Destillation des Ricinusöls geht
Undecylensäure und Önanthaldehyd (Cognacöl) über und in der Retorte bleibt das Glycerid der
zweibasischen Triundecylensäure zurück, das bei weiterem Erhitzen in Acrolein, Wasser und
Triundecylensäureanhydrid zerfällt (Thoms und Fendler).
Lit. Ältere Literatur: Hüngerbyhler, De oleo ricini. Amsterdam 1780. — FuCHS,
Trommsd. Journ. I, 118. — Pfaff, Mat. med. — Rochleder, Ptlanzenchemie 1858. — Pereir.\,
Elements. — Lecanu u. Bussy, Journ. pharm. 13, 80. — BussY, Journ. pharm. 1845. — Bouis,
Ann. chim. 44, 123. — Saalmüller, Lieb. Ann. 1847, 108. — Geiger, Handb. d. Pharm. II,
1671 (Analyse). — Boutron-Charlard et Henry, Journ. pharm. (2) 10(1824) 466. — Dier-
BACH, Geigers Magaz. f. Pharm. 9, 235.
Ferner: König, Nähr. u. Genußm. (dort weitere Lit.). — Taylor, Journ. of biol. ehem.
1906. — OSBORNE, Amer. journ. of physiol. 1903 und 1905 und Journ. amer. ehem. soc. 1892
und 1896. — Pfeffer (Aleuron), Jahrb. wissensch. Bot. 1872,439. — Tschirch und Kritzler,
Ber. d. pharm. Ges. 1900. — Kritzler, Diss. Bern 1900. — E. Schulze, Zeitschr. phys. Chem.
1899 u. Ber. d. chem. Ges. 1897. — Schulze u. Godet, Zeitschr. phys. Chem. 1908, 156. —
Vallee, Journ. pharm, chim. 1903. — Gram, Landw. Versuchsstat. 1903, 257. — Green und
Jackson, Proc. Royal Soc. 1905. — Green, ebenda 1890 u. 189 1. — Analyse von Stamm,
Wurzel und Blatt bei Beck, Amer. journ. ph. 1888.
Ricinin: TusoN, Journ. Chem. Soc. 17 (1864) 195. — Wayne, Amer. Journ. ph. 46
(1874) 97- — Schulze, Ber. d. chem. Ges. 1897, 297. — Evans, Journ. Amer. Chem. Soc.
22 (1900) 39. — SoAVE, Ann. chim. farm. 21 (1895), 49 (Abs. Chem. Soc. 1896, 386). —
Werner, Pharm. Zeit. f. Rußl. 9 (1870) 33. — Maquenne et Philippe, Compt. rend. 138
(1904), 506, 139 (1904), 840. — Dey, Indigenous drugs of India, p. 273. — Schulze und
Winterstein, Zeitschr. phys. Chem. 1904, 211.
Enzyme: Connstein, Hoyer und Wartenberg, Ber. chem. Ges. 35 (1902). — Hoyer,
Zeitschr. phys. Chem. 1907, 414 u. Ber. d. chem. Ges. 1904, 1436 (dort d. Lit. d. technischen
Fettspaltung durch Ricinushpase). — Fokin, Chem. Rev. Fett- u. Harzind. 1904. — Bruschi,
Att. Accad. Lincei 16 (1907) II, 360. — Green, Proc. Royal Soc. 48 (1890), 370. — Sigmund,
Monatsh. 1890, 272. — Deleano (Keimung) Centralb. f. Bakteriol. 1909, 130. — NiCLOUX,
Compt. rend. 138, 352, 1175 "• 1288. — Lamy, Bull. chim. farm. 1904, 607. — Lit. der Li-
pase auch in Wehmer, PHanzenstofFe und Euler, Enzyme.
Ricin: DixsoN, Australasian Med. Gaz. 6 (1887) 137. — Stillm.\e.k, Arbeit, d. phar-
makolog. Inst. Dorpat 3 (1889), 59, Arch. Pharm. 1888, 804. Chem. Centralbl. 1889, II, 978.
— Cushny, Arch. f. exp. Path. 41 (1898) 439. — Osborne and Mendel, Amer. journ. phys.
(Abs. Chem. Soc. 1904, 2, 198). — Ehrlich, Deutsch. Med. Wochenschr. 1891, Fortschr.
d. Mediz. 1897. — Kobert, Vegetabil. Blutagglutinine, Sitzungsb. d. Naturf. Ges. Rostock 1899.
— Jacoby, Hofmeist. Beitr. z. chem. Phys. i (1902), 51, 2 (1902) 535. — Ehrlich, Deutsch.
Med. Wochenschr. 1891. — Fr. Assmann, Pflüg. Arch. 137, 489 (Chem. Centrbl. 191 1, 820).
— Jacobi, Mercks Ber. 1901. — Mooser, Chem. Zeit. 191 1, Nr. 77. — Beauvisage, ToxicitS
des graines de ricin. Paris 1894. — Bierbaum, Diss. Gießen 1906. — Nagel, Journ. Soc.
Chem. Ind. 1902, 30. — Cushny, Über das Ricinusgift. Archiv f. experiment. Pathol. und
Pharmakol. XLI. — Cruz, Etüde toxicologique de la ricine. Annales d'Hygiene publique 1898.
— CoRNEVlN, AttiSnuation de la toxiciti des graines de ricin. Journ. pharm, chim. 1897, 316 u.
Ann. agron. 1897. — RlvifcRE, Le Ricin, Alger 1897. — KoBERT, Giftigk. d. Preßk. Apoth. Zeit.
1900, 840 u. Lehrb. der Intoxikationen (dort d. Lit.). — Schulte im Hofe, Nochmals zur Frage
der Giftigkeit der Preßkuchen, welche bei der Herstellung des Ricinusöls erhalten werden.
Apoth. Zeit. 1900, 877. — Literaturübersicht über die Phytotoxine bei Jacoby-, Biochem. Cen-
tralbl. 1903 und BrieGER in Festschrift f. Koch 1903.
Öl: Krich (und Buchheim), Exp. quaed. pharmacolog. de ol. Ricin. Dorpat 1857. —
SiKKEL, Dissert. Freiburg 1892. — Peckolt, Ber. d. pharm. Ges. 1905, 22. — Krafft, Ber.
d. ehem. Ges. 1888, 2730. — Hazura und GRtJssNER, Monatsh. f. Chem. i888, 476. —
JuiLLARD, Bull. Soc. chim. 1895, 238. — Haller, Compt. rend. 1907, 144, 462. Chem. Zeit.
1907, 359. — Scheurer-Kestner , Compt. rend. 1891, 213, 201. — Meyer, Pharm. Zeitschr.
f. Rußl. 30 (1891), 282. — Hell und Kitroskv, Ber. d. chem. Ges. 24, 97g. — Mangold,
Beiträge zur Kenntn. d. Ricinusöl-, Ricinelaidin- und Ricinstearolsäure. Monatshefte 1894, 307.
640
Nichttrocknende Öle.
Deering und Redwood (Ind. Üle). Journ. Soc. ehem. Ind. 1894, 959. — Lidoff, Chem. Rev.
1900, 127. — VAN Itallie, Chem. Zeit. 1S90, 367. — Ganther und Hill, Ber. d. chem. Ges.
1S84, 2212. — R.\CHiL'\.NN, Proc. Minnes. Pharm. Ass. 1907. — Bourdier, Journ. pharm, chim.
1907, 201. — EVENS Sons, Analyt. Notes 1907. — Liebreich (kaukas. Öl), Ther. Monatsh.
1906, 444. — Lewkowitsch a. a. O. — Benkdict-Ulzer a. a. O. — Urbain, Les corps gras 1906.
Ricinolsäure: Claus, Ber. d. chem. Ges. 1876, i, 916. — Juill.vrd, Bull. Soc. chim.
13 (1895) 240. — Behrend, Ber. d. chem. Ges. 28, 2248 u. 29, 706. — Krafft, ebenda 10, 2034; 11,
1444 u. 2218; 12, 1Ö68; 15, 1691; 17, 2985; 21 (1888), 2730. — GOLDSOBEL, ebenda 27 (1894)
3,121. — Hazura und Grüssner, Monatsh. f. Chem. 9 (1888), 475. — Dieff, Journ. pr. Chem.
39 (1899), 339. — Mangold, Monatsh. f. Chem. 13 (1892), 326. — Scheurer-Kestner, Compt.
rend. 113 (1891), 201. — Hans Meyer, Arch. Pharm. 235 (1897), 184 u. Arch. exper. Pharm. 28
(1891), 145 u. 38 (1897), 336. — DoTT and Stockmann, Pharm. Journ. 1892, 22, 745. —
Woldenberg, Über d. Schwefelsäureester d. Ricinolsäure. Diss. Zürich 1908 (dort die Liter.).
— Wetterkamp, Derivate d. Ricinols. Diss. Zürich 1909 (dort d. Lit). — Büssy und Lecanu,
Journ. pharm. (3) 13, 57. — Dowzard, Pharm. Journ. 1900. — Peter, Chem. Zeit. 1887. —
H. Finnemoore and H. Deane, Brit. Ph. Conf. Year Book 1905 u. Pharm. Journ. (4) 21, 137. —
Grün, Ber. d. chem. Ges. 1906, 4400 u. Habilitationsschr. — Thoms und Fendler, Arch.
Pharm. 1900, 690 u. 1901, I.
Verfälschung. Trübes, nicht mit Wasser gekochtes Öl ist als Arzneimittel immer
zu verwerfen, da etwa beigemengtes Ricin oder Fragmente der Samenkerne wegen
ihres Ricingehaltes das Ol giftig machen können. Als Verfälschungen werden genannt
Sesamöl, Leinöl, Rüböl, Harzöl, Cocosöl, Cottonöl und geblasene Öle, die alle die
oben (S. 636) angegebenen Konstanten verändern. Als Verfälschung wird auch ge-
bleichtes Sesamöl angegeben. Evens Sons fanden Mineralöl und Leard oil. Über den
Nachweis von Crotonöl im Ricinusöl vgl. Mazuchelli, Rep. pharm. 1905, 361.
3 ccm Ol. ric, 3 ccm Chloroform (oder CS,) und i ccm Schwefelsäure durch-
einander geschüttelt sollen rotbraun, aber nicht schwarzbraun werden (heißgepreßtes Öl,
fremde Öle). Wenn 10 Teile Ol. ric. mit je 5 Teilen Weingeist und Natronlauge
unter Erwärmen verseift werden, so darf kein Geruch nach «Butteräther» (d. h.
Caprin-Capryl-Capronsäure-Äthylester) auftreten (Cocosfett).
Anwendung. Ricinusöl zeigt die allen fetten Ölen zukommende abführende Wirkung in
verstärktem Maße und wird denn auch seit den ältesten Zeiten (Vorschrift im Papyrus EBERS,
um 1500 V. Chr.) als mildes Abführmittel benutzt. Ebenso alt ist die Anwendung als Haar-
wuchsmittel (s. Geschichte), neu die Benutzung zur Darstellung des Collodinm elasticiini.
Die Ägypter bereiteten u. a. aus Ricinusöl eine Salbe um die Haut geschmeidig zu erhalten
(Herqdot). Auch Strabo (XVII, 2 § 5) kennt diese Verwertung des Öls. In Italien ist
Ricinusöl Nationalheilmittel: «Purga il sangue e rinfresca», sagt von ihm der Italiener. Die
Frühjahrskuren mit täglich einem halben Glas Ricinusöl durch mehrere Tage sind dort außer-
ordentlich beliebt. In China dient frisches Ricinusöl bisweilen als Speiseöl! (Sch.\dler). Aber
90°/(i des Öls verbraucht die Industrie in der Woll- und Baumwollappretur, zur Herstellung
des Türkischrotöls (s. oben), in der Türkischrotfärberei, in der Leder-, Seifen- und Schmieröl-
industrie, zum Denaturieren des Spiritus. Sehr viel verbraucht Indien als Lampenöl und Schmieröl
(besonders für Eisenbahnwagen). Das Ol wird z. B. in Bengalen und Chorassan (Aitchison) ganz
allgemein als Brennöl benutzt. Es eignet sich zum Lampenöl sehr gut, denn es übertrifft an
Leuchtkraft alle anderen Öle («no other oil can vie with this light, it being almost electrical
in its brilliancy», sagt Watt, Dict. econ. pr. India). Auch das meiste javanische Öl wird
für technische Zwecke verwendet, doch fabrizierte 1894 eine Ölfabrik in Kediri auch Medizinalöl.
Das geringere Ol und die Preßrückslände dienen zur Gasgewinnung und zu Feuerungszwecken.
Die Preßkuchen werden auch zu Düngezwecken verwendet, nachdem sie noch von denölresten
durch Extraktion befreit wurden. Derj Preßkuchen, der 4,8 "/qN, 1,6 "/o Phosphorsäure und 1,2 "/o
Kali enthält, dient in Südeuropa als Düngemittel der Weinberge, in Amerika als solches der
Mais- und Hanf-, in Java der Zuckerrohr-, in Bengalen der Kartoffel-, Betel- und Getreidefelder.
Die Marseiller Preßkuchen gehen ausschließlich nach Pertuis und Cavaillon und werden dort zur
Semen Ricini und Oleum Ricini.
641
Düngung der Primeurs und Kartoffeln benutzt. Er ist auch ein gutes Ratten- und Mäusegift,
so daß man zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt, wenn man damit die Felder düngt. In In-
dien dienen angeblich die wegen des Ricin giftigen Preßrückstände bzw. ihr Dekokt als Vieh-
futter. Schulte im Hofe bestreitet dies und glaubt, daß sie nur in kleinen Dosen als Lacta-
gogum gegeben werden. In Rußland müssen die Preßkuchen unschädlich gemacht werden. Es
geschieht dies durch trockene Destillation, wobei Gas gewonnen wird, und durch Verfeuern.
KOBERT schlägt den Erlaß eines solchen Gesetzes auch für Indien und Italien vor.
Als Geschmackskorrigens des Öls wird in Europa Pfefferminzessenz und Kaffee, in In-
dien Ingwerdekokt benutzt. Man gibt das Ol mit einem angewärmten Löffel oder in warmem
Kaffee oder anderen Flüssigkeiten — auch in Brausemischungen, als Emulsion, als Gallerte,
in Gelatinekapseln. Festes Ricinusöl läßt sich mit Casein und Laktose (Winternitz) oder Gummi
und Magnesia ("Wasserzug) herstellen. Unter dem Namen «lösliches Ricinusöl» (soluble castor
oil) versteht man aber ein geblasenes, halbtrocknendes, vegetabilisches Öl (blown oil), das
durch das Einblasen von Luft dem Ricinusöl ähnlich geworden ist. Die oft behauptete Wirkung
von Ricinusöl bei Rheumatismus sollte näher erforscht werden. In Indien wird Same und Wurzel
als Antirheumaticum seit langem benutzt, auch ein indischer Name der Pflanze (s. oben S. 625) be-
sagt dies. Wie Ricinusöl wirkt auch das Öl des Tamborbaumes [Omphalea oleifera und cardiophylld)
aus Sonsonate (Salvador). Auch die Samen anderer OmJ>ha!eaartfD. purgieren (Hemsley). Die
Blätter von R. gelten in Europa und Amerika (im Gegensatz zu Indien !j als Lactagogura. Die Blätter
werden in Indien äußerlich und innerlich auch als Emenagogum benutzt. Die Fasern der Stengel
sind zur Papierfabrikation zu gebrauchen. In Assara werden die Erie-Seidenraupen [Bomhyx
Cynthia, Attacus Ricini BoiSD.) auf Ricinus gezüchtet. Nach einem Bericht des britischen Kon-
suls in Maracaibo wird die Ricinuspflanze in Südamerika in verschiedenen Gegenden als Mittel
gegen die Moskitoplage mit Erfolg um die Häuser angepflanzt. Die eigenen Erfahrungen des
Konsuls bestätigten die Zweckmäßigkeit des Mittels.
Lit. Hemsley, Pharm. Journ. (3) 1882, 301. — Winternitz, Pharm. Zeit. 1907, 363.
— Wasserzug, Pharm. Era 1907, 470. — Anonym, (Die Ricinuspflanze gegen die Moskitos).
Advance Sheets of Consular Report. Durch Deutsches Kolonialblatt, 1901, :6o.
Geschichte. Ricinusöl war bereits den Sumerern bekannt. Ricinus (kiki = R. comm. oder
R. africanus) wurde im alten Ägypten ganz allgemein angebaut. Es berichten darüber die alten
Schriftsteller (Plinius z. B. sagt, der kikus wächst in Ägypten sehr häufig, Herodot berichtet
von Kulturen der Silicyprien an Fluß- und Seeufern). Auch heutzutage wird Ricinus noch in
Ägypten kultiviert. Wir finden die Pflanze dargestellt auf Monumenten (z. B. dem Gartenplane
von Tell-el-Amarna, vgl. I, Fig. 366) und ihre Samen sind oft und gut erhalten in Gräbern (schon
c. 4000 V. Chr. Caillaud) gefunden worden (Unger, Wönig). Im Papyrus Ebers finden sich
in vielen Rezepten die Samen (Früchte), das Mark, die Wurzelrinde und die Blätter der Pflanze
und (eingeschoben in den Te.vt) eine Angabe über die Verwendung des Ricinus, der Samen
als Purgans und Haarwuchsmittel, des Öls als Salbe für riechende Geschwüre. Das kikajon,
kykwyn des alten Testaments, das in einer Nacht zum Schutze des Propheten Jona emporwuchs,
wurde mit Gurke oder Epheu, dann auch mit Ricinus übersetzt. Tristram und Niebuhr halten
jedoch daran fest, daß kikajon die Gurke (^ el kerra, in Palästina: kurah) und nicht Ricimis
(= el keroa, in Palästina: khurwah) sei. Das XQoxiov des Theophrast ist nach Fraas R.com-
mtin., nach Sprengel R. africanus. Nach Herodot (II, 94) wurden die Samen entweder
zerstampft und gepreßt oder gebraten und ausgekocht und das Öl abgehoben. Die Bereitung
des Öls schildert auch Plinius. Der Same wurde mit Wasser gekocht und das Öl abge-
schöpft oder (in Ägypten) eingesalzen und dann ausgepreßt. Dioskurides erwähnt in Ägypten
nur das Auspressen der gemahlenen Samen in Flechtkörben. Dioskurides beschreibt die
Darstellung des Hixivov sXatov. Die in der Sonne getrockneten, von der Schale befreiten
Früchte werden in einem Mörser zerstoßen, in einem Kessel mit Wasser ausgekocht und
das Öl mit einer Muschel abgeschöpft. Dioskurides erwähnt neben äußerlichen Anwendungen
und zur Pflasterbereitung die wurmtreibende und brechenerregende Wirkung des Öls und
daß es unangenehm purgiere. Die Hippokratiker scheinen die Abführwirkung nicht gekannt
zu haben, wohl aber Galen. Das Öl wurde im Altertum, wie es scheint, vorwiegend zum
Brennen benutzt, z. B. in Ägypten. Strabo erwähnt (XVII, c. 2 § 5) seine Verwendung
auch zum Salben bei ärmeren Leuten. Einige beziehen den Ricinus des Plinius und Strabo
auf Ricinus africamts WiLLD. Die Wurzel, die Blätter und das Öl wurden von den Indern, die
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Ed. II. 4I
()A2 L)l^ vo" Seetieren.
die Pflanze Jahrhunderte vor Christi Geburt kannten, schon frühzeitig als Purgans-, Rheumatis-
mus- und Augenmittel und bei Frauenleiden in der Lactationsperiode benutzt. SuäRUTAS erwähnt
das Ol und die frische Pflanze (Pharmac. ind.). In den indischen Sprichwörtern ist die Pflanze
ein Symbol der Zerbrcchliclikeit (auch kirwa bezeichnet eine zarte Pflanze). Die Araber lernten
die Pflanze wohl in Indien kennen. Sie nannten die Samen daher simsim-el-liindi (= indischer
Sesam) und bedienten sich der Samen besonders innerlich, der Blätter äußerlich. In den Pflanzen-
glossaren ist Ricinus selten (eine Angabe bei Fischer-Benzon). Bei Albertus Magnus und
Megenbkrg findet er sich (s. oben). Er wurde also schon damals in Europa kultiviert. Das
Mittelalter scheint das Öl nur äußerlich verwendet zu haben. Turner (Herbai 1568) erwähntR.
als eine Gartenpflanze Englands und das Ol als Oleum cicinum s. ricininum. Ger.^rde (I, S. 909)
nennt das Dl auch Oleum de cherua. Dann wurde das Öl vergessen. Es fehlt bei Dal£ (1693)
und war auch zur Zeit von Hill, Lewis (I, S 949) fast unbekannt. Durch die Dissertation des
in Weslindien lebenden Peter Canvane, On Ol. palmae Christi 1764 (in 2. Aufl. 1769; auch
französ.) wurde die Aufmerksamkeit wieder auf das Öl als ein mildes Purgans gelenkt und die Samen
wurden in die Londoner Pharmakopoee 1788 aufgenommen. Woodville sagt 1790 in seiner
Med. Bot., daß das Öl neuerdings öfter gebraucht werde. Damals kam der Same und das Öl
aus Jamaica. 1799 exportierte Jamaica 236 casks Öl und 10 casks Samen. Später trat dann das
ostindische Öl auf und die Einfuhr stieg nun rasch. 1820 kamen schon für 7102 Si Öl von dort-
her nach London (Pharmacographia). Heyer schlug (Crells, Neuest. Entdeckungen 1781) vor,
Jiicinus comm. im Apothekergarten zu ziehen, die Samen selbst zu ernten und das Öl selbst zu
pressen. Kultiviert und verwildert war Ricinus, der sich überall leicht ansiedelt, schon zu
Rheedks Zeit in Malabar, zu Rumphius Zeit auf Java und Amboina, ebenso später in Japan
und China. Nach Amerika wurde R. sehr frühzeitig kurz nach der Entdeckung gebracht. Piso
nennt schon einheimische brasilianische Namen: nhambu-guacu (figuero inferno der Portugiesen).
Lit. WÖNIG, Pflanz, d. alt. Ägypt. — Joachim, Papyrus Ebers. — De Candolle, L'origine
d. plant, cult. — FlÜckiger-Hanbury, Pharmacograplüa. — Pharmacographia indica. —
Tristram, Nat. hist. of the bible.
Zur Ricinusölgruppe gehört nur noch das ahnlich sich verhaltende Traubenkernöl.
II. Animalische Öle.
1. Öle von Seetieren.
Die Öle der Seetiere unterscheiden sich in vielen Punkten von denen der
Landtiere, z. B. durch hohe Jodzahlen, — sie enthalten viel ungesättigte Fettsäuren
— durch die große Menge Hexabromid, die sie liefern, durch ihre Fähigkeit Sauer-
stoff zu absorbieren und die Eigenschaft bei der Elaidinprobe kein Elaidin zu liefern.
Sie ähneln also den trocknenden vegetabilischen Ölen. Mit der Gruppe der Öle von
Landtieren sind sie durch Übergänge verbunden (Lewkowitsch).
a) Fischöle.
Die Fischöle werden aus allen Körperteilen der gewöhnlicheren Fische (Hering, Sar-
dinen, Lachs, Sprotte usw.) durch Auskochen erhalten. Der Dorsch dagegen enthält nur in der
Leber, nicht im Fleisch beträchtlichere Mengen Öl. Zu dieser Gruppe gehören nur Öle, die
nicht oder kaum medizinische Anwendung finden, wie das Menhadenöl von Alosa Menhaden
(Brevoortia tyrannus), das Sardinen- oder Japanische Fischöl von Clupca sardirms und
das Lachsöl (huile de saumon) von Salmo salar. Femer das Stichlingsöl (Stichlingstran) von
Gasterosterus trachiirus, das Heringsöl von Clitpea harengus, das Störöl von Acipenser Stiirio,
das Sproltenöl von Clupea sprattus, das Karpfenöl von Cyprinus carpio u. and. (Kon.stanten
bei Lewkowitsch. Näheres über diese Öle bei Benedikt-Ulzer.)
Die Fischöle enthalten, wenn rein, keine GalIenstofl''e (Cholesterin, Lipochrome). Sie geben
daher nicht die charakteristischen Reaktionen der Leberöle (siehe unter Ol. jecoris).
Oleum Jecoris Morrhuae. 64^
b) Leberöle.
Die Leberöle (fälschlich auch Trane genannt) sind durch eine beträchtliche Menge
von Cholesterin sowie durch Lipochrome und andere Gallenstoße ausgezeichnet. Sie
geben daher in Schwefelkohlenstoflf gelöst mit konz. Schwefelsäure eine blaue, wenn
ranzig eine purpurne Färbung (Lewkowitsch, Tichoiiirow, Kaiser). Werden in
Chloroform gelöste Leberöle mit Phosphormolybdänsäurelösung durchgeschüttelt, so
entsteht nach der Scheidung an der Berührungsstelie ein blauer Ring.
Oleum Jecoris Morrhuae.
Syn. Oleum jecoris Aselli, Ol. jec. Gadi, Ol. morrhuae (so z. B. in U. S. Pharm.).
Lebertran, Dorsch-, Kabliau-, Stockfisch-Lebertran, Dorschleberöl, Kabeljauleberöl —
huile de foie de morue (franz.) — Codliver oil , Goal- oder dogfish oil (engl.) —
Olio di fegato di merluzzo (ital.) — levertraan (hol.) — csukamäj olaj (ung.) —
i).aiov r/jif(TOs orioxov (gr.).
Etym. Der früher allgemein (auch jetzt noch vom D. A. V.) benutzte, wie es scheint,
zuerst bei Scherer auftretende Name O/. jec. Aselli ist nach dem alten, schon seit über 100
Jahren verlassenen Namen des Dorsches, Asellus major, gebildet. Die Worte Asellus und
Callarias schon bei Plinius. (Asellus = Eselchen, wegen der eselsgrauen Farbe des Tieres.)
Die in Pharm, helv. IV gewählte Bezeichnung Ol. jecoris ist nicht glücklich, da es auch andere
Leberöle gibt und nur das Dorschleberöl benutzt werden soll. Die beste Bezeichnung scheint
mir Ol. jecoris Morrhuae zu sein, da es auch andere Aselli und andere Gadi gibt. — Trauerst
im nhd. (Stellen bei Kluge), ndl. traan, dän. schwed. trän. Heimat und Grundbedeutung un-
bekannt.— Dorsch (nhd., — anord. porskr, d ä n. torsk.) ist wohl aus torsk umgebildet. — Klipp-
tisch hat mit Klippe (= Fels) nichts zu tun, sondern ist korrumpiert aus klapfisk, d. h. auf-
geschnittener Fisch, von klappet = aufgespalten. — In einem Tractatus de piscibus (Handschr.
aus dem XIII. Jahrh.) wird von einem Fische berichtet: «genus piscis a nostris mo(r)rude
ab ore, quia mourre vocant os cum prominentibus labris» (vgl. Schelenz, Pharm. Centralh.
1906, 166) und in einer Handschrift aus dem Jahre 1309 heißt es: «Item grossa bestia onerata
. . . piscibus alecibus, Morua et similibus, debet pro pedagio octo denarios» (Du CangeI. Hier
läßt sich also der Übergang von morrude in mourre und morua (aus dem dann morue, der
heutige Name des Dorsch in Frankreich wurde) direkt verfolgen. Woraus aber morrude entstand,
ist unklar (ob aus merluc? maris lucidus = Seehecht.'). — Cod (zuerst 135" in Act. 31 Edw. III
Stat. 3. «Les trois sortz de lob, lyng et cod^ Murray) kaum zu yaäo;, eher zu kodde, kudse
zu ziehen.
Herkunft. Der Lebertran ist das Ol der Lebern in erster Linie von:
Gadus morrhua L. (incl. G. callarias, ruhet und ogat, Motrhua vulgaris und
tallarias, Asellus major mx^A varius), dem Kabeljau oder Dorsch (Dösch, Pomuchel,
Pamuchel; port.: bacaläo, norw. skrei oder torsk, franz.: morue, cabeiiau, ital. baccalare,
engl, und amer.: cod) (Fig. 197), eines zu der durch drei Rücken- und zwei After-
flossen, die bestimmt von der letzten Rücken- und zweiten Afterflosse geschiedene
Schwanzflosse und einen Bartfaden an der Spitze der Unterkinnlade gekennzeichneten
Gattung der Schellfische (Gadus) — Pisces, Anacanthini, Gadoidei (oder Teleosteae
Malacopterygiae) — gehörenden Fisches von 0,75 — 1,5 m Länge und bis 20, ja 42 kg
Schwere, der auf grauem Grunde mit kleinen gelblichen Flecken getüpfelt, längs der
Seitenlinie weiß gestreift und auf dem lichten Bauche ungefleckt ist (Farbe und Flecke
wechseln).
Der Fisch bewohnt den nördlichen Teil des atlantischen Meeres und die an-
grenzenden Gebiete des Eismeeres und zwar vorzugsweise die unteren Wasserschichten
bis c. 120 Faden Tiefe (Günther) und kommt nur zur Eiablage an seichtere Stellen
41*
044
Lcbcrüle.
(2^ — 50 FadenV Er kommt in ungeheuren Massen zwischen dem 50. und 75. Grade
n. B. vor und überschreitet nach Süden meist nicht den 40. Grad n. B. Er ist einer
der fruchtbarsten Fische. Ein Fisch enthält meist i^J,, bisweilen 4(BRAYDLEy) oder gar
q'L Mill. (Leeuwexhoek) Eier und ist im fünften Jahre fortpllanzungsfähig. Auf der
östlichen Seite des Verbreitungsgebietes fällt die Laichzeit in den März, auf der west-
lichen, amerikanischen, Seite in den Mai und Juni. Zu dieser Zeit erscheint der Fisch
in riesigen Scharen, >, wie die Norweger sagen, d. h. in dicht gedrängten,
^_-''^
Fig. 197.
I Schellfisch ^Gadiis aegleßnus), 2 "Wittüng (C mcrlangiis), 3 Dorsch {G. callarias), 4 Kabeljau {G, tnorrhua\
[Aus Brehms Tierleben.]
meilenlangen, oft mehrere Meter hohen Heeren an den Küsten und Sandbänken und
wird hier entweder in Netzen (Norwegen) — Nöter-, Senk-, Zieh-, Sperrnetze, Garne
— oder mit der Handangel (Tiefseeangel) oder der c. 2000 m langen, meist mit 1200 bis
3600 Angelschnüren besetzten Grundschnur (an den übrigen Plätzen) leicht in großen
Massen gefangen. Als Köder dienen Fische (z. B. Heringe und Lodden) oder Muscheln.
Die meisten Boote fc. mit 14500 Fischern) fischen mit Langleine, die zahlreiche, an
seitlichen, vier Fuß voneinander entfernten Leinen befestigte Angelhaken besitzt. Oft wird ein
>
X
a
^ s
u .-
Oleum Jecoris Morrhuae.
64;
solcher stamp an den anderen befestigt, so daß meilenlange Langleinen entstehen. Jeder Ottring
ist mit 3 — 5 Fischern bemannt. Neuerdings wird aber mit Langleine auch von großen,
gedeckten Segel-, Motor- oder Dampfbooten aus gefischt, die nach amerikanischem Muster 3 bis
5 Jollen, dories, d.h. offene Boote mit flachem Boden für 2 Mann mitführen, mittels welcher
die Leinen gesetzt und wieder gehoben werden (Bull). Viele Boote (mit c. 12500 Fischern)
fischen auch mit Netzen, deren Maschen drei Zoll weit sind und die ebeufalls aneinander ge-
bunden werden. Diese Boote heißen Femböring. Aber neuerdings wird nicht nur von großen
und kleinen offenen Booten, sondern auch von gedeckten Fahrzeugen (Motor- und Dampfbooten)
mit Netzen gefischt. Nur die kleinen, mit 2 — 3 Mann bemannten, Boote fischen mit Handleine.
Sie bilden die Minderzahl (c. 2300 Fischer). Allein, wenn in Finmarken die Fischerei sehr reich
ist, dann nehmen alle Arten von Booten daran teil. Die im Netz gefangenen Fische sind meist
größer (12 Pfund mit Lebern von ii'/j Unze), die mit der Leine gefangenen sind kleiner (10
Pfund mit Lebern von 9V2 Unze). Die Avantgarde erscheint im Vestfjord in der ersten Woche
des Januar, die Hauptfangzeit ist der März. Gegen Mitte März beginnt die Laichzeit, dann geht der
Fig. 198.
Die Flotille der Dampf-Motor- und Segelboote der Dorschfischer bei Bolstad (Lofoten). [AVilse phot.]
Fisch nicht an den Köder und die See trübt sich durch die riesigen Mengen der Eier und Samen
der «Hochzeitzüge» der Dorsche. Der Fisch erscheint entweder in dünnen Bändern oder in ganz
kompakten Massen, bald ganz oben, bald tief, bald in der Nähe des Landes, bald weit davon
entfernt, bald bei den Westlofoten, bald bei den Ostlofoten. Sobald die Fische aus dem Netz
genommen sind, wird es wieder ausgeworfen. Ein Netzboot ßngt täglich c. 300 — 400 (bis 800),
ein Leinenboot c. 200 (bis 400) Fische. Der Fisch wird durch einen Einschnitt hinter den Kiemen
getötet, dann geöffnet, Leber und Rogen in verschiedene Behälter getan, der Rest der Ein-
geweide ins Meer geworfen jund der Fisch selbst nach Entfernung des Kopfes an Land ver-
kauft. Für Ordnung sorgt eine königliche Aufsichtsbehörde, ein Inspektorgeneral mit c. 50 Be-
amten (Gesetz vom Jahre 1857). Sie kontrolliert die Fangplätze, gibt das Signal zur Ausfahrt,
verteilt die Plätze und sammelt das statistische Material. Der Fisch liebt eine Seewärme von
C.4 — ö'C (Damas). Ihr geht er nach. Der Wechsel in der Temperatur der Meereswasserschichten
kommt dadurch zu stände, daß der Golfstrom mit dem Polarstrom hier zusammenstößt (s. d. Karte).
646
Leberüle.
Diese regelmäßigen Wanderzüge des Fisches, die sich sowohl gegen die nor-
wegische Küste (Lofoten und Finmarken"), die südlicheren Gebiete der Nordsee
1^ ^
Flg. 199.
Das Öffnen der Dorsche und Beseitigen der Küpfe an Land auf Reist (Lofoten). [Wilse phot.]
(Doggerbank) und die schottische Küste (Newhaven) wie auch gegen die Küsten
Neufundlands richten, hängen allerdings zunächst mit der Laichzeit zusammen (bei
den Lofoten laichen die Dorsche auf der Nordwest- und
Südostbank, s. d. Karte) sind aber auch als Raubzüge
zu betrachten, da die gefräßigen Dorsche ihrem Nahrungs-
triebe folgend, den Zügen des Herings und der Lodde
folgen, die eben jene Gegenden zu dieser Zeit aufsuchen.
Bei den Lofoten dauert der Fang meist vom Januar bis
etwa 12. oder 24. April. Hier ist im März die Laichzeit.
Der Schluß des Fanges ist meist Ende April. In Finmarken
(70" n. B.) dauert der Fang in der Regel von November
bis Ende März (Winterskrei oder Winter-Kabeljau) und
von März bis etwa 24. Juni (Frühjahrs- oder Lodde-Fisch).
Bei Bergen und Aalesund in Romsdaien (63 " n. B.) er-
scheint der Fisch im Januar und Februar. Bedeutend ist
der Dorschfang auch außerhalb der großen Inseln Senjen
und Kvalö (westlich und südwestlich von Tromsö). Hier
liegen die «Banken» (Laich-Bänke) viel weiter vom Lande
entfernt und tun hier die oben erwähnten größeren mo-
dernen, zweimastigen Motorboote, die überhaupt jetzt
mehr und mehr die «Nordlandsboote» (Femböring und
Ein nonvcgiseher Fischer mit einem be- Qttring) Verdrängen, ausgezeichneten Dienst. Der Fang
sonder« großen Dorsch. (Xach einer Pho-
togiapbie von Scott & Browne.] dauert hier besonders von Januar bis März (Svendsen).
Tafel XVIII.
Tschirch, Handbach der Pliarmakognosie. Bd. II. Verlag von Chr. Herrn. T.»uchnitz, Leipzig
Öffnen der Dorsche auf dem Schiff und Versorgen der Lebern in Fässern. [Wilse phot.]
Oleum Jecons Morrhuae.
647
Stürmisches Wetter verzögert oft den Anfang der Fischerei und zwingt zu frühzeitigem
Schluß. In schlechten kalten Jahren (z. B. 1902 u. 1903), in denen der Fisch süd-
lichere Gegenden (z. B. England) aufsucht (1902 wurden dort doppelt so viel gefangen
als 1901 !) wird der Fang erst im Mai oder Juni, ja bisweilen erst Anfang Juli be-
endet.
In der Umgebung von Neufundland, wo auch die Franzosen noch alte Fischerei-
rechte besitzen, wird besonders auf der sog. Bank von Neufundland und den fran-
zösischen Besitzungen bei St. Pierre und Miquelon der Dorsch vom 15. April bis
Ende September gefangen. Er ist hier im September am fettesten. Den Fang (mit
der iigne ä la main, ligne de fonds, senne, faulx) schildert Rousset (a. a. O.). In
Fig. 201.
Hafen von üehavn (Finmarken) mit Segel-, Dampf- und Motorbooten. Im Vordergrunde die großen Behalter, in denen
die Lebern aufgesammelt werden behufs Bereitung von natürlichem Dorschleberöl. [Bull phot.]
Island (Reykiavik, Patrixfjord, Dyrefjord, Faskrudfjord) dauert der Fang in zwei Saisons
imd an verschiedenen Stellen vom Februar bis August.
Der frische Fisch heißt K ab eljau(Cod), der frische der kleinen Varietät Dorsch, der
Schellfisch K ad dock, der an Stangengerüsten getrocknete Stockfisch, der aufgeschnitten
mit Salz bestreute und getrocknete Klippfisch, der in Fässern eingesalzene Laberdan.
Herr H. BuLL, Direktor der Fiskeriforsolvstationen i Bergen berichtet mir ferner: «Von
anderen Fischen, deren Leber in Norwegen für die Bereitung von Leberölen verwendet werden,
muß in erster Linie der Sej, Gadus virens, dann die Brosme (^Brosmitis brosme), die Länge
(Alolva vulgaris), der Schellfisch [Gadits aegleßnus) und der Eishai (Laetnargus microcephaliis)
genannt werden. Der Sej entstammt der Küstenfischerei, gibt ein sehr schönes Dampföl, das
aber beim Abkühlen viel Stearin abscheidet; auch das kalt geklärte Öl enthält viel (etwa 15%)
64 S Leberöle,
feste l'ettsäuren und ist dadurch gekennzeichnet; dasselbe wird vielfach mit dem reinen Dorsch-
leberöl vermischt und die Mischung als solches verkauft. Die Brosme sowie die Länge ent-
stammen der Hochseefischerei (an den Abhängen der Hochplateaus im Meere), kommen daher
nicht frisch ans Land, und das aus denselben durch Fäulnis bereitete Öl dürfte wohl nur
für technische Zwecke verwendet werden. Dasselbe gilt vom Schellfischöl, weil demselben, auch
dem Dampföl, ein unangenehmer Geruch anhaftet. Das Eishaileberöl (Dampföl) ist zwar schön,
aber, weil vorwiegend eine Wachsart enthaltend, medizinisch nicht verwendbar.»
Neuerdings werden auch von deutschen Hochseefischern sowohl in der Nordsee als auch in
der Ostsee außer dem Kabeljau auch die Lebern einiger anderer verwandter Fische auf tech-
nischen und Medizinaltran verarbeitet, nämlich die des kleineren, gestreckteren Schellfisches ,
Gadus aegleßmis L. {Morr/iua aegießniis und piinciatns, Asellns minor, Egrefin), der im Februar und
März zur Laichzeit in großen Scharen an der friesischen Küste erscheint und die des in der Ostsee
vorkommenden sog. gewöhnlichen Dorsches, einer kleineren Varietät \ on Gadus morrhua,
die LiNNi als eigene Art, G. callarias L., abtrennte, die aber oben mit zur Art G. morrhua
gezogen wurde (nicht ein Jugendzustand, wie man früher annahm). Das D. A. V. läßt auch die
Leberöle dieser beiden Fische zu; Ph. austr. VIII auch die anderer GadusAtlen.
Auf der Doggerbank in der Nordsee dauert der Fang vom Dezember bis Mai. Die deutsche
Dampftranproduktion erhält aber ihr Rohmaterial besonders durch Schiffe der deutschen Hochsee-
dampferflotte aus den Gegenden Islands.
Die medizinisch nicht zu verwendende Handelsmarke Coast Cod oil wird aus den Lebern
des Meer- oder Seehecht, Kümmel- oder Hechtdorsch, Merluccius -vulgaris (Gadus merbiccius), des
Leng, Molva vulgaris (Gadus hiolva, Lata molva, Asellus longus), des Sejfisch, Wittling oder
Weißling, Gadus merlangus [ßlerlaiigus vulgaris, Fig. 197), des Köhler, Gadus virens [3fer-
langus virens s. carbonarins , in dorscharmen Jahren auch sonst zur Lebertrangewinnung her-
angezogen H. Meyer), des Schellfisch (s. oben) und des Eishai oder Haakjerring [Laemargus
oder Seymtius borealis und brcvipiniia') dargestellt. Französische Fischer (von Boulogne und Gra-
veline) fangen in der Nordsee besonders den Leng (Elingue). Haifischleberöl wird in Island,
Norwegen und Californien gewonnen.
Leberöle werden auch noch dargestellt außer von der Brosme, dem Lub oder Torsk (5?-oj/«n«
brosme), der an den Küsten Norwegens, bei den Faröer Inseln und Island häufig ist, von dem
Meerengel [Rhina squatina, Squatiua vttlg.), dem Thunfisch [Tliyunus vtilg.'), dem Dorn- oder
Nadelrochen (Raja clavata) und Glattrochen, Tepel, Tegel, Fleten [Raja batis).
Lit. Abbild, u. Beschreibung: Brandt -Ratzeburg, Mediz. Zoologie 1833, t. IX. —
Martiny, Naturgesch. d. f. d. Heilk. wicht. Tiere 1854, t. XI. — GuiBOURT, Hist. nat. d. drog.
simpl. VII, Aufl. — Brjjhm, Tierleben. — Beauregard, Mat. m^d. zooIog. 1901, Big. 72.
Gewinnung. Die Gewinnung des Lebertrans erfolgt an der norwegischen Küste,
besonders bei den Lofoten, einer felsigen Inselgruppe unter 67 — -69" n. B., in dem
Vestfjord zwischen diesem und dem Festlande (vgl. die Karte), wo die ersten Züge
der Fische schon Ende Dezember, die Hauptmassen aber erst von Mitte Januar an,
besonders aber im Februar-April erscheinen. Meist dringen sie zwischen den Inseln
am südwestlichen Ende der Gruppe (Moskenaes und Vaerö, Flakstadö, Rost und Ost-
und West-Vaagö) in den Fjord ein und verteilen sich in diesem, in der Tiefrinne (s.
d. Karte) nach Norden geführt, an den Laichstellen, < Banken». Dann wird Dorsch-
fang und Trangewinnung auch an anderen Küstenpunkten Norwegens, wie z. B. in
Romsdalen, im Throndhjemer Fjord, bei Aalesund und im nördlichen Fmmarken be-
trieben — Finmarken liefert jetzt viel Öl • — ■ sowie an den Küsten Islands, den
Farör-, Shetland- und Orknay-Inseln. Endlich wird auch bei Neufundland, Neueng-
land, Neuschottland und in der Nordsee «Tran geschmolzen» (die Geestemünder senden
schon 200 Schiffe auf den Fang), weniger in der Ostsee.
Die Fabrikation erfolgt in den norwegischen Gewässern meist in Fabriken an Land,
seit die Segler zum Teil durch Dampfboote ersetzt wurden, also der Fang, der übrigens
meist in der Nähe der Küste erfolgt, rasch an Land gebracht werden kann. Das Ge-
Oleum Jecoris IMorrhuae.
649
wicht einer Leber beträgt im Durchschnitt '^j Pfund. Die größten beobachteten Lebern
wogen gegen 1 1 Pfund. Die Farbe guter Lebern ist .sahnenartig, die Konsistenz weich.
Magere Lebern sind zäh und rötlich, kranke fleckig und grünlich. Es wechselt dies nach
Fig. 202.
Die hauptsächlichsten Dorschfangorte der norwegischen Küste. [Mit Benutzung der Karten von Peckel Müller,
gez. von A. Tschirch.]
den Jahren («auf 7 fette folgen 7 magere Jahre», sagt der Fischer). In den norwegischen
Gewässern wird möglichst bald, nachdem der Dorsch gefangen ist, die große, sehr
In Finmarken gebräuch-
licher Apparat zur Dampf-
tranbereituDg.
A Konischer Behälter aus
Holz,
B Deckel,
C Dampfrohr,
D, E Ablaßhähne..
IBulI. gez.]
p
E
L
Auf denLofotengebräuch-
licher Apparat zur Dampf-
tranbereitung,
A Schinelzkessel,
B "W'asserbad,
C Schwimmer,
D, F, G Feuerung.
[Bull gez ]
Fig. 203.
Fig. 204.
fettreiche Leber herausgeschnitten, die Gallenblase und event kranke Teile abgetrennt,
die Leber gewaschen und nun entweder zerschnitten und unter gelindem Drucke aus-
gepreßt (Pharm, helv. IV cdas durch gelinden Druck ausfließende Öl >) oder in großen
650
Leberüle.
Kesseln durch Einleiten von Dampf rasch aufgekocht bzw. durch Heizen der schmalen,
hölzernen, doppelwandigen Kessel mit Dampf von außen auf 60 — 70" (nicht über
So", Pharm, nederl.) erhitzt oder endlich in einen 200 — 300 1 fassenden Kessel von
Weißblech oder verzinntem Eisen gebracht und dieser auf ein direkt oder durch Dampf
geheiztes Wasserbad gesetzt. — Die Wasserbadmethode (Fig. 204), die die älteste und
die zeitraubendste ist, aber die höchste Ausbeute und die beste Qualität Öl liefert, wird
besonders auf den Lofoten und südlich, die Dampfmethode (Fig. 205) in Finmarken
geübt. — Diese Methoden werden an Land benutzt (1898 gab es 120 Dampfappa-
rate). Zum Gebrauche auf den Schiffen bedient man sich abgestumpft -konischer
hölzerner Gefäße, in die man, nachdem die Lebern eingebracht sind, überhitzten
Dampf leitet (1898 gab es deren 40). Die deutschen Hochseefischer benutzen zum
Ausschmelzen der Lebern in den Dampfkessel der Maschinen der SchifTe eingelassene
Gefäße. Hauptsache ist bei allen diesen Methoden, daß die Leber frisch ist und daß
die Erhitzung nicht zu hoch ist (nicht über 70") und nicht zu lange (nicht über
^l^ Stunde) dauert. Das bei diesen Methoden austretende Öl wird abgeschöpft, durch
Absetzenlassen geklärt und bevor es in die mit Holz umgebenen Weißblechtonnen
gefüllt wird, filtriert. Schon hierbei scheidet sich, da ja die Temperatur zu jener Zeit
in den Gegenden, wo die Gewinnung erfolgt, niedrig ist, ein Teil der festen Fett-
bestandteile ab. Um diese Bestandteile noch weiter abzuscheiden und ein auch bei
o*' klar bleibendes Öl zu erhalten, wird dann der Lebertran durch Kältemischungen
(Eis und Kochsalz) in Kühlkammern auf etwa — 5 " abgekühlt oder auch nur der
Winterkälte ausgesetzt und bei möglichst niedriger Temperatur durch Filterpressen
oder Filtersäcke filtriert. Das Abgeschiedene, durch hydraulische Pressen vom Öl be-
freite geht als «Fischstearin» in die Seifenfabrikation oder als «Fischtalg» in die
Gerbereien. Da die Luft bei dieser Fabrikationsweise verändernd auf den Lebertran
einwirkt, findet neuerdings da und dort das Ausschmelzen in einer Kohlensäureatmo-
sphäre statt (Peter Moeller). Heyerdahl empfahl in einer Wasserstoffatmosphäre
zu arbeiten. Dieser sorgfältig aus frischen Lebern an der norwegischen Küste bereitete
Lebertran ist der sog. helle Medizinaltran, Dampflebertran, norwegischer Medi-
zinal - Dorschtran oder Fabriktran L Qualität, der von einigen Pharmakopoeen (D. A. V.,
Ph. austr.) ausdrücklich verlangt wird. Aber auch der durch einfaches Auspressen oder
spontanen Austritt (s. unten) gewonnene sog. natürliche Lebertran kann noch in
seinen besten Sorten medizinisch benutzt werden.
Bei dem in Ostende benutzten Verfahren von Henseval und Huwart vermischt man
die gut gewaschenen Lebern mit '/s Wasser und leitet unter Umrühren soviel Dampf von '/^
Atm. ein, daß die Temperatur nach 40 Minuten 70 — 75° beträgt. Nach '/., Stunde Ruhe wird
das Öl (''., der Gesamtmenge) abgeschöpft (durch Pressen wird eine Sekundasorte gewonnen^
Das abgeschöpfte Ol wird dann, nachdem es zwei- bis dreimal mit Wasser von 50° gewaschen,
in hermetisch geschlossenen Behältern im Eiskeller abgekühlt, um das Stearin abzuscheiden.
Nach dem Wild-Robb sehen Patent wird jetzt guter Lebertran durch Ausschmelzen der
Lebern im Vakuum mit Dampfmantel bereitet. Das Ol läuft durch ein Vakuumfilter in einen Tank-
wagen, wo es auf 4° abgekühlt wird. Das Stearin wird durch dicht nebeneinander gehängte
Filtersäcke abgetrennt.
Minderwertige, von der medizinischen Verwendung auszuschließende Transorten
werden im Verfolg des oben beschriebenen Verfahrens durch stufenweises stärkeres
Erhitzen und Auspressen der Lebern gewonnen (Sekundatran für technische Zwecke).
In Island ist die Gewinnung des Dampftranes ähnlich wie in Norwegen, doch nur gering,
infolge ungenügender Mengen frisch zu beschaffender Lebern. In Nordamerika (Canada, Neu-
Oleum Jecoris Morrhuae.
651
fundland), auf den britischen Inseln und der Nordseebank wird sie durch zu hohe Lufttempe-
ratur und daher zu rasche Fäulnis der Lebern behindert. Dagegen hat sich der «Peter MÖLLER-
Prozeß», wie die Gewinnung des Dampftrans nach ihrem Erfinder genannt wird, auch in den
Bezirken von der russisch-norwegischen Grenze bis zum Weißen Meer eingeführt. An der Mur-
manküste besteht etwa ein Dutzend woers, kleine Dampffactoreien, deren östlichste Korabelnaja
ist (Peckel Möller).
Minderwertige Sorten sind die sog. natürlichen, naturellen, früher als
Bauerntrane bezeichneten, die in der Weise gewonnen werden, daß man die aus
den Fischen herausgelösten Lebern, oft ohne die Gallenblase abzulösen, in Fässern (Barrels,
Fig. 201) übereinander schichtet, diese verspundet und deren Inhalt erst nach mehreren
Wochen oder gar Monaten, wenn die Fischer heimgekehrt sind, also die Masse schon
zum Teil in Fäulnis übergegangen ist, weiter verarbeitet. (Die ersten Lebern kommen
im Januar, die letzten im April in die Fässer.) Das aus den Fässern freiwillig aus-
fließende oder oben abgeschöpfte Öl ist noch relativ hell, gelb bis orange gefärbt
[Ol. iecoris naturale flav., citrinuin, helles Rohmedizinalöl, Norw. Raa-Medizinaltran)
Fig. 205.
Verladen des Lebertrans in Bergen. [Klischee von Scott & Browne.]
und gilt in seinen besten Sorten als zur Not noch für medizinische Zwecke brauch-
bar, obwohl der Trangeschmack sich zuweilen recht unangenehm bemerklich macht
(die Pharmakopoeen lassen es nicht zu!). Indessen gibt es vielfach gute Qualitäten,
die in bezug auf Geschmack oft einem guten Dampftran vorgezogen werden (Bull).
Das bei weiterem Faulen bis Juni an die Oberfläche kommende Öl ist der Norw.
Blanktran und das bei fortgesetzter Fäulnis erhaltene dunkelbraune Öl der Norw.
Braun-Blanktran. Die dann aus den Lebern in Töpfen und Kesseln auf offenem
Feuer ausgekochten Trane aber, die abscheulich riechen und noch abscheulicher
schmecken, und eine mehr oder weniger braune {Ol. jecoris fuscwii) oder gar fast
schwarze Farbe {Ol. jec. nigr., Gerbertran) besitzen, sind nur zu technischen Zwecken
verwendbar (Norw. Brauntran). Der beim Auskochen der Lebern zurückbleibende Rück-
stand heißt graxe. Die Bauerntrane werden durch Abkühlen nicht demargariniert, sind
«unracked>, enthalten also viel feste Fettsäuren (s. unten). Nach dem Bauerntran-
(JS2 Leberöle.
verfahren wird noch jetzt, besonders an der Küste von Neufundland, dann auch an
der schottischen Küste, in Island und Norwegen viel Lebertran dargestellt (Weigel,
Roussel), der zudem noch oft mit Robben- und Menhadentran (s. oben) versetzt
wird (Sage). Besonders scheint die Methode, die 3:1m großen Fässer (cajot) unten
mit einem Fichtenbusch als Filter zu versehen und das spontan abfiießende Öl am
unteren Teile abzuziehen, beliebt zu sein, neben der Methode die Lebern in große
Behälter (foissiere) zu werfen, die bis 3000 Stück aufnehmen können und in denen,
da der Behälter sich nur langsam füllt, die Masse alimählich in faulige Gärung über-
geht und einen derartigen Gestank entwickelt, daß es verboten ist, diese Behälter in
der Nähe von Straßen zu errichten.
In Ostende wurde früher die zerkleinerte Leber in einen Fischmagen gelegt
und dieser aufgehängt. Der Tran floß bald spontan aus. Neuerdings sind auch mit
Lauge und Kohle entfärbte sowie sonnengebleichte Leberöle im Handel.
Der Bauemtran geht nach Bergen. Dort lagert das Öl zunächst, um alles Wasser
abzuscheiden. Dann wird es bewertet — meist auf eine sehr primitive Weise: Ein-
tauchen der Finger und Prüfen durch Mund und Nase. Der bei der Dampftrange-
winnung erhaltene Rückstand der extrahierten Lebern (Graxe) wird getrocknet, ge-
mahlen und als Dünger verwendet, oder, trotzdem er c. 6 — 10 "'/q Öl enthält, fort-
geworfen. Auch die abgeschnittenen Köpfe der Fische (Fig. 199) werden auf Dünger
verarbeitet (1893: 17,7 Mill. Köpfe in drei Fabriken), die Schwimmblasen bisweilen
auf Leim. Der Rogen geht als Köder nach Frankreich.
Lit. Brefeld, D. Stockfischlebertr. in naturhistor. etc. Hinsicht. Hamm 1835. — VOGL,
Kommentar. — Soubeiran, Journ. pharm. 1866, 161 u. 324. — R. Howden (Gewinn, d. L. auf
den Lofoten). Pharm. Journ. 9 (1868), 312 (deutsch: Arch. Pharm. 18 [1868], 235). — Heinrich
Meyer, Medizinal-Dorschlebertran 1884. — König, Abhandl. der Naturw. Ges. Isis 1895 (Ref.
von Schelenz in Pharm. Zeit. 1899, 381). — F. Peckel Möller, Codliver oil and chemistry.
London 1895. — Roussel, La morue et l'huile de foie de raorue. Th^se Paris 1900. — Hen-
SEVAL u. HuwART, Beitr. z. Stud. d. Fischlebertrane. Chem. Rev. d. Fett u. Harzind. 190;,
191. — Nielsen, Instruct. sur la prep. de l'huile d. foie de morue Bull, d.» Peches marit. 1897.
— RUMP u. Lehners, Schweiz. Wochenschr. 1904, 160. — Koch (Produkt, in Neufundl.), Mercks
Rep. 1907, 340. — • Stein (Island), Österr. Apoth. Zeit. 1906. — Brousfield (Lofoten, Liste der
Stationen). West. Drugg. 1905, 435. — Thomson (Neufundland). Proc. Amer. pharm. Assoc.
1905, 691. — Gehe, Handelsber. — Die Seefischerei Norwegens igoi. — Sea fisheries of the
united kingdom 1902. — Die Geestemünder Hochseefischerei 1902, herausgeb. z. Intern. Fischerei-
Ausst. in Wien. — Mitteil. d. deutschen Seefischereivereins.
Handel. Der Großhandel unterscheidet meist: I. Dampftran (weiß, hellblond,
gelb, album); IL Natürlicher Tran. i. Medizinaltran (hellblank, blond, citrinum); 2.
blanker T. (hellbraunblank, flavum); 3. braunblanker T. (fuscuni); 4. braimer T.
(braunschwarzer, nigrum, Gerbertr.), und nach der Herkunft besonders: Norwegischer-
Neufundland-Labrador-Tran. Der Handel unterscheidet auch < ungeklärte» und «bei o"
nicht dick werdende» Trane, oder auch sommerfiltrierte und winterfiltrierte (bei Japan-
tran). Die frühere Bezeichntmg Fabriktran und Bauerntran ist nicht mehr üblich.
Der norwegische Medizinal-Dorschtran ist sowohl als Dampftran (in Blechtonnen ä 100 kg)
— die bei weitem teuerste Sorte — wie als natürlicher Dorschtran (in Holztonnen ä 100 kg)
im Handel. Letzterer in den Sorten «hellgelb, kältebeständig D. A. V.», — nur '/s 9338
0,916—0,9338
0,9258
190,6 — 196,16
189,8-193,7
182,8
156,2-193,2
100—171,3
161,42
0,48— 1,01
0,52 — 0,86
0,55
50—53
(45")
94,5-97,08
95,52—97,04
95,02
Sprotte
0,9274
194.5
122,5 — 142
1,36
1,4
—
95,1
Trane
«
von
Robbe
Walfisch
Delphin
0,924—0,927
0,917—0.9307
0,9266
178 — 196,2
182,1—224,4
i27-'59,4
110,1-146,55
0,38—0,79
(',05)
0,07-0,22
0,7—2,04
72,7
65
92,8—95,96
93,5—95,18
Körper
Kinnbacken
—
197,3—203,4
290
99,5—126,9
32,8
—
5,6
65,92
I
93.07
66,28
Dugong
0,919 — 0,9203
197,5-202
66,6—69
-
2,5
66.3
—
Kebler vertritt die Ansicht, daß der amerikanische Lebertran dem norwegischen gleich.
wertig sei. Game fand bei Neufundlandtran spez. Gew. 0,9275, freie Säuren 1,15, Schmelzp-
der Fettsäuren 24°, «Verseifungsäquivalent» 292, Jodzahl 164. Roussel fand bei französischen
N eufundland trän (von St. Pierre und Isle aux chiens) spez. Gew. 0,9233 — 0,9272, freie Säure
1,0.— 2,6''/o, Verseifungszahl 109 — 114, Jodzahl 148,38 — 160,68. Gane fand bei Coast oil (s. oben
S. 648) spez. Gew. 0,925 — 0,9265, freie Fettsäuren 2,06— 3,94 °/„, Schmelzp. der Fettsäuren
24 — 28", Verseifungsäquivalent 284 — 301, Jodzahl 150 — 160. Wingard fand rationell bereiteten
Robbentran (von /Äocaarten) nur wenig von Dorschlebertran abweichend. Er enthält mehr un-
gesättigte Fettsäuren. Über die Zusammensetzung der Leberöle der Adlerroche [Myliobatus
Agtiüa) und von Centrina Salviani vgl. Huwart (Chem. Rev. d. Fett- u. Harzind. 1908, 200),
über Wal fisch trän Heidenrkich und Wagle, Tidsschr. for kemi 1911, Nr. I2, überRobben-
und Haifischtran Titarowski und Chesnokow (ebenda 1910,263), über den Tran von Zam-
pris Lima Eberle (Diss. Bern 1893). Über zahlreiche andere Trane Henseval und HuWART
(ebenda 1907, 191), über Japan. Sardinenöle Trujimoto (Journ. Coli. Eng. Tokio 1906); über
Japantran Okad.\ (Chem. Zeit. 1907, 1135); über Delphintran H.vrt (Chem. Zeit. 1908, Nr. 69).
Verfälschungen mit anderen Leberölen, Tranen und Fischölen sind namentlich in Jahren, wo
der Lebertran teuer war (1902 und 1903) in größtem Umfange beobachtet worden. Sogar durch
Digestion mit geräucherten Fischen «parfümierte» billige Pflanzenöle gingen einmal als Leber-
tran. 1907 waren farblose Lebertranemulsionen im Handel, die nur aus Robbentran bereitet
waren. In gebleichten Tranen wurde Blei gefunden.
Unter dem Namen Fucol wurde (1904) ein Surrogat in den Handel gebracht, das durch
66o
Leberüle.
Digerieren vegetabilischer Ole (Sesaniöl) mit Seealgen (bes. geröst. Fnais vcsfcnhs.') bereitet wurde.
Ebenso findet sich ein Ol im Handel, das durch Vermischen von reinem Leberöl mit «jodiertem
Sesamöl» (Jedipin) hergestellt wurde (gibt weniger Bromidl).
Lit. Lewkowitsch a. a. O. — Benedikt-Ulzer a. a. O. — Weigel (Verf. mit Japantr.),
Pharm. Ceniralh. 1904, 553. — WiEBEHTZ. Pharm. Zeit. 1904, 513. — Baumann, Apoth. Zeit.
189S, 869. — Kremkl, Pharm. Post. 1884, 31.— POHL (Mineralöl), Pharm. Post. 1888, 37. —
Gane, Cod liver oil and its adulterations. Proc. Am. pharm, ass. 1903, Mercks Rep. 1903,
Am. Drugg. 1904. — Bishop, Chem. Zeit. 1889, Rep. 306. — Liverseege (andere Trane),
Analyst 1904, 210. Pharm. Journ. 1904, 656. — Töllner (Fucol), Pharm. Zeit. 1904, 69. —
Zeitschr. Angew. Chem. 1904, 397. — Wingard, Svensk. farm. tidsschr. 191 1, No. 10 (Apoth.
Zeit. 191 li 533). — ScHAMELHOUT (Kremels Reaktion), Proc. Am. pharm, ass. 1905, 694. —
ToLMAK, Journ. am. chem. sog. 1906, 388. — Caspari, Proc. Miss, pharm, ass. 1906, 104. —
Helfenberger Annalen 1906.— Halphen, Bull. Soc. chim. France 1907,280. — Procter and
Bennet, Exam. of marine oils. Pharm. ■ Journ. 77 (1906) 453. — Evans Sons Lescher and
Webb, Analyt. Not. 1906 u. 1907. — B.vird, Proc. Mass. pharm, ass. 1907,40. — Kebler, Am.
journ. pharm. 1905, 491. — THOMSON and DUNLOP, Journ. soc. chem. ind. 1905,741.
Der vorstehende Artikel wurde von Herrn Direktor Bull in Bergen durchgesehen.
Prüfung. «Für die Bewertung von Medizinalöl liefern neben der Geruch- und
Geschmackprobe — guter Tran muß milde schmecken, darf nur wenig im Schlünde
kratzen und nicht bitter sein — die Säurezahl, Jodzahl und REICHERT-MEISSL-Zahl
die wichtigsten Anhaltspunkte» (Lewkowitsch). Niedrige Säure- und Reichert-
MEISSL-Zahl, hohe Jodzahl, das ist das Charakteristikum eines guten und unverfälschten
Lebertrans. Beträgt das Unverseifbare mehr als 1,5 "jo. so können Vermischungen mit
Haifisch- oder Sejfischleberöl, die beide neuerdings öfter als Dorschleberöl verkauft
wurden, vorliegen (raffiniertes Haifischleberöl gab aber einmal auch nur 0,7 "Ig). Ist
die REICHERT-MEISSL-Zahl höher als 0,5, so waren wahrscheinlich die Lebern nicht
frisch; beträgt der Gehalt an freien Säuren mehr als i.S^/o. so liegt kein Dampftran
vor. Im Mittel muß die Jodzahl etwa 167 betragen (Lewkowitsch), nicht unter 148
bzw. 154 (Wijs). Bull und Johannsen wägen das durch Brom in der Äther- Eis-
essiglösung entstehende Bromid der Fettsäuren. Das Öl soll etwa 32,64 — 3 7,77 "/o
Bromid liefern (Haifischleberöl gibt nur 12,7 — iS^/o)- Auch der Gehaltan gesättigten
Fettsäuren (nicht über c. 1 1 "/q) gibt wertvolle Fingerzeige (Bull).
Die Bestimmung de rjodzahl erfordert einige Übung. — Die leichte Abscheidung
von in Benzol und Äther sehr schwer löslichen Bromiden aus Fischtranen benutzten EiSENSCHlML
und COPTHORNE (Chem. Rev. d. Fett- u. Harzind. 19 TO, 107) sowie Makcusson und HÜBER
(ebenda 1911, 114) zum Nachweis dieser in Pflanzenölen. Unterscheidung der Trane nach der
Löslichkeit ihrer Nalronseifen in Wasser ist von Boegh und Thorsen 1904 vorgeschlagen
worden. Während lOoTeile siedender Alkohol 7 Teile Lebertran lösen, lösen sie 15 Teile Robben-
tran und 50 Teile Walfischlran (Schädler),
Der sichere Nachweis einer Verfälschung des Morrhuaöls mit anderen Leberölen
ist nur selten möglich, etwas leichter läßt sich eine Beimengung von Fischölen und
Tranen ermitteln (s. die Tabelle S. 65g). Zum Nachweise pflanzlicher Öle ist Bestim-
mung des Schmelzpunktes der Stearine empfohlen worden (Salkowski, Bömer).
Aufbewahrung. Da OL jec. wegen der großen Menge ungesättigter Fettsäuren
leicht Sauerstoff aufnimmt und besonders am Licht ranzig wird — es schmeckt
alsdann abscheulich — ist es in ganz gefüllten kleinen Gläsern (H. Meyer), vor
Licht und Wärme geschützt, aufzubewahren — jedenfalls nicht in halbgefüllten Fässern.
Beim Ranzigwerden entstehen wahrscheinlich auch O.xyfettsäuren. Die SauerstofTauf-
nahme beträgt bei der LivACHEschen Probe in drei Tagen in 100 Teilen: 6,383
Oleum Jecoris Morrhuae. 66 1
(Jean) — bei Mohnöl in zwei Tagen 6,8, bei Leinöl 14,3. Lebertran hält sich
um so besser, je reiner er ist. Gebleichter Lebertran ist nicht haltbar.
An'wendung. Die Wirkung des Öls beruht nur zum Teil auf dem Jod (ein mit
Jod angereicherter Lebertran ist als Ol. jec. jodatum in Benutzung), hauptsächlich aber
wohl auf den vom Magen leicht emuigierbaren, daher gut verdaulichen Fetten. Der
Magen nimmt von ihm viel mehr an als von anderen Fetten. Fischfette enthalten
übrigens mehr KohlenstofiF (s. oben) als die Fette der Wiederkäuer. Lebertran ist jeden-
falls ein vorzügliches, die Ernährung unterstützendes, den Kräftezustand hebendes
Mittel. «Er ist ein geeignetes Mittel, um Kranken mit schwacher Verdauung in aus-
reichendem Maße Fett für die Ernährung zuzuführen» (Schmiedeberg). Er besitzt
eine hohe Verbrennungswärme (s. oben). Er wird Kindern jetzt gern in Form einer
Emulsion gegeben, der meist in Nachahmung der Scott sehen Emulsion Hypophos-
phite zugesetzt werden. Doch ist es nicht leicht, eine bei jeder Temperatur und langem
Liegen haltbare Emulsion zu erhalten. Die Herstellung einer solchen mittelst eines
Auszuges einer Saponindroge oder eines Saponins erscheint mir unzulässig, da die Sapo-
nine nicht harmlose Substanzen sind. Bei der Bereitung der Emulsion kommen u. a.
Zucker, arabisches Gummi, Tragant, Casein (Leger), Pancreatin (Defrene) und Carra-
geen (Barbi) in Betracht.
Geschmackkorrigentien sind: Bittermandelöl, Zimtöl, Anisöl, Zitronenöl,
Pfefferminzöl — Ausspülen des Mundes mit Pfefferminzwasser sowie Pfefferminzplätz-
chen empfahl schon Scherer 1822 — Saccharin, Chloroform, Essigäther, Sardinen,
Kaffee, Mischen mit Arak, Rum oder Bier, Nachtrinken von süßem Wein, Nachkauen
von Brotrinde oder grünem Käse, oder man erwärmt den Lebertran im Eßlöffel, bis
er dünnflüssig wird (auf c. 45" C). Pavesis «desodorierter» Lebertran wird durch Er-
hitzen mit gemahlenem Kaffee und Kohle erhalten.
«Fester Lebertran» kann durch Vermischen der Lebertran-Eiweißemulsion mit
Cacao erhalten werden (Szigeti und Sziläw), auch durch Zusammenschmelzen mit
Wallrath. Andere feste Arzneiformen in Real-Enzyklop. d. ges. Pharm.
Der Lebertran mit Malzextrakt und der moussierende sind von Dieterich ein-
geführt. Man mischt ihm auch Eisen, Phosphor, Chinin, Kreosot bei.
Sog. Lebertranersatzmittel sind das But)'romel, Jecorin (Berkenheier), Lipanin
(Gemisch von Olivenöl und Ölsäure, Mering). Der Lebertran ist aber durch
nichts zu ersetzen. Er ist ein sehr wertvolles Arznei- und Nährmittel.
Mackenzie, ein begeisterter Verehrer des Lebertrans, behauptet (Chem. Drugg. 189g,
697), daß sich das mittlere Lebensalter der Europäer seit dem Gebrauche des Leber-
trans um 2 — 8 Jahre verlängert habe (?). Immerhin ist zu bemerken, daß, wie neuere
Untersuchungen (19 11) von Wingard und klinische von Wilkens gezeigt haben,
rationell bereiteter Robbentran (OL pJwcae mcdicinale) dem Dorschlebertran ebenbürtig
ist. Er weicht auch chemisch nur wenig von diesem ab.
Die technischen Leberöle werden in der Lederindustrie (Sämischgerberei), als
Schmiermittel usw. benutzt.
