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Jong, Karel Hendrik Eduard de Hegel und Plotin

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HEGEL UND PLOTIN.

EINE KRITISCHE STUDIE

VON

D^ K. H. E. DE JONG,

Privatdozent au der Universität Leiden.

BUCHHANDLUNG UND DRUCKEREI

VORMALS E. J. BRILL Leiden

1916.

HEGEL UND PLOTIN.

HEGEL UND PLOTIN.

EINE KRITISCHE STUDIE

VON

D^. K. H. E. DE JONG,

Privatdozent an der Universität Leiden.

BUCHHANDLUNG UND DRUCKEREI

VORMALS E. J. BRILL Leiden

191 6.

f.iAR 1 4 m

1057570

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BOEKHANDEL EN DRUKKERIJ VOOrhcen E. J. BRILL LEIDEN.

VORWORT.

Das Verhältnis Hegels zu Plotin näher zu bestimmen, ist bei der „Erneuerung des Hegelianismus" und dem stets zunehmenden Interesse an der neuplatonischen Philosophie gewiss keine reizlose Aufgabe. Zu diesem Zweck werden wir, was bisher u. W. noch nicht geschehen ist, das Kapitel, welches Hegel in den „Vorle- sungen über die Geschichte der Philosophie" dem Plotin gewid- met hat, einer eingehenden Kritik unterwerfen. Hierdurch dürften zugleich die Arbeitsmethode und die Denkart Hegels bzw. seiner Schule überhaupt in einem helleren Lichte erscheinen.

Haag. Dr. K. H. E. DE JONG.

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„Die Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie" hat K. L. Michelet nach einem Kollegienhefte und einem Abriss der Philosophiegeschichte von Hegel beide mit zahlreichen, meist nur skizzenhaften Zusätzen sowie aus Aufzeichnungen einiger seiner Zuhörer als XIII XV Bd. der „Werke" 1833— 1836 in erster, 1840 1844 in zweiter, mehr oder weniger um- gearbeiteter Auflage, herausgegeben; 1908 besorgte Prof. G. J. P. J. B oll and eine neue Ausgabe dieser zweiten Auflage, mit eigenen Anmerkungen. Aus mehr als einem Grunde verdienen diese Vorlesungen unser höchstes Interesse, wie z. B. Michelet selbst in der Vorrede S. IX, 2. Aufl. S. VIII flg., Ausg. Bolland S. VI, sagt, dass Hegel „keiner Vorlesung ein so langes Studium widmete, das sich ununterbrochen durch die ganze Laufbahn seiner akademischen Thätigkeit hindurch zog; wie er denn in und an ihr, die Gedanken jener edlen Geisterreihe noch einmal durchdenkend, seinen eigenen Standpunkt mag errungen haben, und mit ihr daher den besten Aufschluss zum Verständnis seiner ganzen Philosophie geliefert hat", vgl. auch seinen Ausspruch in der Jubelschrift „Hegel, der unwiderlegte Weltphilosoph" (1870) S. I „Die Bedeutung Hegels für die Philosophie er- hellt am klarsten aus seinen Vorlesungen über die Geschichte der -Philosophie; denn hier stellt er selber die Art und Weise dar, wie er das Verhältniss der Philosophie zu ihrer Ge- schichte fasst".

Es ist von vornherein einleuchtend, dass bei so zerbröckelten und heterogenen Materialien wie oben erwähnt, vgl. Bd. XIII S. VI flg., 2. Aufl. S. VI flg., Ausg. Bolland S. V flg., sowie der Art, wie Hegel vorzutragen pflegte. Vieles der Willkür des Heraus- gebers überlassen bleiben musste '), und dass eine Kritik dieser Vorlesungen zugleich zu einer Kritik der Herausgeber bzw. der

l) Haym, Hegel u, seine Zeit (1857) S. 396.

Übersetzer ') wird. Mehr jedoch als die Gedanken (obwohl deren Authentizität, nach M i c he 1 e t, in vielen Fällen „ausser dem Nach- schreibenden, nur der innere Gehalt, die beste Autorität, ver- bürgt", Bd. XIII S. IX, 2. Aufl. S. VIII, Ausg. Bolland S. VI), betrifl"t dies den Styl, rücksichtlich dessen in der 2. Aufl. die „Verschmelzung der Phrase" vollständiger durchgeführt ist, Vor- rede S. XVII, Ausg. Bolland S. X, die Anordnung der Räson- nemente bzw. der Zitate, in der 2. Aufl. gleichfalls häufig ge- ändert, S. XVII flg, Ausg. Bolland S. X und schliesslich das bei diesen Vorlesungen keineswegs zu vernachlässigende Quellenstu- dium. Über letzteres sagt Michel et im Vorwort zur ersten Aufl. S. XIII flg., 2. Aufl. S. XII, Ausg. Bolland S. VIII: „Die Citate unter dem Texte sind von Hegel selbst, mit Ausnahme derer, die mit Kursivschrift gedruckt sind, und die sich nicht selten (2. Aufl. „öfters") nicht ohne Mühe finden Hessen, indem viele nicht in den vielen gelehrten Kompendien und Geschichten der Philosophie anzutreffen sind. Da ich keine von Hegel angeführte Behauptung eines Philosophen, so wie überhaupt nicht (2. Aufl. „noch überhaupt") irgend ein von ihm erzähltes Faktum, in den Text aufgenommen habe, ohne auf die Quellen zurückzugehen, aus denen Hegel schöpfte : so glaubte ich nun auch diese, selbst in dem Falle, wo Hegel sie nicht anführte, dem Leser, zur Be- wahrheitung und Kontrolle des Verfassers und Herausgebers, nicht vorenthalten zu dürfen", im Vorworte zur 2. Aufl, jedoch heisst es S. XVIII, Ausg. Bolland S. X : „Was von sämmtlichen Citaten dem Verfasser oder dem Herausgeber angehört, habe ich nicht mehr unterscheiden zu brauchen geglaubt". Es wird sich in Bälde zeigen, was zumal das letztere bedeutet.

In diesen Vorlesungen, welche übrigens die verschiedenen Epochen der Philosophie ungleichmässig behandeln ^), ist dem Biotin ein längerer Abschnitt gewidmet, Bd. XV, S. 37 69, 2. Aufl. S. 33 60, Ausg. Bolland S. 659 6jy ^), den wir jetzt einer eingehenden Kritik unterziehen.

Zunächst giebt Hegel eine kurze Skizze von Biotins Leben,

\) Die englische Übersetzung „Lectures on the History of Philosophy by G. W. F. Hegel", von E. S. Haidane u. F. H. Simson M. A. in drei Teilen 1892— 1895 hält sich an der zweiten „verbesserten", „von Michelet sorgfältig bearbeiteten", Ausg., vgl. Vol. I, S. V.

2) W. Wallace u. X in Encycl. Brit." Vol. XIII (1910) s. v. Hegel S. 207.

3) In der englischen Übersetzung steht dieser Abschnitt, laut dem Index zu Vol. III, in Vol. II S. 404 431 ; Vol. II selbst war mir leider nicht zugänglich.

und macht anlässlich der Biographie, welche Porphyrius von Plotin geliefert hat, S. 37, 2. Aufl. S. 33, Ausg. Bolland S. 659, die Bemerkung: „Das Auftallende darin ist, dass die genaue An- gabe der Lebensumstände vermischt ist mit einer Menge wun- derbarer Dinge. Es ist die Zeit, wo das Wunderbare seine Rolle spielt. Wenn man aber das reine Philosophiren, den reinen Sinn eines solchen Mannes kennt, so kann man sich nicht genug wun- dern über dergleichen Geschichten" ') , wie es auch späterhin S. 70, 2. Aufl. S. 60, Ausg. Bolland S. 679 von Porphyrius heisst: „Porphyr hat [eine] Lebensbeschreibung Plotins ge- schrieben, worin dieser als Wundermann beschrieben wird ; das müssen wir der Literatur überlassen".

Schon hier zeigt sich, mit welcher Nachlässigkeit Hegel zu Werke geht, denn bei genauer Lektüre dieser Biographie trift"t man in derselben, streng genommen, nur zwei „ins Gebiet des W^mderbaren streifende Erzählungen" '), deren Geschichtlichkeit überdies nicht einmal anzufechten ist ^), und bemerkt im Gegen- teil, wie Porphyrius c. 2 flg. auch „Allzumenschliches" über Plotin mitteilt, ja c. 6 sogar an dessen philosophischen Leis- tungen eine in ihrer Schärfe keineswegs völlig berechtigte ^) Kritik übt. Porphyrius war eben, trotz seines „Wunderglaubens", ein Mann von grosser Selbstständigkeit und rücksichtsloser Wahrheits- liebe, während Michelet und Bolland, bei all ihrer „reinen Vernunft" ^), sowohl an dieser Stelle als in anderen Fällen sich scheuen, die unleugbarsten Missgrifle des „unwiderlegten Weltphi- losophen" zu berichtigen.

Weiter heisst es S. 37, 2. Aufl. S. 33, Ausg. Bolland S. 659 von Plotin: „Nachdem er viele philosophische Lehrer schon besucht, wurde er melancholisch und tiefsinnig; er kam, 28 Jahr

i) Wir halten uns bei unseren Zitaten an die erste Auflage, werden jedoch, wo die Abweichungen der zweiten sachlich Wichtiges bieten, auch den Wortlaut der letzteren anführen.

2) Kirchner, Die Philosophie des Plotin (1854) S. 198. Übrigens bemerkte schon D. Tiedemänn, Geist d. spekuUt. Phil. III (1793)8.278: „Doch hier sind der Wunder nur noch wenige".

3) Vgl. hinsichtlich der ersten Erzählung (c. 10) K. Kiese weiter, Der Occultis- mus des Altertums (1896) S. 780 flg. (trotz seines Irrtums in einem Nebenumstande), hinsichtlich der zweiten (auch c. 10) K. H. E. de Jong, Das antike Mysterienwesen (1909) S. 96 loi.

4) Vgl. z. B. Zeller, Die Phil. d. Gr. 3. T. 2. Abt.* (1903) S. 526 Anm. i u. S. 614.

5) Bolland, Zuivere Rede en hare werkelijkheid. Een boek voor vrienden der wijsheid. 3. Aufl. (19 12).

alt, zu Ammonius" '), während Porphyrius c. 3 berichtet, dass Plotin selbst zu erzählen pflegte, „er habe in seinem 28. Jahre sich auf die Philosophie geworfen" u.s. w. Die jedenfalls in psy- chologischer Hinsicht nicht uninteressante Tatsache, dass der berühmteste Neuplatoniker erst spät sich der Philosophie wid- mete, ist also bei Hegel gänzlich verloren gegangen ^).

An mangelnder Kenntnis des Griechischen ist bei Hegel nicht zu denken, da er schon auf der Schule dieser Sprache lebhaftes Interesse entgegentrug ^) und schwierigere Stellen recht gut zu übersetzen wusste; auch bedenke man, dass er diese Vorlesungen zu wiederholten Malen gehalten hat, Bd. XIII, Vorrede S. V, Ausg. Bolland S. V, also oft genug in der Gelegenheit war, früher gemachte Fehler zu berichtigen.

Michelet zieht als Belege zu Hegels Skizze von Plotins Leben ausser Porphyrius noch Br ucker, Hist. crit. phil. T. II, S. 218 221, Tiedemann, Geist d. spek. Phil. B. III S. 272, und- Buhle, Lehrbuch der Gesch. d. Ph. IV S. 306, heran vgl. die 2. Aufl. S. 34, Ausg. Bolland S. 660. Buhl es Lehrb. d. Gesch. d. Phil, war mir nicht zugänglich"^); B rucker jedoch IP {1766) S. 219 und Tiedemann S. 266 flg. referieren die erwähnte Tatsache richtig ^) ; M i c h e 1 e t s Quellenstudium wird also verdächtig. Bolland aber schreibt hinsichtlich Plotin hier und des Weiteren die zweite Auflage der Vorlesungen mit all' ihren Fehlern ohne Berichtigung ab, weswegen wir ihn fernerhin nur noch gelegentlich zu berücksichtigen brauchen.

S. 37, 2. Aufl. S. 34, Ausg. Bolland S. 659 versichert Hegel: „(Plotin) ging auch in der alten pythagoräischen Tracht", wozu

i) Ammonius Sakkas, gewöhnlich der Begründer des Neuplatonismus genannt.

2) Dieses ist auch bei J. E. Erdmann in seinem Grundriss der Geschichte d. Philosophie I, 3. Aufl. (1878) S. 199 der Fall.

3) Vgl. Haym, Hegel u. seine Zeit S. 24 flg., Erdmann in Allgem. Deutsche Biog. XI (1880) s.v. Hegel S. 255, Dilthey, Hegels Jugendzeit S. 6, flg., 10, 12 (S. A. aus Abh. d. Berl. Akad. 1905), J. B. Baillie in Encycl. of Rel. a. Elh. VI (1913) s. V. Hegel S. 569.

4) In seiner Gesch. d. neuern Phil, (aus Gesch. d. Künste u.Wiss. seit der Wie- derstellung derselben, VI Abt.) erzählt Buhle Bd. I (1800) S. 672 flg. die anzüglichen Begebenheiten wesentlich richtig. Übrigens ist er, wie er selbst S. 752 Anm. i. t. (S. 753) zugiebt, hinsichtlich Plotin grösstenteils Tiedemann gefolgt (auch in Irrtümern).

