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3 424

Heidelbergiſche. Ssabıbidet

der

*

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SS i tteratur.

Se fer Jahrgang.

Erſte Hälfte

Januar bis Juny.

Heidelberg, Bey Mohr und Zimmer | 181413 |

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No. 4. Seidetbergifche 1813. Fahrbüſcher der Litteratur.

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Correspon dance Iĩtte raire philosophique et critique addressde a un souverain d’Allemagne depuis 1770. jusqu’en 1782; Par le baron de Grimm et par Diderot. V. Voll. $; Paris. F. Buissoan rue Gilles Coeur No. 10. 1812, 8.

Dieres Merk gehört Ju ber Elafie von Werken, welche wii derlih und verwerflih an fih, der Wergeffenheit übergeben werden follten , und welche daher nur entiveder wegen des Eindrucks, den ſie auf ihre Zeit miachen oder dach leicht machen tinnen, oder. weil ſich in ihnen die Entartung ihres Zeitalters darftelle, eine ernfthaftere Beurtheilung verdienen können. Wir sehehn, daß uns nur das Auffehn, welches es erſt in Frank wii, befonders in Paris, dann bey allen Dilettanten ber Hanpgädte Europas, endlich in der gangen eleganten Melt ‚erregt dar, zu einer ansführligern Anzeige deſſelben bes ſtimmte. Mir trennen in diefer Anzeige die beyden erftern Bände, welche den Zeitraum von 1770 bis 1773 umfallen; von den drey letztern. Nec. iſt nicht geſonnen, den Antheil Diderott, der waͤh⸗ -tend Grimms dfterer Abweſenheit von Paris den Bericht fort⸗ feste, ven Grimms Arbeit zu feheiden, weil beyde damals feit ein und zwanzig Jahren genau befannt waren, oder wie. die ganze Philoſophen-Geſellſchaft als Eine Perſon angejehn werden ' innen, und Dec. Überdies nice gefonnen iſt, wis Ar. Amar. im Moniteur, auf dag Urtheil des Einen oder des Andern, oft beyde frivol find, .zw provsciren, fondern nür hie und da eismgeines herauszuheben, was zur Kenntnifi der Zeiten, Mäne ner, Sthriften die es betrifft, etwas beytragen fahn, beibns ders, wo wir entweder etwas hinzufeben, die andere Seite der Sache geigen, oder den Verfaffer und feine Abſichten ſelbſt betradsten Lönnen: Diefem Werke, welchts wir als Gelehrte den frevoten Eirkikee,:im teren Ton es abgefaßt ift, Aberiffen würden; 4

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2. Correspondance dı, Baron de Grimm.

folte man affo wie feinem Verf. nur das quiescat nachrufen. Da der Werf. feinen Lohn, den Zutritt zu den Großen, den - Baron, den Minifter dahin hat, fo ſollte die Leichtigkeit und Dreiftigkeit feines Ton‘, durch den er fic) geltend machte, der Vergeſſenheit Äbergeben werden, wenn night t das Werk ein. neues Denkmahl des Tons der Meenfchen und Geſellſchaften märe, weiche ganz Europa umgeſchaffen, die Religion und den Stauden ans den: Kerzen getrieben, Die Sitten durch laxe Moral, frivole Scherze, elenden Wig untergraben, und dem Lafter durch Rede und That die Worte und den Schleyer der Tugend negeben haben. Man liedt hier genau das Refultat und den Widerhall der Unterhaltungen Gey Hollbach, der Spinay, der. Seofkin (wir fcheuen ung Madame Necker, die, ob man gleich bey ihr. foupirte, gut und edel war, zu nenneh ) u. a., wo ‘die Weiher der Ton angaben, und Religion, Staat, Erziehung, Theater, Wiſſenſchaft, ohne Ernk und Anftand beurtheilten, und aljo jeder, um nicht Pedane zu ſeyn und laͤcherlich zu werden, einſtimmen mußte; ja, wo es genug wor, einen gutan Koch zu haben, um auch die Litteratur zu beherrſchen. Natürlich war es, daß dies tn Frankreich und durch die Abgdtterey, die unfere Fuͤrſten mit den Phtlofophen. ‘trieben, aud in ganz Europa herrfchend werden mufite. Ir Frankreich hielt fih der Ton nicht, weil Bald hernach die Dex volution alles änderte; bey uns aber, in Rußland, Schweden, . Polen und endlich Tonar in England ward gerade dadurch, daß Frankreich die Leute von. gutem Ton ausfpie, die heillofe Sute immer herrſchender. Die Herausgeber dir Correſpendenz haͤt⸗ ten übrigens ohne Nachtheil des Leſers, wie ſelbſt der Pariſer £obredner Grimms geficht, die Hälfte des Buchs weglaſſen koͤnnen, fo abwechſelnd auch fein Juhalt iſt. Bald. ſindes Neuigkeiten des Tags, bald Schauſpiel 2 Bald der Hof (nur: behutſam), bald die Angelegenheiten Ber. Philoſophen ders : haupt, über die enticheidend abgeſprochen wird. Der Torisk nicht bloß leicht, ſondern leichtfertig. und für die Bibelſprache, für die Sprache der Kirche, die man zu den. fihändtichflen Era. zählungen braucht, Hätten die vornehmen Leute, an die die. Berichte gerichtet find, To viel Achtung haben follen, daß Ihnen 3 ihr Mißbrauch mißfallen hätte. Man lernt recht, wie Beam.