Geschichte. Plinius berichtet, daß das Fett aller Fische mit Honig ein gutes Augen-
mittel sei und das Vollf benutzt das Äschenfett (von Salmo Thymallus) noch heute zum gleichen
Zwecke. Plinius erzählt auch (31, 27): «Einige rösten die Leber des Delphins in einem irdenen
Geschirre so lange, bis ein ölartiges Fett darausquillt und hiermit reiben sie ein». Eine inner-
liche Anwendung des Fischleberöls war den Alten unbekannt, obwohl sie sowohl die Lebern
von anderen Tieren wie mehrere Fische arzneilich anwendeten. In den hippokratischen Schriften
wird Seehundstran als Riechmittel bei Hysterie empfohlen. Auch das Mittelalter beachtete den
602 Leberöle.
Tran nicht. Der Codfisch des Nordens wird schon in Eigils Sage (930 n. Chr.) erwähnt.
Jedenfalls seit dieser Zeit erscheint er Jahr für Jahr an der norwegischen Küste. Tran und
getrocknete Fische wurden seit c. :ooo n. Ch. nach England exportiert. Die Grönländer, Lappen
und Eskimos benutzen den Lebertran seit undenklichen Zeiten. Lemery kennt 17 21 nur das
Äschenfett, Pomet und Valentini beschreiben den Walfang und erwähnen den Walfischtraii
von Grönland, Spitzbergen, den Besitzungen der Holländer im Eismeer und Bergen.. Seit Jahr-
hunderten werden Dorschzähne in Frankreich bei Bluthusten benutzt.
Percival empfahl 17S3 in dem London Medic. Journal VIII, 393 das «Tranöl» bei
chronischem Rheumatismus. Ihm folgte Bardsley 1807 (Medic. Reports 18). Schon damals
stand das Öl in Lancashire in großem Ansehn. Kay, Percival und Bardsley behandelten
Gicht, Rheumatismus, Skrophulose und Hautausschläge mit Fischtran und schon Bardsley er-
kannte seine fettbildende Wirkung. Auf dem Kontinent wurde Lebertran 1822 durch Hofrat
Scherer in Siegen in der Schrift: «Erfahrungen über die großen Heilkräfte des Lebertrans
gegen chronischen Rheumatismus» (Hufelands Journ. der prakt. Heilk. 1822, 6, 31) als souve-
ränes Rheumatismusmitlei, von anderen auch als Laxans, Diaphoreticum und Diureticum und
1825 bei Phtise empfohlen. Scherer bedauert, daß der Lebertran in den Apotheken fehle und
man ihn von Krämern und Gerbern beziehen müsse. Er empfiehlt seine Aufnahme in die Phar-
makopoee. Als Ol. morrhuae erscheint der Lebertran denn auch bereits in der Pharmac. bo-
russica IV (1827), als Ol. jecoris Aselli in der Ph.hassiaca von 1827 (ScHELENz). Posseit erwähnt
1828 «Gichttran», ohne Erwärmen durch Abtröpfeln von Gadus callarias gewonnen. In Frank-
reich führte ihn Cakron de Villars 1837 ein (Husem.^nn). In England kam er durch Tauf-
lied (London med. gaz. 1840) und Bknnet (1841) in Aufnahme. Noch 1839 wurden in Lon-
doner Apotheken frische Dorschlebern gehalten. Erst 1841 wurde dort Neufundlandtran ein-
geführt. Weit verbreitet ^var die Schrift von Herm. Klencke, Der Lebertran als Heilmittel,
Leipzig 1842 (auch franz. [Anvers.] und hoUänd. 1843).
Die erste Untersuchung des Trans finden wir schon bei Chevreul (Rech. chim. sur 1. corps
gras d'orig. anim. Paris 1823). Ferner beschäftigten sich mit ihm Würzer (Buchn. Rep. 21, 122),
Marder (Pharm. Centralbl. 1837, 536, Arch. Pharm. 32 (1830), 90 und 1838, 153) und Herberger
(ebenda 1839, S54) — besonders aber L. J. DE JONGH (Disquisiiio comparativa chimico-medica
de tribus olei jecoris aselli speciebus 1843, auch deutsch und franz., sowie im Journ. f. pract.
Chem. 19, 151), der dadurch mit Mulder (Scheik. ondez. levertr.) in einen Streit geriet. DE
JoNGH brachte auch selbst einen besonders reinen Tran in den Handel, der damals eine große
Rolle spielte.
Seit etwa 70 Jahren wird der Lebertran, seit Jahrhunderten Volksmittel in Skandinavien,
in England als Nahrungsmittel benutzt (Chem. Drugg. 1910, 51). Noch zu Pereiras Zeiteu
kam er aber ausschließlich aus Neufundland, wo er damals noch in der gleichen Weise wie
dies Pennant 1792 in seiner Artic zoology beschreibt, gewonnen wurde: Man warf die
Lebern in Fässer, die unten ein mit Fichtenreisern verstopftes Loch besaßen und stellte diese
in die Sonne. Das beim Faulen der Lebern ausfließende Öl wurde unten aufgefangen. Doch
kochten auch damals schon die Fischer in Newhaven bei Edinburgh die Lebern in eisernen
Töpfen aus und filtrierten das Ol durch ein Tuch mit etwas Sand (Bennet). In der Mitte des
XIX. Jahrh. war Lebertran das bei Skrophulose am häufigsten angewendete Mittel und da man
in jener Zeit alle etwas schwächlichen Kinder für skrophulös hielt, hat fast die ganze damals
aufwachsende Generation oft wochenlang den gefürchteten Tranlöffel täglich an den Lippen
gehabt. — Ein Patient erhielt einmal 265 Pfund in 6 Monaten! — Ich denke noch heute mit
Schaudern daran. Denn der ganz leidlich schmeckende Dampftran war damals noch nicht er-
funden! Erst 1853 begannen in Norwegen die ersten Versuche, Lebertran mit Hilfe von Dampf
darzustellen; im größeren Maßstabe geschah dies aber erst seit 1890. Anfang der sechziger
Jahre erschien des Kaufmanns Baschin heller Tran im Handel. Es war Peter Möller, der
1853 die Methode, aus frischen Lebern mit Hilfe von Dampf helle Trane darzustellend, erfand
(Peter Möllers Steam process). AVährend er 1853 kaum 20 Barrels Dampftran erhielt und
auch diese kaum an die an dunkle Trane gewöhnten Händler absetzen konnte, wurden 40 Jahre
später schon 30000 Barr, erzeugt. 1893 bestanden schon 52 Dampftran-«Fabriken», richtiger
«Kochereien».
In Neufundland fischen die Franzosen seit 1533, besonders seit unter Sullys Protek-
tion eine Kolonie in Canada gegründet wurde, gingen jährlich über 100 SchiflFe hinüber. Trotz-
Oleum Jecoris Morrhuae. 663
dem der Utrechter Vertrag die Rechte Frankreichs stark beschnitt, sehen wir noch 1792
jährlich 210 französische Schiffe dort dem Fang obliegen. In Labrador wird der Dorsch seit
1869 gefischt. 1889 begann man auch in Amerika in größerem Maßstabe Dampftran darzustellen.
1890 errichtete Nielsen eine Fischzuchtanstalt aufDildo in Neufundland. (Rapp. s. la propagat.
artific. de la morue 1892). Auch in Norwegen und Canada sind Zuchtversuche gemacht worden.
Künstliche Brut wurde zuerst 1878 in Gloucester versucht. 1899 wurden dort bereits 100 Mill.
Eier künstlich ausgebrütet (Merck. Rep. 1899).
Der Grund, warum sich die hellen Darnpftrane nur langsam einführten, lag daran, daß
man lange Zeit glaubte, daß die von Gautier und Mourgues 1890 in den dunklen Tranen
entdeckten Alkaloide die wirksame Substanz sind, was aber keineswegs der Fall ist. Leber-
tranemulsionen erwähnt schon Peeeira: «Doch tritt bei ihnen der unangenehme Geschmack
nur noch mehr hervor». 1843 empfahl Deschamps (Gaz. d. hopitaux No. 49) eine Lebertran-
seife, DuCLON 1846 einen Lebertransirup, später Pohl Gelatinekapseln; 1860 erschien Jeannels
Eisenlebertran. Den größten Einfluß auf die Lebertrantherapie gewann aber die zweifellos vor-
treffliche Scott sehe Emulsion.
Kopp (bei Dierbach) vermutete Jod im Tran und der Apotheker Hopfer de l'Orme wies es
1836 nach (Lieb. Ann. 21 (1836) 73 und Hufel. Journ. f. prakt. Med.), was Wackenroder, Brandes,
Bley, Marchand und Gmelin (Ann. d. Pharm. 30, 1839 321) bestätigten. Das Brom fand de
JoNGH, Allen 1885 das Cholesterin. Die Bildung von «Propylarain» beim Destillieren mit Kah
beobachtete schon Winckler (1852). Während die nach der älteren Methode bereiteten gefärbten
Trane infolge der beigemengten Fäulnisprodukte schlecht schmeckten und Aufstoßen hervorriefen,
sind die nach dem Peter MÖLLER-Prozeß (s. oben S. 651) bereiteten hell und schmecken besser.
Die von Peter Müller 1857 geäußerte Vermutung, daß der Lebertran, da er ganz anders
wirke als andere Öle, andere Fettsäuren enthalten müsse als die übrigen Fette, hat sich durch
die von Peckel Möller 1880 inaugurierten Untersuchungen Hkyerdahls als richtig erwiesen.
Lit. Flockiger, Lebertran in Fehungs Handwörterbuch. — König, Isis 1895. —
Schelenz, Gesch. u. Wirtschaft!. Bedeut. d. Lebertrans. Pharm. Zeit. 1S99, 331. — Peckel
MÖLLER a. a. O.
c) Trane.
Die eigentlichen Trane werden aus dem Speck oder auch aus dem ganzen Tiere aus-
geschmolzen. Sie bestehen fast ausschließlich aus Glyceriden, einige (Delphin-, Meerschweintran)
enthalten auch Wallrat. Sie sind für uns nur als Verfälschungsmittel des Lebertrans von In-
teresse (vgl. die Tabelle S. 659), dürften aber medizinische Beachtung verdienen (vgl. S. 661).
Hierher gehören der Robben- oder Seehundstran von Phoca vihdina, groenlandica,
lag2ira, caspica etc., der Wal fisch trän von Balaena mysticetns (der echte Wal), B. mcstralis,
Balaenoptera longimana, horealis. Das Schild krötenöl von Thalassochelys corticata, das Du-
gongöl von den Seekühen, Ilalicorc australis und mdiciis, der Delphintran von Delphinus
glohiceps und der Meerschwein- oder Braunfischtran von Delphinus phocaeiia.
2. Öle von Landtieren.
Die Öle der Landtiere ähneln den nichttrocknenden vegetabilischen Ölen. Sie geben
relativ niedrige Jodzahlen, absorbieren nicht leicht Sauerstoff und liefern harte Elaidine. Sie
spielen in der Medizin eine untergeordnete Rolle. Es gehören hierher zunächst die sog. Klauen-
öle, das Schafpfoten- oder Hammelklauenöl, das Pferdefußöl und das Ochsenklauenöl, dann das
Eieröl (aus Eidotter) und die flüssigen Öle, die aus Schmalz und Talg durch Auspressen er-
halten werden (s. bei Adeps und Sevum).
III. Vegetabilische feste Fette und solche enthaltende Drogen.
Die Vertreter dieser Klasse von Fetten sind in der gemäßigten Zone fest,
wie z. B. die tropischen Fette (Cacao, Cocos), oder von Salbenkonsistenz, wie die
Fette der Subtropen [Lauriis), jedenfalls nicht flüssig (s. oben S. 548). Je weicher sie
sind, um so mehr enthalten sie gewöhnlich ungesättigte Fettsäuren (Ölsäure, Linol-
664 MyristinsUuregruppe.
saureV Für einige {Cacao, Muskai) war früher die an die Konsistenz erinnernde, jetzt
als irreführend verlassene Bezeichnung «Butter» in Gebrauch.
1. Myristinsäuregruppe.
Die Vertreter dieser Gruppe enthalten Myristin, den Glycerinester der M\'ristin-
säure CH3(CHo)i2COOH (vgl. S. 546). Die Myristinsäure ist im Pflanzenreiche weit
\erbreitet, besonders aber bei den Myristicaceen zu finden. Nachgewiesen ist sie z. B.
in Mvristica fragr., M. surinamens., M. Oloba, AI. Bkuhyba u. and., Virola surinamensis
und venesualensis; ferner im Cocos-, Palmkern- und Dikafett, sowie im Walrat (Nörd-
LiNGER, Reimer, Will, Thoms, Mannich). Aus den Virolafetten läßt sich die My-
ristinsäure leicht darstellen (Reimer und Will).
Semen Myristicae, Macis und Oleum myristicae.
Syn. Nux moschata, Nucleus moschatus, Sem. nucistae, Muskatnuß, Moschaten-
nuß, Bisamnuß, Macisn uß, noix (de) muscade; die Pflanze muscadier (franz.), nutmeg
(engl.) — notemuskaat, notmuskaat, noten (holl.) — • noce moscada (ital.) — nuez
moscada (span.) — muskot träd (schwed.) — muscadnöd (dän.).
Der Arillus, die Macis: Muskatblüte, Macisblüte, Muskatblume (so noch in Preis-
listen 191 1 [!], trotzdem der Sachverhalt seit 700 Jahren bekannt ist). Fleur de mus-
cade (franz.) — mace (engl.) — macio (span.) — folie, foelie (holl.) — Arillus myri-
sticae, Flores macidis. Macis wird jetzt meist als Femininum behandelt (als Masculinum
bei Clusius in Exoticorum libr. 1605 und in Garcia Aromat. 1593).
sansc: jaji-phalam, jaliphala (phalam im Pali ^ Frucht), bind.: jä^-phal, jaiphal (Macis:
äpatri) (weitere verderind. Namen in Pharmacogr. indica und in Watt, Dict. econ. prod.) ;
mal. pala (die B'rucht: bua pala) inAtjeh: bak pala (weitere indische Namen bei de Clercq).
— arab.: jouzbuva, jauz-ut-trib, gauz buwa oder gauz bauwa (Macis: basbas, bisbasa) — pers.
jouzböyah (Macis = bazbäz) — chines. Muskatnuß: juh-tau-k'au oder jou tou k'ou (tou k'ou
= Cardamom), Macis: jou tou hua (jou = fleischig, hua = Blume.)
Bei Simon Seth: xÜqvov dQwfiaxixciv. — Bei Myrepsus: iJLoaxoxÜQVöov, xaQVOV ßVQi-rptxöv.
In den Glossae iatricae: vw:; ßVQttL,ixä ßoa'/oxd^iöa. Bei den späteren Griechen auch: vohxtj
fioa/äza, väaxa<(zov (weitere bei Langkavel). — Im alten Indien: jäti-kö^a = dschati-kosa
(Macis: dschati-patra). Daß sie sich von Indien westwärts durch den Handel verbreitete, zeigt
die Aufnahme des indischen jäti-k6^a in das Syrisch-Aramäische (Lagarde, Low). — Bei Ahroon:
jeusbane — bei AmraN: Macis: adaches — bei Avicenna: jausiband (Macis: befbase) —
bei Serapion: jeuzbeve, jusbegue, jumbague (Macis = bisbese) — bei Averrhoes; geoza (Macis:
besbese) — bei Ibn Baithar: djouz bou (Macis: besbassa). — Macis bei den alten Arabern,
z. B. Avicenna: bisbese, besbassa befbase (später, z. B. von Serapion mit thaliphaphar, thälisfar,
talifar [= Halarrhena antidysenterica] zusammengeworfen). — Bei Const.^ntinus Africanus: nux
muscata. — Bei Albertus Magnus: muscata. — Bei der Hildegard: nuz muscata. — Inder
Alphita: nux miristica, cayon mirifica. Bei Bartholomaeus : nux mirifica. — In den Tabulae:
nux muscata. — In den Synonyma Serapionis: jeumbave, jumbague. — Bei ACTU.\Rius: nux
unguentaria, quam myristicam adpellant. — In den dänischen Urteböger (I, S. 684): nux mos-
cala und matae, muscatan blomae. — Bei MegenberG: matzenpaum, muskatpaum. — In den
mittelenglischen Medizinbüchern: lichebane, nux mustica, macys. - — Im Gothaer Arzneibuch:
museale, muschate, muscatenblome, muschatenblome. — Bei Harpestreng: nux moscata (Macis:
muscatae blomae, matae). — In der Ordinancie van der Dumwagen (XIV. Jahrh.): musschaten
und musschaten bloymen. — In The forme of cury(l38o): noiez mugedez. — Im niederdeutschen
Arzneibuch (XIV. Jahrb.): muschate. — Bei Hans Folcz(I485): muscat plue (:= Macis). — Im
Inventar Lefort (I, S. 805): noys muguette, massis und uille de musterlin. — In den Droits de
Tafel XIX.
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. 11.
Verlag von Chr. Herrn. Tauchnitz, Leipzit
Myristica fragrans in Java. Frei stehender Baum in einem Zingiberaceengebüsch.
(Links Zingiber, rechts die riesige Elettaria speciosa.) Um die Gröf3enverhältnisse zu
zeigen, ist mein malaiischer Diener mit aufgenommen. [Tschirch phot.]
1
Semen Myristicae, Macis und Olenm myristicae. 665
Courtage etc. (XV. Jahrh.): nois muguettes und massiz. — In der Frankfurter Liste (I, S. 812):
nuces muscati und maces. — Bei Marco Polo (1295): noci moschiate. — Im Roteiro des Vasco
DA Gama (I, 5.814): noz nozcada. — Bei Acosta: jauziband, seygar. — In Ricettario fioren-
tino (I, S. 793) noce moscada. — Bei Levinus Lemnius (De miraculis occultis naturae 1567):
nux myristica seu moschata. — Bei Rümpf: gjauz-bawa (Macis: besbase).
Etym. Myristica, zuerst bei Petrus d'Ebulo (i 191), von |Ui;p(ör(;£0? ^ balsamisch, /xiQov
= Balsam, d. h. ein wohlriechender Saft (der ßalavög ßVQStpiXij des DiosKURiDES und Celsus
ist sicher nicht zu deuten"! — fragrans = wohlriechend — muscata zuerst bei Constantinus
Afrikanus, muscat schon im Parcival; dies wie das mhd. muscait, muscart mnd. muschade,
muscatenblome, das franz. muguette, musguette von moschatus, was aber mit Moschus nichts
zu tun hat. Die Worte muscatum, moschatum, moschelinum, wurden für etwas wohlriechendes
lange bevor die Muskatnuß bekannt war, benutzt (z. B. schon bei Oribasius). Sie wurden dann
auf sie übertragen. In Byzanz erhielt das Gewürz — aber nicht wegen der Ähnlichkeit des
Geruches, wie Schrader meint, denn die besteht nicht — den Namen /Joaxond^vSov, woraus
latein. nux moschata, mhd. nuzmuscata (bei der Hildegard) niuskät (bei Megenberg) wurde.
— Das pers. gauz-i-buya (jouz böyah) bedeutet wohlriechende Nuß. Das arabische jausiband
heißt Nuß von Banda. — Unter nuces indicae wurden früher bisweilen Muskatnüsse verstan-
den, später dann aber (außer den Nuces vomicae und den Arecanüssen) die Cocosnüsse (s. d.),
die wohl auch als nuc. ind. grandis (z. B. bei Nicolai) unterschieden wurden; nach AVar-
BURG ist die nux indica (avellana de la Indiai wahrscheinlicher Moringa oleifera. Bei CoRDUS
heißt die Muskatnuß nux indica moschata (und moschocaryon). — Im botanischen Sinne ist
die Muskatnuß keine Nuß, d. h. keine Scbließfrucht , nicht einmal der ganze Same, sondern
nur der Samenkern. Der korrekte Name wäre also Nucleus serainis myristicae. —
Macis umgebildet aus Macer (macir, machis, machir, ßäxfiQ). Im Altertum (SCRIBONIUS Largus,
Dioskurides usw.) bedeutete dies die Rinde von Ailanthns malaban'ca De. in der früharabi-
schen Zeit (Rhazes) wohl auch die Wurzelrinde von Holarrhena mitidysenterica Wall. [Wrightta
antidysenterica GraH.), erst vom XI. Jahrh. an den Muscat-Arillus. — Das holl. : foelie, fuly
(im Dordrechter Zollerlaß 1340: foelghen) = Macis, ist wohl zu foliura, feuille zu stellen (oder
altportugiesisch soviel wie Blüte?). — Muskatbutter heißt im mal. minjak pala. Minjak ist die
mal. Gruppenbezeichnung für Ol und Fett, pala (mal.) wohl von ind. (pali) phala = Frucht
par excellence.
Stammpflanze und Systematische Stellung. Die Banda Muskatnuß, die Banda-
macis und das Ol. myristicae werden geliefert von:
Myristica fragrans Houttuyn, Hist. nat. II, 3 p. 333 (1774) {M. officinalis
L. f. [non Mart.] 1781, M. moschata Thunbg. 1782, M. aromalica Lam. 1788).
Myristicaceae (Myristica) Eumyristica.
Von den 235 Arten der Familie gehören 179 dem südlichen Asien bis Papuasien, 38
Südamerika, 11 Afrika, 4 Madagaskar. 2 dem trop. Australien, 3 Polynesien an (W.\RBURG).
Aber dauernd aromatisch sind die Samen und Arillen nur einiger weniger auf die Molukken
und Papuasien beschränkter Arten.
Beschreibung der Stammpflanze. Der meist ein Alter von 60 (selten 80 bis
100) Jahren erreichende Baum, der in seinem in der Jugend pyramidenförmigen
Wuchs, wie schon Rumpf und Valentijn ganz richtig angeben, einem Birnbaum
gleicht, d.h. er ist in der Jugend mit pyramidaler (Taf. XIX), im Alter mit breiter Krone
versehen — Jagor sagt, er hält die Mitte zwischen Lorbeer und Orange, Barbosa
beschreibt ihn als lorbeerartig, auch Albertus Magnus gebraucht diesen Vergleich
— wird in den Molukken 12 — 18 (je 20) m hoch. «In ihm kommt nicht die tro-
pische Fülle und Kraft zum Ausdruck, wie in den Feigenbäumen, den Palmen und
Dipterocarpen, er bleibt auch im Alter zierlich und klein» (Tschirch). Die Verzwei-
gungen beginnen in einer Höhe von 5 — 6 m. Beim Anschneiden des Stammes und
der Zweige fließt ein roter Saft aus, der zu einem Kino erhärtet (Tschirch 1888).
666 jMyristinsäuregruppe.
Die kahlen, immergrünen, gaiizrandigen Blätter sind länglich-elliptisch oder ei-lanzettlich,
kurzgestielt, meist c. 8 — 12 cm lang und laufen in eine lange Träufelspitze aus. Sie
enthalten Ölzellen, erscheinen daher durchscheinend punktiert. Die der Befruchtung
durch Insekten angepaßten Blüten sind diklin-diözisch, doch ohne scharfe Scheidung:
an den weiblichen Bäumen finden sich besonders in der Jugend oft männliche, an
männlichen da und dort auch weibliche Blüten (Warburg). Die weiblichen bilden
meist zweistrahlige, in den Blattachsehi stehende Cvmen, die nickenden männlichen
reichere Infloreszenzen, Dichasien mit traubenartigen Endgliedern. Beide ähneln der
Maiblume. Ihr sympetales, c. 6 mm langes, glockenförmiges Perigon ist bleichgelblich
und hat 3 — 4 Zipfel und an der Basis eine Bracteola. Sie duften sehr lieblich, orangen-
artig (Tschirch), etwas an Jasmin erinnernd (Hooker). Doch habe ich in Java nicht
bemerkt, daß man einen blühenden Baum auf weite Strecken hin riecht. Doch das
mag wohl dort, wo tausende beieinander stehen, sich anders verhalten. Die männ-
lichen Blüten führen eine zentrale, aus 9 — 16 Staubfäden monadelphisch verwachsene
Staminalsäule, die weiblichen einen gestreckten, mit zweispaltiger Narbe versehenen,
aus einem Carpell gebildeten, dickschaligen, außen rostroten Fruchtknoten, in dem
sich ein basal angelieftetes Ovulum findet. Die einfächerige, einsamige Frucht ähnelt
einem glattschaligen Pfirsich (Warburg) oder einer Quitte (Pigafetta).
«Die pfirsichgroßen, eirunden, licbtgelben Früchte lugen freundlich aus dem frischen Laube
hervor und der aus der aufgeplatzten Frucht hervorleuchtende, lebhaft rote Arillus, der sich
wirkungsvoll von der tiefbraunen Samenschale abhebt (Fig. 21 1), fügt dem Bilde eine neue, kräftige
Farbe hinzu. Fast das ganze Jahr ist der Baum mit Blüten und Früchten bedeckt» (Tschirch,
Indische Heil- und Nutzpflanzen). Birkmore nennt sie die bei weitem schönste Frucht des ganzen
Pflanzenreichs. Der Baum beginnt im 8. — 9. Jahre zu blühen. Der Höhepunkt des Ertrages wird
im 14. — 16. Jahr erreicht. Die Bäume können bis ins 60., ja 80. Jahr tragen. Die Blüte reift in
9 Monaten zur Frucht (een noteboom Staat in al zijn ontwickelings-perioden aan den mensch
gelijk VAN Gorkom). In Banda kommen auf 100 weibliche Bäume etwa 2 — 3 männliche, i"/^
genügt zur Sicherung der Befruchtung (de Sturler). Man läßt aber meist mehr als Windbrecher
stehen. Das Aufspringen der Früchte erfolgt durch Spannungen im Perikarp, die Einleitung durch
ein kleinzelliges «Schwellgewebe» an der Basis des Perikarps und an der Basis des Samens,
die Erweiterung des Spaltes durch den Arillus (Janse).
Der Arillus ist biologisch als Anlockungsmittel für Vögel zu betrachten, die ihn
verspeisen, den Samen verschlucken und so verbreiten. Beim Aufspringen der Frucht
wirkt er nicht primär (Baillon), sondern nur sekundär (Janse) mit. Die Samen von
Myrisiica fragraris werden durch Vögel verbreitet, besonders durch die mit metallisch
glänzendem Gefieder versehenen Waldtauben Carpophaga (Columbd) aenea und C.per-
spicillata Temm., die auf den Bandainseln noteneeter (= Nußesser) oder burong pala
(= Muskatvogel) genannt werden (JMyristicovora , Casuarius, Megapodius, Buceros ver-
breiten die Samen anderer Arten und kommen für M. fragr. nicht in Betracht).
«Die Bandainseln sieh, die herrlich prangen,
in buntem Schmelz, rotfarbiger Früchte voll.
Viel Vögel, flatternd dort umher, empfangen
von grünen Nüssen ihren Nahrungszoll»
singt schon Camoens (Deutsch von AVollheim da Fonseca).
Die Tauben verschlucken, angelockt durch den lebhaft gefärbten Arillus, ent-
weder die Samen und geben sie mit den Exkrementen wieder von sich (Rujipf,
Valextijn) oder bringen sie nur in den Kropf (Moseley, Forster) und speien sie
nach einiger Zeit wieder aus. Jedenfalls keimen Samen, die diese Behandlung durch-
gemacht haben, gut, während sonst der Mvm/üa -Sa.me rasch, z. B. schon durch
i,:
Semen Myristicae, Macis und Oleum mjTisticae.
66;
Trocknen, seine Keimkraft verliert, was, wie ich gezeigt habe, darauf beruht, daß
hierbei das sehr weiche Gewebe des Keimlings rasch schrumpft und die in den Leit-
bahnen steckenden Endzipfel der Cotyledonen abreißen. Denn die Keimung erfolgt
in der Weise, daß die beiden Cotyledonen, als Saugorgane fungierend, sich auf den
igp
iSangirlns
Menadi
j^HallTnaJieJra oderLjilo
Tidon
Matir.
Kasirutxi
Nandwh
aifam, ^ -vTav^oe
r->
o
SulajM'''%
^l^-i^omono
Biir
SchOdpadl. «a in^ Rouvero ; ^. '^
Manuk. .^■'
Luciparäl.W
\' BaTLÖLa See
söGiuiungApi Nüa^^ ■i^ .■•i\j,M^0
^-.trP st T J.NetorXi3amTner c l' .•' ^#^7i
Goldgelb übergegangen und der frisch fleischige glänzende Arillus ist matt, homartig
und brüchig geworden. Bei Regenwetter trocknet man über Holzkohlenfeuer oder
dem Feuer der Schalen der Kamirifrüchte. Die Sitte, Macis durch Besprengen mit
Seewasser geschmeidig zu machen, scheint al^ekommen zu sein, nur geschimmelte
wird noch bisweilen mit Seewasser gewaschen.
Die «Nüsse > kommen in das Trockenhaus (droog kombuis, noten kombuis,
Fig. 210), wo sie auf Gestellen (para-para) aus Bambu oder Sagoblattstielen, die 4 — 5
Fächer (pettaks) haben, etwa i ' hoch aufgeschichtet und langsam über einem mäßigen
Feuer bei höchstens 60" unter öfterem Umwenden und Herabschütten auf das nächst
tiefere Fach getrocknet werden. (In Grenada werden die Nüsse in flachen Kästen
Fig 210.
Nntemuskaat- Kombuis i^Trockenhausl. [Abbild, aus d. Koloniaal-iluseum Haarlem.'
mit durchlöchertem Blechboden im Schatten getrocknet.) Nach 3 — 6 Wochen sind
sie soweit trocken, dal3 der Samenkern beim Schütteln in der Schale «rammelt».
Hierbei stirbt der Keimling ab. Minahassa und Amboina exportiert viel Samen in
der Schale (noten in dop) z. B. nach London, China, Indien. Meist wird aber, bevor
die Nüsse nach Makassar, Batavia oder Singapore gehen, die Schale, die c. ^l^ des
Gewichtes beträgt, dadurch entfernt, daß man die Samen mit Steinen, schmalen
Brettern, Stäben oder Holzhämmern aufschlägt. Die Schalen dienen als Brennmaterial.
Sodann werden die Samenkerne sortiert (garbuliert, vgl. I, Fig. 198). Die Garbulatie
entfernt zunächst die zerbrochenen Nüsse (stukkende Noten, broken nutmegs), dann
die Rompen (die mageren Nüsse) und trennt die vetten oder gaven Noten von den
middelbaren oder noch weiter nach der Größe. Nun werden die Samenkerne entweder
direkt verpackt und ungekalkt, bisweilen unter Zusatz von Nelken oder PfefTer (um
()- 2 Myristinsäuregruppe.
die Insekten abzuhalten), in luftdichtem Verschluß versandt (besonders nach England)
oder der Kalkung unterworfen.
Diese Kalkung, die der europäische Kontinent und Amerika verlangt, ge-
schieht entweder in der Weise, daß man die Nüsse trocken mit gelöschtem Kalk
einreibt (trockene Kalkung, früher in Singapore und Sumatra in Gebrauch) oder
indem man sie in einen aus Seewasser und gebrannten Korallen bereiteten Brei
einrührt (Molukken, Minahassa) und dann zum Trocknen (zweeten) ausbreitet. Früher
wurden die gekalkten Nüsse noch einem Schwitzprozesse unterworfen, was, wie ich
(iSSo) erfuhr, jetzt nicht mehr üblich ist. Es ist sicher, daß das Kalken, wenn es,
wie einige meinen, den Zweck haben sollte, die Keimkraft der Muskatnuß zu ver-
nichten, unsinnig und zwecklos ist, da die Keimkraft schon beim Trocknen erlischt.
Es hat aber gar nicht diesen Zw'eck. Versuche, die ich mit gekalkten und un-
gekalkten Muskatnüssen unter Hinzufügung von lebenden Exemplaren der Sitodrepa
panicea (I, S. 379), der am meisten die Nüsse zerstörenden Larve, angestellt habe,
zeigten, daß das Kalken ein nahezu sicherer Schutz gegen Insektenfraß ist.
Die Tiere bohrten keinen gekalkten Samen an und gingen auf diesen rasch zugrunde,
während sie im Kontrollversuch die ungekalkten Samen rasch zerstörten. Dieser Versuch
lieferte also den Beweis für die Richtigkeit der Ansicht der meisten neueren Beobachter,
die im Kalken einen Schutz gegen Insektenfraß glaubten sehen zu müssen. Milburn
(Oriental Commerce 18 13) glaubte, daß das Kalken die «Poren» schließe; Reinwardt,
daß es in den Randschichten das Fett verseife. Bisweilen werden die Muskatnüsse erst
in London gekalkt (Helbing). In Singapore wird in die Kisten — unnützerweise —
bisweilen eine Hand voll PfeflTer geworfen. Wichtiger ist das dort übliche Auspichen
der Falze (Tschirch), wie überhaupt, daß Fässer und Kisten gut gedichtet werden.
Dem englischen Geschmack entsprechend erzeugen die englischen Kolonien (Penang,
Singapore) viel ungekalkte Nüsse (brown nutmegs). Das endgültige Sortieren der
Muskatnüsse erfolgt in London, Rotterdam und Amsterdam.
Schon während der Dauer des Monopols wurden die zerbrochenen oder wurm-
stichigen Nüsse auf Muskatbutter verarbeitet und diese in Steinkrügen exportiert. Es
geschah dies an Ort und Stelle und auch jetzt noch wird ein wenig davon auf den
Bandainseln dargestellt und in Pisang- oder Palmenblätter eingehüllt in den Handel
gebracht. Ich habe solche Ringel von c. 700g Schwere 1889 aus Indien mitgebracht
und noch 1894 erschienen 26 Steene (Blöcke) ä 0,7 kg in Amsterdam. Das meiste
wird aber in Europa (Holland, Deutschland) teils durch warmes Auspressen, teils durch
Extraktion der minderwertigen Muskatnußsorten bzw. des Bruchs gewonnen. Die Dar-
stellung der Muskatbutter erfolgt entweder in der Weise, daß man die gemahlenen
Nüsse auf Haarsieben mit Wasserdampf erhitzt und dann zwischen erwärmten Platten
auspreßt, das vom Wasser befreite Fett schmilzt und eventuell im Heißwassertrichter
filtriert oder durch Pressen des Pulvers in erwärmten h3-draulischen Pressen oder durch
Extraktion mit Äther. Es ist Brauch sie in ij^, ij,, ^\^ oder i kg schweren, in Papier
gewickelten Riegeln in den Handel zu bringen. Man erhält durch Auspressen der
Samenkerne 20 — 23 (sehen bis 28)''/„ Fett — auf den Molukken nur 12 — 14 "/o-
Das Rohmaterial zur Muskatbutterbereitung kann mit ZoUrückvergütung eingeführt
werden, wenn die Herstellung des Produktes und die Vernichtung der Rückstände
unter Zollkontrolle erfolgt.
Lit. Reinwardt, Reis naar het oostelijk gedeelte van den ind. Arch. i. li. j. 1821.
Amsterdam 1858. — Van Gorkom, Oostind. Cultures (auch Kultur auf Sumatra usw.). —
Semen MjTisticae, Macis und Oleum myristicae. ■ 673
Semler, Trop. Agrik. — Tschirch, Ind. Heil- u. Nutzpfl. — Lumsdaine, Cultiv. of nutmegs
etc. in Bencoolen. Proc. agric. soc. Sumatra 1820. Pharm. Journ. 11 (1852) 516, Christy, New
Commerc. pl. — Weddik und Teijsmann, Notenmuskaat Kultuur op Java. Nat. Tijds. v. Ned.
Ind. 2 (1839), 589. — Seemann, Hookers Journ. bot. 1852, 83. — Oxley, Some account of
the nutmeg and its cultivat. Journ. Ind. Arch. 2 (1848) 641 u. (1856) 127. — Crawfurd, Dict.
Ind. Islands 1856. — CoLLiNGWOOD, Nutmeg and other cultivat. in Singapore. Journ. Linn. Soc.
bot. 10 (1869), 45. — Eggers, Die neuen Gewürzinseln (in Westindien). Naturw. Wochenschr.
1890, 121. — MiLBURN, Oriental Commerce London 1813. — Warburg, Die Muskatnuß. Ihre
Geschichte, Botanik, Kultur, Handel u. Verwertung sowie ihre Verfälschungen u. Surrogate.
Leipzig 1897. — O. Kammerling Onnes, Banda nutmegs and mace. Being an account of their
history, cultivation, trade and use. Amsterdam 1899. — Abbildungen des Koloniaal Museum.
— J. M. JANSE, de nootmuskaat cultuur in de Minahassa en op de Banda Eilanden. Med.
Slands Plant. Buitenzorg 1898. 4 Tafeln. — Tschirch, Kalken der Muskatnüsse. Schweiz.
Wochenschr. 1898.
Handel. Im Handel finden sich (1911) besonders Banda-Muskatnüsse, weniger ge-
schätzt sind die von Java und Menado, sowie von Westindien. Seit den siebziger Jahren des
XIX. Jahrh. produziert auch Penang, Menado und Sumatra Muskatnüsse. — Ende der achtziger
Jahre schon gegen 1,5 Mill. — , die übrigen Produktionsorte siehe unter Kultur. Die Bandaernte
geht meist über Makassar und Singapore. Viele Nüsse werden erst in diesen Hauptmuskathäfen
(wie auch in Surabaja auf Java) aufgeklopft und gekalkt. Die ungeschälten Nüsse werden in
Jutesäcken versandt, die geschälten in Kisten (zu 187 kg u. and.). Die Auslese oder eine er-
neute Auslese erfolgt in Amsterdam und London. Die Einteilung in gute (gave): Vette und
middelbare (medium) und schlechte: magere (gerimpelte, inferior) und geinfecteerde (aan-
gestokene, d. h. wurmstichige) sowie brokene (d. h. zerbrochene) hat sich aus der Zeit des
Monopols bis heute erhalten. Die drei zuletzt genannten Sorten bilden die vorwiegend zur
Muskatbutterbereitung benutzten sog. Olnüsse (oil nuts) und gehen wohl auch unter dem Namen
Rompen. Der Großhandel unterscheidet runde und längliche (diese besonders aus Westindien)
Nuces moschatae majores mediae, minores. Die holländischen Marktberichte unterscheiden fol-
gende Größen,- Stück aufs kg: 150/160, 160/170, 170/180,180/190,190/200,200/210,210/220. Dies
ist die teuerste Gruppe I (Preis c. 380 — 482 M pro 100 kg). Die zweite Gruppe umfaßt die
Größen 220/230, 230/ 240 u. s. f. in Abständen von je 10 bzw. 20 Stück bis 380/400 (Preis c.
287 — 376 M). Auch der deutsche Großhandel unterscheidet bei den in Kisten k 30 oder 60 kg
in den Handel gebrachten Bandanüssen die Sorten nach der Zahl der auf i kg gehenden Nüsse
z.B. bei Grossmann: 160/170 — 210/220 — 240/250 — 300/320 — 350/400 Stück pro kg. Die
westindischen (in Fässern ä 60 — 70 kg) haben meist 170/180 Stück pro kg.
In Banda unterscheidet man von der Macis die Sorten E, F, und G (C und D sind
nicht mehr im Handel), E ist die beste. Dann unterscheidet man noch foelie separaat (vom
Typus abweichend, nicht klassifiziert) und gruis. Die Macis von Java, Padang, Menado und
Penang wird nicht so sorgfältig sortiert wie die von Banda. Man unterscheidet prima, secunda
und separat. Die unreife, aus der geschlossenen, vom erkletterten Baume gebrochenen Frucht
herausgelöste Macis heißt Klimmfoelie (d. h. durch klettern = klimmen) erhalten. Die Macis
kommt in Fässern (aus Teakholz) ä 150 kg oder in Kisten ä 50 kg in den Handel. Man unter-
scheidet im deutschen Großhandel: extrafein fleischig und prima, hell sowie Macis grus (letztere in
verschiedenen Qualitäten); im englischen: gute, ganze (good, gave E, F, G) und Grus (chips, gruis).
Muskatnüsse und Macis werden in Amsterdam vierteljährlich verauktioniert, im Jahr etwa
"/^ — I Mill. Nüsse und '/i Mill. Macis. Außer Amsterdam sind Rotterdam, London und New
York, weniger Hamburg Hauptmärkte. Die Gesamtweltproduktion schätzt Warburg (1897) auf
c. 2 Mill. kg Nüsse und 0,5 Mill. kg Macis; davon entfallen 37,47o ^"f Banda, i9,67o a"f
Sumatra, 12,5 % auf die Malaiische Halbinsel, der Rest auf Minahassa, Ambon, Westindien,
Java, Halmaheira. Singapore exportiert etwa 2500 — 3500 piculs Nüsse jährlich, Java 1905:
243731, 1906: 277112 kg notenmuskat und 1905: 57176, 1906: 47012 kg foelie. In Penang,
das 1860 391000 kg Nüsse und 131000 kg Macis exportierte, vernichtete eine Krankheit die
Bäume in wenigen Jahren. Jetzt hat sich die Produktion wieder gehoben. Ceylon exportierte
1906 nur 155 cwts nutmegs. Während zwischen 1888 und 1894 pro Jahr 485415 — 808400 kg
echte Nüsse nach Holland kamen, betrug die Einfuhr langer nur 30345 — 76600 kg pro Jahr.
1889 — 1894 kamen jährlich zwischen 117 775 und 197600 kg Macis nach Holland. Holland
Tschirch , Handbuch der PharmakogBosie. Bd. II. 43
6;4
il) t istinsiiuregruppe.
importierte 1S96: I 002 000 kg Nüsse und 288000 kg Macis. 1902 kamen nach Holland 762 280 kg
Muskatnuß (gewone not), 55910 kg Papuanuß, 203255 kg Foelie und 310 kg Papuaniacis
iGoRKOM, Specereijen in Beschr. Catal. Kolon. Mus. Haarlem 1903). 1909 betrug die Einfuhr
von Xotemuskaat: 1151 t, 1910: 1060 t. Deutschland importierte 1909: 5963 dz Muskat-
nüsse und Maci.s, besonders aus Nied. Indien etwas (521 dz) auch aus Brit. Indien, 1910:
6011 dz. und Muskatbutter ^via Holland): 1908: 1 100 kg, 1909: 1300 kg, 1910 (via England)
2900 kg (Tunmann). Hamburg importierte 1908: 1706 dz Muskainüsse, davon kamen
aus Nied. Ostindien: 266 (über die Niederlande: 883), aus Brit. Ostindien: 256, Singapore:
173 dz. Hamburg erhielt: 190": 89500, 1908: 170600, 1909: 179100 kg Muskatnüsse und 1907:
7 5 200, 1908: 94000, 1909: 68900 kg Macis (Tunmann). London 1908: 1041 1, 190g: 10725
Kisten Nutmegs und 1908: 1153, 1909: 1272 Kisten Macis. New York ist nächst Amsterdam
der zweite Muskatmarkt der Erde. Die Vereinigten Staaten importierten 1908: 2043470,
1909: 2644791 pounds nutmegs und 1908: 425183, 1909: 653610 pounds mace. Ausführliche
Angaben über den Handel in früherer Zeit in Warburg, Muskatnuß 1897.
Morphologie. Bei einem Gewicht von 60 g kommen auf das Pericarp 48,3,
auf den Arillus 2,1, die harte Schale 2,9 und den Samenkern 6,7 g (Reinwardt).
Die rundlich-ovale Beereni'rucht ist gelb oder rot überhaucht und glatt, 3 — 6 (selten
bis 7,5) cm lang, frisch c. 45 — 62 g schwer und besitzt beiderseits eine Furche, in
der die Frucht zweiklappig aufspringt, die Spitze liegt meist etwas exzentrisch.
Innerhalb des fleischigen, etwa i cm dicken, zusammenziehend schmeckenden Peri-
carps liegt der Arillus, der bei der unreifen geschlossenen Frucht gelblich-weiß ist,
reif tief karminrot wird. (Nur selten bleibt er dauernd elfenbeinfarben.) Er umschließt
die Basis des Samens becherartig und ist nach oben in 10 — 15 flache Lappen zerschlitzt
(Fig. 211). Schon Massijiiliano vergleicht ihn mit einem Netz, das die Frucht umhüllt.
Da er sich früher bildet als die Samenschale ihre definitive Gestalt und Härte er-
reicht hat, so zeigt diese, der der Arillus in der Frucht fest anliegt, die Abdrücke
desselben. Der Same ist in der Form und Größe
variabel, meist breit-elliptisch oder eiförmig und 1,5
bis 4,5 cm lang und i — 2,5 cm breit. Die harte Samen-
schale ist tief dunkelbraun, schwach glänzend. An der
" Basis, dort wo der Arillus angewachsen ist, sieht man
das Hilum als ovalen hellen Fleck und die Mikropvle
als kleines dunkles Loch, vom Hilum streicht die
Rapherinne bis fast zur Spitze, wo die Chalaza in
Form eines exzentrisch gelegenen Buckels sich findet.
Der hell-zimtbraune, bei den gekalkten Nüssen weiß
bestäubte Samenkern, aus dem allein die Droge
pj 2ri besteht, ist 10 — 33 (meist 20 — 30) mm lang (die
Myristica fragrans HouTT. kleinsten ro— 1 1, die größten 33 mm Warburg) und
Frucht durch einen i-ängsschnitt geöffnet. 15 — 28 (meist 15 — 2o) mm breit. Sowohl der Arillus
frs Fruchtschale, Ar Arillus, SS Samenschale. -j-c uiu- ti-- -j
fx- i. T T.- u /^ .. , A., 1 Wie die Samenschale bis zum Pnmarpensperm sind
[Nach Tscbirch-Oesterle, Atlas.] ^ '^
abgelöst. Der Samenkern ist bedeckt von der inneren
Schicht des Primärperisperms und der vom Meristem nach außen erzeugten Schicht
des Sekundärperisperms, von dem auch die braunen Zapfen gebildet werden (Voigt),
die dem Querschnitt und Längsschnitt ein so charakteristisches Aussehn geben
(Fig. 212). Diese Ruminationsfalten wurden im XVH. Jahrh. vielfach mit arabischen
Schriftzügen (literae arabicae) verglichen. An den Stellen, wo die Zapfen sich an
das übrige Perisperm ansetzen, welche Stellen den vertieften Stellen der Furchen
der runzeligen Außenseite entsprechen, verläuft ein Bündel. Diese Bündel anastomo-
Semen Myristicae, Macis und Oleum myristicae.
675
- OmL
sieren untereinander und bilden, da sich der Kalk hauptsächlich in den vertieften
Stellen absetzt, das helle Netzwerk, welches der Oberfläche der Muskatnüsse das eigen-
artige Ansehn gibt. Die Stelle, wo beim Ovulum die Rlikropvle liegt, ist auch am Samen-
kerne deutlich sichtbar (Fig. 212 Mp). Kurz
vor der etwas seitlich gelegenen Basis, dem
Hilumsende des Samens, endigen die
Perispermalbündel blind. Es folgt nun
eine ovale Rinne und dann ein breiter
heller Buckel, der die Lage des zweiten
Integumentes maikiert. In der Mitte des
Buckels ist die Mikropyle als ein kleines
rundes Loch oder Spitzchen zu sehen.
Hier erfolgt auch der Austritt des Keim-
lings bei der Keimung. Von dem Buckel
geht eine seichte, dem Raphebündel der
Samenschale entsprechende Furche zu
der Stelle am anderen Ende des Samen-
kems, die der Chalaza entspricht. Diese
gleichfalls exzentrisch gelegene Stelle ist
durch eine dunklere Vertiefung markiert,
in der ein Spitzchen sichtbar ist: das
Ende des hier abgelösten Raphebündels.
Auch der Keimling liegt etwas exzen-
trisch. Er ist bei der Droge meist stark
geschrumpft oder ganz geschwunden.
Die Cotyledonen bilden einen gelappten
Becher. Ihre Endzipfel ragen in die Keimbahn hinein. Die besten Nüsse sind rund
(bzw. eiförmig) und glatt (d. h. wenig geschrumpft).
Bisweilen kommen, wenn 2 (oder 3) Ovula angelegt wurden, 2 (oder 3) Samen zur Aus-
bildung (Z willingsnuli, pala bakamar — schon von Clusius erwähnt und in Nie. ScHULTZES
Dissertatio de nuce moschate 1709 abgebildet). Solche Muskatnüsse, die man neuerdings viel
im Handel findet, sind nicht rund, sondern plankonvex. — Andere Abnormitäten sind; die nur
erbsen- bzw. pfefferkomgroße und nur c. 0,15g schwere sog. Königsnuß, pala radja, die
schon im Museum Wormianum 1655 Niix moschata regia genannt wird; sie besitzt meist einen
relativ dicken Arillus. — Die samenschalenfreie Diebsnuß (pala pentjuri), die nur zur Hälfte
mit Arillus bedeckte Pfaffennuß (pala domine) und die nach Warburg von monözischen Bäumen
stammende pala boy. — Rompen, Rumpfnüsse, Rümpfe (pala rumpi) sind unreif abgefallene oder
vom Winde vorzeitig heruntergeschlagene, stark schrumpfende Samen, die seit dem XVII. Jahrh.
zur Darstellung von Ol. imcistae benutzt werden (Rumph) und zu diesem Zwecke (als «Ölnüsse»)
auch heute noch exportiert werden.
Der trockene Arillus, die Macis, ist an der Basis becherartig geschlossen, hier
auch etwas dicker, nach oben hin ist er in zahlreiche Lappen zerschlitzt, die sich
bisweilen übereinanderschieben, aber niemals zu einem so festen Knäuel wie bei der
Bombay-Macis (Fig. 2 1 6, wo an der Spitze des Samens ein fester Kegel dicht über- und
durcheinander geschobener Arillarlappen liegt. Etwas unterhalb der Stellen, wo die Lappen
sich zerschlitzen, zeigt der Arillus schon tiefe Längsfurchen. Die Droge ist gelbbräun-
lich, sehr brüchig. Sie quillt in kaltem Wasser wenig. Die Oberfläche erscheint, mit
der Lupe betrachtet, streifig punktiert. «Die Streifen verlaufen der Länge nach an den
43*
Fig 212.
Seinen myristicae
von außen, quer und län^ durchschnitten, das Albumen rumi-
natum und die Leitbahnen zeigend.
[Nach Tsch irch -Oesterle Atlas.]
676
Myristinsäuregnippe.
Zipfeln, allmählich schräge und fast konzentrisch gegen die Spitze sich aufrichtend»
(\'^OGl). Bisweilen ist der Arillus bleichgelb und rot gesprenkelt (pala kakerlak) oder
ganz weiß (weiße Muskat, pala putieh, p. holanda). Oft sind gute Nüsse von spär-
licher Macis umgeben und spärliche Nüsse von kräftig entwickelter (v. Hogendorp).
Anatomie. In der Korolle und dem Blütenstiel finden sich neben Ölzellen Astrosklereiden
und gestreckte Milchröhren. Die etwa 10 mm dicke Fruchtschale der reifen Frucht ist mit eigen-
artigen, sympodial sich verzweigend»n (Warburg) Sternhaaren bedeckt und enthält neben
Astrosklereidennestern, die den äußeren Schichten eine ziemliche Härte verleihen, zahlreiche,
reich verzweigte Milchröhren mit braunem Inhalt (Kinoschläuche). Diese > Kinoschläuche», die zu-
erst von TSCHIRCH (1888) und H.\llströM im Pericarp beobachtet und abgebildet wurden,
finden sich auch in der Rinde, der Markscheide, der Blütenstandsachsen, im Perigon, den Staub-
fäden und den Cotyledonen (Warburg).
Der Arillus, die Macis, wird frühzeitig, schon in der noch ungeöffneten Blüte,
angelegt. Er entspringt sowohl vom Funiculus wie vom Exostomrande, ist also eine
Zwischenform zwischen Arillus und Arillodium. Schon bei einem 2,5 mm großen Samen
stoßen seine Lappen an der Spitze des Samens zusammen. Der farbige Arillus zeigt an
seiner Basis ein vertieftes ovales Feld mit den Eintrittsstellen der Gefäßbündel. Er ist
beiderseits von einer Epidermis bedeckt, deren
sehr langgestreckte (300 — ^600 mik Vogl), an
den Enden meist zugespitzte, im Querschnitt
rechteckige oder tangential (nie radial) ge-
streckte Zellen auf der Außenseite stark, aber
auch auf der Innenseite verdickt sind. Die
Verdickungsschicht besteht aus Cellulose und
quillt stark. Bisweilen findet sich an der Basis
des Arillus und hier, wie überhaupt (oft bis
zur Mitte) die Innenseite bevorzugend, ein
ein- oder mehrschichtiges Hypoderm [Papua-
iiincis [\-gl. S. 690] zeigt beiderseits reichlich
Hypodermbildung). Das Grundgewebe besteht
aus dünnwandigem (bei Papuamacis dickwan-
digem) Parench3'm, dessen Zellen zahlreiche
rundliche, Scheiben- oder stäbchenförmige, bis-
weilen wulstig verbogene, 1,5 — 10 mik lange
Amylodextrinstärkekömer(TscHiRCH)enthalten,
die in Öiplasma(?) eingebettet sind. Sie färben
sich mit Jod rotbraun, quellen in Wasser, be-
sonders warmem, und lösen sich in siedendem.
Die kolloidale Lösung färbt sich mit Jod rot.
Ich habe während meines Aufenthaltes in
Buitenzorg (1888) Amylodextrinstärke auch in
den Arillen anderer Myristka^xi&xv gefunden
(s. weiter unten). Im frischen Arillus findet
sich, wie ich 1888 in Buitenzorg feststellte, in
allen oder doch den meisten Amylodextrinzellen
ein roter Farbstoff. Geht der Arillus in Fäulnis über, was bei auf den Boden fallenden
Früchten rasch eintritt, so scheidet sich der Farbstoff in roten Kristallen (Nadeln,
==C5
Fig. 213.
Myristica fragrans HouTT.
I Querschnitt durch den Arillus (Bandamacis). 2 Iso-
lierte Amylodextrinstärkekürner.
(Nach Tschirch-Oesterle, Atlas.]
Semen Mj-risticae, Macis und Oleum myristicae. 677
Blättchen) aus, die ich übrigens auch einige Male im frischen Arillus fand. Das Auf-
treten der Amylodextrinkörner geht mit dem Erröten des Arillus Hand in Hand. Der
junge, noch in der unreifen Frucht eingeschlossene Arillus ist bleich und enthält keine
Amylodextrinstärkekörner. Der geruchlose Arillus von Myr. glauca u. Myr. silvestris
enthält rote Chromatophoren ; Jod färbt die Farbstofifkristalloide erst blaugrün, dann
gelb. Bei dem Arillus von Myr. glauca färbt Jod die roten Chromatophoren erst blau,
dann blaugrün (Tschirch). Eingebettet in das Grundgewebe finden sich regellos ver-
teilt, jedenfalls nicht die Randschichten bevorzugend, meist einzeln, selten zu 2 — 3-
gliedrigen Gruppen vereinigt, bis 105 (meist c. 70) mik große, bisweilen noch Oltropfen
enthaltende, meist aber leere Ölz eilen mit verkorkter Wand und deutlicher resino-
gener Schicht (Tschirch) und innerer Haut. Die resinogene Schicht wird durch
Alkalien braun, Kalipyrochromat und Chromat färbt nur wenig. Zahlreiche kleine
(Spiralgefäße führende) Gefäßbündel, die oft stark obliteriert sind, durchziehen das
Gewebe in der Längsrichtung.
Bei der Borabay-Macis (s. d.) enthalten die inneren Ölzellen ein gelbes, durch Ammoniak
grünlich werdendes, die äußeren ein gelbrotes Sekret, das durch Ammoniak orange- bis rubin-
rot sich färbt. Kali löst das Sekret vollständig. Im mit Alkohol betupften Schnitt färbt Kali-
pyrochromat die Seliretzellen braunrot bis braunschwarz, Barytnitrat schwach blutrot. Papuamacis
ist arm an Ölzellen. Sowohl Bombay- wie Papuamacis enthalten Amylodextrinstärkekörner. Bei
der erstgenannten sind die Körner etwas größer (3,5 — 10 raik) und mehr rundlich, bei der
zweiten 3 — 13 mik, knochenförmig, viereckig oder rundlich (vgl. auch weiter hinten).
Das Pulver der Macis besteht vorwiegend aus den Amylodextrinstärkekörnern.
Im Chloralpräparat werden Spiralgefäße, Epidermiszelien und Fragmente der Ölzellen
sichtbar. Stärke fehlt. Doch sah ich einige Male Reste der stärkeführenden Samen-
schalepidermis, die beim Ablösen der Macis von der Samenschale mit abgerissen wird.
Die meiste Macis wird gemahlen. Das Pulver gilt um so besser, je heller es ist.
Der Fruchtknoten enthält nur ein anatropes Ovulum. Das äußere Integument ist zurück-
gezogen, ausschließlich das innere, nur bis zur Hälfte des Nucellus reichende bildet die Mikro-
pyle. Der Same geht aber hauptsächlich aus dem nur vom äußeren Integumente bedeckten hinteren
Teile des Ovulums hervor (Details im Anatomischen Atlas). Auch die äußere Samenschale ist
also im überwiegenden Teile des Samens ein Produkt des äußeren Integumentes und an der
Bildung der inneren Samenschalpartien beteiligt sich nur an der Spitze des Samens das innere
Integument, im übrigen sind sie Bildungen des Hüllperisperms. Die äußere Samenschale zeigt vier
Schichten (vgl. P"ig. 214): Eine äußere, von einer auch im reifen Samen oft noch Stärke führenden
Epidermis bedeckte Parenchymschicht, in der die Gefäßbündel verlaufen, eine einreihige Schicht
dünnwandiger Palissaden (Außen- oder Nebenpalissaden), eine breite Schicht hoher, stark ver-
dickter Palissaden (Innen- oder Hauptpalissaden) und eine Reihe von Querfasern (diese fehlen
bei Myristica argented). Im bei weitem größten Teile des Samens gehen die Querfasern aus der
Epidermis des Nucellus bzw. Perisperras, die Innenpalissaden aus der inneren Epidermis des
äußeren Integumentes und die Außenpalissaden aus der unter dieser liegenden subepidermalen
Zellreihe hervor. Nur dort, wo das innere Integument liegt, geht die Querfaserschicht aus der
äußeren Epidermis dieses Integumentes hervor und nur in einem ebenfalls kleinen Gebiete um
die Chalaza beteiligt sich auch die subepidermale Zellage des Nucellus an der Bildung der
Mittelschicht.
Die 850 — 950 raik hohen, 15 — 19 mik breiten Innenpalissaden zeigen meist stark spiral-
leistenförmig verdickte Wände und führen Oxalatkristalle. Sie sind ungleich hoch, so daß die
Außenseite dieser Schicht Berge und Täler bildet. An den Stellen, wo die Wellenberge liegen,
führen die dort kurzen Außenpalissaden gewöhnlich braunen Inhalt, im unreifen Samen Gerb-
stoff. An der Spitze des Samens liegt an der Stelle, wo die Mikropyle lag, ein die beiden In-
tegumente durchsetzender Kanal, der der Radicula bei der Keimung als Austrittsöffnung dient.
678
Myristinsäurcgruppe.
An der Basis des Samens, der Chalaza, tritt das Raphebündel durch eine ovale Öffnung in das
Innere des Samens ein.
Die sog. innere Samenschale, von der allein der Samenkern, die Muskatnuß
des Handels, bedeckt ist, geht im
größten Teile des Samen.s nicht aus Teilen der
Tntegumente hervor, sondern ist eine Bil-
dimg des Nucellus resp. Perisperms, also
keine echte Samenschale (Voigt, Details
im Anatom. Atlas). In diesem sog. Hüll-
perisperm (A. Meyer) entsteht nämlich in
den inneren Schichten ein Meristem und
dieses erzeugt Sekundärperispermschichten.
Die eigenartigen Zapfen und Leisten, die
zu den sog. Ruminationsfalten des Samens
werden, sind Bildungen dieses Sekundär-
perisperms. Das ringsumlaufende Primär-
perisperm ist hell und bündelfrei und besteht
aus Parenchymzellen, die nicht alle Phlo-
baphen führen. Das kleinzelligere äußere,
ringsumlaufende Sekunda rperisperm ist mit
Phlobaphenen erfüllt und führt aus nach-
träglich angelegten Procambiumsträngen ent-
stehende Gefäßbündel, und zwar ausschließ-
lich an den Stellen, von denen die Zapfen
abgehen. Dies Sekundärperisperm ist aber
nur der äußere Teil des von dem Meristem
gebildeten Gewebes. Der nach innen zu
abgeschiedene Teil wird bis auf geringe,
am Rande der Zapfen sichtbar bleibende
Reste nachträglich wieder resorbiert. Die
Ruminationszapfen werden viel früher an-
gelegt als das Endosperm. Ich fand noch
in ziemlich weit entwickelten Samen das
ganze schon reich gekammerte Innere von
einer milchigen Flüssigkeit erfüllt. Erst ganz
zuletzt wird vom Rande der Zapfen her
das Endosperm angelegt, und erst wenn die
Frucht aufspringt, beginnt sich der Inhalt
der Endospermzellen zu differenzieren. Die
von den Zapfen her gebildeten Endusiiorm-
streifen stoßen in der Mitte zusammen und
verwachsen hier. Diese der Quellschicht bei
anderen Samen entsprechende Zone zeigt
auch hier ein abweichendes Verhalten. Wäh-
rend die übrigen Endospermzellen außer
Stärke und Aleuron reichlich Fett enthalten, ist in dieser Zone, die in Form weißer,
den Ruminationszapfen in einiger Entfernung folgenden Linien auf jeder durchsägten
Muskatnuß sichtbar ist, nur Stärke vorhanden. Diese Linien sind, wie ich gezeigt habe,
^■■'"C:^
Fig 214.
Myristica fragrans HouT'j'.
I Samenschale (1—6) und HüiIpLTisi)erm (pPsp Primär-
pcrisperm, sPsp Sekundärperisperm). 2 Ein in das Endo
»perm (Knd) eindringender Hüllperispernizapfen.
[Nach Tsch irch -Oesterle , Atlas.]
Semen Mj'risticae, Macis und Oleum myristicae. 670
die Keimbahnen, auf denen die als Saugorgane dienenden Lappen der in das Endo-
sperm eindringenden Cotyledonen bei der Keimung des Samens wandern, ernälirt von
der sich lösenden Stärke. Das ganze Endosperm ist beim frischen Samen farblos,
weiß oder hornartig-fettglänzend. Es zeigt, herauspräpariert, wie ich mich in Indien
überzeugte, keinerlei Geruch und besitzt einen nußartigen Geschmack.
Dort, wo der Embryo liegt, wird nicht nur kein Sekundärperisperm gebildet,
sondern sogar das Nucellusgewebe vollständig resorbiert, das innere Integument, das
hier an der Bildung der Samenschale teilnimmt, grenzt unmittelbar an den Embryo. Die
Droge, d. h. der Samenkern, zeigt also, wenn man sie der Länge nach median durchsägt,
folgendes Bild (Fig. 212). Zu äußerst liegt das Primärperisperm (Hüllperisperm I),
ein aus gestreckten, dünnwandigen, verholzten Zellen bestehendes, bisweilen Phloba-
phenmassen enthaltendes Gewebe, in dem sich (bisweilen korrodierte) Kristalle in
Form von Prismen, Blättchen, Wetzsteinen oder Zwillingen finden (Weinstein?). Die
äußersten Zellen enthalten bei der gekalkten Droge sehr kleine Kalkkörnchen. Auf
das Primärperisperm folgt das sich, da kleinzelliger, gut abhebende, äußere Sekundär-
perisperm (Hüllperisperm II), das, da es reich an Phlobaphenen ist, die natürlich
braune Farbe der ungekalkten Muskatnüsse bedingt. Die Ruminationszapfen führen
im unreifen Samen Stärke, im reifen frischen Samen zahlreiche große, oft aneinan-
der stoßende Olzellen, die ganz von einem hellgelben Öle erfüllt sind (Fig. 214). In
der Droge besteht das Ruminationsgewebe aus meist leeren Zellen mit braunen Wänden,
die infolge Infiltration resistent sind gegen Schwefelsäure. Die Endospermzellen ent-
halten eingebettet in bisweilen in Nadeln oder Blättchen auskristallisiertes Fett (resp.
Ölplasma), meist je ein durch Cochenille tingierbares (Vogl) Aleuronkorn mit oft
vortrefTlich rhomboedrisch oder in Form einer sechsseitigen Tafel ausgebildetem, oft
lichtgelb gefärbtem Kristalloid (abgebildet bei Busse und im Anatom. Atlas) — Glo-
boide sind sehr selten — , sowie einfache oder zu 2 — 12 (selten bis 20) zusammen-
gesetzte 3 — 18 (meist 10) mik große, mit einem Spalt versehene Stärkekörner. Die
Stärke der Leitbahnen ist kleiner. Stärkearme und fettreiche Samen besitzen die
am besten ausgebildeten Aleuronkörner. Bisweilen werden die großen Aleuronkörner
von einigen kleinen begleitet. Hier und da finden sich im Endosperm gebräunte
Zellen. Diese enthielten im unreifen Samen Gerbstoff.
Das Pulver der Muskatnuß bietet wenig Charakteristisches. Es besteht vorwiegend
aus Stärkekörnern und Fettschollen. Erhitzt man das Pulver mit Chloral, so erscheint das ganze
Präparat mit Oltropfen übersät, die beim Erkalten kristallinisch erstarren. Gefäßbündelfragraente
und Fetzen des Hüllperisperms finden sich allenthalben zerstreut.
Lit. Berg, Anat. Atlas. — Flückiger, Arch. Pharm. 1871, 31. — Voigt, Bau u. Ent-
wickl. d. Samens u. Samenmantels von Myr. fragr. Diss. Göttingen 1885 und Bau u. Entw. von
Sam. mit ruminiert. Endosp. usw. Ann. Jard. Buitenz. 7 (1887) 151. — A. Meyer, Wissensch.
Drogenkunde. — Tschirch-Oesterle, Anat. Atlas t. 56 und 57. — Busse, Gewürze, Arbeit,
d. kaiserl. Gesundheitsamtes 11 (1895) 39° """^ '^ (1890) 628. — Tschfrch, Ges. naturforsch.
Freunde 1887, Ber. d Botan. Ges. 1888 und Angew Anatomie. — Tschirch (Keimungsgesch.),
Ber. d. pharm. Ges. 1894, 260. — Hallström. Vgl. anat. Stud. über d. Samen d. Myristicae.
(in Tschirch, Indische Fragmente). Arch. Pharm. 1895 mit 3 Taf. — Lltdtke (Aleuron), Ber.
d. pharm. Ges 1891, 5O. — Planchon, Devel. et caract. d. vrais et d. faux arilles Ann. sc.
nat. (3) 3, 303. — Baillon, Sur l'origine du macis etc. Compt. rend. 78, 799. Adanscnia 5
(1870) 177, II (1876), 329 und Dict. d. botan. I (1876), 258. — TsCHlRCH, Tagebl. d. Straß-
burger Naturforschervers. 1885. — Warburg, Haarbild. d. Myrist. Ber. d. bot. Ges. 1895. —
Planchon-Collin, Drogues simpl. I, Fig. 315 — 320. — H.a^rtwich in Pharm. Praxis II, Fig.
41 — 49. — ViLLiERS ET CoLLiN, Subst. aliment. — Moeller-Winton, Mikroskopie, Fig. 385
68o M>i istinsüuregiuppe.
bis 595. — VOGL, Kommentar. — Goltsinski, Myr. fragr. Dissert. Moskau 1894 (russisch)
m. 7 Taf. — Pfeiffer, D. Arillargeb. d. Pflanxens. Engl. bot. Jahrb. 13 (1891) 524. —
CosTERUS, Double nutmegs. Ann. jard. bot. Buit. XV 1898, 40. — J.\nse, Ann. jard. bot.
Buitenzorg 1899,17. — Kraemer (Pulver), Proc. Amer. Pharm. Ass. 1898, 327. — Abbild, auch
in Rosen, Anatom. Wandtafeln t. 27. — Has,s.\k, Wandtaf. für Warenkunde t. 6.
Chemie. Das Pericarp enthält 1 7,8 "1^ Wasser, 8,60/0 durch Äther Extrahier-
bares, 40,3 ojj in Wasser lösliche Substanzen (darin Gerbstoff) und 1,7 "/„ Weinsäure
(Fromberg).
Die Samenkerne, die Muskatnüsse, enthalten im Durchschnitt in Prozenten:
Wasser 7,38 (4,2 — 12,2), Stickstoffsubstanz 5,4g (5,2—6,1), äther. Öl 3,05 (2,5 — 4), Fett
34,27 (31 — 37,3 resp. 32,2 Frühling), Alkoholextrakt 11,98, stickstofffreie Extrakt-
stoffe inkl. Stärke 37,19 (29,9- — 41,8), Rohfaser 9,92 (5,6 — 12), Asche 2,7 (2,2 — 3,3)
(KtixiG I — 4''lo)' obere Grenzzahl (nach Hauke) 3,5''/o; die Praxis verlangt als
Maximum der Asche: S^/q. Nach neueren Bestimmungen enthalten die Nüsse 8
bis 10 "/o, äther. Öl (Schimmel & Co.) und 30 — 4o0|o Fett. Busse fand 30,3 bis
40,5 "/o Fett (nur bei der geringsten Sorte i5,(>5'^lo), Greshoff27,5 — 42,8^!^. «Trocken-
verlust»: 9,3 — iS^/o- Gesamtasche: 1,7 — 4,6''/o (bei Ölnüssen bis 6,7*'|q). Gerbstoffe
sind nur wenig vorhanden. Der alkoholische Auszug färbt sich mit Eisenchlorid kaum
dunkler. Muskatnuß enthält wechselnde Mengen Stärke (nach König 23,67 "/q), sowie
i,52f'/(, reduzierenden Zucker und 0,56 ^|g Saccharose (Bourquelot). Ferner ein
Xyjan (Brachin), eine Lipase (Mastbaum), ein Saponin (Dekker) und Farb-
stoffe. (Vgl. auch weiter unten unter Preßkuchen.) Magere Nüsse haben ein spez. Gew.
^ 1,059, middelbare 1,070, vette 1,115. Diese sinken also in Wa.sser von 15" unter.
Die Samenschalen enthalten i "l^ Fett, 2,2 "Iq Asche und 62,6 "Jq «Cellulose»
(Ranavez).