5) Vgl. auch Tenne mann, Gesch. der Phil. VI (1807) S. 30 flg., den Hegel recht wohl kannte, wie sich später zeigen wird. Michelet hätte auch noch H. Ritter, Gesch. d. Phil. IV (1834) S. 542 nachschlagen können.

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Michelet, ausser Buhle a.a.O.'), und Porphyrius, Vit. Plot. p. 6 (in der 2. Aufl. S. 34 Anm. i) zitiert er zu Plotins Leben im Allgemeinen von Porphyrius' Vit. Plot. p. 2 3 u. 5 8) Tie- demann S. 272 anführt, der nl. von Plotin berichtet „er zeich- nete, nach Pythagorischer Sitte, in Kleidung, und im ganzen Aeussern sich aus", mit Verweisung nach Porph. Vit. Plot. c. 7; aber weder daselbst noch sonstwo in dieser Biographie ist etwas von pythagoräischer Tracht zu finden. Dieser Irrtum, obzwar sachlich unbedeutend, lässt doch die Leichtsinnigkeit, mit wel- cher Hegel, statt gründlichen Quellenstudiums, seine Vorgänger auf dem Gebiete der Philosophiegeschichte benutzte, in hellem Lichte erscheinen und macht unwillkürlich die Vermutung rege, dass er auch sonst insbesondere aus Tiedemann geschöpft hat, eine Vermutung, die sich im Weiteren als nur allzuwahr bestä- tigen wird.

Von Plotins Schriften sagt Hegel, S. 39, 2. Aufl. S. 35, Ausg. Bolland S. 661 : „Die Darstellung ist schwierig" und „Die Lek- türe seiner Schriften hat . . . etwas Ermüdendes" 2. Aufl., S. 36, Ausg. Bolland S. 661 gewiss richtig, doch da Styl und Darstellung bei Hegel selbst anerkanntermassen sich keineswegs durch Eleganz und Klarheit auszeichnen ^), so nimmt sich diese Klage in seinem Munde geradezu komisch aus.

S. 40 flg., 2. Aufl. S. s^ flg. (verkürzt), Ausg. Bolland S. 661 flg. karakterisiert Hegel die Philosophie Plotins in sehr verwirrter Weise, vgl. z. B, die Behauptung: „Er hält sich an das Er- kennen, an diesz bloss Ideelle, den intellektuellen Gedanken, wie die Stoiker (fehlt in der 2. Aufl.) der an sich Leben, aber nicht stumm und verschlossen ist". In der 2. Aufl. S. 37 wird sogar die „Materie" unverkennbar zum „Ausserlichen" gerechnet, was sie, wie sich später zeigen wird, bei Plotin nicht ist.

Ausführlich doch ohne rechten Zusammenhang, sind die Dar-

1) Vgl. auch dessen obenerwähnte Gesch. d. neuern Phil. I (1800), S. 675.

2) Um hier nur Verehrern Hegels das Wort zu geben, vgl. z. B. Rosenkranz, Apologie Hegels (1858), S. 9: „In der That gehört Hegel nicht zu den leichten und eleganten Schriftstellern. Auch kommen bei ihm erstaunliche Härten der Dic- tion vor". W. Wallace, Prolegomena to the study of Hegels philosophy, 2. Ausg. (1894), S. 4: „Sein Styl ist nicht eben der beste", Bolland, Collegium Logicum. Stenographisch verslag van een cursus in zuivere rede II (1905), S. 875: „es liegt nicht allein an seiner Tiefsinnigkeit, dass der grosse Logiker an vielen Stellen von einer beinahe stygischen Dunkelheit ist". B aillie, Enc. o. Rel. a. Eth. VI s. v. Hegel S. 569 : „bis zum Ende seines Lebens war ihm der Weg vom Gedanken zum Ausdruck, sei es in Rede oder Schrift, mehr oder weniger versperrt".

legungen über die „Schv/ärmerei" der Neuplatoniker, wobei Hegel S. 43, 2. Aufl. S. 38, Ausg. Bolland S. 664 zugiebt, dass man dieselbe ihnen „in einem gewissen Sinne" mit Recht nachsage.

Zunächst handelt es sich hierbei um die Magie S. 42 flg., 2. Aufl. S. 38 flg. (mehr verschmolzen), Ausg. Bolland S. 663 flg. Inmitten echt hegelscher Räsonnemente wird die Hauptsache nur ungenau bestimmt, nl. dass Plotin „den Zusammenhang der Nothwendigkeit aller Dinge für die Magie gebraucht", statt dass er „die Magie durch den sympathischen Zusammenhang aller Dinge erklärt". Ferner sagt Hegel, man finde in den Biographien der grossen Lehrer dieser Schule „Manches erzählt, was in die Vorstellung von einer Wunderthätigkeit (2. Aufl. fügt hinzu „und Zauberei") fällt. Denn indem sie (2. Aufl. „Indem sie ferner") den Glauben an die heidnischen Götter aufrecht hielten, behaup- teten sie in Bezug auf die Verehrung der Götterbilder, dass diese wirklich von göttlicher Wirksamkeit und Gegenwart erfüllt seyen. Die alexandrinische Schule ist (2. Aufl. „und so ist die a. S.") überhaupt nicht freizusprechen vom Wunderglauben", wozu Michel et (in der 2. Aufl. S. 39 Anm. i) aus Plotin Ennead. I, 6, 7 und IV, 4, 39 43 zitiert. Einige Zeilen nachher heisst es jedoch: „Aber ganz und gar fern davon ist die philosophische Lehre ; ausser dem oben bemerkten ganz Theoretischen von den Götterbildern enthalten Biotins Schriften nichts dahin Gehö- riges".

Bei genauem Zusehen finden wir indessen an den von Mich e- let herangezogenen Stellen nichts von göttlicher Wirksamkeit in den Götterbildern (vgl. darüber Enn. IV, 3, 11), sondern dass Enn. I, 6, 7 die Rede ist von der „Empfindung derer, welchen Erscheinungen von Göttern oder Dämonen zu Teil geworden sind und die nun nichts mehr wissen wollen von der Schönheit anderer Körper" ') und dass Plotin in Enn. IV, 40 43 eine Theorie der Magie im Allgemeinen giebt, wobei er den Liebes- zauber, c. 40, die Krankheit und Tod bewirkende Kraft der Be- schwörungen, c. 43, die Betörung von Menschen seitens einer Schlange, c, 40, für Tatsachen hält, ja, die Annahme einer Wir- kung physischen Zaubers auf Dämonen, c. 43, für „nicht unge- reimt" erklärt. Es Hesse sich noch mehr Derartiges aus Plotin anführen, doch dieses dürfte genügen, um zu zeigen, wie sich

l) Wir benutzen hier und des Weiteren vorzüglich die ausgezeichnete Überset- zung von H. F. Müller, Die Enneaden des Plotin (1878/80).

Hegel hier durch seine bekannte Abneigung gegen das „Wun- derbare" zu einer Behauptung fortreissen Hess, die bestenfalls von krasser Unwissenheit zeugt, während Mi dielet, der überdies in der 2. Auflage die von ihm selbst angeführten Zitate seinem Meister aufbürdet, noch schärfere Verurteilung verdient. Tiede- mann behauptet zwar auch S. 372 „Von den Wirkungen der Dämonen, ihren Erscheinungen, und was dem anhängt, erwähnt Plotin nichts" '), behandelt aber doch S. 334flgg- Plotins Theorie der Magie richtiger, vgl. Tennemann, Gesch. d. Phil. VI, S. 154 flg. u. Rixner, Handb. d. Gesch. d. Phil. P (1829)8.384. S. 44, 2. Aufl. S. 40 flg., Ausg. Bolland S. 665 geht Hegel zur Ekstase über, welche ja dem Plotin so oft den Vorwurf der „Schwärmerei" zugezogen hat und versucht auch hier ihn zu verteidigen: „Ekstase ist ja nicht bloss Entzückung der Emp- findung und Phantasie, sondern vielmehr ein Heraustreten aus dem Inhalt des sinnlichen Bewusstseins ; es ist reines Denken, das bei sich selbst ist, (2. Aufl. fügt hinzu : „und") sich zum Gegenstand hat. Plotin spricht oft von diesem Zustande, auf ähnliche Weise, wie er einmal sagt: „Oft, indem ich aus dem Körper zu mir selbst erwache, und ausserhalb des Anderen", des AeusserHchen, „bin, innerlich bei mir selbst, und eine bewun- dernswürdige Anschauung habe, und ein göttliches Leben führe", u. s. f. (S. 45, mit eigner Verweisung nach Enn. IV, 8, i u. 4 7). Aber das, dessen er in dieser (2. Aufl. „Plotin in jener") Ekstase bewusst wird, sind philosophische Gedanken, spekulative Begriffe und Ideen". Diese Ekstase sei nicht der „Zustand, in den sich die verrückten Indier, Brahminen, Mönche und Nonnen versetzten" (was in der 2. Aufl. S. 2>7 ^ Ausg. Bolland S. 662 flg., am unrechten Orte steht). S. 47 heisst es zum Abschluss: „Die Idee der plotinischen Philosophie ist Intellektualismus, oder ein hoher Idealismus, der aber von Seiten des Begriffs noch nicht vollendeter Idealismus ist", was die 2. Aufl. mit unbedeutenden Änderungen vor „Aber das, dessen" (s. o.) hat, wie denn über- haupt die Ausführungen über die piotinische Ekstase in beiden Redaktionen zumal hinsichtlich der Anordnung von einander abweichen ohne dass dabei die zweite Auflage den Vorzug ver- dient. Zu erwähnen ist noch der Ausspruch S. 46, 2. Aufl. S. 40,

i) So sagt auch Vacherot in seiner gekrönten Hist. crit. de l'ecole d'Alex. II, S. 142 mit Bezug auf die Götter und Dämonen: „Plotin spricht oft von ihrem Einflüsse, niemals von ihrer Erscheinung". Und doch ist Enn. I, 6 die bekannteste Abhandlung Plotins !

Ausg. Bolland S. 665. „Dies ist es, warum Plotin Schwärmer ist (2. Aufl. „Was also dem Plotin den Vorwurf der Schwärmerei zu- gezogen hat, ist diesz"), dass er diesen (2. Aufl. „den") Gedanken hatte, dass das Wesen Gottes das Denken selbst und gegen- wärtig im Denken ist" (Ausg. Bolland: „sei").

Sehen wir uns jedoch die in Rede stehende Plotinstelle recht an so nimmt sie sich ganz anders aus. Die wörtliche Übersetzung lautet nämlich: „Oft, wenn ich aus dem Körper zu mir selbst erwache und ausserhalb des Anderen bin, innerlich bei mir selbst, schaue ich eine wundersame Schönheit : ich glaube dann am festesten, eines höheren Loses teilhaftig zu sein, wirke in mir das herrlichste Leben u. s. w.". Man sieht also dass Hegel teilweise ganz richtig übersetzt, teilweise sich aber Weglassungen und Änderungen erlaubt, die dem Texte einen ganz anderen Sinn geben. So wie die Worte Plotins bei Hegel lauten, scheinen sie, wie dies ja zu dem „Idealismus" der neueren deutschen Philosophie ausnehmend gut passt, auf etwas Subjektives zu deuten '}, Plotin dagegen spricht hier, wie sich aus dieser ganzen Abhandlung ergiebt, von etwas Objektivem, nl. der über Zeit und Raum erhabenen „intelligibeln Welt" (c. 3) der „Ideen" d.h. Urbilder, die als solche auch die „ursprüngliche" Enn. V, 8, 3 bzw. die „grosse" Schönheit ist, Enn. I, 6, 9, eine Welt, in welcher, der neuplatonischen Lehre zufolge, die tugendhaften Seelen vor der Geburt und nach dem Tode gänzlich und dauerhaft, während des irdischen Lebens aber nur teilweise und momentell verweilen. Die Wendung „ich glaube dann am festesten eines höheren Loses teilhaftig zu sein" hat denn auch H.F.Müller zwar frei, aber doch ganz sinngetreu mit „ich glaube dann am festesten an meine Zugehörigkeit zu einer bessern und höhern Welt" wie- dergegeben. Hegel jedoch, der, obzwar nicht mit klaren Worten, sowohl die Praeexistenz als die individuelle Fortdauer nach dem Tode leugnete ^), lässt das auf die Zugehörigkeit unserer Seelen (Plotin sagt in dieser Abhandlung c. 3 ausdrücklich, dass es viele

1) Schon in meiner Brochüre „Wijsgeerig broddelwerk. Een woord tot waar- schuwing" (1910) hatte ich S. 6 bemerkt, dass die Übersetzung Hegels nicht ganz richtig war; das tiefere Verständnis derselben verdanke ich einer Bemerkung des Herrn Lektor G. J. Grashuis.

2) Am meisten sagt noch die Erklärung am Schluss der Vorl. Gesch. Phil. XV S. 691, 2. Aufl. S. 624, Ausg. Bolland S. 1083 flg.: „Diese Reihe (nl. „der geis- tigen Gestaltungen der Philosophie") ist das wahrhafte Geisterreich, das einzige Geisterreich, das es giebt".