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Gorrespondancde.du Baron de Grimm. . 38 a Aues Teiche mathht, wie man uͤber Alles hinausſchlüͤpft, und dem ernfien Wanrz eine Matt, oder, was noch ſchlimmer if, eine Laͤcher lich keüt anſpruͤtzt, nt bie Billigung der Thoten zum Praͤfeſtein der We icheit zu machen. Wie wäre and) ſonſt de He. Grimme, Der Nichts geföfter hat, ſobald zum Baron von Grimm geworden! Man muß naͤmlich wilfen, daß Grimm,

wachdem man feine erfien Verſuche In Deutſchland Übel aufge⸗

nommen, fih nach Paris begeben- hätte, wo ihm Kiüpfel, der hernach Hofmeifter des Erbpringen von Gotha wurde, umter dem Titel eines Voͤrleſers (1749) annahm. In diefem bes ſchraͤnkten Verhattniß machte Rouſſeau ſeine Bekanntſchaft, und ſagt ( Tonfessions. livre VIII. ed, Genes. 8. 178g: Vol. 31. pag. 265): „Es war ein junger Menfh, Namens Stimm, der dem Erbprinzgen als Vorlefer diente, bis er eine andre Stelle Rande, und fein ganzer dürftiger Aufzug zeigte, daß er nöthie Habe, eine zu finden.“ Dachte doch damals der- erme Jean Jacques nicht, daß der Grimm um 1770, fo von dbender und ſo bitter hämifch über ihn fchreiben würde! wie Nex J. S. 129 151 und J. S. 187. 188 gefchteht, wobey

man feeylich im der feßten Stelle den feinen Mann nicht vers:

fennen kann, der fid) wohl bewußt bfeibt, daß Bey den Leuten, deren Gunſt Er fucht, Rouffean doch zu hoch ſteht, ats daß er ihn ernftlich) angreifen dürfe, ihn alfo nur laͤcherlich macht, um mitleidig auf ihn herabzuſehen, und wenn nicht.als der Sröfere, doch als der Weijere, mit dem ſich Beffer leben läßt, dee beſſer zu gebrauchen iſt, gu erfcheinen Er führt nämlich I. &. 187 den Brief am, den Rouſſeau fehrieb, um zu der Statue, die man Boltaire errichten wollte, feinen Beytrag zu liefern, und der, mie alle feine letzten Briefe den Ders paus

vres a veugtes que nous sommes etc. zur lleberſchrift hatte (da &rimm dte Sache nur berührt, fo erinnern mir daran,

daß Ronffean diefen Vers annahm , = er fih ven Aumege ..

täufcht glaubte. Die Erzaͤhtung iſt in dem beruͤhmten Brieft an Hume ſelbſt. Oeuvres de Rousseau ed. 4to. Tom. X.

p- 5357 566 )- Grimm mwigelt zuerſt I. &. 188 über den Vers, und ſagt, Reuffean feße ihn über feine Briefe, wit die Monnen ihr vivat Jesus, als ein Schutzmittel gegen das Behexen. Dann itmacht er ihm ein Compliment, daß er wieder

4 correspondance du Baron de Grimm. ,

nach Paris kommen und da leben wolle, unter der Bedingung,

nicht zu fehreiben, cette dernipre clause, fagt Grimm, ne s’accorde guere avec. nos interets. Aber bald zeigt fih wies

der die wahre Sefinnung: „fein. Brief, heißt es, wäre ein _ Meiſterſtuͤck, wenn er es hätte übers Herz bringen koͤnnen, nur dies Mal, ohne weitere Comfequenz,. ‚fein plattes” qua-_

train daheim zu laffen.“ Boshafter ift, was er ©. aag bes richtet, daß Rouſſeau feine Therefe in Hagranti ertappt habe, und dergleichen fhöne Sachen mehr. Dabey thut er fo vors nehm, daß es ihm nicht der Mühe werth ift, den Namen des Schloffes in- der Dauphine', wo fih Rouſſeau auffielt, richtig zu nennen, Er nennt es Vourbeille, es heißt aber Bourgoin. Da fieht man, was es mit, den Freundfchaften der Welt für Bewandtniß hat, thut doh Grimm, als 0b er den Mann

nicht vecht fenne!. und doch hatte er ihn aufgefordert, dem.

Gautier zu widerlegen; man kennt ja Rouſſeau's Brief an Stimm, wo er, indem er fagt, daß er Gautier nicht mwiders

legen wolle, es mit vieler Kunſt thut. Es war derfelde Roufs .

feau, der (Oeuvr. edit. dvo. Tom. XXXI. p. 209) fagt: „Diderot hat zahllofe Befanntfhaften, Grimm, ein Fremder und Neuangekommner, mußte Bekanntſchaften machen, es war

mie herzlich lieb, daß ich fle ihm verfchaffen konnte.“ Dann ..

rechnet Rouſſeau die Bekanntſchaften her, die er ihm vers fchaffte; aber Grimm ward KHofmeifter des Strafen von Schoms berg, er ward Freund der Philofophen, da fah er auf Rouſſeau heran. Man vergleiche das zote Buch der Confeſſionen. Daß man aber in der Gefellihaft die Schwäche der Menichen, bie nicht höher ſtehn, als die Geſellſchaft, richtig auffaſſe, beweis fet Grimms Urtheil uͤber den Prinzen von Ligne, mit deſſen Schriften man uns neulich hat beſchenken wollen, und die auf

allen Seiten das Urtheil zu beſtaͤtigen Veranlaſſung geben. Grimm führe naͤmlich S. 209 281 einen Brief des Prinzen an, worin dieſer Rouſſeau einen Aufenthalt auf feinen Guͤ⸗ tern anbietet, und kuͤndigt ihn mit dieſen Worten an: „Der