Die Muskatbutter (Muskatfett, Oleum s. butyrum s. balsamum nucistae, Ol. nuc.
moschatae expressum, Ol. myristicae, beurre de muscade — butter of nutmeg, expressed
eil of nutmeg — notenzeep, bandazeep, muskaatzeep, notenvet) bildet ein bräunlich-
gelbes bis rötlichbraunes festes Fett von der Konsistenz eines weichen Talgs, muskat-
artigem Geruch und bitterem Geschmack. Durch langes Mazerieren mit Alkohol kann
es fast farblos und geruchlos erhalten werden, da die Fettsubstanz in kaltem Alkohol
wenig löslich ist. Riech- und Farbstoffe dagegen sich darin lösen. In 4 (nach Diete-
rich: IG — 12) Teilen siedendem Alkohol ist es bis auf die bisweilen darin vorkommen-
den Pflanzenreste löslich, ebenso in Äther, Chloroform und Benzol. Letzteres läßt
den größten Teil der Farbstoffe ungelöst. Bei 45 — 51" schmilzt es zu einer rotbraunen,
trüben Flüssigkeit, die keinen merklichen Bodensatz zeigen darf (Ph. helv. IV). Mikro-
skopisch betrachtet zeigt die Muskatkutter reichlich Kristallnadeln von Myristin, bis-
weilen auch Gewebsreste des Samens und Stärkekörner. Beim Einlegen in die Hart-
wiCH-UHLMANNsche Kali-Ammoniakmischung entstehen große sternförmige Konglo-
merate kurzer, derber Kristallnadeln. Die Muskatbutter ist ein nicht immer konstantes
Gemisch von Fett, ätherischem Öl und «Farbstoff». Letzterer ist seinerseits
wieder ein Gemisch verschiedener, nicht näher bekannter Körper. Koller fand
(1864) in "Iq: Äther. Öl 6, Myristin 70, «Elain» 20, saures Harz 3, «Butyrin»
(nebst Spuren flüchtiger Säuren) i.
Das Fett besteht zu c. 45 '/o aus Myristin (Sericin, Playfair), dem Gly-
cerinester der von Playfair 1841 entdeckten Myristinsäure (C14H28O2). Behandelt
man das Fett mit kaltem Alkohol, so bleibt das Myristin zurück und kann durch Um-
Semen Myristicae, Macis und Oleum myristicae.
68i
kristallisieren aus Äther in bei 55" schmelzenden Kristallen erhalten werden. Der in
kaltem Alkohol lösliche Teil besteht vorwiegend aus Öl ein. Power undSALWAY fanden
1908 in ausgepreßtem Muskatfett in "j^ (außer 12,5 "j^ äther. Öl): Trim3'ristin 73,0,
Olein 3,0, Linolsäureglycerid 0,5, sehr wenig Ameisensäure-, Essigsäure-,
Cerotinsäure-Ester, Unverseifbares 8,5, Harz 2. In dem Unverseifbaren ist (zu 5''|q
des Ganzen) eine Substanz CigHgjOj, dann Myristicin (C^Hj^Og) und eine kleine
Menge Phytosterol, C.,oH340 (F. = 134 — 135"), enthalten. Stearinsäure (Rö-
mer) fehlt.
Muskatbutter zeigt folgende Konstanten: Spez. Gew. 0,95 — 1,04 (Reinwardt),
0,945 — 0,996 (Dieterich), meist 0,990 — 0,995. Schmelzpunkt: 41,5 — 48" (bis 51"
Uricoechea), 33 — 57 0 (Dieterich). Erstarrungspunkt: 41,5 — 42 (Rüdorff,Wimmel).
Verseifungszahl : 134,5 — 17^> ^'^^ stark schwankend. V. Z. h.: 153,3 — 196,1 (Diete-
rich). Säurezahl: 14 — 44,8, bisweilen aber auch 56 — 86,8, ja 93,2, 118,8 u. 125
(Dieterich). Jodzahl: 33,3 — 57,3 (Dieterich), 48 — 65,1 (Wijs). Die Schwankungen
in der Jodzahl rühren nicht von dem ätherischen Öl her (Lewkowitsch). Brechungs-
exponent bei 40": 1,4700 — 1,4705 (Utz). Butterrefraktometer bei 40": 66,4 — 67,2
Skalenteile (Utz). Erstarrungspunkt der Fettsäuren: 40" und Schmelzpunkt derselben
42,5 (Hübl). Die sog. «Konstanten» sind also sehr inkonstant. Mit Äther extra-
hiertes Fett zeigte spez. Gew.: 0,996, Schmelzpunkt: 51'', Säurezahl: 22,4, Ver-
seifungszahl: 154 — 159,6. Das durch Pressen erhaltene Öl ist nicht ganz identisch
mit dem durch Extraktion erhaltenen, wennschon ziemlich ähnlich. Denn Power
und Salway fanden igo8:
Ausgepreßtes
Mit Äther extra-
Ausgepreßt. Fett
Gesamte
Fett
hiertes Fett
frei von äther. Ol
Fettsäuren
Schmelzpunkt ....
48°
50°
49°
49°
Dichte 50750° . . .
0.9399
0.9337
0,9443
0,9012
Säurezahl
11,2
12,9
14,0
218,3
Verseifungszahl . . .
174.6
i8o,s
199,6
—
Jodzahl
57.8
45.7
35.7
23.1
^jg des ätherischen Öls des Samenkerns treten in das Fett über (Reinwardt),
welches wenigstens 4 — 8 "/q ätherisches Öl zu enthalten pflegt.
Das ätherische Öl der Muskatnüsse und der Macis ist «kaum zu unterscheiden».
Die Unterschiede sind nur quantitative (Schimmel). Koller erklärte sie für iden-
tisch (?); doch hat das Macisöl ein etwas höheres spez. Gew. und ein etwas anderes
Drehungsvermögen als Muskatnußöl [Macisöl: 0,890 — 0,930 «D = -|- 10 — 20".
Muskatnußöl: 0,865 — 0,920 «D = -)- 14 — 30"]. Das Muskatnußöl enthält mehr
Terpene (Schimmel). Im Handel gehen beide unter dem Namen Macisöl. Aber es
ist unzulässig das Öl der Muskatnüsse dem Öl der Macis einfach zu substituieren
und ganz unzulässig (D. A. IV) das Wort Muskatnußöl als synonym mit Ol Macidis
anzuführen oder (D. A. V) das Öl der Samenkerne ebenfalls Ol. Macidis zu nennen,
auch wenn man die Drehung auf «D 20° ^ -h?" hso" ^"^"^ '^^.s spez. Ge-
wicht auf 0,870 — 0,930 erweitert. Es enthält Pinen (Schacht), (Wallach, van
RoMBURGH = Macen), Dipenten (Semmler, Myristicen Gadstone ist ein Gemisch
von Dipenten und Pinen). Cymol (Wright) fehlt (Semmler) oder ist vielleicht aus
dem Myristicol (CjQHjgO Wright, Gladstone), das wohl kein Individuum ist,
entstanden, dem aber Brühl die Formel:
582 Myristinsäuregnippe.
C3H, CjH,
HC CH HC CHOH
II I oder I I
HC CHOH HC CHj
\c/ V/
CHg CH3
gibt. In den höher siedenden Anteilen: Myristicin (C^jHjoOg) nach Semmler:
CH, — CH = CHo
I
/\
HC CH
I I
CH3OC CO^
\c/ - CH,
O
nadi Macis riechend — \ielleicht aus einem primär vorhandenen flüssigen Phenol-
äther erst bei der Verarbeitung entstehend. Salway schreibt die bei der Oxydation
entstehende Myristicinsäure:
COOK
COOHC
I
CH,0 . C
\ / \
CH„
(das Myristicin von John und Mulder ist Myristinsäure, Flückiger). In den zu-
letzt übergehenden Anteilen findet sich ein Phenol (Semmler). Bei der Destillation
des Öls geht oft Myristinsäure über (Flückiger). Power und Salway fanden im Öl
(1907): Eugenol und Isoeugenol (c. 0,2 "/o), d-Pinen und d-Camphen(c. So^/o),
Dipenten(c. 8 "/„), d-Linalool, d-Borneol, i-Terpineol, Geraniol (zusammen
c. ö^lo). einen neuen Alkohol, der bei der Oxydation ein Diketon (C^Hi^Oo) gibt,
einen citralähnlichen Aldehyd, Safrol (c. o,6''/o), Myristicin (c. 4O/0), Myristin-
säure (0,3 "(a, etwas auch als Ester), dann Ameisensäure, Essigsäure, Buttersäure, Octyl-
säure und eine neue Säure, CijHjsOg, alle als Ester. Myristicol halten Power und
Salway für ein Gemisch, in dem Terpineol vorwaltet. Schlmmel & Co. destil-
lierten 1893 bedeutende Mengen Muskatnußöl, zum Teil aus den Preßrückständen
der Muskatbutterbereitung.
Im Preßkuchen fanden Power und Salway die Bestandteile des Muskat-
fettes wieder, speziell Phytosterol, die Substanz CigHjjOj, Myristinsäure und
Trimyristin, Essigsäure, Cerotinsäure, Eugenol, Isoeugenol, viel d-Glu-
kose, Gerb- und FarbstoflTe, sowie Harze, endlich als neu eine sehr geringe Menge
Diacetylpuranol (C23H3(jO^[COCH3]2).
Banda Macis. Banda Macis enthält in Prozenten: Wasser; (4,9) 17,59 — 18,21,
Protein: (4,6) 5,44 — 7,8, Fett: 18,6—29,1, äther. Öl: 3,37 — 5,26. In Zucker überführ-
bare Stoffe: 41,2 — 44,59, Alkoholextrakt: 45,1 — 55,7, Holzfaser: 3,7 — 4,93 (bis 8,9),
Asche: 1,6—4,1 (Arnst und Hart, Laube und Aldendorff, König). Der Fett-
gehalt beträgt meist 22,64 — 23,68 "jo (Busse), 18,6—29,080/0 (Laube und Alden-
dorff, Richardson, Arnst und Hart), in der Trockensubstanz bis 35 "/q. Macis
enthält ätherlösliches Harz: i,i8 — 4,09 "/q, alkohollösliches Harz: 3,83 — 3,95 o/o, Asche:
Semen MjTisticae, Macis und Oleum myristicae. 683
1,70 — 2,8 (Busse). Obere Grenzzahl der Asche (nach Hauke): 2,5 "/q. Hauke fand
1,61 — 2,32''|(,. Macis enthält (nach der Natriumsalicylatmethode bestimmt): 8,38 bis
8,44 o/ö äther. Öl (Lenz). Macis liefert destilliert 4 — 15 (ja bis 17)^/0 äther. Öl
(Schimmel, Semmler) vom spez. Gew. 0,890 — 0,930. Hansel stellt ein terpenfreies
Macisöl her.
Das «Fett» der Macis zeigt eine vom Samenfett abweichende Beschaffen-
heit, wie aus den Beobachtungen von Späth, die sowohl bei Benedict-Ulzer wie
bei Lewkowitsch fälschlich auf Samenfett bezogen werden, hervorgeht. Er fand bei
aus Macis (von Banda, Menado, Penang und Sansibar — wohl alle von M. fragr.)
extrahiertem Fett Schmelzpunkt: 25 — 26", Verseifungszahl : 169,1 — 173, Jodzahl:
75,6 — 80,8, REiCHERT-MEissL-Zahl: 4,1 — 4,2, Refraktometeranzeige: 74 — 84,5. Dem-
gegenüber bemerkt Flückiger (1891): «Indem ich Macis mit siedendem Äther er-
schöpfte und diesen abdestillierte, erhielt ich 24,5 "/q bei 100" getrocknetem, weichem,
harzartigem Rückstand, in welchem ich nicht imstande war, Fett nachzuweisen.»
Offenbar ist hier als «Fett» oft ein Gemenge bezeichnet worden, das noch vielerlei andere
Bestandteile enthält und dem vielleicht eigentliches Fett ganz oder fast ganz fehlt.
Schon Henry fand (1824) in der Macis einen eigenen gummiartigen Stoff,
der sich mit Jod purpurn färbte und mit Schwefelsäure Zucker gab. Flückiger nannte
den Körper «Maciscellulose ;. Ich zeigte 1888, daß Banda- Macis neben De.xtrin
und Zucker (c. 2 — 4*/o, nach Flückiger 1,4 "/o) 25 ''|q Amylodextrinstärke
enthält (vgl. oben S. 676). Dieselbe läßt sich in der Weise daraus darstellen, daß
man durch kaltes Wasser Dextrin und Zucker, durch kalten Alkohol das ätherische
Öl und den Farbstoff, durch siedenden Alkohol und Äther das «Fett» entfernt und
dann durch oft wiederholtes vielstündiges Auskochen des Rückstandes die Amylo-
dextrinstärke in Lösung bringt. Der Rückstand liefert 46,5 *'/o Amylodextrinstärke
(Tschirch). Brachin fand in Macis keine Saccharose, sondern ein rechtsdrehendes
Pektin und Galaktane.
Durch Kinschnitte in die Rinde liefern JSTyr, fragrans, J\Iyr. malabarica^ Myr. glabra
und Myr. succedanea einen dem Malabarkino ähnlichen Stoff, der krist. Calciumtartrat enthält
(SchAr). Auch Myr. Teys»ian>i!, Vi'rola sebifera u. and. verhallen sich ähnlich (Eijkmann).
Lit. John, Myristicin, ein näherer Bestandteil der Muskatennuß. Chem. Schriften 5 (1821),
61. — BoN.\STRE, Pres. d. 1. f^cule dans la noix musc. Journ. pharm. 9 (1823), 281.— Henry,
Examen du Macis. Ebenda 10 (1824), 281. — Fromberg, Naluurk. Tijds. Ned. Ind. II, 207.
— Eijkmann, Ned. Tijdschr. 188;. • — Schär (Kino), Pharm. Journ. 1896. — Flückiger,
Pharmakogn. — BusSK, Muskatnüsse. Arbeit, d. Kais. Gesundheitsamt. 11 (1895), 39'- — König,
Nähr.- u. Genußm. — Frühling, Z. Unters gemahl. Gew. Chem. Zeit. 1886, 525. — Arnst
und Hart, Zeitschr. angew. Chem. 1893, 136. — Balland, Journ. pharm. 1903, 294. — Brachin,
Ebenda 1903, 16. — Mastbaum, Chem. Rev. d. Fettind. 1907, 5. — Dekker, Pharm. Weekbl.
1909, 16. —
Fett. Playfair, Ann. d. Pharm. 37 (1841), 153. Edinb. Phil. Mag. 1841. — Brandes.
Ann. d. Pharm. 7, 52. — Bru.mann, Tijds. Ned. Ind. 1841, 318. — CoMAR, Jahresb. d. Chem.
1859, 366. — Koller, Viertelj. pr. Pharm 13 (1864), 504, N. Jahrb. Pharm. 23, 136. —
Ricker, N. Jahrb. Pharm. 19, 17. Jahresb. d. Pharm. 1863, S. 37. — Witte, Ebenda 38. —
H. Schiff (Myristinsäure), Lieb. Ann. 1880. — Römer, Vork. kohlenstofiFreich. Fettsäuren.
Dissert. Halle 1882. — E. Schmidt u. Römer, Arch. Pharm. 1883, 34. — Helfenberger
Ann. 1902, 1904, 1905. — HooPER, Agricult. Ledger 1907. — Power u. Salway, Transact.
chera. Soc. 1908, 1653.
Äther. Öl. Ältere Unters, b. Gildemeister-Hoffmann. — Schacht, Dissert. de oleo
macidis 1862. Arch. Pharm. 1862, 106. — Koller, N. Jahrb. d. Pharm. 23 (1864), 136. —
Cloez, Journ. pharm. 1864, 150. — Gladstone, Journ. chera. soc. 1872,1. — Wright, Ebenda
t)g I Myristinsiuiregruppe.
'S-'j. 549- — Wallach, Lieb. Ann. 227 (1884), 288 u. 252 (1881), 105. — FlOckiger, Pharm.
Journ. 5 (1874), 136. — Semmler, Ber. d. ehem. Ges. 23 (1890), 1803 und 24(1891), 3818. —
Brühl, Ebenda 21, 472. — Thoms (Myristicin), Naturforschervers, Cassel 1903. — Schimmels
Ber. 1893, 1898. — Allen and Brkwis {Optische Drehung), Pharm. Journ. 66 (igoi), 328. —
Salway (Nitromyristicins.), Transact. ehem. sog. 191 i.
Macis. Henry, Examen du Macis, Journ. pharm. 10 (1824), 281. — FlOckiger, Arch.
Pharm. 1871. — Tschirch, Ber. d. Bot. Ges. 1888, 138. — Hallström, Arch. Pharm. 1895.
— BR.\CHm, Hydrat, d. carb. d. la Noix muscade et d. Macis. Journ. pharm. 18 (1903), 16.
— Busse, Arb. d. kais. Gesundheitsamtes 12, 628. — Arnst u. Hart, Zeitschr. ang. Chem.
1893, 136- — Flockiger, Pharmakognosie. 3. Aufl. — König, Nähr. u. Genußm. — Vgl. auch
hinten unter Bombay -Macis. — Asche: Hauke, Aschengehalte 1902. — Moor and Priest,
Pharm. Journ. 1900, Ii2.
Verfälschungen. Selbst die ganzen Muskatnüsse werden verfälscht. Eine ganze Schiffs-
ladung aus Holz nachgemachter Muskatnüsse beobachteten Chevalier und Baudrimont (1861),
aus Mehl, Ton und Muskatnußpulver zusammengesetzte künstliche wurden 1831 und 1833 be-
obachtet, aus Leguminosenmehl und Muskatpulver zusammengeknetete erwähnt Busse, solche
aus Buchweizenraehl, Ton, Muskatbutter und Farbstoff Waage (1898). Am häufigsten sind aus
einem Gemisch von gemahlenem Muskatniißbrucli und mineralischen Substanzen durch hydrau-
lische Pressen hergestellte im Handel (van der Planken und Ranwez 1900). Sie haben sogar
einen eigenen Handelsnamen («Bombay Muskatnüsse»). Beim Durchschneiden der gefälschten
Nuß beobachtet man das Fehlen jeglicher vegetabilischen Struktur, beim drei Minuten langen
Behandeln mit kochendem Wasser wird die Nuß weich und läßt sich zwischen den Fingern
zerreiben. Der Aschengehalt beträgt 11 — iS"/,, (bei der echten Nuß 2 — 3 "/o), der Fettgehalt nur
c. 15%, auch sind diese gefälschten Nüsse im allgemeinen schwerer. Oft finden sich — auch heute
noch — wurmstichige Nüsse, deren Bohrlöcher mitKalkodereinerKalk-Fett-Mehlmischung verstopft
wurden. Dagegen scheinen «extrahierte» Nüsse nicht mehr beobachtet zu sein. Die Angabe, daß die
Löcher wurmstichiger Muskatnüsse durch Sassa/raspulvei ausgefüllt wurden, erscheint mir sehr
unwahrscheinlich. Die langgestreckten Nüsse von J/. argentta, M. fatua und M, malabarica
kommen wegen ihrer abweichenden Form nicht als Verfälschungen in Betracht.
Das Muskatnußpulver fand Ranwez (1900) mit dem Pulver der Schalen verfälscht. Bis-
weilen wird das Muskatnuß- und Macispulver durch Verreiben mit Milchzucker hergestellt, da
beide wegen des Ölgehaltes schwer zu pulvern sind.
Als Verfälschung der Macis, besonders des Pulvers, ist neuerdings (seit 1881)
vielfach Bombay-Macis (vgl. S. 691) beobachtet worden. Bombay-Macis scheint be-
sonders nach Holland (Amsterdam) und Deutschland exportiert und erst dort zur
Verfälschung der Macis gemahlen zu werden. Busse empfiehlt zur Erkennung der
Bombay-Macis die Chromat probe (Waage): Erhitzen des alkoholischen Auszuges
mit Kaliumbichromat, Bombay-Macis- Auszug färbt sich braun, Banda-Macis höchstens
Chromgelb; femer die Ammoniakprobe (Tschirch-Hallström) : Bombay-Macis-
Auszug wird tieforange bis gelbrot, Banda-Macis gelblich-rosa und die Barytprobe
(Busse): mit dem Auszuge getränkte, getrocknete Filtrierpapierstreifen werden durch
Eintauchen in siedendes, gesättigtes Barytwasser und nachheriges Trocknen bei Banda-
Macis blaßrötlich, bei Bombay-Macis ziegelrot. Ich empfehle den spektralanalytischen
Nachweis (s. S. 691). Da Bombay-Macis sehr viel «Harz» enthält (vgl. S. 691), so
ist eine Banda-Macis, die nach dem Entfetten mit Petroläther mehr als 4 "/q Äther-
extrakt liefert, verdächtig. Nestler (Über Macisverfälschungen. Ztschr. f. Unters, d.
Nahrungsmittel [1903], Nr. 22) fand unter 104 Macisproben, die innerhalb 4 Jahren
untersucht wurden, 3 7 Proben als verfälscht. In i 7 Proben war ein mehr oder weniger
starker Zusatz von Bombay-Macis zu Banda-Macis, in anderen Banda-Macis und
Kukuruzmehl oder Bombay-Macis und Kukuruzmehl gemacht worden. Einige Proben
enthielten überhaupt keine Macis, sondern waren künstlich aus Kukuruzmehl, gepul-
verter Semmel, Sandelholz und Curcuma hergestellt worden. Zur Fälschung fanden
Semen Myristicae, Macis und Oleum myristicae.
685
sich überhaupt Zusätze von Kukuruzmehl, gepulverter Semmel, Sandelholz, Curcuma
oder Zimtrindenpulver, einzeln oder mehrere gemischt, vor. Auch von anderer Seite
ist Curcuma als Verfälschung beobachtet (Borsäurereaktion des Auszuges) sowie das
gemahlene Pericarp der Frucht. Ferner sollen Nüsse, Zwieback (Späth), Ocker und
Schwerspath vorgekommen sein. Papuamacis ist im Pulver weder mikroskopisch noch
chemisch sicher nachzuweisen. Die Arillen der M.fatiia scheinen jetzt nicht mehr (wie
im XVII. Jahrh.) als Verfälschung benutzt zu werden.
Die mittlere Zusammensetzung der drei Wacissorten wird durch folgende bei König repro-
duzierte Tabelle illustriert:
Anzahl
der Analysen
tn
Gesamt-Äther-
extrakt (Fett,
Harz usw.)
OJ
-a
u
£2
^ "3
Harz löslich
in
Sonstige stick-
stofffreie Ex-
traktstoffe
i
0
OJ
u
VonderAsche
in Wasser
löslich
Bezeichnung
0
ja
0
<
Echte Macis
0/
/o
20
7o
10,48
7o
6,33
/o
23.25
%
7-43
0/
/o
21.85
/o
2,59
7.
3.89
7o
24.54
7o
29,12
7o
4.20
7.
2,11
7o
1.03
Papua „
6
9.18
6,68
54,28
5.89
52,72
0,88
1,92
8,78
14.41
4,57
2,10
i.ii
Wilde (Bom-
bay) Macis
5
7.04
S."5
60,06
Spur
32,64
30,99
3.19
14,51
3.79
8,17
1,38
0,97
Die Bestimmung des Petrolätherextraktes, Harzes, der Stärke und Rohfaser sind nicht
in allen Proben ausgeführt, daher entsprechen diese Zahlen nicht ganz denen für die anderen
Bestandteile.
Fälschungen der Muskatbutter sind jetzt relativ selten. Doch kommt bisweilen
gefärbter und durch Erwärmen mit Muskatnußbruch parfümierter Talg als Muskat-
butter im Handel vor. In früherer Zeit wurden Cetaceum, Talg, Butter, Cacaobutter,
Palmöl, Wachs angegeben — (ob aber wirklich beobachtet?). Auch ein Parfümieren
mit Sassafras finde ich angegeben (Bernays 1883). Muskatbutter muß sandfrei sein,
also zu einer klaren Flüssigkeit schmelzen. Als Verfälschung ist das Fett der M. argentea
beobachtet (Krasser). Verfälschung mit Ucuhubafett ist an der Rotfärbung mit
konz. H2SO4 oder H3PO4 zu erkennen (Schädler). Utz hat die Bestimmung des
Brechungsindex zur Erkennung von Fälschungen benutzt. Ein Zusatz von Schweine-
fett, Cacaobutter, Cocosfett, Olivenöl und Talg erniedrigt, ein Zusatz von Lanolin,
Paraffin, Vaselin oder Wachs erhöht die Refraktometeranzeige.
Lit. SouBEiRAN, Nouv. Dict. d. Falsific. etc. 1874. — Chevalier et Baüdrimont, Dict.
alt^rat. et d. Falsific. d. subst. aliment. 1882. — Busse, Muskatnüsse, Arbeit, d. Kais. Gesund-
heitsamt. II (1895), 390 u. Nachweis von Bombay-Macis. Zeitschr. Nahrungsm. 1904. — van
DER Planken und Ranwez, Falsific. d. noix de musc. Ann. de Pharm. 1900, 6, i. — Ranwez,
Fals. d. 1. poudre d. musc. par les coques de musc. Ann. ph. 1900. — Krasser, Verfälsch.
d. Muskatnüsse u. d. Macis. Zeitschr. d. Österr. Apoth. Ver. 1897, 791 und Bemerk, über Ol.
myrist. u. Oleum Mac. Ebenda S 824. — Waage, Handwörterb. d. Pharm. 1893, II, 169. —
Nestler, Macisverfälschungen. Zeitschr. Unters, d. Nahrungsm. 1903. — Schindler, Pharm.
Zeit. 1902, Nr. 38. — Utz, Chem. Rev. d. Fett- usw. Industr. 1903, II. (Siehe auch unter Bombay-
macis S. 692.)
Anwendung. In Zucker eingemachte unreife Muskatfrüchte von Ambon sind in Indien
sehr behebt (sie kamen schon im XVII. Jahrh. nach Europa, Bauhins nux condita des RUELLIUS,
in der Straßburger Taxe 1646: Nux moschata condita indica, in der Prager Taxe 1659: Nuc. ind.
cond.), ebenso ein aus der Fruchtschale hergestelltes Gelie (maniessan pala, maniessan = Süßigkeit,
Leckerei). Auch das Fruchtfleisch wird in Zucker oder Essig eingelegt als Konfekt oder Pickle
in Indien gegessen. Die Macis wird von vielen Vögeln verspeist (s. oben S. 666).
Bei größeren Mengen der Droge ist narkotische Wirkung beobachtet. Es gibt noch heute
Leute, die Muskatnüsse als sympathetisches Mittel gegen Furunkeln am Halse tragen. Muskatnuß
5S6 Myristinsäuregruppc.
gilt als Rlieumatismusmittel und wird auch als Stomachicum, Stimulans undCarminativum bei Magen,
und Darmkatarrh und Dyspepsie, auch als Substitut für Opium benutzt. Viel verwendet war Goelis
Kinderpulver (pulvis nucis moschatae cps. sive antiscrophulosus Goelisii). Ein Abortivum sind sie
nicht, obwohl das Volk sie als solches gelegentlich benutzt. Die Maximaldose gibt U. S. Pharm,
auf 0,5 g an. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Muskatnuß infolge von im Ruminationsgewebe
sitzenden Substanzen unbekannter Zusammensetzung in größeren Dosen giftig wirken kann (bis-
weilen schon bei einer halben .Musk.itnuß). Schon RuMt'H, BoNTius, Lobelids, Schmid und
CuiXKN berichten über solche Fälle und Wibmer hat die bis 1837 beobachteten zusammen-
gestellt. (Einige Vergiftungsfälle auch in Lewins Toxicologie.) Purkinje schildert die Wirkung:
Verringerung der Sinnestätigkeit, Trägheit der Bewegungen, an Besinnungslosigkeit grenzende
Schlaflosigkeit; Pereira spricht von Betäubung und Gefühllosigkeit. Hermann wollte schon im
XVII. Jahrh. einen Stoff isoliert haben, der wie Opium einschläfernd wirkt (zitiert bei Valen-
Tixi) Über die to.xische Wirkung, die Power und SalwAY auf das Öl beziehen, da sie weder
Alkaloide noch ein Toxalbumin nachweisen konnten, vgl. CUSSNY, Proc. Royal Soc. Med. 1908,
I> 39> Wallace, Contrib. to medical research dedicat. to Vadghan. Ann. Arbor 1903, Power and
Salway, Chem. exam. and physiol. act. ofnutmeg. Amer. journ. pharm. igo8 und Mendelsohn,
Deutsch. Med. Wochenschr. 1907, 2201. Über die angebliche Abortivwirkung: F. JÜRSS, Beitr.
z. Kenntn. d. Wirk, einig, als Volksabortiva benutzten Pflanzen (y'«n(2(:?/»;«, Thuja, Myristica).
Stuttgart 1904.
Muskatbutter wird im Archipel als Einreibungsmitlel bei Rheumatismus verwendet, in
Europa noch jetzt zu Einreibungen des Unterleibes (Magenbalsam), bei Kolik, Diarrhöe usw.
(meist mit Wachs und Olivenöl gemischt, Bahamiim nucistae). Das beim Volke beliebte Klep-
perbein sehe Magenpflaster enthält Ol. myristicae,\\\e das in Frankreich benutzte Pomatnm nervmiim.
Die auf den sich in der Nähe der Notenkombuis aufhäufenden und dort oft in beson-
deren Gruben verrottenden abgelösten Fruchtschalen sich entwickelnde Agaricinee (djamur pala
= Muskatpilz) wird gegessen.
Geschichte. Die Alten kannten die Muskatnuß und die Macis nicht. Weder das xwftaxöv
des Theophr.\st (vielleicht Cubebe?), noch das narcaptum (nascaphton) oder der ßäf.avoq ßv-
gttptx?' {g-larts unguentaria \_Mortnga oleifera'i\\ des Dioskurides, noch das caryopon des Plinius
(das Samenöl einer syrischen Pflanze.'), noch der macer, macir, machir, (läxtiQ der Alten (nach
Thomson [Mitteilung an Hanbury] die Rinde des schon von Acosta als Macer abgebildeten
Ailanthus malabarica De.) beziehen sich hierauf. Das bei Pladtus (im Pseudolus III, 2) vor-
kommende Wort macis ist dort eine Phantasiebildung. Der Name macer wurde erst von Sera-
riON und Averrhoes auf die Macis übertragen und blieb ihr dann. Nur eine einzige Stelle
kann uns zweifelhaft machen, die nämlich bei CelsüS (V, 18): «glandis, quam ßäXavov /xv-
peiluxi/v Graeci vocant, cortex», doch stimme ich Warburg bei, daß auch hier nicht Macis
gemeint ist. Es ist wahrscheinlich, daß die Myriüica von den Ureinwohnern der Bandainseln
gar nicht beachtet wurde (Crawfurd). Den Indem war die Muskatnuß kaum viel früher wie
den Europäern bekannt. Doch findet sie sich schon in SusRUTAS als dschati (= jadi) erwähnt
(weitere Nachweise bei Martids). Jedenfalls kam Muskatnuß erst durch die Araber nach Europa.
Die erste, aber unsichere Erwähnung finden wir in einem Räuchermittel, Siiffumigium moschatum,
das Aetius (VI. Jahrh., vgl. I, S. 591) mitteilt. Dasselbe besteht aus Nelken, Nardus, Castus,
Calmus, Santel und A'iiccs indicae\ letztere können, wie Caesalpini und Flückiger meinte,
an dieser Stelle Muskatnuß bedeuten. Deutlicher erwähnt sie im VII. Jahrh. das syrische Com-
pendium von Ahhoun (Aron, bei Serapion zitiert): Jeusbaue est nux muscata et aifertur a
India. Ausführlicher, auch über die Heilkraft, spricht sich dann ISH.\c BEN Amr.\n (I, S. 598)
aus (Stelle aus Serapion zitiert bei Wareurg), der von der Macis bemerkt: Est cortex nucis
muscatae und sie schon gut von der harten Samenschale und dem Samenkern unterscheidet.
Muskatnuß steht im Kitäb aä sagar (vor 980).
Im X Jahrh. erwähnt die Muskatnuß auch Kurdadbah (I, S. 616) unter den Ausfuhr-
artikeln Indiens. Weiter nach Osten verlegt Masudi (I, S. 616) die Heimat und Edrisi (I,
S. 617) nennt die Inseln des Meeres Senf (= Sandji, d. h. Sunda, Warburg). Später finden
wir sie dann bei Rh.vzes (I, S. 597), Mesue (I, S. 599), AlgaFaQi (I, S. 608), der Macer und
Macis gut auseinander hält, Avicenna (I, S. 602), Serapion (I, S. 604) und vielen anderen. Doch
blieb die Pflanze noch lange unbekannt und noch Ibn Batota hält im XIII. Jahrh. die Muskat-
nuß für die Frucht des Nelkenbaumes und Macis für die Blüte des Muskatbaumes, und J.VCOBUS
Semen Myristicae, Macis und Oleum myristicae. 68?
ViTRiACUS (f 1244) und Thomas Cantipratensis wiederholten das, was Platearius sagte: Le
macis est le fleur ou l'ecorce de la noix muscade.
In der europäischen Literatur erwähnt dieMuskatnuß zuerst Simon Seth (I, S. 593) als xagvov
aQiufiaiixöv und Constantinus Africanus (I, S. 633) gedenkt sowohl der mix m-iiscata wie der
Macis. "Wir finden sie bei der Hildegard (I, S. 667), die sich ausführlich über die medizinische
Verwendung äußert, bei Albertus Magnus (I, S. 675) im Grabaddin, im Antidotarium Nicolai,
bei Matthaeüs silvaticus, Simon Januensis, im Circa instans (I, S. 635), in der Alphita (I,
S. 654), bei Harpkstreng im XIIl. Jahrh. (I, S. 684) und in zahlreichen Taxen und Listen (I,
S. 810 u. f.). Nicolai erwähnt ein Oleum moschelintim (muscalinum), wozu Muskatnüsse (^iniices
indicae-i — hier vielleicht aber Behennüsse?) gebraucht wurden.
Wir sehen, daß genuesische Kaufleute 1158 10 Ffund miciim muscataruni aus Alexandrien
auf Lager halten (FlCckiger), finden die nois mouscades 1180 im Tarif der Zollstätte Accon (I,
S. 699) und 1228 unter den in Marseille zu verzollenden Waren (FlÜckiger), sowie 1191 unter
den bei der Krönung Kaiser Heinrichs benutzten Räucherraitteln (I, S. 715), beim Festspiele von
Treviso 1214, wo eine von Damen verteidigte Burg unter anderem mit Muskatnüssen beschossen
wurde, in der Kölner Verordnung 1259 (I, S. ;i2), in der Liste des bischöflichen Haushaltes
1303 — 1310 und vielfach anderwärts (Näheres bei Warburg). Sie waren im XHI. Jahrh. schon
nicht mehr unerschwinglich teuer, Anfang des XIV. Jahrh. wurden sie in Konstantinopel pfundweise
(Pegolotti) und 1380 in Brügge (wie die Macis = machos) schon ballenweise gehandelt. Immerhin
wurden Muskatnüsse doch in Rezepten (z. B. im Antidotarium Nicolai) nicht dem Gewicht,
sondern nach Stück verordnet und silberbeschlagene Muskatnüsse finden sich oft neben anderen
Kostbarkeiten (noch 1519 in Zürich, Keller), im Louvre auch aus Muskatnüssen hergestellte
zierliche Gefäße aus dem XIV. Jahrh. In Stettin erhielt noch 1617 bei der Taufe jeder Gevatter
»Neun Muscatennuß in Papier eingewUkhlet».
Die richtige Erkenntnis, was Macis ist, die schon Amran hatte, bricht sich aber erst im
Xin. Jahrh. in der Alphita Bahn: < Macis non est flos nucis moscatae ut quidam credunt, sed
adhaeret ipsi nuci moscatae circum quamque ut potest videri in avellanis». Ähnlich äußert sich
wenig später Simon Januensis. Noch Albertus Magnus, ja sogar noch Conti (1419) hatten sie
für die Blüte gehalten.
Marco Polo erwähnt die Muskatnüsse, ebenso der Reisende Masudi (916 — 920) von
den östlichen indischen Inseln. Der erste Bericht aber über den Muskatnußbaum von einem,
der ihn in seiner Heimat, als welche Barthema schon Bandam nennt, gesehen, stammt von
dem Portugiesen Düarte Barbosa (1516), in dessen berühmter Preisliste Muskatnuß und Macis
figurieren (vgl. I, S. 741). — Erstere 1 farazuola zu 10 — 12 fanoes, letztere zu 25 — 30 fanoes — .
(Vor der Entdeckung des Seeweges nach Ostindien kostete I Pfund Nüsse 4 sh 6 d, i Pfund
Macis 9 sh (Crawfurt) — etwa so viel wie eine Kuh!). 1623 war in London der Preis für ein
Pfund Muskatnüsse 3 Shilling, für Macis s'/j — 8'/.2 Shilling (FlijCKIGErI. Pigafetta (1,8.742),
der, im Dienste Spaniens auf Magalhaes Expedition die Maluccen betrat, beschreibt die Frucht
nach eigener Anschauung vortrefflich.
Nachdem zuerst die Spanier, dann die Portugiesen (seit 1529) die Bandainseln besessen
hatten, eroberten die Holländer die Inseln und errichteten (1602) die vereinigte holländische
Kompagnie. Von 1608 an waren sie im alleinigen Besitz der Inseln, teilten das Land in einzelne
Perks (1623), verjagten oder rotteten zunächst die Bevölkerung auf den Bandainseln (c. loooo
Eingeborene), dann (seit 1633) auch die Muskatnußbäume auf allen anderen Inseln des Archipels
(Run, Rosengain, Seroua, Nila, Dammer, Kelang, Ceram, Gorom, Matabello, Tewer, Kouwer,
Roma, Kisser usw., s. d. Karte auf S. 667) — etwa 60000 (L.\UTS) — aus, führten Sklaven als
Arbeitskräfte der Perkeniere ein, und bestraften die unbefugte Anpflanzung außerhalb der eigent-
lichen Bandainseln, sowie den Schmuggel mit Nüssen auf das härteste. Die Hongitogten (Hongi-
züge, Hongifahrten) waren Kontrollfahrten der Kriegsschiff^e (vgl. I, S. 918), die durch Kommissa-
rissen extirpateurs (ein hübscher Titel!) am Lande unterstützt wurden. Diese Hongitogten dauerten
bis in die Mitte des XVIII. Jahrh. und wurden erst 1824 definitiv aufgehoben. Als Perkeniere
wurden hauptsächlich ältere holländische Soldaten oder Beamte eingesetzt. Zur Verhinderung der
Überproduktion und Preisdrückung wurde die Ernte oft jahrelang gespeichert oder ganze Schififs-
ladungen ins Meer versenkt oder große Vorräte verbrannt (1760 in Amsterdam, — pour huit
millions argent de France! (BomaRE) — 1773 in Batavia c. 250000 Pfund.) Die Kompagnie,
die das Gewürzmonopol etwa 200 Jahre besaß, zahlte von 1605 — 1700 zwischen 15 und 75%
(jSS Myristinsäuregnippe.
Dividende. Dann ging es mit ihr bergab und 1798 trat der Staat die Erbschaft der total ver-
schuldeten Kompagnie an, die sich 1808 auflöste. Von 1796 — 1S02 und 1810 — 1816 besaßen
die Engländer die Bandainseln, von 1816 an gehören sie wieder den Holländern, die den Ge-
v-Qrzhandel zunächst als Regierungsmonopol betrieben (noch bis 1862 wurden die Muskatbäume
auf den Nebeninseln ausgerottet!). 1864 erlosch auch dies. Seitdem Freikultur eingeführt ist,
sind die Bandainseln in wirtschaftlichem Aufschwung. In China war die Muskatnuß kaum vor
dem VIII. Jahrh. bekannt (Bketschneidkr).
Im XVI. Jahrh. ging die Muskatnuß nach Lissabon, zur Zeit der niederländisch-indi-
schen Kompagnie nach Holland. Dort wurden die Nüsse zu von der Kompagnie festgesetzten
Monopolpreisen verkauft. Von 1600 — 1700 wurden im Jahre durchschnittlich bis 666747 Pfund
Nüsse und bis 183270 Pfund Macis auf den Bandainseln produziert, von 1700 — 1777 zwischen
400- und 700000 Pfund Nüsse und 90 — 176000 Pfund Macis, 1860 wurde die Million Pfund
überschritten CWarburg).
Zuerst eine indische Kostbarkeit zu Geschenken an Vornehme, als Riechmittel, zu Räuche-
rungen und Salben benutzt, dann (im XIV. Jahrh. und schon früher in Vorderindien, Martius)
wertvolles Gewürz, das aber, das zeigen uns die «Kochbücher», immer breiteren Schichten zu-
gänglich wird — die Muskatnußreibe steht heute auf jeder holländischen Tafel — wird die
Muskatnuß im XVI. und XVn. und besonders im XVIII. Jahrh. ein wichtiges Heilmittel, dem
J. H. DiETZ 1681 eine Dissertatio unter dem Titel Moschocaryologia und Ch. F. Paullini 1704
gar eine umfangreiche, 900 Seiten starke lateinische Moa-/_oxaQvoyQaip'La widmete (I, S. 926),
in welchem kritiklosen Sammelsurium die Muskatnuß bei 138 (!) Krankheiten empfohlen wird.
In nicht weniger als 86 Rezepten in des CoRDUS Dispensatorium (I, S. 795) findet sich Muskat-
nuß oder Macis, und noch SCHRÖDERS wertvolle Pharmacopoea med. chym. (I, S. 890) enthält
folgende Präparate; Conditae nucistae, Condita macis. Aqua nucistae, Olenm micistae sttllattim,
Ol. nucistae expressum, Sal commzitie nucistae, Ol. macis slillatum, Ol. macis e.xpressum, Extr.
olei niicist. express., Balsamus lifacis, Bahamus micistae. Ende des XVIII. Jahrh. verblaßte ihr
Ruhm, doch nennt noch Murrays Apparatus medicaminum (I, S. 952) eine ganze Reihe von
Krankheiten. Ein Conditum nucum moscatarum sive indicarum findet sich in der Frankfurter
Reformatio 1718 (I, S. 831).
Olij van muscatenn und oley van muscatenblomen sowie muschatenblomenconfect steht
schon in der Lübecker Verordnung von Gewürtz und Apothekerwaaren um 1530, ja wir dürfen
sogar schon in dem uüle de musterlin des Inventar Lefort 1439 (I, S. 811) Ol. myristicae sehen.
Über die Bereitung der Muskatbutter aus den erwärmten und zerriebenen Samen mittelst einer
Presse berichtet schon Acosta 1578 (I, S. 738) und auch LiNSCHOTEN (I, S. 743) erwähnt, daß
in Banda aus Nüssen und Macis Ol bereitet werde, und Clusujs sah Ol. nucistae 1581 bei dem
Apotheker Morgan in London in 1:3:3 Zoll großen Platten. Ol. tmcistae und Oleum macidis
finden sich dann in der Taxe von Worms (I, S. 817) und Tabernaemontanus (I, S. 847) gibt
bereits 1613 drei Methoden an, Ol. nucistae selbst herzustellen. Es kam im XVII. und XVTII.
Jahrh. in guter Qualität aber auch aus Banda. Doch klagt bereits Pomet (1,5.941), daß es viel
gefälscht werde. Rumphius (I, S. 899) und Valentijn beschreiben die Herstellung der Muskat-
butter (das oly slaan = Ülschlagen) auf den Moluccen, die auch noch im XVIII. und XIX.
Jahrh. dort geübt wurde (Bomare, Thiwberg). In der Mitte des XIX. Jahrh. unterschied man
meist englische (aus Penang) und holländische (aus Banda) Muskatbutter.
Das destillierte Muskatnuß- und Macisöl war bereits den Verfassern der Destillierbücher
des XVI.. Jahrh. (CoRDUS, Ryff, Porta, Wikther, vgl. I, S. 875) bekannt. Sie finden sich in
der Taxe von Berlin 1574, von Frankfurt und Worms 1582 und im Dispensator. Noricum 1589
(Gildemeister -Hoffmann). Aus Muskatnüssen destilliertes Öl erwähnt Tabernaemont.\nus
und Gesner. Es wurde noch in der ersten Hälfte des XIX. Jahrh. in Banda destilliert, neuer-
dings in Singapore und Benkulen, aber nur gelegentlich. Das Macisöl erwähnt DodonaEDS (im
Cniydeboek 1563), Acosta (I, S. 738). Rumphius und auch Valentini kannten außer dem
destillierten auch ein rotes durch Auspressen aus der frischen Macis bereitetes und es scheint
auch dem Destillat Macispulver zugesetzt worden zu sein, um ein gefärbtes Ol zu erhalten.
Die ersten chemischen Untersuchungen der Öle rühren her von: Valentini, Macis vulgo
sed perperam Muskatenblume dicta. Diss. Gießen 1719. Neumann, Chymia medica 1749. Bo-
NASTRE, Trommsd. N. Journ. d. Pharm. 2 (1824) 231.
Semen Myristicae, Macis und Oleum rayristicae.
689
Garcia beschrieb zuerst die Frucht. Die erste richtige Beschreibung der Pflanze gab
aber Clusius 1605 nach in Salzwasser eingelegten Fruchtzweigen (die Abbildung taugt aber
nichts). Ausführlicher behandeln die Pflanze Rumpf (I, S. 899) und Valentini, dem wir ein
gutes Habitusbild verdanken. Auch in Nie. SCHULTZE, Dissertaüo de nuce moschata 1709 findet
sich eine recht gute Abbildung, und gut ist auch der botanische Teil in C. M. Valentinis
Dissertatio de macide 1719 (s. oben). Noch Amatus Lusitanus (1533), Scaliger 11566),
LONICER (1609) warfen Macis und Macer durcheinander.
Lit. Martius, Z. Literaturgesch. d. Muskatnuß und Muskatblüte. Sitzungsb. d. Jlünch.
Akad. 1860, 154 (Buchn. Rep. 9 [1860] 529). — Warburg, Wer ist der Entdecker d. Gewürz-
inseln (Moluccen). Verh. Ges. Erdkunde 1896. — Warburg, Die Muskatnuß 1897 (hier eine
ausführliche historische Darstellung). — Heyd, Levantehandel. — FlOckiGER, Pharmakognosie.
— Flückiger-Hanbury, Pharmacographia. — Pereira, Elements. — Über die Muskatbutter
im XVII. Jahrh. : Fragmenta ex relatione jurata Abrahami Boudenii et Goerickii Hauptii Com-
missariorum desuper Arboribus Nucum Moschatarum earumque Viridario in Banda de Dato
20. Dez. 1682. De Padbrugge exhibita in Valentini Histor. simplic. reform. i7i6(Ref. in War-
EURG, Muskatnuß). — C. M. Valentini, Dissertatio de macide 1716. — Thunberg, Dissert. de
myristica. Upsala 1788. — Crawfurd, Dict. of the Indian Islands. — Leber, Appriciation de
la fortune privie au moyen äge 1847. — Rogers, History of the agriculture and prices in
England 1866.
Andere nutzbare Muskatarten.
Myristica argentea Warbürg, Neu Guinea oder Papua Muskat, Lange not, Noot-
moschat van Nieuw Guinea, Papua noten, Mannetjes noten van Nieuw Guinea, Pferdemuskat. Ein
im westlichen Neu-Guinea heimischer Baum von mittlerer Größe, mit breiter pyramidaler Krone
und Stelzenwurzeln, bis 25 cm langen, elliptisch länglichen Blättern, deren Unterseite auf der
Unterseite silberglänzend sind, weshalb AVarburg, der sie auffand, die
Art als argentea bezeichnet.
Die großen kahlen, eiförmig-elliptischen, an beiden Enden abgerun-
deten Früchte werden bis 8,5 cm lang. Der rote, nur in wenige breite Lappen
geteilte, sehr aromatische Arillus wird beim Trocknen dunkel schmutzig-
rotgelb, gelbbraun, rot- oder graubraun. Der schlanke Same (Fig. 215) ist
3'/2 — 4 cm lang, gestreckt oval-elliptisch. Seine Schale zeigt seichte Arillus-
abdrücke. Ihr fehlt die Querfaserschicht (s. bei Myrist, fragr.). Das Endo-
sperm ist stärkereich, die weitmaschigen, mehr zerstreuten und gröberen
Ruminationsfalten stark aromatisch (Abbild, bei Warburg, t. 2). Die
zuerst von Valentin: erwähnte, von Pereira richtig beschriebene und ab-
gebildete Papuanuß, die in West-Neu-Guinea noch heute die Rolle des
Geldes spielt, kommt regelmäßig, besonders aus der Landschaft Onin am
Mc. Cluers Golf, in den Handel, meist unter dem Namen lange Muskat-
nuß, Long-Papua oder wild nutmeg. Sie bildet den wichtigsten Exportartikel
Neu-Guineas und wird stets in der Schale exportiert. Bisweilen unterscheidet
man Macassar- und Papuanüsse als verschiedene Sorten (nur die erstgenannten Same von Myristica ar-
gelten als gut), doch besteht kein Unterschied (Busse). Der Export (beson- ■?'""''"' ""' '^^"' "^""""
,..,,, _. , T N , T- , , - T , bedeckt. pSTach Busse.)
aers über Macassar, Singapore und Java) betrug Ende des vorigen Jahr-
hunderts c. 430000 kg mit Schale (= 250000 kg ohne Schale (Warburg). Ihr Preis beträgt
kaum die Hälfte der echten Muskatnüsse, ihr Umsatz etwa '/jj bis '/,„. Das Aroma ist der
echten ähnlich, aber weniger fein, der Samenkern, da bröckelig, schlecht zu verreiben.
Die Zusammensetzung der Papuamuskatnüsse ist im Durchschnitt in "/„ Wasser 9,92,
Stickstoff'substanz 6,95, äther. Öl 4,7, Ätherextrakt 35,4", Stärke 29,25, stickstofffreie Extrakt-
Stoffe 8,93, Rohfaser 2,07, Asche 2,74, Alkoholextrakt 16,78 (König). Der Fettgehalt ist etwa
derselbe wie bei der echten (31,6 — 39,3% Busse), nach anderen 52 bis 547o- J^as Fett ist
heller als bei Banda -Muskat. Das ätherische Öl ist minderwertig (Schimmel & Co.). Da sie
nicht gekalkt werden, sind sie sehr dem Insektenfraß ausgesetzt.
Der Arillus, unter dem irreführenden Namen Foelieschillen, Macisschalen oder
Tschirch , Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 44
5qo Myristinsäuregrappe.
Macassarmacis im Handel — Waage schlug vor, sie Papua-Macis zu nennen — enthält
sehr viel «Fett» (52— 54°;o Busse), 8,75% «Stärke» und c. 3,5°/ü äther. Öl, das aber ebenfalls
minderwertig ist (ScHiMiffiL & Co.). Die Asche beträgt 1,89 — 2,51 %> ätherlösliches Harz 0,36
bis i.og'/o, alkohollösliches Harz 1,74 — 2,09 "/o (Busse). Das Fett der «Macisschalen» zeigt
Schmelzpunkt: 28,5 — 29, Verseifungszalil: 148,2 — 148,8, Jodzahl: 71,3 — "3,4, Reichert-Meißlzahl:
1,6 — 1,7, Refraktonieteranzeige bei 40°: 80 — 82 (Späth).
Das Gewebe des Arillus enthält nur wenige Ölzellen. Die Epidermiszellen sind unregel-
mäßig, nicht radial gestreckt, die Amylodextrinstärkekörner sind ähnlich wie bei Bandamacis,
sie werden von bisweilen krist. Fett begleitet (Vogl). Die Reaktionen mit Ammoniak und Kali
sind undeutlich. (Anatomie der Samen und Arillen bei Hallström.) Meist werden die Nüsse
mit dem Arillus exportiert und dieser erst in Macassar oder Banda abgetrennt (Warburg).
Der Arillus der Myr. argnitea riecht sassafrasähnlich (Waage). Die Macis ist im Handel meist
nur in Bruchstücken zu finden. 1888 wurden schon 10445 ''S «Macisschalen» in Holland zum
Verkauf gebracht. 1894 kamen 13 160 kg Papuamacis in den Handel. Die Samen wurden früher
fälschlich von M. fatua abgeleitet.
Myristica fatua Houtt., unechte Muskat, mal. Pala laki-laki [^= männliche Muskat), in
Banda : bala fuker (_^= Berg Muskat), mannetjes Noten (= männliche Muskatnuß, da angeblich
die Zeugungskraft mehrend) (Piso, Rumph). Ein dicht belaubter, diözischer, in Banda und Ambon
heimischer Baum mit schmaler, nicht pyramidenförmiger Krone, aus der Stammbasis hervor-
tretenden Adventivwurzeln (Abbild, in Warburg, Monogr. t. XI), großen, bis 33 cm langen,
auf der Unterseite infolge eines Haarüberzuges glanzlosen Blättern und großen, bis 7 cm langen,
dicht rostrot behaarten, breitelliptischen Früchten.
Der fast von der Basis an zerschlitzte Arillus hat ein wenig angenehmes, beim Trocknen
schwindendes Aroma. Die bräunlichen Samen sind 3,5 — 4 cm lang und 2,5 — 3 cm breit und
umschließen einen trockenen, fast gar nicht aromatischen Samenkern (Warburg, t. HI,
Fig. 10 u. 11). Wird jetzt kaum noch gesammelt, aber in Südostasien medizinisch benutzt,
doch sind Intoxikationen beobachtet (Rumph). Die erste Beschreibung und Abbildung findet
sich in Lobelius, Plantar, stirp. bist. 1576, ausführlicher bespricht sie Clusius, Piso und Vogels
(Zehenjähr. Ost-Indian. Reisebeschr. 1704), sowie Rumph. Näheres bei Warburg. Die Anatomie
der Samenschale und des Arillus bei HallströM.
Myristica speciosa Warb. Batjan Muskat., in den Bergwäldern auf Batjan (s. d.
Karte S. 667). Besitzt eiförmige Früchte, einen sehr aromatischen Arillus und eiförmige, c. 3,5 cm
lange Samen, deren Kern sowohl in Form wie Aroma, wie auch dem Verlauf der Rumina-
tionsfahen dem der echten Muskatnuß sehr ähnlich ist. Er enthält 34,3 "/o eines bei 63° schmel-
zenden Fettes (Greshoff). Die Samen dieser Art sind den echten Muskatnüssen gleich-
wertig. Die Pflanze wird aber bisher nirgends kultiviert.
Myristica succedanea Bl., Halmaheira Muskat. Die der M. fragrans sehr nahe-
stehende, in Halmaheira (s. d. Karte S. 667) einheimische Art besitzt rundlich-eiförmige Früchte,
deren Samen in Form, Geruch und Geschmack den Sem. myrist. ähneln.
Myristica Schefferi Warb., Oninmuskat in West-Neuguinea hat gewürzige Samen.
Die Arillen von M. succedanea, JSI. speciosa und M. Schefferi sollen auch verwertbar sein (Wasburg).
Viele Arten, z. B. viele afrikanische und alle amerikanischen, besitzen kein Aroma.
Andere gewürzige Arten in Warburg (Die Muskatnuß).
Nicht gewürzig ist:
Myristica malabarica Lam., Malabarmuskat, wohl des Clusius Ntix myristica mas.
Bei Rheede (Hort, malab.), der sie zuerst beschreibt: panam palka, noz de raoluco falso, Nux
myristica sputia (auch Makhzan el Adwiya erwähnt sie). Kleiner, eleganter, in Vorderindien
(Westküste der Dekkanhalbinsel, Concan, Canara, Nord-Malabar) heimischer Baum mit rostroten
Früchten, deren schlanke, zylindrische, bis 4,5 cm lange Samen (in Bombay: kaiphal) dicht von
dem bis 6,5 cm langen Arillus bedeckt sind. Der Samenkern besitzt etwa die Größe und Form
einer Dattel. Die schmalen Lappen des Arillus sind an der Spitze knäuelig zusammengedreht.
(Fig. 216).
Die dunkelbraunrole bis purpurrote, nicht aromatische Macis dieser Pflanze erschien
1880 unter dem Namen Bombaymacis (in Bombay: rampairi) im Handel und ich habe dieselbe
1881 zuerst auch anatomisch beschrieben und abgebildet und namentlich auf die Unterschiede
gegenüber der Bandamacis aufmerksam gemacht. Sie bestehen darin, daß dieser Macis meist
Seinen Myristicae, Macis und Oleum myristicae.
691
innen eine dünne zerknitterte Haut (Epidermis der Testa) anliegt, daß die relativ großlumigen
Epidermiszellen im Querschnitt meist radial gestreckt sind (Fig. 217) und Hypoderm meist fehlti
die ein braunes, die inneren ein gelbes Sekret führenden, bis
120 mik großen ÖlzeUen sehr viel zahlreicher und vorwiegend in den
Randschichten auftreten, auch oft zu größeren Räumen verschmelzen, die
Mitte des Arillus dagegen ölzellenfrei ist. Flückiger wies in der Be-
sprechung meiner Mitteilung im Bot. Jahresber. 188 1, 11,692 ganz richtig
darauf hin, daß diese Macis nach Dymock von Myr. malabarica abstamme,
deren Früchte Dymock (in der Mat. med. "West. India 1883) beschrieb,
welche Ableitung dann von Warbxjrg bestätigt wurde. Ich habe später
mit HallsteÖm (Indische Fragmente 2, 1895) Samen und Arillen dieser und
anderer Arten näher studiert und wir haben im Ammoniak, der Kalilauge
(deren sich bereits Hanausek, Frühling und Schulz bediente), dem
Baryumnitrat und dem Kalibichromat (das bereits Waage benutzte) zur
Unterscheidung vorzüglich brauchbare Reagentien gefunden (weniger Blei-
essig, den Hefelmann empfahl, HCl und H^SO^, die Warburg benutzte,
und die Filtrierpapierprobe des alkoholischen Auszuges, deren sich Früh-
ling und Schulz bedienten). Die genannten Reagentien geben starke Fär-
bungen bzw. stark gefärbte Losungen mit Bombaymacis, keine oder ge-
ringe mit Bandamacis und sind auch mikrohislochemisch brauchbar. Busse
hat dann auch Baryt wasser als unterscheidendes Reagens benutzt (s. oben ii<,rüi' l b i
S. 684 unter Verfälschungen). Die Grundparenchymzellen enthalten auch Arillus (Bombay - Macis).
bei dieser Macis Araylodextrinstärkekörner, bei denen aber hier die rund- [Nach Busse.]
liehen Formen prävalieren.
Fig. 216.
Bombaymacis enthält 29,59 — 34,2 Fett, 27,64 — 37,56 % ätherlösliches Harz, 2
alkohollösliches Harz und 1,23 — 1,29 "/(, Asche (Busse).
Nach Arnst und Hart in Prozenten: Wasser 7,04, Pro-
tein 5,24, Fett 56,75, äther. Öl 0,25, in Zucker überführ-
bare Stoffe 29,19, Holzfaser 8,17, Asche 1,36. Nach Früh-
ling und Schulz 5,8% Wasser, 39,2% Fett und 1,42 "/(,
Asche. Der Farbstoff (C^gHagO,?) soll aus einem krist.
Chromogen (CjgH^^Oj?) hervorgehen (Held). Äther extra-
hiert auch 30,5 7„ Harz, der die Farbstoffreaktionen gibt
(Soltsien). Der Ätherextrakt beträgt 56,7 (Arnst und ■''''
Hart) bzw. 61,9—67,1 »/„ (Busse). Die alkalische Lö-
sung des Sekretes gibt im Spektralapparat ein
breites Absorptionsband im Grün und Blau, das
den alkalischen Auszügen der Bandamacis fehlt
(Tschirch). Dies ist das beste Unterscheidungs- gfb-
mittel (s. auch oben S. 684). Das Fett zeigt eine ganz
von dem der Bandamacis abweichende Beschaffenheit.
Schmelzpunkt: 31 — 31,5, Verseifungszahl: 189,4 — 191, 4, Jod-
zahl 50,4 — 53,5, Reichert-Meißlzahl 1—1,1, Refraktometer-
anzeige bei 40» 48—49 (Späth). Im Fett fand Hilger
Stearin-, Palmitin- und Ölsäure, sowie Phytosterin. Bom-
baymacis enthält auch Dextrose (Held) und angeblich ver- .
einzelte Stärkekörner (.') (Waage). Bombaymacis wird in
Indien als Tonicum und bei Erbrechen benutzt, auch als
Gewürz (Dymock). Im Amsterdamer Handel heißt die Bom-
baymacis meist wilde Foelie oder Sorteering A und B.
Auch die fetthaltigen Samen (in Indien: jangli-jai-
phal) kommen in den Handel. Sie werden in Indien medi-
zinisch benutzt, ebenso ihr Öl (Poondy oil). Hooper fand
in den Samenkernen (und der Macis) von M. malabarica
in Prozenten: Wasser 6,9 (4,07), Fett und Harz 40,76
(63,26), Eiweißsubstanzen 6,5 (7,31), Kohlehydrate 42,18
;8-3,52 "/o
Fig. 217.
Myrisfica malabarica. Querschnitt durch
den AriUus {Bombay-Macis).
[Nach Tschirch-Oesterle, Atlas.]
44*
(^Q2 Myristinsäuregi uppe. /
^20,ti), Käser 2,33 (3,06'i, Asche 1,33 (1,5). Die Samen enthalten 29,6— 34,2 »;„ Fett (Schmelzp.
31—31,5. Yerseifnngszahl 189,4 t)is 191,4, Jodzahl 50,4 — 53,5), das frei ist von Myristinsäure.
Fettliefernd sind folgende Myristicaceen:
Myn'stica ianarica Bedd. (candlenut tree) pindi, pundee-kai in Indien. Hooper fand(i907l
in den Samen (und der Macis) in Prozenten: AVasser 7,25 (5,15), Fett 49,4 (54,6), Proteinsub-
slanzen 7,3H6,I2), Kohlehydrate 14,65 (28,48), Faser 20,14 (3,4\ Asche 1,25 (2,25). — ifyristica
an^o/fnsis WEhW. enthält im Samenkern über 70 % Fett. — Horsfieldia Irya (GÄRTN.) Warb., von
Ceylon bis zu den Moluccen, liefert das Naharanfett, Früchte 18 mm Durchmesser. — //. Iryag-
hedi i^GÄRTN.) Warb., von Ceylon, in Java viel kultiviert, tjampaka silan (= Michelia tjampaca
von Ceylon), Früchte 3 cm lang. Das Fett dient zur Kerzenfabrikation. Die Samen sind ein Er-
satz der Betelnüsse (Anatomie bei TsCHIrCH-Hallström). — Gymacranthera canarica (KiNG) Warb.
von Südindien, Samen 16 mm, liefern das Mangalorefett. — Pycnanthus Kombo <(&ki\x^ Warb.,
von AVestafrika, von Sierra Leone bis Angola. Die 72 "/„ Fett enthaltenden Samen brennen
■wie Kerzen.
Virola suriitamensis (ROL.) Warb, von Süd- und Mittelamerika, vom Amazonas und
Guiana bis Martinique. Die 15 mm großen runden Samen (Ölnüsse, oil nuts, Ucuhubanüsse) sind
Handelsartikel. Sie enthalten 73 "/j Fett, das reich an Myristin ist und als Ölnußfett im Handel
ist. Die Samen enthalten prächtig ausgebildete Aleuronkristalloide (Tschirch). Bau der Samen-
schale bei Tschirch -Hallström. Das einen Ausfuhrartikel von Para bildende, von War-
burg zu dieser Pflanze gezogene Urukuba-, Ucuhuba-, Ucuaba-, Bicuiba-, Bicuhyba-
oder Ocubafett, Ocuba wachs, der Virolatalg, wird aber von Mikosch (in Wiesners
RohstoiTen) zu Myristica oßicinalis (Marx.) Warb, und der wohl damit identischen (.') Virola
Biaihyba (Schott) AVaRB. — der bekanntesten südamerikanischen Myristicacee — gestellt, von
denen die zweite jedenfalls ein Samenfett aus Brasilien in den Handel liefert (die Samen sind
nicht Handelsartikel). Es ist reich an Myristinsäure (Reimer und Will) und riecht cacaoähnlich.
Schmelzpunkt 42,5—43° (Nördlinger). (Die Anatomie bei Tschirch-Hallström, die Keimungs-
geschichte bei Fritz Müller.) — Virola sebifera Aubl., Talgmuskatnußbaum mit 8 mm großen
Samen (mit 40 — 50 "/„ Fett). Warburg glaubt, daß sich die Angaben Aublets (in Plant, de la
Guayane) über Fettgewinnung aus dieser Art auf V. stirinamensis beziehen. Jedenfalls ist das
sog. Virolafett dem oben erwähnten sehr ähnlich. — Auch die peruanischen Virola peruviana (A.
D. CI AVarb. und V. venosa Benth. sowie die V. giiatcmalensis (Hemsl.) AV.\rb. (Anatomie bei
Tschirch-Hallström) liefern Fett, ebenso Dialyanthera Otoba (H. u. B.) Warb., die Moscada
la S^ F^, das sog. Otobafett, die amerikanische Muskatbutter, die neben Myristin und Olein,
Otobit (CjjHjgOj) enthält (Uricoechea). — Die Samen des Cujo, Virola venczuelensis Warb.
enthalten 47,5 % Fett, das hauptsächlich aus Trimyristin besteht (Thoms und Mannich). Über
fettliefernde Myristicaarten vgl. auch Wijs, Veiten, Olien en AVassen Beschreijv. Catal. Kolo-
niaal Museum Haarlem 1906.
Lit. Warburg, Über die nutzbaren Muskatnüsse. Ber. pharm. Ges. 1892, 211. — Jos.
MoELLER, Über Muskatnüsse. Pharm. Centralh. 1880. — Tschirch und Hallström, Vergleich,
anatom. Stud. über d. Samen d. Myristicac. u. ihre Arillen (Myr. fatua, malabarica, argentea,
corticosa, cahyba, Bicuiba, subalulata, Teysmanni, glabra, Virola surinamens., guatemalens., sebi-
fera. Horsfieldia Iryaghedhi, macrosoma, glabra, Knema intermedia, glauca). Arch. Pharm. 1895.
— Greshoff, Teijsmannia 1890, 380. — Tschirch-Oksterle, Anatom. Atlas. — Waage
(Papuamacis). Ber. d. pharm. Ges. 1891, 140. Pharm. Centralh. 1(^93, 131. — AVarburg (Papua-
nuß), Engl. bot. Jahrb. XIII, 311. — Busse a. a. 0. — Winton, Ogden und MiCHELL(Papuam.).
Connect. Agric. Exper. Stat. 1898 u. 1899. — Vorderman, Pala lelaki. Teysmannia 1894.
— Pharmacogr. indic. — Watt, Dict. econom. prod. — Myristica gibbosa u. Kingii. Agri-
cultural Ledger 1900, Nr. 5.
Bombaymacis: Tschirch, Pharm. Zeit. 1881, 556. — Frühling und Schulz, Chem.
Zeit. 1886, Nr. 34. — T. F. H.\nausek, Jahresber. d. AVien. Handelsakad. 1887 (Jahresb. d.
Pharm. 1887, 109) u. Zeitschr. f. Nahrmunt. 1890, 77; 1894, Nr. I. — Hefelmann, Pharm.
Zeit. 1891, 122. — AVaage, Ber. d. pharm. Ges. 1892, 229 u. 1893, 164. Pharm. Centralh. 1892,
372. — Tschirch und Hallström, Arch. Pharm. 1895 (mit 3 Taf.). — Hilger (und Held),
Z. chem. Charakt. d. Bombaymacis. Forschungsber. i (1894) 136. — Held, Z. chem. Charakt. d.
Samenmant. d. Myristicaart. , spez. d. sog. Bombaymacis. Diss. Erlangen 1893. — Soltsien,
Semen Myristicae, Macis und Oleum myristicae. 693
Pharm. Zeit. 1893, 467. — Arnst und Hart, Zeitschr. angew. Chem. 1893, 136. — Busse
a. a. O. — Dymock, Veg. mat. med. West. India 1883. — Sp.Kth, Forschungsber. 1895, 148.
— Muter u. Hackmann, Pharm. Journ. 29 (1909) 132. — Vogl, Nahrungsm. (dort mikrochem.
Reaktionen). — Hooper, The fats of indian nutmegs (Myr. canarica, malabarica, Eicuhyba,
officinalis, surinamensis etc.). Agricult. Ledger 1907.
Bicuiba: Brandes, Ann. Pharm. 7 (1833) 52. — Tschirch (Ucuhuba). Arch. Pharm.
1887, 619. — Lewy, Ann. chim. phys. (3) 13 (1845) 449- — Peckolt, Zeitschr. Öster. Apoth.
Ver. 1865, 484. Arch. Pharm. 107 (1861) und 108. — Reimer u. Will, Ber. d. chem. Ges. 8,
(1885), 2011. — Valenta, Zeitschr. ang. Chem. 1889, 3. — NÖRDLINGEr, Ber. d. chem. Ges.
1885, 2617. — Stutzer, Pharm. Centralh. 1S87. — Uricoechea (Otobafett), Lieb. Ann. 91
(1854) 369. — Thoms u. Mannich, Gewinnung von Myristinsäure aus d. Sam. v. Virola vene-
zuelens. Ber. d. pharm. Ges. 1901, 263. — Fritz Müller (Keimung), Ber. d. bot. Ges.
1887, 468.
Als Surrogate der Muskatnuß, die aber kaum als solche bezeichnet werden können,
führt Warbukg folgende auf und bildet sie a. a. O. ab:
Calebassen-Muskatnuß von der Anonacee Monodora ü^-r/i^ica DunaL. in Westafrika
(«Afrikanische Macisbohnen»). Die Samen enthalten ein äther. Öl, in dem sich 1-Limonen, My-
risticol, Pinen und Dipenten findet (Thoms, Bestandt. d. Samen von Monodora Myristica aus
Kamerun, Arb. d. pharm. Inst. Berlin I, 1903'!.
Chilenische Muskatnuß von der Monimiacee Laurelia sempervirens (R. et P.) Tul.
in Chile.
Pflaumen-Muskatnuß von der Monimiacee Atherospcrma tnoschatiim Labill., in
Australien.
Madagassische Muskatnuß von der Lauracee Ravensara aromatica Sonn, («nuces
caryophyllatae», «clove nuts» «noix girofle»). Vgl. Schär, Notizen über Nuces caryophyllatae.
Arch. Pharm. 223, 787.