Seelen geben musste) zu jener höheren Welt Bezügliche einfach weg, was allein schon höchst irreführend wirkt, und deutet durch die Wendung „Ich habe eine bewunderenswürdige Anschauung" ') statt „ich schaue eine wundersame Schönheit" den Text des Neuplatonikers nach seinem Sinne um. Es ist immer schwierig, einen so schillernden und der neueren deutschen Philosophie eignen Ausdruck wie „Anschauung" bei der Übersetzung eines antiken Denkers zu gebrauchen, ohne Zweideutigkeit zu verur- sachen ; hier aber wirkt er geradezu fälschend. Auch wer selbst in Betreff der Sache ähnlich wie Hegel denkt, wird doch eine derartige Vergewaltigung des Textes aufs Entschiedendste ver- urteilen müssen.

Einmal gewarnt, werden wir denn auch, statt Hegels Auffas- sung der plotinischen Ekstase zur unserigen zu machen, lieber hierüber eine eigne Vorstellung zu gewinnen versuchen. Nun ist ohne Zweifel, in Betreff der Ekstase, bei Biotin mancher Aus- druck schillernd und manches Räsonnement verwirrt, aber aus unzweideutigen Darlegungen und der ganzen Tendenz des Sys- tems erhellt doch zur Genüge, was er unter jener Ekstase oder der Vereinigung der Seele mit dem Allerhöchsten versteht. Vom Allerhöchsten kann zwar eigentlich nichts ausgesagt werden, Enn. HI, 8, lo, V, 3, 13, doch denkt Biotin, seiner Neigung zum „Monismus" gemäss, es sich mit Vorliebe als das einfach Eine, Enn. III, 8, 10, passim und als solches „jenseit des Geistes", Enn. V, 3, 13 oder „über den Geist", Enn. VI, 8, 16 i. f. da ja im Geist oder im Denken mindestens eine Zweiheit nl. des Denkenden (Subjekt) und des Gedachten (Objekt) ist, Enn. III, 8, 9 f. f., wie denn auch Tiedemann vom „höchsten Princip" S. 374 Biotins mit Recht sagt, S. 379: „es ist erhabener als... Verstand, Vernunft ... es giebt diesen das Daseyn , ohne sie selbst zu seyn" und Tenne mann, Gesch. d. Bhil. VI S. 72 darlegt: „Vernunft und Einheit sind nicht ein und dasselbe, denn sonst wäre die Einheit Vielheit" und „Ueberhaupt ist das Eine... weder Vernunft noch Idee"; vgl. ferner vorzüglich Zell er. Die Bhilosophie der Griechen III. T. 2. Abt.^ (1903) I, 531 flg- u. 541 flg. Hieraus folgt, dass die Seele, um zur Vereinigung mit dem Allerhöchsten zu gelangen,

i) Aus der Dunkelheit des plotinischen Ausdrucks ist diese falsche Übersetzung nicht zu erkläi-en : die betreffenden vier Worte Sixviu.xa-Tov viKikov öpüv xäAAo; sind selbst bei massiger Kenntnis des Griechischen leicht verstandlich.

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auch über das Denken selbst hinausgehen muss, Enn. VI, 7, 35 i. f.: „Die Seele [ist] alsdann... auch nicht Geist, weil Jenes [d. h. das Allerhöchste] nicht einmal denkt. Denn sie muss ihm [Jenem] ähnlich sein und sie denkt Jenes nicht, weil auch es nicht denkt" ^). Vgl. u. a. Tennemann, der S. 87 Enn. VI, 9, II und Zell er, der S. 66j 672 insbesondere Enn. VI, 7, 35 heranzieht. Tiedemann zwar hat S. 281 aus Enn. VI, 7, 35 in betreff der „Ekstase" gefolgert: ,,In dieser Anschauung verliert die Seele alle anderen Vorstellungen, ausser der des Angeschau- ten", vgl. Hegel, S. 44, 2. Aufl. S. 41, Ausg. Bolland S. 665, doch liegt dies eher in den folgenden Worten der oben (S. 7 flg.) erwähnten (verwirrten) Stelle aus Enn. IV, 8, i, nl. : ,,und bin mit dem Götthchen Eins geworden, und, in dasselbe hineinver- setzt, zu jener Wirksamkeit [nl. das herrlichste Leben] gelangt, und habe mich über alles andere Intelligibele emporgeschwungen". Auf keinen Fall aber kann in jener ,, Ekstase" von mehreren „philosophischen Gedanken, spekulativen Begriffen und Ideen" die Rede sein.

S. 47, 2. Aufl. S. 42, Ausg. Bolland S. 666 werden die „drei Prin- cipien" Biotins, das Erste, der vovq (Geist) und die Seele behandelt.

Vom ersten Prinzip heisst es a. o. O. :

„I. Nämlich das Erste, Absolute, die Grundlage ist auch hier, wie bei Philo, das reine Seyn, das Unveränderliche, das (2. Aufl. fügt hinzu „der") Grund und (2. Aufl. fügt hinzu „die") Ursache alles erscheinenden Seyns ist, dessen Möghch- keit nicht von seiner Wirklichkeit getrennt ist, sondern die absolute Wirklichkeit an ihm selbst ist. Es ist die ebenso wesentliche Einheit oder die Einheit, sie (2. Aufl. „die Einheit als") das Wesen aller Wesen. Nicht die erscheinende Vielheit (2. Aufl. bloss „die Vielheit") des Daseyns, die gemeine Sub- stantialität der Dinge, nach der jedes (2. Aufl. fügt hinzu „als") ein von dem andern getrenntes Eins (2. Aufl. fügt hinzu „erscheint"), ist das Princip, das Wahre (2. Aufl. „das wahre Princip"), sondern vielmehr schlechterdings ihre Einheit ist ihr Wesen*). Diese Einheit ist eigentlich nicht Alles; denn Alles ist erst Resultat der Einzelnen, das Zusammenfassen der- selben, die zum Grunde liegen als Wesen, in eine ihnen

i) Hier hat O. Kiefer „Plotin, Enneaden, in Auswahl übersetzt" (1905) Bd. I, S. 166 flg. das Richtige gesehen.

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fremde Einheit. Es ist auch nicht vor Allem ; es ist (2. Aufl. „denn es ist") nicht verschieden von dem seyenden Allen, es wäre sonst eben wieder nur ein Gedachtes (2, Aufl. : weil es sonst . . . wäre) **). Die neuere Einheit, als Regulativ der Ver- nunft, gilt für ein subjektives Princip ; Plotin (2. Aufl. fügt hinzu „aber") setzt die (2. Aufl. „sie als die") höchste Ob- jektivität, Seyn (2 Aufl. „als das Seyn")".

*) Ennead. HI, l. VI, c. 6; VI, l. IX, c. 1—2. »») eod. loco, III, l. VIII, c. 8.

In der 2. Aufl. hat Michelet diese beiden Anmerkungen zu einer einzigen, und zwar zur letzteren Stelle, zusammengezogen, was die Kontrolle nicht leichter macht.

Wir wollen nun untersuchen, in wie fern Hegel, an obiger Stelle, der Hauptsache nach, eine richtige Vorstellung vom Prinzip Plotins gegeben hat.

Abgesehen davon, dass man den u. E. überhaupt verfehlten Ausdruck „das Absolute" jedenfalls bei der Wiedergabe antiker Philosopheme lieber vermeiden sollte, ist es gewiss, dass, wäh- rend Philo dem Allerhöchsten das Sein als das einzige ihm wirk- lich aequivalente Prädikat zuerteilt, vgl. z. B. Zell er, Phil. d. Gr. 3. T. 2. Abi.'* S. 403, Plotin dagegen, für den ja das Sein in letzter Beziehung mit dem Geiste oder dem Denken, d. h. dem zweiten Prinzip, zusammenfällt, Enn. I, 8, 2, V, 3, 5, vgl. Ten- ne mann S. 97 u. lor, und Z eil e r S. 571 flg., dem Allerhöchsten sogar das Bedürfnis des Seins ausdrücklich abspricht, Enn. VI, 7, 38 f. f. vgl. auch III, 6, 6, u. III, 8, 10, wie schon Tennemann S. 39 anlässlich Porphyr. Plot. Leb. 23, bemerkt dass Plotins „höchster Gott" auch ,,über alle Vernunft, Denken, Seyn... un- endlich erhaben ist" und Rixner S. 382 mit Heranziehung von Enn. VI, 9, 2 erklärt: „Nur das gänzlich Eine... ist das unbe- dingt erste, nicht die Intelligenz nicht das Seyn", vgl. Zeller

S. 533 flg. u. 543 flg. Dieser Gedanke, das Allerhöchste noch über das Sein zu erheben, ist wohl das Überschwenglichste, was sich ersinnen lässt, und bei dem Versuche, auch etwas Positives vom Allerhöchsten auszusagen, konnte Plotin unmöglich Unklarheiten und Inkonsequenzen vermeiden, aber fruchtlos bleibt es, hier etwas erklären oder gar verbesseren zu wollen, und Tiedemann war mehr im Rechte, als er S. 379 flg. jene Fehler scharf rügte, denn als er, S. 382 ausklügelte, das „höchste Wesen" Plotins sei „das reine Seyn", vgl. auch Tenn e m an n S. 79 „ein [sie]

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reines Seyn". Für Hegel aber der übrigens, wie sich zeigt, Enn. III, 6, 6 und VI, 9, 2 bestenfalls nur sehr oberflächlich gelesen hatte, war, bei seiner Identifikation der plotinischen »Einheit" mit dem „reinen Seyn" nicht nur das Vorbild Tiedemanns maasgebend sondern gewiss auch die Tatsache, dass er in seinem eigenen System von der Kategorie des Seins ausging.

Weiter sagt Hegel S. 48, 2. Aufl. S. 42, Ausg. Bolland S. 666, das „Erste" Plotins sei „auch das absolute Gute" und giebt be- hufs näherer Auseinandersetzung ein Zitat aus Enn. I, 8, 2, das wir hier folgen lassen :

„Es ist dasjenige, woran Alles hangt {sie '0 irävnx. ^.vvjpry^Txi, 2. Aufl. bloss dv^^pri^Txi)", auch nach Aristoteles (fehlt in der 2. Aufl., die „und" hinzufügt), „welches alle Dinge begehren [TTizvriX Toc cvTOi sCbisTXi, 2. Aufl. bloss s0i£ro'A und darauf „auch nach Aristoteles"), und zum Princip haben, dessen sie alle bedürftig sind, während es selber unbedürftig, sich selbst genug, das Maasz und die Grenze von Allem ist, das aus sich den vovg und die Wesenheit {cva-iizv) und Seele und Leben giebt, und die Thätig- keit des vovi: [2. Aufl. „der Vernunft"] (Trsp) vovv evspysiiy.v). Und bis hierher ist Alles schön ; es ist aber überschön {vTrepxaKog) und über das Beste {iTTBXSivx rcöv (kpif^uv) vrrspäyiyJov {2. Aufl. ,,das Uebergu t e"), frei herrschend, königlich im Gedankenreich [2. Aufl. „Gedanken"] [ßx(yi?^£vav sv voyira)".

Die Wahl dieser zum Teil äusserst dunkeln Stelle war keine sehr glückliche und mag auch Hegels Übersetzung im grossen Ganzen richtig sein '), so bleibt doch im Einzelnen Manches zu wünschen übrig. Zunächst ist es bedenklich, dass Hegel einen Ausdruck aus Enn. VI, 9, 6 mitten in einer Stelle aus Enn. I, 8, 2 einfügt. Sodann sollte es, statt „die Thätigkeit des vovi;" bzw. „der Vernunft" heissen „auf den Geist bezügliche Thätig- keit", wie schon Ficinus diese Worte richtig mit „actionem circa

l) Creuzer, Plot. Opera Tom. III, (1835) S. 67 behauptet, es fange mit den Worten „er ist aber überschön" die Beschi-eibung des „Geistes", d. h. des zweiten Prinzips, an, der Ausdruck „König" sei vom „Geiste" gebräuchlich, vgl. Plato Phileb. p. 28 [c] und Plot. Enn. V, 3, 3 [i. f.]. Auch Müller hat in seiner Über- setzung: „denn er selbst [der Geist]", wie ja auch im Texte eigentlich nicht „denn es selbst" sondern „denn er selbst" steht, doch kehrte er in seinen „Dispositionen zu den drei ersten Enneaden des Plotinos" (1884) S. 28 zur gebräuchlichen Auffassung zurück. In der Tat darf uns bei Plotin der plötzliche Übergang von „Es" [das Gute] zu „Er" [Gott, wie das Gute im weiteren Verlauf von I, 8, 2 heisst] nicht Wunder nehmen ; I, 8, 2 i. f. sind ja, kurz nacheinander, der „König von Allem" [Gott] und Jenes [das Gute] identisch.

intellectum" übersetzt hat. Ferner sagt Plotin nicht „frei herr- schend, königlich im Gedankenreich", sondern „als König herr- schend im Inteliigibeln" d. h. „der intelligibeln Welt". Schliesslich ist der Ausdruck der 2. Aufl. „im Gedanken" statt „im Gedan- kenreich" eine Verschlechterung, wobei, ähnlich wie oben, das Objektive (die intelligibele Welt Plotins) in ein Subjektives ver- wandelt wird.