Prinz von Ligne hat einige Tage, nachdem er Rouffeau bes _

ſucht hatte, ihm den Brief, weichen ic) hier einruͤcke, gefchries

ben; ..aber er hat fein Gluͤck in Paris gemacht, weil man

ihn zu gefunden hat, und prétention à lesꝑrit 4

EEE

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Correspondance du Baron de Grimm. 5

etune maladie «lont on ne zeldve pas en ce pays-di. Diefe Urtheile und Arsecdoten des Tags würden wir am lieb⸗

fen ang der Corre ſponden, nehmen, wenn wir nicht geftchn

wählen, daB wir den Baron Grimm zu oft auf dem Wege %t Unwahrheit gefunden. 3.8. I ©. 53 Heiße es, daß Dmoifelle Arnsud „> eine Schaufpielerin, die man damals im Paris unter dem Mamen Sophie kannte, ber Claiton, ale tieſo fagte, dee Rönig fey Herr ihres Lebens und Vermoͤgens, Kiht ihrer Ehre, geantwortet babe: Sie Haben Recht, Made⸗ will, wo Michts iſt, hat der König fein Recht verlorem Aber der neufte Lebenbbeſchreiber der Clairon erzählt gewiß sihriger, da er auch mit. den memoires Ecrite par elle ieme (wo fie natürlich Des Witzes ſelbſt nicht gedenkt) beſſer Aßers enfimmt. Als Mad. Clairon, heiße es dort, bey der Vor⸗ Kelung der Belagerung von Calais das Publicum fo ſchaͤndlich geäfft,, und der König einen exempt de police zu ihr ſchickte, um fie nach Fort lEveque zu transportieren, traf diefer eine ſehr angefehene Parifer Dame bey ihr. Diefe hiekt den Arreft der Clairon Für. ein Märtprertfum, und nahm fie alfo -in ihrem einfigigen Wagen auf ben Schoos, 309 mit ihr, wie im Triumph, dur Paris, um fie an den Ort ihres Arreſts zu bringen‘, und ber. exempt mußte fid) gegenüber ſetzen, da er feine Arreſtantin nicht aus den Augen larfen wollte. Dem exempt legt er nun and) den Wig in den Mund, ber fi and) beffer für ihn, als für Mad. Arnond paßt. Derſelbe Fall ift mit Hénault und Zurfausen. Hätte ſich Grimm Bars anf beſchraͤnkt, den Präfiventen zw tadeln, daß er, nicht zus frieden, eine vortreffliche Ueberſicht der Gefchichte von Frankreich gefchrieben zu haben, auch Iheaterdichter habe ſeyn wollen, ſo möchte das gut feyn, daß er aber.den abrege, von dem er nichts verſteht, auch beurtheile und den Präfiventen verſpottet, das verdrießt uns, weil wir ſchon unmwillig find, dal} Duclos

‚memoires secrets fa manche Anecdoten. durch ihre Auctos

ritaͤt in die beſten Geſchichtbuͤcher gebracht haben, die ung durchaus nicht ſicher ſcheinen. Grimm ſagt J. S. 36: „Der gute Praͤſident, reich, artig, liebenswuͤrdig in der Gefellſchaft, führer einen guten Tiſch, und hat alſo ganz Frankreich be ſei⸗ nen Soupers, er hat auch eine Rolle in der Literatur fpielen

6 [Correspondance du‘ Baron de

| wollen ,„ und es ift ihm gelungen, wenigfieng auf. eine Zeitlaus.

Gein abrégé chronologique de V’histoire.de France iſt das geprieſenſte Buch dieſes Jahrhundertg, hätte es ein armer

Zenfel im: Dachſtuͤbchen geſchrieben, unfere Bewundrer Härte kaum einen Blick vol Verachtung darauf ‚gemorfen.“ . Kenze doch unfer Srimm die Leute, mit denen er zu thun hak,.uob debt recht gut, darum erwarb er fich auch einen Namen Auch Zeitung tragen. Das Unrecht gegen Héͤnault vollendet: en: G. 899-394, wo er ähm eine giftige Leichenrede- hält, bey zwri⸗ cher Gelegenheit er auch die Madame Deffagts die mir. ang . iheer. Cortefpondenz, von dep wir - vielleicht ein ander Mt

sehen, als eine. Seindin der Philoſophen kennen, ausſtellen

kaun. : Bitteren ſchmaͤht en fie noch Tom. IV. 973. 274 Wie «6. fih mir der an beyden. Stellen erzaͤhlten Anecdote vporhalte, wollen mir nicht unterſuchen; da fie an. ſich eis ſind, und die eine ſich als Dichtung ankuͤndigt. Was Zupltuus San, angeht, fo war ‚en bekanntlich den Philoſonhen nicht wer wogen; ( daß Idh. von Müller feine Tafeln oft.anfühskän. Ber Bichweizergefhichte allein in der Abficht, am: ihm oder den Homilbie sin, Compliment zu machen, vermuthen wir ;) aber wie in allber Valt kann Grimm fo hoͤhniſch über.tables, génénlogiques fürchen; als en J. S. 147 thut, wo er won Compiletimm. ſpricht, ump doch ſtatt Schöpflin, Schoepffen ſchreibt. Diefe Angrige ſind um deſto empfindlicher, da fie nice, wie dae Bitterfeiten auf Nouſſequ dadurch erträglicher werben, daß der Werſ. an ums” dern Seellen ſich ſebbſt vergißt, um nur die Sache zu betrachten, Boniden Seellen, die Roufſeau im A— 8: ‘Band angehen, beſonders Über den Tod Nouſſeau's weiter unten; jetze auxq .um doch auch Gutes von Grimm zu Sagen, erwähnen. wir. deu