Brasilianische Muskatnuß von der Lauracee Cryptocarya moschata M-\RT. («noz
muscada do Brasil»).
Guyana Muskatnuß von Acrodiclüihim Catnara R. Schomb. in Brit. Guyana («Wilde
Muskat» «Camara- oder Ackawai-Nuß»).
Californische Muskatnuß von der Conifere Torreya californica TORR. («Californian
nutmeg») von der Sierra Nevada (und T. taxifolia). Vgl. ToRREY, Pharm. Journ. 14 (1854)83,
Möller, Pharm. Centralh. 1880.
Macisbohnen, große, von AcrodicUdhim Puchuri viajor (Mart.) Mez. vom Amazonas
(«Pichurimnuß»).
Macisbohnen, kleine, von Aniba Puchury OTv'wor (Mart.) Mez. vom oberen Amazonas.
2. Laurinsäuregruppe.
Die Vertreter dieser Gruppe enthalten neben Myristinsäure auch Laurinsäure,
also Fettsäuren mit niedrigem Molekulargewicht. Sie geben daher eine hohe Ver-
seifungszahl, und da sie nur wenig ungesättigte Fettsäuren enthalten, eine niedrige Jod-
zahl. Die Laurinsäure findet sich in den Lorbeerfrüchten, in den Früchten von Cylico-
daphne sehifera (Gorkom) und von Mangifera gabonensis (Oudemans), im Cocosfett
(GöRGEY, Oudemans), im Walrat, den Pichurimbohnen (Sthamer), im Wachs der
Beeren von Myrica cerifera (Moore), im Fruchtfett von Litsaea sebtfera, im Crotonöl
(Schlippe, S. 582), in dem von Coccus a.xin stammenden Axinfett (Hoppe-Sevler)
und (in beträchtlicher Menge) im Fett des Fieberbusches [Lindem Benzoin). Nach
Partheil und Ferie ist sie in Fetten weiter verbreitet als bisher angenommen wurde.
Sie fanden sie z. B. in beträchtlicher Menge in der Butter und dem Schweinefett.
Sie kann aus den beiden zuerst genannten Materialien oder aus Tangkallafett, das
95, 96 "lo Trilaurin enthält, dargestellt werden (Krafft).
OQ I Laurinsäuregnippe.
Fructus Lauri und Oleum Lauri.
Syn. Baccae Lauri, Lorbeeren, — baccae y.ar iSflyJjV sind baccae lauri —
die Pflanze: Lorbeer Lore, — Laurier commun. (franz.) —7 bay tree, sweet bay,
true laurel, laurel tree roman laurel (engl.) — alloro, lauro (ital.) — laurel (span.)
— loireiro (port.) — laurierboom (die Fmchte: bakke-laarboontjes, oder kurz bakke-
laar) (holl.) — lagerbärsträd (schw.) — lawrowoe derewo (russ.) — däcpvfj oder
ßaiTjä (gr.).
Bei Homer, Hesiod, Theophkast und Dioskurides: Säipvrj, bei Plinius, Scribonius
Largus u. and.: laurus (die Alten bezeichneten mit laurus mehrere Pflanzen, auch z. B. Rus-
cusarten). — Bei den späteren Griechen: KOXXoSatfvov, ßäxcci;, öavvtj. — Bei AviCENNA; granum
ademest. — Bei Abu Hanifa: eldehmast (pers.), elrand (syr.). — Bei Ibn Baithar: gär, elgär,
rand. — Im Capitulare Carls (I, S. 620): lauros. — Bei Albertus Magnus (I, S. 674) und der
Hildegard : laurus. — Im Gothaer Arzneibuch: lorbere, loerbere, lorebere. — In Circa instans:
laurus. — In der Alphita: laurus i. e. dampnis. — Auch bei Serapion, Bartholomaeus usw.
(I, S. 646) dampnis oder damphius, dampnilion (oleum laurinum), damniechoticae (dampnothecae,
dampnocoti = bacca lauri). — Im Inventar Lefort (I, S. 805): bois (= baies) de lorier und
uille de lorin (de bois de lorier). — In der Frankfurter Liste (I, S. 812): baccarum lauri. —
Das in der Bibel vorkommende Wort ezrach (Psalm. 37, 35) bedeutet vielleicht Lorbeer. So
wird es wenigstens vielfach übersetzt (Tristram). Ob kelil auf Laurus geht (I, S. 489), ist zweifel-
haft. — RoYLE hält das Malabatrum der Alten für Fol. Lauri (?).
Etym. Laurus fraglich ob von luo, lavo {= waschen); deutete dann auf den Charakter
des Baumes als reinigender Sühnebaum, wahrscheinlicher von dem kleinasiatischen dva^lia oder
von kelt. blawr oder lauer (== grün) — äa(pvrj (wenn nicht aus einer kleinasiatischen Sprache)
vielleicht von 6e) kann als eine gesättigte Säure (S. 546)
nach dem Verfahren von Partheil und Ferie über das Lithium- und Bleisalz
von den ungesättigten Säuren getrennt werden. Das Unverseifbare («Harz» der
früheren Autoren) besteht nach Matthes und Sander aus Myricylalkohol (Melis-
sylalkohol CggHgjO), dem festen Kohlenwasserstoff Lau ran (CjoH^^, mit Br3'onan
verwandt), Phytosterin (F = 132 — iSS**) und einem ungesättigten Öle mit
der Jodzahl 191,95, das noch nicht rein erhalten werden konnte. Aus der Jodzahl
des Ol. lauri kann also nicht, wie dies Lewkowitsch tut, auf einen beträchtlichen
Gehalt an Ölsäure geschlossen werden. Sie wird durch dies Öl, das einen sehr
charakteristischen aromatischen Geruch besitzt, erklärt. In siedendem Alkohol
löst sich Lorbeeröl so gut wie vollständig. Beim Erkalten scheidet sich Trilaurin ab
(Flückiger, Lewkowitsch). Läßt man das Filtrat verdunsten und nimmt das Fett
weg, so scheidet sich bisweilen das Laurin (Bonastre, nach Delffs = C.jHg^Og
Lorbeerkampfer?) ab, das zu i "Jq im Fett enthalten sein soll und wohl ein unreines
Gemisch der von Matthes erhaltenen Körper darstellt. Marsson und Staub konnten
den Körper nicht erhalten.
Das dem fetten Öle beigemengte ätherische Öl, das als «äther. Lorbeeröl aus
Früchten» im Handel ist (Schimmel, Hansel), enthält viel (50 "1^) Cineol (wohl
der Laurineenkampfer der früheren Autoren) neben l-Pinen (Wallach) («Lauren» ist
ein Gemenge beider). Die Nelkensäure (Gladstone) fand Blas nicht. Eugenol
(Gladstone) konnte Flückiger nicht darin finden, ist aber wohl darin. Bei der
Destillation des Lorbeeröls mengt sich dem ätherischen Öle Laurinsäure bei (Blas,
vgl. S. 546). Ob das äther. Öl des Ol. laiirin. mit dem der Blätter ganz identisch ist,
ist noch fraglich. Das Öl der Beeren ist etwas dickflüssiger und riecht weniger fein
als das der Blätter (Schimmel & Co.). In diesem letzteren wurde gefunden: Cineol
(Wallach, 5o''/oThoms und Molle), l-Pinen (Wallach), Eugenol (frei [1,7 "/o]
und verestert [0,4 "|o]), Geraniol (Thoms), Sesquiterpen, Sesciuiterpenalkohol,
^qS Laurinsämegruppe.
vielleicht auch Phellandren (Hansel), Buttersäure, Essigsäure, Valeriansäure und
Capronsäure, die Säuren frei, die drei letzteren auch als Ester.
Das Ol. laurin. gibt im Spektralapparat die charakteristischen Chlorophyllbänder
(Tschirch). Daß das Chlorophyll meist in ein Metallsalz (Zink- oder Kupfer-
phyllocyanat Tschirch) übergeführt ist, zeigt die Tatsache, daß eine Lösung des
Lorbeeröls in Alkohol durch Salzsäure nicht verändert wird (reines Chlorophyll wird
durch Salzsäure gelb, Tschirch). Auch Ammoniak verändert die grüne Farbe nicht.
Das indische Lorbeeröl (Indian Laurel oil) stammt von Latcrus itidica (welcher?). Das
dickflüssige Ol enthält 33°,,, freier Fettsäuren, hat ein spez. Gew. 0,926, und erstarrt auch bei
— 15° noch nicht. Verseifungszahl 170, Jodzahl 118,6 (DE Negri und Fabris, Chem. Zeit 189b
Rep. 161).
Lit. BONASTRE. Baies de laurier et de leur mat. crist. Journ. pharm. (2) 10 (1824), 30
u. IJ ^1825) 3. — Brandes, Arch. Pharm. 72 (1840) 160. — Möller in Flückigek, Pharma-
kogn. — GrOSOURDI, Journ. chim. med. 1851, 562.
Fettes Öl: Delffs, Lieb. Ann. 88 (1853), 354. — Bolley, Ebenda 106, 229. — Mars-
sox, Ebenda 41 (1842), 329. — Sthamer, Ebenda 53 (1848) 393. — Görgey, Ebenda 66, 303.
— Blas, Ebenda 134 (18651 — Schlippe, Lieb. Anh. 105 114. — Heintz, Poggend. Ann. 92,
429 u. 93, 519. — OuDEJtANNS, Journ. pr. Ch. 81, 356. — Lewkowitsch a. a. O. — Bene-
dikt-Ulzer a. a. O. — Sch.Idler a. a. O. — Staub, Bestandt. d. Lorbeeröls. Diss. Erlangen
1879. — Matthes und Sander, Lorbeerfett, insbes. über d. unverseifb. Anth. Arch. Pharm.
1908, 165. — Krafft, Ber. d. chem. Ges. 13, 1415. — de Negri und Fabris, Zeitschr. Anal.
Cham. 1894, 547. — SCHÄDLER, Zeitschr. Anal. Chem. 1894, 569. — Schiff (Laurostearin),
Ber. d. chem. Ges. 1874, 781. — Partheil und Ferie, Arch. Pharm. 1903, 552. — Römer,
Diss. Halle 1882.
Äther. Öl: Wallach, Lieb. Ann. 252 (1889) 95. — Gladstone, Journ. chem. soc.
1864, 2, I (Jahresber. d. Chem. 1863, 547). — Flückiger, Pharmakogn. — Blas, Lieb. Ann.
134 (1865) I. — Brühl, Ber. d. chem. Ges. 1888, 157. — F. Müller, Ebenda 1892, 547. —
Barb.\GLIA, Att. soc. toscan. scienz. nat. 1889 (Pharm. Journ. 1889,824). — Gildemeister-Hoff-
MANN, Äther. Öle S. 524. — Staub a. a. O. — Thoms und Molle (Äth. Öl der Blätterl. Arch.
Ph. 1904, 161; auch Arb. d. pharm. Inst. Berlin I, 1903 und Molle, Diss. Basel 1903. —
Schimmels Ber. 1897, 1899, 1909. — Hansels Ber.
Darstellung des Ol. lauri: MÄnigault und Soubeiran, Journ. pharm. 1835, 510 und SoD-
BEIRAN, Nouv. trait. d. ph. — Duhamel, Traiti d. arbres etc. I, 351. — Pereira, Elements.
Prüfung. Wenn man l Teil Lorbeeröl mit 2 Teilen Alkohol (90 »/„) auf dem Dampfbade
erwärmt, so darf die hierbei entstehende Abscheidung bei der mikroskopischen Prüfung keine
Kristalle (Beschwerungsmittel) und auch keine Gewebsreste der Lorbeerfrucht oder andere Ele-
mente zeigen. Sind fremde Farbstoffe zum Auffärben benutzt worden, so bewirkt Salzsäure oder
Ammoniak einen Farbenumschlag in dem alkoholischen Auszuge des Öls. Es sind (durch Er-
wärmen mit Lorbeerfrüchten oder -iblättern) parfümierte und (mit Curcuma, Indigo, Anilinfarben,
Chlorophyllauszügen) gefärbte Surrogate aus Talg, Öl und Schweinefett im Handel beobachtet (das
«Chlorophyll» des Handels enthält meist Kupferphyllocyanat TsCHiKCH). Derartige Falsifikate
wurden schon im XVII. Jahrh. beobachtet (Pomet). Fremde Farbstoffe (z. B. Curcuma, Indigo)
sind meist in Benzol nicht löslich. Curcuma wird durch Ammoniak braun, Teerfarben (oft) durch
Salzsäure gelb. Schweinefett kann mit der Cholesterinacetatprobe nachgewiesen werden (Bömer,
Zeitschr. Nähr. u. Gen. 1901, 1091).
Lit. Utz, Pharm. Praxis 2 (1903), 354. — MoRPUKGO, Riv. chim. farm. (Bull. sc. pharm.
1905, 255). — Helfenberger Ann. 1900, 902. 1904.
Anwendung. Lorbeerfett, beim Volke noch sehr beliebt, ist ein Bestandteil
sog. Nervensalben (Ungt. rosmar. cps. und Ungt. nervinum) und dient zu Einreibungen
bei Rheumatismus, auch gegen Krätze und in der Tierheilkunde («Alte lorie»). Die
Hiengfongessenz ist ein kampferhaltiger parfümierter Auszug aus Lorbeerblättern und
Früchten. Die SxURZENEGGERSche Bruchsalze enthält Ol. laurin. Das rohe Fett
scheint im Norden bei Samojeden und Lappen als Genußmittel beliebt zu sein
Fructus Laiiri vind Oleum Lauri. 699
(Flückiger). 1907 wurden in Plymouth vom Volke die Früchte als Abortivum be-
nutzt (HoL.MES, Pharm, journ. 1910). Lorbeeröl gilt als gutes Insektenschutzmittel
(Bremsenöl). Die Früchte wie die Blätter dienen als Gewürz. Der Geruch des Lor-
beer gilt als den Verwesungsgeruch vertreibend. Lorbeerblätter dienen in Süditalien
als Packmaterial für Succus Liquiriiiae und Feigen (Ravasini).
Geschichte. Lorbeergewächse sind in Mitteleuropa schon im Tertiär nachzuweisen. Laurtis
nobilis ist im Travertin bei Rom und Florenz, in quaternären Tuffen (mit der Feige) in Frank-
reich gefunden worden. Während also der Baum in Südeuropa heimisch ist und von hier nach
Osten vordrang, ist der eigenartige Kultus des Lorbeers von Kleinasien über Thrakien nach
Europa gelangt. Der Lorbeer, die 6d(prr] der Griechen (so schon bei Homer), wurde schon
frühzeitig ein Götterbaura. Daphne, die liebliche Tochter des Flußgottes, von Apoll verfolgt,
flehte um Verwandlung in einen Baum, und wurde in einen Lorbeer verwandelt — mit seinen
Blättern bekränzte Apoll sich dann die Schläfe. Apollo Katharsios erwählte ihn sich «als
Zeichen der von ihm ausgehenden Reinigungen» (Hehn). Er ist der Baum der Sühne. Er findet
sich bei allen apollinischen Heiligtümern, dem Apollo zu Ehren wurden die Daphnechorien
(Sonnenfestel in Theben gefeiert, um den Dreifuß der Pythia schlangen sich Lorbeerzweige;
es war der prophetische Baum {/xavxixöv (pvzov). Der Lorbeerkranz schmückte den Seher und
Sänger; das Lorbeerreis diente zur Abwehr von Unheil und Krankheit; das Kauen seiner Blätter
verlieh prophetische Gaben, das Besprengen mit ihm reinigt (Lustratio), es schützt vor Blitz-
gefahr. Der Lorbeer ist das Symbol des Sieges, des Friedens, des Ruhms, der Tugend, der
Jungfräulichkeit, der Wahrheit.
Theophrast behandelt den Lorbeer eingehend, auch seine Kultur, und Hippocrates
bediente sich der Früchte, der Blätter und des Öls. Auch in Italien war der Lorbeer, Laurus,
immer Tempel- und Gartenbaum. Er findet sich denn auch jetzt noch gewöhnlich nicht in
den Macchien und war ein heiliger Baum. Plinius sagt: cadeoque in profanis usibus pollui
laurum et oleam fas non est.» Mit ihm schmückten die Römer nicht nur Apollo und Bacchus,
sondern auch die Liberias, Salus, Aesculap und Hercules und er spielte auch bei dem
Feste des Mercur eine Rolle, war doch Daphnis ein Sohn des Hermes. Mit Laurus wurden
die Sieger in Delphi und die Triumphatoren in Rom (wie noch heute wahres und vermeint-
hches Verdienst) gekrönt, wie schon Plinius (XV, 391 berichtet, welcher vielerlei von ihm
erzählt und meint, daß er beim Brennen durch lautes Knistern einen Abscheu vor dem Feuer
andeute. Sein Laub wird, was dem Blatte keines anderen Baumes geschieht (als Laureä), be-
sonders vom Baum unterschieden. Er findet sich auf einem Wandbilde in Pompeji. Plinius
berichtet auch (XV, 7), daß das Lorbeeröl entweder durch Pressen aus den Früchten oder aus
den Blättern und Fruchtschalen mit dem Öl der unreifen Olive bereitet werde und daß man
ihm bisweilen Styrax und andere wohlriechende Stoffe zusetze. Dioskurides (I, 49) läßt äarpvt-
).aiov — ebenso wie Palladius das oleum ex lauri taccis — durch Auskochen überreifer Früchte
mit Wasser und Abschöpfen des Öls bereiten oder aus Olivenöl mit Lorbeerblättern oder Früchten.
Er rühmt seine anregende AVirkung und weiß, daß es brechenerregend ist. Das Oleum laiirinum.
steht neben Lauri bacae bei Scribonius Largus (I, S. 578), das Sä
der Frucht schwindendes Grundgewebe sind zahlreiche, von derben Bastbelegen bescheidete
Gefäßbündel eingebettet, die als Coiir oder Cocosfaser Verwendung finden. Die Bastfasern der
Coirbündel werden von Skiereiden und Kiesel-Stegmata begleitet. Das steinharte, 0,3 bis I ein-
dicke, aus braunen, stark verdickten Skiereiden bestehende Endocarp zeigt drei große Keim-
löcher (K Fig. 2ly). Mit ihm verwachsen ist die dünne braune Samenschale und das an diese sich-
anschließende 0,7 — 2 cm dicke weiße, derbfleischige Endo sperm, das aus der Steinschale her-
ausgelöst und von der Samenschale bedeckt unter dem Namen Copra in den Handel kommt
Fig. 218.
Cocos nucifera mit Früchten beladen.
[Koloniaal-Museum Haarlem.]
LaurinsSuregruppe.
und das Cocosöl liefert. Innerhalb desselben findet sich eine trübe Flüssigkeit, die Cocosmilch ,
die wohl auch zum Endosperm zu rechnen ist, jedenfalls bei der Keimung aufgebraucht wird.
Die unreife Frucht ist ganz mit dieser Flüssigkeit erfüllt. Aus ihr setzt sich erst allmählich
das feste Endosperm am Rande ab. In den reifen Früchten des Handels ist das milchige
Endosperm meist eingetrocknet und der Same besteht daher vornehmlich aus dem hohlkugeligen
äußeren Endosperm, das als dicke Schale den zentralen leeren Hohlraum umschließt (Fig. 219).
Das äußere Endosperm
ist von einer mehrreihigen, aus
mit braunem Inhalt versehenen
Zellen bestehenden, von Gefäß-
bündeln durchzogenen Saraen-
haut bedeckt, die allmählich
über dünnwandige Sklerei'den
hin, die der Copra des Handels
oft noch außen anhängen, in die
f''^ innere Sklere'idenschicht desEn-
docarps übergeht. Das Endo-
sperm besteht vorwiegend aus
stark radialgestreckten, dünn-
und glattwandigen Zellen, deren
Wand mit Jodschwefelsäure blau
wird und dabei Spiralstreifung
hervortreten läßt. Die Zellen
enthalten Fetttröpfchen und
-massen, zierliche Büschel von
Fettkristallen und große Aleu-
ronkörner mit sehr zahlreichen
Cocos.nucifera, Frucht geüffnet. Epi derbes Epicarp, Mes faseriges Mesocarp ^^^^ kleinen Globoidenund eini-
(Coiri, End hartes Endocarp, T braune Samenschale, Alb weißes Endosperm
(Copra). DiedieHühlungertuUendeCocosmilchistausgeflossen.lNachWinton.J S^n Wohlausgeblldeten Kristal-
loiden. Der Fettinhalt erfüllt
die Zellen nahezu ganz. Große rundliche Tüpfel werden meist erst bei Behandlung mit Kali
sichtbar. Der innerste Teil des Endosperms besteht aus mehr rundlichen, dickwandigeren, die an
das Lumen grenzende Partie aus obliterierten Zellen. Der Keimling ist klein und liegt in
das Endosperm eingebettet unter dem mit einem Deckel verschlossenen Keimloch des nicht
fehlgeschlagenen Faches. Das Mesocarp beträgt 30 — 57,3%, die Steinschale 11,6 — 19,6%, das
Endosperm 18,5 — 37,8%, die Cocosmilch (bei unreifen Früchten) 12 — 13 "/'o (Bachofen).
Die Cocospalme trägt das ganze Jahr über Blüten und Früchte. Sie liebt die Meeres-
nähe, ist daher auf allen südasiatischen Inseln reichlich zu finden. Bei vielen kleineren, z. B.
den Koralleninseln, bildet sie das wichtigste Glied der Vegetation. Bei den größeren, wie Java
und Ceylon, bevorzugt sie unbedingt die Küsten, ohne jedoch im Inneren ganz zu fehlen. Die
am Küstenrande wachsenden sah ich oft schräg gegen das Wasser geneigt. Die Anbaugrenze
liegt etwa 150 km von der Küste. Sie braucht nicht zu geringe Luftfeuchtigkeit und ziemlich hohe
gleichmäßige Temperatur (Mittel: 22 °C.). Sie liebt brakigen Boden, Wind und Sonne. In Ceylon
traf ich Cocos noch im Hochland des Inneren und in Java in den Preangerregentschaften, z. B.
bei Bandoeng. Die Keimung erfolgt in der Weise, daß der Cotyledon, als Saugorgan fungierend,
in die die Cocosmilch enthaltende Höhlung hineinwächst, diese schließlich ganz ausfüllend, und
die Plumula und Radicula den Deckel des Keimloches beiseite schieben. Die ersten Blüten er-
scheinen im vierten Jahre, etwa im 15. — 20. Jahre erreicht der Baum seinen höchsten Ertrag,
der dann bis ins 60., ja IOC. Jahr (meist etwa 50—80 Jahre lang) erhalten bleiben kann. Ein
Baum kann bis 200 Früchte jährlich hervorbringen. Der Durchschnittsjahresertrag eines Baumes
sind 60 Früchte (SeMLEr, 50 — 70 Tschirch), der Durchschnittsmonatsertrag in Java 5 — 10
(TSCHIBCH). Man erntet nur Vollreife Früchte.
Das von Cocospalmen bestandene Areal schätzt Ferguson 1910 auf 1582000ha. Die
meisten finden sich auf Ceylon (307 500 ha), das eine wahre Cocosinsel ist und mehr als 50 Hill.
Cocos enthält, — ich sah dort Cocoswälder von 10 Meilen Länge, Polgahawela ist nach der
Cocos benannt — ferner Südamerika (202000 ha). Dann folgt Britisch Indien (Madras, Malabar,
H
r- !S)
3
a,
o
u
/3
_J
Fructus Cocos, Copra und Oleum Cocos. "rOß
Coromandel), die Sundainseln (Java : 210000 ha), die Philippinen (170000 ha), Neu Guinea, Samoa,
die Fidschi- und die pacifischen Inseln, Zentralamerika, Westindien, Columbien (Carthagena),
Siam, Indochina, Ostafrilsa, Madagaskar, Sansibar und Mauritius, Westafrika (Togo). Von fran-
zösischen Kolonien kommen in Betracht: Senegal, Martinique, Reunion, Tahiti, franz. Guyana,
franz. Indien und Neucaledonien. Die Cocospalme stellt keine großen Anforderungen an den
Boden. Sie ist «nützlich, anmutig und bescheiden» (TsCHiRCH, Ind. Heil- u. Nutzpfl.).
Lit. Martius, Hist. nat. palmar. III, 123, t. 62, 75, 88. — Miquel, Flor. Ned. Ind. —
Drude in Flora Brasiliens, und Engl.-Prantl, Pflanzeufam. — Semler, Trop. Agrikultur. —
Ferguson, Ceylon Handbook und Coconut planters manual. Colombo. — Sadebeck, Die
Kulturgewächse d. deutschen Kolonien 189g. — TsCHiRCH, Ind. Heil- u. Nutzpflanzen (dort
die Kultur beschrieben). — Van Gorkom, Oostiud. Cultures. — Bijdragen tot de kennis
van den kocospalm in Bull. 41 des Kolon. Museum Haarlem 1909 mit Beitrag, v. V.VN OlJEN,
Tabel, Wono Tani, Welborn und Bakker (mit Abbild). — H. Zaepkrnick, D. Kultur d.
Kokospalme, Tropenpflanzer, Beihefte Nr. 6, igri. — Watt, Dict. econom. prod. of India
(^Kultur in Ostindien). — H. MaRSHAll, Contribut. to a natural and econoraical history of the
Coconut tree. Mem. AVernerian nat. hist. Soc. — The Coconut Palm. Bureau of Science of
the Philippines Government. — Cook, History of Coconut Palm in America. 14 pl. Washington
1910. — CoPELAND, On the water relations of the Coconut Palm. — Walker, The Coconut
and its relation to the production of oil Manila 1906. — Prudhomme, Le cocotier. Cult.
industr. et commerce dans les principaux pays de product. Coprah, huile, fibre de Coco et
dÄrives divers, mit 80 phot. Paris 1906. — P. Hubert, Le cocotier 1906. — Preuss, Die
Cocospalme u. ihre Kultur, ig 11 (ra. zahlr. Abbild.).
Abbild. Ältere bei Rheede, Hort, malab. t. I — 4 und RuMPHius, Herb. Amb. — Berg-
Schmidt, Atlas 2. Aufl. t. 143 (dort weitere Lit.). — KÖHLERS Medizinalpfl. — S.\debeck
a. a. C, Fig. 15 — 19. — TschirCH a. a. O., t. 94. — Bull. 41 des Kon. Mus. Haarlem. Auch
auf zahlreichen Titelblättern (Tropenpflanzer, Häckels Reisebriefe) findet sich Cocos. — Karte
über die Verbreitung der Cocospalme in Scobel, Handelsatlas.
Anatomie: Winton, Anat. of the fruit of Coc. nuc. Amer. Joum. sc. 12 (igoi), 538.
Am. Journ. pharm, igoi, 523. — MoELLER, Rohst, d. Tischler- u. Drechslergew. 1884. — • MOELLER-
WlNTON, Mikroskopie, Fig. 510— 51g (dort weit. Lit.). — Pfitzer (Keimung), Ber. d. Botan.
Ges. 1885, 32. — WiTTMACK, Die Keimung der Cocosnuß. Ber. d. Bot. Ges. 1896, 145. —
Collin-Perrot, Residus industr., Fig. 4 u. 5.
Pathologie. Es liegen verschiedene Angaben vor über Pilze, welche bei Erkrankungen
der Stämme von Cocos nucifera beobachtet wurden (Pestalozzia Palmarum, Pythium palmivoriini,
Thielaviopsis ethaceticus) und dadurch auch indirekt den Fruchtertrag beeinträchtigen mögen
(Ed. Fischer). Die tierischen Schädlinge der Cocospalme in Watt, Diction., bei Welborn (in
Bull. 41 d. Kolon. Mus. Haarlem), Zäpernick (a. a. O.) und Volkens (Über eine Schildlaus-
krankheit d. Cocospalmen in Togo u. auf d. Karolineninsel Yap. Notizbl. d. k. bot. G. Berl.
Nr. 25 [1901]). — ScHWARTZ, Bekämpf, der Cocospalmen-Schildlaus (Aspiodotus destructor)
Tropenpfl. igog, 114, sowie bei Prudhomme a. a. O. In Samoa ist Cocos frei von Krankheiten
(Preuss). Ratten, fliegende Füchse, Wildschweine, Kakadus und Ameisen, sowie eine große
Wespe, ein Käfer (Promccotheca), ein Nashornkäfer sind ihre größten Feinde. Besonders finde
ich genannt die Käfer: Oryctes , Xylotriipes, Pimelotus, Scapanes , Oryctoderes , RJiyncho-
phorus. Gegen zweifüßige Diebe sah ich in Ceylon, wo die Cocosgärten Nachts bewacht werden,
eine ingeniöse Einrichtung. Die Stämme trugen auf halber Höhe ein trockenes Cocosblatt,
dessen Mittelrippe von unten nach oben verlief und dessen Fiedern zu je 3 — 4 zusammenge-
nommen um den Stamm gelegt waren, wodurch eine mehrere Meter lange Röhre entstand.
Sobald ein Dieb sie erreicht, weckt er durch das raschelnde Geräusch, das hierbei entsteht
und das in der stillen Tropennacht weithin vernehmbar ist, den Wächter.
Kultur und Erntebereitung. Die Kultur ist einfach. Doch braucht die Palme Pflege,
besonders Bewässerung. «Die Cocos tragen nicht, wenn du nicht zu ihnen gehst und mit ihnen
sprichst», sagt der Singhalese. Düngung steigert den Ertrag von 40 — 50 auf 80 — 100 Flüchte
pro Baum. (Über die Düngungsversuche vgl. bes. Prudhomme a. a. O.). Die Aussaat erfolgt in
Keimbeeten in Salz und Asche enthaltenden, lockeren Boden, aus dem die Pflanzen nach 7 bis
9 Monaten an den definitiven Standort gebracht werden. In Java sah ich die Früchte zum Keimen
am First der Häuser oder an Bäumen aufgehängt, um sie gegen Bodenungeziefer zu schützen.
-04
Laurmsäuregruppe.
Ich traf die Cocospalme in Ceylon und Java in Kampong- und PlantagenkuUur, sog. Klapper-
tuins ^I, Taf. IV, vgl. auch I, S. 49), und die gleichen Formen der Beliandlung finden wir in
allen übrigen tropischen Gegenden der Erde. Oft trifft man Baumwolle, Yams, Bataten, Taro,
Bananen, Lemongras, Ricinus, Maranta, Erdnuß, Sesam, Mais, Sisalagave, Ananas als Zwischen-
pflanzen (Semler). Obwohl der Baum das ganze Jahr trägt, erntet man doch nur 4— 6 mal im
Jahr. Wie schon Garci.\ da Oeta (I, S. 735) berichtet, besteigen die Eingeborenen den Baum
entweder mit Steigriemen (I, Fig. 189) oder indem sie Stufen in den Baum einhauen und auf diesen
emporklettern (Fig. 220). In Java
binden sich die Eingeborenen auch
die Füße an den Gelenken zusam-
men und erzielen so eine greifende
Gabel. Auf den Sundainseln läßt
man bisweilen die Früchte von ab-
gerichteten Affen pflücken oder liest
die reif abfallenden «todtreifen»
Früchte vom Boden auf. Vor der
Verarbeitung trocknet man die
Früchte einen Monat. Ein Arbeiter
kann täglich 800 bis 1000 Früchte
aufbrechen und schälen. Das Bre-
chen der Steinschale erfolgt mit
der Axt, mit Steinen oder Holz-
schlägeln, die C o p r a (coprah, cop-
perah) wird mit einem gebogenen
Messer herausgeholl(Taf. XX)und an
der Sonne in Einrichtungen, ähnlich
denen zur Trocknung der Chinarinde
(I.Fig. 107) oder in Trockenhäusern
(Taf. XXI) getrocknet. 1000 Nüsse
geben c. 250 kg Copra. Die Coprah-
darren dürfen nur mit Cocosschalen
geheizt werden, die ein rauchloses
Feuer geben, sonst erzielt man
keine weiße Copra. In Cochin wird
nur in der Sonne, in Ceylon nur
auf Darren getrocknet. Manschnei-
det hier mit einem schweren Messer
die Steinschale genau in zweiHälf-
Fig. 220. ^^^ '^°75 "io- Das gereinigte Cocosfett enthält keine freien Fettsäuren und steht bezüglich
seiner Haltbarkeit anderen Pflanzenfetten nicht nach (Herbert und Walker). Die
Abspaltung der freien Säuren und die Erscheinungen der Ranzidität treten schon in
der Copra vor dem Pressen infolge der Einwirkung von Pilzen (AspergiUus) und
Enzymen ein und ein so in der Copra schon zersetztes Öl imterliegt stärkerem
Ranzigwerden, als ursprünglich tmzersetztes, frisch und rasch gepreßtes.
Cocosfett zeigt eine von den anderen Fetten stark abweichende Zusammensetzung
(nur Palmkemöl hat eine ähnliche Zusammensetzung). Es enthält Trimyristin (beträcht-
liche Mengen, Ulzer), Trilaurin (relativ viel), Tripalmitin und Tristearin (i %)
und Triole'in, sowie die Glyceride der flüchtigen Fettsäuren: Capronsäure, Capryl-
säure und Caprinsäure, aber keine Buttersäure (Reijst) und kaum hydroxylierte
Säuren. Die Alkoholyse (Haller und Youssoufian) ergab als Hauptbestandteile
Laurin (früher Pichuritalgsäure genatmt) und Myristin, dann Palmitin, Stearin, Olein,
Capron-, Capryl- und Caprinsäure. Paulmayer gibt 1907 40 "/q Laurinsäure, 24''|q
Myristinsäure, lo.ö"/,, Palmitinsäure, 5,4 "/j Ölsäure, 1 9,5 "/q Caprinsäure, 0,5 "/q Capron-
und Caprylsäure an (keine Stearinsäure!). Die Palmitinsäure wird von Ulzer bestritten.
Die Cocinsäure (Brandes, Bromeis) ist ein Gemenge von Laurin- und Palmitinsäure,
auch die Cocosstearinsäure ist zu streichen. Die von Flückiger (1894) bestrittene Öl-
säure wurde bestimmt von Ulzer und Reijst nachgewiesen. Im gereinigten Cocosöl
(Palmin) fand Ulzer 2,3 2 "/q Glyceride flüchtiger Fettsäuren (Capron- und Capryl-
säure) und c. 10,45 "Iq Triolein, der Rest der Hauptmasse bestand aus Trilaurin und
Trimyristin- und etwas Caprinsäureglycerid. Die Menge der flüchtigen Fettsäuren be-
trägt c. 2''/o (Ulzer, Farnsteiner).
Cocosfett ist bei 60" schon in 2 Teilen Alkohol von go^/g löslich, besitzt also
eine verhältnismäßig große Löslichkeit in Alkohol. Das spez. Gew. ist ungewöhnlich
hoch, es beträgt bei 15,5°: 0,9259, bei 18": 0,9250, bei 35°: 0,9124, bei 100":
0,870 (0,863, bei Bengalöl: 0,9040), der Erstarrungspunkt liegt bei 14 — 25,5**
(meist 16 — 20,5"), der Schmelzpunkt bei 20 — 28" (meist zt, — 25**), die Versei-
fungszahl ist ungewöhnlich hoch: 250 — 268 (gewaschen: 246,2), die Jodzahl ist
45*
-qC^ Laiirinsäuregruppe.
sehr niedrig: 7,68 — 10 (meist 8 — 9), Hehnerzahl: 82,4 — 92,2, Reichertzahl: 3,5
bis 3,7, Reichert-Meißlzahl: 6,5 — 8,5. Acetylzahl: 9,5, Brechungsexponent
bei 40": 1,4497, bei 60": 1,441. Die freien Fettsäuren zeigen bei 98* ein spez.
Gew. 0.8354, Erstarrungspunkt 15,7 — 20", Schmelzpunkt 24 — 27", Neutralisationszahl
25Smg KOH, mittleres Molekulargewicht ig6 — 211, Jodzahl 8,3g bis 9,3, Jodzahl
der flüssigen Fettsäuren 31,9 — 36,3. Das Cocosnußolein zeigt bei 60" ein spez. Gew.
0,9293, die Verseifungszahl 265,35 (253,63), Jodzahl 14,8 (4), Reichert-Meißlzahl
7,95 (4,45). Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf Cocosnußstearin.
Das Verfahren von PoLENSKE zur Bestimmung des Cocosfettes in der Butter beruht auf
der Bestimmung der Reichert-Meißl-Zahl, auf der Bestimmung der »Neuen Butterzahl» (nBZ,
Polenskezahl), d. h. derjenigen Menge ungelöster flüchtiger Fettsäuren, die bei der Reichert-
Meißl-Zahl-Bestimmung in das Destillat mit übergehen und sich im Kühlrohr und in der Vor-
lage vorfinden sowie auf Feststellung des Aggregatzustandes desjenigen Anteils der ungelösten
flüssigen Fettsäuren bei 15 ", die sich während der Destillation auf der Oberfläche des Destillates
ansammeln.
Das Unverseifbare (c. 1,5 "/o) enthält zwei Phytosterine (das eine = CggHjgO-j
F 135 — 140" Matthes und Ackermann). Ein fettspaltendes Enzym fehlt dem Öl
(Walker). Dagegen findet sich im keimenden Samen eine Lipase, im Saugorgan
des Keimlings neben Lipase ein proteolytisches Enzym, Amylase, Katalase und eine
Peroxydase (de Kruyff). Das Fett enthält auch einen Farbstoff, der durch Knochen-
kohle oder Walkererde entfernt werden kann und ein Alkaloid (von van Itallie
bestritten), das den bitteren Geschmack bedingen soll. Der unangenehme Geruch der
rohen Cocosbutter rührt nach Haller und Lassieur von Methylnonylketon,
Methylheptylketon und Spuren eines optisch aktiven Ketons her, die auch im
Rautenöl vorkommen. Doch ist auch der Capron-, Caprin- und Caprylsäure kein an-
genehmer Geruch eigen. Unter dem Mikroskop zeigt Cocosfett ein Haufwerk langer
Nadeln. Cocosfett läßt sich mit verdünnten Laugen nur schwer verseifen, leicht, schon
in der Kälte, mit starken. Die Seifen sind nur mit großem Kochsalzüberschuß auszu-
salzen. Sie sind fest und hart.
Die C oprapreßkuchen enthalten in Prozenten: Wasser 6,72 — 13,84 (20), Stickstoff-
substanz 16,25 — 20,94 {30), Fett 7,52 — 22,6, stickstoflFfreie Substanz 28,9—46,7, Faser 9,73 bis
15,39, Asche 5,39 — 6,7 (9) (Gebek und in Collin-Perrot, Res. ind.).
Die Cocosmilch ist niemals milchig, sondern nur trübe. Besser ist daher die Bezeich-
nung Klapperwasser (mal. ajer kalapa). Das Gewicht der Milch der unreifen Frucht variiert
zwischen 230 und 383 g. Die der reifen wiegt nicht viel über loog (vAN Slykk). Die Cocos-
milch enthält in der unreifen Frucht bis 4,58 "/o Glukose, in der reifen 4 — 5, bisweilen sogar
9 — 13 °/o Saccharose (van Slyke) und Cocosit (H.Müller) — keine Lävulose (van Itallie) —
etwas Eiweiß (0,1 — 0,8 "/„l, Fett (bis 0,14 "/<>). ein Zucker bildendes Enzym, 0.xydase und Kata-
lase (de Kruyff) und Salze 0,6 "/o, das Extrakt beträgt 5,7 — 7,7 »/„ (Behre). Das spez. Gew.
der Cocosmilch beträgt 1,0442 (1,022 van Itallie).
Die Steinschale enthält in Prozenten: Wasser 7,36, Asche 0,54, Alkohole.\trakt 1,12,
Kohlehydrate (auf Stärke berechnet) 20,88, Rohfaser 56,19, StickstoflFo,i8, Gerbstoff 1,82 (WIL-
SON). In der Steinschale findet sich Xylan (Tromp de Haas u. Tollens). Ihre Asche ent-
hält 45 «/„ K,0.
Die Blüten enthalten einen Inosit (Cocosit H. Müller). Im Cocosgummi finden sich
70—90% Bassorin. Der Saft des Stammes enthält 3— 6 "/o Rohrzucker (Bourquelot).
Lit. Ältere Analysen von Pelouze et Boudet, Brandes (1838), Bromeis, St. Evre,
GÖRGEY. — VAN Itallie, Over Kokosnoten, Ned. Tijdschr. 1890. — H. Müller, Proc. Chem.
Sog. 1907, 219. — Bourquelot, Journ. pharm. 1904, 193. Compt. rend. 133, 690. — Bachofen
(Aschen analysen aller Teile der Frucht). Chem. Zeit. 1900, 16. — van Slyke, Amer. Chem.
Journ. 189:, 130. — Behre, Pharm. Centralh. 1906, 1045. — de Kruyff, Bull. Dep. Agr. Ind.
Fructus Cocos, Copra und Oleum Cocos. 700
neerl. 1907. — Osborne und Campbell, Journ. amer. ehem. Soc. 1896, 609. — Ritthausen,
Pflüg. Arch. 1880, 81. — Gebek (Preßkuchen), Landw. Versuchsstat. 1894, 427. — Wilson,
Connectic. Agric. exper. stat. in Am. journ. sc. 1901.
Öl: Lewkowitsch a.a.O. — Rivals, Les corps gras ind. 1908, 258. — Benedikt-Ulzer
a. a. O. (dort weitere Lit.). — Paulmayer, Savonnerie marseillaise 1907. — Crossley und Le
SuEUR, Journ. Soc. ehem. Ind. 1898, 991. — Ulzer, Chem. Rev. 1899, 11 und 203. — Farn-
steiner, Ebenda 1898, 196. — Flückiger, Zeitschr. anal. Chem. 1894, 571. — Reijst, Pharm.
Weakbl. 1906, 117 (Rec. trav. chim. Pays Bas 1906, 271). — Göreys, Lieb. Ann. 66 (1848) 315.
— Lahache, Rev. chim. pur. et appl. 1905, 309. — Haller und Youssoüfian, Compt. rend.
143 (1906) 803. — Herbert und Walker, Philipp, journ. of sc. 1906, 117. — Walker, Philip-
pine Journ. sc. 1908. — Fendler (Cocosspeisefette). Chem. Rev. 1906, 272. — Blumenfeld
und Seidel, Mitt. Technol. Gew. Mus. 1900, 60. — Bizio, Journ. pharm. 1833, 455. — Nal-
LINO, Ber. d. chem. Ges. 1872, 731. — Matthes u. Ackermann, Ber. chem. Ges. 1908, 2000. —
Haller und Lassieur, Compt. rend. 1910, I, 1013. — White and Braithwaite, Brit. and.
CoL Dr. 1897. — POLENSKE, Best. v. Cocosfett in d. Butter. Zeitschr. f. Nahrmunters. 1904,
273 (auch Arbeit, d. k. Gesundhamt. 20 [1904], 545). — Weitere Lit. bei Wehmer.
Prüfung. Zum Nachweis fremder Beimengungen benutzt Paulmayer die verschiedene
Löslichkeit der Fettsäuren in Essigsäure von 81,18 %. Bei sämtlichen übrigen Fettsäuren, mit
Ausnahme des Ricinusöls liegt die «kritische Lösliehkeitstemperatur» höher als 33°. MilliaU
benutzt die Phloroglucin-Resorein-Salpetersäurereaktion, bei der sich Cocosöl ebensowenig wie
Butter und Palmkernöl färbt. Wegen der Ähnlichkeit der Zusammensetzung ist Palmkernfett im
Cocosfett nicht sicher nachzuweisen, auch kaum nötig, da beide den gleichen Preis besitzen.
Lit. Paulmayer, Seifen-Zeit. 1906, 286 (auch in Benedikt-Ulzer). — Milliau, Compt.
rend. 140 (1905) 1702.
Da die der braunen Samenhaut anhaftenden Sklerei'den bei Cocos dünnwandig sind und
die Wände der Endospermzellen dünne glatte Wände besitzen, so ist eine Verfälschung des
Coprapreßkuchen mit Palmkempreßkuchen (s. d.) leicht zu erkennen.
Anwendung. Was die Olive für das Mittelmeergebiet bedeutet (vgl. S. 623), das bedeutet
die Cocospalme für die Tropen Asiens. Vernichtung der Cocos bedeutet Vernichtung der Exi-
stenz. «Wenn die Natur dem Bewohner der Tropen nur die Cocospalme geschenkt hätte, sie
hätte ihm alles gegeben, was er braucht: Holz, seine Hütte zu bauen, Blätter, sie regendicht
zu decken, Fasern für ein Gewebe, sich zu bedecken und für Stricke zum Binden, Gefäße, um
Wasser zu schöpfen, Zucker, Fett und Eiweiß für die Nahrung, Palmenkohl als Zuspeise, Essig
zur Würze, in den Blattstielen Brennmaterial, die Nahrung zu kochen, Palmwein als Getränk
und Öl zum Brennen, ja selbst in der Cocosmilch einen kühlen Trunk für die Zeit des Fiebers»
(TSCHIRCH, Ind. Heil- und Nutzpfl.). Die Cocosnuß enthält alle notwendigen Nährstoffe. Zwei
schiffbrüchige Matrosen haben 7 Jahre auf den Quairsinseln nur von ihnen gelebt. Sogar die
Spatha sah ich in Java einmal und zwar als Wiege benutzt und die Wurzel wird in Indien mit Betel
gekaut, Cocos ist die nützlichste aller Pf lanzen. M. C. Pereira stellte 83 aus dem Baume
hergestellter Artikel zusammen (abgedr. in Watt, Diction.) und der Inder sagt, sie ist «zu 99
Zwecken gut und den 100. wirst du auch noch finden». Frische weiße, sorgfältig geschälte Kerne
werden an Ort und Stelle zu Schnitzel geschnitten und getrocknet (dessicated copra). Sie gehen
als Mandelersatz nach Europa und bestehen nur aus dem Endosperm. Narikela kandha ist in
Indien ein Copra enthaltendes beliebtes Arzneimittel. Der Saft der unreifen Frucht soll ähnlich
wie Ricinusöl (WoODl, das geraspelte Endosperm anthelmintisch wirken. Cocosöl, besonders
das «Cocoolein», ist auch als Lebertranersatz empfohlen worden, ist aber nicht so leicht ver-
daulich Cocosöl eignet sich nicht für Linimente, aber gut zur Seifenfabrikation. Cocosseife gibt
auch mit Meerwasser Schaum. Cocosöl wird in den Tropen als Speise- und Lampenöl, sowie
zum Salben des Körpers benutzt. Die ersten Versuche, das stark riechende Cocosfett, das sich
zu Genußzwecken nicht zu eignen schien, als Speisefett bei der Margarinefabrikation nutzbar
zu machen, wurden 1880 von Jeserich und Meinert unternommen. Um dies zu ermöglichen, muß
des Fett mit Ätznatron entsäuert und dann durch Destillation mit Dampf desodoriert werden.
Diese gereinigten Cocosöle sind im Handel unter den Namen Palmin, Lactine, Vegetalin, Lau-
reol, Kunerol, Gloriol, Leda-Speisefett, Nuscin, Selecta, Nucifera, Parveol, Priol, Hodor, Fruchtin,
Cr6min, Sanin, Daphnin, Estol, Jennil, Palmarol, Nutrein, Pflanzenbutter usw. Cocosfett, bes.
y I O Laurinsäuregruppe.
das Cocosstearin (s. oben) und ein Cacaoline oder Schokoladenfett genanntes Produkt werden
zur Verfälschung der Cacaobutter benutzt.
Die Preßkuchen (poonac) sind eins der wertvollsten Futtermittel (Collin-Perrot). Ge-
mahlene Preßkuchen sind in Europa, gemahlene Steinschalcn in Amerika als Gewiirzfälschung
beobachtet (Moeller-Winton).
Die Cocosmilch. besonders die junger Früchte, schmeckt frisch ganz gut, süßlich-säuerlich
und erfrischend, nimmt aber, wenn sie längere Zeit in der reifen Frucht verweilt, bald den ekel-
haften Geruch nach ranzigem Cocosfett an. Die Eingeborenen schlagen die Frucht mit dem
Messer auf und trinken den Inhalt. Cocosmilch gilt als Bandwurmmittel. Nach Dutt wird in
Indien die Cocosmilch bei Nierenleiden, die Copra, der frische Saft und die Wurzel als Diure-
tikum, die Knospe als Erfrischungsmittel, das Öl als Haarwuchsmittel benutzt. Der gegorene Saft
liefert destilliert Alkohol. Die Asche der Schalen dient zur Seifenfabrikation; ihre Kohle wird
zu Tusche benutzt und dient, wie schon Garcia erwähnt, den Goldschmieden. Coirfaser wird zu
Schnüren, Schiffstauen, Bürsten und Türvorlegern verarbeitet Taue und Stricke aus Coir sah
schon Clusids in Lissabon im XVI. Jahrh. Das Holz alter Bäume (Stachelschweinholz) ist ein
wertvolles Bauholz. Ein wohlriechendes Sekret des Stammes ist in Tahiti als pia pia bekannt.
"Weitere Anwendungen bei Stolz, Trop. Nutz- u. Handelspfl. Geogr. Nachr. 1894, 81.
Vgl. auch Schröter, Die Palmen und ihre Bedeutung für die Tropenbewohner. Neujahrsbl.
d. Züricher Naturf. Ges. 1901.
Geschichte. Es spricht vieles dafür, daß Cocos micifera im tropischen Asien, wo sie viele
alte Namen hat, in zahlreichen Varietäten bekannt ist und seit Urzeiten zu unzähligen Zwecken
benutzt wird, ursprünglich heimisch war — vornehmlich wohl auf den Inseln — frühzeitig aber
wohl (vor 3 — 4000 Jahren) nach China, Ceylon und dem indischen Festland und durch Meeres-
strömungen an die Westküste Mittelamerikas, später dann auch nach Ost-Afrika gelangte (DE
Candolle). Von diesen Zentren aus hat sich die Palme dann über alle tropischen Länder ver-
breitet. Die neueren Forscher (Seemann, Cook, Schumann) suchen aber ihre Heimat auf den
Antillen, in Columbien und in Zentralamerika, wo sie bereits Oviedo im XVI. Jahrh. wild fand.
Jedenfalls sind alle übrigen Vertreter der Gattung Cocos in Amerika heimisch. Drude betrachtet
sowohl das tropische Amerika wie Südasien als ursprüngliche Heimat der Pflanze. Wenn aber
Polynesien der Überrest eines untergegangenen Erdteils (Oceanien) ist, dann dürften wir wohl
in ihm die Heimat der Pflanze zu suchen haben, also dort, wo sie auch jetzt noch die größte
Verbreitung hat. Die Cocospalme wurde in Indien seit 3 — 4000 Jahren benutzt und ist unter
dem Sanskritnamen Narikela (weitere bei de Candolle) bekannt. Nach Ceylon scheint sie erst
später gekommen zu sein. Die Ägypter kannten sie nicht, die Griechen nur als indische Kurio-
sität. Das xovxioifOQOV öivS^ov des Theophrast und die cuci des Plinius waren wohl nicht
Cocos, sondern Hyphaene coriacea Gärtn. (Sprengel).
Die Cocosnuß spielt in Südindien bei vielen Zeremonien eine Rolle. Eine Nuß wird
z. B. der See geopfert. Das Brechen einer Cocosnuß ist in Vorderindien Zeichen der Feind-
schaft. Auch bei den Hochzeitsgebräuchen und ähnlichem wird die Cocosnuß (tali) dort be-
nutzt. Sie ist Symbol der Fruchtbarkeit. Bei der Hochzeit wirft man in Piemont mit Cocos-
nüssen. Coir wird in Indien seit undenklichen Zeiten als Bindematerial benutzt (Wiesner). In
zahlreichen Sprichwörtern und Redensarten der Bewohner der südasiatischen Inseln spielt die
Cocospalme eine Rolle (zitiert bei de Clerq"!. In Ceylon wird das Vermögen der Eingeborenen
oft in Cocospalmen oder Teilen derselben ausgedrückt, in Vorderindien darf eine Cocospalme
bis zu 2 Shilling, in Java bis i '/^ Gulden hypothekarisch belastet werden. Ursprünglich wurden
die Cocospalmen »n Ceylon nur bei den Tempeln angepflanzt. 1841 begannen die Europäer
dort mit der Kultui.
Cocosöl war im XVIII. Jahrh. bekannt und in deutschen Apotheken zu finden, ist aber
in Europa erst seit Mitte des XIX. Jahrh. mehr beachtet worden. Kosmas Alexandrinus
(I, S. 720) beschreibt bereits im VI. Jahrh. Cocos, — die erste sichere Erwähnung in der
europäischen Literatur. Im X. Jahrh. wurden Cocosnüsse in Kalah auf Malacca gehandelt.
Bei Alhervi (I, S. 601) findet sich Närdschil, bei IBN Baithar närgll, bei Simon Januensis
neregil und auch IBN Sina (I, S. 603) benutzt Cocos. Masudi (I, S. 616) erwähnt die Cocos-
nüsse Mitte des X. Jahrh. bei den Malediven, Kurdadbah (I, S. 617) bei Java, Marco Polo
bei den Nicobaren, bei Malabar und Sumatra. IBN Batuta (I, S. 618) kennt ihre mannigfache
Benutzung und auch Jacobus de Vitriaco (I, S. 722) gedenkt ihrer im XIII. Jahrh. Marco
Cera japonica. 7 1 1
Polo erwähnt die Cocosmilch und Maudeville (I, S. 721) die große indische Nuß. Vom XV.
bis XVII. Jahrh. wurde die Cocusnuß in Europa, wohin sie seit dem Mittelalter kam, viel
medizinisch benutzt. (Vgl. oben.) Sie findet sich in Taxen und Registern. Das «Garn aus
der Schale indischer Nüsse» bei Marco Polo (I, S. 725) ist wohl Coir. Die alten Inder be-
nutzten nälikera (I, S. 507), das Öl bei Bereitung der Speisen. Copra wird schon von Garcia
DA Orta als Ausfuhrartikel von Ormuz und Balaguate erwähnt. In Brasilien erwähnt die
Cocospalme schon Piso und M.\rcgraf (I, S. 893), in Porto-Rico Joseph Acosta (I, S. 762),
in Mittelamerika OviEDO (I, S. 755). Hernandez (I, S. 757) bemerkt, daß die Mexikaner die
Palme coyoUi nennen.
Lit. De Candolle, L'origin. d. pl. cult. — Cook, U. S. Dep. Agric. 1901. Div. bot. VII.
— Neger, Ursprung, Geschichte und Verbreitung der Cocosnußpalme. Globus 1902. — Stoll,
Entdeckungsgesch. d. Cocospalme. Globus 1902.
Zu dieser Gruppe gehören oder sind damit verwandt:
Palmkernöl (s. S. 720),
Cohuneöl von Ättalea Cohiine ÄLvRT.,
Maripafett von Attalea Maripa AUBL.,
Muritifett vonifmiritia viniferaM-AKl. (Coyol),
Mocayaöl von Acrocomia scUrocarpa Mart.,
Bactrisfett von Bactris Plumeriana Marx.,
Gewürzbuschöl von Lindera Benzoi'n.
Dikafett von Mangifera gahonensis AUBR. LE
CoMTE und Irvingia BarUri Hook.,
Cay-Cay- oder Cochinchina-Wachs von Irvingia
Harmadiana und Oliveri,
Taririfett von Picramnia Sow oder Tariri AUBL.,
Tangkallafett von Lepidadenia IVightiana Nees.
bzw. Cylindrodaphne sebifera.
3. Japansäure-Gruppe.
Die Japansäure ist die erste, von Geibel und von der Want (1900) in einem
natürlichen Fett aufgefundene, zweibasische Fettsäure. Sie findet sich im Japantalg.
Cera japonica.
Japantalg, Japanwachs, Sumachwachs, — Cire du Japon, — Japan wax, Japan tallow, —
Cera giapponesa, — in Japan: Ro.
Dies fälschlich Wachs genannte Fett wird in Japan und China aus den Früchten einiger
daselbst und in Nordindien kultivierter, zu den Anacardiaceen gehörender Su7nach7L.\\zvi., beson-
ders von Rhus succedanea L. (Wachssumach, Wachsbaum, Fasi noki) — wächst besonders in Shi-
koku und Kiushiu als Einfriedung der Felder — dann auch von Rhus vernicifera De. (Firniß-
sumach, urushi) und in beschränktem Maße von Rh. acuminata De. und RJi. silvestris Sieb, et
Zucc. (Waldsumach, Yama urushi) durch Auspressen, Auskochen oder Extrahieren gewonnen
(für China wird die zweifelhafte Art Rhiis chinensts'Ml'LL. angegehen). Ein Baum kann bis 60 Ibs.
Früchte tragen.
Das Fett ist sowohl im Mesocarp (40 — 65 "/oi — resp. 21 "/„ bezogen auf die ganze Frucht)
wie in den Cotyledonen (36 "j^, — resp. 26,5 "•/„ bezogen auf die ganze Frucht) enthalten (A.
Meyer). Das Mesocarp ist also besonders reiih an Fett. Das Mesocarp- und Cotyledonenfett ver-
halten sich im Allgemeinen gleich. Die ganze Frucht enthält bei Rh. succedanea 27 %' ''^^ ^'^
vernicifera 24,2 % F^" (Rein).
Es wird in Japan besonders auf den Inseln Hiogo, Hizen, Simabara, Chutugo, Chekusin
und der Provinz Kinas erzeugt. Nach dem ältesten Verfahren werden die Früchte gestoßen,
gekocht und gepreßt. Neuer ist die Methode, die geschälten Früchte zwischen Mühlsteinen zu
zerkleinern, die Masse mit Wasser auszukochen, das Fett abzuschöpfen, durch Umschmelzen zu
reinigen und in Tafeln auszugießen. Die drei größten Wachsraffinerien (Kitagumi, Chikusan
und Shimizi) befinden sich teils in Osaka, teils in Kobe. Auch die Methode, die unter Stroh
nachgereiften Früchte in hölzernen, trichterförmigen Trögen mit der Hand zu zerdrücken, von
den Hülsen durch Absieben zu befreien und die Masse in Hanfsäcken mittels Keilpressen aus-
zupressen, ist in Gebrauch. Bisweilen werden die von den Zweigen abgedroschenen Früchte auch
zuvor getrocknet und schwach geröstet und gemahlen, in Säcken auf einem Roste über kochen-
dem Wasser gedämpft und dann erst gepreßt (Simon). Die Früchte erscheinen im 5. Jahr. Das
Maximum des Ertrages wird im 15. Jahr erreicht. Arthur Meter faßt die verschiedenen
Berichte wie folgt zusammen:
~ 12 Japansäurcgnippe.
«Zur Herstellung des Japantalgs werden die vorher gut getrockneten Früchte (gut ge-
trocknet wohl deshalb, weil erst durch das Trocknen an der Luft der Milchsaft des Mesocarps
unlöslich in Wasser usw. wird) zerkleinert durch Mühlsteine, Mörserkeule oder Bambusflegel,
durch Absieben oder Ausschwingen von Kernen und Epidermis befreit oder auch (bei Ji/ms
sitccedaiiea und süvestris) ganz gelassen. Diese Massen werden dann über Wasserdämpfen er-
hitzt, um das AVachs in den Zellen zu schmelzen, und dieses wird dann durch die verschiedensten
Preßvorrichtungen ausgepreßt. Beim zweiten Pressen der Masse setzt man wohl hier und da
etwas fettes Öl zu, um das Erstarren des Talges zu verzögern. Der so erhaltene Rohtalg wird
mit dünner Lauge gekocht (Kochen mit Lauge deshalb, weil der Talg dadurch krümelig und
zum Bleichen geeignet wird, nicht zur direkten Entfernung des Farbstoffes), an der Sonne ge-
bleicht und durch mehrmaliges Umschmelzen in reinem Wasser und dazwischen wieder erfolgtes
Bleichen möglichst rein und weiß hergestellt. Um dem Lichte mehr Fläche zu bieten, zerrührt
man entweder das flüssige Wachs während des Erkaltens oder schneidet es nach dem Erkalten
in Scheiben.' Um die Preßrückstände auszunutzen, wird ihnen bisweilen Se-nu-abura (Ye Goma),
d. h. das Öl von Perilla ocimoides L. zugesetzt, die in ihren Früchten bis 40 % Fett enthält.
Diese späteren Pressungen zeigen also abweichende Eigenschaften, sind weicher und klebriger.
Dieser Ölzusatz wird in der europäischen Literatur schon 1877 erwähnt, ist aber jedenfalls eine
alte Sitte und nicht erst seit 1895 (Lewkowitsch) bekannt. Neuerdings wird das Fett auch mit
Äther oder Schwefelkohlenstoff extrahiert (Schädler).
«Der Rohtalg Wird vor dem Export einem einfachen Verfahren unterworfen, indem er mit
Wasser gekocht und dann in flüssigem Zustande abgeschöpft wird. Nach dieser Prozedur wird
der Talg im Sommer 3 — 5, im Winter 7 — 8 Wochen zur Bleichung der Sonne ausgesetzt.»
(Paul Martell 1911). Oft wird das Rohwachs auch in dünnen Scheiben an der Sonne gebleicht.
Man begießt die in flachen KBHjen liegenden Scheiben dabei mit Wasser. Die Ausbeute beträgt
15— 25"/o-
Cera japonica ist in bisweilen zentnerschweren Blöcken und in runden oder viereckigen
Kuchen oder gestempelten Scheiben im Handel, das prima □ in Kisten von c. 90 kg. Es ist ein
bedeutender Handelsartikel Japans und kommt auch von Formosa und aus China über Singapore
nach London — das japanische direkt von Kobe, Nagasaki, Yokohama und Osaka, das chinesische
über Shanghai und Hongkong. Kobe ist Hauptmarkt. Von dort kommen go %• Die Durchschnitts-
ernte beträgt 4 Mill. kin (= 2,4 Mill. kg, i kin ^ 0,601 kg). Japan exportierte 1906: 3913626,
1907: 3810520, 1908: 3817374, 1909: S70i963kin. China exportiert bedeutend weniger. Die
Einfuhr von Japanwachs nach London betrug 1907: 615, IQ08: 415, 1909: 1756 cases usw.
Die Marke Kitagumi gilt im allgemeinen als gut, doch kommt neuerdings (1909) unter dem
Namen auch minderwertiger Abfall in den Handel.
Das Rohwachs ist oft blaugrünlich, das gebleichte und durch Einlaufenlassen in Wasser
raffinierte (prima, secunda) weiß oder blaßgelblich. Beim Liegen wird es tief gelb und überzieht
es sich allmählich mit einem weißen Anfluge. Die Masse bricht eben und großmuschelig und
läßt sich in der Hand wie Wachs kneten. Die Bruchfläche ist glanzlos, die Schnittfläche wachs-
artig glänzend. Der Geruch erinnert an Talg und Bienenwachs. Mikroskopisch betrachtet zeigt
die innere Masse kleinere und größere Körnchen und Blättchen sowie nadeiförmige Kristalle.
Der weiße Beschlag enthält viel gebogene Stäbchen und breite Prismen, die zum Teil korro-
diert sind.
Japantalg ist ein gemischtes Fett. Es besteht aus dem des Mesocarps und dem der
Cotyledonen. Japanwachs ist unlöslich in kaltem Alkohol, wenig löslich in Äther, löslich in
Petroläther, Chloroform, Benzin und setzt aus der heißen alkoholischen Lösung Kristalle ab.
Bei Erkalten der heißen alkoholischen Lösung scheidet sich aber nicht alles ab (A. Meyer).
Japantalg verseift sich leicht mit Alkalihydraten, teilweise auch durch Borax und Sodalösung
(Flückiger).
Von den echten Wachsen ist Japanwachs durch seine Verseifungszahl und dadurch unter-
schieden, daß es als echtes Fe tt Glycerin liefert. Japantalg enthält vornehmlich Pa Imitin und
Palmitinsäure. (Aus Japantalg läßt sich bequem Palmitinsäure darstellen, C. Mayer, Dissert.
Bern 1888.) Dann die zweibasische Japansäu re C^^Y\^,,0^ (Nonadecamethylcarbonsäure Schaal)
und ihre zwei niederen Homologen CjoHjaO^ und Cj^HjjOj (Schaal) sowie sehr geringe Mengen
flüchtiger Säuren (darunter wohl Isobuttersäure I- ngf.lhardt), dann Pelargonsäure, eine Säure
^16^30 O,, Spuren Stearin- und Ölsäure, aber keine Arachinsäure (Tassily, Geitel und VAN DER
Cera japonica. 7^3
Want). Die Japansäure (früher C^jH^^O^ [Geitel und VAN DER Want] oder C^uHj^O^ [Eber-
hard] formuliert) findet sich wahrscheinlich als ein gemischtes Glycerid mit Palmitinsäure:
„ „ .co.o\
^" asS^cO . O^CjHg
C,5H3,CO . O/
im Fett vor (Geitel und v,\N der "W.\nt). Letzteres enthält 10,3 — 11,2 °/o (Benedikt und ZsiG-
MONDY) bzw. 11,59 — 14,71 (Allen) Glycerin. Im Unverseifbaren (0,54 %) findet sich Melissylal-
kohol und Cerylalkohol, ein Alkohol C]gHj„0 und ein Phytosterin (Matthes und Heintz).
Spez. Gew. bei 17,5° 0,998 (KleinstückI, bei 98 — 99" 0,8755 (Allen), bei 16 — 18° ist
die Dichte der des Wassers gleich, bei 18" leichter, bei 16 ° schwerer als Wasser (Kleinstück).
Gebleichter Japantalg hat ein niedrigeres spez. Gew., Erstarrungspunkt 48,5 — 53, Schmelzpunkt
50,4 — 56 (Allen, nach Oppermann 48 — 50°), meist um 53". Frischgeschmolzener Japantalg hat
einen anderen Schmelzpunkt (42 ° Roucher, H. Müller). Das Fett des Mesocarps hat einen
anderen Schmelzpunkt wie das der Cotyledonen. Verseifungszahl 214 — 237,5 (Geitel und van DER
Want), bei selbstextrahiertem 206 — 212 (Ahrens). (Dieterich fand 1900: Schmelzpunkt 47,5
bis 53,5° [meist um 53], Säurezahl 15,06 — 18,38 [1902: 13,44 — 17,36], Esterzahl 198 — 207,9 ['904 =
187,5 bis 205,8], Verseifungszahl heiß 216,64—225,08 [1902 : 212,8 — 223], V. kalt 211,95 — 225,
Wasser 1,38 — 3,45), Jodzahl 4,2 — 8,5 (10,6 — 15,1 Bernheimer und Schiff, Ahrens und Hett),
Hehnerzahl 89,8 — 90,66. Erstarrungspunkt der Fettsäuren 53 — 57° (Allen, Ulzer), Schmelzpunkt
56 bis 62", Unverseifbares 1,1 — 1,63 "/o- freie Fettsäuren 3,87 — 16,4%, also sehr schwankend,
Asche 0,02 — 0,08 %.
Japantalg ist bisweilen mit Wasser, mit dem es sich leicht emulgiert, beschwert ^I5 bis
30°/, WlMlLEL, Stohmann) und mit Stärke verfälscht (20 — 25% La Wall) — bleibt beim
Auflösen in Äther zurück — sowie mit Rinder- und Hammeltalg. Hohe Jodzahl deutet auf
beigemengtes Perillaöl, das auch das spez. Gew. und andere Konstanten beeinflußt (die obigen
Zahlen beziehen sich auf reinen Japantalg). Verfälschung mit Rinds- und Hammeltalg sind am
niedrigen Schmelzpunkt und hoher Jodzahl zu erkennen.
Japantalg dient in Japan und Formosa als Surrogat des Talgs und Bienenwachses zur
Kerzenfabrikation, in Europa wird es viel zu den sog. Wachszündhölzern allein oder mit Bienen-
wachs benutzt (die Mischung läßt sich leicht gießen), sowie zu Glanzwichsen (Bodenwichsen),
zur Lederzurichtung und zu Ricinusölpomade. Japantalg erscheint erst 1854, d.h. seit Abschluß
des ersten Handelsvertrags zwischen Japan und England im Londoner Handel (Flückiger). In
China scheint das Fett der J?/iusarten seit dem Xlll. Jahrh. in Gebrauch zu sein. K.\mpfer
lernte Ji/izis succedanea und vernict/era 1690 in Japan kennen. (Abbild, in den Amoenitates.)
Thunberg beschrieb die Pflanze in Flor, japon. 1784.
Lit. VOGL, Über Pflanzenwachs, Lotos 1872. ■ — Hanbury, Science papers, p. 60. —
Arthur Meyer, Über den Japantalg. Arch. Pharm. 215 (1879), 97 (dort weitere Literatur). —
MöBius, Ber. d. bot. Ges. 1897, 435. — E. Bdri, Ebenda 214 (1879) 403. ■ — Flückiger,
Pharmac. Chemie. — Schädler, Fette. — Wittsteins Vierteljahrsschrift 14, 299. — Semler,
Trop. Agrikultur. — MiKoscH in Wiesner Rohstoffe. IL Aufl. — P. Martell, D. ehem. Industr.
Japans, Chem. Industr. 1909, 438. — Sthamer, Lieb. Ann. 43 11842), 335. — Lewkowitsch
a.a.O. — Benedikt-Ulzer a. a. O. — Oppermann, Ann. chim. phys. 49, 242 (erste Unters.). —
Kleinstück (spez. Gew.), Chem. Zeit. 1890, 1303. — Rouber (Schmelzp.), Journ. pharm. x6 (1872)
20. — Wimmel, Zeitschr. Österr. Apoth. Ver. 1867, 350. — La Wall (Stärkefälsch.), Journ. Soc.
chem. ind. 1897, 247 (u. Am, journ. pharm. 1897). — Ahrens und Hett, Zeitschr. ang. Chem.
1901,684. — LemariÄ (Perillaöl), Chem. Rev. d. Fett- usw. Industr. 1904, 127. — Tassilly, La
cire du Japon. Bull. sc. pharmacol. 191 1, 329. Bull. Soc. chim. (4) 9, 608. — Benedikt und
Zsigmondy, Jahrb. d. chem. Techn 1885, 1103. — Eberhardt, Diss. Straßb. 1888. — Bern-
HEiMER und Schiff, Chem. Zeit. 25 (1901) 1008. — Geitel und van der Want, Journ. f. prakt.
Chem. 61 (1900) 151. — SCHAAL, Ber. d. d. chem. Ges. 1907, 4784. — Matthes und Heintz,
Arch. Pharm. 1909, 650.
4. Ölsäuregruppe.