Gleichfalls ist es keine Verbesserung in der 2. Aufl., dass in derselben das nächstfolgende Zitat, S. 43, Ausg. Bolland S. 666 flg., aus Enn. III, 8, 9 flg. (in den neueren Ausgaben III, 8, 10 flg.) ') dem vorhergehenden ohne irgendwelche Trennung folgt und das, ganz wie oben, die in der ersten Aufl. S. 48 speziali- sierten Stellenangaben nunmehr in Anm. i) zu S. 43 zusam- mengefasst sind ; dieser Verschmelzungsprozess wird auch wei- terhin in der 2. Aufl. durchgeführt -).

Um zu zeigen, wie sehr Hegel bei dem Zitat aus Enn. III, 8, 9 (10) flg. vom Texte Plotins abweicht, wollen wir dasselbe mit der wörtlichen Übersetzung daneben dem Leser vorlegen:

Hegels Übersetzung. Wörtliche Übersetzung.

„Es selbst aber ist nichts von c. 10 i. f. „Allerdings ist es

demjenigen, dessen Princip es nichts von dem, dessen Prinzip

ist. Denn wenn Du gesagt hast, es ist, so zwar, dass nichts von

das Gute, so füge und denke ihm ausgesagt werden kann,

weiter nichts hinzu. Wenn Du nicht Sein, nicht Wesenheit,

das Seyn selbst aufgehoben, nicht Leben, weil es über die-

und es so nimmst, so wird dich sem allen ist. Fasst du es aber

Erstaunen ergreifen ; und Dich auf, nachdem du das Sein weg-

darauf richtend und in ihm ru- genommen, so wirst du dich

hend, wirst Du es verstehen wundern und auf es anstür-

und seine Grösse aus demjeni- mend und es erfassend in sei-

gen, was aus ihm ist. Und nen W^irkungen (?) ruhe aus und

wenn Du so das Seyn vor Dir suche es mehr zu verstehen

hast, und es betrachtest in dieser durch Intuition es begreifend,

i) Bolland hat in seiner Ausgabe S. 667 Anm. i) auch dieses nicht bemerkt.

2) G. Lasso n spricht im Anhang zu K. Fischers, Hegels Leben, W. u. L. 112(1911) S. 1246 von dem „oberflächlichen und willkürlichen Glättungsprozess" in der 2. Ausg., und wünscht eine „korrekte und rationelle Neuausgabe dieser epoche- machenden Hegeischen Arbeiten".

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Reinheit, so wird dich Staunen so jedoch, dass du seine Grösse ergreifen". überschaust in dem was nach

ihm [und] durch es ist, c. ii

Wenn du . . . gesagt hast „das Gute", so denke nichts mehr hinzu, denn wenn du etwas hinzufügst so wirst du es um so viel als du irgend etwas hinzu- gefügt hast, ärmer machen. . . . Da nun der Geist [die intelli- gible WeltJ... das Schönste von Allem ist, da er in reinem Lichte und reinem Glänze ruht und die Natur des Seienden umfasst hat ... so würde Staunen sicher- lich denjenigen ergreifen, der auch diesen [den Geist oder die intelligibele Welt] sieht".

Man sieht mit welcher Willkür Hegel Alles durcheinander- würfelt, so dass es Mühe kostet, die betreffenden aus ihrem Zu- sammenhange gerissenen Sätze wieder aufzufinden. Man sieht, welche Weglassungen, welche Zusätze und welche sonstige Än- derungen er sich erlaubt. Man sieht, wie durch Hegels schie- lende Ausdrucksweise der schwer begreifliche Gedankengang Plotins noch weniger begreiflich wird. Es würde ermüdend sein, dies Alles ausführlich zu behandeln und wir wollen daher nur die Wendung: „Wenn du das Seyn selbst aufgehoben, und es so nimmst" näher ins Auge fassen. Fragt man hier, was doch der sonderbare Ausdruck „aufgehoben" bedeutet, so bemerken wir nur, dass dieser eben ein Lieblingstrick der hegelschen Taschen- spielerei ist; fragt man aber, was mit dem „es" gemeint ist, das „Gute" oder das „Seyn" so lässt sich darüber doch wohl Auskunft erteilen. Dass Hegel hier nl. das „Seyn" meint, darauf deutet nicht nur der Schlusssatz ,,Und wenn du so das Seyn vor dir hast" (den Plotin übrigens in ganz anderer Fassung und in ganz anderem Zusammenhang giebt), sondern auch eine Stelle Tiede- manns hin (dem Hegel ja, wie sich schön S. 5 gezeigt hat, auch Fehlerhaftes verdankt) und zwar aus S. 378, woselbst be- treffend des plotinischen Prinzips (des Ersten) gesagt wird, es bleibe „im Grunde ear nichts" von ihm zu denken übrie: „ein

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Wesen, beraubt aller Prädikate, aller Eigenschaften, ist entweder gar nichts, oder das blosse Etwas, ein blosser allgemeiner und abstrakter Begriff. Wahrscheinlich will das Plotin mit den nicht ganz deutlichen, noch ganz unverdorbenen Worten sagen: nehmt das Seyn abgesondert in völliger Reinheit : so habt ihr eine be- wunderungswerthe Idee; in Betrachtung desselben, und in seinem Wohnsitze ruht ihr, und erkennt dadurch seine Grösse". Diese mit Bescheidenheit ausgesprochene Vermutung wird Hegel zu jener willkürlichen Reproduktion des Plotintextes veranlasst haben; Tiedemann, den übrigens Hegel bzw. Michelet hier, wie gewöhnlich, nicht erwähnen, hatte sich jedoch geirrt, denn Plotin sagt a. a. O. gerade das Gegenteil, nl. „Wenn du das Eine auffassest nachdem du das Sein weggenommen" d. h. vom Sein abstrahiert hast (denn vom „einfach Einen" ist ja, wie es zur Stelle selber heisst, nicht einmal das Sein auszusagen), wonach man freilich zu einer „Intuition" (oder wie TrpoaßoK^ zu übersetzen ist) ') kommen muss um das Eine zu „begreifen".

„Vom absoluten Seyn sagte (2. Aufl. „behauptete") nun Plo- tin dass es unerkennbar ist", S. 48, 2. Aufl. S. 43, Ausg. Bolland S. 66^. Und kurz darauf S. 49: „Alle Prädikate über- haupt, z. B. Seyn, Substanz, passen nicht auf es; denn sie drücken irgend eine Bestimmtheit aus" was sich zum Teil schon bei Tiedemann S. ■^'jy findet. Abgesehen davon, dass die Un- erkennbarkeit des „Einen" sofort hätte bemerkt werden sollen, sehen wir also auch, das Hegel recht gut wusste, was Plotin vom „Einen" dachte, aber sich herzlich wenig darum kümmerte.

Im Folgenden sind wiederum Bezüge aus Tiedemann ge- macht. Man vergleiche nur z. B. Hegel: „Es [das Eine] emp- findet (2. Aufl. „empfinde") sich nicht, es denkt (2. Aufl. „denke") sich nicht, es ist (2. Aufl. „sey") sich seiner nicht bewusst, denn in allem Diesen liegt (2. Aufl. „liege") eine Unterscheidung", mit Tiedemann S. 378 (s.o.): „Es empfindet sich selbst nicht, ist sich seiner nicht bewusst, kennt sich selbst nicht, denn in allen diesen Verrichtungen liegt nach unsern Begriften Vielfachheit".

Die Bemerkung Hegels: „Jenes Seyn ist und bleibt Gott, ist nicht ausser diesem, sondern der Zusammenhang, die Diesselbig- keit selbst" (2. Aufl. „sondern eben seine Dasselbigkeit selbst"), S. 49, 2. Aufl. S. 44, Ausg. Bolland S. 66^ ist zu karakte-

i) Vgl. D.reas, Die Usia bei Plotin S. 24. Der Ausdruck „Intuition" ver- deutlicht hier jedoch nichts, wo sich überhaupt nichts verdeutlichen lässt.

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ristisch um sie nicht anzuführen, aber es wäre nutzlos, sich länger dabei aufzuhalten.

Hiernach folgt die Zusammenfassung einer (von Hegel selbst zitierten) Stelle aus Steinhart, Quaestiones de dialectica Plo- tini ratione, S. 21 flg.: „Die absolute Einheit erhält die Dinge, dass (2. Aufl. „damit") sie nicht auseinanderfallen, ist das feste Band der Einheit in Allem, Alles durchdringend, sammelnd und einend, was im Gegensatz auseinander sich zu entzweien in Ge- fahr steht. Wir nennen es das Eine und das Gute. Es ist weder, noch Etwas, irgend Eins (2. Aufl. „noch ist es Etwas, noch irgend Eins"), sondern über Alles. Alle diese Kategorien sind negirt; es hat nicht die Grösse, ist nicht unendlich. Es ist der Mittelpunkt des Universums der Dinge (2, Aufl. lässt „der Dinge" weg), die ewige Quelle der Tugend und der Ursprung de^ göttlichen Liebe, um das Alles sich bewegt, nach dem sich Alles hinrichtet, aus dem der voug und das Selbstbewusst- seyn immer seinen Anfang und Ausgang nimmt".

Man beachte hier zunächst die Weglassung folgender Äusse- rung Steinharts S. 22 „es denkt nicht, denn was sollte es denken, als sich selber?" wozu Anm. 65): „Da Gott ohne jegliches Verlangen ist, kann er nichts denken noch kennen; den Grund dazu giebt am deutlichsten Enn. V, 3, 10 „auch die Erkenntnis ist ein Verlangen" u. s. w. Diese Weglassung war wohl nicht ein blosses Versehen, wenn wir uns erinneren, wie Hegel oben S. 46 dem Plotin imputiert „dass das Wesen Gottes das Denken selbst und gegenwärtig im Denken ist" oder wie er S. 49 zugiebt, dass, nach Plotin, das Eine sich nicht denke, sich seiner nicht bewusst sei, während Plotin vgl. S. 10 ausdrücklich lehrt dass es überhaupt nicht denkt. Ferner steht bei Stein- hart, statt des unklaren „es ist... noch Etwas (noch) irgend Eins" das viel Bezeichnendere „es ist weder ein Einzelnes, noch Alles" und weiter statt dem etwas irreführenden „es hat nicht die Grösse, ist nicht unendlich" das deutlichere: „es ist nicht das Grösste , da es keinen Vergleich zulässt.... weder begrenzt [finitiis] , denn welche Grenze könnte ihn fassen ? noch unbe- grenzt {infinitus) denn er ordnet alles und hält alles zusam- men" mit Anm. 69): ,,Enn. V, 5, 10 „auch nicht unbegrenzt als Grösse" seine Kraft hat das Unbegrenzte" d. h. seine schöp- ferische Kraft ist unbegrenzt". Schliesslich finden wir statt „aus dem der vovg und das Selbstbewusstsein immer seinen Anfang und Ausgang nimmt", bei Steinhart „aus dem der Geist selbst

immer den Anfang seines Selbstbewusstseins und des Denkens nimmt".

„Zu dieser Substanz" ') so heisst es weiter , „führt Plotin alles zurück", obwohl Plotin versichert, das Eine sei „jenseits der Substanz", Enn. I, 7, 1, bzw. „über" derselben, Enn. III, 8, 10 (s. o.) und obwohl Hegel selbst, wie wir S. 15 angeführt haben, gesagt hatte: „Alle Prädikate überhaupt, z. B. Seyn, Substanz, passen nicht auf es". Diese Hartnäckigkeit, womit Hegel immer wieder seine eigne Ansicht dem -alten Denker aufdrängt, können wir nicht für lobenswert halten.

Hinsichtlich des Übergangs vom ersten Prinzip zu dem was nach ihm ist, zitiert Hegel zunächst S. 50, 2. Aufl. S. 44, Ausg. Bolland S. 667, wie Tiedemann S. 380, aus Enn. III, 8, 9 (10); „Dieses eine (2. Aufl. „Das Eine") absolute Gute ist eine Quelle, welche kein anderes Princip hat, aber das Princip ist für alle Flüsse u. s, w.", woselbst Plotin feiner und philosophischer sagt: „Denke dir nl. eine Quelle, die keinen Anfang weiter hat, sich selbst aber allen Flüssen mitteilt u. s. w."; auch bei Tiede- mann a.a.O. heisst es: „Stellt euch eine Quelle vor" u. s. w.

Weiter zitiert Hegel S. 50 flg., 2. Aufl. S. 45 flg. Ausg. Bolland S. 668 die bekannte Stelle Enn. V, i, 6; wir wollen auch hier seiner Übersetzung die wörtliche gegenüberstellen :

Hegels Übersetzung. Wörtliche Übersetzung.