Stelle Tom. II. S. 477: „Spndeffen Nonfenu fein Leben

damit hinbringt, Muſik zu copiren, und, wie ich meine, nun daran.dentt, fih dem Audenfen der Menſchen zu entpiehens

Echt immer, bald umter den. Pfaffen, bald .unter den Schoͤn⸗

geiſtern einer auf,.der feine Werke keitifiers“ Nun: (price: cm von la Harpe, Der damals im) den Cirkeln, etwas vorgelefere haste, worin er Rouſſean gegen Voltaire ſehr herabfabte, wie (ließe: Es iſt Rouſfſeau's Schickſal, von Leutenn widerlagt qu werden, die ihn nicht haben verfiehen. moen, edot / ige

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F ©orrespondance du Baron de Grimm. 7

werehen Tönnen. Aber wir kommen auf die Dinge zurück, m Stimm, wie ein Blinder von der Farbe, urtheilt, weil de Suignes und Anquäetil du Pereon Theil II. ©. 116 und 7 und &. 151 134 auf eben die Weife, als Henault uni Zurlauben im erften Theil, nur bey weitem noch vornehme und unwiffender beleidigt werden. Das Geſchwaͤtz uͤber de Suignes erwähnen wir nicht, d’Arquetils jugendliche Unbe—⸗ fonnenheit und Eitelkeit mochte er gelßeln; aber wer berechtigt ihn, feinen vornehmen Leuten ©. 132 Ju fägen: Es iſt einlenchtend, daß das fein Leben unnuͤtz und unarbeitſam ver⸗ lieren heißt, wenn man ans Ende der Welt geht, um eine Sammlung von Dummpelten zu holen.“ | Sans in ‚feiner iſt aber Grimm, wie fein Freund, wenn er uns I, S. 148 160 die Gefhichte der Unruhen erzählt, die bey Hofe entftanderr , als die Nachricht fich verbreitet hatte, baß der Kbnig, um dem Kaufe Lothringen eine beſondere Ehre zu erweifen,, anf Bitten des Defterreichifchen ‚Hofes der Tochter des Grafen von DBrionne, Schweſter des Prinzen von, Lam deſc, erlaube Habe, anf dem bal paré gleich nad) den Prinzen von Gebluͤt eine Menuet Ju tangen. Grimm ruͤckt die Vor ſtellung, die die Palrs dagegen einreichten, und die der Bir ſchof von Noyon zuerſt unterſchrieb und hernach übergab, ‚ganz ein, und man muß. allerdings die Franzofen bedauern, daß das Lächerlichwerden ſolcher Foͤrmlichkeiten zum Fill ihreg Reichs beytrug. Eben ſo intereſſant zur Kenntniß des Kleinen neben dem Sroßen, if Theil II. ©. 231 die Anecdote von der Schaufpielerin Chantilly, welche Favart, Vpern und Lieder dichter, dem Marſchall von Sachſen, waͤhrend er Maftriht, belaz gerte, entführte, diefen in Verzweiflung feßte, jene beprathete, das Opfer einer lettre de cacher wurde, wo es deun ©: 252 heiße: die beyden Eheleute geven ſich in ide Schickſal, das ſie nicht aͤndern konnten, weil der Koͤnig die lettre de 5 Cächet, angeflanden ‚hatte, und die fleine Chantilly war “zugleich dag Weib Favarts und Geliebte Moritzens von Sachfen Im - widerlichſten ift uns der Gedanke, daß diefes Buch auf allen Tolletken ſich findet, darum, weil mit der Sprache der Bibel, dee Kirche und der Moral‘ deb ſchaͤndlichſto Spott, getrieben - wird, und Die EIER Dinge ernſtlich, wie die erũ ſten

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8 eatreebendange: du Baron de Grimm.