Die Fette dieser Gruppe schließen sich am nächsten den nichttrocknenden Ölen
an, enthalten also alle Ölsäure als charakteristischen Bestandteil, aber weniger wie
jene, sind daher in unserem Klima fest.
- 1 1 Ölsäuregruppe.
Fructus Elaeidis und Oleum Palmae.
Syn. Ölpalme, Palmier b. riuiile, Palmier Avoira, Elaeis de Guin^e, Oil palm, Coco dente.
In Kamerun: banga, malende, in Dahomey: d&, in Togo: doli, bei den Yorubas: Ope-Ifa, an
der Goldküste: abobo-be.
Stammpflanze und Systemat. Stellung. Elaeis guineensis Jacq. Palmae. Ceroxy-
linae — Cocoineae — Elaeideae.
Man unterscheidet einige Varietäten bzw. Sorten der Ölpalme : Lisombe oder Isombe
(mit dünner Steinschale), groß- und kleinfrüchtige (wohl identisch mit dögbakoum), Kissede (in
Dahomey), De (die häufigste in Togo), De-de bakui (mit dünner Steinschale), Se-de (liefert wenig
Öl), Afa-de (Fetischpalme), Digumbe (Angola), Banga (Kamerun), D6-Votchi (Dahomey), weitere
bei SOSKIN. .Sie variieren z. B. in der Größe der Frucht. Doch wird nur klude (in Togo =
fade) in Dahomey als gute Varietät betrachtet (Soskin).
Beschreibung der Starnmpflanze und der Frucht. Die Ölpalme ist eine der schönsten
Palmen, die ich kenne. Ihr schlanker, gerader, bis mannsstarker, kaum sich nach oben verjün-
gender, bis 20, ja 34 (Prkuss) m hoher Stamm trägt eine prachtvolle Blattkrone von 20 — 30,
meist 3 — 5, aber auch bis 7 m langen tiefgrünen Blättern. Er ist anfangs nicht glatt wie bei der
Cocospalme, sondern mit den, durch abortierende Fiedern bedornten, Blattbasen bedeckt, in deren
Achseln sich zahlreiche Epiphyten anzusiedeln pflegen (Taf XXII), wenn sie nicht, was oft ge-
schieht, abgeschnitten werden. Im Alter von 20 Jahren verlieren sich die Blattbasen und der
Stamm wird mehr oder weniger glatt. In Westafrika bildet sie in der Nähe der Weiler «Haine
von paradiesischem Zauber. Sie stattet die Landschaft mit einer Pracht aus, welche die feier-
liche Majestät ägyptischer Palmenwälder fast armselig erscheinen läßt» (Schweinfurth). «Über-
all herrscht sie: im Urwalde, in der Savane, im Buschwalde, an den Ufern des Stromes, überall
zieht sie den Blick des Reisenden als der hervorragendste, schönste Ausdruck alles afrikanischen
Pflanzenlebens auf sich» (Sotaux). «In der Jugend streben die zu einem mächtigen Busche ver-
einigten gewaltigen Blätter in steiler Linie empor, an der Spitze leicht sich überneigend, gleich
als wären sie in einer Vase vereinigt; man ist unschlüssig, was man mehr bewundern soll,
die strotzende Kraft tropischen Wachstums oder das ästhetisch Schöne in der Anordnung der
Glieder» (Tschirch). Die Tragfähigkeit beginnt meist mit dem 7. — 8. und dauert bis zum
60. Jahre. Mit 10 — 12 Jahren erreicht der Baum die Vollkraft und behält sie Jahrzehnte. Jähr-
lich erscheinen 3 — 10 Fruchtstände. In Kultur kann eine Palme 50 kg Früchte liefern, in Lagos
liefert sie aber nur c. 10 kg.
Die männlichen Blütenstände der diklin-monözischen Pflanze entspringen oben am Stamm,
die weiblichen (bis 10) weiter unten. Die Form des aufrechten, konischen, kurzgestielten weib-
lichen Zapfens, der 20 — 30 (ja 50) kg schwer wird, erinnert an eine riesige Erdbeere, an der
bisweilen zwei Mann zu tragen haben (Livingstone) (Fig. 221). In ihm sind hunderte (oft 6 bis
800, ja über 2000 Preuss) von etwa pflaumengroßen, eiförmigen, glänzenden, gelben bis
rötlich-braunen, violetten oder gar schwarzen Früchten dicht gedrängt vereinigt. Meist sind
die Früchte an der Basis orange, oben braunrot. Viermal im Jahre kann die Palme Früchte
tragen. Reifezeit 4 — 6 Monate. In Guinea reifen die meisten Früchte in den ersten vier Monaten
des Jahres. Die mächtigen domartigen Zacken, in die die Deckblätter der weiblichen Blüten
auslaufen, bilden einen wirksamen Schutz, namentlich der jungen Früchte, gegen Tiere, be-
sonders Affen.
Drude ist aus theoretischen Erwägungen der Ansicht, daß die Ölpalme ursprünglich
im tropischen Amerika heimisch war, vor tausenden von Jahren aber nach Afrika verschlagen
und dort zu einer scheinbar einheimischen Art wurde. Jedenfalls findet sich .aber die echte
Ölpalme in Südamerika jetzt nur in kultivierten Exemplaren (Martius), die ihre Eltern offen-
bar in Afrika haben. Vielleicht hat sich die afrikanische Art aus einer amerikanischen (der
sehr ähnlichen £. melanococcaT) umgebildet. Jedenfalls macht jetzt die Ölpalme ganz den Ein-
druck einer in Westafrika heimischen Art. Sie meidet höhergelegene Distrikte und liebt feuchten
Boden. In Kamerun, Dahomey, Lagos, Süd-Nigeria reicht sie bis zur Küste, in Togo bis 10 km
von derselben. Jetzt ist sie besonders in den Ländern am Busen von Guinea häufig. Die Grenzen
ihrer Verbreitung sind durch eine Linie bezeichnet, die sich mitten zwischen Cap Branco und
Cap verde beginnend bis Benguela an der ganzen Westküste von Afrika hinzieht und die Guinea-
Tafel XXII.
Tschirch, Handbuch Jer Pharmakognosie. BJ. II. VcrLig von Chr. Hcrni. Taiichnitz, Leipzi;
Elaeis guineensis in Kultur auf Java. [Tschirch, phot.]
Fructus Elaei'dis und Oleum Palmae.
715
inseln einschließt. Von Benguela läuft die Grenzlinie nach dem Nyassasee, von da zum Tanga-
njika und dem oberen Uelle, von dort zum Tsadsee und zur Küste zurück (Ascherson). Am
üppigsten wächst sie im unteren Niger- und Benuegebiet, auf den Inseln des Busens von Guinea
(z. B. Fernando Po), der Küste von Ober-Guinea bis Cap Palmas zwischen Cap Blanco und
St. Paul de Loanda, sowie am Kuänsu und im unteren Congo. Sie fehlt im ostafrikanischen
Steppengebiet, in Bomu, Wadai, Darfur. Geschlossene Bestände finden sich nirgends (Preüss).
Sie ist die Charakterpflanze des Buschlandes und der offenen Parklandschaft und meidet den
Urwald. Von einer eigentlichen Kultur der Olpalme war in Westafrika bisher nirgends die Rede
Fig. 221.
Eine 5 — öjähr, Ölpalme mit 10 Fruchtständen. [Aus Soskin, Die Olpalme.]
(Busse), abgesehen von spontan und subspontan in der Nähe von Ansiedelungen entstandenen
Hainen, doch versuchen die Europäer neuerdings auch die Anpflanzung mit Erfolg. Die Samen
säen sich selbst aus und Tiere, die das Fruchtfleisch fressen, verbreiten sie. Die Kultur wird
warm empfohlen (Soskin), da sie doppelt so hohe Erträge liefert als die Cocospalme. Die Kultur
ist bei Soskin (a. a. O.) beschrieben. Als Feind der Ölpalme kommt fast nur der Palmbohrer,
Rhyncliophorus fhoenicis in Betracht (weitere bei Soskin).
.Sie wird kultiviert in Brit. Südafrika, Ostafrika (Pemba hat einen großen Ölpalmenhain),
Südamerika (Provinz Amazonas in Brasilien) — in Südamerika (von Bahia bis Guiana) auch
verwildert — Westindien, Java (seit 1859), Sumatra, Rioux-Lingga, Nordborneo, Ceylon, Vorder-
7 1 6 Ölsäuregruppe.
Indien, hat sich aber in Südasien, wo Cocos dominiert, nirgends durchgesetzt (Tschirch) und
auch sonst nur wenig.
Die kleinere, mit roten Früchten versehene S/aei's mclanococca GÄRTN. (Corozo Colorado
in Venezuela, Caiaue in Brasilien), in Amerika, von Costa Rica bis zum Amazonas und Madeira
heimisch, liefert auch etwas Palmfett, aber zunächst nur für den Bedarf der Eingeborenen.
Die Frucht ist eine Drupa. Das ölreiche gelbe, veilchenartig riechende Fruchtfleisch ist sehr
faserig, etwa 0,5 cm dick, — nach der Varietät wechselnd 4 — 5 mm (Sadebeck) — der harte, grob-
gestreifte, dreikantige Steinkern ist 0,5 cm dick, zeigt an der Spitze 3 Keimlöcher und umschließt
den I — 1,5 cm langen, schlanken, endospermreichen Samen, seltener 2 oder 3 (Ovula sind 3 vor-
handen, entsprechend den 3 Carpellen, aber 2 pflegen fehlzuschlagen). Die Dicke der Steinschale
wechselt sehr nach der Varietät. Bei der gewöhnlichen (De) kann der Steinkern nur mit einem Ham-
mer aufgeschlagen werden, bei anderen (Lisombe, Degbakoum) bricht er wie bei Krachmandeln,
bei noch anderen (De Votchi, Digumbe) ist die Steinschale in ein Fasergewebe aufgelöst. Feuchter
fruchtbarer Boden soll die Ausbildung dünnschaliger Varietäten begünstigen. Das Gewicht der
Früchte schwankt von 6 — 10 g.
Die Epidermis der Fruchtschale bildet mit der darunterliegenden, Bastfaserbündel führen-
den, Schicht das Exokarp, das breite Mesokarp wird von einem fetthaltigen Parenchym gebildet,
in dem Oxalatzellen liegen und das von zahlreichen, bastfaserreichen, von Kristallkamraerfasern
begleiteten (Hanaüsek) Gefäßbündeln durchzogen wird. Das Endokarp besteht aus einer breiten
Schicht Skiereiden, die braungefärbt, außerordenllich stark verdickt und reich getüpfelt sind.
Da das Raphegewebe den Carpiden tief und breit eingewachsen ist, geht das Endokarp all-
mählich unter Verringerung der Verdickung der Zellen in das Gewebe der Samenschale über,
das aus einer breiten Schicht von Zellen mit braunem Inhalt besteht (A. Meyer), deren innere
sich mit Kali citronengelb färben (Hanausek). Das große Endosperm besteht aus radial gestreckten,
nicht sehr stark verdickten, aber grobgetüpfelten Zellen, die reichlich zum Teil kristallinisches
Fett und große Aleuronkörner mit ein oder mehreren, vortrefflich ausgebildeten Kristalloiden
(Tschirch) einschließen. Die aus der Steinschale herausgelösten, bis 1,5 cm langen Samen bilden
die Palnikerne des Handels. Das als Verfälschung von Gewürzen (z. B. Pfefl^er) beobachtete
Palmkernmehl (daher: Poivrette, Pepperette, Mischpfeffer) besteht aus den gemahlenen Preß-
rückständen derselben, die noch 5 — lö^o Öl enthalten und immer auch Sklereiden des anhängenden
Endocarps erkennen lassen, neben den sehr charakteristischen reichgetüpfelten Endospermzellen
mit sog. knotig gegliederter Wand und den Zellen der Samenschale.
Lit. Arthur Meyf.r, Über d. Ölpalme Arch. Pharm. 1884, 713. — Ascherson, Die
Ölpalme. Globus 35, 20g. — Drude, Geogr. Verbr. d. Palmen. Peterm. geogr. Mitt. 1878. —
Maycock, Flora Barbadens. 1830. — Semler, Trop. Agrikultur. — van Gorkom, Oostind.
Cultures. — Schweinfurth, Im Herzen Afrikas 1874. — Soyaux, Aus Westafrika 1879. —
Sadebeck, D. wichtigeren Nutzpflanzen usw. aus d. deutsch. Kolon. 1897. — Warburg in
Engler, Pflanzenwelt Ostafr. (Verbreitung). — Preuss, D. wirtschaftl. Bedeut. d. Ölpalme.
Tropenpfl. 1902. — .Soskin, Die Ölpalme. Ein Beitrag zu ihrer Kultur. Kolon, wirtsch. Kom.
1909. — Jeam AD-A.M, Le Palmier ä l'huile. Paris 1910. — Chevalier, Documents sur le Pal-
mier ä huile. Paris 1910. (Vegetaux utiles de l'Afrique trop. fran^.) — Esteve, Le Palmier
ä huile. Journ. Agr. trop. Paris 1903, 357, 238. — Moloney, Sketch of the forestry of West
Afrika. — J. ET EUG. PoiSSON, Note sur le Palmier ä l'huile etc. Bull. Museum d'hist. nat.
1903. — Savariau, Rech, sur les variitis du palmier ä l'huile au Dahomey Suppl. Journ.
Offic. Afr. occident. franc. 1909. — Daniel, Le Palm, ä l'huile au Dahomey. Rev. colon. 1902.
— Varieties of the Oil palm. Bull. Mise. Inf Bot. Gard. Kew. 1909. — Drabble, Comparison
of palm fruits etc. Quat. journ. Univers. Liverpool 1907 u. 1908. — Strunk, Ölpalmenkultur.
Tropenpflanzer 1906, 637. — Zellkr, Die Düngungsfrage f. d. Kult. d. Ölpalme. Tropenpfl.
1911. — Zimmermann, Die Ölpalme am Tanganjikasee. Tropenpfl. 1911, 549.
Abbild. Tschirch, Ind. Heil- und Nutzpflanzen, t. 95 u. 96. — Arth. Meyer a. a. O.
(mit vielen Figuren). — Sadebeck, Kulturgewächs, d. deutsch. Kolonien 1899. — Bulletin
miscellan. informat. Royal botanic. Garden Kew 1909. — Martius u. Mohl, Mist. nat. palm.
t. 54 — 56. — Drude in Marl. flor. brasil. t. 105. — Soyaux a.a.O. t. 105. — Köhler-Vogt-
herr, Medizinalpfl. Ergänzungsb. t. 77. — Wildemann, Plant, trop. I, Fig. 12. — SosKiN
a. a. O.
Anatomie besonders bei Arth. Meyer a. a. 0. — T. F. Hanausek, D. Frucht d.
Fructus Elaeidis und Oleum Palmae.
717
Ölpalme. Zeitschr. Österr. Apoth. Ver. 1882, 325 und in Wiesner, Rohstoffe 2. Aufl. — Aleuron:
TSCHIRCH, Angew. Anatomie. — MoELLER, Afrik. Ölsamen. Dingl. Polyt. Journ. 1880 und
MOELLER-WiNTON, Mikroskopie (dort weitere Lit.). — Harz, Landw. Samenkunde. — VOGL,
Nahrungsm.
Preßkuchen: Collin-Perrot, Resid. industr. — Hanausek, Mischpfeffer in Real-
enzyklop. d. Pharm. — Vogl, Nahrungsm. Fig. 265. — KOBUS, Landw. Jahrb. 1884.
Gewinnung des Palmöls. Die Gewinnung des Palmöls ist noch heute, z. B.
in Kamerun und Dahome}', fast ganz in den Händen der Neger und sehr primitiv.
Die Neger ersteigen den Baum mit dem Klettergurt, schneiden die Fruchtbündel los
und lösen nach einigen Tagen die Früchte ab. Die Früchte werden zunächst auf
Haufen oder in eine Grube geworfen, wo sie 6 — 10 Tage zur Fermentienmg bleiben,
damit sich die faserige Fruchtschale leichter vom Steinkem ablöst. Je rascher sie aber
verarbeitet werden, um so besser ist das Öl. Die Früchte werden daher jetzt meist
sofort c. 2 Stunden mit Wasser gekocht. Nun läßt sich der Steinkern leicht heraus-
lösen und dies geschieht entweder durch Kneten der Früchte mit den Händen oder
Fig. 222.
Bereitung von Palmül im Ntumgebiet. [Nach Photographie von Tessmann, Pangweesexpedition.]
durch Schlagen und Stampfen mit Stangen oder Keulen in mörserartigen Gefäßen
(Fig. 222) bzw. in mit Steinen ausgekleideten oder mit Lehm ausgestrichenen Gruben
oder durch Bearbeiten mit den Füßen oder Händen in Holztrögen oder alten Kanoos
(Taf. XXIII). Man überläßt nun die Masse c. 1 2 Stunden sich selbst, gießt dann kaltes
oder heißes Wasser darauf, drückt die Masse mit der Hand aus und wirft die Kerne
und die Fasermasse beiseite. In Dahomey läßt man letztere noch gären, was weiteres
Öl freimacht. Das im Troge nun obenauf schwimmende Öl wird abgeschöpft, durch
Korbsiebe filtriert und durch Erwärmen vom Wasser befreit. Filtrieren und Erwärmen
wird wiederholt (Semler). Die europäischen Händler reinigen in ihren Faktoreien bis-
weilen das Öl nochmals. Es kommt in Fässern in den Handel. In Viktoria werden die
Früchte zuerst in Kesseln i — 2 Stunden gekocht, dann in hölzernen oder metallenen
Behältern mit hölzernen Keulen zerstampft, die Kerne abgesondert und das Öl mit der
Hand ausgepreßt. Das Ausgepreßte wird in Wasser geworfen und nochmals mit der
Hand ausgedrückt (die Preßrückstände enthalten immer noch 1 2 "Iq des Trockengewichtes
Öl). Die Mischung von Wasser und Öl wird dann durchgequirlt^ der Ölschaum ab-
gehoben und in einem Tropf durch Erhitzen geschieden (Preuss). Bei dieser Me-
•? j S ÜlsiUiregruppe.
thode gehen -j.^ des Öls verloren. Das Öl aus Früchten, die vorher fermentiert wurden
(s. oben), ist weniger gut. Die oben beschriebene Bereitung, bei der nur lO — 1 2 "j^^
der Frucht an Öl gewonnen werden und 50"!^ des Öls in den Rückständen bleibt,
ist schon alt. Das, was Martius nach den Autoren von 1715 und 1723, wie das,
was Thonning 1828, RoHLFS 1866 und Soyaux 1875, berichten, stimmt im all-
gemeinen mit der noch heute zumeist geübten Methode überein. Bei den Niam-Niam
wird das Öl der Fruchtwand einfach ausgepreßt, das Öl der Kerne durch Inbrand-
stecken eines über einen in der Erde versenkten Krug geschütteten Haufens derselben
gewonnen (Schweinfurth). Die Bewohner von Jocuba kochen die zerkleinerte Frucht-
masse aus (RoHLr.=;). In Loango werden die Früchte auf Raphiablattrippen über dem
Feuer erwärmt, das zu einem Teige zerstampfte, von den Steinkemen getrennte
Fruchtfleisch in aufgehängte Beutel gebracht und durch Drehen mit einem Hebel
ausgepreßt, der Preßrückstand erwännt und mit heißen Steinen zusammen nochmals
gepreßt (Pechuel- Lösche). Preuss bezeichnet einen Ertrag von c. 7^/1 kg Öl und
c. 1 5 kg Kerne pro Baum als das Normale. Doch wechselt dies natürlich. Den Ein-
geborenen liefert jeder Fruchtstand nur etwa 750 g Öl und 1500 g Kerne (Preuss).
Das Durchschnittsgewicht der Früchte eines Fruchtstandes beträgt 10 kg. Die Javanen
bereiten das Öl, indem sie die Früchte in Dampf hängen, sie dann zerkleinem und
in einer sehr primitiven Presse — zwischen zwei mit Steinen beschwerten Brettern —
auspressen (van Gorkom). In Kamerun und Togo sind seit igo6 deutsche Palm-
ölwerke in Betrieb, in denen durch Schälmaschinen das Fleisch der vorgekochten
Früchte vom Steinkern getrennt und dann ausgepreßt wird. Die französische Palmöl-
fabrik in Dahomey preßt trocken direkt. Ein Verfahren, die ganze Frucht inklusive
der Kerne zu pressen, ist Hallet patentiert (Franz. Pat. 321918).
Gebleichtes Palmöl wird durch Ozon oder Durchblasen von ozonisierter Luft
durch auf 150*' erhitztes Öl (Engl. Pat. 28682) oder durch Behandeln mit Bichromat
und Salzsäure erhalten. Schmutzig rote Öle lassen sich nicht bleichen.
Die aus der Steinschale durch Aufschlagen mit Steinen herausgelösten Palm-
kerne werden in Hanf- oder ff\'p//aetieh\att-Säcken versandt. Die Palmnüsse oder
Palmkeme werden meist erst in Europa (Marseille, Nantes, Harburg, Cöln, Liverpool,
London usw.) und Amerika auf Palmkernöl verarbeitet — durch kalte und heiße
Pressung und Extraktion — aber auch die Neger stellen es da und dort dar.
Handel. Das Palmfett ist das von allen fe ten Fetten am meisten indu-
striell verwendete und seit der Mitte des XIX. Jalirh. einer der wichtigsten Handels-
artikel. Im "Welthandel sind jährlich c. ; — 800000 dz Palmöl und 1,2 — 1,3 Mill. dz. Palmkerne
(Semler). Der "Wert der Ausfuhr von Palmöl aus ganz Westafrika betrug 1907: 36,1 Mill. M.
(:00000 t), der der Palmkerne 53,6 Mill. M. (c. 220000 t). Es gibt zahlreiche Palmöl-Handels-
sorten, wie z. B. Liberia, Saltpond, Addah, Appam, Winnebah, Fernando Po, Braß, Neu-
und Alt-Calabar, Niger, Accra, Benin, Bonny, Grand Bassa, Togo, Kamerun, Oap Labon, Cap
Palmas, Lagos, Loanda, Gold Coast, Insel Sherboro, Gaboon, Half Jack, Opobo, Whidah, Dix-
cove, Rio Pongo, Appolonia, Grand und Little Popo, Quittah, Lahoo, Appam, Danve, Mon-
rovia, Benin, Congo u. and. Der größte Teil der Erzeugnisse der Ölpalme geht über Lagos
und das Niger Coast Protectorat, das eigentliche Gebiet der Ölflüsse. Lagos exportiert durch-
schnittlich im Jahre 2—4 Mill. Gall., z. B. 1895: 3826000 Gall. Palmöl und 46500t. Palm-
kerne, das Nigerschutzgebiet (Alt- und Neu-Kalabar, Opobo, Bonny) durchschnittlich 10—12
Mill. Gall. Palmöl. Hauptmarkt der Kalabarhändler ist N'Dobe, Mittelpunkt des Rio del Rey-Ge-
bietes. Kamerun erzeugt jetzt viel Palmöl. Hauptplatz ist Mandame am Mungo. 1897 exportierte
Kamerun für 2300000, Togo für 500000 M. Olpalmenprodukte, 10 Jahr später schon für
4,2 bzw. 1,4 Mill. M. 1900 exportierte Kamerun 2807229 kg Palmöl und 7945169 kg Palm-
-y.
H
H
F
X
, — ,
u
(U
u
—;
c
0
tlO
O
o
in
<
u
b/j
c
5
hf)
, der aber immer noch Fett
(wenigstens 1 2 *|q, meist mehr) enthält. Daß man durch Auskochen der zu Brei zer-
stoßenen Samen mit Wasser mehr Ol erhält wie durch Auspressen, wußte schon
HoMBERG (s. Geschichte). Die Menge des Fettes in den Samen schwankt zwischen
36,8 und 56,5% (Extraktion mit niedrig siedendem Petroläther gibt die richtigsten
Zahlen Davies und M'Lellan), meist beträgt sie 51,5 — 56 "|j — 52% der geschälten
und bei 25 — 30*' getrockneten Samen (Heiduschka) — Durchschnitt: ^^\ (Wel-
mans). Nach anderen schwankt der Fettgehalt von 42 — 54 bzw. 37,1 und 51,4
(l'Hote) und beträgt meist 50 — 53,6 "/(, (Zipperer). Cacaofett ist spröde und hell-
gelblich-weiß und wird beim Aufbewahren ganz weiß. Es besitzt einen sehr ange-
nehmen, schokoladenartigen Geruch und einen angenehm milden Geschmack. Cacao-
fett ist leicht in Petroläther, im halben Gewicht Benzol und im fünffachen Gewicht
heißem absolutem Alkohol löslich. Die Lösung in 2 Teilen Äther bleibt bei 12" wäh-
rend 24 Stunden klar, während die mit 20 Teilen siedendem absolutem Alkohol
hergestellte Lösung beim Erkalten alles, bis auf i "^j (Olein), wieder fallen läßt
(Flückiger). In 90 "L Alkohol ist es nur zum geringen Teile löslich (Unterschied
von Cocosfett). Beim Einlegen in die Kali-Ammoniakmischung von Hartwich und
Uhlmann entstehen im Inneren des Tropfens Bündel ganz kurzer Kristalinadeln, an
der Peripherie lange Nadeln.
Das Cacaofett enthält 59,7 "/o (Farnsteiner) feste Fettsäuren und zwar Stearin-
säure (39 — 40 "(Q Lewkowitsch, Hehner und Mitchell), Palmitinsäure und
Arachinsäure (Specht und Gössmann). Palmitinsäure und Stearinsäure sind zum
Teil als Triglyceride vorhanden (Klimont). Das Vorkommen von Laurinsäure (KiNG-
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 46
•J22 Ölsäuregruppe.
ZETT, Traub, Graf) wird neuerdings bezweifelt (Lewkowitsch), die Theobroma-
säure (CeiHusO^ Kingzett) ist wohl Arachinsäure (Traub, Graf). Unter den flüs-
sigen Fettsäuren dominiert die Ölsäure (Traub) mit 3 1,2 "j, (Farnsteiner), daneben
finden sich noch 6,3 "jj andere flüssige Fettsäuren, darunter Linolsäure (Benedikt
und HazüRa). Von gemischten Estern sind nachgewiesen Oleopalmitostearin
(Klimont) C3H5(OCis.Hs30)(OCi6H3iO)(OCi8.Hg50) F = 42, Oleodipalmitin
C3H5(OCnjH3jO).,(OCisH3..0(KLiMONT),MyristicopalmitooleinC,,H5.(O.C,iH.,70)
(O . Ci,H3,0)(OC,sH330) F = 25-270 und Oleodistearin C,U,{C,,H,,0.;),Ci,U,,0,
F = 44 — 44,5" (6 "lu Fritzweiler), wahrscheinlich aber noch andere vorhanden.
Ölsäuretriglycerid fehlt (Klimont). Ameisensäure, Essigsäure und Buttersäure,
die Graf angibt, scheinen bisweilen zu fehlen (Lewkowitsch), ebenso fehlt Capryl-
säure (Heiduschka).
Das Fett enthält ferner eine Lipase und in dem Unverseifbaren Phytosterine
(Clayton) wohlStigmasterin (F = 162 — 163°) und Sitosterin (F = i39''Matthes
und Rohdich), vielleicht auch etwas Cholesterin (Prochnow, Maurenbrecher und
Tollens), sowie neben einem festen Kohlenwasserstofif CggH^g (F = 133 — 134° wohl
Amyrilen) ein hyazinthenartig riechendes Öl (Matthes und Rohdich). Der Träger
des Geruches, den das Fett aus den Samen aufnimmt, soll das «Cacaorot in Ver-
bindung mit einem Glykosid» (? F. Müller) sein. Das bedarf der Bestätigung.
Spez. Gew. bei 15 ": 0,964 — 0,976 (Dieterich), bei gS": 0,8577 (Allen), Pharm,
helv.: 0,857- — o>858. Frisch geschmolzenes Cacaofett zeigt ein niedrigeres spez. Gew.,
das erst nach Tagen oder Wochen wieder normal wird (Welmans). Erstarrungspunkt:
21,5 — 27,3", Schmelzpunkt: 26,5 — 36" (meist c. 33,5), Pharm, helv. : 29 — 32", D.
A. V. 30 — 34, Ph. austr. VIII: 30 — 35°; frisch geschmolzenes Fett schmilzt bedeutend
niedriger (man lege über Nacht auf Eis!), mit Äther oder Petroläther extrahiertes
bei 32 — 34*. Säurezahl: 1—2,3 (Dieterich), 1,2 — 2,2 (Pharm, austr. VIII), 2,41
(Welmans), 1,1 — 1,95 (Lewkowitsch), bei ganz altem Fett 4,6. Durch das Ent-
wässern und Filtrieren im Dampftrichter erhöht sich der Säuregehalt ztiweilen bis auf
das Doppelte. Deshalb sollte längeres Erhitzen vermieden werden (E. Dieterich).
(Das Fett der Samenschalen hat eine hohe Säurezahl, bis 56 Filsinger.) Verseifungs-
zahl: 191,8 — 203,7 (meist unter 200, oft 193 — 196), Pharm, austr. VIII: 190 — 196,
Jodzahl: 32,8 — 41,7 (Strohl), 27,9 — 37,5 (Dieterich), D. A. V: 34 — 38, Pharm,
helv.: 33 — 38. (Das Fett der Samenschalen hat eine höhere Jodzahl, 39 — 40 Fil-
singer.) Bromzahl: 23,69 (Telle), Reichert - Meißlzahl : 0,2 — 0,83, Polenskezahl:
0,33 — 0,38 (Heiduschka), Hehnerzahl: 94,59—94,9, Brechungsexponent bei 40":
1,4565 — 1,4578 (Strohl) (Pharm, hei. IV: 1,4565 — 1,4586), Butterrefraktometer bei
40°: 46 — 47,8. Die freien Fettsäuren zeigen den Erstarrungspunkt 46 — 51", den
Schmelzpunkt 48 — 52", die Jodzahl 32,6 — 39,1.
Dieterich fand bei Untersuchung zahlreicher Proben: Schmelzpunltt 25,5 — 35° (meist
32—34), Säurezahl 3,2 — 25,36, Jodzahl (H-W) 33,89 — 38,5 (meist über 35), V. Z. h 188,72 bis
203,72 (meist 195 — 198), V. Z. k 187,6 — 196,69 (meist 194 — 195). Strube fand, daß bei lang-
samem Erstarren größerer Blöcke der Cacaobutter Marke «Samana» sich ein flüssiger Anteil
abscheidet, der sich abweichend verhält, dessen Schmelzpunkt c. 12", spez. Gew. bei 17,5°:
0,906, Jodzahl 53,06—58,8 ist.
Daß Cacaofett nicht ranzig wird, ist nicht richtig (Lewkowitsch, Dieterich), aber
es wird schwierig ranzig, vielleicht weil es reich an gemischten Glyceriden ist und
der Ölsäurerest zwischen den anderen Fettsäureresten steht, also «geschützt» ist (Kli-
Oleum Cacao.
723
mont). Mit den auf den Samen bisweilen auftretenden Schimmelpilzen und den stets
vorhandenen Saccharomyceten steht das Ranzigwerden in keiner Beziehung, da nur
geröstete Samen gepreßt werden.
Zur Prüfung bestimmt man in erster Linie die Jodzahl, dann Verseifungs- und
Säurezahl sowie den Schmelzpunkt. Von den Verfälschungen ist Rinder- und Hammel-
talg am häufigsten und am schwierigsten nachzuweisen. Bei der Björkland sehen
Ätherprobe scheiden sich, wenn wenigstens s"/,, Talg zugegen sind, beim Abkühlen
Flocken, nicht Kristallbüschel ab (Lewkowitsch). «Eine Lösung von i Teil Ol. Cacao
in 2 Teilen Äther darf sich innerhalb 24 Stunden bei Zimmertemperatur nicht trüben»
(D. A. V). Zuverlässiger noch ist die Ph\-tosterinacetatprobe, unbrauchbar (nach
Lewkowitsch) Hagers Anilinprobe (Dingl. Pol. Joum. 175,324). Cacaofett wird
auch häufig mit Cocosfett oder Palmkemstearin, die unter dem irreführenden Namen
«Schokoladenfett», «Schokoladenbutter» im Handel sind (Filsinger), verfälscht, die
an den hohen Verseifungs- und Reichert-Meißlzahlen und der niedrigen Jodzahl erkannt
werden können. Ein Gemisch von Cocosfett und Japantalg fand Posetto 1901 unter
dem Namen «Cacaobutter S». Die Ersatzmittel Cacaoline und Cocoline bestehen aus
Cocosfett und Palmkernstearin, denen bisweilen Japantalg zugesetzt wird (Fendler),
die <> Pflanzenbutter», Gemüsebutter» aus Cocosfett (Filsinger). Verfälschungen mit
Mandel-, Arachis-, Sesamöl (Filsinger) und Haselnußöl verraten sich durch hohe
Jodzahl und Erniedrigung des Schmelz- und Erstarrungspunktes, sowie durch die bei
den Ölen oben (S. 576 u. 592) angegebenen Reaktionen, Wachs und Paraffin (neuerdings
nicht mehr beobachtet) durch Erniedrigung der Verseifungszahl und Erhöhung des
Unverseifbaren. Neuerdings sind auch Verfälschungen mit Ol. margarini, Stearinsäure
und Dikafett (S. 511) beobachtet (letzteres ist aber selten und ebenso teuer), sowie
mit dem Fette der Samenschalen, das zu 4 — 5"!^ darin enthalten ist (Filsinger, s.
oben S. 722). Auf unzulässig hohe Mengen freier Säuren (infolge Ranzidität) läßt
Pharm, helv. wie folgt prüfen. «Eine Lösung von 2 g Cacaofett in loccm Chloro-
form und 2 0ccm absolutem Alkohol soll nach Zusatz von 3 gtts Phenolphthalein und
I ccm weingeistigem n/jQ Kali bleibende Rotfärbung zeigen.»
Man bewahrt das Cacaofett am besten in Stanniol eingeschlagen auf. Cacaofett
wird zu Suppositorien, Urethralstäbchen, Vaginalkugeln, Geraten, Pillen, Lippenpomaden,
Augensalben usw. benutzt, wozu es sich gut eignet, da es bei Körpertemperatur schmilzt.
Schon HOMBERG (I, S. 884) schied 1695 das Cacaofett ab, das Quelus (cit. in Hallers
Bibl. bot. II [1772] 158) für Salben und als Genußmittel empfahl. Zur Gewinnung des Öls be-
nutzte Geoffroy (I, S. 883) außer der Presse bereits 1741 den Äther (Flückiger). Er empfiehlt
es als Salbengrundlage, für Lippenpomade und bei Hämorrhoiden. Besonders die Tübinger
Dissertation von B. D. MaUCHArt über Butyrum Cacao 1735 (I> S. 928) lenkte die Aufmerk-
samkeit auf das Fett als ein «novum atque commendatissimum medicamentum» (FlöckiGer-
Hanbury). In die Apotheken ist es in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrh. gekommen. In
der Pharmacopoea "Wirtenbergica von 1771 steht eine Vorschrift zu seiner Bereitung in der
Apotheke. Vgl. auch BuCHOLz, Einige Vers, als Beytr. z. Bestimm, d. best. Method. die Butter
aus den Cacaobohnen abzuscheiden. Trommsd. Joum. d. Pharm. 20, I, 62. — Das Wort Cacao
ist den Fremdwörterbüchern bis in die erste Hälfte des XVIII. Jahrh. noch unbekannt (Kluge),
es ist umgebildet aus mex. cacauatl, cacaotl, cacaua (so bei Hernandez, bei Fkrnandez : caca-
guata [I, S. 756]). — coco (caca, cacau) = Schaum, atl = Wasser (v. Lippmann, Gesch. d.
Zuckers). — Doch finde ich bereits im Catalogus der Dresdener Hofapotheke 1683: Grana
Cacao (Cacahuatl), in der Gothaer Verordnung 1694 (I, S. 828): Frnctus caccauund im Cata-
logus Brunsvicensis 1706: nuclei cacao.
Lit. Lewkowitsch a. a. O. — Specht und Gössmann, Lieb. Ann. 90 (1854) 126. —
46*
öl:
sauregruppe.
TR/\.ub, Zusammensetzung d. Cacaoöls. Arch. Pharm. 1883, 19. — Kingzett, Ber. d. ehem.
Ges. iSr;, 2243; Journ. ehem. soc. i8;8, 38. — Graf, D. Bestandt. d. Cacaofettes, Arch. Pharm.
1S88. 830. — Hkhner und Mitchell, Analyst. 1896, 32S. — Benedikt und Hazura, Monatsh.
f. Chem. 18S9, 353. — Fritzweiler, Arb. d. kais. Gesundheitsamt 1902, 371. — Davies und
M'Lellan (Fettgehalt der Samen), Joum. Soc. Chem. Ind. 1904, 480 (Chem. Rev. 1904, 151).
— "Wklmans, Pharm. Zeit. 1900, 859, Seifenfabrikant 1901, 4; Zeitschr. öffentl. Chem. 1903,
206. — FiLSiNGER, Chem. Zeit. 1890, 507 u. 716; Zeitschr. anal. Chem. 1880, 247 u. 1896,
519; Zeitschr. öffentl. Chem. 3 (1897) 34. — Dieterich, Helfenb. Ann. 1889, 1897, 1900, 1902,
1903, 1904. — White, Oil of Theobroma, spez. grav. under cert. condit. Pharm. Journ. 1898,
69. — Maurenbrecher und Tollens, Ber. d. chem. Ges. 39 (1906), 3581. — Klimont, Ber.
d. chem. Ges. 1901, 2636; Monatsh. f. Chem. 1902, 23. — Heiduschka und Herb, Pharm.
Centralh. 1908, 375. — Clayton, Chem. News 86 (1902), 51. — Matthes und Rohdich, Cacao-
fett, bes. die unverseifbar. Bestandt. Ber. d. chem. Ges. 1908, 19 u. 1591 und Rohdich, Dissert.
Jena 1908. — Prochnow, Arch. Pharm. 1910, 81. — F. MÜLLER, Pharm. Zeit. 1908, 57. — Strdbe,
Zeitschr. öffentl. Chem. 1905. — Posetto, Giorn. Farm. Chim. 1901, 337. — Björkutnd,
Zeitschr. anal. Chem. 1864, 233. — Kremel, Pharm. Post 1899, 5. — van der Wielen, Invloed
van andere vetten op de eigensch. van Cacaobutter, Pharm. Weekbl. 1902. — Maurenbrecher
und Tollens, Ber. d. ehem. Ges. 1906, 3581. • — Langbein, Zeitschr. ang. Chem. 1908, 241.
Zu den festen vegetabilischen Fetten der
Chinesischer oder Stillingiatalg von StilUngia
sebi/era Juss.
Pongamöl aus den Früchten von Pongamia
glahra Vent.
Chaulmugra- oder Gynocardiaöl von Gynocar-
dia Prainii.
Carapafett, Andirobaöl von Carapa guianensis,
molticcensis u. and.
Margosaöl, Veepaöl, Veppamfett, Neemöl von
Melia azadirachta,
Kadamsamenfett von Hodgsonia (Tn'chosanthes)
Kadam MlQ.
Mahwahbutter, Illipeöl von Bassia latifolia.
Mowrahbutter, Bassiaöl von Bassia longifolia.
Champacafett von ilelia Champaca.
Schi- oder Sheabutter, Galambutter von Bassia
[Biityrospenniim) Parkii, dem Ölbaume des
nördlichen tropischen Afrika (Haussa, Sudan,
Ulsäuregruppe gehören auch:
Nigergebiet) und hier so wichtig wie die
Ölpalme in Westafrika.
Akeeöl von Blighia sapida.
Makassaröl von Schleichera trijuga.
Sawaributter von Caryocaria tomentosa.
Mafuratalg von j\Ia/iireira oleifera.
Phulwarabutter, Fulwa- oder indische Butter
von Bassia Tnityracea.
Mkanyifett von Stearodendron Stuhlmanni,
Rambutantalg von Nephelitim lappaceum.
Malabar- oder Pineytalg, Vateriafett, Pflanzen-
talg von Vateria indica.
Kokumbutter von Garcinia indica.
Borneotalg, Tangkawangfett von Shorea stenop-
tera und aptera, Hopea aspera, Isoptera bor-
neensis.
Myrtenwachs oder Myricawachs von Myrica
cerifera.
IV. Feste animalische Fette.
Das Fettgewebe der Tiere wird meist als ein modifiziertes Bindegewebe an-
gesehen imd entsteht dadurch, daß in den Bindegewebszellen Fetttröpfchen auftreten,
die, sich allmählich vergrößernd, schließlich Cytoplasma und Zellkern beiseite schieben.
Andere betrachten die Fettzellen als Zellen des Schleimgewebes. Die fettbildenden
Stoffe werden von der Zelle aufgenommen und in ihr zu Fett verarbeitet, die daneben
entstehenden Stoffe durch Lymph- und Blutserum entfernt. Als Fettbildner dürften
in erster Linie die Kohlehydrate, dann aber auch die Eiweißsubstanzen in Betracht
kommen. Bei der Arbeit im Organismus können Fette und Kohlehydrate einander bis zu
gewissem Grade im Verhältnis ihrer Verbrennungswärmen vertreten (Zuntz). Auch im
intermuskulären Bindegewebe und dem Sarkoplasma treten Fette auf (hier neben Lecithin
und Cholesterin), femer im Knorpelgewebe, in den Knochen, in der Nervensubstanz (hier
neben Myelinsubstanzen: Lecithine, Cholesterine, Protagon e), in der Blutflüssigkeit (Serum),
Oleum Cacao. 725
in der Lymphe und dem Chylus, in der Haut und ihren Anhängen und endlich
auch in Körpersekreten, wie z. B. der Milch.
Die Natur der tierischen Fette erkannte bereits Chevreul, doch ist bis heute die Unter-
suchung noch nicht abgeschlossen und jede neue Arbeit bringt neue Überraschungen. Die An-
sicht, daß in tierischen Fetten auch gemischte Glyceride (s. S. 547) vorkommen, wurde zuerst von
J. Bell in «Analyse und Verfälschung der Nahrungsmittel 1885» für die Butter ausgesprochen,
in der Bell das Oleobutyropalmitin annimmt. Dies Glycerid haben dann Blvth und Robertson
(Chem. Soc. London, Jan. 1889) abgeschieden und C3H5(CjsH330i,) (CjHjO.^) (CjgHjjO^) formu-
liert. Genau beschrieben wurde aber zuerst von Heise (Arb. d. k. Gesundheitsamt. 1896) einge-
mischtes Glycerid (das Oleodistearin ausMkänyifett,S. 724), welchen Befund Henriques und Künne
bestätigten. Zahlreiche neue gemischte Glyceride isolierte dann Hansen (Arch. f. Hygiene 1902)
aus Hammel- und Rindstalg (s. d.). Im Menschenfett fanden Partheil und Ferie (Arch. Pharm.
1903) Stearodiolein. Kreis und Hafner halten aber die Glyceride Hansens für Gemische. Sie
isolierten 1904 aus Rinds- und Hammelfett: Palmitodistearin, aus Schweinefett ein gemischtes
Glycerid der Formel C3H5{Cj,H330j)(C,8Hj50j)(C,gH,50j), kontrollierten diese Glyceride durch
die Analyse und Untersuchung der abgeschiedenen Fettsäuren und bestätigten den Befund durch
die Synthese.
Alle tierischen Fette enthalten Cholesterin (s. S. 748). Phytosterin tritt aus
pflanzlichen Futtermitteln (z. B. Baumwollsamenpreßkuchen) nicht in das Fett der
Tiere über (C. Virchow), so daß der Nachweis von Phytosterin wohl immer eine
Beimischung von pflanzlichem Fett zu tierischem erweist.
Lit. Ulzer und Klimont, AUgem. u. physiolog. Chem. d. Fette. Berhn 1906. — Über
die Bildung des Fettes im Tier, den Übergang von Nahrungsfett in das Fettgewebe und die
Organe des Tieres, die Beziehungen der Fettbildung zur Nahrung, das Verhalten der Fette
im Darmkanal und den Abbau der Fette im Organismus vgl. F. Röhmann, Biochemie 1908,
Lehmann und Voit, Fettbildung aus Kohlehydraten. Zeitschr. f. Biologie 42 und Rousselet,
Chimisme intestinal d. graisses alimentaires et leur dosage en Coprologie. These Paris 1909.
— Über gemischte Glyceride und den zuerst von Heintz (1849) und DUFFY (1852) beobachteten
«doppelten Schmelzpunkt» vgl. A. Hafner, Über natürl. vorkomm. u. sythet. dargest. gemischte
Fettsäureglyceride. Diss. Basel 1904 (mit Kreis, siehe bei Adeps), Adolf Grün, Über d. Con-
stit. d. Fette. Habilitationsschrift Zürich 1907 und Ferie, Z. Kenntn. d. Fette. Diss. Bern 1903
u. oben S. 547. — Über Kristalle aus tier. Fetten: ZtJNE, Trait^ gen^r. d'analyse des beurres
1892/93 und bei Hafner. — Über die flüchtigen Fettsäuren vgl. Mougnaud, Dosage d. acid.
volat. dans l'analyse des Corps gras. Th^se Paris 1902. — Über das Ranzigwerden d. Fette
vgl. E. Ritsert, Diss. Bern 1890 (dort eine histor. Übersicht) und Winckel, Apoth. Zeit. 1905.
— Chevreul untersuchte (1823) die Fettsäuren des Menschen-, Schweine-, Jaguar- und Gänse-
fettes, Heintz (Lieb. Ann. 84, 297) das Menschenfett.
1. Körperfette.
Von den Körperfetten werden jetzt in der Medizin nur noch Schweine-, Ham-
mel- und Rindsfett benutzt.
Die alte Medizin, schon die der Assyrer (vgl. S. 551) benutzte sehr viel mehr. In zahl-
reichen Rezepten des Papyrus Ebers findet sich Fett. Dioskurides erwähnt das Fett der
Schweine, Bären, Böcke, Schafe, Hirsche, Rinder, Panther, Löwen, Hühner, Gänse, sowie das
Knochenmark; Galen das Fett der Schweine, Ziegen, Hammel, Kälber, Böcke, Bären, Löwen,
Hähne, Hennen und Schlangen. Plinius bemerkt (XI, 85) : «Gehörnte Tiere, die nur in einer
Kinnlade eine vollständige Zahnreihe und an den Füßen Knöchel haben, liefern, wenn sie fett
sind, Talg (sevum), die Zweihufer oder die, deren Füße in Zehen gespalten sind und die keine
Hörner tragen, Schmalz (adeps). Ibn Sina (I, S. 602) benutzte Gänse-, Hühner-, Tiger- und
Löwenfett. Auch noch in den Pharmacopoeen des XVI. bis XVIII. Jahrh. finden sich viele
tierische Fette neben Ol. lumbricorton und Viperorum, Adeps Leonis, Canis usw. auch Menschen-
fett. (Vgl. TSCHIRCH, die Pharmacopoee, ein Spiegel ihrer Zeit 1904J. Die Chemie der selte-
neren Fette bei Benedikt-Ulzer und Lewkowitsch a. a. O.
-20 Körperfette.
Der Hindu darf keine Seife aus Tierfett benutzen, daher spielt die aus dem Fett
der Bdssiasamen (der sog. Mowrahbutter s. oben S. 727) bereitete Seife in Vorder-
indien eine große Rolle.
Adeps suillus.
Axungia porci; Schweinefett, Schweineschmalz; graisse de porc, axonge de porc,
adipe, saindoux; lard, hogslard; strutto. Unter «Adeps» schlechthin wird jetzt immer
Adeps suillus ^^e^standen.
Etym. Fett, von Luther aus dem ndd. für Feißt in die Schriftsprache eingeführte Neben-
form; nnd. Fett aus asächs. f^tid, ahd. feizzit = feißt. — Schmalz von aldn. smjor, ahd. sraero,
mhd. smalz. — Der alte Ausdruck für Feit: «Schmutz» ist in der Schweiz im Dialekt noch
jetzt üblich. Im ganzen alamanischen Sprachgebiet : smuz = Schmiere, Fett (von smut = schmieren).
— Adeps schon bei Plinius. — Bei Dioskurides: oxiaQ vtiov — (daraus ist Stearin gebildet).
Bei IBN Baith.\r heißt Fett schahm.
Gewinnung. Schweinefett wird aus dem Zellgewebe, besonders des Netzes und
der Nierenhülle des Schweines, Sus Scrofa var. domesticus L., ausgeschmolzen.
Das Schmerfett ist oft in dicken Schichten in der Bauchhöhle, in der Nähe der
Rippen und Nieren abgelagert. Das im Speck, d. h. in den äußeren Partien unter
der Haut an Bauch und Rücken abgelagerte Fett ist reicher an flüssigen Fettsäuren,
daher weicher. Der Speck eignet sich daher weniger zur Schmalzfabrikation und wird
als solcher verwendet. Man unterscheidet: Eingeweidefett (Gekrösefett), Netzfett (Liesen,
Flohmen, Schmer, Filz) und Nierenfett. Pharm, helvet. IV verlangt, daß nur das
aus zerriebenem und gewaschenem, frischem, ungesalzenem Zellgewebe des Netzes
und der Nierenhülle des gesunden Schweines im Dampfbade gewonnene Fett be-
nutzt wird, schließt also den Speck des Unterhautbindegewebes aus. D. A. V verlangt
außerdem, daß das Fett vom Wasser befreit werde und Ph. austr. VIH schreibt vor,
daß dies mittelst wasserfreiem Natriumsulfat geschehen und das Fett durch Baum-
wolle filtriert werden solle. Alle drei Pharmacopoeen denken wohl an eine Darstellung
in der Apotheke, verwerfen jedenfalls alles Fett, dessen genaue Provenienz unbekannt
ist. Die Schmalzfabrikation wird im größten Stil in Nordamerika betrieben, so daß
der größte Teil des Handelsfeltes daher stammt, in Deutschland wird es nur ver-
einzelt im Großbetriebe gewonnen, viel im Kleinen. Größere Mengen liefert Ungarn
und Rumänien, kleinere Serbien, Dänemark und Holland. Das Ausschmelzen der
zuvor wiederholt gewaschenen und zerkleinerten Körperteile geschieht entweder über
direktem Feuer oder im Damplbade oder mit gespanntem resp. überhitztem Dampf
von HO — 115". Die von dem ausgeschmolzenen Fett getrennten «Grieben» werden
dann zwischen erwärmten Platten gepreßt und liefern ein zweites Fett, das mit
dem ersten nicht vermischt wird. Der Rückstand geht in die Blutlaugensalzfabrikation.
Das abgeschiedene Fett wird bei schlechteren Sorten bisweilen mittelst Schwefelsäure
«geläutert».
Schon Dioskurides beschreibt (II, 87) die Darstellung des Schweinefettes durch Aus-
kochen der gewaschenen Fettteile mit Wasser über freiem Feuer, Durchseihen, wiederholtes
Umschmelzen nach Entfernung des sich am Boden Absetzenden.
In Nordamerika (Missouri, Ohio, Cincinnati) wird Schweinefett aus allen fetten Teilen
des Schweines in den großen Packing houses dargestellt. Man unterscheidet von dem im Handel
dominierenden amerikanischen Fett:
Adeps suillus. 727
1. Neutral Lard T, Netz- und Gekrösefett (Leafs) durch Ausschmelzen frisch geschlach-
teter Tiere im Wasserbade bei 40 — 50°, weiß, beste Marke.
2. Neutral Lard II, Rückenfett, wie I dargestellt.
3. Neutral Lard Imitation aus Speck von I gewonnen, öliger wie dieses,
4. Leaf Lard, durch Ausschmelzen der Rücksiände von I mit direktem Dampf unter
Druck im Autoklaven.
5. Choice Lard (Choice kettle rendered lard) aus den Liesen von I und 2 durch Aus-
schmelzen in offenen, mit Dampfmantel versehenen Kesseln.
6. Prime steam Lard (western steam lard) aus den Rückständen der Neutral-Lard-
fabrikation und aus nicht sonst verwerteten fetten Teilen durch direkte Einwirkung von Dampf
von2'/2 — 2^4 Atmosphären oder durch direkten Dampf in offenen Gefäßen ausgeschmolzen. Gelb-
lich oder grau, Röstgeschmack. Wird bisweilen in Amerika und Deutschland raffiniert, z. B.
durch Kochen mit Wasser.
7. Pure Lard, mit Fullererde gebleichtes und gekühltes prime steam lard, weiß, fest,
speckartig.
Durch Pressen des Fettes in hydraulischen Pressen kann Schweinefett in
Schmalzöl (Specköl, lard oil, huile de graisse, Ol. Adipis) und Solarstearin (Lard
Stearine) geschieden werden (Demargarinierungsprozeß).
Handel. Die Vereinigten Staaten exportierten 1908: 603413770, 1909: 328722933 pounds
Lard und 1908: 75183210,1909: 75 183 196 pounds Lard Compounds and Substitutes for (Cotto-
lene, Lardine usw.i. Die Einfuhren von Schweinefett von Amerika nach Deutschland haben ab-
genommen. Sie betrugen 1907: 101,3, 1908: 104,6, 1909; 89 Mill. kg (Gehe & Co.).
Chemie. Scheele entdeckte 1783 im Schweinefett das Glycerin («Ölsüßi.) und Chevreul
zerlegte es in zwei durch ihren Schmelzpunkt unterschiedene Substanzen, die beide verseifbar waren
und aus denen er einerseits die acide margarique, die von Heintz und Berthelot als Pal-
mitin-Stearinsäure erkannt wurde, andererseits die acide oleique abschied.
Das Schweinefett enthält Palmitinsäure, Stearinsäure und Ölsäure, wahr-
scheinlich in Form gemischter Glyceride, amerikanisches Schweinefett auch Triolein.
Daneben findet sich Linolsäure (Fahrion, Wallenstein und Finck, Farnsteiner,
Bömer) und vielleicht auch Linolensäure. Twitschell gibt an: io,o6'^/o Linol-
säure, 49,3 9 "/q Ölsäure und 40,5 5 "jg feste Fettsäuren. Partheil und Ferie fanden
große Mengen Myristinsäure und Laurinsäure und geben folgende, aber bei den
Fetten verschiedener Provenienz (Rasse, Körperstelle, Fütterung, Klima usw.) jeden-
falls wechselnde Mengen (im Mittel in "Jq) an: Stearinsäure 8,4, Palmitinsäure 4,48,
Myristinsäure 14,35, Laurinsäure 11,68, ungesättigte Säuren 54,05, davon stärker
ungesättigt 10,03. Kreis und Hafner erhielten das gemischte Glycerid Heptadecyl-
distearin (Daturadistearin?) 0^0^(0 .CnU^gO) {O .C^^Ug^O), F = 66,20.
Zwischen amerikanischen und europäischen Schweinefetten bestehen weitgehende
Unterschiede, ebenso zwischen dem Fett des Kopfes, Rückens, Fußes, Schinkens, so-
wie des Herzens, der Niere, des Flomen und Netzes. So schwankt z. B. das spez. Gew.
bei loo" zwischen 0,8588 und 0,8700, der Schmelzpunkt zwischen 26 und 45", die
Jodzahl zwischen 52,6 und 68,8. Kopffett hat eine besonders hohe Jodzahl (bis 85,03).
Die Jodzahl (d. h. der Gehalt an Ölsäure und Linolsäure) ist auch von der Fütte-
rungsart abhängig. Kranke und sehr fette, d. h. gemästete Schweine, produzieren ein.
an flüssigen Fettsäuren reicheres Fett. Das härteste Fett wird im Januar und Fe-
bruar erhalten. Das Unverseifbare beträgt im Mittel 0,3 5 "1^ (Lewkowitsch). Der
Wassergehalt ist gering, meist unter i "Jq. Stickstoffsubstanzen o,26''|u (König). Frisch
ausgeschmolzenes Fett ist fast neutral. Es enthält nur 0,09 — i "/{, freie Fettsäuren.
Reines Fett erstarrt feinkristallinisch. Die Kristalle, die man aus Äther erhält, sind
^28 Körperfette.
einzelne oder büschelförmig vereinigte oblonge Platten mit abgeschrägten Enden, die
für gewöhnlich keine Krümmungen zeigen (Belfield) — Unterschied von Rinds-
talg (s. d.).
Spez. Gew. bei 15": 0,931 — 0,940, bei 98": 0,860 — 0,862 (Pharm, helv. IV);
Schmelzpunkt: 26 — 31" (König) bis 37,5" (Thörner), 36 — 45" (Dieterich); 36
bis 40" (Ph. helv. IV); Erstarrungspunkt: 26 — 32"; Brechungsindex bei 60": 1,4539;
Hehnerzahl: 95,1 — 96,15; Reichert- Meißlzahl: 0,3 — 0,6; Verseif ungszahl : 193 — 200
(Pharm, austr. VIII: 194 — 197); Jodzahl: 46 — 64 (selten sogar 70 oder gar 85);
Pharm, helv.: 56 — 62, D. A. V : 46 — 66; Pharm, austr. VIII: 48 — 60; Brechungs-
exponent bei 40": 1,460b, bei 60": 1,4539 (Pharm, helv. IV bei 40": 1,4586 bis
1,4606). Die Fettsäuren zeigen den Erstarrungspunkt 34 — 40*', Schmelzpunkt 35 — 47",
Jodzahl 64,2 (Jodzahl der flüssigen Fettsäuren: 92 — 106). Schweinefett löst sich ge-
schmolzen in Petroläther, Chloroform, Äther, Benzol, Amylalkohol.
Dieterich fand (Methode in Helfenb. Ann. 1897) bei selbstausgelassenem Schweine-
fett Schmelzp. : 37 — 47"; S. Z.: 0,240 — 1,120; J. Z. n. H-W: 46,48 — 55,49; V. Z. k.: 195,32
bis 198,83; V. Z. h.: 192,54—199,16.
Die Verbrennungswärme von Schweinefett ist bei konst. Vol. 9469 g-cal. Es ist also ein
vorzügliches Nahrungsmittel.
Verfälschungen und Prüfung. Über die Verfälschungen und ihren Nachweis ist be-
sonders die Literatur der Nahrungsmittelcheraie sowie die Werke von Benedikt-Ulzer, Lew-
KOWITSCH und Hefter zu vergleichen; für Deutschland auch die Ausführungsbestimmungen zu
dem Gesetze betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3. Juni 1900. Als Ver-
fälschungen kommen besonders in Betracht: Baumwollsamenöl und Baumwollstearin, Arachisöl,
Sesamöl, Cocosfett, Palmkernö!, Rindstalg, Preßtalg, Rindsstearin, seltener Mineralöle und
Paraffin. Die Arzneibücher verlangen ein gleichmäßiges, streichbar weiches, nicht ranziges, zu
einer klaren, noch in i cm dicker Schicht farblosen, Flüssigkeit schmelzendes Fett, das möglichst
■wenig sauer ist (D. A. V : Säuregrad nicht über 2, Pharm, austr. : soll 0,2-norm. Kali, Pharm, helv.:
I ccm n/io weingeistiges Kali nicht neutralisieren), keine Mineralsäuren enthält 'Pharm, austr. :
Wasser damit geschüttelt färbt Lakmuspapier nicht rot) und auch kein Kochsalz. Auch soll es
die Silbernitratprobe aushalten (Ph. austr,).
Eine Mischung von 2 g Fett, 3 g Natronlauge und 2 g Weingeist soll im Wasserbade
gekocht auf Zusatz von 50 g Wasser und 10 g Weingeist klar bleiben (Mineralfette).
Die Pharm, helv. IV verlangt ferner; Überschichtet man farblose Salpetersäure (spec.
Gew. 1,4) mit einem gleichen Volumen geschmolzenem Schweinefett und dieses mit derselben
Menge Resorcin-Benzol, so soll beim Umschütteln keine vorübergehende rot- bis blauviolette
Färbung auftreten (Samenöle). Erhitzt man I Vol. geschmolzenes Schweinefett mit 2 Vol. Hal-
phens Reagens 10 Minuten lang im Kochsalzbade über 100°, so soll keine Rotfärbung auf-
treten (Baumwollsamenöl).
Werden je 5 ccm geschmolzenes Schweinefett und Salzsäure (spez. Gew. 1.19) I Minute
lang geschüttelt, dann 5 ccm Phloroglucin hinzugefügt und weiter geschüttelt, so soll keine
intensive Rotfärbung eintreten (gebleichtes und verdorbenes Fett).
Einen Aufschluß über die Reinheit eines Schweinefettes gibt (nach MüTER und KoNiNGH,
ASBOTH, Wallenstein und Finck u. and.) auch die Jodzahl des flüssigen Anteils («innere Jod-
zahU). Sie beträgt bei miUeleuropäischem Schmalz 93—96 (93,5 — 103,7), ^^^ amerikanischem
103—105 (95,2 — 104,9) — (bei Baumwollsamenöl 136).
Da Luft und Licht das Fett verändern (wasserhaltiges Fett wird leichter ranzig),
ist es in gut verschlossenen Gefäßen, vor Licht geschützt, aufzubewahren. Benzoi-
niertes Fett (Adeps benzoinatus) unterliegt dem Ranzigwerden weniger. Den Prozeß
des Ranzigwerdens hat hier Späth studiert; die Jodzahl nimmt ab, die Säurezahl zu,
ebenso die Refraktometeranzeige und der Schmelzpunkt. Adeps ist die wichtigste
Salbengrundlage und dient auch bei der Seifen- und Pflasterbereitung.
Sevum ovüe.
729
Lit. Scheele, Briefe u. Aufzeichn. Herausgegeb. von Nordenskiöld 1892. — Chevreul,
Rech. chim. sur les corps gras d'origine animale. Paris 1823 (vgl. auch S. 552). — AuchBRA
CONNOT untersuchte das Fett, Berard lieferte eine Elementaranalyse und A. Vogel (Trommsd.
Journ. d. Pharm. 16, I, 173) studierte sein Verhalten z.B. zu Licht und Luft. — Zahlreiche Ta-
bellen bei Lewkowitsch a. a. O., Benedikt-Ulzer a. a. O. und König a. a. O. — Dieterich,
Helfenb. Ann. 1897. — Die Trennung der Fettsäuren bei Partheil und FERife, Arch. Pharm.
1903, 545. — Späth, Zeitschr. anal. Qhem. 1896, 471. — Kreis und Hafner, Über natürlich
vorkommende und synthetisch dargestellte gemischte Fettsäureglyceride (mit Mikrophot.'). Zeitschr.
Unters. Nähr. u. Genußm. 1904, 641. — A. Hafner (Gemischte Glyc). Dissert. Basel 1904.
— E. POLKNSKE, Beitr. z. Unters, von Schweineschmalz. Arbeit, kais. Gesundheitsamt 22 (1905),
557 u. 576.
Über die Körperfette anderer Tiere: Gans, Reiher, Ente, Hund, Katze, Hase, Dachs,
Bär usw. vgl. Benedikt-Ulzer a. a. O., Lewkowitsch a. a. O. und Hager-Fischer-Hartwich,
Pharm. Praxis.
Sevum ovile.
Sebum oder Sevum ovillum; s. vervecinum, Hammeltalg, Hammelfett, Schöpsen-
talg; Unschlitt, im Volksmunde: Hirschtalg; — suif de mouton; inselt, mutton tallow,
mutton suet; sego di montone. — Bei Plinius: sevum.
Talg ind.), talk (ndl.), tealg (angs.), tallow (engl.), tolgr (anord.). Ein Zusammenhang
mit got. tulgus (= fest, also festgewordenes) erscheint Kluge nicht, mir wohl möglich, da das
Festsein gerade das wichtigste und charakteristischste am Talge ist gegenüber anderen Fetten.
— Das eigentlich hd, oberd. Wort ist aber Unschlitt (Kluge). — Ägyptisch heißt Talg: 'd
die hieroglyphischen Zeichen I, S. 467).
Hammeltalg wird durch Ausschmelzen des zerkleinerten, gewaschenen Fett-
gewebes, besonders des Bauchfettes gesunder Schafe, Ovis aries L., gewonnen. Pharm,
austr. läßt nur das Bauchfett zu. Pharm, helv. IV verlangt ausdrücklich Ausschmelzen
im Dampfbade. Im Handel ist als Hammeltalg der Talg von Schafen, Hammeln und
Ziegen, auch viel australischer, Dalmatiner und türkischer Talg. Für die Pharmazie
liefern den Hammeltalg einige große pharmazeutische Laboratorien. Schon Dioskurides
beschreibt die Darstellung von Sevum (der Böcke, Hirsche und Schafe) durch Er-
hitzen des gewaschenen Fettes mit Wasser über freiem Feuer.
Chemie. Der Hammeltalg, den bereits Chevreul untersuchte, und von dem
dieser und Berard bereits Elementaranal3'sen machten, — er und Braconnot gaben
80 "Iq fester und 2o''/q flüssiger Glyceride darin an — ist besonders reich an gemischten
Glyceriden. Hansen (Arch. f. Hygiene 42 [1902], i) isolierte daraus die gemischten
Glyceride Oleopalmitostearin C3H5(0 . CigHgjO) (OCigHgjO) (OC15H35O); F = 420,
Oleodipalmitin C3H5(0 . CigHggO) (O . CieHgiO),; F = 40", Dipalmitostearin
C3H5(OCieH3iO),(OCi8H350) F= 55O und Distearopalmitin CgH5(0 . Ci8H350)2
(OCjgKgiO) F ^ 62,5. Hafner fand dagegen (Diss. Basel 1904) nur das Palmito-
distearin: C3H5(OC,i;H3jO)(OCigH350)2 F = 63,2, das er durch die Spaltung, Unter-
suchung der Spaltungsprodukte und die Synthese bestätigte. Er hält die Glyceride
Hansens für Gemische. Den flüchtigen riechenden Stoff des Bockstalg nannte Chev-
reul H ircin.
Hammeltalg ist oft mit Rindstalg gemischt im Handel (mixed tallow). Er ist
härter als dieser, hat einen höheren Schmelz- und Erstarrungspunkt und wird leichter
ranzig. Seine Viskosität ist um iija^/c größer als die des Rindertalgs (Lidow).
730
Kürperfette.
Spez. Gew. tel 15": 0,037 — 0.961, bei loo": 0,858 — 0,860. Schmelzpunkt:
44 — 55" (49,5 — 55" Moser) D. A. V 45 — 50", Pharm, helv. 44 — so*"; Erstarrungs-
punkt: 32 — 41*'; Verseifungszahl: 192 — 196,5 (meist 194 — 195 Moser), nach Pharm,
austr. 193 — 195; Jodzahl: 32,7 — 44 (Thörner) bis 46,2 (Wilson); bei Dalmatiner
bisweilen nur 30,96 (Eisenstein), D. A. V und Pharm, helv.: 33 — 42; Hehnerzahl:
03,91 — 05,54; Bromthermalprobe: 7,55 — 8,9 (Archbutt); Brechungsexponent bei
6o<*: 1,4501; freie Fettsäuren: 0,72 — i.S"/,, (Ulzer); bei älterem Talg 6,1 — 9,3
(Fischer). Aus der Fabrikation (Säuretalg s. unten S. 731) stammt bisweilen ein Ge-
halt an Schwefel.säure. 2 g für pharmazeutische Zwecke verwendbarer Talg sollen
weniger als i ccm n|io Kali neutralisieren (Pharm, helv. IV). Säuregrad nicht über
5 (D. A. V). Die Fettsäuren besitzen einen Schmelzpunkt 45 — 56,5", Erstarrungs-
punkt 39 — 51, 9^ Jodzahl 31 — 34,8 (die flüssigen: 92,7).
Dieterich fand (1900): Schmelzp.: 45 — 52° (meist 47 — 49); S. Z. : 0,210 — 6,53; J. Z.:
33,02—42,83, V. Z. h.: 194,34—205,33; V. Z. k.: 194,82 — 200.
Die Verbrennungswärme von Hammelfett ist bei konst. Vol. 9492 g-cal.
Der Talg verschiedener Teile des Tieres differiert stark; so beträgt (nach Hehner und
Mitchell) :
Bei Nieren-
Rücken-
Kamm-
Herz-
Lenden-Fett
Jodzahl
Schmelzp.d. Fettsäuren
Stearinsäure
48,16
45.6
26,2 — 27,9
63,3
41,4
24,8
48,6
42,2
16,4
58,2
33,8
50,6
40,8
I keine Abscheid.
/ nach 2 Tagen.
Weitere Angaben über diese Differenz bei Moser (Ber. Landw. ehem. Vers. Anst.
Wien 1882 und 1883).
Die Kristalle, die man aus Äther erhält, sind Bündel sehr dünner Nadeln, die
pferdeschweifartig gekrümmt sind, etwa wie ein S (Belfield) — Unterschied gegen-
über Schweinefett (s. d.).
Prüfung. Auf Palmfett läßt Pharm, helv. durch Verrühren mit konz. Chlorzinklösuug
prüfen: es darf keine Grünfärbung eintreten. — I Teil Hammeltalg mit 5 Teilen Weingeist (90 "/„)
erwärmt und durchgeschüttelt soll nach dem Abkühlen eine klare, Lackmus nicht rötende
Flüssigkeit geben, die durch die gleiche Menge Wasser nicht getrübt wird. D.A. V und Pharm,
austr. Vtll schreiben ausdrücklich Hammeltalg vor. Pharm, helv. läßt auch Rindstalg (s. d.) zu.
Sevum bovinum.
Sebum taurinum, Rindstalg, Rindsfett, Unschlitt, suif de boeuf ou de veau;
suet of beef, beef tallow, ox tallow; sevo, sego di bove. — Bei Pltnius: .sevum.
Der Rohtalg, das wichtigste Rohmaterial, das die Fettindustrie verwertet, wird
vorwiegend aus dem Bindegewebe der Niere der Ochsen , Kühe und Kälber, Bos
Taurus L. ausgeschmolzen. Den besten Talg liefern die größeren zusammenhängen-
den Fettmassen (Rohkerntalg), geringeren der Rohausschnitt oder Brocken. Die dritte
Sorte ist der Ausschnittalg. Das Ausschmelzen (Talgschmelze) erfolgt entweder im
trockenen Schmelzverfahren mittelst direkten Feuers, indirekter Dampfheizung, Heiß-
wasser- oder Heißluftheizung oder im nassen Schmelzverfahren durch Ausschmelzen
auf Wasser entweder mittelst direkter Feuerung oder durch Dampfzufuhr. Bei diesem
Se\iira bovinum. 7JI
Verfahren wird dem Wasser bisweilen Schwefelsäure oder Natronlauge zugesetzt.