„Wie nun dies Hervorbringen „Die Seele verlangt [zu wis-

beschaßen sey, wie aus der Ein- sen] . . . wie aus dem Einen

heit die Zwei und das Viele irgend etwas, sei es eine Menge

überhaupt hervorgegangen, .... oder Zweiheit oder Zahl seine

dies zu sagen zu wissen, dazu Daseinsform erhalten habe. . . .

müssen wir Gott anrufen, aber In der Weise nun soll davon

nicht mit hörbarer Stimme, son- gesprochen werden, dass wir

dern indem wir uns selbst im Gott selbst anrufen, nicht mit

Gebete zu ihm ausdehnen; die- lauten Worten, sondern indem

l) E. V. Hartmann fasst in seiner Gesch. d. Metaphysik I (1899) S. 158 flgg. das „Eine" Biotins als „absolute Substanz" auf; desgleichen A. Drews, Biotin und der Untergang der antiken Weltanschauung (1907) S. 107 u. 155, und C. Dreas, Die Usia bei Biotin (Diss. Jena 19 12) S. 4 flgg. Wenn aber letzterer S. 4 flg. zugiebt dass Biotin „im Grunde nur für die erkenntnistheoretische [sie] We- senheit Usia sagen wollte" und S. 5 gesteht „Er [Biotin] ist kein Logiker, und zu nichts wäre . auch hier die Arbeit eines Logikers" so ist damit auch diese „Berich- tigung der Biotinischen Brinzipienlehre" (so Drews S. 153 158) gerichtet.

ses können wir nur, indem wir wir uns mit der Seele strecken einsam in uns zu dem Einsamen zum Gebet, die wir zu jenem hinzugehen. Der Betrachter nur in der Weise beten können, muss im Innern wie in einem dass wir allein ihm allein gegen- Tempel bei sich selbst seyn, übertreten. Es muss also wer ruhig und über Alles erhaben jenen schauen will, der drinnen in sich bleiben, und so betrach- wie in einem Heiligtume in sich ten, dass es keine Veränderung selbst ist und ruhig bleibt er- ist". haben über alle Dinge, die

gleichsam schon mehr nach aussen stehenden Götterbilder oder vielmehr das zuerst er- scheinende Götterbild [nl. das zweite Prinzip, den vovg] an- schauen, das auf folgende Weise sein Erscheinen kund giebt".

Der Text Plotins ist nicht ohne Schwierigkeiten, zumal das Letzte, was Hegel durch eine auf das Folgende bezügliche und nicht eben deutliche Änderung ersetzt hat. Aber auch da, wo der Sinn des Griechischen bei unbefangenem Blicke klar ist, hat sich Ficinus geirrt, als er die Worte ^sJ rolvvv ösxTijv SKsivou iv e'iacc olov vsä fCp' savrov ovroQ, [/,hovTog yjuvxou STreKeivx ocTTocvTav übersetzte „Oportet igitur Dei contemplatorem in ipso penetrali velut templo quodam, intra se ipsum, inquam, tran- quille quiescere super omnia prorsus extantem", welchen Irrtum sich Hegel rasch zu Nutzen machte, um auch hier, wie oben S. 45, 2. Aufl. S. 41, Ausg. Bolland S. 666, das Objektive in ein Subjektives zu verwandeln. Der Leser weiss nun, was er von Hegels vielgerühmter Gründlichkeit zu denken hat.

Das Verhältnis des ersten Prinzips zum zweiten wird nun im Folgenden von Hegel S. 51, 2 Aufl. S. 46, Ausg. Bolland S. 668 flg., so behandelt, alsob er fast nur den Text Plotins anführte. Aber es ist mehr eine nur teilweise richtige Zusammenfassung und nicht einmal eine ganz originelle, wie sich ergiebt, wenn wir den nachfolgenden Satz Hegels mit einem von Tiedemann S. 389, über denselben Gegenstand vergleichen :

Hegel. Tiedemann.

„Indem so der Verstand „Es folgt, dass der Verstand

ohne Veränderung aus dem ab- ein Abglanz des höchsten We-

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soluten Wesen ist, so ist er der sens ist, ohne seinen Willen, und

unmittelbare Abglanz desselben, ohne seinen Entschluss aus ihm

nicht durch einen Willen gesetzt fliessend", oder Entschluss".

Bei Plotin selbst steht, im Anschluss an obiges Zitat: „Jedem Bewegten muss etwas zu Grunde liegen, nach dem hin es sich bewegt. Liegt ihm nichts zu Grunde, so werden wir ihm auch keine Bewegung zuschreiben, sondern wenn etwas nach ihm wird, so muss es werden, indem jenes sich immer zu sich selbst hinwendet. St()rend soll uns nicht das Werden in der Zeit in den Weg treten, die wir eine Untersuchung über das ewig Seiende anstellen; sprechen wir in der Untersuchung dennoch von einem Werden desselben, um ihm einen Anteil an dem Grund und der Ordnung zu gewähren, so ist gleichwohl zu sagen, dass das von dorther Werdende, ohne dass jenes sich bewegt, wird. Denn wenn etwas würde, indem jenes sich bewegt, so würde das von jenem her nach der Bewegung Werdende als ein drittes und nicht als ein zweites werden. Da also jenes unbewegt ist, so muss, wenn etwas als zweites nach ihm sein soll, dieses zu Stande kommen, ohne dass jenes sich hinneigt oder es will oder über- haupt sich bewegt".

In Betreff des Weiteren ist es am besten, Plotin und Hegel einander gegenüberzustellen :

Hegels Übersetzung. Wörtliche Übersetzung.

„Sondern Gott", als Eins, das ,,Wie nun, und als was muss

Gute, „ist das Unbewegliche, man sich das um Jenes [nl. das

und die Erzeugung ist ein Leuch- Erste] Bleibende [nl. das zweite]

ten aus ihm, der bleibt. Das vorstellen ? Als ein Umleuchten

Eine leuchtet um sich [2. Aufl. aus ihm [den Ersten] aber aus

fügt hinzu ,, herum"] {irspiXxij^.- ihm dem Bleibenden, wie das

^tv, Umleuchten); der Verstand glänzende, um sie herumlaufende

fliesst aus ihm [2. Aufl. fügt Licht der Sonne, das aus ihr

hinzu: „das bleibt] (i^ oiVTOÜ Vb der bleibenden stets erzeugt

(Asyovroq), wie das Licht aus der wird. Und alle Dinge, so lange

Sonne [2. Aufl. fügt hinzu: „sie sie bleiben, setzen aus ihrem

umkreist"] {otov vjKiou to Trsp) Wesen eine notwendige Hypos-

ocvTov KociJLTrpov, u<T7rsp TTspiUov). tase heraus, welche um dieselben

Alle" (substantieflen) [fehlt in nach ihrem äusseren Rand hin

der 2. Aufl.] „Dinge, die ein kreist und abhängt von der

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Bleiben haben, geben aus ihrer Substanz um sie herum ein We- sen, das von ihnen abhängig ist", oder vielmehr er [2. Aufl. „Plotin"] sagt, es ist dasselbe. ,,Wie Feuer um sich her Wärme, Schnee Kälte verbreitet, beson- ders aber der Duft der Dinge (2. Aufl. fügt hinzu „sie umkreist")", so umleuchtet der vovc; das Seyn. „Was zu seiner Vollkommenheit gelangt ist, geht in die Emana- tion — den Lichtkreis über". [Die Anführungen aus dem Griechischen fehlen in der 2. Aufl.].

gegenwärtigen Kraft derselben, als ein Abbild gleichsam der Urbilder aus denen sie ent- standen: das Feuer strahlt die Wärme von sich aus, auch der Schnee behält seine Kälte nicht bloss in sich; am meisten bezeu- gen dies alle wohlriechenden Es- senzen, denn so lange sie existie- ren, geht etwas aus ihnen sich um sie verbreitend hervor, wovon, solange es vorhanden ist, alles in seiner Nähe Befindliche ge- niesst. Auch alles bereits Voll- kommene zeugt und erzeugt ein Geringeres als es selbst ist; aber das ewig Vollkommene er- zeugt auch ewig ein Ewiges".

Man sieht auch hier wieder deutlich wie Hegel Plotin vergrö- bert. Wo Plotin sagt: „Man muss sich das zweite Prinzip als ein Umleuchten aus dem ersten vorstellen" heisst es bei Hegel: ,,Das Eine leuchtet um sich ; der Verstand fliesst aus ihm". Aber er entstellt ihn auch durch Zusätze. Denn wo sagt Plotin, dass das Wesen, was aus einem Dinge hervorgeht, dasselbe sei als jenes Ding? Und so sollte es auch, statt ,, umleuchtet der vov^; das Seyn" heissen „umleuchtet gleichsam der vovg das Eine". Wo Plotin zwischen demjenigen was vollkommen wird und dem stets Voll- kommenen unterscheidet, lesen wir bei Hegel ,,Was zu seiner Vollkommenheit gelangt, geht in die Emanation den Licht- kreis— über" wo man, zumal da Michel et nach Enn. IV, 3, 17 verweist, geneigt ist zu denken, dass vom allerhöchsten Prinzip die Rede sei, welches jedoch nicht zur Vollkommenheit gelangen kann, weil es ewig vollkommen ist. Da war Tiedemanns Reproduktion a.a.O. richtiger: „jedes zu seiner Vollkommenheit gelangte Wesen verbreitet Ausflüsse von sich, um sich her, das Feuer Flamme, der Schnee Kälte, die duftenden Sachen Wohl- gerüche".

Das Bedenklichste jedoch ist dass Hegel Plotin hier den ohne weitere Erklärung verwirrenden Ausdruck „Emanation" aufbür- det und ihn geradezu sagen lässt: „Der Verstand fliesst aus ihm

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[dem Einen]". Breuning, der auch den Ausdruck „Emanation" zur Bezeichnung der Herleitung der übrigen Wesen aus dem Ersten und Einen „sehr passend" findet, Lehre vom Schönen bei Biotin (1864) S. 21 Anm. 3, sagt doch S. 22 Anm. 4{?): „den Ausdruck supsT perhorrescirt Biotin nachdrücklich" und A. Rich- ter, der ihn in Neu-Blaton. Studien Heft III (1867) S. 57 zitiert, fügt hinzu : ,,Man ist versucht zu fragen, ob der Ausdruck [n. Emanation] etwa darum recht passend ist, weil er lateinisch ist? Die Emanation setzt einen physischen oder historischen Brocess in Gott, in Folge dessen eine Zahl Wesen von einem Brincip ausgehen, in denen sich die ursprüngliche Natur immer mehr abschwächt. Einen solchen Brocess in Gott läugnet Biotin in seinem Ersten und Einen, das ihm doch in höchstem Sinn Gott ist, ausdrückhch". Zeller, Bhil. d. Gr. III T. 2. Abt. 4 Aufl. S. 561 gibt zu, dass die ,, weitschichtige Kategorie der Emana- tion" sich zwar auch auf Biotin anwenden lässt, „zur richtigen Bezeichnung der Sache müsste dann aber jedenfalls zwischen zwei Klassen von Emanationssystemen unterschieden werden, denen, welche die Emanation als Mittheilung des Wesens, und denen, welche sie nur als Mittheilung der Kraft fassen; nur im letzteren Sinn kann Blotin's Lehre emanatistisch genannt wer- den" ; indessen wäre es vielleicht richtiger, sie als einen „dyna- mischen Bantheismus" zu bezeichnen '). So weit aber bei dem vor- liegenden, willkürlich aufgeworfenem Broblem, zumal bei der nicht immer konsequenten Ausdrucksweise Biotins, überhaupt von einer Lösung die Rede sein kann, dürfte Tiedemann mit seiner Auffasung einer ,, logischen Emanation" S. 377, 388, 394 f. f. eher das Richtige getroffen haben, und ebenso Richter, wenn er a. a. O. bemerkt: ,,Wir finden den Zusammenhang zwischen den höchsten Wesen bei Biotin rein metaphysisch und diabe- tisch vermittelt. Die Bilder, deren sich Biotin bedient, lässt man am besten ganz ausser Acht und sieht nur auf die begrififliche Verknüpfung".

S. 51 flg. 2. Aufl. S. 46 flg., Ausg. Holland S. 669 sagt Hegel: „(Biotin) gebraucht für dies Hervorgehen (2. Aufl. fügt hinzu: Trpöo'Bov), Broduciren auch das Bild des Überfliessens, wodurch das Eine aber schlechthin Eines bleibt". Aus Enn. V, 2, i folgt:

l) Drews, Plotin, S. 123, H. Koch in Kirchl. Handlexikon II (1912) Sp. im und Dreas, Die Usia bei Plotin S. 36 pflichten hierin Zell er bei.

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Hegels Übersetzung.

„Weil es in sich vollkommen, ohne Mangel ist, so fliesst es über, und dieser Überflusz ist das Hervorgebrachte".

Wörtliche Übersetzung.

„Denn da es volkommen ist, weil es nichts sucht noch hat noch bedarf, so floss es gleich- sam über und seine Überfülle schuf anderes"').

Es ist karakteristisch wie Hegel das bedeutsame „gleichsam" weglässt (ganz wie er z. B. oben S. 50, 2. Aufl., S. 44, Ausg. Bolland S. 66"] sagt, ,, dieses eine absolute Gute ist eine Quelle", statt ,, Denke dir eine Quelle u. s. w.") also den Gedanken Plotins wiederum vergröbert und bei Lesern, welche die Hegeischen Zitate für echte Plotinstellen ansehen, eine falsche Vorstellung dieses Denkers erzeugen muss. Doch weiter:

Wörtliche Übersetzung.

,,Das Gewordene aber wandte sich hin zu ihm und wurde er- füllt und blickte auf es ") und wurde so Intellekt. Und seine feste, nach jenem hingewandte Position schuf das Seiende, das Schauen aber auf es ^) den In- tellekt".