frivol behandelt werden. Liederlichkeit iſt ein Scherz und Res figion befigen ein Verbrechen. Nur einige Beyſpiele Th. I. ©. 158 dep Gelegenheit der. Morffellung über den Menue der Lothringer heißt es: „Wenn ich, beharrend in der Ketzerey und in der Unwiſſenheit der geoffenharten Wahrheiten uͤber diefen wichtigen Punct, das Unglüd hätte, Über die Norftellung des Adels blob nad, den Regeln der gefunden Vernunft zu urtheis Ien, fo würde ich behaupten, daß der Verf. der Bittſchrift nicht einmal den Stand der Frage gefannt hat.“ Eben fo, wenn es von den Deconomiften heißt I. S. 45: „Die gang befondere Uebereinſtimmung des Geiſtes dieſer Secte mit dem Geiſte der Chriſtenſecte hey ihrem Urſprunge koͤnnte ung über ihre ſchnelle Ausbreitung beunruhigen, koͤnnte uns fürchten faffen, Geſchmack und Vernunft möhten unter den Mehlhans fen, die in Flugichriften aufgehaͤuft werden, indeß das Lands volk fein Brot hat, erftisft werden, und dies wäre in dee That gereihte Strafe unſerer firafbaren Gleichguͤltigkeit, aber gluͤcklicherweiſe ſteht geſchrieben, daß die Pforten der Plattheit die. heilige Stadt Ferney nicht Überwältigen werden.“ Dazu feße man den empdrenden Ton Über die. Galanterieen Galias nis, mit dem Grimm befonders verbunden war, I. G. ı und au. Endlich im zweyten Theile S. 979. 276, wo die Dede von einer Geſchichte von Siam iſt, die ein gewiſſer Turpin ‚aus den Papieren eines Miffionairs gufammengetragen hatte, die aber der Miſſſonair nicht billigte und duch ein arröt du conseil unterdrücken ließ, „als irrig, ſo Heißt eg nun bey Grimm, verfälfcht und feldft etwas gottlos, was ide denn wohl einigen Abſatz verſchaffen fännte.“ Daß fie eg mit der practiſchen Moral in andern Dingen nicht genauer nah— men, ſieht man aus den Gräueln, die Stimm auf Peliſſon waͤlzt, und worin er auch Külhiere, nut. darum], weil er mit Peliffon Freundſchaft hielt, verwickelte. Th. J. S, 170 - 179 erzaͤhlt er die Bemuͤhungen, die Diderot und andre aumandten, um bie Vorſtellung des homnme dangereux pon Peliffon zu ; hindern. Wir wollen nur eine Stelle des Briefs, den Dide— rot deshalb an den Herrn von Sartines, Polizeylieutenant, ſchrieb "anführen, um zu zeigen , daß fich diefe Parifer alg kehrer der Welt BE, u konnte ‚eg. auch anderg!

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N Correspondance du Baron de Grimm, 8

um doch Friedrich II. (Correspondance avec d’Alembert ed. 178g. 8. I. Tom. IV. p. ı20.et 132) d’Alsmbert bald dm neuen Protagoras, bald den neuen Anaxagoͤras, die Fries deich freylich beyde gleich gut fennen mochte. - „Es gebührt mie nicht ſagt Diderot I. ©. 176), Ihnon, gnädiger Herr, eisen Rath zu geben, können &ie aberabeunrken ,, dab man nicht ſage, man babe zwey Mal. mit Ohrer Gelaubniß oͤffent Ih diejenigen Ihrer Mitbürger verhöhnt, die man in alla Theilen von. Europa in Ehren Hält, deren Werke man nahe und ferne werfchlingt, die die Ausländer herbeyrufen und bes lehnen, die man immer anführen wird, die der Ruhm des Franzdſiſchen Volks aud dann ned) fepn werben, wenn Sie nicht mehr find; die endlih, welche kein Reiſender gu beſuchen verfäumt, wenn er bier ifl, und aus deren Bekanntſchaft er ſich nah feiner Ruͤckkehr ins Vaterland eine Ehre macht; wenn Sie das koͤnnen, gnaͤdiger Herr, fo glaube ih, handeln Sie fug u. f. w.“ Se dem halb drohenden, halb prahlenden Tone geht es noch eine Zeitlaug fort: es wuͤrkte. Das Stuͤck ward nicht gegeben ; doch bedeckt Grimm Peliffon mit Schimpfi seden. Aber Peliffon lieh das Stuͤck, worin die Wuth der keute gegen alle beſtehende Sitte dargefiellt war, in Genf drucken, dafür zieht er ih Th. II. S. 19— 95 einen neum ſchrecklichen Sturm zu, der am beiten zeigt, daß es den Lew sen doch nicht fo unwidtig war, -als fie ung wollen glauben maden, wenn Delifion über fie herfiel. Wie reisbar das Phi⸗ fofophengefchlecht, gleichwie bey uns auch), war, und mie eine Verlegung fie aller Befinnung beraubte, davan finden fich hier viele DBenfpiele, nur eins. Die Enchclopädie wurde bekannt⸗ lich duch & Susr ription zum Druck gebraht, wo dann bie Seeunde dee Parthey kein Geld fparten, um das Werk zu fürs dern. (SH. IV. ©. 359 ſteht, daß bie Markiſe von Ferte Imbault, die Tochter der Geoffrin, kurz vor dem Tode ihrer Mutter Dig Mechnungen derſelben durchſah, und fand, daß fie über hunderttauſend Thaler aufgewendet habe, pour sou- tenir ]’ Ency<lopedie et ses dependances.) Le Breton, heißt es I. ©. 363, premier imprimeur ordinaire du zoi, und Brieffon waren, nachdem drey andere, welche Antheil daran hatten, geſtorbou ‚waren, einzige Verleger der Encyclopaͤdie

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Cortespondatice du Baron de Grimm.

geworden. : Diveror erhielt fuͤr jeden der 17 Bände Zert abo Liores, und. noch 20006 auf einmal. Sieben Bände waren bis Ende 1770 abgedruckt, ' die letzten zehn ſollke TE Breton erft ganz abdrucken, and dann ale zehn zugleich an: die rk ſeribenten abliefern laffen , damit nicht die Regierung dit Uns ternehmung hiadere er aufhalie, weil man es dahin gebrache harte, daß fie! igndridͤte, daß in der größten Pariſer Drdereh funfgig: Acheter fih Damit brſchäftigten, den Druck der Encyh⸗ atopadie zu vollinden: So druckte man, denn alle Artiket fo a, wie die Schriftſteller fie geliefert hatten, und Diversk