Neuerdings wird Talg auch in Autoklaven (Dampftalg) im Vakuum (Lidoff) und in
verbleiten Holzbottichen durch Kochen mit sehr verdünnter Schwefelsäure und Entsäuern
(Säuretalg) oder unter Zusatz von sehr verdünnter Natronlauge (s. oben) erzeugt. Der
Vakuumtalg und der Natrontalg sind fast geruchlos und rein weiß. Die überseeischen
Talge sind gefärbt, gelblich (australischer) dunkelgelb (nord- und südamerikan.) oder
noch stärker gefärbt (austral. und nordamerikanische «No-colour» Talge).
Der Handelsunschlitt wird in den zwei Sorten Kerntalg und Ausschnittalg
in Fässern oder Scheiben in den Handel gebracht. Er wird außer in Europa (Irland,
Holland, Budapest, Graz, Wien, Florenz, Triest, Paris) in Australien, Nord- und Süd-
amerika (New York, Buenos Aires), Rußland (Odessa, Orenburg, Petersburg) fabri-
ziert und exportiert. Durch Pressen wird der Talg in festen Preßtalg und flüssiges
Talgöl zerlegt. Rindstalg ist haltbarer als Hammeltalg.
Die Vereinigten Staaten exportierten 1908: 91397507, 190s: 5333-767 pounds tallow.
Chemie. Die Zusammensetzung des Rindstalgs wechselt nach der Körperstelle,
das Eingeweidefett ist das härteste, das Taschenfett das weichste (Tabelle von Mayer
bei Benedikt-Ulzer). Der Rindstalg, den bereits Chevreul untersuchte, ist reich
an gemischten Glyceriden. Hansen (Arch. f. Hyg. 1902) fand darin: Distearo-
palmitin F = 62,5", Verseifungszahl 195,65, Dipalmitostearin F = 55"^ V.
Z. 200,2, Dipalmitoolein F ^ 48", V. Z. 202,7, Jodzahl 30,18 und Stearo-
palmitoolein F. = 42*, V. Z. 195, J. Z. 29,13 (s. oben S. 729). Hafner fand
jedoch (1904) nur ein Palmitodistearin, wie im Hammeltalg (s. oben S. 729). Das
Verhältnis von Stearin zu Palmitin ist etwa i : i (Lewkowitsch). Im Talgstearin fand
Wallenstein: Olein 21,4, Stearin 65,4, Palmitin 13,2. Auch Linolensäure scheint
darin vorzukommen (Farnsteiner), bisweilen auch oxydierte Fettsäuren (Fahrion);
vielleicht auch Mj-ristinsäure. Der Gehalt an freien Fettsäuren schwankt. Frisch
ausgeschmolzener Rindstaig hat davon kaum 0,5 "Jq, beim Handelstalg erreichen sie
2 5*'|q und mehr.
Spez. Gew. bei 15": 0,943 — 0,952, bei 98": 0,8626, bei 100": 0,860.
Schmelzpunkt: 42 — 49" (meist 42 — 44, nie unter 40), Erstarrungspunkt: 27 — 38",
Verseifungszahl: igo,6 — 200, Säurezahl: meist 2 — 7 (Ulzer), Jodzahl: 35,4 — 45,2,
Hehnerzahl: 94,7 — 96,1, Reichert-Meißlzahl : 0,5, Brechungsquotient bei 40°: 1,4551,
bei 60": 1,4510. Die Fettsäuren zeigen ein spez. Gew. bei 100°: 0,8698, Erstar-
rungspunkt: 39,3 — 46,6" (meist 43 — 45), Schmelzpunkt: 43 — 47°. Die Verbrennungs-
wärme von Rindsfett ist bei konst. Vol. 9485g-cal.
Dieterich fand (1900. Methode: Helfenb. Ann. 1897): Schmelzp. 42,8 — 48,75°, S. Z.:
0,560—5,889, J. Z. nach H.-W.: 33,54—43,48, V. Z. h. : 195,28—205,01, V. Z. k. : 197,27 bis
201,52. Bei Preßtalg, Schmelzp.: 52,5—54,4°, S. Z.: 0,694— 1,600, J. Z.: 17,75-23,64.
Prüfung. Über die Untersuchung des Talgs vgl. Benkdikt-Ulzer und Lewkowitsch
a. a. O. Die Verfälschungsmittel sind zahlreich: Knochenfett, BaumwoUöl, besonders Baum-
wollstearin, Palmkernfett, Cocosfett, Wollfett, Stearin grease, Harz, Harzöl, Paraffin. Auch der
billigere Hammeltalg ist als Verfälschungsmittel beobachtet. Vgl. auch die für das Deutsche
Reich erlassene Verordnung betr. die zolltechnische Unterscheidung des Talges der schmalz-
artigen Fette usw. vom 6. Febr. 1896.
Geschichte. Schon Dioskurides gibt ausführliche Vorschriften zur Darstellung des
Fettes der Rinder, Kühe und Stiere (oxiaQ ßöstov und ravQSioi'). Er beschreibt auch das
Würzen {aQwftaziai^ov) der Fette, besonders des Kalb-, Stier-, Hirsch-, Gänse-, Hühnerfettes,
deren Geruch den Alten offenbar ebenso wie auch uns nicht angenehm war, mit Wein, Schoinos,
y , 2 Milchfette.
Casia, Calamus, Narde, Balsamholz und vielem anderen, sowie das aa/j.il'oixiyezat (das Aro-
matisieren mit Majoran).
In der Pharmazie wird noch bisweilen auch Sci'um liircinum (Ziegenbockstalg) und S.
cfrz'tniim (Hirschtalg) benutzt.
2. Milchfette.
Von den Milchfetten wurden früher einige medizinisch benutzt, wie z. B. die
Frauenmilchbutter, jetzt nur noch die Kuhbutter und auch diese nur in beschränktem
Maße (zu Augensalben usw.).
DiosKURiDES und Plinids beschreiben die Bereitung von Butter aus der Milch der Schafe,
Ziegen und Kühe, Hippokrates aus der der Stuten durch «Schütteln». Dioskurides kenntauch
einen Rus aus Butter. Die Frauen-, Kuh- und Ziegenmilch benutzten die alten Ägypter als
Arzneimittel.
Butyrum.
Butter, Milchfett; beurre de vache, butter fat, burro di vacca. — Butter mdh. buter, spät-
ahd. u. afries. bulera, (ahd. anko), ndl. boter, angls. butere aus ßovxvQOV (skyth..' kaum von
ßovq, wie Plinius will) — so schon bei Hippokrates — über bütyrum (lat. bei Plinius, Colu-
mella); daraus auch burro (ital.) und beurre (franz.) ; — mateca (span.), manteiga (port.), mantica
(rum.), vielleicht aus mantica (= Mantelsack, weil in sackartigen Schläuchen zubereitet?). — Grie-
chen und Römer kannten die Butter nur bei Barbaren (Skythen, Phrygiern, Thrakiern, Lusi-
taniern, Germanen). Da die germanischen Völker aber den roman. Namen aufnahmen, «müssen
demnach romanische Völker den Deutschen in der Butterbereitung oder -benutzung vor-
bildlich gewesen sein» (Schrader). — Anke steht zu anctan (altpr.), unguentum, und aüjana (sansc.
■= Salbe) in Beziehung — bedeutete also ursprünglich iSalbe zum Einreiben» (Schrader). — Auch
im vedischen Indien war Butter (ghrti) aus Milch als Genußmittel bekannt (Schrader). Indien
exportierte sogar davon, wie aus dem Periplus ersichtlich. Galen kennt die Butter nur als
Arzneimittel. Herodot beschreibt die Bereitung aus Stutenmilch bei den Skythen (IV, 2). PLI-
NIUS berichtet über die Herstellung der Butter bei den Nordländern (XXVIII, 133).
Gewinnung. Die Butter ist in der Milch der Kuh, des weiblichen Bos Tmtrus L. in
Form sehr kleiner Kügelchen durch die Eiweißkörper emulgiert enthalten und scheidet sich
beim Stehen, Zentrifugieren, Schlagen, Schütteln oder Schaukeln («Buttern») daraus ab, indem
sich die Fettkügelchen zusammenballen. «Durch das Schlagen wird die physikalische Beschaffen-
heit der Milch geändert. Die Oberflächenspannung wird geringer, die Milch zähflüssiger. Infolge-
dessen können die zu Häufchen vereinigten Feitröpfchen dem Schlage schwer ausweichen und
vereinigen sich leichter zu größeren Tropfen, die fest werden, sobald sie eine bestimmte Größe
erreicht haben. Die fest gewordenen Tropfen rufen infolge ihrer besonderen Anziehungskraft
auf die übrigen Milchbestandteile eine Veränderung der Flüssigkeit hervor» (SlEDEL 1902). Die
Milch enthält im Mittel zahlreicher Analysen (vgl. bei König) in %: Wasser 87,27, Casein
2,88, Albumin 0,51, Fett 3,68 (3 — 6, meist 3 — 4), Milchzucker 4,94, Asche 0,72; spez. Gew. im
Mittel 1,0313.
Chemie. Die Zusammensetzung der Butter schwankt. Sie enthält (nach König) in % =
69,96 — 90,92 Feit, 0,19 — 4,78 Casein, 0,05 — 1,63 Milchzucker, 0,02 — 15,08 Asche und 4,15 bis
35,12 Wasser. Meist enthält sie 83,41— 86,85 °/„ Fett, 0,59— 1,670 Casein, 'Ii54—i3)75 7o Wasser
und 0,09— 2,03% Salze (Vieth); Mittel (nach König) in "/o : 83,7 Fett, 0,76 Casein, 0,5 Milch-
zucker, 1,59 Salze, 13,45 Wasser. Gesalzene Butter enthält 3°/o und mehr Kochsalz.
Von Fettsäuren sind nachgewiesen als Hauptbestandteile: Palmitin-, Stearin-, Öl-
säure, sowie Myristin- und Laurinsäure; dann Essigsäure, Buttersäure, Capron-
säure.Caprylsäure, Caprinsäure und Arachinsäure. Das Vorkommen von Oxyfettsäuren
(BoNDZYNSKi und RUFi, Wachtel, Browne) bestreitet Lewkowitsch, der die Acetylzahlen durch
das Vorkommen von Mono- und Diglyceriden erklärt. Die Aldepalmitinsäure [n(C,„H3„Oj)
Butyrum. 733
Wanklvn] bedarf der Bestätigung, ebenso die Linolensäure. Die Mengenverhältnisse der einzelnen
Bestandteile werden sehr verschieden angegeben. Partheil und Ferie geben an in %: Butter-
säure 6,13, Capron-, Capryl- und Caprinsäure 2,09, Palmitin-, Stearin-, Myristin-
säure 49,46, Ölsäure 36,10, Glycerin 12,54. Nach Lewkowitsch bildet Stearinsäure aber
nur 0,49% der unlöslichen Fettsäuren. Nach Siegfeld ist keine oder nur sehr wenig Stearinsäure
vorhanden. Farnsteiner fand 5,4 — 5,5%, Henriques 5—6% flüchtige Fettsäuren. Duclaux
gibt für Capronsäure 2 — 2,6, für Buttersäure 3,38^3,65% an, Violette in guter Butter 5,33 bis
6,07 % Buttersäure, 3,23 — 3,66 "/o Capronsäure, 2,8 — 3 % feste flüchtige Säuren und 82,28 — 82,87 %
nichtflüchtige Säuren. Andere geben an; Butyrin 5 — 7,7 7o> Caproin, Caprylin und Caprin c. 3,5
bis 4"'/o (nach Bell, Blyth und Spallanzani : 0,1 — 2,28), Glyceride fester flüchtiger Säuren c. 3 %•
Glyceride nicht flüchtiger Fettsäuren c. 86,5 — 93, 5 "/o ^°'^ zwar Olein c. 37,7 — 42,2 (nach Par-
theil und Ferie ungesättigte Säuren: 30,6770)- Palmitin, Stearin usw. c. 50- — 53''/o "°7% Myristinsäure an. Diese zum Teil
stark differierenden Angaben zeigen, wie unsicher zurzeit noch die feinere Analyse der Fette ist.
Vorwiegend scheinen Triglyceride vorzuliegen. Aber sicher sind auch gemischte Glyceride im
Butterfett vorhanden. Blyth und Robertson fanden i88q in der Butter das erste gemischte
Glycerid, das Butyrooleopalmitin: C3Hj5(0 . CiH,0)(0 . C,8H350)(0 . C.gHäjO).
Außerdem enthält das Butterfett Cholesterin (möglicherweise auch etwas Phytosterin?)
— das Unverseifbare beträgt 0,35 — 0,51 7o — und Farbstoffe (Lactochrome). Sommerbutter ist
stärker gefärbt. Ob Lecithin, das zu 0,017 — 0,3^7o angegeben wird, wirklich normal darin
vorkommt, scheint noch zweifelhaft. JÄCKLE fand in fetter älterer Kochbutter 0,0035 — °>0'35 7o'
Unter dem Mikroskop zeigt normale Butter keine Kristalle. Beim Liegen tritt zunächst der
Geruch nach Buttersäureäthern, dann der nach Capron-, Caprin- und Caprylsäureäther und ein
Talggeruch hervor.
Die Untersuchung der Butter gehört in das Gebiet der Nahrungsmittelchemie. Butter bzw.
Butterfett wird in der Pharmacie gern zu Brandsalben benutzt , seltener zur Sapo butyrimts.
Butterfett ist geschmolzene, durch Absetzen vom Molken getrennte und heiß filtrierte Butter.
Lit. Benedikt-Ulzer a. a. O. (dort d. Literat.). — Lewkowitsch a. a. O. (dort d.
Literat.). — Hager-Fischer-Hartwich, Pharm. Praxis. — König, Chem. Zusammens. d. menschl.
Nahrungs- u. Genußm. 4. Aufl. 1903. — Blyth und Robertson, Proc. Chem. Soc. 1889, 5.- —
Bell (und Lewin), Chemistry of foods II, 44. — Partheil u. von Velsen, Grundl. d. refrak-
tometr. Butterunters. Arch. Ph. 1900. — Schaffer, Über d. chem. Zusammens. d. sog. Butteröls.
Landw. Jahrb. d. Schweiz. 1898. — Orla Jensen, Stud. über d. Ranzigwerd. d. Butter (Mikro-
organismen). Landw. Jahrb. d. Schweiz. 1901. — A. BoDE, Bezieh, zwischen d. Fett. d. Milch
und d. Kolostrums z. d. Fetten d. Nahrung d. mütterlich, u. kindl. Körpers. Diss. Bern 1909.
— Kluge, Etymol. Wörterbuch. — Schrader, Reallex. d. indogerman. Altertumskunde.
V. Wachse.
Die echten Wachse unterscheiden sich von den Fetten dadurch, daß bei ihnen
die Fettsäuren nicht mit dem dreiatomigen Alkohol, dem Glycerin, sondern mit ein-
oder zweiatomigen höheren Alkoholen (z. B. Cetyl-, Ceryl-, Myricyl-, Coccoceryl-
alkohol, Cholesterin, vgl. S. 547) verestert sind. Sie entwickein daher beim Erhitzen
keinen Acroleingeruch und werden, da die Wachsester schwer verseifbar sind, nicht
ranzig. Oft werden diese Wachsester von Kohlenwasserstoffen begleitet. Die Wachse
binden reichlich Wasser und werden dadurcli salbenartig.
1. Pflanzenwachse.
Viele Pflanzen bilden auf der Oberfläche ihrer Vegetations- (und bisweilen auch
Reproduktions-)Organe ofTenbar als Ausscheidungsprodukt der stets Wachs enthalten-
den Cuticula einen Wachsüberzug, der diesen Organen die Eigenschaft verleiht, nicht
yiA Pflanzenwachse.
oder schwer mit Wasser benetzbar zu sein und der wohl auch bisweilen als Schutz
gegen zu starke Verdunstung wirkt. Diese Wach.süberzüge sind bei den Pflanzen
unserer Klimata nur feinkörnige Überzüge, die als Reif erscheinen, bei einigen tropi-
schen Gewiichsen, besonders Palmen, erreichen dieselben aber bedeutende Mächtig-
keit und können mechanisch abgelöst werden. Sie bilden hier entweder eine Schicht
feiner, radial gestellter Stäbchen oder bis 5 mm dicke Krusten von kristallinischem
Gefüge. Schon Chevreul fand, daß das Wachs der Kohlblätter sich gleich verhielt
wie der nicht verseifbare Anteil des Bienenwachses. Die im Inneren von Zellen oder
als Membraninkrustationen vorkommenden «Wachse» stellen eine besondere, noch
näher zu studierende Form dar, die uns hier nicht näher interessiert. Das Japan-
wachs ist wie mehrere andere «Wachs» genannte Pflanzenprodukte ein Fett (s.S. /i r),
ebenso das Myrica- oder Myrtlewachs, Bay berry tallow von Myrica Cerifera L. Das
Godangwachs von Ficus ccriflua bildet den Übergang von Wachs zum Kautschuk
(Greshoef und Sack).
Lit. DE B.\RY, Bot. Zeit. 1871, 129 und Anatomie. — Wiesneb, Technische Mikroskopie,
Sitzungsber. d. Wien. Akad. u. Bot. Zeit. 1871 u. 1876. — TSCHIRCH, Angew. Anatomie Fig.
185 u. 186. — MiKOSCH in Wiesner Rohstoffe, 2. Aufl. — Greshoff und Sack, Zur Kenntn.
d. Wachse. Rec. trav. chim. d. Pays-Bas igoi, 65. — Über das Vorkommen und die Zusammen-
setzung von Pflanzenwachsen vgl. die Zusammenstellung in Czapek, Biochemie.
Carnaubawachs,
Canauba oder Carnahubawachs, Cearawachs, Cire de Carnauba, Carnauba wax,
Gera di carnauba. — Carnauba ist der Name der Palme bei den Eingeborenen von
Cearä. Andere brasilianische Namen sind : Carnahyba, Caranda, Carnanahyba, Cara-
naüve (Peckolt).
Das Carnaubawachs wird von der Carnaubapalme Copernicia cerifera Marx.
(Cotypha cerifera VjREY, Arrudaria cerifera Macedo), einer sehr nützlichen, zu den
Coryphinae-Sabaleae gehörenden, 10 — 15 m hohen Palme Südamerikas, gewonnen,
die besonders in den Staaten Cearä, Pemambuco, Rio grande do Norte, Piauhi, Para-
hyba, Maranhao, Matto grosso und Bahia, sowie in Venezuela wächst und von der
sowohl das Holz, wie die zu Flechtwerk, besonders Hüten, geeigneten Blätter, deren
Fasern (tucum) die Eingeborenen seit Menschengedenken anwenden, die eßbaren Blüten-
kolben und Früchte, sowie endlich das Stärkemehl des Stammes (farinha de carnauba),
der Zucker und Palmwein, sowie die Samen und die an NaCl reiche Asche der
Wurzeln benutzt werden (Dias, Peckolt). Es gilt von ihr fast das Gleiche wie von
der Cocospalme (S. 709). Das Wachs überzieht beide Seiten der bis 1,5 m langen
Blätter, besonders aber die Oberseite, in einer bis 5 mm dicken, aus prismatischen,
radialgestellten, dicht miteinander verbundenen Stäbchen bestehenden Schicht, die ab-
gelöst die Abdrücke der Epidermis erkennen läßt (Wiesner). Es bildet hier offenbar
eine Anpassung an trockenen Standort und das relativ trockene Klima von Cearä.
Denn die Palme bleibt frisch, auch wenn alles ringsum vertrocknet ist (Macedo). Die
Gewinnung des Camaubawachses erfolgt in der Weise, daß die zur Zeit der Trocken-
periode (September-März) mit einer an einer Stange befestigten Sichel abgeschnittenen,
in langen Reihen mit der Unterseite nach unten auf dem Boden getrockneten Blätter
(von jedem Baum werden c. 6 — 8 abgelöst) nach 4 — 5 Tagen auf Tüchern ausge-
breitet, zuerst abgebürstet und dann mit kleinen Stöcken geklopft werden, bis der
Carnaubawachs.
735
Wachsüberzug sich abgelöst hat. Um das Wachs besser abzulösen, werden die Blätter
mit einem Messer aufgeschlitzt. Das grauweiße Pulver wird entweder über freiem
Feuer geschmolzen oder mit der Hälfte des Gewichtes Wasser in einem eiser-
nen Topfe gekocht. Hierbei
steigt das Wachs als teigige
Masse an die Oberfläche.
Neuerdings (1894) werden
auch die Blätter direkt in
heißes Wasser gebracht und
das sich auf der Oberfläche
abscheidende Wachs abge-
nommen. Es wird dann ge-
schmolzen und in tönerne
Formen gegossen und kommt
jetzt meist gereinigt, d. h.
umgeschmolzen und heiß fil-
triert in sehr verschiedener
Güte in den Handel.
Etwa 2000 — 5000 Blätter
sollen 15 kg Wachs liefern, nach
Semler aber schon 850, nach
Lima und Peckolt 500 — 1200
Blätter 16 kg, was mir wahr-
scheinlicher erscheint, denn
sicher liefert doch ein so großes
Blatt, dessenWachsschicht 5 mm
Dicke erreicht, mehr als 3 — 15 g.
Es bildet einen beträchtlichen
Handelsartikel Brasiliens, das
davon jährlich über 4 Mill. kg
produziert. Viel wird im Lande
zur Kerzenfabrikation ver-
braucht. 1900 wurden c. 1000 t,
besonders aus der Umgegend
von Aracaly, ausgeführt, 1902
betrug die Produktion 1547,
1903: 1920 t. Die Ausfuhr aus
Brasilien betrug 1907: 2779000,
1908: 2592000, 1909:3042000
kg. Hamburg empfing 1897:
350000, 190;: 1760000, 1908:
1260000, 1909: 2069000, 1910:
1800000 kg. Das meiste geht
nachNordamerika. Die Vereinig-
ten Staaten importierten 1908:
3 701 156, 1909: 4088100 pounds Vegetable Wax (wohl vornehmlich Carnauba). Carnaubawachs
ist im Großhandel (in Säcken ä 75/80 kg) in zahlreichen Sorten zu finden: hellgelb extrafein,
primagelb, miltelgelb, graufett, unberaubt, grau-courant, dann raffiniert weiß Schmelzpunkt 74,
73, 71° und endlich Rückstände A, 00, B (Grossmann). Carnaubawachs ist Objekt der Speku-
lation. In Brasilien hat sich ein Monopol gebildet.
Neuerdings (1909) sind Versuche mit dem Anbau der Palme in den deutschen
Schutzgebieten gemacht worden.
Fig. 223.
Copernicia 'cerifera Mart.
Ausgewachsene und junge Palme. Der obere Teil des Stammes hat die Blatt-
narben abgeworfen, A ein Stammstiick mit diesen Narben. B Fruchtzweig.
[Aus Engler-Prantl, Pflanzenfamilien.]
J^f) Pflanzenwachse.
Das rohe Carnaubawachs ist schmutzig gelblich -grün, von Luftbläschen durch-
setzt, das gereinigte ist gelblich, das gebleichte fast weiß. Es ist oft von einem kristal-
linischen Anfluge bedeckt. Carnaubawachs ist hart, spröde, fast geschmacklos, frisch
etwas nach Cumarin riechend.
Chemie. Das Carnaubawachs, in dem Lewy 80,32 "/q C, 13,07 "Iq H und
6,61 "If, O fand, besteht hauptsächlich aus dem Cerotinsäure-Myricylester,
C.riHjj.CO — O.CgjHgg (Maskelyne), daneben finden sich auch die beiden Spaltungs-
produkte desselben: Cerotinsäure (Berard, Nafzger, CjjHjqO^ Marie, Cj^iHjäO,
HenriQUES, — das Vorkommen der Cerotinsäure im Carnaubawachs bedarf der Be-
stätigung, Stürcke nimmt eine isomere Säure an), und Myricylalkohol (CgoHgäO
oder Cg^H^^O (Gascard) = Melissylalkohol Pieverling, Story und Maskelyne),
die durch kalten Alkohol dem Wachse entzogen werden können. Der MjTicyialkohol
aus Carnaubawachs (Story-Maskelyne, Pieverling) ist identisch mit dem aus Bienen-
wachs (Marie). Femer enthält das Wachs (nach Stürcke) einen KohlenwasserstoflT
(F = 59), einen Alkohol CjvHg^O (F =r 76), Cerylalkohol (CogHj^O Henriques,
Cj^HäßO Gascard), einen zweiwertigen Alkohol, C25H52O.2 (F = 103,5), Carnauba-
säure (C24H^s02) F = 72,5, isomer mit Lignocerinsäure) als Ester und eine /-Oxy-
säure (C21H42O2) oder deren Lakton, vielleicht auch einen Alkohol, C23H5i;CH20H (?),
F = 76. Die früheren Angaben, daß das Wachs Palmitin-, Stearin- und Laurinsäure
enthalte, beruhen wohl auf einem Irrtum. Die Asche beträgt 0,14 — 0,83 "Jq (Story).
Sie enthält Fe. Das Wachs läßt sich auch mit alkoholischer Kalilauge sehr schwer
verseifen, 55 (Stürcke) bzw. 54,87 "/q (Allen und Thomson) sind unverseifbar.
Man kann die Verseifung dadurch erleichtern, daß man zur Erhöhung des Siede-
punktes höher siedende Kohlenwasserstoffe (z. B. Xylol) zusetzt (Regnar Berg).
Spez. Gew. bei 100°: 0,797 — 0,798 (Evers), Schraelzfiunkt: 83 — 86, meist c. 84° (bei ge-
bleichtem 61), Säurezahl: 4 — 8 (bei gebleicht. 0,56), Verseifungszahl: 79—95, meist c. 88 (bei
gebleicht. 33 — 34), Jodzahl: 13,17, kritische Lösungstemperatur: 154 — 154,5°, Butterrefraktometer-
anzeige bei 40°: 66. Dieterich fand bei Carnaubawachs naturale: S, Z. d. 2,8 — 4,2, E. Z.
73,9 — 77, V. Z. h. 76,72 — 81,2. Bei sog. Carnaubawachsrückständen: Schmelzp. 73 — 79°, S. Z. d.
6,4—18,3, E. Z. 7,3— 10,2, V. Z. h. 15,6—26,3.
Carnaubawachs ist das wichtigste Ersatzmittel des Bienenwachses, aber diesem
nicht gleichwertig. Es wird ihm aber oft beigemischt. Es dient jetzt unter anderem
viel bei Herstellung der Phonographenwalzen.
Als Ersatz des Bienenwachses wurde es zuerst von William Thomas Brand in den Ab-
handl. der Royal Society 1811 empfohlen, als Graf Galv£as an Lord Grandville eine Probe
gesandt hatte. Brand beschreibt schon eingehend seine Eigenschaften. Handelsartikel ist Car-
naubawachs etwa seit 1846, nach dem ungewöhnlich trockenen Jahre 1845. (Xoch 1836 konnte
MaCEDO kaum '/^ kg zusammenbringen.) Die Ausfuhr aus Cearä stieg dann von 26208 kg im
Jahre 1846 auf 68096 kg im Jahre 1860. 1862 kamen aus ganz Brasilien, besonders aus Ceard und
Aracati schon c. 720000 kg, von da an steigt die Ausfuhr beständig.
Lit. Die erste Beschreibung der Palme gab der brasilianische Botaniker Arruda (1810).
— M. A. DE Macedo, Notice sur le Palmier Carnauba. Paris 1867. (Dort ausführlichere An-
gaben über die Palme.) — Thiebaut de Berneaud, M^m. sur le Girier ou Arbre ä Cire etc.
Paris 1810. — Th. Peckolt, Kutzpfl. Brasiliens. Pharmac. Rundsch. 1888, 263. — H.Thekn,
Wachs, Prometheus 1894. — Drude in Engler-Prantl, Pflanzenfamilien (dort auch eine Ab-
bild.;. — Venvert. d. Carnaubap. in Brasilien. Tropenpflanzer 1901, 173, 1902, 256. — Zimmer-
mann, Die Wachspalme in Pflanzer 1907, 191 (dortÜbersicht über d. Benutzung der Wachspalme). —
Seemann, D. Palmen. — Mikosch in Wiesner, Rohstoff'e, 2. Aufl. — Semler, Trop. Agrikult.
— Brande, Gilb. Ann. 44 (1813), 287. — Lewy, Ann. chim. phys. 13, 449 (Elementaranalyse), —
Carnaubawachs.
737
Berard, BuU. soc. chim. 1868, 41. — Virey, Journ. pharm. 1834, i'^- — Gerhardt, Trait^ de
chim. org. 1854. — GiRARDiN, Lee. ^läm. d. chim. appl. 1861. — Story und Maskelyne, Journ.
ehem. soe. 7, 87. — Maskelyne, Ber. d. ehem. Ges. 1869, 44. — Benedi kt-Ulzer a. a. O.
— Stürcke, Lieb. Ann. 223 (1884), 283. — Pieverling, Ebenda 183 (1876), 344. — Chem.
Rev. über d. Fett- u. Harzind. 1905, 56. — K. Haegele, Beitr. z. Kenntn. d. im Carnaubaw.
Fig. 224.
Gruppe von Wachspalmen {Ceroxy/on andicola) mit Wachssammlem in den Anden. [Aus dem Prometheus 1903.]
enth. Myricylalkohols. Diss. Bern 1890. — Henriques, Ber. d. chem. Ges. 30 (1897) 1415. —
— Gascard, Journ. pharm, chim. 1893, 49. — Lionel Gtre Radcliffe, Journ. Soc. Chem.
Ind. 1906, 158. — Regnar Berg, Chem. Zeit. 1909, 886. — Valenta, Einfluß d. Carnauba-
wachses auf Schraelzp., Glanz und Härte von Fettkörpern, Wachs, Paraffin, Ceresin usw. Zeitschr.
Landw. Gew. 1883. — Dieterich, Helfenb. Ann.
Zu den Pflanzenwachsen gehören ferner:
Das Palmenwachs von Ceroxylon andicola H. B. (Fig. 224) und Klopstoch'a cerifera (vgl.
E. Kr., Die Wachspalme der Anden \Ceroxylon andicola\^ Prometheus 1903, 324, mit Abbild.);
Tschirch, Handbuch der Pharmakognosie. Bd. n. 47
73S
Animalische Wachse.
Raphiawachs von Raphia Riiffia Mart.;
Pisangwachs von J/KJaarlen, Pisang Karet — enthält Pisangcerylsäure (Cj^H^^Oj F =
71) und Pisangcerylalkohol (Cj^Hj^O F = 78 Greshoff und Sack);
Flachswachs von Linum usitatissimum L. ;
Gondang- (javanisches Pflanzen-)'Wachs, Sumatraw. (Getah lahu) von Füus cerißua'^xsuQYl.,
enthält Ficocerylsäure (CjjHäjOä F = 57) und Ficocerylalkohol (C,,HjjO F =■ 198 Greshoff
und Sack);
Curcaswachs von Jatropha Curcas^ die aber eine besondere Gruppe bilden.
Dem Carnaubawachs ähnlich scheint das Ocotillawachs von Fouquiera splendeits zu sein
(Schär, Arch. Ph. 1898), sowie das Zuckerrohrwachs (Wynberg, Dissert. Amsterdam 1909).
Von auf Blättern vorkommenden Wachsen sind (ich folge Czapek.s Biochemie) analysiert:
Das Wachs der Gramineenblätler (Myricylalkohol, Melissinsäure , Kohlenwasserstoff, Ceroten,
KÖNIG und KiESOw), der Musablättei (Myricyl-Fettsäureester, Greshoff und Sack"), der Euca-
lyptusblälter (Cerylalkohol, Hartner), der Buxusblätter (Palmilinsäure-Myricylester, BarbaGLIa),
der l'accinium Vi'tis Mfaea-'ByUier (Cerotinsäure-, Melissinsäure-, Palmitinsäure- und Myristinsäure-
ester des Myristyl- und Cerylalkohols, Oelze), der Tabakblätter (Myristyl-Melissinsäureester),
der Drimys granatensis-BViller (Wachsalkohol Drimol Hesse).
2. Animalische Wachse.
Von den tierischen Wachsen kennen wir sowohl solche von Säugetieren, als
auch Insektenwachse und von ersteren können wir wieder die Gruppe des Walrat
und die des Wollfettes unterscheiden.
a) Säugetierwachse.
g) Walratgruppe.
Cetaceum.
Sperma ceti, Album ceti, Ambra alba, Flos maris, Halosanthos, Spuma maris,
Walrat, Wallrath, Walrot, weißer Amber, Spermacet — Blanc de balaine, Cdtine,
Ambre blanc, — Spermaceti, Cetin — Spermaceto. — In der älteren englischen
Literatur (Sibbald): wale shot, Scale amber.
Etym. Sperma ceti (in Lappland hvalauki) — weil für den Samen des Wal gehalten
(s. Geschichte), ist eine zu Anfang des XVI. Jahrb., vermutlich auch noch früher, übliche Be-
zeichnung für Walrat (Flückiger). — FlÜckiger schreibt Walrath und Walrat, ältere Autoren
meist Wallrath. Ich schreibe der Walrat (nicht das W.), denn rat ist = Vorrath (z. B. an
Nahrungsmitteln), also Walrat = der Vorrath des Wals. Man dachte wohl, daß das Ol als
Reservestoff diene, was aber nicht der Fall zu sein scheint, aber immerhin als «Nebenfunktion»
möglich ist. Vielleicht ist aber das Wort Walrat aus dem älteren Walräm umgebildet und um-
gedeutet. — Cetaceum, aus Cete = Wal gebildet, so z. B. in der Pharm, borussica 1779
(ScHELENz). — Physeter (caussi bien que physalus», sagt CüViER), bedeutet Souffleur = Bläser,
■wegen des Wasserausblasens, das diese Tiere auszeichnet. — Cachalot ist ein baskischer Name
(cachau = Zahn). — Der «Physeter des gallischen Oceans» bei Plinius (IX, 3) war vielleicht
Physeter macrocephalus (kaum die Orca, die als Feinde der Wale beschrieben werden). Die
(pai.alva des Aristoteles und Aelius war wohl eine große, mit Zähnen versehene Cetacee (Cu-
viee). Plinius kannte von den wahren JSalaenaurten nur den zahnlosen Mysticetus des Mittel-
meeres, während Jijvenal in dem Verse «Quanto delphinis balaena britannica major» wohl Ba-
taena Mysticetus meint.
Stammtier und systemat. Stellung. Catodon macrocephalus Lacepede
(Physeter macrocephalus Shaw., Ph. trumpo, Balaena macrocephaia). Gemeiner
Cachalot, Cachelot, Pottfisch, Pottwal, Zahnwal, Spermwhale, in Grönland: kegutilik,
in Irland: tweldhval.
Cetaceum.
739
Mammalia, Cetodontes, Physeterides.
Pharm, helv. läßt auch das Cetaceum anderer Pottwale, Pharm, austr. das anderer Cato-
don- und P/ij'setrrailen zu. Es sind neuerdings Bedenken aufgetaucht, ob der Walrat des
heutigen Handels überhaupt von Catodon macrocephalus und nicht vielmehr von anderen Ceta-
ceen gesammelt wird. Besonders der Entenwal Heperoodon rostratus wird genannt. Es ist dies
möglich, da alle Glieder der Abteilung Fetthöhlen im Schädel besitzen (vgl. Fig. 228). Flu ckiGER
nennt auch Physeter Tursi'o^ Ph. Tnicrops (und Delphimis ed^niiihts}) Die Systematik der Abteilung
läßt aus begreiflichen Gründen zu wünschen übrig (s. weiter unten). Sie bietet unüberwindliche
Schwierigkeiten (PÖPPIG).
Beschreibung des Tieres. Der nur von tierischer Nahrung (bes. Cephalo-
poden) lebende Pottwal oder Cachalot ist ein riesiges, fast schwarzes, glattes,
glänzendes, unterseits weißliches, plumpes, das Meer bewohnendes Tier, das eine
Länge von 25 m und darüber bei einem Körperumfang von 9- — 12 m erreicht, «das
V\g. 225.
Weiblicher Pottwal. [Aus Martiny, Zool. med.]
ungeschlachteste und abenteuerlichste Mitglied der ganzen Ordnung» (Taf. XXIV). Der
große viereckige Kopf, der fast 1/3 der Körperlänge einnimmt, ist vom an der Stirn
fast senkrecht absteigend, und trägt dort etwas linksseitig ein Spritzloch (Fig. 225).
Echte Zähne finden sich nur im Unterkiefer, die des beträchtlich größeren Oberkiefers
verkümmern (Fig. 226). Augen und OhröfTnung sind klein. Der Kopf ist vom Körper
durch eine Querfurche geschieden, hinter welcher die Bnistfinnen liegen. Von dort
bis zum After ist der Körper fast walzenförmig, im letzten Drittel erhebt sich eine
unbewegliche Fettfiosse. Die sehr fettreiche Schwanzfinne ist eingeschnitten-zweilappig.
Das weibliche Tier trägt zwei Zitzen, das männliche einen riesigen Penis. An Größe
steht der Pottwal nur einigen der größten Bartenwale nach, gehört also zu den
größten Tieren der Erde. Das Weibchen bleibt aber in der Größe beträchtlich hinter
dem Männchen zurück und erreicht oft nur die halbe Länge.
Der Cachalot, der sich nur von Cephalopoden nährt, scheint vom Äquator bis
zu den Polen vorzukommen, im Atlantischen Ozean jetzt aber selten zu sein. Ob
die in der Südsee und im Stillen Ozean vorkommenden Arten spezifisch verschieden
sind von denen der nördlichen Meere erscheint zweifelhaft. Gray unterscheidet zwei
Arten von Pottwalen, deren jeder er den Rang einer Unterfamilie zuspricht. Es fragt
sich aber sehr, ob die hervorgehobenen Unterschiede nicht zufällige sind. Erfahrene
Walfischfänger nehmen nur eine einzige Art Pottwale an, behaupten aber, daß Aufent-
haltsort, Nahrung usw. auf Größe, Farbe usw. der Pottwale Einfluß haben. Auch
Beauregard nimmt nur eine Art an. Als eigentliche Heimat bezeichnet Pechuel-
LöscHE die zwischen 40" nördlicher und 40" südlicher Breite liegenden Meere, doch
47*
740
Animalische Wachse.
geJangt der Pottwal, warmen Strömungen folgend, bis 50, ja 60" n. und s. B. Er
kommt auch an die europäischen Küsten. Die eigentliche Heimat dürfte die südliche
Erdhälfte sein. Er durchzieht die Meere in oft enggeschlossenen «Schulen» oder
Scharen von verschiedener Stärke (20 — 30), die tiefsten Stellen und die Nähe von Steil-
küsten bevorzugend, oft von einem männlichen «Schulmeister» geführt, in Reihen hinter-
einander. Nur die riesigen Männchen (Bullen) trifft man auch einzeln, oft das Wasser
wie ein Dampfer durchpflügend oder senkrecht gestellt. Er kann fast eine Stunde
miter Wasser verweilen, ohne an die Oberfläche zum Atemholen zu kommen. Er
bläst so eigenartig, daß der Walfischfänger allein an diesem Geräusch schon den
echten Pottwal erkennt.
Jetzt ist nächst dem Stillen Ozean (San Francisco) die Südsee haupt-
Fig. 226.
Skelett eines männlichen Pottwal im Museum d'histoire naturelle in Paris. [Nach Beauregard, Mat. med. zool.]
sächlichster Jagdgrund. Der Fang ist gefährlich, wie zahlreiche in Brehms Tier-
leben erzählte Schiffergeschichten lehren. Der Fang erfolgt mit Harpunen und Lanzen
wie beim Walfischfang und wird außer im Stillen Ozean und der Südsee auch bei
den Azoren und im indischen Ozean (Mozambique, Sansibar, Ceylon), sowie in den
nördlichen Meeren (z. B. bei Schottland), hauptsächlich von Nordamerikanern und Eng-
ländern betrieben. Die erlegten Cachalote werden an das Schiff bugsiert, der Kopf ab-
gelöst und an Bord der Walratbehälter geöffnet. Aus dem Speck wird Tran gesotten.
Der Wal trägt nämlich in seinem Schädel Ölbehälter von riesigen Dimensionen, die offen-
bar den Zweck haben, den großen mit starken Knochen versehenen Körper im Wasser
schwebend zu erhalten und ihn gegen den langen Körper zu equilibrieren. Diese
Walratbehälter liegen in einer muldenförmigen Aushöhlung der Schnauze (Fig. 226)
und der oberen Fläche des Schädels vor dem eigentlichen Cranium, welches das
Gehirn enthält, und völlig von diesem getrennt (Fig. 227). Es sind deren zwei, denn
die Höhle ist durch eine wagerechte durchlöcherte Wand in zwei Kammern geteilt,
Tafel XXIV.
Tschircli, Handbuch der Pharnukognosie. Bd II. Verlag von Chr. Herrn. T.iuchnitz, Leipzig
Männlicher Pottwal. [Aus Brchms Thierleben.]
Cetaceura.
741
die jedoch zusammenhängen. Unter der dicken Specklage des Kopfes sich ausbreitende
Sehnenlagen («white horse») dienen ihnen als Decke. Die Fettbildung scheint hier
wie bei den übrigen Säugetieren im Bindehautzeilgewebe normal zu erfolgen, aber
ins Riesige gesteigert zu sein. Der reinste Walrat ist in den kleinsten und am wenig-
sten ligamentösen Zellen enthalten (Hunter). Entfernt man die äußere Kopfhaut
und die darunter liegende Specklage, so
stößt man auf zwei Höhlen. Auf der
rechten Seite der Nase und der Ober-
fläche des Kopfes liegt eine dreieckige
Höhla, bei den Cachelotfängern Case (^
Behälter), auch erste Kammer oder Klapp-
mütze genannt. Unter der Case im vor-
deren Teil der Schnauze, über dem Ober-
kiefer, findet sich eine zweite Höhle, bei
den Cachelotfängern Junk (Junke) ge-
nannt. Beide Höhlen sind 4 — 6' hoch
und enthalten 3000 bis 5000 (bei
großen Exemplaren nach Scoresby bis
10 000) Pfund Öl. Außer diesen beiden
großen Walrathöhlen findet sich noch
ein subkutaner Rückenkanal, eine ölfüh-
rende Röhre, die mit der unteren Kam-
mer in Verbindung steht, vom am Rück-
grat fort vom Kopfe bis zum Schwänze
verläuft, vorn Schenkel-, hinten finger-
dick ist. Nach Köhne sollen noch außer-
dem viele hundert kleine Seitengänge
zum Speck und Fleisch des ganzen Leibes
führen und auch im Fleische zerstreut
dünnhäutige, mit Walrat gefüllte Höh-
lungen sich finden. (BeAUREGARD be- Wand der Kammer (caisse). C Fetthülle, in weiche das rechte
Streitet [19OI], daß die Walrathöhle mit Nasenloch (D) getaucht ist. G linkes Nasenloch. H Scheide-
wandknorpel. L Speck. II linkes Nasenrauskelbiindel. N rechte
anderen in Verbindung steht.) Doch „„a linke Nasenmuskeln O Fettpolster, die Höhlung des Ma-
stammt der Walrat vorwiegend aus den ="""'• f^' ""* interma-xiUarknochens (Pi teilend.
[Aus Beauregard, Mal. med. zool.]
Kopfhöhlen , nach Beauregard sogar
nur aus der einen Höhle (A Fig. 227) « dans la region superieure de la face, immediatement
au-dessus de la narine droite, depuis la muraille osseuse verticale formee par l'ex-
tremite posterieure des maxillaires et le frontal, jusqu'ä l'extremite anterieure du
museau». Jedenfalls wird der Kopfwalrat (head matter) gesondert gesammelt und zu-
nächst nicht mit dem anderen gemischt. Die Ausbeute an Rohöl vom Pottwal
schwankt zwischen 11 50 und 33350 Ibs und beträgt im Durchschnitt 5750 — 6900 Ibs
beim Weibchen und bis 17250, ja 20700 Ibs beim Männchen (Lewkowitsch) ; nach
Beauregard beim Weibchen 15, beim Männchen 45 — 130 barils (i Bar. ;= 1 14II2 1).
Gewinnung. Auf der rechten Seite der Nase und der oberen Kopffläche be-
findet sich eine dreiseitige Höhle, die von den Walfischfängern die «Kappe» oder
«white horse» genannt wird. In diese wird eine Öffnung gemacht und das Öl in
Eimern herausgeschöpft. Die dichte Masse von Zellgewebe zwischen jener Stelle und
Q
Fig. 227.
Transversalschnitt durch den Kopf des Pottwal. A Raum, in
dem sich das Cetaceum findet (Organe du blanc). B faserige
74::
Animalische Wachse.
den Nasenlöchern enthält ebenfalls Öl. Das aus den Walrathöhlen frisch geschöpfte
Öl ist (infolge der Körperwärme des Tieres) flüssig, scheidet sich aber in kalter Luft
bald in zwei Teile, in den auskristallisierenden Walrat und das flü.ssig bleibende
Walratöl (Spermacetöl). Die er-
starrte, von Walratöl durchsetzte
Masse wird in Leinwandfilter ge-
bracht (boegged sperm) und in Haar-
säcken in der hydraulischen Presse
ausgepreßt (pressed sperm), die feste
Masse zur Abscheidung der U«rein-
lichkeiten und tierischen Fasern mit
Wasser gekocht, unigeschmolzen und
zur Entfernung des Öls mit schwa-
cher Potasche oder Kalilauge be-
handelt, gewaschen, durch Dampf
Schädel des Grindwals {^Globiocephalus melas) von der linken Seite, geschmolzen Und in Pormen ge-
mit der großen der Schnauze aufliegenden Fettmasse, f weiche Fett- , . , • i r i
masse. b feste bindegewebige Schicht unterhalb der durch eine dicke, gOSSCn, neUerdmgS aUCh Vielfach
schwarze Linie angedeuteten Oberhaut, n Nasenloch. 1 Luftsäckchen dann nOCh aUS Alkohol UmkristalÜ-
vom Nasengang ausgehend. . aij ou-rr -j
rxT ,. ,, « n T 1 u u j 7 1 1 siert. Auf den bchinen wird zu-
[Nach Murie, Aus Boas Lehrbuch d. Zoologie]
nächst das « Kopf öl» von dem weniger
wertvollen ^r mit rotierenden Messern abgeschnitten und die Mitte bei gewöhnlicher Tempe-
ratur einem sehr hohen Preßdruck ausgesetzt. Das abfließende (taut pressed oil) beträgt 5 /„.
Der Preßrückstand (ll°/o des Rohöls) ist roher brauner Walrat vom Schmelzp. 43,3 — 46,1, der
wie oben gereinigt wird. Auch das Walratöl ist ein wertvolles Produkt. Der Handel unter-
scheidet vom Walrat: französische Form, kubische Stücke äi5 — 20 kg, englische Form konisch,
amerikanische Form, runde Brote.
Daß Cetaceum auch im Meere schwimmend gefunden wurde berichtet Wormius,
Bartholini, Pouchet u. and. Es scheint dies wahrscheinlich, da es beim Absterben
der Tiere erstarrt und der Fäulnis widersteht. Das Altertum kannte nur dieses.
Im Darm (Rectum) des Pottwal (PouCHET et Beauregard) bildet sich das Ambra genannte
Sekret, das neben einem RiechstoflTeinen cholesterinartigen Körper (Adipocire Bouillon- Lagrange,
Ambrain Johni zu enthalten scheint. In einer dunklen orangefarbigen öligen Flüssigkeit schwimmen
oft '/j kg, bisweilen sogar bis 6, ja 10 kg schwere Klumpen, die man wohl den Harn-, Gallen-
oder Darmsteinen anderer Tiere vergleichen kann, die aber hier mit einem an Benzoe und Mo-
schus erinnernden, sehr dauerhaften Riechstoff durchtränkt sind. (Über den Amber existiert eine
große Menge von Fabeln.) Ob der Riechstoff der Ambra zu der vom Tier verspeisten Eledone
moschata, deren Reste man bisweilen darin neben denen von Weichtieren, Sepien usw. findet,
Beziehungen hat, ist noch nicht klar, aber wahrscheinlich. PoucHET fand, daß das Tier selbst
nach Ambra riecht. Aber dies kann eben auch eine Folge der ^/«■«'»«cnahrung sein Bisweilen tritt
Ambra als Auswürfling des Meeres an den Küsten Afrikas, Südamerikas, Ost- und Westindiens
auf oder wird schwimmend angetroffen. «Daß man wirklich Siücke von 90 kg, 1,5 m Länge
und 0,5 m Dicke aufgefischt hat, unterliegt keinem Zweifel» (Pechuel Lösche ibgi). Heute
Cetaceum. 743
kommt Ambra besonders aus Amerika, Japan, Madagaskar, Surinam und Java. Boston ist
Hauptplalz dafür. Sie bildet brjchige, graubraune, undurchsichtige Stücke mit schwarzen (Me-
lanin) und gelben Adern, die in der Hand erweichen, in heißem Alkohol und Äther und in
der Wärme auch in wässerigen Alkalien sich lösen und bei der Destillation 13% Ol geben.
Sie sollen angeblich Benzoesäure und Bernsteinsäure enthalten. Flüssige Ambra ist Styrax. Ge-
fälschte besteht oft aus Benzoe, Olibanum, Mehl und Moschus.
Lit. G. CuviER, Rfegne animal. Mammiferes pl. 100. — Rapp, D. Cetaceen zoolog.-
anatom. dargest. Stuttgart 1837. — Mart.ny, Naturgesch. d. f. d. Heilk. wichtig. Tiere. Gießen
1854 (dort auch die älteren Angaben über Ambra). — BEAiK, Nat. hist. of the Sperm Whale
1839. — Bennet, Narr, of the Whaling Voyage 1833 to 1836. London 1840. — Hunter, Phil.
Transact. 77 (1787), 390. — Beauregard, Mat. med. zoolog. Paris 1 901. — PoucHET et Beaure-
GARX), Rech. s. 1. Cachalot. Nouv. Arch. d. Museum (3) I und Note sur l'ambre gris C. r. Soc.
Bio!. 1892. — PoucHET et Chaves, Form, exter. du Cachal. Journ. d'Anat. phys. 1890. —
POUCHF.T, Le Cachalot Rev. d. Deux Mondes 1888 und Contrib. ä l'hist. du spermaceti. Ber-
gens Mus. Aarbog 1895. — Brehms Tierleben. — Boas, Lehrb. d. Zoologie.
Abbild.: M.artiny, Mediz. Zool. t. 7. — Schreber, Naturgesch. d. Säuget, t. 337. —
Brandt und Ratzeburg, Mediz. Zoolog, t. 12. — Lacepede, Hist. nat. des C^tacäes t. 10.
— Beauregard a. a. 0.
Handel. Spermaceti ist in Kisten ä 25 kg, raflf. prima in Blöcken, aber auch raff, in Tafeln
ä Va und i kg, jede Tafel in Papier gewickelt, im Handel (GrossmannI. Der meiste Wallrat stammt
aus Amerika (Kalifornien). 1909 war japanischer (Weigel), 1911 schottischer Walrat im Handel.
Er war billiger, aber schlechter als amerikanischer. Die Vereinigten Staat en exportierlen I9°7-
173985, 1908: 115 136, 1909: 57 605 pounds Spermaceti s^nA Sper?nacett Wax. Deutschland führte
1909: 212 dz Walrat ein, vorwiegend aus den Ver. Staaten Genaue Angaben aus neuerer Zeit
über den Umfang der «Produktion» fehlen. Von 1820— 1830 betrug der Ertrag jährlich c. 4600 t,
1831 : 7605 t. Jetzt ist der Ertrag zurückgegangen. Ein guter Poltwal ist gooo— 20000 M wert.
Chemie. Walrat besteht aus schneeweißen, bröckeligen, deutlich blätterig- kristal-
linischen, perlmutterglänzenden Stücken, die sich fettig anfühlen und sich fast wie
Wachs kauen. Der Geruch ist schwach, eigenartig und erinnert etwas an Wachs. Er
wird nicht leicht ranzig. Ranziger riecht tranig. Er brennt wie Wachs. In Wasser
und kaltem Alkohol ist Walrat unlöslich, wenig löslich in Benzin, leicht in Äther,
Chloroform und Schwefelkohlenstoff. Heißer Alkohol löst ihn vollständig. Beim Erkalten
scheiden sich die Ester kristallinisch wieder ab, das Filtrat soll nicht sauer oder alka-
lisch reagieren und mit Wasser keinen flockigen Niederschlag geben (Prüfung auf
Stearinsäure und Alkalien). Wässrige Lauge verseift kaum, alkoholische leicht.
Spez. Gewicht bei 15'': 0,930 — 0,960 [0,905 (?) Kebler] , D. A. V: 0,940
bis 0,945, bei 98": 0,808; Schmelzpunkt: 42 — 49 (44,5 — 47,4 Evans), bisweilen
bis 50, ja 68", Pharm, helv. IV: 41 — 50", D. A. V: 45 — 54«, Pharm, austr. 45
bis 50"; Erstarrungspunkt: 49 — 43,4; kritische Mischtemperatur nachCRiSMER: 120,5";
Säurezahl: i — 2 (o — 5); Verseifungszahl : 108 — 135, meist 128,7 — 134 (122 — 124
Evans); Jodzahl: 3,8 — 9,3; Gehalt an Un verseifbarem : 48,87. Pendler fand spez.
Gew. 0,942, Schmelzp. 42" (siebenmaliges Umkristallisieren aus Alkohol erhöht den
Schmelzpunkt auf 48,5, nach anderen auf 50 — 55'')' V.-Z. 134, J.-Z. 93, Gehalt an
unverseifbarer Substanz (Alkohole) 51,07, Schmelzpunkt der Alkohole 45". Jodzahl,
Schmelzpunkt, spez. Gewicht usw. sind natürlich davon abhängig, ob das Walratöl
ganz oder nur zum größten Teile aus dem Walrat entfernt ist. Je reiner das Produkt,
um so höher ist der Schmelzpunkt und um so niedriger die Jodzahl. Die Verbren-
nungswärme des Walrat ist größer als die aller anderen Fette; bei konstantem Vo-
lumen 9946 g-cal.
BuNSEN fand den Schmelzpunkt, = 47,7" bei gewöhnl. Druck, = 48,3" bei
29 Atm., = 50,9 bei 156 Atm.
^44
Animalische Wachse.
Die spez. Wämie ist zwischen +3" und — 21" = 0,385 (Person).
Das durch Alkohol vom öl vollständig befreite Cetaceum analysierte Chevreul. Er nannte
es Cetin (F = 49 "\ stellte es dem Cerin, Myricin, Elain, Stearin und Cholesterin gegenüber
und fand in ihm 81,66% C, l2,86 7o H und 5,4 O. Den durch Verseifen erhaltenen Alkohol
(Cetylalkohol) nannte er Äthal. Dumas und Peligot geben Margarinsäure. Elainsäure und
Ccten als Ester darin an. Auch Bkrard analysierte den Walrat. Heintz nahm die Alkohole
Stethai tC,sH,sO). Äthal (C,eH8,0), Methai (Cj^HsoO) und Lethal (C.jHseO) (die bei der
Oxydation Stearinsäure, Palmitinsäure, Myristinsäure und Laurinsäure lieferten) und einen in-
differenten Körper, CjjHj^O, darin an. Er betrachtete zuletzt den Walrat als aus Verbin-
dungen des Cetyl- und Stethyloxyds mit Stearinsäure, Palmitinsäure, Myristinsäure und Cocin-
säure bestehend. Cetinsäure und Cocinsäure sind zu streichen.
Der Hauptbestandteil des Walrates ist Palmitinsäure-Cetylester: CijHg^CO
— O.CißHgg (früher: cetinsaures Cetyloxyd, äthalsaures Äthal Heintz), der daraus
durch Umkristallisieren aus Alkohol gewonnen werden kann. Daneben finden sich
geringe Mengen ähnlicher Ester (außer Cetyialkohol (Hexadecylalkohol) ist auch Octa-
decylalkohoi , Cj^Hg^OH, gefunden), etwas freie Alkohole (Lewkowitsch) und viel-
leicht auch (wenn das Spermacetolöl nicht ganz entfernt war?) kleine Mengen anderer
Ester (nach Heintz [1854] der Laurin-, Myristin- und Stearinsäure, was aber der
Bestätigung bedarf), sowie palmitinsaures Kalium und die Salze anderer mit Palmitin-
säure homologer Fettsäuren. Die Alkohole betragen 51,4"/^, die Fettsäuren 53,45 "/q
(Lewkowitsch). Glycerin ist anscheinend nicht darin. Der Palmitinsäurecetylester
(Cetin), durch Umkristallisieren des Walrats aus Alkohol erhalten, zeigt den Schmelz-
punkt 45" (48,9 — 55°), Erstarrungspunkt 52^44,5*', kritische Mischtemperatur
nach Crismer 120", spez. Gewicht bei 90": 0,806, V.-Z. 129,1 — 130,1 (theoret.
116,9) (Braxderhorst). Der reine Ester gibt natürlich keine Jodzahl und
so ist die Jodzahl selbst und ihre Höhe ein Maßstab für dem Walrat
beigemengtes Walratöl. Schon für sich erhitzt liefert Walrat Palmitinsäure und
Ceten (Hexadecylen, Palmiten, CigHgj). Im Vakuum destilliert er zum Teil unzer-
setzt bei 3600.
Das beim Umkristallisieren des Walrat aus Alkohol in diesem bleibende Öl nannte Ber-
ZELIUS Cetinelai'n. Es gab ihm beim Verseifen die von der Ölsäure verschiedene Cetinelainsäure.
Das vom auskristallisierten Walrat abgetrennte (s. oben), dünnflüssige, fast geruchlose Sper-
macetöl (Walratöl, Pottwaltran, Ol. cetacei, huile de cachelot ou de Spermaceti, Sperm oil)
besteht aus Estern einatomiger Fettalkohole mit einer Säure der Olsäurereihe (Physetölsäure [?]
Hofstädter, von P'endler bestritten) ; enthält ferner eine feste Fettsäure, Baldriansäure (?) und
Glycerin (HofstJüjter, Fendler, Allen fand nur Spuren, Lewkowitsch bestreitet das Vor-
kommen von Glycerin). Es sind darin 35% (Allen, 39% Fendler) Alkohole und zwar 25%
primäre Alkohole (Lewkowitsch) sowie 60 — 65 "/„ Fettsäuren enthalten. Die Fettsäuren bestehen
aus 85,78% flüssigen und i4,22°/o festen (Fendler). Die Alkohole sind ungesättigt (Lewko-
witsch) und scheinen zur Äthylenreihe zu gehören, deren höhere Glieder zurzeit noch unbe-
kannt sind. Freie Fettsäuren enthält das Öl nur wenig (0,11 — 0,42 Deering).
Wallrat findet sich auch unter den festen Bestandteilen einiger Trane (z. B. im Delphin-
und Hai-Öl).
Lit. Ältere Analysen von Chevreul (cit. in Gmelins Handb. 11, 440). Dumas und Peligot,
Ann. chim. phys. 72, 5. — Pereira, Elements. — Fourcroy, Syst. d. connoissances chim. IX.
— BosTOCK, Nichols. joum. IV, 130 (N. Allg. Journ. d. Chem. V). — Pfaff, Syst. d. Mat.
medic. 1808. — Smith, Lieb. Ann. 42, 241. — Radcliff, Ebenda 43, 349. — Hofstädter,
Lieb. Ann. 91 (1854), 177. — Heintz, Lieb. Ann. 92 (1854), 299; Pogg. Ann. 87, 267 u. 93,
519; Journ. pr. Chem. 57, 30. — Lewkowitsch, Chem. Zeit. 1893, 1453. — Kebler, Journ.
soc. ehem. ind. 1896, 206. — Lymann und Kebler, Amer. journ. pharm 1896, 7. — Fendler,
Chem. Zeit. 29 (1905), 555. — Röder (Prüf, auf Stearins.), Köders Jahresber. 1904. — Bran-
DERHorst, Pharm. Weekbl. 1909, 1043. — Lewkowitsch a. a. O. — Benedi kt-Ulzer a.a.O.
Cetaceum.
745
Cetaceum wird außer in der Pharmazie auch in der Kerzenfabrikation benutzt.
Verfälschungen. Verfälschungen des Walrat kommen selten vor, da jeder Zusatz das
eigenartige Aussehen des Walrat verändert. Beimischung von Stearinsäure, die vorkommt, er-
höht die Säurezahl. I g Walrat, i g NajC03 und 50 ccm Weingeist gekocht geben ein Filtrat,
das mit Essigsäure angesäuert sich höchstens trüben darf (Stearinsäure). Seltener sind Talg,
Solar spermaceti (Margarinsäure I, Paraffin und Wachs beobachtet. Gelber ranziger Walrat ist
zu verwerfen.
Geschichte. Den Alten war Sperma ceti möglicherweise bekannt. Die Beschreibung der
Salzblüte (Flos sah's) bei Plinius (XXXI, 42) : riecht unangenehm, ähnlich wie Fisch brühe, hat
weder mit dem Salze noch dem Salzschaume Ähnlichkeit, zeigt beim Drücicen eine Art Öl, denn
im Salze steckt eine gewisse Fettigkeit, deutet auf Rohwalrat und das, was Dioskurides (V, 128)
über aXoq av&oq sagt: übler Geruch, fettiger Geschmack, löslich in Öl ■ — spricht nicht dagegen,
jedenfalls nicht für eine Salzart oder für Ambra, womit es Mathioli identifizieren wollte, die
aber doch wohlriechend ist. Was soll es denn sonst sein? Halosanthos wurde im Altertum medi-
zinisch benutzt (Plinius, Dioskuridus). Doch meint Flückiger, «der Walrat scheint erst im
Mittelalter in medizinischen Gebrauch genommen worden zu sein» (Grundriß 1894) und auch
PoucHET hält den Halosanthos nicht für Walrat. Die Bemerkung bei Megenberg nach Isi-
DORUS VON Sevilla «des visches säm wirt gevangen oben auf dem Wazzer, wan so er geunkäuscht
hat, so swimt der s.im oben, den er geläzen hat, den vaeht man denn und tuot in in klein
Fläschel und den walräm trinkt man nüehtern», deutet bestimmt auf Walrat. Es erscheint
möglich, daß auch der Halosanthos der Salernitaner Walrat war. (PoucHET bestreitet dies.)
In der Alphita steht: Alosanthos i. c. flos maris (Flückiger). Über den Walfang in Europa
und Asien (indischer Ozean) liegen jedenfalls schon Nachrichten aus dem VII. bis IX. Jahrh.
vor. Er war schon damals wohlbekannt (Lippmann). Eine Abbildung der Zerlegung des Wals
findet sich schon bei Lonicerus (1582), wohl nach älterer Quelle (auch PoMET hat eine
solche). Albertus Magnus (XIII. Jahrh.) kannte in Holland gestrandete Pottwale (Flückiger).
Auch Clusius erwähnt sie. Mit besonderem Eifer wurde aber der Pottwal, auf den seit alten
Zeiten Jagd gemacht wird, seit Ende des XVn. Jahrh. verfolgt. Sicher genannt finde ich Ceta-
ceum zuerst im Nördlinger Register von 1480 als spermaceti und im Braunschweiger Register
(1521) steht Spermacety brabant. Es wurde also bereits in den Apotheken des XV. und XVI.
Jahrh. gehalten. Im Dispensatorium des CoRDUS von 1546 bildete Spermacet neben Butter einen
Bestandteil des Ungicentiim potabile(^i.iJcK\G'E,'g.), das ich aber in keinem älteren Dispensatorium
finde. Walrat muß damals gut bekannt gewesen sein, denn die Scholien zum Texte des Dispen-
satoriums, z. B. in der Ausgabe 1627, die alle zweifelhaften Drogen erläutern, geben hierzu
keine Anmerkung. CoRDUS schrieb eine eigene Dissertatio de halosantho seci Spermate Ceti
vulgo diclo. Zürich 1565. Möglicherweise ist die Amhragialla (die zweite Art) im Ricettario
fiorentino auch Cetaceiitn. Aurh in England war Walrat im XVI. Jahrh. gut bekannt. In Shake-
speares 1598 erschienenen Heinrich IV. steht (I Act. 3 Sc): And telling me the sovereign'st
thing on earth wasparmaceti for an inward bruise». Er wurde im Beginn des XVI. Jahrh. in
den Mittelmeerländern schon viel gebraucht, kann also, entgegen Kirkby, Leonardo da Vinci
(f 1519) sehr wohl bekannt gewesen sein. Der Streit über die Florabüste hat diese Frage aktuell
gemacht. (PiNKUS fand in der Florabüste Walrat, nachgewiesen durch Cetylalkohol.) Walrat wird
auch bei Gesner (Hist. animal. Zürich 1558. Nach Pouchet bezieht sich die Stelle nicht auf Walrat),
bei Clusius (Exotic. 1. X 1605), bei Sibbald (Phaenologia nova 1692) erwähnt. Die Stelle lautet bei
Clusius (Exoticorum in Lib. VI): «Reperisse autem dicebantur mercatores in beluae capite plus
quam quartam partem dolii in quo adservantur saliti haleces, plenam ejus liquoris quem vulgo
Sperma ceti, HoUandi Wadschot appellant.» Clusius bildet das Tier ab. Auch Nie. Lemäry
bemerkt (Traiti univers, d. dr 1714), daß er nicht der Same von Walen sei (also kein «Sperma»),
sondern aus dem Kopfe der Wale stamme, was zuerst der Abb6 Bourdelot (c. 1670) fest-
gestellt habe, was aber, wie erwähnt, schon Clusius wußte und später Elsner (Miscell. Acad. nat.
1 1652), Bartholini, Worm (Museum 1615), Sa£mon (Seplasium 1693), Qüincy (Dispens. 1719)
bestätigten. Ettmüller hat diese Anschauung dann in einer eigenen Disputatio De Spermate
Ceti verteidigt. Cordus hielt ihn für den Samen, Gesner für die Milch des Walfisches. Aber
eigentlich finden wir schon bei der Hildegard eine beinahe richtige Deutung, die davon spricht,
daß das Gehirn der Wale mit Wasser gekocht und mit Öl vermischt eine Salbe gebe. Der
746
Cholesterinwachse.
Renaissancezeit war der AValfischfang, der AVallisclUran und der Walrat also gut bekannt. Pomet,
der die Bereitung selbst sah, bemerkt, daß man 1688 aus einem Kopfe 24 Bareis (vingt quatre
bariques) Walrat gewonnen habe. Pomet sagt (Hist. gener. d. drog. 1694 I, p. 74): «Le blanc
de Baieine, que tout les anciens et modernes ont appelle et qu'on appelle encore aujoud'huy
tris mal-ä-propos, sperme ou nature de Baieine est la Cervelle d'une espece de Baieine, que les
Basques appellent By aris et ceux de S. Jean du Luz Cachalot. Cet Animal, suivant quelques
uns, est appeU Balei ne male et des Latins Orca.» Er sagt ferner; «Le Blanc de Baieine se
prepare ordinairenient i Bayonne et ä Saint Jean du Luz et cette fabrique est si rare en France
qu'il n'y a pour le present que deux personnes ä S. Jean de Luz qui si;avent bien preparer entre
antre le Sieur Jean de Haraneder Monsequir». PoMET schildert das Ausschmelzen und wiederholte
Umschmelzen behufs Reinigung und erwähnt bereits die Verfälschung mit weißem Wachs. Ende
des XVn.Jahrh. unterschied J. G. Elsner das aus dem Kopfe stammende Sperma Ceti von dem
Sperma balaene der Einwohner Nord-Europas. Um 1700 war die Droge jedenfalls gut bekannt, auch
ihrer Provenienz nach. Sie findet sich z. B. auch bei Berlu als Sperma Coeti von Irland und
den Bermuden (I, S. 590), der sie aber als den Samen des Wals betrachtet, trotzdem er wußte,
daß sie im Kopfe sich findet. Die abenteuerlichste Vorstellung bildete sich Schröder (1669)
über dies «Bitumen» und «fettige Exkrement», das er als aus Schwefel, Seesalz und Fett ge-
mischt annimmt. Erst Camper und Hunter zeigten Ende des XVIH. Jahrb., daß die Walrat-
höhlen nichts mit dem Gehirn zu tun haben.
In Valentinis Museum Museorum (1704) wird bemerkt, daß der Walrath, Wolram
oder Weiset von der Grönländischen Compagnie vom Walfischfang mitgebracht werde.
Der Reinigung des rohen Walrat durch Abseihen des flüssig bleibenden Öls in Lübeck und
Amsterdam gedenkt N. Schurtz in seiner Materialkammer 1673 und die Reinigung des Roh-
walrat mittelst Kalk und Aschenlauge in Holland und Lübeck beschreibt schon EttmOller
(wiedergegeben bei Valentini). Das Behandeln des Fettes mit Potasche war im XVIIL Jahrh.
gut bekannt (vgl. z. B. Brookes, Introd. to phys. and surg. 1754). Einer chemischen Unter-
suchung unterwarf ihn zuerst Neumann (I, S. 961), dann Fourcroy; Lorenz Grell stellte 1779
seine Feltnatur fest. Sein Vorkommen in den Dispensatorien hat SCHKLENZ verfolgt. Walrat
findet sich als Pinguedo Cerebri Ceti in der Pharm. Edinburgensis 1761 und in der Wirtem-
bergica 1771 u. and. Pharm, borussica 1779 erwähnt die Reinigung mit Kalilauge. Das Ccra-
titm Cetacei, die Lippenpomade, scheint zuerst im Dispensator. Lippiacum 1792 aufzutreten,
Cold Cream schon bei Spielmann (I, S. 965) und früher (als Ungt. infrigidans) , wurde aber
unter dem Namen erst durch Hudson Anfang des XIX. Jahrh. eingeführt und der Name kam
dann auch in die Pharmacopoee von Montpellier 1845 (Schelenz). Im XVIH. Jahrh. wurden
Walratkerzen ziemlich viel gebraucht. Sie dienen noch heute zur Herstellung der Normalkerzen
bei photometrischen Versuchen.
Die (oder das?) Ambra (arab. anbar, ambar) war im Altertum unbekannt (die Ambra
der Alten war der Balsam eines Liquidambar). Ihr eigenartiger, sehr intensiver Geruch wäre
gewiß von den Autoren erwähnt worden. Durch die Medizin und besonders die Parfümerie der
Araber und des frühen Mittelalters gelangte sie zu hohem Ansehn und wurde viel zur Her-
stellung des Pomum Ambrae , des Bisamapfels (eines Riechbüchschens) benutzt (Flückiger).