Hegels Übersetzung.

„Dies Hervorgebrachte aber kehrt sich" schlechthin (steht bei der 2. Aufl. im Zitat) ,,nach dem Einen", dem Guten; „das Eins ist sein Gegenstand, In- halt und Erfüllung", es ist das mit Gott Erfüllte, begehrt ihn (es-ihn fehlt in der 2. Aufl.). „Und dies ist der Verstand", überhaupt (fehlt in der 2. Aufl.) diese Umkehr des Hervorge- brachten zu der ersten Einheit. „Das erste ruhende Seyn ist das absolute Wesen, der Verstand das Anschauen dieses Wesens".

Man sieht wie Hegel hier anfangs den Gedanken Plotins richtig fasst, dann aber ein grobes Missverständnis begeht, da ja die „feste Position" (gr. (rrä^jic) Hegel gebraucht hier den Aus-

i) Bolland zitiert S. 669 Anm. 2) diesen Satz teilweise und zwar in Müllers Übersetzung, ohne indessen an Hegel Kritik zu üben.

2) Äi/To in Müllers Ausgabe ist, nach seiner Übersetzung zu urteilen, ein Druck- fehler.

3) Müller übersetzt hier „auf sich selbst", vgl. dagegen Zeller S. 566 Anm. 5).

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druck ,, ruhen" vom zweiten Prinzip ausgesagt wird, nicht vom ersten, das, nach Enn. VI, 9, 3, wie schon Tenne mann wusste, S. ']6, selbst über die Ruhe erhaben ist. Die Ursache dieses Missverstandnisses aber ist hauptsächlich in Hegels Aprio- rismus zu suchen der sein Gefühl für das Tatsächliche systema- tisch abgestumpft hatte.

Nach einer Art Würdigung Flotins, die wir auf sich beruhen lassen, S. 52 flg. 2. Aufl. S. 47 (mehr stylisiert) Ausg. Bolland S. 669 flg., folgen S. 53 ^%g., 2. Aufl. S. 47 flgg., (anders ge- ordnet) Ausg. Bolland S. 670 flg. allerlei verwirrte Ausführungen über das zweite Prinzip (den ,, Verstand") und die „veränderliche Welt" durcheinander; das Beste ist hierbei ofl'enbar aus Tiede- mannS. 396 415 und Tennemann S. 93 98, 102, 123 ent- lehnt, hat aber stark dadurch gelitten, dass Hegel, seiner von uns schon öfter vermerkten Manier getreu, das Objektive auch hier durch das Subjektive verdrängt oder doch vertuscht.

Hinsichtlich des dritten plotinischen Prinzips, der (All)-Seele gibt Hegel S. 56 flg. 2. Aufl. S. 50 flg. Ausg. Bolland S. 671 flg. fast nur Zitate aus Enn. II, 9, i 3, 6 oder anderswoher in eigner Übersetzung bzw. Bearbeitung, d. h. er würfelt allerlei Stellen bunt durcheinander, lässt weg, fügt hinzu, verändert, so dass aus diesem Rattenkönig fremder und eigener Gedanken kaum klug zu werden ist. Nach allem Vorherigen wird man dies wohl nicht bezweifeln , doch wollen wir immerhin eine Stelle nl. Enn. II, 9, 2 hervorheben und nochmals Biotin und Hegel mit einander vergleichen:

Hegels Bearbeitung. Wörtliche Übersetzung.

,, Unsere Seele ist zum Theil ,,In unserer Seele . . . hat man

im Ewigen" (Lichte), ,,ein Theil zu unterscheiden einen Teil, der allgemeinen Seele; diese der stets bei jenem [d. h. dem [2. Aufl. fügt hinzu „selbst"] Allgeist oder der intelligibeln ist zum Theil im Ewigen, und Welt] ist, einen anderen, der zu fliesst von da aus, im Anschauen dem Hiesigen in Beziehung steht, ihrer selbst bleibend, nicht be- einen dritten endlich in der richtigend aus Absicht". Mitte von beiden. Denn da sie

eine Natur in einer Vielheit von Kräften ist, so hat man anzunehmen, dass sich bald die eanze Seele mit dem besten

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Teile ihrer selbst und des Seienden zusammen erhebt, bald der schlechtere Theil derselben herab gezogen wird und den mittleren mit sich zieht, denn das Ganze derselben herabzu- ziehen war nicht gestattet. Und diese Affektion widerfährt ihr, weil sie nicht in dem Schönsten geblieben ist, woselbst die Seele [nl. die Allseele] blieb, die nicht Teil ist und von der auch wir kein Teil mehr sind, die dem Körper des Weltalls verliehen hat, für sich zu haben, soviel er von ihr haben kann, die selbst für sich verharrt ohne Müh' und Not, weil sie die Welt nicht aus der Reflexion heraus regiert, auch nicht etwas nach- zubessern hat sondern in der Fülle wunderbarer Kraft die Organisierung leitet durch das Schauen auf das was vor ihr ist."

Auch wer dieser Plotinischen Lehre durchaus ablehnend gegen- übersteht, ja selbst wer kein Verständnis für dieselbe hat, wird doch zugeben müssen, dass Hegels Reproduktion verfehlt ist. Der Unterschied wenigstens zwischen sich selber oder etwas an- deres anzuschauen dürfte einleuchtend genug sein.

Ein anderes Zitat S. 57, soll, nach Hegel, aus Enn. IV, 9, 6 statt aus IV, 8, 6 stammen; dieser Irrtum beruht auf einem Druckfehler der Baseler Ausgabe '). Michelet hat in der 2. Aufl. S. 51, Ausg. Bolland S. 672 auch dieses Zitat mit dem vorher- gehenden verschmolzen (wie denn überhaupt die zweite Auflage zumal durch diese Zitatverschmelzungen noch schlechter ist als die erste) und zu allem nach Enn. II, 9, i 3 u. 6 verwiesen.

Nun zur Materie, S. 57—60, 2. Aufl. S. 51 54 (woselbst S. 53 flg. auch die in der ersten Auflage erst S. 64 flg. erwähnten

i) Diese Ausgabe (1580) enthält auch die Übersetzung von Ficinus.

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Zitate aus Enn. III, 6, 7 flg., mit einigen Bemerkungen stehen; eine bessere Anordnung, jedoch mit schlechterer Angabe der Belegstellen) Ausg. Bolland S. 672 ügg. Hier hat Hegel den Hauptgedanken Biotins, dass nl. die Materie das „Nichtseiende" sei, richtig gefasst, ohne indessen die bezüglichen Darlegungen Tiedemanns, S. 294 300 und Tennemanns, S. 118 122, welche unverkennbar seine Vorlagen waren, zu verbesseren.

Hegel sagt S. 57, 2. Aufl. S. 51, Ausg. Bolland S. 672: „Die sinnliche Welt hat zu ihrem Princip die Materie", wo man, nach Biotins Ausdrucksweise vTroKslfxsvov, Enn. II, 4, i passim, vgl. I, 8, 7 und vTTo'^oxii Enn. II, 4, i passim, eher „Unterlage" oder „Sub- strat" sagen sollte, vgl. Tiedemann S. 294: „Demnach haben alle Körper ein gemeinschaftliches . . . Subjekt [Substrat] das heisst, eine gemeinschaftliche Materie", und Zeller S. 599.

„Über diese Materie philosophirt Biotin viel" fährt Hegel fort, obwohl er, wie wir im Vorübergehen bemerken wollen, S. 40 von ihm gesagt hatte: „Seine ganze Bhilosophie ist einer Seits Metaphysik, aber nicht so, dass ein Trieb, eine Tendenz darin vorherrscht zur Erklärung, zum Auslegen (Deduktion der Ma- terie, des Uebels)" vgl. 2. Aufl. S. 36 flg., wo es, in folge der Umarbeitung heisst, Biotin bezweckt „den Geist von diesem Äusserlichen [nl. der Materie!] abzuziehen", Ausg. Bolland S. 661.

S. 58, 2. Aufl. S. 51, Ausg. Bolland S. 672 lesen wir: „Wie die erste absolute Einheit das Seyn ist, so ist diese Einheit des Gegenständlichen [die Materie] das Negative [2. Aufl. „das rein Negative"] . . . Sie ist so selbst ein Gedanke, reiner Begrifl", und zwar der Begrifl" der reinen Unbestimmtheit oder sie ist die all- gemeine Möglichkeit ohne Energie". Auch hiergegen haben wir manches einzuwenden. Auf die „erste Einheit" passt, wie Hegel selbst zugab, s. o. S. 15, sogar das Brädikat des Seins nicht. Die Materie ist, wie Biotin Enn. . III, 6, 7 '), vgl. II, 4, 15, aus- drücklich erklärt, kein ,,Begrift'", was auch Tiedemann, trotz alles Sträubens, zugestehen musste, S. 297 flg. Folglich sollte sie nicht als der , .Begriff der reinen Unbestimmtheit", sondern als das „Unbestimmte", Enn. II, .4, 10 bzw. die ,, Unbestimmtheit", II, 4, II oder als das ,, Unbegrenzte", II, 4, 15 bzw. die ,,Unbe- grenztheit", III, 6, 7 bezeichnet werden, vgl. u. a. Zell er S. 601. Schliesslich muss es, statt „ohne Energie" heissen „ohne Wirk- hchkeit", welchen Ausdruck Tiedemann S. 298 gebraucht.

1) Und Hegel hat überdies Enn. III, 6, 7 später selbst zitiert!

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Die betreffenden Belegstellen sind von Hegel in der üblichen Weise behandelt; zumal sind die Übersetzungen, nach den Fort- schritten der Plotinforschung, wertlos.

S. 59 wird (von Hegel selbst) Enn. II, 5, 3 zitiert und an- lässlich der Worte iv ro7g vcvjtoIc, die er mit „in dem Gedachten" übersetzt, gegen den Ausdruck „intelligibele Welt", den Ficinus gebraucht hatte, Einspruch erhoben, und zwar ausführlicher in der zweiten Auflage, Anm. zu S. 52, Ausg. Bolland S. 673 Anm. i): ,, Wollten wir übersetzen: „in der intelligibeln Welt", so wäre dies ein schiefer Ausdruck; denn nirgends steht „Welt". Auch „in- telligible Dinge" dürfen wir nicht sagen, alsob es noch eine an- dere Art von Dingen gäbe ; solche Unterscheidungen und Be- stimmungen kommen gar nicht vor". Diese Polemik ist so un- richtig wie nur möglich. Gerade die Vorstellung einer intelligibeln Welt ist echt plotinisch und der Ausdruck selber kommt, wenn auch nicht an dieser Stelle, so doch Enn. IV, 8, 3 (s. o. S. 8), II, 4, 4 u. ö. vor, wie ja auch Hegel selbst S. 53, 2. Aufl. S. 48, Ausg. Bolland S. 670, von der „intellektuellen Welt" bei Biotin im Gegensatz zur „sinnlichen", bzw. S. 68, 2. Aufl. S. 58, Aug. Bolland, S. 676 flg. von der .,Verstandeswelt" im Gegensatz zur „empfundenen", oder „Sinnenwelt" spricht, ja, in der ersten Auflage S. 48 den Ausdruck sv tw vö^^tw mit „im Gedankenreich" wiedergiebt. Die Worte ev ro7? vo-/jrc7c aber lauten in buchstäb- licher Übersetzung „in den intelligibeln" (Plur. neutr. gen. nach griechischem Sprachgebrauch); „Dingen" hinzuzufügen, ist ganz sachgemäss und nur aus Gründen sprachlicher Eleganz weniger zu empfehlen. Zwischen „intelligibeln" und „sinnlichen" [Dingen] aber macht Plotin z. B. Enn. II, 4, 5 ausdrücklich Unterschied. Hegel hat hier durch seine subjektivistische Auffassung sich selber das Verständnis der plotinischen Lehre unmöglich gemacht, wie er denn auch S. 59 bald darauf zugiebt: „Hier kommen sehr dunkle Stellen", ein Eingeständnis, das freilich bei dem mit Recht getadelten „oberflächlichen und willkürlichen Glättungs- prozess" in der 2. Auflage verschwunden ist. Der wahre Sach- verhalt ist dieser, dass Plotin hier die in Enn. II, 4, i 5 u. 15 flg. näher erörterte Frage streift, ob es, gleichwie in dieser sinnenfälligen Welt, so auch in der intelligibeln eine Materie giebt, welche Frage er bejaht, vgl. Tiedemann S. 409, Ten- nemann S. 119 flg., Zeller S. 579.