„fette nach der letzten Reviſion unter jeden Vogen den Hifcht

zum Abdruck. Dann aber machte ſich der Corrector und Druk⸗ ker noch einmal darüber her und flrichen alle zu freyen Stellen, alle Ausbruͤthe des Philo ſopheueiſers, kurz, Alled weg, 1ods von’ fie ziaubten, daß tes die Arfmerffamfeit det Regleruns erregen Pöndte, und ſtellten dann den Zuſammenhang/, ſo gut fie konnten, wieder her. „Der Zruck des Werks, ſagt Grimm &. 366, war fuſt beendigt, als Diderot einen feiner langſten Artiket von Buchſtaben S brauchte, und En ganz verſtüm— melt fand. Ge war wie angebontert, in dem Augenblick fa der Graͤuel des Buchdruckers offen vor ihm; er ſah feine un feinen Mitarbeiter beſte Artikel duch, und fand faſt berät diefelde ‚Unordnung, dieſelben Spuren des unvernuͤnftigen Moͤrders, der Alles verheert hatte. Die Entdeckung fegte ihn in einen Zuftand von Naferey und Verzweiflung, ben ich mit vergeſſen werde. Ich war auf dem Lande, er ſchickte mie einen Boten, um mich mit der unglaublichen Gewaltthat bes kannt zu machen, und mich nach Paris zurüg zi, rufen, um mit mir wesen des Entichluffes, den .er zu nehmen hätte, zw berathſchlagen“ Mun ſchildert Grimm Diderots fchrecdliche Verzweiflung, und riet S. 368 576 zwey Briefe ein, die ev an te Breton ſchrieb, weiche hinreichend beweifen, .daß er —* in einer Art von Raſerey befanb. Jetzt wollen wir noch ein Beyſpiel anfaͤhren, um gu bewetſeſt, daß Grimm (den wir durchaus nicht ein mauvais sujet nennen wollen, obgleich uns die Art, wie..man ihn neulich im Morgenblatt No. 219. dagegen hat vertheidigen wollen, ganz und gat nicht genügt ) ſich der. Phuoſophen und des Tons der Conbverſation zw Sei

Correspo.rdance du Baron de Grimm. 44

| m weiß, wm mie Rönigen, Farſten, Köfen ſich in Ver⸗ bindung zu bringen, und diefe Verbindung durch Diefe Blätter At unterhalten. Um Die Zeit nämlich, in welche dieſe beyden er⸗ fa Bände fallen, Hatte Srimm die Bekanntſchaft des Könige son Preußen auf. einer. Reife gemacht, bey der ihm D’Menb beris und feiner andern Parsfer Freunde Briefe überall: die ‚Hife öffneten, wo Dan fein Yon das Weitere that: In ber Eeneſpondenz Fried richs mir d'Alembert iſt es der Adte, : den Srimm zurückbrachte, und im 45ten heiße es (Oeuvres da Frederic 17860. Tom IV, p. 214. Der Brief ik vom 16. N. 1569): „Es freut mih, daß ich Seren Grimm habe dennen lernen... Es ift ein Mann von Kopf und philefophis ſchem Seiſt, deſſen Grdaͤchtniß voll schöner Kenntuiſſe If. S hat Ihnen unmöglich hinreichent ſagen tännen, wie ſehr .idh Sie ſchaͤtz und Aucheil an Allem nehme, as Sie angeht.« Dafür macht Grinnn denn hier tiefe Büdlinge über drn Brief den ihm Friedrich ſchrieb, obgleich er (1. 328— 3a) eigen . ba Nichts ſagt, als daß er ihn gluͤcklich ſchaͤtze, in Paris zu wen, Friedrich und Cathaxina wußten, wer damuld am fa uf in Guropa ſchrie, wer am meiſten gehört ward: fir Banden fi dahin. Auh IE ©; 153 160 ruͤckt er dus wandement ein, das Friedrich verfaßte, um d'Argens aus DER Stovence wegzuſchtecken, und ihn wieder nach Potsdam zu beforamen;. wir ⸗ewuͤrden dieſe Seite lieber nicht an Friedelch ſehen. Es freut: uns Aber, die Madame Necker mitten. untik dam Daufen- ia andern Gefühlen. zu finden, als ihre Abm _ gäfte: Dies bewoiſet nicht bloß Th. IL S. 5HA— 55 dee Brief Bokair's an fir, wo es ©; 514 Tpitig Heißt: „IS ahre, daß Sie feit einiger Zeit mie Madame Deffant: in uaung ſtehen. Ich gratwitese Ihnen bepden Day. Ich wollie gerne der Deikte ſeyn, id bin aber om gu Unwidigen fan“ ſondern auch Grimms eigne ErklaͤenngJ. S. 530; Hyopatja Necker lebt under lauter Sufttmwaniten , ſie iſt ades deck fromm nach ihren. Miſe. Cie: wäre: gerne reine uns richtige Refoxrmirte. oder Socinianerin, oder Deiſtin; aber um. Etwus zur. ſeyn, entſchließt fie ſich, ſich ber: Midas: her⸗ su Guamiß Fig van einer Fran, Birk Dim Witz dei Lence Hebte, he: Ihren; Grucd ſaͤen zu hutdigen. Man wirs