Ihre Herkunft wurde erst 1724 bekannt. Ricettario fiorentino (I, S. 793) unterscheidet Ambra
odorifera, Ambra nera (von Grenoble) und Ambra gialla, und von letzterer wieder: siiccimim,
dann un grosso 0 bitume, welchen das Meer auswirft (wie ich glaube Cetaceum) und un liquore
che destilla da certi arbori (wohl Terpentin).
Lit. FlÜckiger, Pharm. Chemie und Grundriß; Pharm. Journ. 1910, i, 385, 442. —
KiRKBY, Spermacet, Pharm. Journ. 1910, i, 511. — Schelenz, Walrath. Chem. Ind. 1910,
Nr. 13. — PiNKUS, D. Wachs d. Florabüste. Chem. Zeit. 1910, 277. — Rathgen, Unters, d.
Wachs der Florabüste. Ebenda 1910, 305. — Beauregard a. a. O. — Pouchet (Ambra),
Vol. comm^m. du centennaire du Museum 1893.
/3) Cholesterinwachse.
Eine besondere Gruppe der Körperfette bilden die Cholesterine enthaltenden
Wollfette, die in der Rohwolle vorkommen und aus den Wollwaschwässern jetzt im
Cholesterinwachse.
747
Großen abgeschieden werden, ursprünglich besonders deshalb, weil die Polizei das
Einfließenlassen der Abwässer der Wollwäschereien in die durch sie verpesteten Fluß-
läufe verbot und eine Selbstreinigung der Abwässer unmöglich ist.
Liebreich behauptete (1885), daß Cholesterinfette (Lanolin) in dem keratinhaltigen Ge-
webe, wie der menschlichen Haut, den Haaren, des Vernix caseosa usw. sowie in dem Fett der
Niere, der Leber und des Blutes vorkommen. Dies wurde aber von Buzzi und Santi (1889)
bestritten. Santi zeigte, daß Cholesterin und Lanolin nicht die gleichen Reaktionen geben und
meint, daß in den genannten Organen nur Cholesterin, nicht Cholesterinester, vorhanden sind.
Das Blutplasma enthält Cholesterinester (HÜrthle) neben Cholesterin, die Blutkörperchen Chole-
sterin(HEPNER). In derSchafwolIekommenjedenfallsauch Cholesterinester vor. Burchard betrachtet
(Dissert. Rostock 1889) die Sterine als im Plasma jeder entwicklungsfähigen Zelle der Tiere
vorkommend. — Cholestearin, Cholsterin (so schreibt z. B. LiEBro) oder Cholesterin wurde zuerst
von CONRAD! (^Dissert. Jena 1775) und Gren (Diss. Halle 1788) in den Gallensteinen aufgefunden.
Es findet sich dort frei und verestert. Es wurde zuerst von Chevreul, Couerbe und Marchand
analysiert und von Chevreul benannt. Das rechtsdrehende Isocholesterin wurde 1872 von
E. Schulze im Wollfett der Schafe aufgefunden.
Das Cholesterin besitzt die merkwürdige Fähigkeit die roten Blutkörperchen vor
der Einwirkung der Hämolysine (Saponine, Solanin, Schlangengift) zu schützen, daher
wird ihm eine entgiftende Rolle zugeschrieben, resp. die Fähigkeit den Organismus
gegen ihm von außen zugeführte hämolytische Substanzen zu schützen. Jedenfalls wirkt
Cholesterin entgiftend auf Saponine (Ransom) und gibt mit Digitonin unlösliche Ad-
ditionsprodukte. Im tierischen Organismus ist vorwiegend nur das eigentliche Chole-
sterin (CjyH^gOH.H.jO Mauthner und Suida, van Oordt, C27H^i;0 Diels und
Abderhalden), F^ ^47", [«]d = - — Siii^", gefunden worden und zwar bei
Vertebraten (Säugetieren, Vögeln, Reptilien, Fischen), Tunikaten, Mollusken, Arthro-
poden, Würmern, Echinodermen. Es war überall das gleiche (Doree). Bei den In-
sekten dagegen scheinen mehrere verschiedene Sterine vorzukommen, wie z. B. das
Bombicesterin und ein anderes bei Blatta, doch ist auch normales Cholesterin in
dem an Unverseifbaren sehr reichen Öle der Insekten nachgewiesen (z. B. in den
Canthariden, in Melolontlia, Octopus Welsch). Auch in den Schwämmen sind be-
sondere Zoosterine [Spongosterin (C27H48O), Clionasterin Doree] gefunden worden.
Neben dem Cholesterin findet sich dann noch in den Tieren oft Isocholesterin
(CjgH^gOH Schulze) und in den Faeces Coprosterin (CjyH^jOH Bondzynski)
und Hippocoprosterin, die Doree in einer besonderen Klasse vereinigt. Oxy-
cholesterin (Co^H^jlOH),) ist außer im Wollschweiß auch im Blut und den Knochen
gefunden worden (Lifschütz).
Eine verwandte Gruppe von Körpern findet sich bei den pflanzen. Ein Vertreter derselben
wurde zuerst von Hesse (1878) von dem tierischen Cholesterin unterschieden und Phytosterin
genannt. Hesse und Thoms fassen alle pflanzlichen Sterine unter dem Namen Phytosterin zu-
sammen. Von Abderhalden (Lehrb. d. phys. Chem. 1909) wurde dann der Name Sterine
für alle Cholesterme und Phytosterine vorgeschlagen. Doree wünscht den Namen Cholesterin
nur für die in der Natur vorkommenden, ungesättigten Alkohole der Formel CjjH^jO zu reser-
vieren Cholesterin und Phytosterin lösen sich in Chloralalkoholat leicht, schwerer und zwar
verschieden schwer in Chloralhydratlösung (Schereri. Auf der Wiener Naturforscherversamm-
lung 1894 habe ich darauf hingewiesen, daß wir in den Phy tos terin en eine ganze Klasse
von nahe verwandten Substanzen nicht nur ein Individuum vor uns haben und daß diese Körper
zu den regelmäßigen Bestandteilen des Plasmas der Vegetationsorgane der höheren Pflanzen
gehören. Bei den Schleimpilzen hatten sie schon Reinke und Rodewald im Plasma gefunden
und in Reservesloff'behältern, besonders Samen, waren sie schon 1862 von Beneke als weitver-
breitet erkannt worden (analysiert hat Beneke nur das Phytosterin der Erbse, gefunden aber
748
Cholesterinwachse.
auch eins im Olivenöl). Auch Power und seine Mitarbeiter stießen fast bei jeder ihrer Drogen-
untersuchungen der letzten 10 Jahre auf Pliytosterine. Sie finden sich bei den Samen im Öl-
plasma (TsCH1RCh\ bei den Sklerotien von Claviceps purpurca wohl in den Oleoplasten. Aber
welche Rolle sie spielen ist noch ganz unklar. Reservestoffe sind sie keinesfalls, denn ihre
Menge vermehrt sich beim Keimen (Schulze). Beneke meint, indem er auf das Vorkommen
im Eidotter und den Samen hinweist, daß sie «sich gerade überall da finden, wo der Lebens-
prozeß und die Entwicklung der organischen Formen ihre reichste Entfaltung erfahren». In die
Fette des Handels gelangen sie dadurch, daß sie sich, da sie am gleichen Orte wie diese vor-
kommen, beim Auspressen oder Ausschmelzen des Ausgangsmaterials in dem Fett lösen —
also rein zufällig. i;
Bei der Pflanze findet sich nicht ein, sondern mehrere Sterine. Die Mannigfaltigkeit ist
also bei ihr, die ja überhaupt ein viel besserer Chemiker ist wie das Tier, viel größer. Am
weitesten verbreitet ist hier das Phytosterin, das Hesse in Calabarbohnen und ich in zahl-
reichen anderen Pflanzen beim Ausschütteln alkalischer Blattaus-^üge mit Äther fand (Cj^H^^O).
H,OF^ 138,5") und das wohl mit Sitosterin (C2,H^50H . HjO Burian, Ritter) identisch
ist. Wahrscheinlich sind alle in Pflanzen gefundenen, zwischen 132 und 138° schmelzenden
Phytosterine mehr oder weniger reines Sitosterin, z. B. das Ampelosterin, Sojasterol u. a. m. Dann
sind zu nennen das höher schmelzende Stigmaster in (Cj^Hj^O oder Cj^H^gO . H^O) aus Calabar-
bohnen, das, wie es scheint, besonders in Kautschukharzen und Samen weit verbreitete Lupe ol
(LlKlERNiK CjjHn^O, identisch mit Anthesterin Klobb). Lactucerol {CggH5s(OH)2) im Milchsafte
von Lacttica virosa; Arnidiol (C^gH^jO^ Klobb) in Arnica und Onocol (C.^jH^j0.j Thoms) in
Ononis\ Ergosterin (C^H^jO . HjO Tanret) und Fungisterin (Cg^H^gO . H^O?), beide im
Mutterkorn. Auch andere Pilze [Petudllhini, Aethalium, Saccharomyces, Mucor, Lolaria, Amanita,
Trametes, Polyporus) enthalten ergosterinartige Phytosterine; in Aetlialium septic. fanden Reinke
und Rodewald Paracholesterin Cj^H^O. Dann gehören hierher Caulosterin (Schulze und Bar-
bieri), Brassicasterin (Cj^H^jO . H^O Welsch), Cynanchol (Hesse) und Quebrachol (Hesse). Cupreol
(CjjHjjO . HjO), Cinchol (isomer mit Cupreol), Alkohol CjoH^oO in Coca (Hesse), Urson (Gintl)
in Fol. nvi tcrsi, Homosterin im Insektenpulver, Rhamnol (Jowett) in Cascara Sagrada und viele
andere Körper, die Hauth (Diss. Freiburg 1907), Welsch (Diss. Freiburg 1909) und Cohen
(Over Lupeol Dissert. Utrecht 1906) in Tabellen zusammengestellt haben. Daß Isocholesterin in
der Pflanze vorkommt, hat Cohen nachgewiesen. Er fand es im Afri^ca-Rubber. Zu den Phyto-
sterinen im weiteren Sinne gehören wahrscheinlich auch die Körper, die ichResinole genannt
habe: u- und (9-Amyrin (Cj^Hj^O), Euphorbon (Cg^H^gO TscHiRCH und Paul), Benzo-
resinol (Cj^H^^Oj Tschirch und LÜdy) in Benzoe, Storesinol (CjaH^gO^) und Styresinol
(C,,H„jOj Tschirch und van Itallie) in dem 5'!'.j'/-a:c, Chi ron ol (Cj^H^gO Tschirch und Baur)
im O^o/ff ?;a.v, G u r j u r e s i n o 1 (C^Hj^OH Tschirch und Keto) u. and. Vielleicht gehört auch die
Abietinsäure in die Nähe der Phytosterine. Ich habe die in den letzten Jahren in meinem
Institute isolierten Harzsubstanzen stets mit den Phytosterinreagentien prüfen lassen und oft
Phytoslerinreaktionen erhalten.
Bemerkenswert ist endlich das Vorkommen von Sterinen in einigen Arten Petroleum
(Rakusin 1906), was auf den organischen Ursprung dieser Produkte deutet und ihre Drehung
erklärt. Bekanntlich leitet ja Engler das Petroleum wesentlich von den Fetten einer unter-
gegangenen Fauna und Flora ab.
Die in den tierischen Fetten vorkommenden Cholesterine unterscheiden sich in
verschiedenen Punkten von den in den Pflanzenfetten auftretenden Phvtosterinen,
beide Sterine sind aber offenbar nahe miteinander verwandt. Sie unterscheiden sich
durch die Kristallform (Fig. 229) und den Schmelzpunkt der Acetate (Bömer). Der-
selbe liegt beim Cholesterinacetat bei 114,3 — 114,8, bei den Phytosterinacetaten (aus
Pflanzenfetten) zwischen 125,6 — 137* Wenn der Schmelzpunkt auch nach fünf-
maligem Umkristallisieren unter 116° bleibt, so darf auf Cholesterin und Abwesenheit
von Phytosterin geschlossen werden. Auch mit Hilfe der Dibromadditionsprodukte gelingt
die Trennung (Windaus). Eine wichtige Rolle spielen die Sterine bekanntlich bei
der Analyse der Fette. Sie bilden meist allein den «un verseifbaren Anteil» (s. oben)
Cholesterinwachse.
749
und wie für die tierischen Fette das Cholesterin, so sind für die pflanzlichen Fette
Phytosterine, besonders das Sitosterin charakteristisch. Noch ist Cholesterin niemals
mit Sicherheit in pflanzlichen,
Phytosterin niemals sicher in
tierischen Fetten nachgewiesen
worden.
Als Reaktionen zum
Nachweis der Sterine dienen
die von Liebermann - Bürchard
(Chloroform -Essigsäureanhydrid-
Schwefelsäure) Salkowski-Hesse
(Chloroform- Schwefelsäure),
Mach (Salzsäure - Eisenchlorid),
Hirschsohn (Trichloressigsäure-
Salzsäure) und Tschugäff, sowie
die Jodschwefelsäure -Reaktion.
(Vgl. inXsCHiRCH.Harzeir. Aufl.)
Zum mikrohistochemischen
Nachweise der Phytosterine eig-
nen sich die bisher bekannt ge-
X
X
X
A
229.
-h Phytosterinkristalle.
Fig.
a — d Cholesterinkristalle.
[Aus Lewkowitsch, Öle. Braunschweig, Vieweg 1905.]
wordenen makrochemischen Reaktionen nicht (Scherer). <
Windaus teilt mir (1912) folgendes über das Cholesterin mit: «Dem Cholesterin
kommt die Formel C.,7Hj,30 zu; es ist ein sekundärer Alkohol, dessen CHOH-Gruppe
sich in einem Ringe zwischen zwei Methylenresten befindet. Das Cholesterin besitzt eine
Doppelbindung, und zwar in einer endständigen Vinylgruppe CH : CHj. Endlich ist
ein Isoamylrest, (CHg)2CHCH2CH2, im Molekül des Cholesterins nachgewiesen. Das
Cholesterin enthält vier vollständig hydrierte Ringe, dagegen kein aromatisches Ring-
system. Die Formel des Cholesterins läßt sich also bisher auflösen in:
yCH : Cri9
(CH3)2CHCH2CH2-
PlCKARD und Yates glauben, daß das Cholesterin aus einem sehr beständigen kom-
plexen Kern besteht, der mit einer normalen Kette von etwa 19 Kohlenstoffatomen ver-
bunden ist. Bei der Oxydation entsteht Arachinsäure (CjoH^o^a).
Die Sterine werden durch Licht verändert (Schulze und Winterstein).
Lit. Cholesterin: Mauthner und Sdida, Monatsh. f. Chem. '894, 85 u. 362. — van
OoRDT, Jahresb. d. Tierchem. 31 (1902), Diss. Freiburg 1901. — "Welsch, Vorkommen u. Ver-
breit, d. Sterine im Tier- u. Pflanzenreich. Diss. Freiburg 1909. — Doree, Biochera. Journ. 4,
72. — Windaus, Arch. Pharm. 246 (1908), 117 und Habilitationsschr. Freiburg 1903; Ber. d.
chem. Ges. 36, 3699 u. 3752; 37, 2027 u. 4753; 3g, 518, 2008 und 2249; 40, 257 u. 2637; 41,
611 ; 42, 241. — G. Stein, Über Cholesterin. Diss. Freiburg 1905. — Pickard und Yates, Proc.
chem. Soc. 19, 147. — Diels und Abderhalden, Ber. d. chem. Ges. 37 (1904), 3092; 39 (1906)
884. — E. Schulze, Ber. d. chem. Ges. 5, 1075; 6, 252. — Liebermann, Ber. d. chem. Ges. 18,
1803. — Burchard, Beitr. z. Kenntn. d. Cholesterine. Dissert. Rostock 1889. — Bondzynski-
HuMNiCKi, Zeitschr. phys. Chem. 22 (1896), 396; Ber. d. chem. Ges. 29, 476. — Humnicki,
Über d. Schicksal d. Cholesterins im tier. Organism. Diss. Freiburg 1898. — Bömer, Zeitschr.
Unters, v. Nahrungs- u. Genußm. 1898, 544. — BÖMER und Winter, Über einige Ester der
Cholester. u. Phytoster. Zeitschr. Unters. Nähr. u. Genußm. 1901, 1091. — Blümner, Über
Cholesterinäther. Dissert. Zürich 1911. — E. Ritter, Beitr. z. Kenntn. d. Cholesterine u. d.
Method., die zu ihrer Abscheid, aus d. Fetten u. z. ihrer quantit. Best, verwendbar sind. Diss.
750
Cholesterinwachse.
Zürich 1902. — JucKENACK-HiLGKR, Gewinn, d. Cholest. u. Phytost. aus Tier- u. Pflanzenfetten.
Arch. Pharm. 1898, 367. — Raumsr, Zeitschr. angew. Chem. 1898. — Weitere Nacliweise
über Cholesterin in Röhmann, Biochemie.
Phytosterine: Beneke, Cholesterin im Pflanzenreiche aufgefunden. Lieb. Ann. 122
(1862), 249. — Hesse, Phytosterin und Cholesterin. Ebenda 192 (1870), 175. — Lindenmeyer,
Joum. pr. Chem. 90, 321. — Reinke und Rodewald, Über Paracholesterin aus Aethal. sept.
Lieb. Ann. 207 (l88i), 229. — Tschirch, Verh. d. Naturforschervers. Wien 1894 und Chem.
n. Biolog. d. pflanrl. Selfrete. — Thoms, Arch. Pharm. 235, 39. — Schulze, Lupeol, Zeitschr.
phys. Chem. 41 (1904). — Schulze und Winterstein, Verh. d. Cholest. gegen d. Licht.
Zeitschr. phys. Chem. 43, 316 und 48, 546. — Hauth, Z. Kenntn. d. Phytosterine. Diss. Frei-
burg 1907. — H. SCHERKR, Über Phytosterine usw. Diss. Straßburg 1909. — Cohen, Over
Lupeol. Proefschr. Utrecht 1906, Arch. Pharm. 1908, 510, 515, 520 und 592. Phytosterine aus
Balata. Ebenda 1908, 510. — Sack und Tollens, Ber. d. chem. Ges. 1904 (aus Sack, Diss.
Göttingen 1901). Weitere Nachweise über Phytosterine in Czapkk, Biochemie.
Reaktionen: Salkowski, Pflüg. Arch. 6 (1872), 207. — Hesse, Lieb. Ann. 211 (1882}
284. — Lieeermann, Ber. d. chem. Ges. 18 (1885), 1803. — Bürchard, Beitr. z. Kenntn. d.
Cholester. Diss. Rostock 1889. — Hirschsohn, Pharm. Centralh. 1902, 357.
Wollfettgruppe.
Adeps Lanae.
Wollfett, Wollschweißfett, Suint, Wool fat, Wool grease, Recovered grease,
grasso di lana, in Amerika: Degras, — das wasserhaltige: Lanolin, Lanichol, Laniol,
Lanesin, Agnin, Alapurin, Anaspalin, Vellolin usw. ■ — das wasserfreie: Lanolinum
anhydricum, nach Husemanns, Hebbelers und Wulfsbergs Ausführungen besser:
oesj'pum (nicht oesipus wie Ince und Liebreich schreiben), das masc. kommt bei
keinem römischen Autor vor.
Etym. ol'ovnog aus oig = ovis Schaf; olbg qvtiO(; = Schmutz der Schafe; oloQ klnog
= Fett der Schafe; griech. olavnoq (Neutr.) oder oiaint] (Fem), bei Dioskurides ol'avnog
(Masc); bei Galen auch ölan?] aiyöq; bei Oribasius d/a(JD;ros, bei Aüxius, Paulus Aeginetes,
NiCOL. Myrepsus auch vaawnoq. Daraus wurde dann im L Jahrh. n. Chr. Hyssopus und Hys-
sopum; — gleichlautend mit der Pflanze — so bei ScRiBONlus Largus und Celsus, bei Plinius
steht sowohl Oesypum wie Hyssopus. — In der Alphita: Ysopum vel ysopus humida cerotum est
succus lanae per decoctionera extractus. Bei Mathaeus silvaticus: cenferatab (aus züfä ratab
jabis corrumpiert, züf, züfa, Name des Ysop). Das lat. ysopum humidum auch bei IBN Baithar
als züfä rathaba (ratab) = feuchtes Ysop (die Ysoppflanze hieß trockener Ysop = züfä jabis; schon
Paulus Aeginetes unterscheidet das Wollfett: vaawnoc, vyQÖq To (paQixaxov vom Ysop: vaaio-
nog 7/ ßoxävrf). — Bei Serapion: sinferatab, im Liber Servitoris: zuscherak. — Arab. heißt
Wollschweiß auch wadsah — . Oesypum war aber im Altertum auch Kollektivbegriff' für allen
möglichen «Schmutz», wie Ziegenkoth und das aus Ziegenbärten ausgekämmte Ladanum (Oesy-
pum caprarum bei Plinius). Der Name Hyssopus humidus wurde durch die arabischen Autoren
im ganzen Mittelalter allgemein gebräuchlich (Mesuü, Liber servitoris, Nicolai). Im XVL
Jahrh. kam aber dann wieder durch die Humanisten und das Bestreben, die Medizin vom Ara-
bismus zu reinigen, ol'avnog und oiavnov (so z. B. bei Brunfels) in Aufnahme. Doch schleppt
sich der Ausdruck Hyssopus humida als Nebenbezeichnung noch durch die Arzneibücher des
XVn. Jahrh. (Schröders Pharm, med. chym., Pharmac. augustana 1634 — 1734), ja ist sogar
ganz als hisopo umido oder hesipo humedo in die spanische Sprache übergegangen. Im The-
saurus aromat. : ysopus humide. In des CoRDUS Dispensat.: oesypi i. e. hyssopi humida. Im
Ricett. fiorent. nur oesypus.
Gewinnung. Die Wolle der Schafe enthält wechselnde Mengen (20 — 70 "jo)
der unter dem Namen Wollschweiß zusammengefaßten Ausscheidungsprodukte der
Haare und Schweißdrüsen der Haut, vermischt mit mancherlei Verunreinigungen
(Staub, Fasern, Kletten, Kot usw.). Dieser Wollschweiß, von dem die Wolle vor ihrer
Adeps Lanae. y c j
Verarbeitung befreit werden muß (Wo 11 wasche, Entschweißen), besteht einerseits
aus in Wasser, zum Teil auch in Alkohol löslichen Bestandteilen: Kalisalzen orga-
nischer Säuren (s. unten S. 752), andererseits aus aus Cholesterinen und deren Fett-
säureestem bestehendem Fett. Die Wolle enthält 20 — 28"/,) dieses «Wollfettes». Die
Fabrikwäsche der Wolle (die Rückenwäsche am Tiere selbst wird nur selten
noch geübt) geschieht entweder mittelst flüchtiger Lösungsmittel (Benzin, Äther,
Schwefelkohlenstoff, Amylalkohol, Naphta) oder — meist — mittelst alkalischer
Laugen (früher gefaulter Harn, jetzt Soda, Potasche, Seife, Ammoncarbonat, auch
Wasserglas wurde empfohlen). Meist wird die Schweißwolle zunächst der Vorwäsche
unterworfen, d. h. mit Wasser von gewöhnlicher Temperatur behandelt. Die ge-
lösten Kalisalze werden durch Calcinieren des Rückstandes der eingedampften Lö-
sung auf Potasche verarbeitet («Potasche aus Wollschweiß», s. unten S. 752). Die
Hauptwäsche erfolgt gewöhnlich in den großen Wollwaschmaschinen (Leviathan)
mittelst Seifenlösungen von 40 — 45" C. oder Seifen- und Sodalösungen, wodurch die
Fette emulgiert werden. Das Waschwasser wird zunächst durch Klärkufen geschickt,
in denen sich der Schmutz und andere Verunreinigungen absetzen, dann verschieden
weiter verarbeitet. In dem einen Verfahren (Lanolinprozeß) setzt man zu der Emul-
sion verdünnte Schwefelsäure. Die Seife wird dadurch zerlegt und mit den freien
Fettsäuren scheidet sich auch das Wollfett ab. Dies wird abgetrennt, abermals mit
Kalilauge oder Potasche emulgiert und die aus Kaliseife und Lanolin bestehende
Emulsion zentrifugiert, wobei sich das Lanolin als Rahm abscheidet. Dies wird dann
mit Wasser gewaschen, die Seifen durch Chlorcalcium in Kalkseifen übergeführt und
aus dem Gemisch das Wollfett mit Aceton extrahiert. Oder aber es wird das rohe
Wollfett zunächst durch Ätzalkalien oder Carbonate in eine Emulsion verwandelt und
diese dann der Zentrifugierung unterworfen. Dabei trennt sich diese in eine untere,
die Fettsäuren und Fette als Seife enthaltende Lösung, und eine obere, die Chole-
sterinäther enthaltende, als Rahm abfließende Schicht. Das so gewonnene Rohlanolin
wird dann wiederholt mit Wasser umgeschmolzen und gewaschen, hierauf Chlorcal-
ciumlösung zugesetzt und die Kalkseife mit siedendem Aceton extrahiert. Das nach
Abdestillieren des Acetons zurückbleibende Lanolin wird mit Kaliumpermanganat oder
anderen Oxydationsmitteln von den Riechstoffen befreit. Durch Einkneten von 2 5''|q
Wasser wird das Wollfett in Lanolin übergeführt. Neuerdings wird geruchloses Woll-
fett dadurch erhalten, daß der Wollfettschlamm statt mit Schwefelsäure mit schwefliger
Säure gefällt wird. Ein anderes Verfahren (Adeps lanae-Prozeß) geht in der Weise
vor, daß die geklärte Rohemulsion (s. oben) direkt mit Chlorcalcium versetzt und
der ausfallende Schlamm (Suinter), ein Gemisch aus fettsaurem Kalk und Chole-
sterinestern , mit Wasser oder mit Salzlösungen (von 1,02 — -1,04 spez. Gew.) ge-
schlämmt wird. Dabei bleiben die schweren Kalksalze zurück und der Wollfettschaum
wird mit dem Waschwasser fortgeschlämmt und den Waschwässem durch einen Gegen-
strom von Benzin oder einem anderen Lösungsmittel entzogen. Bisweilen werden
auch die Rohemulsionen direkt zentrifugiert und das Fett durch Waschen, Um-
schmelzen usw. gereinigt. Wird die Rohwolle direkt mit Benzin oder Äther extrahiert,
so müssen die Wollschweißsalze durch nachträgliches Waschen mit Wasser entfernt
werden. Das Wollschweißfett, daß durch Extraktion der Wolle mit flüchtigen Lösungs-
mitteln erhalten wird, enthält die natürlichen Bestandteile, soweit diese löslich sind:
Fettsäuren, neutrale Ester und freie Alkohole, sowie Kalisalze der Fettsäuren. Die
Darstellung von hellem Wollfett ist möglich, wenn die Lösung in Benzin mit Gerb-
- . , Cholesterinwachse.
säure, Phosphorsäure, Essigsäure oder Bleiacetat unter Zusatz von Alkohol behandelt
wird (Kleemann). Gewöhnlich wird zum Bleichen Kaliumbichromat imd Schwefel-
säure benutzt (Herbig). Die Darstellung gereinigter Wollfette ist durch vielerlei Patente
ceschützt. Ausführliche Darstellung der Methoden bei Donath und Margosches a. a. O.
Viel rohes Wollfett kommt aus der Levante (Caesar-Loretz).
Handelssorten. Die Norddeutsche Wollkämmerei in Delmenhorst bringt igi2 in
den Handel: Alapu rin, reines, neutrales, wasserfreies Wollfett, die beste Sorte, dann Adeps Lanae
N. W. K. (Lanolinum puriss. anhydr.) und Aileps Lanae ad usum vctfrinarmm. Ferner für technische
Zwecke Adeps Lanae techm'ais. Neutral -Wollfett I und II (säurefrei), Wollfett-Fettsäure
und rohes Wollfett. Über die Darstellung dieser Präparate teilt mir die Firma folgendes
mit: «Das nach D. R. P. 69598 hergestellte, leicht schmelzbare Wollfett kommt jetzt bekannt-
lich unter dem Namen «Alapurin», als feinstes Produkt für medizinische Salben usw. in den
Handel. Seines hohen Preises wegen tritt die Verwendung zurück gegenüber dem Adeps Lanae
N. W. K., welches überall eingeführt und sich dauernd bewährt hat. Dieses Adeps Lanae N. W. K.
hat als Grundlage das Neutral-Wollfett, welches direkt aus dem mittels Kalk und Erdalkali-
saUen gewonnenem Suinter extrahiert wird. Zwei Drittel des gesamten Wollwaschwassers werden
nach diesem Neutralverfahren mit Kalk und Erdalkalisalzen geklärt. Bei der Extraktion des
Suinters entsteht zunächst ein gelbbraunes Fett mit ziemlich starkem Gerüche, das Neutral-
Wollfett II. Dies wird mit Sauerstoff (Ozonl gebleicht und desodorisiert, dadurch verwandelt
es sich in Stern-Lanolin. Ein letzter Raffinationsprozeß verwandelt das Stern-LauoUn in
Adeps Lanae N. W. K. Wird dies mit Wasser verknetet, so entsteht das Adeps Lanae cum aqua.
Die im Suinter verbleibenden Alkaliseifen werden durch besondere Extraktion mit anderem
Lösungsmittel gewonnen und liefern nach Zersetzung mit Salzsäure die Wollfett-Fettsäure.
Ein Teil des Wollwaschwassers wird nach dem altbekannten sauren Verfahren mit Schwefel-
säure geklärt. Der hierbei sich absetzende Schlamm (saurer Suinter) wird in Dampfpressen ge-
preßt. Dabei läuft das Roh-Wollfett ab. Die Rückstände werden als Dünger verkauft.»
Chemie. Die Wolle enthält in 7„: 12,28—23,48 Wasser, 7,17— 34>i9 Wollfett, 9,76
bis 21,83 Wollschweiß (in Wasser löslich), 0,35 — 0,89 in Alkohol löslich, 1,39 — 5,64 in verd.
Salzsäure löslich, 0,29—0,57 in Ätheralkohol löslich, 20,83 — 43,2 reine Wollfaser; 2,93 — 23,64
unlösüche Verunreinigungen (Märcker, Schulze, Barbieri). Der Wollschweiß besteht aus
Kaliumsalzen der Ölsäure und Stearinsäure, — also Kaliseifen — wahrscheinlich auch anderer
nicht flüchtiger und einiger flüchtiger Fettsäuren (Essigsäure, Propionsäure, Buttersäure, Capron-
säure, Baldriansäure, Önanthsäure, Cerotinsäure), sowie Kaliumchlorid, Phosphaten und Sulfaten,
Aramonsalzen usw., Kaliumphenylsulfat, Sarkolaktinsäure, Benzoesäure, Oxalsäure, Milchsäure,
Bernsteinsäure, Harnsäure, GlycocoU, Leucin, Tyrosin, Mono- und Trimethylamin u. a. m. (Ulbrich,
Reich, Hartmann, Bdisine). Die Wollschweißasche (Potasche) enthält 58,9 — 63, 4% Kali. Beim
Glühen der Kohle des Wollschweißwaschwassers entstehen brauchbare Gase. Die Wollschweiß-
potasche ist oft fast frei von Natronsalzen. Je edler die Rasse und je besser genährt die
Tiere sind, um so höher ist der Kaligehalt. In Deutschland wird sie in Döhren bei Hannover,
Chemnitz und in Bremen dargestellt. Die Ausbeute beträgt 5 °/o des Gewichtes der Wolle.
Das wasserfreie Wollfett bildet eine fast geruchlose, klebrige, stark viskose
salbenartige Masse, die meist bei 40 — 42" schmilzt (die Norddeutsche Wollkämmerei
liefert ein Wollfett von dem sehr niedrigen Schmelzpunkt 30 — 36"). Es nimmt mehr
als das doppelte Gewicht Wasser auf, ohne seine salbenartige Beschaffenheit zu ver-
lieren. Die Farbe des Wollfettes ist verschieden: hellgelb, gelb, grünlichgelb, gold-
gelb, dunkelgrün, dunkelbraun bis schwarzbraun. In Wasser ist es unlöslich, in Alkohol
schwer löslich, leicht löslich in Aceton, Äther, Benzol, Petroläther und Schwefel-
kohlenstoff.
Spez. Gewicht: 0,970 — 0,973, Schmelzpunkt: 36 — 42,5*, V.-Z.: 82 — 130,
J.-Z.: IG — 28 Q.-Z. der Fettsäuren: 17), Hehnerzahl: 60, Schmelzpunkt der Fett-
säuren: 41,8 •>, Erstarrungspunkt der Fettsäuren: 40", Schmelzpunkt der Alkohole: 33,5",
Erstarrungspunkt der Alkohole: 28''. Dieterich fand (Methode: Helfenb. Ann. 1897)
Adeps Lanae. 7 c 5
für wasserfreies Wollfett (igoo): Verlust bei 100": 0,1 — 2,2^j^, S.-Z.: o,ig6 — 2,41g,
Wasseraufnahmefähigkeit: 56,26 — 246,86, Asche: Spuren — 0,3 '/q. Adeps lanae ent-
hält meist nur Spuren Chlor.
Eine Analyse von rohem Wollfett (recovered grease) ergab Lewkowitsch in "/o- Süch-
tige Fettsäuren 1,26, unlösliche freie Fettsäuren 20,22, Unverseifbares (unverbund. Alkohole)
6,21, Total des Unverseifbaren 36,71, Wachs 72,31, darin: gebundene Alkohole 30,5 und ge-
bundene Fettsäuren 41,81. Für mit überhitztem Wasserdampf destilliertes Wollfett (flüssiger
Anteil): Freie Fettsäuren 54,91, unzersetztes Wachs 11,39, darin: gebundene Fettsäuren 7,09
und gebundene Alkohole 4,30, Unverseifbares (Kohlenwasserstoffe) 34,50.
Wollfett läßt sich in einen harten (Wollwachs) und einen weichen Teil scheiden.
Die Abscheidung des Wollwachses erfolgt durch Abkühlung der Lösung in Fuselöl
unter den Schmelzpunkt des Wollfettes.
Chevreuls Analyse des Wollschweißes (1856) ergab neben oxalsaurem Kalk, kiesel-
saurem Alkali und Chlorkalium die Kalisalze zweier organischer Säuren und wenigstens 5 «be-
sondere» Fette, vorwiegend Stearerin (unverseifbar) und Elaierin (verseifbar). Ulbricht und
Reich fanden 1867 Stearinsäure und Ölsäure. Die Cholesterine wurden von Hartm.\nn (1868)
und E. Schulze (1870) im Wollfett entdeckt. Hartmann wies nach, daß im Wollfett kein
Glycerin enthalten ist, E. Schulze, der alle wichtigen Punkte aufklärte, daß darin Isocholesterin
und ein Benzoesäureester (.') vorkommen, v. Sanctis fand im Lanolin von Jaffa und Darmstätter:
Cerotinsäure. Palmitinsäure, geringe Mengen Capron- und Ölsäure, sehr geringe Mengen Stearin-,
Isovalerian- und Buttersäure, sämtlich als Äther des Cholesterins und Isocholesterins, vielleicht
auch anderer höherer Alkohole. Glycerin fehlte. Ob aber Ölsäure darin vorkommt, die auch
Schulze (1874) angibt, ist zweifelhaft. Ebenso bedarf die Hyaenasäure der Bestätigung. Buisine
fand Cerotinsäureceryläther.
Die charakteristischen Bestandteile des Wollfettes sind Fettsäureester des links-
drehenden Cholesterins (F = 145"), des rechtsdrehenden Isocholesterins (F ^
138,5°) und der Oxycholesterine, sowie die Fettsäureester kohlenstoffreicherer,
cholesterinartiger Verbindungen. Die Zusammensetzung des Wollfettes ist aber eine sehr
schwankende und variiert stark nach der Provenienz. Schulze erhielt mehrfach bis
iS^/o Cholesterin- imd Isocholesterin ester, etwa zu gleichen Teilen (im Wollwachs
85 — 90 "Iq), Darmstädter sehr viel weniger. In einigen Fällen fehlte Cholesterin
fast ganz, in anderen Isocholesterin. Die höher schmelzenden wachsartigen Bestand-
teile, das Wollwachs, können (s. oben) durch Lösen des Wollfettes in Fuselöl und Ab-
kühlen der Lösung entfernt werden (Jaffe-Darmstädter 1894). Marchetti isolierte
den keine Cholesterinreaktion gebenden Lanolinalkohol (C12H24O), Darmstädter und
LiFSCHÜTZ aus Wollfettwachs Carnaubasäure {02^11^^02, identisch mit der Car-
naubasäure Stürckes) und Myristinsäure (Ci^Hj^Oj) — australisches Wollfett ent-
hielt 10 — 12°|{, dieser Säuren — , sowie Lanocerinsäure (CggüggO^, F= 104°),
die eine Dioxysäure sein soll und deren Lakton CgijHjgOg von ihnen früher als ein
Lanestol, d. h. als ein Wollalkohol betrachtet und beschrieben wurde (sie macht den
Hauptbestandteil der in kaltem Alkohol unlöslichen, bei der Verseifung erhaltenen
Substanzen aus) und in der alkohollöslichen Seifengruppe: 34'|o Lanopalminsäure
(CjijHgoOg, F = 88"), die im geschmolzenen Zustande sich mit Wasser emulgiert
und, neben einer flüchtigen, 1 5 "Jq einer öligen Säure (Ölsäure ?). Von Alkoholen er-
hielten sie Cerylalkohol und einen vielleicht damit isomeren Alkohol, sowie Car-
naubylalkohol (C24H50O), der bei der Oxydation Carnaubasäure liefert und Chole-
sterin (im harten Bestandteil kein Isocholesterin). Das bei 55 — 60" schmelzende
Wollfettwachs lieferte 33 "/o Rohalkohole, 4i,6''|o in Alkohol unlösliche Seife (rohes
T s c h i r c h , Handbuch der Pharmakognosie. Bd. H. 48
Cholcsteriuwachse.
lanocerinsaures Kali) und 36,2 "!(, alkohollösliche Seife. Der Säurebestandteil betrug
über 05% (darunter nur wenige Prozente flüssige Säuren). In dem < Weichfett» be-
träft er nur 40 — 45 */o- In ihm fehlt Lanocerin- und Lanopalminsäure. Dagegen sind
auch hier Myristin- und Carnaubasäure, vielleicht auch Cerotinsäure und in
beträchtlicher INIenge (4o''|o) die ölige Säure vorhanden, als Alkohole ein Iso-
cholesterin (Co,;H440, F = 137 — 138, nicht mit Sciiulzes Isocholesterin identisch)
neben anderen nicht näher charakterisierten Sterinen. Von Alkoholen wurden im
Weichfett Cerylalkohol und Carnaubylalkohol nachgewiesen^
Endlich wurden auch die O.xydationsstufen des Cholesterins: O.xycholesterin
[C,6Hj2(OHa)],Oxycholesterinäther(C,6H430)20), Cholansäure(C,6H4oOt)uaiid.
im Wollfett gefunden (LifschÜtz). Ob Stearinsäure, Palmitinsäure, Capronsäure, Iso-
valeriansäure und Normal- Buttersäure (in Esterbindung) zu den normalen Bestand-
teilen aller Wollfette gehören ist zweifelhaft. Sie finden sich wohl nur im Rohfett und
werden bei der Reinigung zum Teil entfernt (s. oben unter Wollwäsche). Ein be-
deutender Teil des Wollfettes besteht jedenfalls nicht aus Cholesterin-, Olei'n- und
Cerotinsäureestern. Nach Darmstädter und LifschÜtz treten weniger die Chole-
sterin- und Isocholesterinester der Cerotinsäure, als vielmehr die der Carnaubasäure
und Lanocerinsäure in den Vordergrund.
Dagegen wird nach Unna das Wollfett nicht durch Vorhandensein von Chole-
sterin und Cholesterinestern charakterisiert, sondern durch Isocholesterin (Schulze)
und Oxycholesterin (LifschÜtz), Lanocerinsäure und Lanopalminsäure (LifschÜtz
und Darmstädter).
Im Fett der Epidermis, der Cutis und der Subcutis der menschlichen Fußsohle,
im Ohrenschmalz und in den Nägeln, die Cholesterin enthalten, fehlen Isocholesterin
und Oxycholesterin. Die menschliche Haut enthält also kein Wollfett. Die Hydro-
philie, die Fähigkeit mit Wasser zu lanolisieren, geht den Hautfetten ab und eignet
dem Wollfett wegen seines Gehaltes an Oxycholesterinen. Die Fettsäureester der
Cholesterine lassen sich nur mit alkoholischer Kalilauge oder den Alkoholaten der
Alkalien (Kossel und Krüger) verseifen. Sie sind gegen Mikroorganismen wider-
standsfähiger als Fette und daher sehr geeignet zu Hautschutzmitteln.
Lit. Donath und Margosches, D. Wollfett, seine Gewinn., Zusammensetz., Untersuch.,
Eigensch. u. Verwert, in Samml. ehem. u. ehem. techn. Vortr. VI, 1901 (dort die Lit.). —
MÖHLAU, Wollwäsche in Luegkrs Lexikon der Ges. Technik 19 il. — Knecht, R.\wson und
Löwenthal, Handb. d. Färberei. Berlin 1900. — Herbig, Die Verwert. d. Abfallprod. d.
Wollwäschereien. Zeitschr. f. d. Ges. Textilindustrie 1897/98. — Borchers, Verwert. d. AVoll-
schweißes, Zeitschr. Angew. Chem. 1890, 96.
Chevreul, Compt. rend. 43, 13 (Journ. pr. Chem. 70, 256). — Berthelot, Ann. eh.
phys. (3) 56, 51 (Lieb. Ann. 112, 356). — Hartmann, Über den Fettschweiß der Schafwolle
1868. — E. Schulze (Cholesterine). Ber. d. chem. Ges. 1872, 1075 und 1873, 1279. Zeitschr.
f. Chem. 1870, 453. — Schulze und Uhrich, Ber. d. chem. Ges. 1874, 570. — Ulbricht u.
R-EICH, Preuß. Ann. d. Landw. Monatsbl. 49, 122. — Herbig und von Cochenhausen, Dingl.
Polyt. Journ. 292 ni. 297.
Liebreich, Über d. Lanolin, eine neue Salbengrundlage. Berl. klin. Wochenschr. 1S85,
761, in Real-Encycl. d. gas. Medizin XI, 1887. Vorkommen von Lanolin in der Haut: Verh.
d. phys. Ges. Berlin 1890. Therapeut. Monatsh. 1890. Virchows Archiv 121 (1890) 383. Du
Bois Reymonds Archiv 1890, 363. — Schulze, Journ. pr. Chem. (2) 25, 459 u. 7 (1873),
163 u. 178, 9, 321. Ber. d. chem. Ges. 6 (1872), 251. Einig. Best. d. Wollfettes. Ber. d.
ehem. Ges. 31 (1898), 1200. Zeitschr. phys. Chemie 14 (1890), 522. — Spenzer u. Cleve-
LAND, On gallstones Clevel. Med. Gaz. 1895. — Buisine, Bull. soc. chim. 42, 201. —
V. Sanctis, rOrosi 1894 (Apoth. Zeit. 1894, 371). — Hartmann, Über den Fettschweiß der
Adeps Lanae. 755
Schafwolle. Diss. Göttingen 1868. — MarCHEtti {Lanolinalkohol). Gazz. chira. ital. 25 (1895).
— DarMstaedter und LirscHÜTZ, Beitr. z. Kenntn. d. Zusammens. d. 'Wollfettes. Ber. d. ehem.
Ges. 1895, 3133; 1896, 618, 1474 u. 2890; 1898, 97 u. 1122. — BURCHARD, Beitr. z. Kenntn.
d. Cholesterine. Rostock 1889. — Unna, Monatsh. f. prakt. Dermatologie 1907,443. — Santi,
Über Lanolin. Monatsh. f. prakt. Dermatol. 1889 u. 1892. — LifsChOtz (Oxycholester.). Zeit-
schr. phys. Chem. 50, 436, 53, 140 (1907). — Lewkowitsch, Chem. Technol. d. Fette I, 444
und Journ. Soc. Chem. Ind. 1892 u. 1896. — Identitätsreaktionen für Wollfett: Hilger, Jahresb.
d. Pharm. 1893, 383 und AsTOLFi, Bull. chim. farm. 1894, 4; vgl. auch bei Donath a. a. O. —
Wertbestimmung: V. CochenhaUSEn, Chem. Zeit. 1894, 143. — Controverse über den Chlor-
gehalt: Pharm. Jahresber. 1894.
Zur Wertbestimmung gehört: Bestimmung des Wassers nnd der fremden Stoffe, Säure-
zahl, Verseifungszahl, Bestimmung der freien Fettsäuren, ihrer Säurezahl und ihres Molekular-
gewichts, Bestimmung der flüchtigen Fettsäuren und bei der Verseifung frei gewordenen Alko-
hole sowie der schwer verseifbaren Stoffe, Bestimmung der Säurezahl des aufgeschlossenen
Wollfettes und der Gesaratfettsäuren (V. Cochenhausen). Pharm, helv. IV. verlangt bei Adeps
lanae außer den Identitätsreaktionen von Salkowsky-Hesse und Liebermann-Burchard (s. oben
S. 749) Prüfung auf Seife, Glycerin, mineralische Stoffe und Aramoniaksalze, Säure und Alkali-
nität. Schmelzpunkt 35 — 40°. J. Z. 20 — 26.
Präparate. Lanolin: Adeps lana 75, Wasser 25 (D. A. V läßt flüssiges Paraffin zu-
setzen). Lanogen ist eine Mischung der wasserbindenden Substanz des Wollfettes mit Vaselin
{es bindet 300% Wasser). Derraozon ist sterilisiertes wasserstoffperoxydhaltiges Wollfett,
Lanoform ein Formaldehydwollfettpräparat, Thilanin geschwefeltes Wollfett, Bryolin Bor-
säure-Glycerin-Olivenöl- Wollfett. (Weitere Präparate in Gehes Codex.)
Geschichte. Das wasserhaltige Wollfett ist durch Liebreich 1885 unter dem Namen
Lanolin als Salbengrundlage in den Arzneischatz eingeführt worden, aber bekannt ist Wollfett
seit c. 2000 Jahren als Cosmeticum und Arzneimittel. Seine Geschichte wurde gelegentlich der
Lanolin-Patentprozesse besonders durch Th. Husemann aufgeklärt. Vorschriften zur Darstellung
des Oesypum gab bereits DiosKtni.lDKS (11 c. 84) und Plinius (XXIX, c. 2). Im wesentlichen
wurde es durch Auskochen der AVolle mit Wasser, Sammeln, Reinigen und Bleichen des ab-
geschiedenen Fettes dargestellt. Das Produkt hatte einen üblen Geruch (ut sordium virus oleat).
Die Vorschrift von Dioskurides, der auch schon einer Verfälschung mit Gerat und Talg ge-
denkt, reproduzierte mit wenigen Modifikationen Aetius, Nicol. Myrepsus und Serapion, der
schon ein weniger übelriechendes Produkt erhielt. Ein neues Verfahren führte Mesue, der die
Bereitung des Wollfettes aus der Hand der Hirten in die der Apotheker legen wollte, im Grab-
badin {I, S. 599) ein, das dann das herrschende wurde, z. B. auch in das Dispensatorium Nicolai
(I, S. 790) und in das Luminare majus (I, S. 793) überging. Jacobus Sylvius verlangt 1542,
daß es nicht von räudigen Schafen dargestellt werde, was die Pharmac. coloniensis 1565
wiederholt. Auch Heinrich von Mondeville reproduziert in seinem Antidotarius die Vor-
schrift des MfesUE. Er bemerkt, daß Isopiis hutnida ein Mittelding zwischen Salbe und Pflaster
sei. In der Zeit der Renaissance, als der Arabismus bekämpft und die Alten «wiederher-
gestellt» wurden, grub Cordus die Vorschrift des Dioskurides wieder aus und ihm folgt der
Ricettario fiorentino (I, S. 793), die Kölnische Pharmacopoee (1565) und die Pharmac. augustana
{1640) in ihren verschiedenen Ausgaben {I, S. 793). Als legitimes Quid pro quo tritt hier Knochen-
mark, medulla vitiUina und cervina auf, die später ganz allgemein als Succedanea dafür angegeben
wurden, denn keine der späteren amtlichen Pharmacopoeen führte mehr eine Bereitungsvorschrift
für Oesypiim auf. Wohl aber hat die Schröder sehe Pharmacopoee (I, S. 890) bis in ihre spä-
testen Auflagen (1748) noch die Vorschrift des Dioskurides mit wenigen Abweichungen. Die
Vorschrift, daß man die Schafe vorher abhetzen solle, wohl um die Ausbeute zu vermehren,
steht schon im Antidotarium romanum aus dem XVI. Jahrh. und ging in die Pharmac. augustana
und londinensis über. Aber im XVH. und XVIII. Jahrh. verschwinden allmählich diese schmie-
rigen Präparate aus den Pharmacopoeen und Arzneibüchern, da sich das Präparat immer mehr
verschlechterte und die Bereitung in der Apotheke zu viel Mühe machte, und erst die Phar-
macop. hispanica III 1803 kennt wieder eine Oesypi purificatio und die von 181 7 benutzt einen
Oesypus praeparatus.
Als Handelsware scheint Oesypum schon im Altertum zur Zeit des Dioskurides einen
großen Verbreitungsbezirk gehabt zu haben (Husemann). Es diente nach Plinius unzähligen
48*
- c6 Insektenwachse.
Zwecken und war ein auch von Cei.sus, GaI-EN und später auch im Mittelalter (AEtius,
Paitlus von Aegina) viel benutztes Medikament (besonders für Pflaster, Salben und Pessi)
und Cosmeticum trotz seines abscheulichen Geruches. Das beste Wcllfett lieferte Attica.
Als Verfälschungen wird neben AVachssalbe und Talg auch Teig genannt. Es gab aber sogar
Ersatzmittel aus Colophonium, Wachs und Fichtenharz. Im Mittelalter wurde es jedenfalls nicht
in den Apotheken gemacht, sondern von den «herbatici» bezogen. Ende des XVII. und Anfang
des XVin. Jahrh. wurde AVoUfett in Frankreich in größerem Stil produziert und exportiert
(V.\LKNTiNl, Hist. simpl., Pomkt, Hist. d. drog.). Für das Verschwinden des Wollfettes aus den
Arzneivorschriften ist wohl der Protest Zwelfes in der Pharmac. august. reform. 1652 gegen
dies stinkende Präparat maßgebend gewesen (Husemann). Erst nach der Mitte des XIX. Jahrh.
wurde, nachdem die Aufmerksamkeit durch Chevreul (1856) und Berthelot (1858), später
auch durch E. Schulze auf die Cholesterine des Wollfettes gelenkt war, die technische Ge-
winnung desselben durch die Arbeiten von VoHL, Abscheidung und Benutzung der Fette aus
den Seifenwässem der Tuch- und Wollwarenfabriken. Dingl. Polyt. Joum. 185 [1867], 465 und
Hahtmann, Über den Fettschweiß der Schafwolle. Diss. Göttingen 1868 eingeleitet.
Die Talsache, daß Wollfett beim Verreiben mit Wasser weiß wird, war schon den Alten
bekannt, wurde aber nur als Identitätsreaktion benutzt (Th. Husemann). Das Verdienst Liebreichs
ist es, 1885 gezeigt zu haben, daß das durch Wasseraufnahme in Lanolin verwandelte, entsprechend
gereinigte, völlig neutrale, seifenfreie Wollfett eine vorzügliche Salbengrundlage ist. Dargestellt
wurde aber wasserhaltiges Wollfett (Lanolin) zuerst 1882 durch Braun. Der «Wollfettkrieg» tobte
1894 und 1895 (vgl. d. Jahresberichte). Jetzt ist das Lanolinpatent erloschen und auch das Wort
Freizeichen. Nach dem Verfahren von Dioskurides und Mesue wird niemals ein gutes reines
Wollfett, sondern stets ein übelriechendes Produkt von geringem Werte erhalten. Die besonders
durch B. Jaffa und Darmstädter in Martinikenfelde und die Norddeutsche Wollkämmerei in
Delmenhorst-Bremen ausgearbeiteten verbesserten neuen Fabrikationsverfahren bedeuten einen
großen Fortschritt; ohne sie wäre das Wollfett niemals aus seiner Vergessenheit gezogen worden.
Beckurts bezeichnete aber die Patentierung der Vermischung von Wollfett mit Wasser
als einen Eingriff in pharmazeutische Rechte. o
Die Gewinnung von Potasche aus Wollschweiß erfanden Maumenä und Rogelet (1859)
und H. Fischer (vgl. F. Fischer, DingL polyt. Journ. 218, 484). Die erste Anregung dazu
gaben Kurrer und Westrumb 183 i.
Lit. Liebreich, Brit. Med. Journ. 1896. — Wulfsberg, Geschichtl. Not. über Oesypum.
Therapeut. Monatsh. 1887. — Vulpius, Zur Gesch. d. Lanolins. Arch. Pharm. 1888. — Th.
Husemann, Zur Vorgeschichte des Lanolins. Janus 1897 (ausführliche Darstellung).
b) Insektenwachse.
Eine große Zahl niederer Tiere, besonders Insekten, besitzen die Fähigkeit,
wachsartige Substanzen auszuscheiden (häufig neben Zucker). Bisweilen sind die Aus-
scheidungen so beträchtlich, daß sie in größerer Menge gewonnen werden können. So
entstammt das im Schellack (s. d.) enthaltene Wachs zweifellos dem Tier und auch
das chinesische Wachs ist ein Insektenwachs. Besonders sind wachsausscheidend die
zu den Hymenopteren gehörenden Apiden (Immen), zu denen die Bienen (Apinae),
Hummeln (Bombinae), die Trigonae und Meliponae gehören. Femer sind wachsaus-
scheidend von den Hemipteren die Cicaden (z. B. Cicada lateniind) und die Wachs-
schildläuse (z. B. Coccus cerifems), die Blutlaus u. and. Die Hauptbestandteile dieser
Wachse sind schwer verseifbare Ester der höheren Fettsäuren (Wachssäuren) mit ein-
wertigen Alkoholen mit hohem KohlenstofTgehalt (Wachsalkoholen, s. oben S. 547). Oft
treten homologe Glieder der Reihe nebeneinander auf und daneben Kohlenwasserstoffe.
Lit. betr. Insektenwachs zusammengestellt bei Fürth, Vergleichend. Chem. Phys. d. nied.
Tiere 1903 und Pillier, Hist, nat. et chim, des cires d'insectes. Thfese Paris.
Gera Flava.
757
Cera Flava.
Cera citrina, Bienen wachs, gelbes Wachs, cire d'abeilies, cire jaune, beeswax,
yellowwax.
Etym. Wachs (mhd.) — ahd. wahs, anord. vax, angels. weahs, engl, was, ndl. vaas.
Der Zusammenhang mit wabe ist unsicher (Kluge). Schrader stellt die Gleichung auf: gr. KtjQÖg,
lat. cera, lit. koris, ahd. wahs (altsl. voskü, lit. waszkas). ■ — AVachs heißt ägyptisch: mnh (die
hieroglyphischen Zeichen I, S. 470). — Propolis = Vorstadt, hier wohl = Vorbau, da man früher
von der (irrigen) Ansicht ausging, daß die Bienen zuerst die Propolis auf die Wand streichen
und daran die Waben befestigen (Küstenmacher).
Stammtier. Das gewöhnliche Bienenwachs stammt von der Hymenoptere Apis
mellifica L. {A. mellifera, cerifera, dotnestica, gregarid) und deren Rassen und Varietäten.
Von A. viellifica unterscheidet man gewöhnlich 6 Rassen: i. die einfarbig dunkle
deutsche Biene (A. mellifica im engeren Sinne) im nördlichen Europa bis 6l°n. B., in Mittel-
europa und einigen Gegenden Südeuropas und Nordafrikas. Hierher gehört auch die griechische
oder Hymettusbiene (A. Cecropiä). 2. Die bunte südeuropäische mit gelbem ersten Hinter-
leibssegment in Südfrankreich und Westasien. Hierher gehört die norditalienische Biene (A. ligusticd),
die 1853 in Deutschland eingeführt wurde. 3. Die gebänderte ägyptische Biene (^^./aic/'a^a)
in Ägypten, Arabien, Syrien, Himalaya, China, 1864 in Deutschland eingeführt. 4. Die afrika-
nische Biene (A. Adansonii) mit graugelber Behaarung, in Afrika bis zum Kap, nicht in Nord-
afrika. 5. Die schwarze madagassische Biene i^A. unicolor) in Madagaskar und Mauritius.
6. Die amerikanische (A. patlidd). Die Rassen können sich untereinander paaren. Sie zer-
fallen wieder in Varietäten. Von der deutschen unterscheidet man z. B. die Lüneburger
Heidebiene, die krainische, die niederösterreichische. Das britisch-indische beeswax stammt von
Apis dorsata Fabr., A. indica Fabr., A. florea Fabr. und Melipona- (Trigona) arien (Hooper).
A. dorsata und florea sind beide wildlebend und nicht domestizierbar. Auch von anderen Bienen,
besonders wilden, wird da und dort (z. B. in Nieder!. Indien, in Guadeloupe u. and.) Wachs
gewonnen.
Die Arbeitsbienen sind geschlechtlich funktionslos gewordene Weibchen. Die Drohnen
(von Dröhnen, Summen) sind männlich, die Königin (Weisel, wohl eigentlich Weiser) weib-
lich — ausschließlich «Eierlegmaschine». Ein mittelstarkes Bienenvolk hat etwa 30000 (kleinere
12 — 24000, starke 70 — looooo) Arbeiterinnen, 2000 (kleinere 600 — 1000) Drohnen und eine
Königin. Die Arbeiterinnen bauen die Waben, pflegen die Eier, füttern die Brut, die Drohnen
sowie die Königin, deckein die vor der Verpuppung stehenden Larven und helfen den aus-
schlüpfenden jungen Bienen beim Verlassen der Zellen. Sie allein fliegen auf «Tracht», d. h.
sammeln Nektar, Pollen, Wasser und Propolis und speichern Honig, Pollen und Propolis
im Wachsbau auf. Letztere werden im Körbchen eingebracht. Das «Körbchen» ist eine Mulde
auf der Außenseite der Hinterschienen, von langen Wimperhaaren umstellt, in das die Arbeits-
biene bei ihren Blütenbesuchen den Pollen, beim Sammeln an harzenden Pflanzen das Kittwachs
zu einem Klümpchen, dem «Höschen» zusammenstreicht. Es fehlt der Königin und Drohne,
die auch keine «Zange» zum Abnehmen der Wachsblättchen besitzen. Die Pollenhöschen,
die oft aus verschiedenen Pollenarten bestehen, werden von der Arbeiterin von den Hinter-
beinen in eine Arbeiterzelle abgestreift, bis diese gefüllt ist. Die Masse wird mit dem Kopf
festgestampft und bisweilen mit Honig Übergossen. «Der Bedarf an Blütenstaub erreicht nicht
den Verbrauch an Honig. Immerhin scheint der Instinkt, ihn über Bedarf zu sammeln wie
den Honig auch den Bienen volksgesunder Stöcke nicht zu fehlen» (Stadler). Jüngere Tracht-
bienen sammeln in der ersten Zeit ihrer Ausflüge vorwiegend Pollen. Auch sonst bringt die
Arbeiterin bald entweder Pollen oder Nektar heim. Den Pollen führt die Biene mit den Ober-
kiefern der Mundöfi'nung zu. Die Arbeiterinnen säubern auch den Stock von Kranken und
Toten, verteidigen den Bau mit ihren Kiefern gegen Eindringlinge und ventilieren den Bau
mit ihren Flügeln. Sie arbeiten sich so ab, daß sie nicht länger als 6 Wochen leben. Nur die
im Herbst ausschlüpfenden, überwinternden gehen erst während der Frühjahrsarbeit ein.
— r S Insektenwachse.
/ o"
Die etwa 3 Monate alt werdenden Drohnen beteiligen sich nicht an den Arbeiten des
Stockes. Eine Drohne befruchtet im «Hochzeitsflug» die Königin. Nachdem die Haupttracht
vorüber, werden die Drohnen von den Arbeitern aus dem Bau entfernt (Drohnenschlacht).
Eine Königin kann zur Zeit der Haupttracht in 24 Stunden 2000 — 3500 Eier ablegen,
in 4 — 5 Jahren (so alt kann sie werden) viele hunderttausende. Doch legt sie stets nur je ein
Ei in je eine Zelle. In Arbeiter- und Weiselzellen legt sie befruchtete, in Drohnenzellen un-
befruchtete Eier, die sich aber parthenogenetisch entwickeln.
Lit. Schmiedeknecht, Apidae europaeae 1882 — 86. 2 B. — Cowan, Die Honigbiene
(aus dem Engl.) 1891. — Hess, Die Feinde der Biene 1887. — v. Berlepsch, Die Biene und
ihre Zucht 1S73, und Die Biene nach ihrem jetzigen ration. Standp. (3. Aufl. von Vouel 1891).
— Dathe, Lehrb. d. Bienenzucht. 5. Aufl. 1892. — Witzgall, Das Buch von der Biene 1906.
— Bessler, Illustr. Lehrb, d. Bienenzucht. Stuttgart 1896. — Beauregard, Mat. med. zool.
1901. — Kramer -Theilkr, Der schweizerische Bienenvater. 7. Aufl. igio (darin auch die Feinde
d. B.). — Buttel-Reepkn , Die stammesgeschichtl. Entstehung d. Bienenstaates und: Sind die
Bienen Reflexmaschinen? — Forel, D. Sinnesleben der Insekten. 1910. — Hans Stadler, Die
Biologie d. Biene, igii. — H. VoGT, Geometrie u. Ökonomie d. Bienerzelle. 191t. — Gute
Übersicht über die Morphologie der Biene in: Zander, Der Bau der Biene. Stuttgart 1911. —
Viele und gute anatomische und morphologische Details der Biene in Snodgrass, The anatomy
of the honey bee. U. S. Dep. Agric. Bur. Entomol. 1910. Bull. No. 18. — Vgl. auch den
Artikel Honig S. 8.
Entstehung. Aus welchen Stoffen das Wachs in den Bienen gebildet wird wissen
wir nicht bestimmt. Die einen (Liebig, G. Buchner) nehmen an, daß es aus, Kohle-
hydraten, namentlich Zucker, umgebildet werde — Hanriot hat für die Überführung
von Hexosen in Wachs Formeln erdacht — , die anderen (Voit, Berlepsch), daß Eiweiß-
körper die Muttersubstanzen sind, noch andere (Swamerdamm, Maraldi, Reaumur,
Hoppe-Seyler) sind der Ansicht, daß es von den Bienen fertig gebildet aus den
Pflanzen aufgenommen und nur in reiner Form abgeschieden werde. Gegen letztere
Ansicht spricht, daß Bienen angeblich auch bei wachsfreier (gibt es diese?) Nahrung
wenigstens einige Zeit Wachs zu produzieren vermögen (Schneider), was freilich
schwer zu kontrollieren ist. Immerhinist zu berücksichtigen, daß das Pollenin (s. S. 472)
der Pollenkörner, das dem Korke offenbar sehr nahe steht, jedenfalls wie dieses auch
wachsartige Substanzen enthält, die von der Biene verarbeitet und vielleicht einige
Zeit gespeichert werden können (Tschirch) — daß Pollenkörner Wachs enthalten
wußte schon Proust. Auch sonst kommen die Bienen ja vielfach mit den Wachs-
überzügen der Pflanzen in Berührung. Auch gibt zu denken, daß das Bienen wachs
imd das Pflanzenwachs chemisch sehr nahe verwandt sind (s. Carnaubawachs). Meist
wird jetzt das Wachs als ein Produkt der Überernährung der Biene mit Honig und
Pollen betrachtet und als aus dem Honig umgebildet (Huber 1793, Hunter). Man
hat sogar berechnet, daß für i kg Wachswabe 10 kg Honig konsumiert werden müssen
und daraus gefolgert, daß der Honigertrag durch den Wachsbau empfindlich geschmälert
würde, daher eben künstliche Waben eingesetzt, die aber in erster Linie den Zweck
haben, der Biene die volle Ausnutzung der Einsammeitage zur Honigproduktion zu
ermöglichen. Zu denken gibt die mir von Imkern hervorgehobene Tatsache, daß die
Biene jederzeit zum Wachsbau angeregt werden kann, und daß der Wabenbau außer-
ordentlich rasch erfolgt. Das sieht fast darnach aus, daß sie das Wachs produziert.
Aber freilich, an Pollen ist ja immer Vorrat vorhanden. Die Biene hat bekanntlich
einen eigenen Pollenmagen und speichert auch im Bau Pollen und anderes Wachs-
material auf.
HtTBER meint freilich, daß Bienen ausschließlich mit Pollen ernährt, niemals Wachs geben,
und daß mit Honig ernährte es reichlich produzierten (Dumas und Milne-Edwards stimmen
Gera Flava. 759
dem bei). Aber Beauregard bemerkt, daß dies doch nicht so viel heißen solle, daß die Wachs-
raaterialien der Pflanze gar keinen Einfluß auf die Wachsbildung haben und niemals dazu be-
nutzt werden. Er nimmt also einen vermittelnden Standpunkt ein. Ich nehme an (Schweiz.
Wochenschr. 19:1 Dez.), daß die Hauplquelle des Bienenwachses die von den Pflanzen stam-
menden Wachssubstanzen sind, aber zu seiner Bildung die Anwesenheit von Honig nötig ist.
Wegleilend ist für mich die Tatsache, daß das Bienenwachs ebenso wie das Pflanzenwachs
eigenartige Kohlenwasserstoft'e enthält, und daß der Biene stets reichliche pflanzliche Wachs-
quellen (s. oben) zur Verfügung stehen, aus denen sie mit viel geringerem Energieaufwand wie
aus Honig allein Wachs bilden kann.
Die von Hoknborstel ausgesprochene Ansicht, daß den Bienen zur Wachsbereitung
Honig in genügender Menge zur Verfügung stehen müsse, war schon, wie es schien, durch
Hubers Versuche bestätigt worden. Gundelach (1842), v. Berlepsch (1854I und Dönhoff {1861)
suchten dann durch zahlreiche Fütterungsversuche den Nachweis zu erbringen, in welchen Ge-
wichtsverhältnissen die gegebenen Honigmengen und die produzierten Wachsmassen stehen.
Die Resultate sind aber so verschieden und weichen von denen späterer Beobachter so stark
ab. daß sich ein sicheres Urteil nicht abgeben läßt. Der Punkt ist also auch heute noch strittig
(vgl. bei Dreyling a. a. O.).
Wenn ich oben als möglich bezeichnet habe, daß das Wachs, welches die
Biene ausscheidet, vorwiegend den von ihr gesammelten Wachsmaterialien der Pflanze
entstammt, so ist das doch selbstverständlich nicht so zu verstehen, daß dies Material
einfach so wie es ist wieder ausgeschieden wird. Es passiert den Tierkörper, erleidet
hier (mit Ausnahme der Kohlenwasserstoffe) eine Umbildung und wird dann in ver-
änderter Form von den Wachsdrüsen abgeschieden. Ich stütze mich hierbei unter
anderem auch auf die Tatsache, daß wir Cerotinsäure und Melissylalkohol sowie
Kohlenwasserstoffe sowohl in Pflanzenwachsen wie im Bienenwachs finden und daß
z. B. der in Pflanzenwachsen gefundene Myricylalkohol völlig identisch ist mit dem
aus Bienenwachs isolierten.
18 — 24 Stunden nach der Aufnahme der Nahrung, die in dem zuckerhaltigen
Nektar und dem Pollen der besuchten Blüten besteht, erfolgt bei den Arbeitsbienen
an den vier letzten Bauchringen, den sog. «Spiegeln», die den Drohnen fehlen, und
zwar in der sog. Wachsmembran, einer Schicht epithelialer Zellen, welche zwischen
der Cuticula und der inneren membranösen Auskleidung der Bauchsegmente liegen
(Carlet), die Ausscheidung des Wachses in Form kleiner länglich-runder Lamellen,
von denen acht etwa 0,0015 wiegen (Dumas). Aus diesen bauen die Arbeitsbienen
die sechseckigen Zellen in die sie dann den aus dem Nektar gebildeten Honig
(s. S. 9) entleeren, „erbrechen".
Dreyling faßt seine Untersuchungen über die wachsbereitenden Organe der gesellig
lebenden Bienen (19051, wie folgt, zusammen: «Die Arbeiterinnen der Honigbiene scheiden das
Wachs durch besonders ausgebildete Drüsen («Hautdrüsen») an den vier letzten Veniralplatten
des Abdomens aus. Die Anlagen der Wachsdrüsen sind bereits im Puppenstadium sichtbar, er-
reichen bei der ausgebildeten Biene einen gewi-sen Höhepunkt und degenerieren mit zunehmen-
dem Alter allmählich. Die Sekretionsfähigkeit der Wachsdrüsen hängt mit dem Bau derselben
innig zusammen. Das Wachs gelangt durch die Poren auf die Außenseite des Spiegels, wo es
sich in Form kleiner Plättchen ablagert.» Die Wachsdrüsen (Fig. 230) zeigen eine auffallende
Ähnlichkeit mit den Drüsenflecken der Pflanzen, z. B. bei Capsicum (Tschirch). Die Wachs-
drüsen bringen also nur eine gewisse Zeit das Wachs hervor. Sie sind bei den jüngsten Bienen
noch nicht ausgebildet, bei Trachtbienen schon wieder zurückgebildet. «Das «Wachsschwitzen»
liegt also einer bestimmten Aliersklasse der weiblichen Bienen ob, einer Altersklasse, die noch
nicht auf Tracht ausfliegt, sondern noch zu den Stockbienen gehört.»
«Beim Bau der Waben ziehen die Bienen mit den Hinterfüßen sich selbst oder
(meist) anderen Bienen die Wachsblättchen aus den Bauchringen hervor, zerkauen
r6o
Insektemvachse.
und bespeicheln sie und bringen sie dort an, wo sie eine Wabe beginnen oder weiter-
führen wollen.» Um die für die Wachsbildung nötige Temperatur (c. 35") zu erzielen,
legen sich die Bienen in einem Haufen übereinander. Der Wabenbau erfolgt besonders
im Frühling (Mai, Juni). Die neugebauten Waben sind schneeweiß, sie werden aber
bald gelblich. Der Honig wird in verlängerte Arbeiter- und Drohnenzellen entleert.
wdr
wdr
wdr
vjc/r
Fig. 230.