S. 60 64, 2. Aufl. S. 54 56, Ausg. Bolland S. 674 flg., wird das Böse Gegenstand der Betrachtung. Hier müssen wir zunächst

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bemerken, was übrigens auch andere Darsteller des plotinischen Systems trifft, dass der Ausdruck „das Böse" für das griechische kcckÖv nicht ganz zutreffend ist; besser wäre „Übel"; wie denn auch Tiedemann S. 328 flgg. sich dieses Wortes bedient. Denn das Böse ist doch wohl, wie Schelling') mit Recht be- tont, etwas Positives, das plotinische kxxöv dagegen wesentlich das Negative, also eher das Übel bzw. das Schlechte. Im Grossen Ganzen hat Hegel, freilich mit kenntlicher Benutzung Tiede- manns S. 328 flgg. und Tennemanns S. 143 flgg. hier eine richtige Vorstellung der plotinischen Lehre gegeben. Im ein- zelnen jedoch ist manches fehlerhaft. So lesen wir S. 61 „Das Gute is das, wovon Alles abhängt, was Alles bezeichnet was ist, das sich selbst genügt, Maasz, Princip und Grenze von Allem, was Seele und Leben giebt, nicht nur schön; sondern es ist über dem Besten, königlich, herrschend im Gedanken", mit Bezug auf die schon oben S. 12 flg. behandelte Stelle aus Enn. I, 8, 2, jedoch wie man leicht sieht, dieselbe mangelhaft reproduzierend (z. B. „nicht nur schön" statt „über das Schöne erhaben") und es folgt dann „Es ist der yovg'^ (in der 2. Aufl. S. 54, Ausg. Bolland S. 674 steht schlechtweg, ohne den soeben angeführten Satz: „Das Gute ist der vovg"), ein Fehler, den nur Hegel in seinem verblendeten Eigensinn machen konnte. Denn dass Biotin zwischen dem Guten, als erstem Prinzip, und dem vovc (Geist) als zweitem Prinzip, strengen Unterschied machte, musste man von jeher wissen, vgl. z. B. Tiedemann S. 381 u. 386 ff. Aber da für Hegel Gott „der absolute Geist" ist, so muss er es eben auch bei Biotin sein.

Auch die Übersetzung a. a. O. der nachfolgenden Stelle aus Enn. I, 8, 2 ist sehr bemerkenswert.

Hegels Übersetzung. Wörtliche Übersetzung.

„Und Er" (der vovg) „ist die „Und Er [der vovg, Geist] ist

erste Energie desselben" (des die erste Tätigkeit und die erste

endlichen vcu^) oder dessen Wesenheit jenes [des Einen,

Energie ist die Erste, „und Guten, Gottes] das [bzw. der]

die erste Substanz, indem jener in sich selbst bleibt; Er [der

in sich bleibt" (der endliche ^ovg] ist aber in dem Umkreise

nämlich). „Er ist thätig um jenes [des Einen, Guten, Gottes]

jenen, wie er um ihn lebt(?)" tätig gleich als ob Er [der vcDc]

i) Phil. Unters, über d. Wesen der menschl. Freiheit, in Werke VII, S. 368 flg.

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2. Aufl. S. 54, Ausg. Bolland in seinem Umkreise lebt" ').

S. 674: „Der vovg ist die erste

Energie und die erste Substanz

der Seele, die um jenen thätig

ist".

Wie man sieht, hat Hegel zwei gänzlich verschiedene Über- setzungen dieser Stelle gegeben. Die Unsicherheit, welche das Fragezeichen in der ersten Auflage bekundet, ist in der zweiten verschwunden ; keineswegs aber ist letztere Übersetzung besser als jene. Was soll hier die Seele, die im Satze bei Plotin selber nicht vorkommt? Dieser Satz ist schwierig; aber aus ihm zu folgern dass der vovg d. h. der (All)geist die erste „Energie" des „endlichen Geistes" oder „die erste Substanz der Seele" sei, das kann nur jemand der Plotin entweder gänzHch missversteht oder ihn nach seiner eignen Denkweise umstimmen will.

Eine sehr karakteristische Probe hegelschen Plotinstudiums ist auch das Folgende S. 62, 2. Aufl. S. 55, Ausg. Bolland S. 674, aus Enn. I, 8, 3 (von Hegel selbst zitiert) :

Hegels Übersetzung. Wörtliche Übersetzung.

„Ist diesz nun das Seyende „Wenn nun dieser Art das

und das noch über das Seyn Seiende und das über das Seien-

Erhabene, so ist das Böse nicht de noch Erhabene ist, so kann

im Seyenden, noch in dem über das Übel nicht im Seienden

das Seyn Erhabenen; denn diesz noch im Jenseits des Seienden

ist das Gute". sich befinden, denn dieses bei- des ist gut".

Abgesehen von der nachlässigen Übersetzung gesteht Hegel hiermit implicite ein dass Plotin das Gute (d. h. das Allerhöchste) noch für „über das Sein erhaben" erklärt, was u. E. sich schwer- lich vereinbaren lässt mit seiner so oft wiederholten Behauptung, das „Erste" bei Plotin sei das „reine" oder das „absolute Sein" vgL S. 10, 15, 25.

Mit der Tugend findet Hegel sich sehr leicht ab. Er begnügt sich nl. damit S. 65 flg., 2, Aufl. S. 56 flg., Ausg. Bolland S. 675 flg., aus Enn. II, 9, jener bekannten gegen gewisse „Gnostiker" ge-

i) Müller fasst diese Stelle etwas anders auf, doch halten wir uns an Zellers Erklärung S. 554 Anm. 1), i. f., 555 Anm. l) und 570 Anm, 7).

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richteten Schrift zwei Stellen anzuführen, obwohl in der zweiten von der Tugend fast gar nicht die Rede ist. Ersterc Stelle findet man in der ersten Auflage schon S. 41, wohin auch ein Teil der letzteren sich verirrt hatte ; wir halten uns diesmal an die 2. Auflage^

Die erste, sehr kurze Stelle, aus c. 15, ist leidlich übersetzt, aber unglücklich gewählt, da der Vorwurf, den sie enthält, dass nl. die ^Gnostiker" „gar nicht von der Tugend und dem Guten sprechen" mit der Wahrheit keineswegs übereinstimmt.

In der zweiten Stelle, aus c. 16, tadelt Flotin seine Gegner mit mehr Recht, dass sie die wahrnehmbare Welt verachten und die göttliche Vorsehung nur auf sich selbst als die Auserwählten beziehen, doch leidet die Übersetzung bzw. Reproduktion an den von uns schon so oft dargelegten Mängeln.

Wir wollen das Wichtigste nochmals in Nebeneinanderstellung hervorheben :

Hegels Übersetzung.

„Wie sollte es fromm seyn, dass die Vorsehung {-Trpovotxy, das Göttliche [2. Aufl.: „die göttliche Vorsehung" {Trpovüix)] „nicht ge- lange zu dem Hiesigen {iic rk ty^^s, Diesseitigen) [fehlt in der 2. Aufl.]? Warum ist Er [2. Aufl. „Gott"] nicht auch hier? Denn woher sollte er erkennen, dass sie hier sind?" (ttw? Se ob x.ca ccurög hriv svöcc^s ; vorher nur Trpö- vota, nicht öfJ?. Uoösv yxp •yvcc(XSTCii, oTi s}(7h ivdd^s; die Menschen)". 2. Aufl. „dass das Diesseitige hier ist?"

„Wenn er von derWelt entfernt ist, so ist er es auch von uns".

Dass diese Fehler keine philologischen Kleinigkeiten, sondern den Gedankengang Plotins selbst betreffen und dass sie in dem Apriorismus der hegelschen Denkart wurzeln, braucht wohl kaum bemerkt zu werden.

Übrigens bleibt es. wie gesagt, bei diesen Stellen; von dem

Wörtliche Übersetzung.

„Denn dass die Vorsehung sich nicht auf das Hiesige oder überhaupt auf irgend etwas nicht erstreckt: ist das eine gottesfürchtige Ansicht?"

„Wie geht es zu, dass Er [Gott] nicht auch selbst hier [nl. in der wahrnehmbaren Welt] ist? Woher will er denn erkennen, dass sie [die „Gnostiker"] hier sind ?"

„Wenn er aber von der Welt fern ist, so wird er auch von euch [den „Gnostikern"] fern sein".

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was Plotin über das Wesen der Tugend dachte, vgl. Enn. I, 2 bekommen wir a. a. O. nichts zu hören; und auch die kurzen Bemerkungen hierüber S. 41, 2. Aufl. S. 37, Ausg. Bolland, S. 661 flg. reichen entfernt nicht aus.

Das Ergebnis seiner Übersicht von Plotins Lehre fasst Hegel S. ^'J, 2. Aufl. S. 57 flg., Ausg. Bolland S. 6^]^ folgendermassen zusammen: „Diesz macht die Haupt-Idee des plotinischen In- tellektualismus und Idealismus aus, die allgemeinen Vorstellungen, worauf das Specielle zurückgeführt wird; diese Zurückführungen sind (2. Aufl. fügt hinzu: „aber") oft bildlich" und giebt sodann eine Art Kritik, doch nicht ohne Ti e d e mann S. 321 zu benutzen. Vor allem sei an Plotin der Begriff zu vermissen: „Entzweiung, Emanation, Ausfliessen oder Hervorgehen, Hervortreten, Heraus- fallen sind Worte, die auch in neueren Zeiten viel herhalten mussten, in der That aber nichts sagen". Wir können dieser Kritik nicht beipflichten. Abgesehen davon dass Plotin den Ausdruck „Emanation" nicht gebraucht und denjenigen des „Ausfliessens", streng genommen, verwirft, sehen wir auch nicht ein, weshalb z. B. der Ausdruck „Hervortreten" in der Philo- sophie verwerflicher sein sohte als z. B. das bei Hegel so be- liebte „Aufheben". Man tadle das Bildliche so viel man will, schliesslich sind die beliebtesten philosophischen Begriffe doch auch Bilder '). Weiter versichert Hegel, nachdem er früher S. 40, 2. Aufl. S. 36, Ausg. Bolland S. 661 behauptet: „Besonders sind bei ihm [Plotin] Piatos Ideen und Ausdruck herrschend", a. a. O. „Plotin hat . . . sich in die höchste Region geschwungen, in das aristotelische Denken des Denkens; er hat viel mehr von diesem, als vom Plato (2. Aufl. S. 58: „er hat viel mehr vom Aristoteles, als vom Plato)". Letzteres zu widerlegen falls jemand es in Ernst verlangen sollte genügt schon ein Blick auf Plo- tins Psychologie. Diese sagt Hegel gar nicht zu, weil sie „viele Willkür" enthalte und in ihr „was in Begriffen bestimmt seyn sollte, (2. Aufl. hat hiernach ,,in bunten Bildern") in der Form einer Wirklichkeit ausgedrückt" sei, S. 68, 2. Aufl. S. 58, Ausg. Bolland S. 6'j6. Es wird hierzu ein Beispiel angeführt, nl. :

„Unsere Seele gehört (2. Aufl. gehöre) nicht der Verstandeswelt allein an, wo sie volkommen, selig ohne allen Mangel war; nur ihre Denkkraft gehört (2. Aufl. gehöre) dem ersten Verstände.

i) Vgl. C. du Frei, Die Entdeckung der Seele durch die Geheim Wissenschaften I (1894) S. 19 flg.

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Ihr Bewegungsvermögen, sie (2 Aufl. oder sie) als Leben, floss aus der verständigen Weltseele , das Empfinden aber aus der Seele der empfundenen Welt. Nämlich Plotin setzt die erste Weltseele als unmittelbare Wirksamkeit des Verstandes, der sich gegenständlich ist ; sie ist {2 Aufl. sey die) reine Seele über der sublunarischen Gegend, wohnt (2. Aufl. und wohne) in dem oberen Himmel der Fixsterne. Diese erzeugt (2. Aufl. erzeuge); es fliesst (2. Aufl. fliesse) aus ihr wieder eine ganz sinnliche Seele. Das Verlangen der einzelnen, besondern, von dem Ganzen ge- trennten Seele giebt (2. Aufl. gebe) ihr einen Körper; diesen erhält (2. Aufl. erhalte) sie in der oberen Region des Himmels. Mit diesem Körper erhält (2. Aufl. erhalte) sie Phantasie und Gedächtnisz. Endlich begiebt (2. Aufl. begebe) sie sich zur Seele der Sinnenwelt ; und von dieser erhält (2. Aufl. bekomme) sie Empfindung, Begierden und das vegetativ sich erhaltende Leben".

Hierzu zitiert Michel et S. 68 Anm. '■), 2. Aufl. S. 59 Anm. i), Ausg. Bolland S. ^'jj Anm. i) Buhle, Lehrb. d. Gesch. d. Phil. Th. IV, S. 418 419; Tiedemann, Geist d. spek. Phil. B. III, S. 421 423: cf. Plotini Enn. IV, 1. III et VIII, passim. Diese Anordnung ist verkehrt, da Buhl es Lehrb. d. Gesch. d. Phil, erst seit 1796, Tiedemanns dritter Band schon 1793 erschien. Buhl es Lehrb. Gesch. Phil, war mir nicht zugänglich; aber fast alles in der oben angeführten Stelle ist bei Tiedemann S. 421 flg., 412 und 415, mit Verweisungen nach Plotin, zu finden.

Die obenerwähnte plotinische Lehre von den „Weltseelen" hätte zwar etwas richtiger können dargelegt werden *) doch brauchen wir hier nicht weiter darauf einzugehen. Wir müssen aber nochmals die Andacht darauf lenken, dass Hegel hier ganz unbefangen von der „Verstandeswelt" spricht, während er S. 59, 2. Aufl. S. 52 Anm., Ausg. Bolland S. 673 Anm. i) gegen den ziemlich ähnlichen und dasselbe besagenden Ausdruck „intelli- gibele Welt" Einspruch erhebt. Ferner heisst es hier „Plotin setzt die erste Weltseele als unmittelbare Wirksamkeit des Ver- standes", während in der 2. Aufl. S. 54, Ausg. Bolland S. 674 (s. oben S. 28) eine Stelle aus Enn. I, 8, 2 übersetzt wurde mit „Der vouq [d. h. der „Verstand" „Allgeist"] ist die erste Energie [doch wohl „Wirksamkeit"] ... der Seele". Auch hätte Hegel statt „Das Verlangen der einzelnen, besonderen, von dem Ganzen getrennten Seele" lieber sagen sollen „von dem Ganzen sich tren-

i) Vgl. H. V. Kleist, Plotinische Studien I (1883J S. 62 Anm. i) f. f.