42 Correspondance du Baron de Grimm.

gerne hoͤren, wie:fie zu Sn Kenntniſſen am; mag es ihe Berlobter, das war Gibbon, wie er in der Schweiz war, er⸗ zaͤhlen, ob wir gleich nicht gerne die Seite des Geſchichtſchrkẽ⸗ berg, welcher meht den Franzoſen als den Engländern angehoͤrt, herausheben. „here Mutter, heißt es ( Memoires de Gib- bon, .itraduits de -Anglais. 4-Woli 8. Paris an V. de: Ia republique, Tom; I. p. 103%, War eine ber Religion wegen gefluͤchtete Franzoͤſin von - guter Familie, die Kerl Curchsd, Pfarrer im.einem Beinen Ort, Erafly im: Pays de: Quud;7an der Graͤnze der Franche Comté, geheyrathet hatte. In der Einſamkeit ‚feines Dorfs gab der Vater der Tochter eine Ikttös zarifche. und. fegar eine geleifete Erziehung, und Verſtand und Schoͤnheit der Mademoiſelle Eurdheod, die oft nah Laufanke

kam, ervegten, "allgemeines Auffehn.. Die Erzählımgen. von

einem folchen Wunder erregen anch meine (Gihſens) Aufs merkſamkeit. Sch ſah, ich liebte fies Ich: fand fie Jelehrt ohne Dedanterey,, lebhaft in der Unterhaltung, vein in ihren Ge⸗e fühlen, eteganı m: ihren Manieren.“ Jetzt erzähle er, daß er ihren Eitern feine Neigung offenbart habe, daß er in Craſſi in Zaufanne als ihr. Werlohser erſchien und fir. in England vergaß. Die Entfchuldigung And die Fakten Worte, die er Rouſſeau's Briefe, den wir anführen werden, und - den er kannte, entgegenfegt: „ich feufgte als Liebhaber, ich gehordyae ale Sohn.“ Man höre Rouffenu ( Oeuvrös ed. 4t0, Toka; . XVH. p. &): Sie geben mir.einen Auftrag für Madame Curchod, den sch fehlecht ausrichten werde, eben weil ich fie achte u. Die Kälte des Hrn. Gibbon macht, daß id nichts Gutes von ihm hatte, ich babe fen Buch gelefen (er: milnd das Franzoͤſiſche, das Gibbon ſchriebb, Essai sur l’etude da Ja littemture.), er haſcht nah Wis, und wird gekaͤnſtelt. Hr. Gibbon iſt wein Mann nicht, ich glaube nicht, Daß en der Diann der: Mad. Curchod if. Wer ihren Werth nice fühle, ift ihrer nicht wuͤrdig; „aber. wer ihn hat fühlen können, und fih von ihre losreißt, Hi ein Menſch, den man verachten muß. Sie weiß nicht, was fie will ( fie liebte alfo doch den etwas unfoͤrmlichen Engländer), der Menſch thut ihr meht Dienſte, ale ihr eignes Herz. Ich will tauſend Mal Ueber,

daß er ſie arm und frey unter uns laſſe, als daß er ſie un⸗

Correspondance du Baron de Grimm. 13

gädih und reich mie nach England nehme. In Wahrbeis, id wunfhe, Hr. SGibbon fäme nicht wieder. Ich molkte mie das verheelen, aber id) Tann nicht; ich wollte es gut machen, aber ih werde alles verderben.“ Damals lebte nämlich. Ma— demoifele Curchod, Deren Vater-geitorben war, in Genf, und. naͤhrte fih und ihre Mutter dadurh, daß fie junge Frauens zimmer unterrichtete. Mecker sah fie Hier und heyrathete fie,. und Gibbon erfchten hernad in ihren Cirkein in Paris. Eine intereffante Anecdote bringe noch Grimm I. S. 449 über Erebilion dev, wo der-Schlus fo haͤmiſch und falſch iſt, ale das Urtheil über Erebillon rihtig, weldhes Grimm I. S. 446 448 fällt. Man- weiß, fagt Srimm, daß ein Frauengimmer von angefehener Familie (Miß Gtrafford) von Erebillons : . Sopha ſo gerührt ward, und fid eine fo große Vorſtellung vom Verf. machte, Daß fie ausdruͤcklich, nm ihn zu fehn, nach Paris reifete, und als fie ſich verſichert hatte, daß fie das Stäk ihres Helden machen könne, ihn ins Geheim heyrathete, and ihm zu Gefallen ihrem: Vaterlande, ihrem Mamen und ihrer Familie entfagte. Kerr von Trebillon hat viele Jahre mie ihr in Paris ſehr in der Stille gelebt, aber in großer Eintraͤcht. Erſt nach dem Tode der Heldin hat man die nähern Umkände der romanhaften Heyrath erfahren; da fieht man, wie ales in der Welt Zufall ift. Der Verf. einer leichtfertigen Schnarre flöße einer vornehmen Dame eine Leidenfchaft ein, daß fie Übers Meer geht und ihn aufſucht, und der Liebhaber der neuen Heloiſe, . der Treufte aller - Liebenden muß feine Magd heyrathen 1“ Das Legte iſt elend; die. Damen riffen ſich genug um: NRouffeau, der Übrigens ja ſchon über 40 war, und Grimm befonders, mußte das ja am Tiſch und im Bett der Frau dD’Epinay, wo er zu Haufe war, am beften erfahren fönnen. Zur Seſchichte der Zeit finder ſich bier wenig; nur merfe man auf die Seenen in der Academie I. 3. 490 96, me der Abbe’ Voiſenon den Bifhof von Senlis in einer dfı fentlihen Rede ‚perfiffllirt, wo die Theilung der Meynungen fo weit gehe und führt, lefe IL. S. 078— 87, um zu erflaus nen, daß die Megierung aus diefen Bewegungen, welche bie Hauptſtadt theilten , nicht erkannte, mohin es kommen fönne. Die dreh letztern Bände der Grimmſchen Correſpondenz umfaſſen die Zeit vom Januar 1774 bis October, 1782; es fehle, doch ohne Daß wir es bedauern möchten, das.ganze Jahr 1775. Das Merkwuͤrdigſte in diefen Bänden ift die aus ben Togesberichten ſo deutliche Agitation der ganzen: Volksmaſſe (das Borfpiel der Nevolution ), welche fih in den Streitigkeiten .- - fpieler und. ihrer Vorgeſetzten, her Philofenhen, der Frommen,