"Wachsbildung bei der Honigbiene.
I Sagittalschnitt durch das Abdomen bei den vier hinteren Ringen (R) mit den Wachsdrüsen (wdr). 2 Wachsdrüse
stälker vergrößert. 3 Teil einer Wacbsdrlise stark vergrößert. Die subcuticulare Wachsbildung (w) ist deutlich.
[Nach Dreyling. 1
«Bei einem Schwärm mit noch unbefruchteter Königin bauen die Bienen zarte weiße
Waben in der Farbe, wie sie das Wachs an den Bauchdrüsen ausschwitzen, das sog.
Jungfernwachs, und erst, wenn die Befruchtung der Königin gelungen und Brut
eingeschlagen wird, fangen die Waben an sich zu färben» (Küstenmacher).
Der Bau der Wachswabeu beginnt an der Decke. Zu-
nächst wird eine Vertikalwand gezogen. Bei den in dichten Guir-
landen von der Decke hängenden Arbeiterinnen nimmt die vor-
derste von ihren Bauchschuppen ein Wachsplättchen ums andere
in die Wachszangen ihrer Hinterbeine und von hier in die Klauen
der Vorderbeine, erfaßt sie mit den Oberkiefern, knetet sie und Idebt
sie an die Decke. Die ihr zunächst hängende reicht ihr dann mit
den Kiefern ihre Wachsschüppchen zu und die erste baut damit
weiter. «So wandern durch die ganze Bienenkette die von den
einzelnen Tieren geschwitzten Wachslamellen vor zu der vorder-
sten. Da mehrere Ketten gleichzeitig arbeiten, so sind es ge-
wöhnlich auch mehrere Wabenanfänge {3 — 4), die zu gleicher Zeit
aufgeführt werden. Sobald die Fundamente gebaut sind, lösen sich
die Ketten auf und es arbeiten von nun ab zahlreiche Bienen zu-
Fig. 231. gleich an der Vergrößerung und dem Ausbau der Waben. Dabei
Zwei Waben mit einer Wabengasse ziehen sich die bauenden Arbeiterinnen nun auch gegenseitig mit
dazwischen, die unten im Brutraum j^^ Kiefern die Wachsplättchen zwischen den Bauchringen her-
(b) zwei, oben im Honigbogen (h) „. , ,. ., , ^,- , , ,_ • , t- ■ 1 •
„. „ ., ^ vor». Die auf die vertikale «Mittehvand» von beiden Seiten her in
einer iiienc Kaum gibt.
[Nach Stadler.] großer Zahl aufgesetzten «Zellen» sind hohle sechsseitige, mit einer
Kante nach unten gerichtete Säulen, die nicht genau horizontal, son-
dern etwas gegen die Mittelwand geneigt, angelegt werden (Fig. 231), deren Wand etwa 0,1 ram dick
ist (gegen die Mittelwand dicker) und die durch einen Deckel verschlossen werden (Fig. 232 u. 233).
Der Zellverband ist die Wabe. Zuerst werden immer nur Arbeiterzellen gebaut (Arbeiterwaben,
Arbeiterbau) als Brutstätten für die Eier, aus denen Arbeiterinnen hervorgehen, sowie zur Auf-
Gera Flava.
761
nähme von Pollen und Honig. Der größte Teil eines Stockes besteht aus Arbeiterwaben. Die
Arbeiterbrutzelle ist etwa 12,5 mm, die als Honigzelle benutzte Arbeiterzelle 5,7 — 39,5 (meist
16 — I7)mra tief (lang) und mißt von Wand zu Wand c. 5,16 mm. Sobald das Volk «an Ver-
mehrung denkt», werden auch Drohnenzellen gebaut, die beträchtlich größer sind (6,87 : 18,75 mm)
und durch Übergangs-, Flick- oder Schaltzellen
angeschlossen werden, sowie schließlich die in be-
schränkter Zahl (höchstens 30 pro Volk) angelegten,
bis 24 mm großen, unregelmäßig eicheiförmigen
Weiselzellen (Weiselwiege) für die Königin (Fig.
232), in denen die weiblichen Larven erbrütet wer-
den. Ihre Öffnung liegt nach unten. Während die
Weiselzelle nur einmal benutzt und ihr Wachs
weiter verwendet wird, verleben in den Arbeiter-
und Drohnenzellen Dutzende von Generationen
ihre Larvenzeit. Die einzelnen Zellenbaue (Waben)
stehen in parallelen, durch Wabengassen getrennten
Reihen nebeneinander (Fig. 231) — die Mittelwände
fast genau 3,5 cm voneinander entfernt. Sie sind an
der Decke und an den Seiten, bisweilen, aber nicht
immer, auch unten durch besonders starke , aber
fünfeckige «Heftzellen» befestigt. Im modernen
Rähmchenbau (Mobilbau) werden die Mittelwände
künstlich gezogen (Kunstwabe) und dadurch der
Bau regelmäßiger. Die AVaben enthalten die Brut,
den Honig und den Pollen. Der mittlere Teil des
Stockes besteht meist aus Brutwaben, über denen
die nur Honig enthaltenden Zellen des «Honig-
bogens» (Fig. 233) liegen, die Drohnenzellen liegen
zu Unterst. Sind die Waben hoch genug, so füllt
die Biene bisweilen auch in die gleiche Zelle unten
Brut und oben Honig. Reine Pollenwaben gibt es
für gewöhnlich nicht. Die Honigzellen sind meist «vertieftes
sehrstarkverlängerte)
Arbeiterzellen. Alle
Honigzellen werden
gedeckelt, aber auch
die Brut-, Drohnen-
und Weiselzellen er-
halten meist Deckel.
Junger Wabenbau ist
sehr zerbrechlich. Er
wird erst durch die
sich den Wachszellen
anschmiegenden Co-
cons(«Nymphenhäut-
chen») der Larven
derber, besonders
wenn zahlreiche Lar-
ven nacheinander die
gleiche Zelle benutz-
ten. Die anfangs weis-
sen Waben sollen sich
«infolge der Stock-
ausdünstung5> gelb
färben. Alte Waben
sind fast schwarz. Die
Arbeitsbienen entlee-
^^
Fig 232.
Die Biene bei der Arbeit; rechts oben gedeckelte Zellen,
unten eine Königinzelle.
d. h. verlängerte (und bisweilen
Fig- 233-
Oben: Honigbogen (Halbkreis). Mitte: Geschlossene Arbeiterbrut {oben offen, die Haupt-
masse gedeckelt). Unten: Drohncnbnit. zumeist offen. [Aus Stadler, Biologie der Biene.]
762
Insektenwachse.
ren ihren Koth nie im Bau, das tun nur die Drohnen und die Königin. Er wird aber von
den Arbeiterinnen entfernt, die überhaupt den ganzen Bau rein halten. Um den Fortpflanzungs-
trieb der Biene zu beschränken und den Sammeltrieb zu begünstigen, wird jetzt oft der Stock
in zwei Abschnitte getrennt, einen Brutraum, in welchem die Königin die Eier ablegt, die
dann durch die Arbeiterinnen bebrütet werden und einen Honigraum, in dem die Ar-
beiterinnen den Honig ablegen. Beide werden durch ein Absperrgitter getrennt, das so enge
Maschen hat, daß nur die Arbeiterinnen, nicht Drohnen und Königin es passieren können.
Die im modernen Älobilbau, der den alten Stabilbau (die Bienenkörbe usw.) immer mehr
verdrängt, in auswechselbaren Rähmchen sich befindenden Honigwaben werden jetzt
meist, nachdem sie entdeckelt wurden, in der Honigschleuder zentrifugiert und die entleerten
Waben wieder in den Bau gehängt. Dies erspart den Bienen den Bau neuer Wachszellen,
konzentriert ihre Arbeit auf die Honigernte, drückt aber natürlich die Wachsproduktion herab.
Drei Erfindungen haben die Imkerei unserer Zeit mächtig gefördert: der Mobilbau, die
Kunstwabe und die Honigschleuder.
Lit. Wachsbildung: Claus, Über d. wachsbereitenden Hautdrüsen der Insekten Ges.
z. Bef. d. ges. Naturw. Marburg 1867. — Carlet, Le cire et ses organes s^creteurs. La Natura-
liste 1890. — L. Dreyling, Die wachsbereitenden Organe bei den gesellig lebenden Bienen.
Diss. Marburg 1905 (dort auch die ältere Lit.).
Der Blütenstaub wird verzehrt oder durchgearbeitet und aufbewahrt und bildet das sog.
Bienenbrot oder wird auf Propolis'verarbeitet. Außer den genannten Substanzen sammeln die
Bienen angeblich besonders von harzaussche denden Blatlknospen der Erlen, Akazien, Pappeln,
Roßkastanien, Birken, Eschen, Bisampappel, Mandel, Brombeere, Distel, Männertreu, Lein, Bal-
samine usw., das Gummiharz der KoUeteren und das Sekret anderer Drüsenhaare und ver-
arbeiten dies zu dem sog. Kleb-, Stopf- oder Vorwachs, der Propolis, welches sie zum Ver-
kleben der Löcher, besonders als Schutz gegen Zugluft, wogegen die Bienen sehr empfindlich
sind, und zum Einhüllen von in den Stock eingedrungenen Fremdkörpern benutzen. Auch wurde
schon oft bemerkt, daß die Bienen an dem Gummifluß der Prunoideen, am Harze des Sägemehls,
ja am Peche der Bierfässer nagen (Dieterich), das sie dann ebenfalls zu Propolis verarbeiten.
Nach der Ansicht Küstenmachers, der richtig bemerkt, daß die KoUeteren der Winterknospen
nicht in Betracht kommen können, da sie im Sommer abgeworfen sind, «besteht Propolis aber
aus dem Ol resp. Balsam von der Oberfläche der Pollenkörner, dem von den Bienen noch Wachs
und als Füllstoff alter Pollen und allerlei Gemüll aus dem Bienenstock in variabler Menge zu-
gesetzt wird». Die Wahrheit liegt vielleicht in der Mitte und die Biene verwendet alles ihr
erreichbare harzartige Material. Dafür spricht die außerordeutlich unregelmäßige Zusammen-
setzung der Propolis (Küstenmacher fand z. B. Zimtalkohol und Zimisäure darin, Diete-
rich nicht).
Gelegentlich der Entleerung des Honigs aus den Waben, der durch einfaches
Auslaufenlassen, oder durch Abpressen, Ausschleudern oder Zentrifugieren geschieht,
gewinnt man nun auch als Nebenprodukt das Wachs (Wachsemte). Die entleerten
Waben werden in heißem Wasser zusammengeschmolzen und die Masse dann in
Formen oder Erdlöcher gegossen. Dieses Rohwachs, das mancherlei Verunreini-
gungen (tote Bienen und deren Teile, Nymphenhäutchen, Pollenkömer, Sand, Staub,
Erde, Pflanzenteile usw.) enthält — besonders die überseeischen Wachse enthalten
oft viel Erde — und in Blöcken (Vergl. I. Fig. 258), Kuchen, Broten oder Stangen
im Handel ist, wird in Säcken, Kisten oder Körben versandt. Die Wachsproduktion
geht durch Aufgabe des Stabilbetriebs zurück.
Das Rohwachs wird durch Umschmelzen mit Wasser über direkter Feuerung
oder mit Dampf gereinigt (gereinigtes, geklärtes, geläutertes, raffiniertes Wachs). Das
Erhitzen erfolgt meist in Holzfässem mit direktem Dampf, die Masse wird dabei
durch Rührwerke gut durchgemischt und dem Wasser meist etwas Schwefelsäure, Salz-
säure oder Oxalsäure zugesetzt. Das Ganze wird zum Absetzen der Verunreinigungen
lange geschmolzen gehalten. Dann zieht man das obere klare Wachs mittelst Hähnen
Gera Flava.
763
in Formen ab. Die unteren Partien liefern das Schmutz- oder Kotwachs (Wachskot).
Es wird nochmals umgeschmolzen, das Klare abgezogen, die Rückstände mit Stroh
geschichtet in Topfpressen ausgepreßt (Preßwachs), die Preßrückstände mit Benzin
oder anderen Lösungsmitteln extrahiert (Extraktionswachs). Für pharmazeutische Zwecke
ist nur das beste Wachs verwendbar.
Über die Gewinnung des Bienenwachses berichtet mir Herr Apotheker Wart-
M.\NN-Biel (Schweiz), der eine große Bienenzucht (c. 100 Völker) besitzt. «Das wachshaltige
Material, das sich bei der Pflege der Bienen und der Gewinnung des Honigs ergibt, kann in
zwei Gruppen geteilt werden:
1. die vor dem Ausschleudern der Honigwaben mit scharfem Schnitt abgetrennten Wachs-
deckel der Zellen, meist mit etwas Honig vermischt; dann etwaige unregelmäßig ausgeführte
unbebrütete, noch weiße Wabensiücke, sowie Wachsteile, die von den Bienen oft zwischen und
außer den Rahmen abgelagert sind;
2. die seit kürzerer oder längerer Zeit im Brutnest benutzten Waben, durch die in den
Zellen zurückgelassenen Kokonhäutchen dunkel gefärbt. Wenn auch regelmäßig gebaute Waben
trotz einer mehrmaligen Bebrütung innert eines Sommers für zehn und mehr Jahre benutzt
werden können, so ist eine schrittweise Erneuerung der Brutwaben doch angezeigt, — wozu
dann noch etwaige Bruchstücke kommen.
Da das erstgenannte Material zum größten Teil aus Wachs besteht, ist dessen Ver-
arbeitung eine einfachere und wird mit Vorteil unter Mithilfe der Sonnenwärme in dem sog.
Sonn wachsschmelzer, einem nach oben mit einem gegen die Sonne geneigtem Fenster geschlos-
senem Holzkasten vorgenommen. Auf ein geneigtes Blech gibt man die Wachsabfälle und in-
folge der unter dem Fenster entstehenden
Wärme (bis zu 70 Grad) fließt das reine
Wachs unter Zurücklassung der nicht schmelz-
baren Bestandteile in ein untergestelltes Ge-
fäß. Um das Produkt von etwa eingeschlos-
senem Honig, der mit abgeflossen, zu be-
freien und das Ganze zu einer gleichmäßig
gefärbten Masse zu vereinigen, schmilzt man
es am besten in einer Email- oder Messing-
pfanne unter Zusatz von etwas Wasser auf
ganz gelindem Feuer und läßt möglichst
langsam erkalten. Etwaige Unreinigkeilen
sammeln sich an der unteren Fläche des
Kuchens und können davon abgekratzt
werden. — In Ermangelung eines Sonn- '
Wachsschmelzers oder der Sonneuslrahlen
werden die gleichen Abfälle mit dem mehr-
fachen Wasser unter Umrühren geschmolzen
und durch ein ziemlich dichtes Gewebe ge-
seiht. Auch hier kann nach dem möglichst Hölzerne Wachspresse. (Aus Kramer-Theiler, Bienenvater.]
langsamen Erkalten der Kuchen auf der Unterseile vollends geputzt werden. — Auf beiden
Wegen wird nur verhältnismäßig wenig Rückstand verbleihen.
Umständlicher gestaltet sich die Verarbeitung der zweiten Gruppe, da in diesen alten
Waben höchstens 20 — 40% reines Wachs enthalten ist und zudem in den durch die sich tren-
nenden Kokonbecher zurückgehallen würde, wenn nicht noch in warmem Zustand eine Pres-
sung darauf ausgeübt würde. Dies wird auf nachfolgende Weisen erreicht:
Die Wabensiücke werden zerkleinert in einen lockeren Sack eingeschlossen und dieser
in einem großen Kessel Wasser unter Beschwerung mit Steinen und Kneten mit einem Stück
Holz oder desgleichen erhitzt. Das sich im Laufe der Behandlung auf dem Wasser ansammelnde
Wachs kann dann entweder g'eich oder erst nach dem Erkalten abgeschöpft werden.
Auch wird die Masse oflTen mit viel Wasser zu einem dünnen Brei erhitzt und möglichst
heiß und rasch durch einen Sack gegossen und dieser auf verschiedene Art ausgepreßt. Ent-
weder wird die Holzpresse (Fig. 234) erst mit heißem Wasser vorgewärmt oder man verwendet
-04
Insektenwachse.
die sog. Dampfwachspresse (Fig. 235), bei der der Preßraum in einem doppel wandigen
Kessel durch Wasserdampf erhitzt wird, während durch die Spindel das Wachs aus der Masse
gedrückt wird. — In allen diesen Fällen ist ein Umschmelzen des ersten Produktes und Tren-
nung von mitgerissenem Bodensatz, wie schon oben erklärt, nötig. Da bei steter Gegenwart
von Wasser ein Überhitzen f.TSt unmöglich ist, so lässt das Produkt nichts zu wünschen übrig,
sofern jede Benutzung von eisernen Gefäßen vermieden worden ist. — Einen großen Teil des
eigenen Wachses verwendet der Imker wieder für Mittelwände (Kunstwaben), auf welche die
Bienen dann nur die Zellen errichten, aber in gewollter Richtung und Größe.»
Fig. 235-
Andennatts neue Dampfwachspresse. [Aus Kramer-Theiler, Bienenvater.]
Die sogenannte Wachsläuterung wird übrigens auf verschiedene Weise betrieben. In
Pommern z. B. kocht man die gesammelten Wachsstoffe im Wasser unter stetem Umrühren auf,
läßt die Masse aber nicht überkochen, schüttet sie in einen Spitzbeutel von starker Leinwand
und preßt diesen auf einer Flachsbrake, die über einem Gefäß mit Wasser steht. Das flüssige
Wachs rinnt da hinein und schwimmt auf dem Wasser. Nachdem es erkaltet ist, erhitzt man
es nochmals im Wasser, doch nicht bis zum Kochen, und läßt es in dem Gefäße, das oben
weiter als unten sein muß, erkalten, hebt die ganze Platte heraus und schneidet die schmutzigen
Teile an der unteren Fläche mit einem Messer ab. Statt der Flachsbrake benutzt man auch
zwei entsprechend lange, runde Stäbe von etwa 2Y2 cm Dicke, hängt den Spitzbeutel, nachdem
die aufgekochte Wachsmasse hineingeschüttet ist, mit seinem offenen Ende an einen starken
Haken, stellt ein Gefäß mit Wasser darunter, nimmt den Beutel zwischen die beiden Stäbe und
preßt die Masse aus, indem man die Stäbe fest zusammendrückt und nach unten zieht. Hat
man ein größeres Quantum Wachs zu verarbeiten, so bedient man sich einer «Wachspresse»,
die in verschiedenen Konstruktionen im Handel sind (Theen).
Das Bleichen geschieht auf eine im Grunde sehr einfache, aber doch umständliche
Weise, welche bisher wenig Veränderungen hat zweckmäßig erscheinen lassen. Das in einem
Kessel mit etwas kochendem Wasser geschmolzene geläuterte Wachs wird in Form feiner Blätt-
chen gebracht, entweder indem mau es in geschmolzenem Zustande auf eine sich langsam
drehende und halb in kaltem Wasser gehende Holzwalze laufen läßt, wobei die dadurch ent-
stehenden dünnen Bänder (gebändertes Wachs) sich im Wasser ablösen, oder indem man von
der wieder erstarrten Masse mittelst scharfer Messer ganz feine Späne abschneidet. Ehe man
das Wachs schneidet, pflegt man es bisweilen einige Male in Wasser umzuschmelzen, um ihm
einen gewissen Wassergehalt einzuverleiben. Schließlich kommen die in Siebkörben heraus-
geschöpften feinen Blätter auf den Bleichplan und unterliegen hier auf mit Tuch überspannten
Drahtnetzen der Einwirkung von Sonne und Luft, je nach der Witterung und der Wachsart
Cera Flava. 765
kürzere oder längere Zeit, jedenfalls so lange, bis der Farbstoff in ihnen zerstört und das
Wachs weiß geworden ist. Ein Zusatz von etwas verdünnter englischer Schwefelsäure zu dem
schmelzenden Wachse ist für die Bleichung von günstigem Einfluß. Neuerdings wendet man
zum Bleichen des Wachses vornehmlich Kalibichromatschwefelsäure unter Zusatz von O-talsäure
und Einleiten von Dampf, seltener Kaliumpermanganat, Chlorkalk, Terpenlinöl und Wasser-
stoffperoxyd an. Das gebleichte Wachs wird meistens in runden Scheiben von 5 mm Dicke
ausgegossen (Theen), Das Bleichen kann auch mit Walkerde erfolgen, die die färbenden Sub-
stanzen aufnimmt (A. Müller-Jakobi). Bei der Rasenbleiche wird das geschmolzene Wachs
in Wasser gegossen, die dünne Scheibe abgehoben und unter Begießen an der Sonne gebleicht.
In Laibach (ECrain) beschäftigen sich mehrere Firmen mit dem Bleichen ägyptischen Wachses
(G. und R. Fritz).
Hauptproduktionsländer sind:
In Europa: Deutschland (Bayern, Hessen, Hannover, Norddeutsche Heide, Holstein,
Pommern), Krain, Schweden, Türkei (Konstantinopel) und Rumelien, Bosnien, Slavonien,
Moldau, Walachei, Rußland (Ukraine, Podolien), Polen (Galizien), Italien (Venetien: Belluno,
Mailand, Livorno) , Frankreich (Marseille, Languedoc, Somme, Bourgogne, Gatinois, Nord,
Alpes, Landes, Bretagne, Normandie, Corsica), Portugal, Spanien, Schweiz.
In Asien: Smyrna, Syrien (Beirut, Aleppo, Alexandrette), Palästina, Persien, Singapore,
Ceylon, Tonkin, Rangoon, Vorderindien (Bengalen, Panjab, Zentralprov., Bombay, ßerar,
Madras), Assam, Kashmir, Burma, Tahiti.
In Afrika: Tunis, Algier, Marocco (Mogador, Mazagan), Sierra Leone, Gambia,
Kamerun, Senegal (Conakry), Angola, Benguela, Mossamedes, Senegarabien (Bissao),
Deutsch-Ost afrik a, Mozambique, Mombassa, Sansibar, Madagascar, Ägypten (Alexan-
drien, Cairo), Abyssinien.
In Amerika: Carolina, Californien, Mexiko, Cuba (Habana), St. Domingo, Haiti,
Brasilien, Argentinien. Chile (Valparaiso).
In Australien: Melbourne, Sidney.
Haupthandelsplätze sind Algier, Triest, Wien, Genua, Marseille, Havre, London, Liver-
pool, Lissabon, Hamburg, Bremen.
Auf dem deutschen Markt ist afrikanisches, indisches, madagassisches, ostasiatisches und
mittel- und südamerikanisches Wachs. Das Deutsch-Ostafrikanische erfreut sich steigender Be-
liebtheit. Von einer Gesamteinfuhr von 1421500 kg Wachs nach Hamburg im Jahre 1904
stammten 151000kg dorther. Britisch-Indien exportierte 1906/07: 8162, 1907/08: 5120,
1908/09: 4671 cwts Beeswax, Von indischen Wachs unterscheidet man Gheddawachs, Tonkin
(Cochinchina), Rangoon, Anam. Deutschland importierte 1905; 1737000kg Bienenwachse,
1904: 18248 dz Bienenwachs (incl. and. Insektenwachs), besonders aus Abyssinien und Mada-
gaskar, dann aus Portugal, Deutsch-Oslafrika, Port. Westafrika, Brasilien, Marocco, Brit. Indien,
Cuba, Spanien, Port. Ostafrika. Die Vereinigten Staaten importierten 1908: 672437, 1909:
764895 pounds und exportierten 1908: 90506, 1909: 77547 pounds beeswax. Die Einfuhr von
Bienenwachs nach London betrug 1908: 2793, 1909: 1361 bis and srns. und 1908: 3148,
1909: 3583 cks and css. Die guten Wachssorten werden jetzt meist «mit Attest» angeboten.
Cera flava ist in Kisten von c. 50 kg, das gebleichte meist in runden Scheiben im Handel.
Eigenschaften. Die Farbe des Rohwachses differiert ziemlich stark. Sie ist hell-
gelb bei dem Wachse aus der Türkei, von Smyrna, Jaffa und der Levante, aber auch die
chilenischen und Belladi- (ägyptischen) Wachse, die von Benguela, Sassi und die schwe-
dischen und einige deutsche sind relativ hell; dunkelgelb ist im allgemeinen das
deutsche, belgische, italienische, marokkanische und kubanische Bienenwachs, grünlich-
gelb das amerikanische und ostindische, rotgelb einige Sorten des französischen und
italienischen. Nur die Wachse von Madagascar und St. Domingo sind dunkelbraim fast
schwarz. Die Farbe des Wachses hängt nicht mit der Farbe der Blüten zusammen,
sondern wohl mit der der Pollenkörner, besonders der eigenartigen, oft stark gefärbten
Massen, die oft den Pollenkörnem anhängen und die z. B. bei Verbascum tief orange-
766
Insektenwacbse.
rot gefärbt sind (Tschirch, vgl. oben S. 21). Auch Küstenmacher sagt: «Die ausge-
schiedene Propolis, der Balsam des Pollens, gibt dem Wachsbau des Biens die Farbe.»
Der Geruch ist verschieden. Die europäischen Sorten riechen angenehm honig-
artig, einige italienische und indische haben einen schwer definierbaren «Blumen-
geruch», die amerikanischen und afrikanischen riechen oft muffig. Von einem eigenen
Geschmack kann man meist nicht sprechen. Beim Kauen klebt es nicht an den
Zähnen (Kauprobe, Unterschied von verfälschtem Wachs).
Bienenwachs bildet durchscheinende, auf dem Bruche feinkörnige, in der Kälte
spröde und brüchige Massen, die in der warmen Hand knetbar werden. Aber die
einzelnen Wachssorten sind sehr verschieden hart, manche sogar fast schmierig
(RIarocco). Sehr hart sind Mozambique-, Haiti-, plastisch (streng) das Gheddawachs.
Wachs hat einen hohen Ausdehnungskoeffizienten und brennt, da ihm das Glycerin fehlt,
ohiie Geruch zu verbreiten, oder beim Auslöschen zu stinken, wie dies bekanntlich
die Unschlittkerze tat. Es löst sich in der Wärme in Äther, Benzol, Chloroform,
Benzin, SchwefelkoblenstofF und ätherischen Ölen, besonders gut in Tetrachlorkohlen-
stoff. Bei gewöhnlicher Temperatur löst Äther c. 50 "jg, Chloroform c. 25*'|q (Buchner,
RoBiNEAUD, A. Vogel). In Wasser und kaltem Alkohol ist es nahezu unlöslich.
Bienenwachs verändert sich mit der Zeit kaum. Ein aus dem Jahre 16 10 stammendes
Stück (aus einer Pariser Büste) stimmte mit unserem heutigen Bienenwachs überein
(PiNKUs).
Die reine Propolis (Pissoceros des Plinius) ist sehr weich und besitzt große Klebkraft,
sie ist stark aromatisch und schmeckt bitter. Die äUere mit Wachs und GemüU zusammenge-
knetete Propolis (die Propolis des Plinius) ist dunkler, nicht mehr so stark klebend und unter
15° brüchig. Die ältesten, mehrere Jahre alten äußeren Propolisschichten (Gummigrund, commosis
des Plinius) sind sehr fest und spröde, fast schwarz, erst beim Erwärmen riechend (Küsten-
macher).
Chemie. John unterschied das Cerin vom Myricin und Bucholz und Braconnot fanden
im gelben Wachs 90% Cerin, 8% Myricin und 2% balsamisch-fettigen Stoff.
Das Bienenwachs zeigt, gleichviel aus welchem Lande es stammt, ziemlich über-
einstimmende Zusamensetzung auch in dem relativen Verhältnis der Bestandteile (nur
ostindisches Wachs weicht stärker ab, es enthält mehr Wachsester und bei dem ost-
afrikanischen ist eine Verschiebung zwischen den verseifbaren und unverseifbaren
Anteilen zu beobachten. Buchner). Es besteht vornehmlich aus Palmitinsäure-,
Myricyl-(Melissyl-)ester (Myricin Brodie 1848), Cj^Hg^.CO— O.CgiH^j, und sog.
roher Cerotinsäure (Cerin), d. h. Cerotinsäure (CjeHjjOj, Brodie formulierte die
Cerotinsäure : C27H54O2, Schalfejew: C34H5JJO2, Nafzger: CguHgoOg oder CjjH^jO.,,
Marie: CjjHsqO.,), die 30 — 4o''|o der Cerotinsäure homologe Säuren enthält (T. Marie),
sowie Kohlenwasserstoffen, von denen das Heptacosan (CjyHj,;, F = 60,5)
und das Hentriacontan (CgjHjJ isoliert wurden (Schwalb). Daneben finden sich
in geringerer Menge Melissinsäure (CgoH^joÜ,,, nach Schwalb: C^Jigfi^), Myricyl-
(Mellisyl-)alkohol (CgoHgjO, nach Schwalb: CgiHj^O), Cerylalkohol (Cä^Hä^O)
und ein weiterer Alkohol, sowie ungesättigte Fettsäuren, ferner wahrscheinlich auch
zusammengesetzte Äther der Palmitinsäure, vielleicht auch der Stearinsäure und einer
der Oxalsäurereihe angehörenden, bei 44" schmelzenden Säure mit Melissylalkohol,
Cerylalkohol und vielleicht auch Cetylalkohol, CiiiHg^O (Brodie, Schwalb, Nafzger,
Eichel); endlich auch ungesättigte Säuren, Färb-, Gerb- und Riechstoffe und
eine klebrige, aromatisch riechende Substanz (Cerolein), sowie wahrscheinlich
auch Cholesterinester und Spuren von Glyceriden.
Cera Flava. /Ö/
Das Verhältnis der freien Säuren (bes. Cerotinsäure) zum Myricin ist 14 : 86
(Hehner), der Gehalt an Kohlenwasserstoffen 12,7 — iß"/,, (Buisine, Mangold,
12,5 — 14,5 Kebler, 12,8 — 17,35 Hext und Ahrens, 5 — 6"/^ Schwalb), der Ge-
halt an Fettsäuren 46 — 47 "/q, der Gehalt an unverseifbaren Stoffen (Kohlenwasser-
stoffen, Alkoholen) 52 — 55 "/q. Hehner fand 12,17 — löJi^/o Cerotinsäure und
85,12— 92,08 "lo Myricin. Der aromatische Geruch des Wachses rührt von einem
unbekannten «Balsam» her. Er kommt Stoffen zu, die teils in Petroläther un-
löslich, teils darin löslich sind. Letztere scheinen Ester zu sein, die Essigsäure, Butter-
säure und Valeriansäure, sowie eine ungesättigte flüssige Säure, zum Teil gebunden
an cholesterinartige Substanzen (Cholesterinester 0,6 "j,, R. Berg) enthalten. Das Wachs
von Bienen, die viel in Nadelholzwaldungen schwärmen, enthält Harz, riecht eigenartig,
läßt sich nicht leicht bleichen und hängt beim Schmelzen an den Kesselwänden.
Den Farbstoff hält Küstenmacher für einen Gerbstoff (?), der sich durch Oxydation
immer dunkler färbt, so daß die Wabe braun bis schwarz werden kann (aber doch
nicht immer wird). Die Farbe variiert oft stark, wie ja auch der an den Pollen-
körnern anhaftende Balsam (s. oben S. 766) bald gelb oder gelbgrün, bald orange
oder fast rot ist.
Hummelwachs (von Bombus terrestris) enthält Psyllaalkohol (C^jH^gO F = 69 — 69,5),
aber keinen Melissylalkohol, keine Cerotin- und Palmitinsäure.
Spez. Gewicht: 0,958 — 0,970, bei deutschem: 0,960 — 0,966 (Ahrens und
Hett); Schmelzpunkt: 62 — 66,5" (bei deutschem: 63,5 — 64,5"); Säurezahl: 16,71
bis 22 (bei deutschem: 18,29 — 20,44), nach Hübl: 19 — 21, meist 20; Verseifungs-
zahl: 82 — 103,69 (bei deutschem: 82 — 97, meist 90 — 93); Differenzahl (von S.-Z.
und V.-Z.) = Ätherzahl: 66,16 — 81,9g (bei deutschem: 72 — 77), nach Hübl: 73
bis 76, meist 75; Verhältniszahl (der Säure zu den Estern): 3,02 — 4,3 (bei deut-
schem: 3,5 — 3,9), nach Hübl: 3,6 — 3,8 — diese Zahl ist sehr konstant! — Jodzahl:
6,1 — 13,01 (bei deutschem: 7,5 — 8); Buchnerzahl (die in Soproz. Alkohol löslichen
Säuren brauchen ccm "J^q KOH): 2 — 6,i (bei deutschem: 2,6 — 3,3 Berg); Kohlen-
wasserstoffe in "Iq: 12,28 — 17,3. Dieterich fand (Helf. Ann. 1904): Spez. Gew. bei
15": 0,962 — 0,966, Schmelzp.: 64 — 65", S.-Z. d.: 19,6 — 20,53, E.-Z.: 70,99 — 77,7,
V.-Z. h.: 91,21 — 98. Die Zahlen schwanken also bei den Bienenwachsen
der ganzen Erde nur in relativ engen Grenzen. Das spez. Gew. kann durch
die auch von der Pharm, helvet. IV aufgenommene sog. HAGERsche Schwimmprobe
(Wachstropfen schwimmen in Alkohol bestimmter Konzentration) oder mit der Mohr-
schen Wage (Bohrisch und Richter) bestimmt werden. KRAMER-Zürich teilte mir
mit, daß sowohl die Wabe wie der Honig radioaktiv sind.
Indisches Gheddawachs zeigte abweichende Zahlen S.Z.: 6,01 — 6,1. A.Z.: 76,11 — 77,2,
V. Z.: 82,12 — 83,3, Verhältniszahl: 12,1 — 12,6, Jodzahl: 10 (G. Buchner). Das Annam-Bienen-
wachs ist dem indischen ähnlich (Bellier). Es hat eine höhere Jodzahl und enthält weniger
freie und mehr gebundene Fettsäuren als europäisches Wachs. Es hat eine hohe Verhältniszahl.
Das Ind. Gheddawachs stammt von Apis dorsata, florea und indica (s. oben S. 757)-
Bienenwachs ist nach Buchner in absol. Alkohol gelöst und mit absolutalko-
holischer Kalilauge gekocht in einer Stunde vollständig verseift, nach anderen (Berg,
Bohrisch) muß man länger, bis 3 Stunden, kochen. Die in 80 "jo Alkohol löslichen
freien Wachssäuren bestehen nur zum geringsten Teile aus Cerotinsäiu-e (R. Berg).
Heißer Alkohol löst alle Cerotinsäure neben geringen Mengen Melissinsäure (Cerin,
rohe Cerotinsäure), Farbstoffe, einer klebrigen aromatischen Substanz (Cerolein) imd
•7 5g Insektenwachse.
Spureil ^Ivricin, die beim Erkalten sich nahezu vollständig wieder abscheiden, so daß
bei Zusatz von Wasser zum Filtrat nur leichte Opalescenz eintritt (Unterschied von
Stearinsäure). Mit 300 Teilen Alkohol (90 '^j^) am Rückflußkühler gekocht löst sich
das Wachs bis auf die Verunreinigungen (0.6 — 1,5%) auf. In kalten Äther geht viel
Cerotinsäure, die Farbstoffe, die Kohlenwasserstoffe, ein wenig Wachsester und das
Cerolein, als weißer Rückstand bleibt die Hauptmenge der Wachsester und etwas
Cerotinsäure (G. Buchner). Man muß das Wachs in Porzellan oder Email
schmelzen, da die Gerbstoffe, die in ihm enthalten sind, mit Eisen miß-
farbige \'erbindungen geben. Das Bleichen, das entweder in sog. Luftbleiche
(Rasenbleiche) oder in chemischer Bleiche (s. oben S. 764), oder mit Tierkohle er-
folgt, verändert das Wachs mehr oder weniger stark (am wenigsten die Behandlung
mit Kohle), die Jodzahl sinkt, Säurezahl und Verseifungszahl steigen meist, ohne daß
sich jedoch eine Gesetzmäßigkeit erkennen läßt und daß die Differenzen immer groß
sind. Beim Bleichen werden die Farbstoffe und die aromatischen Substanzen zerstört
bzw. in Petroläther lösliche Stoffe umgewandelt.
Lit. Senebier, Physiol. v(5gft. 2, 424 (1800). Dort die älteste Lit. — Ältere: John
(Analys. d. Wachs, d. Beeren von Myrica cordifolia nebst Betracht, über d. Wachs über-
haupt). Chem. Schrift. IV, 38. — Saussure, Ann. chim. phys. (2) 13, 339 (1820). — Boudet
u. BoisSENOT, Dingl. Pol. Journ. 1827, 23, 524. — Oppermann, Ebenda (2) 49, 240 (1832). —
Hess, Pogg. Ann. 43 (1838), 382; Journ. pr. Chem. 13, 411. — MuiDER, Journ. pr. Chem. 32,
172 (1844). — CoLLiNS Brodie, Lieb. Ann. 67 (1848), 180; 71 (1849), 144 (Hauptarbeit). —
Lewy, Dingl. Pol. Journ. 1845, 36. — Gerhards, Ebenda 1845, S^- 82. — Thomson, in Syst.
d. Chem. IV. — J. BosTOCK, Vgl. Vers. u. Beobacht. über d. Wachs aus d. Früchten d. Wachs-
baums (Myrica cerif.), das Bienenwachs, den Wallrat, das Fettwachs u. d. krist. Substanz aus
d. Gallensteinen. Nicholsons Journ. nat. Philos. IV u. N. allg. Journ. d. Chem. VI, 645.
Neuere: Georg Buchner in Benedikt-Ulzer a. a. O. — v. Fürth, Vgl. chem. Physiol.
d. nieder. Tiere 1903. — Chateau, Fette u. Wachsarten. Leipzig 1864. — Schalfejkff, Journ.
d. russ. chem. Ges. 2, 113; Ber. d. chem. Ges. 1876, 278. — Naezger, Lieb. Ann. 224, 225.
— Schwalb, Ebenda 235, 106. — T. Marie, Extrait. d. acid. libr. d. 1. cire d'abeilles; Compt.
rend. 119, 428, Journ. Pharm. Chim. [3] 30, 199; Journ. Soc. Chem. Ind. 1894, 1895, 1896;
Ann. chim. phys. 1896, 145; Bull. soc. chim. 11, 908 u. 15, 565. — HenriqüEs, Ber. d. chenj.
Ges. 1897, 1415. — Jirmann, Hochmolekulare Kohlenw. aus Bienenwachs. Diss. Heidelberg
1899. — BoHRiscH und Richter, Pharm. Centralh. 1906, 11 u. 208. — Bohrisch, Chem.
Zeit. 1907, 191 u. 351. — G. Buchner, Chem. Zeit. 1907, 45, 126, 271, 570 u. 631; Zeitschr.
öffentl. Chem. 3, 570 (1897) und 1910, 128. — Berg, Chem. Zeit. 1907, 537, 1908, 777. —
Buisine, Trav. et M6m. d. facult. Lille 1891. Bull. soc. chim. 5, 654. — Mangold, Chem.
Zeit. 1891, 799.
SUNDWIK (Hummelw.), Journ. phys. Chem. 1907, 365. — Mederer (Maroccan. W.),
Zeitschr. öffentl. Chem. 1898. — Bertainchaud u. Marcille, Monit. scient. 12, 533 (Pharm.
Zeit. 1898, 864). — Blits (Schwarz. Wachs aus Holl. Ind.) Nederl. Tijdschr. 1898. — Über
indische Wachse: Hooper, Sources, prepar. , trade and composit. of beeswax of Brit. India.
Agric. Ledger 1904. Entom. ser. No. 11.
Chronolog. geordnete Bibliographie. Journ. soc. chem. ind. 1892, 756 und Buchner in
Benedikt-Ulzf.R a. a. O. — Über die Fortschritte der Wachsindustrie berichtet die Seifen-
siederzeitung, die Chem. Revue der Fett- und Harzindustr. und die Bienenzeitung.
Propolis (s. S. 762). Vauquelin fand in Propolis 57 "/o Harz, 14% "Wachs und i5 7o
einer Säure, die nach Cadet Gallussäure mit etwas Benzoesäure (.') sein soll. Laugier erwähnt
ein ätherisches Öl. Greshoff und Sack bezeichnen die Propolis als ein Gemisch von Harz
(84%), Wachs (12%) und Unreinheiten, unlöslich in Alkohol (4''/o)- I"> Wachs fanden sie
Cerotinsäure, dem Propolisharz geben sie die Formel C^gH^^Oa (F = 66°). Propolis ergab
bei jeder Analyse andere Resultate. Sie zeigt stark abweichende Zusammensetzung.
Bohrisch fand in 'j^: Harz, unlöslich in heißem Petroläther, löslich in 96 yo Alkohol:
Cera Flava.
769
43,6, Propolisbalsam, in heißem Petroläther und 70°/'„ Alkohol löslich: 8,7, Bienenwachs: 27,9,
Verunreinigungen: 12,9, flüchtige Bestandteile (incl. Wasser): 6.9. Küstenmacher fand in von
den Ammen erbrochener Propolis (Pissoceros) in % : Pollen, Spuren Wachs, 95 roten Balsam,
darin lo^ Zimtalkohol; in selbst gesammelter Propolis: 5 — 18 feste Körper, 22 — 35 Wachs, 60
Balsam, darin 9 — 10,7 °/„ Zimtalkohol; in selbst gesammelter commosis: 20 Wachs, 73 Balsam,
darin 9,5 % Zimtalkohol; in Propolissorten aus Thüringen und Posen: 14,7 — 15,2 feste Körper,
6,6 — 9,6 Wachs A, I — 3,64 Wachs B, 4,8—21,3 Wachs C, 4,4 — 5,6 Ceresin D, 3,1 — 7,3 Zimt-
alkohol, 2 — 2,2 Gerbstoflfe, 46,8 — 51,4 Harze. Auch Zimmtsäure wurde von Küstenmacher in
der Propolis gefunden, doch fehlen Analysen der isolierten Substanzen. Dieterich fand in
selbst gesammelter Propolis 65 "/„ Harz (in Handelsware bis 44 %), c. 3 "„ Balsam, 45 "/„ Wachs
(in Handelsware über öo"/,), bis 2% Asche und 5 — 6% wässriges Extrakt, und bei einer ein-
gehenderen Untersuchung in "/„: Wachs bis 60, unlösliche Anteile bis 22, bei 100° flüchtige
Anteile bis 6, Propolisbalsam (nach Bohrisch) bis 11, Vanillin und andere Aldehyde ganz
geringe Mengen (im Balsam), Gummi wenig, Propolisrohharz (F = 90 — 106") bis 65. Das
Propolisharz bestand aus Gerbstoffen c. 20, Proporesen 1,5, a-Proporesin (F ^ 182 — 187°)
c. I, /S-Proporesin (F = 124 — 125°) c. 4, freie Harzsäure Spuren, Reinharz c. 70 (wahrschein-
lich der Resinotannolester der Propolisharzsäure), Oxydationsprodukte der Gerbstoffe c. 3,5 %•
Propolis wird noch jetzt zu Räucherungs- und Aromatisierungsz wecken benutzt.
Es ist aber kaum im Handel anzutreffen.
Lit. (Propolis) Gale, Agric. Gaz. N. S. W. 1901, 840. — Rügt, ABC of Bee cul-
ture 1901. — Van Tricht, Scheikund. Woordenb. 1865. — Greshoff u. Sack, Contribut ä
la connaissance du propolis (matiere päcireuse). Rev. tr. chim. P. B. 22 und Pharm. Weekbl.
1902, 933. — K. Dieterich, Anal. d. Bienenw. in s. verschied. Entwicklungsstad. u. über d.
Bienenharz. Chem. Zeit. 1907, 987 (Apoth. Zeit. 1907, 824) und Beitr. z. Kenntn. d. Bienen-
harzes. Apoth. Zeit. 1910, 762 u. Weit. Beitr. z. Kenntn. d. Bienenharzes. Pharm. Centralh.
1911, Nr. 39. — Bohrisch, Propolis, Pharm. Centralh. 1907, 929. — Küstenmacher, Propolis.
Ber. d. pharm. Ges. 191 1, 65.
Verfälschungen und Prüfung. Als Verfälschungen des Bienenwachses sind neben Wasser
und mineralischen Substanzen, Mehl und Stärke, Talg, Japanwachs, Stearinsäure, Paraffin, Ceresin,
Colophonium, Carnaubawachs und Insektenwachs beobachtet. In Indien wird das Wachs bisweilen
mit Curcuma gefärbt (Hooper). Die häufigste Beimengung ist jetzt Ceresin, das dadurch hinein-
gelangt, daß man in neuerer Zeit bisweilen künstliche, aus Ceresin oder Ceresin und Wachs her-
gestellte Waben verwendet. Die Schweizer Imker halten aber darauf, daß nur künstliche Waben
aus Bienenwachs verwendet werden (Kramer). Übrigens nimmt die Biene reine Ceresinwaben
nicht an, sondern baut daneben. Die Methode von Buisine (mit Kalikalk) erlaubt die dem Wachs
zugesetzten Kohlenwasserstoffe direkt zu bestimmen. Hübl bemerkt: Wenn die Verseifungszahl
unter 92 liegt, während die Verhältniszahl fs. oben) mit der eines reinen Bienenwachses über-
einstimmt, dann muß Paraffin oder Ceresin vorhanden sein. Wenn die Verhältniszah) größer ist
als 3,2, dann muß ein Zusatz von Japantalg, Carnaubawachs oder Talg vermutet werden. Wenn
die Säurezahl weit unter 20 liegt, dann fehlt Japantalg, wenn jedoch die Verhältniszahl unter
3,8 liegt, dann ist Stearinsäure oder Kolophonium anwesend. Zusatz von Carnaubawachs drückt
die Säurezahl herab und erhöht Spez. Gew. und Schmelzpunkt.
Lit. Über Wachsfälschung und Wachsuntersuchung existiert eine ganze Lite-
ratur, vgl. in Benedikt-Ulzer a. a. O., Lewkowitsch a. a. O. und Dieterich, Helf. Ann. —
Femer: Niederstadt, Pharm. Zeit. 1897, 654. — Henriques, Zeitschr. öffentl. Chem. 1897. —
Schweissinger, Pharm. Centralh. 1897. — Lemaire, Rep. d. pharm. 1904. — Eichhorn,
Zeitschr. anal. Chem. 1900. — Buchner, Chem. Zeit. 19 (1895), 1422, 25, 21, 31, 126 u. 570. —
Ragnar-Berg, Chem. Zeit. 1907, 537 u. 1908, 777. — Buisine, Monit. scient. 1890, 11 27. —
Bellier (Annam-W.). Ann. Chim. anal. 1906, 366. — Geiger (Jodzahl). Zeitschr. angew. Chem.
1898. — Hirschel (Extraktionsw.). Chem. Zeit. 1904. — Ahrens und Hett (Kohlenwasserst.).
Pharm. Zeit. 1899, 242. — Le Sueur und Crossley (Schmelzp.). Zeitschr. angew. Chem. 1899.
— Rakdsin (spez. Gew.). Chem. Zeit. 1905. — Hehner, Analyst 1883, 16. — HÜBL, Dingl.
polyt. Journ. 219 (1883), 338. — Bestimmung der Säure- und Verseifungszahl aus neuerer Zeit:
Ragnar Bf.rg, Apoth. Zeit. 1910, 784. — C. Jacobsen, Ebenda 1910, 113. Vgl. auch die
Chem. Rev.ie der Fett- und Harzindustrie und die Seifensiederzeitung.
Tsch irch , Handbuch der Pharmakognosie. Bd. II. 49
Insektenwachse.
Geschichte. «Eigentliche Bienenzucht ist erst nach Trennung des indogermanischen Ur-
volkes aufgekommen, im Norden Europas die wilde Waldbienenzucht an Zeidelbäumen, im
Süden die zahme Bienenzucht in Bienenstöcken, die dann allmählich auch nach Norden vor-
gedrungen ist» (Schrader"). Homer hat noch keine Spur davon, erst bei Hesiod werden Bienen-
körbe erwähnt. Im Norden ist die AValdbienenzucht sehr alt. (Über Biene und Honig vergl.
oben S. 8 u. 757 und SCHRADER, Reallcx. d. indogerm. Altertumsk.) In Amerika wurde in der prä-
kolumbischen Zeit Wachs und Honig nur von den verwandten Gattungen Tn'gona und Melipona
gesammelt. Nach Mexiko kam die europäische Biene bald nach der Eroberung, nach Nord-
amerika von England aus, 1764 kam sie nach Cuba, 1793 nach New York, 1797 nach den
Gegenden westlich vom Missisippi, aber erst 1845 nach Brasilien. Jetzt hat sich die deutsche
Biene über ganz Süd- und Nordamerika verbreitet und auch die italienische und ägyptische
Biene (s. oben) ist von Deutschland aus hinüber gebracht worden. Nach Australien kam die
Biene 1862 von England aus. Dioskurides (II, c. 105) bezeichnet als das beste Wachs (zz/pö.;)
das von Creta und dem Pontus. Er
beschreibt das Bleichen durch Aus-
kochen des Wachses mit Meerwasser
und Natron, Umschmelzen, Erstarren-
lassen zu dünnen Scheiben und Blei-
chen dieser unter fortwährendem An-
feuchten an der Sonne. Er kennt die
medizinische Anwendung auch der
TlQÖnoXi(i, von der aber nur die
gelbe, styraxartig riechende, wie
Mastix knetbare benutzt werden soll.
Plinius (XI, 5), der für die Waben
den Ausdruck cellula braucht (jetzt
übertragen auf die «Zelle»), erwähnt
außer cera die commosis (Gummi-
grund) , Harzwachs (pissoceros) und
Stopfwachs (propolis), dessen Bedeu-
tung er richtig schildert — sowie
das Bienenbrot (erithace, sandarace,
cerinthus) und nennt als Quelle des
melligo den klebrigen, gummigen und
harzigen Saft der Weiden, Ulmen
und Rohre, als Quelle der Propolis
das Harz der Pappel und des Wein-
stocks unter Zusatz von Blütenstaub
(flos). Er bemerkt: «ceras ex omnium
arborum satorumque floribus confin-
gunt, excepta rumice et echinopode».
Außerdem nennt er cera maxime
fulva, cretisches und corsicanisches
und erwähnt das Färben mit Alcanna
(«Anchusa»). Auch OviD erwähnt
Cera flava (FlÜckiger). Galen kennt
die Verwendung des Wachses zu
Fig. 236.
Die Zweige des Wax tree (Fraxinus chinemü) mit Wachs bedeckt, kühlenden Pflastern. Auch die Araber
unten das Wachsinsekt (^Coccus cerifcrus).
[Nach Hanbury, Science papers.]
erwähnen es (bei Ibn Baithar:
schamaund mum) als Pflasterbestand-
teil. — In dem Bericht der Bischöfe Richard und Thomas (1303 bzw. 1310) wird auch
Cere nebst dem Preise erwähnt (Hanbury, The spices, groceries and wax of a mediaeval
household. Science pap. 478) und John de Garlande (XIII. Jalirh.) erwähnt die schon
damals häufigste Verfälschung mit «cereis esclesiasticis», d. h. einer Talg-Wachsmischung. Im
Ricettario fiorentino ist Wachs von Toscana erwähnt. Die Unguenta der alten Dispensatorieu
enthielten meist ein Adeps und Ol, oft auch Wachs. CoRDUS hat z. B. Cera citrina und fulva.
Cera Flava.
771
POMET nennt 1694 neben Frankreich (bes. der Champagne, Bretagne) Polen und «La Barbarie»
als wachsliefernd und bezeichnet besonders das Wachs von Danzig als gut. In der Taxe von
Prag 1659 steht Cera alba Veneta — die Wachsbleicherei wurde im XVII. Jahrh. (und wohl
auch schon im XVI.) besonders in Venedig betriehen.
Plinius und Celsus (De raedic. V, 3, 4) erwähnen Propolis, ebenso Varro (De re rustica
III, 16, 23), Vegetus u. and. Virgil nennt den Namen nicht, erwähnt es aber auch. Propoli
steht bei CoRDUS in den Annotationes ad Dioscoridem und in der Frankfurter Liste (1450):
propoleos uel on. Von ihm sagt PoiiET, daß es ehedem viel gebraucht -wurde, man aber jetzt
(1694) kaum mehr wisse was es eigentlich sei. Als Arzneimittel ist es längst außer Gebrauch.
Chinesisches Insektenwachs.
Pelawachs, Pihla, Pe-la-or, Latschu, Chungpih-la (= weißes Insektenwachs, das rohe
Wachs heißt lä-tscha = Wachs-Sediment), vegetabilisches Spermacet, chines. Baumwachs, Cire
d'insectes, Insect wax, White wax of insects, Chinese wax, Chinese vegetable wax, Cera d'insetti.
Das chines. Wachs ist das Produkt einer Schildlaus, Coccus ceriferusFABR. (C.j!>f/aWESTW.,
pe-lah chines. = weißes Wachs, C. cereus Walk., Ericerus ceriferus GuER. Men., E. pe-la
KÜNCK.), die auf verschiedenen Bäumen Chinas, besonders auf Ligustrum lucidum, im Tale
Tschien-Tschang lebt. Man überträgt aber das Tier in Schantung, Honan, Tscheldang, Szet-
schwan, Anhwei auf am Rande der Felder kultivierte, etwa dreijährige Eschen (Fraximis
chinensis RoxB.), löst, sobald
die Wachsproduktion ihren
Höhepunkt erreicht hat, die
Rinde von den Bäumen, erwärmt
sie in eisernen Töpfen mit Was-
ser und schöpft das Wachs ab,
das dann umgeschmolzen wird.
Hauptproduktionsgegend ist
Chiating in der Provinz Szet-
Schwan. Die jährliche Produlc-
tion beträgt c. 200000kg Wachs,
früher beträchtlich mehr. Aber
die Produktion und der Preis
sind seit Einführung des Petro-
leums stark zurückgegangen.
Nur in der Provinz Anhwei und
im Distrikt Pochou und der
Provinz Tschekiang hat Produk-
tion und Handel mit diesem
Wachs nicht merklich abgenom-
men (1900). Nach der Stadt
Kiu-hua wurden 1887 gegen
300t gebracht (Semler). Haupt-
distrikte sind dieProvinzenSzet-
schwan, AuhweiundTschekiang,
aber auch in Hainan, Kwang-
tung, Hunan, Schantung und
selbst im Amurgebiet wird
Wachs gewonnen.
Das Wachs ist dem Wall-
rat ähnlich, kristallinisch, fast
geruch- und geschmacklos oder
Fig. 237.
Der Wachsbaum und sein Insekt nach einer Darstellung im Pen Ts^ao Kang
Mu [I, S. 518). Die Schriftzeichen links oben bedeuten Chung-la (= Insekten-
wachs), die darunter stehenden Lä-chüng (^ Wachssame, die Cocons des In-
sektes auch la-tsze = Wachssohn), die in der Ecke rechts unten Tung-tsing-
shoo (== Wintergrünbaum), die großen am Rande rechts ChSng-pih-lä (= weißes
Insektenwachs). [Aus Hanbury, Science papers.]
n-.it schwachem Talggeruch, weiß bis gelblich. Es kommt in großen runden Broten in den
Handel. Das Wachs wird in China zur Kerzenfabrikation und zum Haarsteifen, aber auch zum
Einhüllen von Pillen und Boli (ich traf 1889 damit überzogene Boli in chinesischen Apotheken),
sowie für Pflaster und zum Wachsen von Papier und Baumwolle benutzt. In England wird es
bisweilen dem Walrat beigemischt. Es löst sich in siedendem Chloroform und Tetrachlorkohlenstoff
49*
---■ Insekten wachse.
II-
leicht und kristallisiert beim Erkalten wieder aus. In Alkohol ist es auch beim Kochen sehr wenig
löslich; desgleichen in Äther und Petroläther. Es ist sehr schwer verseifbar. Spez. Gew. bei
15': 0,970, Schmelzpunkt: 81 — 83", Erstarrungspunkt: 80,5 — 81, V. Z.: 63 — 93. «Chines. Wachs»
zeigte (G. Buchner): S. Z. 6,28—9,74, Ätherzahl 83,82 — 111,45, V.Z. 90,2—120,17, Verhältnis-
zahl 11,06 — 17,9. Es besteht nach Brodie aus fast reinem Cerotinsäurecerylester (C5,jH,„40j),
d. h. dem Ester der Cerotinsäure (CäßHjjOj Henriques) und dem Cerylalkohol (Cj^H^jOH
Henriquks). Nach Herbig ist das Vorhandensein einer zweiten hochmolekularen Säure, einer
niedrigen Säure und eines zweiten Alkohols wahrscheinlich.
Ein Teil des chinesischen Wachses stammt von einer Minicicade, Flata limbata, die
lange, dünne, weiße Wachsfäden in so großer Masse ausschwitzt, daß der ganze Hinterleib
davon bedeckt ist. In Japan sammelt man das von einer Schildlaus auf Ligustruvi Ibota aus-
geschiedene Wachs.
Lit. Hanbüry, On the Insect-White Wax of China. Science pap. 60 u. Not of a spec.
of insect wax from China. Ebenda 272 (dort die weitere Literatur). — Beauregard, Mat. med.
zool. 1901. — HosiE, Seifensiederzeit. 1910, 1253 (nach Three YearsinWestern Chine). — Semlkr,
Trop. Agrikultur. — Chem. Rev. 1897, 290. — Brodie, Lieb. Ann. 67 (1848), 199. — Henri-
ques, Ber. d. chem. Ges. 30, 141 5. — Benedikt-Ulzer a. a. O. (dort weit. Lit.).
Zusätze und Berichtigungen
zu Band II. Erste Abteilung.
S. 7. Zeile I: CH^OH nicht CH,,CH. — Bei d-Fructose: [a]D = — 91° statt [ö]d =
c — 91».
S. 12. Honig enthält neben Katalase und Diastase auch ein eiweißlösendes Enzym (LENZigio).
S. 19. Verbascum wird auch in Schweighausen bei Hagenau cultiviert (Rosenthaler).
S. 26. Die Fig. 7, von Tiedemann als «kleinasialischer Feigenbaum» bezeichnet, ist
nicht Ficus Carica. Dementsprechend ist die Bemerliung auf S. 24, Zeile 8 v. u., daß \>e.\ Ficus
Car/ira Cauliflorie vorlioramt, zu streichen, tiber die neue Abstammungslehre der Feigen und
besonders die Urfeige {Ficus Carica [L] Erinosyce TscH. et Rav.) vgl. TSCHIKCH, die Feigen-
bäume Italiens, Ber. d. d. Bot. Ges. 1911, sowie die gleichlautende Dissertation von Ravasini,
Bern, M. Drech.sel 1912 (mit zahlr. Abbildungen).
S. 27. Parlhenogenesis kommt bei der Feige nicht vor. Über die Caprification vgl. bei
Ravasini a. a. O.
S. 39. Die Fig. 13 ist in den Grandes cultures als «Rosinenmarkt» bezeichnet. Es beruht
dies auf einer Verwechslung von Rosin (^ Colophonium) und Rosine. Die Figur gehört also
nicht hierher, sondern zum Artikel Colophonium.
S. 56. Zeile 27 v. o. statt Amygdalln: Sambunigrin (Rosenthaler).
S. 89. Zeile 3 v. u. glycyrrhizinreicher.
S. 132. Dem Artikel Tabaschir habe ich, trotz der Gegenbemerkungen von HossEUS nichts
hinzuzufügen. Rohrzuckerfabrikation ist erst seit dem in. bez. VII. Jahrh. n. Ch. beglaubigt
(Lippmann)
S. 137, Zeile 5 v. o. Es ist möglich, daß xSQU)vla nichts mit xegai; (= Hörn) zu tun
hat, sondern den «keronischen Feigenbaum» bezeichnen sollte.
S. 154. Die Amylose scheint ein tjbergangsprodukt von den kristallisierenden Saccha-
riden zu den komplexen Polysacchariden zu sein (BoT.\zzi und Victorow 19 10).
S. 155. Auch Narcein wird durch Jod blau.
S. 165. WiTTMACK betrachtet (1909) Solanum tziberostim'L. als gute Art und als Stamm-
pflanze unserer Kartoffel.
S. 170. Amyhim Marantae wurde in Deutschland besonders durch Olaw Swartz (Ob-
servat. botanicae Eilang. 1791) bekannt, doch bedient man sich seiner in Deutschland erst seit
1819 (Dierbach).
S. 193. Als Verfälschung des Reis ist 1910 Talcum und Asbestpulver (.') beobachtet
(LOWK und Taylor. Lancet 19 10, 1687).
S. 209. Taraxacum wird in Jenalöbnitz auch angebaut. Die Ernte geht nach Nord-
amerika (1910).
S. 219. Die jetzt in Nordamerika von Maine bis Maryland, Minnesota und Missouri vor-
kommende Quecke ist wahrscheinlich von Europa eingeführt (AxiCE Henkel).
S. 241. Der Literatur ist einzufügen : Gross, Bevan, King und Joynson, Rep. on Indian
Fibres and fibrous substances London 188; und
S. 242. Gross und Bevan, Journ. ehem. soc, Ber. d. d. ehem. Ges. und Gellulose an
outline of the chemistry of the structural elements of plants 1895 — 1906.
S. 243. Erste Erwähnung der Baumwolle im VIII. Jahrh. v. Ghr. auf einem Tonprisma
Sanheribs (Delitzsch, 1910).
~-j Zusätze und Berichtigungen.
S. 250. Zeile 10 V. u. 20 — 30 "/o Nicht-Cellulose statt 50 — öo"/»-
S. 270. Die schleclitesle Sorte Lichtn ülandicus besteht in Ungarn aus dem ganzen, vom
Boden abgehobenen Rasen und enthält nur 25—40% der Flechte, sonst viel Moose, Coniferen-
nadeln, Vaccinium u. and. (Augustin).
S. 283. Literatur. Grundlegend ist die Arbeit von Schmidt, Lieb. Ann. 51, 29 (Jahresb.
d. Pharm. 1844, 14).
S. 291. Chondrus crhpus enthält Arsen — in 100 g: 0,07 mg (T.\SSILY und Leroide).
S. 300. Zeile 1 v. o. die Formel des Methylfurfurols ist:
CH — CH
II II
CH,C C.COH
S. 302. Jod wies in Laminarien bereits Price 185 i (Journ. pr. Chem. 55, 232) mikro-
chemisch nach — mittelst HCl und KNOj und StärkeUleister.
S. 313. Zeile 19 v. u. chirurgisch statt chirurchisch.
S. 323. Das Linamarin formuliert JONCK: CgoHsoNjO,.
S. 325. Zeile l v. o. Cruciferen statt Coniferen.
S. 347. Zeile 3 v. u. Höfles statt Horles; Zeile 2 v. u. Griindlach statt Grundlach.
S. 356. Auf den Marktplätzen in Budapest verkaufen die Marktweiber der umliegenden
deutschen Ortschaften als «Eibisch» das Kraut von Lavathera thuringiaca, dessen sich auch
die ungarischen Kurpfuscher bedienen (Augustin).
S. 357. Zeile 18 v. o. Althaeablüten statt Althaeablätter.
S. 363. Bei den Fol. Althaeae und Malvae ist auch der Arbeit von Netolitzky, Be-
stimmungsschliissel der Dikotyledonenblätter zu gedenken.
S. 458. nhd. Kork wurde nach dem XV. Jahrh. durch niederländische Handelsbeziehungen
aus Span, corcho entlehnt.
S. 479. Die bisweilen in russischem und galizischem Lycopoduim beobachtete Weizen-
stärke rührt wohl von den Getreidesäcken her, in die die Droge gefüllt wurde (Augdstin).
S. 487. Zeile 12 v. o. Wichers und Tollens.
S. 489. Überall Ebstorf statt Ebsdorf.
S. 494. Hinzufügen: Rosenthaler und TÜRK, Über die absorbierenden Eigenschaften
verschiedener Kohlensorten. Arch. Pharm. 1906, 517. — Zeile 2 v. u. ist „und Histidin" zu
streichen.
S. 495. Die Formeln lauten:
CH,\
Leucin = ;>CH.CH5.CH(NHj).COOH.
CHj/
C . NH„ CH
ferner: HN NH HN N
I I I
CHj . CHj . CHj . CH(NH2) . COOH. HC = C . CH^ . CH(NH2) . COOK
Arginin Histidin
S. 546. Zeile 26 v. o. Myristinsäure statt Myristicinsäure.
S. 553. Zeile 19 v. o.: i Phase > C = C < + 0, statt > C = < + O^.
S. 563. Zeile 32 v. o. lit. statt lat.
S. 569. Mohnsamen wurden igii verfälscht gefunden mit Samen von Hyoscyamus nigrr
und Zucker (Journ. pharm. 191 1, 72). Der russische enthielt (1910) meist die Samen der ein-
jährigen Varietät von Hyoscyamus agrestis (D&gen).
S. 576. bei der Baudouinschen Reaktion wirkt w-Oxymethylfurfurol (Rosenthaeer).
S. 589. Fettes Senföl wird in riesigen Mengen in Indien als Speiseöl dargestellt (Tropenpfl.
1909. 413).
S. 606. Zeile 17 v. u. Die Analyse von Rosenthaler und ScHAEFFER bezieht sich auf
süße Aprikosenkerne von Südfrankreich (Pharm. Centralh. 191 1, Nr. ig).
S. 612. Der Ertrag an Oliven betrug in Spanien 1909: 13982939, 1910: 6246189 dz
an Öl 1909: 2397720, 1910: I 085088 dz; die mit Ölbäumen bepflanzte Fläche 1910: 1416122 ha.
Zusätze und Berichtigungen. 775
S. 620. Holde fand im Olivenöl: C3H^(C„Hj302)2C,gH3503.
S. 646 und 65 1 sowie Taf. XVII statt Browne überall Bowne.
S. 682. Bei Myristicin und Myristicinsäure sind die 2 doppelten Bindungen einzutragen
S. 684. Zeile 3 v. o. ist hinzuzufügen: Thoms, Constitut. d. Myristicins Arb. d. pharm.
Inst. Berlin I, iS.
Bei der Bearbeitung bin ich in liebenswürdigster und verdankenswertesler AVeise von
zahlreichen Kollegen und früheren Schülern unterstützt worden, mein treuster Mitarbeiter war
aber meine Frau.
Die pflanzlichen Schädlinge hat Prof. Ed. Fischer (Bern), die tierischen Apotheker
I.SRAEI, (Gera), die Taxen und 4 Karten (im I. Bande) Dr. Tunmann (Bern) bearbeitet.
Alle Bogen hat Prof. von Lippmajjn (Halle), viele Prof. Tollens (Göttingen) in der
Korrektur durchgelesen, einige Kapitel auch Direktor Bull (Bergen), Prof. T. F. Hanausek
(Krems), Prof. Hartwich (Zürich) und Prof. Winter.stein (Zürich), denen allen ich wertvolle
Winke verdanke.
Auskünfte verdanke ich ferner Prof. von Wisselingh (Groningen'i, Prof. Windads
(Freiburg i. B.i, Dr. Ravasini (Rom), Dr. Emmanuel (Athen), Dr. Peckolt (Rio de Janeiro),
Prof Greenish (London), Prof. van der Willen (Amsterdam), Dr. Greshoff (Haarlem),
Dr. Senft (Prag), Medizinalrat DöLL (Karlsruhe), Dr. TiszA (New York), Prof. Schröter
(Zürich), Dr. Rosenberg (Liestal), Woldemar Ferrein (Moskau), Prof. Rikli (Zürich), Dr.
Keller (Zürich), Prof Otto Müller (Berlin), Schwarz (Nürnberg), Kraft (Würzburg), Prof.
Morpurgo (Triest), J. NovÄK (Prag), Dr. NetolItzky (Czernowitz;, Prof. Mitlacher (Wien),
Prof. RosENTH.ALER (Straßburg), Prof. A. FoREL (Yvorne), Dr. Augustin (Budapest), Wart-
mann (Biel), Prof. van Itallie (Leiden), Prof. Oesterle (Bern), F. KundrÄt (Pilsen), E. Krarup
(Odense, Dänemark), Prof. Rosendahl (Stockholm) Hausding (Cölleda), R. Schmid (Naumburg),
A. Weber (Zehlendorf) und den Drogenhäusern und Fabriken von Caesar-Loretz (Halle),
Fritz (Wien), Gehe & Co. (Dresden), Grossmann (Hamburg), Siegfried (Zofingen), Schim-
mel & Co. (Miltitz), Norddeutsche Wollkämmerei (Delmenhorst), sowie zahlreichen deutschen
Konsulaten des Auslandes.
Philologisch-historischen Rat empfing ich von Prof. Seybold (Tübingen), Prof.
M.ARTI (Bern), Dr. Oefele (Neuenahr), Prof. Müller-HeSS (Bern), Dr. Dorveaux (Paris), Prof.
Lothar (Bern).
Abbildungen verdanke ich in erster Linie dem Koloniaal Museum Haarlem (Dr.
Greshoff und Dr. Dekker), Stafford Allen and Sons (Long Melford), Dr. Tunmann (Bern),
Wellcome brothrs. (London-Khartum), Roure-Bertrand (Grasse) , Prof. van der Wielen
(Amsterdam) und Prof. Perrot von der Ecole super, de pharmacie in Paris; dann Prof. Hart-
wich (Zürich), Dr. Marloth (Kapstadt), Dr. Hooper (Kalkutta), Dr. Ravasini (Rom), Dr.
Weigel (Hamburg), Bull (Bergen), Dr. Svendsen (Kristiania), Prof. Benedicenti (Genua),
Mac Ew an Editor ofthe Chemist and Druggist (London), Prof. MoEiXER (Wien), Dr. Hällström
(Helsingfors), Dr. Businger (Zürich), Dr. Kramer (Zürich), Scott und Bowne (Frankfurt a/M.),
sowie zahlreichen Zeitschriften, Hand- und Lehrbüchern. Das Kew- Museum hat mir die
photographische Aufnahme zahlreicher Objekte gestattet und Prof. Greenish hatte die Güte,
viele derselben aufzunehmen. Zahlreiche photographische Aufnahmen hat in meinem Institute
auch Prof. Oesterle gemacht.
Druck von Poeschel & Trepte in Leipzig
\> -< V
^
University of
Connecticut
Libraries
39153027483546