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nenden" , wie denn auch Tiedemann sich folgen dermassen ausdrückt, S. 421 flg.: „Jede Seele ferner hat ihre besondere Be- schaffenheit, ihre eigne Gesinnung, ihre eignen Neigungen; wenn sie vermöge dieser nach Trennung vom Ganzen sich sehnt" u. s.w. Man schlage nur die herangezogene Stelle aus Enn. IV, 8, 4 nach.

S. 68 flg., 2. Aufl. 59 flg., Ausg. Bolland S. ^'j'j kritisiert Hegel gewisse „Nachfolger" des Plotin; das Sachliche hieran ist bei Tiedemann S. 422 flg. zu finden, während Michelet S. 69 Anm. •■■■), 2. Aufl. S. 59 Anm. 2), Ausg. Bolland S. 6-]^ Anm. 2) nur Buhle, Lehrb. Gesch. Phil. IV, S. 419 420 zitiert.

Bei der Vorstellung, welche Hegel davon giebt, kommt der arglose Leser leicht dazu, die Lehre von der Einzelseele bei Plotin für etwas Nebensächliches, ja für spekulativ wertlos zu halten. Dies wäre jedoch ein schwerer Irrtum. Die Psychologie ist das Zentrum von Plotins System ') und auch da, wo das Mythologische sich einmischt, müssen wir Folgerichtigkeit des Denkens sowie Scharfsinn bei den Lösungsversuchen verwickelter Probleme anerkennen ^) ; die Immaterialität und Unsterblichkeit unserer Seele aber wird in durchaus wissenschaftlicher Weise und mit so beherzigungswerten Gründen verteidigt, dass die diesbe- zügliche Abhandlung, Enn. IV, 7 „Über die Unsterblichkeit der Seele", wie z. B. schon Tiedemann S. 337 f. f., 365 '^^g. einsah ^) und jetzt stets mehr Zustimmung findet *), entschieden zu den hervorragendsten philosophischen Leistungen zählt ■'). Da Hegel jedoch selbst die Existenz der Einzelseelen, und folglich auch ihre Unsterbhchkeit , obzwar nicht mit klaren Worten ,

1) Whit taker, The Neo-Platonists (1901) S. 44. Vgl. auch schon Tenne- mann, S. 181.

2) Vgl. H. von Kleist, Plotinische Studien I (1883) S. VI.

3) Vgl. auch die 5. Aufl. von Tennemanns Grundriss Gesch. Phil. (1829) besorgt von A. Wendt, S. 218.

4) Vgl. insbesondere H. v. Kleist, „Plotin's Kritik des Materialismus" in Philos. Monatshefte XIV. Bd. (1878) 3. Heft, S. 129—146.

5) Da auch Origenes in „Über die Grundlehren der Glaubens Wissenschaft" I, i, 7 einige der in Enn. IV, 7 erörterten Beweise für die Immaterialität der Seele her- anzieht, so hatte, trotz H. v. Kleist in Plot. Krit. d. Material. S. 146 Anm. i), Nemesius doch wohl nicht ganz Unrecht, als er in seiner Schrift über die Natur des Menschen Ammonius Sakkas den Urheber der erwähnten Kritik des Materialismus nannte, wie denn auch Manches Andere, das für eigene Erfindung Plotins gilt, von Ammonius stammen mag, vgl. z. B. über die „stufenweise Entfaltung" des Gött- lichen K. AI v ermann.. Die Lehre Plotins von der Allgegenwart des Göttlichen (Dissert. Jena 1905) S. 32. Das Sachliche bleibt indessen hierdurch ganz un- berührt.

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leugnete, s. o. S. 8, so musste er wohl, bei seiner hartnäckigen Rechthaberei, das im plotinischen System hierauf Bezügliche vertuschen und verdächtigen.

Rosenkranz hat in seiner „Apologie Hegels" S. 5 behauptet dass „selbst die heftigsten Gegner Hegels" die „ausserordent- lichen Leistungen" nl. der Geschichte der Philosophie, „willig zugestehen". Nach den obigen Auseinandersetzungen aber wird man sich der Einsicht nicht verschliessen können, dass Hegels bzw. Michelets') Darstellung von Plotins Leben und Lehre, zumal gegenüber den viel zu weinig beachteten Arbeiten Tie- demanns und Tennemanns -), von denen sie stark ab- hängig ist, durchaus keinen Fortschritt bedeutet, sondern im Gegenteil an Mangelhaftigkeit des Quellenstudiums, Nachlässig- keit der Übersetzungen, Konfusion des Denkens, Willkür der Auf- fassung, Fälschung der Begriffe, Vertuschung der Hauptsache sich das Ärgste zu Schulden kommen lässt und dass somit auch der Wert des ganzen Werkes jedenfalls insofern es ein origi- nelles heissen darf als ein höchst problematischer erscheinen muss ^). Übrigens machte, abgesehen von Hegels sonstigen Feh-

i) G. Las so n, der im Anhang zu K. Fischers Hegel II^, S. 1246 Hegels Kolleg über die Geschichte der Philosophie für „eine seiner glänzendsten Leistungen" erklärt, möchte gerne alle „Schnitzer im einzelnen" auf Rechnung der „Kollegheft- schreiber" setzen; aber dazu sind es ihrer doch wohl zu viele und sind sie zu spezifisch hcgelsch.

2) Es dürfte nicht ohne Interesse sein, das Urteil Hegels über einige seiner Vor- gänger anzuführen. Von B ruckers Werk heisst es, Vorl. Gesch. Phil. XIII, S. 131, 2. Aufl. S. 129, Ausg. Bolland S. 90: „Das ist eine weitschichtige Kompilation, die nicht rein aus den Quellen geschöpft... ist,... ein grosser Ballast", von Tie- demann, 2. Aufl. S. 129 flg., Ausg. Bolland S. 90 flg.: „die Sprache ist steif und geziert. Das Ganze ist ein trauriges Beispiel, wie ein gelehrter Professor sich sein ganzes Leben mit dem Studium der spekulativen Philosophie beschäftigen kann und doch gar keine Ahnung von Spekulation hat", von Tenne manu S. 132, 2. Aufl. S. 130 flg., Ausg. Bolland S. 91 : er habe die Philosophien „der neueren Zeit besser bearbeitet als die alten" . . . „Man verkehrt so leicht das Alte in Etwas, das uns geläufiger ist; dies ist Tennemann begegnet, hier ist er fast unbrauchbar (2. Aufl. „und wo diesT. b., da ist u. s. w."). Beim Aristoteles z.B. ist der Missver- stand so gross, dass Tenne mann ihm gerade das Gegentheil unterschiebt... Dabei ist Tennemann so aufrichtig, die Stelle aus dem Aristoteles unter den Text zu setzen, so dass Original und Uebersetzung sich oft widersprechen". Rix- ner's Handb. d. Gesch. d. Phil, „ist am meisten zu empfehlen" S. 133, 2. Aufl. S. 131, Ausg. Bolland S. 91 flg., kein Wunder, da er im Geiste Hegels geschrieben vgl. Vorrede zur ersten Aufl. (1822) und diesem III- S. 437 hohes Lob gezollt hatte.

3) Selbst Verehrer Hegels, wie W. Wallace und X in Enc. Brit.", Vol. XIII (1910) s. V. Hegel S. 207, sagen von diesen Vorlesungen: „Indem sie versuchen.

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lern, schon der unglückliche Gedanke, die Geschichte der Philo- sophie als „System in der Entwickelung" ') aufzufassen und Hegel hat nicht einmal diesen Gedanken zuerst ^) ausgesponnen das Zustandekommen einer objektiven Geschichte der Philosophie von vornherein unmöglich.

die Geschichte der logischen Ordnung zu unterwerfen, missverstehen sie manchmal das Abhängigkeitsverhältnis der Ideen".

i) Vorl. Gesch. Phil. XIII S. 42, 2. Aufl. S. 42, Ausg. Bolland S. 25.

2) Die Priorität gebührt hierin Fries, wie O. Apelt, Die Behandlung der Gesch. d. Phil, bei Fries u. b. Hegel (1912) S. A. aus Abhandl. d. Friesschen Schule N. F. IV Bd. I Hft. schlagend dargetan hat, wobei Hegel vgl. S. 24 [360] flgg. in sehr ungünstigem Lichte erscheint.

BERICHTIGUNGEN UND ZUSÄTZE.

S. 2, Anm. i): Vol. I. ist nur von E. S. Haidane übersetzt. B. Croce, Lebendiges u. Totes in Hegels Philosophie mit einer Hegel-Bibliographie (Üb. v. Büchler, 1909) kennt S. 191 als Übersetzerin nur E. G. [sie] Haidane, und nennt S. 184 gleich- falls die zweite Auflage der Vorlesungen ü. d. Gesch. d. Phil, eine ,, verbesserte".

S. 6, Z. II: Dies steht in der ersten Auflage S. 43, in der zweiten S. 38 flg., in der Ausg. Bolland S. 664.

S. 7, Z. I flg. Man vergleiche auch hier Haym, Hegel und seine Zeit S. 423.

S. 12, Z. 12 : In der 2. Aufl. steht hierbei die Anmerkung: ,, Dieses aristotelische Wort . . . kommt oft bei den Neuplatonikern vor".

S. 15, Z. 19: statt ,,ist" steht in der Ausg. Bolland „sei".

S. 15, Z. 21 : in der 2. Aufl. steht ,, passen nach Plotin u. s. w.".

S. 20, col. 2, Z. 7 lies: „am meisten aber u. s. w.".

S. 21, letzte Z. : statt ,, wodurch das Eine aber schlechthin Eines bleibt" hat die Ausg. Bolland : „wobei das Eine schlechthin Eines bleibe".

S. 23, Z. 25 : steht in Ausg. Bolland S. 672.

S. 27, Z. 21 : „Das Gute ist der vodg" wird angeführt alsob es ein Auspruch Plotins selber wäre.

S. 28 anlässlich Enn. I, 8, 3 : statt sl ^ij TotÄjrtx, lari toc, cvtoc steht in den neueren Ausgaben e\ 5^ roiocvTix, icFTi rcc ovrx : daher das ,, dieser Art" in der wörtlichen Übersetzung.

S. 30, Z. 8 „und Idealismus" fehlt in der 2. Aufl.

S. 30, Z. 27 flg. Hegel geht also viel weiter, als man aus K. Fischers Bemerkung, Hegel IP S. 1092, schliessen sollte dass nl. ,, Hegel mit Recht sagt , dass Plotin in Ansehung des Weltalls mehr aristotelisch als platonisch gesinnt war", wie denn

überhaupt K. Fischer S. 1091 flg. Hegels Darstellung von Plotins Lehre nicht ganz richtig reproduziert hat.

S. 30, Z. 33 : In der ersten Auflage steht : „Theils in bunten Bildern, wo" vor „was in Begriffen u. s. w.".

S. 32, Z. 6: lies: „kritisiert Hegel in sehr unklarer Weise eigentlich nur u. s. w.".

S. 32, Z. 25: Vgl. R. Eucken, Die Lebensansch. d. grossen Denker {1902) S. 465: „auch mit dem individuellen Seelen- leben weiss Hegel nicht viel anzufangen".

S. 32, Anm. 5). Vgl. K. H. E. de Jong, De wijsbegeerte in den Romeinschen Keizertijd (1910) S. 14.

S. 34, Anm. 2). K. Oest erreich hat in seiner sonst so reichhaltigen Neuausgabe von Überwegs Grundr. d. Gesch. d. Phil. II Aufl. (1916) leider diesen Punkt übergangen, obwohl er S. 132 141 Fries gebührendes Interesse schenkt.

BOEKHANDEL EN DRUKKBRIJ VOORHEEN E. J. BRILL, LETDEN.

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Land, J. P. N., Ter gedachtenis van Spinoza . . . ,, -.75

Land, J. P. N., Beginselen der analytische logica. Eene schets, ten gebruike bij de academische lessen ontworpen. 8°'. . -.60

Levy, J. A., Het Indeterminfsme. (De psychische .Causaliteit). 8°.

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Plato's Gorgias. 2.25

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Hegel en de wijsheid van BoUand. 1.50

Ritter, P. H., Schets eener critische geschiedenis van het Sub- stantiebegrip in de nieuwe wijsbegeerte. 8°. . . ,, 3.90

Spruyt, C. B., Proeve van eene geschiedenis van de leer der aangeboren begrippen. ,, 3.50

Weygoldt, G. P., Darwinismus, Religion, Sittlichkeit. 8°. 1.50

Weygoldt, G. P^ Kritik des philosophischen Pessimismus der

neuesten Zeit. ,,1.50

B Jong, Karel Hendrik Eduard de

29i;8 Hegel und Plotin

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