Correspondance du Baron de Grimm.

dar Romanſchreiber, Tänzer umd Muſtter erkennen Hit, alle ſchlleßen ſich getreulih an einander, und ihre mis unglaublicher Erbitterung getriebenen Händel, die durch fotche Berichterſtat⸗

ter, al6 Grimm, ganz Europa Intereffirten,, hatten eine Wiichz -

tigkeit, die fie vorher nie gehabt hatten, und auch fo leicht nicht wieder orhatten werden. Da die Parifer Welt für alle Hoͤſe und Hauptſtaͤdte die Schule des Tons war, und Alles, was von daher kam, verfchlangen ward, fo mußte dies natuͤr⸗ lich zuruͤs wirken; bie Schaufpiefer, Dichter, Belletriſten u. 1. w. handelten nicht für Paris, fie hielten die ganze Eur ropäifche Menſchheit für ihr Publicum; ihre Streitigkeiten

werden alfo dee Weltgefchichte wichtig, weil fih Demagogen - - fe die Revolution ‚dadurch bildeten, und die Köpfe erhitzt

warden. GR wäre zu weitläufig und unintereffant, dieſes durch ale Schauſpiel⸗ und Proceßgeſchichten, welche in dieiem Theile vortommen, durchzufuͤhren, wir wollen nur Einiges aushe⸗ ben. Vol. IV. ©. 215 erſcheint Hr. de Vismes zum erſten Mal ander Spitze der Dper, welche freylich nicht Oper, ſon⸗ dern Academie royale de Musique heißt. (Man erinnert ſich wehl, daß Nouffeau feinen Sct. Preux, oeuvres dd Rousseau & Neuchatel chez Fauche 1775. 8. Tom, IV. ..p- 42ı fagen läßt: die Oper befteht Hier nicht, wie an ans dern Orten, aus einer Anzahl Menfhen, die man daffr bes zahle, daß fie ſich vor andern Leiten fehen laſſen. Freylich find es Leute, die das Publicum bezahle, und die fih ſehen laſſen; aber das Alles ſieht gleich ganz anders aus, da es eime Lönigliche Mademte der Muſik ift, eine Art von Gerichtshof, der in feiner eignen Sache inapellabel entfcheidet, fonft aber eben keinen Anipruc auf Gerechtigkeit oder Trene macht.) Man wird fih fhon nad diefem nicht fehr wundern, daß Grimm den hohen Kerrichaften fo genaue Nachricht gibt, wie de Vismes bisher auf die Umſtaͤnde, auf einmal angenommen Grundſaͤtze, auf hergebrachte Gebraͤuche, keine Mäder ger nemmen, wie er der Turgot der Oper ſey, worauf dann &. - 5065 573 die elenden "Streitigkeiten folgen, an denen dei Hof Theil nimmt, die den König lebhaft intereſſtren, die ein Marſchall von Frankreich, dee Herzog von Duras, beylegen. muß, von denen endlich Griimm &. 371 ſagt: „Gewiß iſt,

daß dieſe Sache bey unſern Soupers mehr den Gegenſtand

der Unterhaltung ausmachte, als der Ruin unſers Handet die Eroberung von Pondichery und. die ungluͤckliche Expedition nach St. Lucie.“ Man vergleiche Dies mit dem, was ei“ anderer Augenzeuge, durchaus Hofmann, der bekannte Baron von Beſenval, Generallieutenant und Schweizeroberſter uͤber dieſe Cirkel ſagt · Memoites -ecrits par. lui meme 'a Paris

Correspoypdanse du Baron de Griwm. is

Bo5. —— eng ‚und man ‚19 über Weniger vermandern. Bey Geimm ©. 368: Man ſproch au coucher du ra en Fanforenen der Operngottinnen mit ihrem Director. = —* Schuld , meine Herren, fagte der: junge König ‚feinen Sofleuten ; wenn @ie fie weniger lieb Hätten / wuͤr⸗ m weniger ungezogen fm.“ Wis fche fie das Lepte mas (ehe ‚man gleich we derfelden Bein: „Der WMiniern =, ich tanzen fol, fagte Mademoifelle Grimard, en V hüten, daß ih ihn vicht ſpringen laſſe.“ Der große hatte dem Drn. Bismes eines Tags recht ungezogen geantwortet ; dieſer —— „Aber Hr. Veſtris, wiſſen Sie ob, mit wen Sie reden? Mit mem ich code? mit dem A en er Sein 2 weis chlechter d aters Rollo in der Armida zu

8 wird alſo auf das Fort l'Eveque gebracht. „Geh, ruft da fein Vater mit Pathos zu, geh, mein Sohn, dies iſt

dt Ihönfte._ Tag Deines Lebens, Nimm meinen Wagen ; fodere dad Zimmer meines Freundes, des Königs von Pohlen, ich nude Alles be sahlen,“ Dazu gehört Tom. V. &, 4216, me der Hof ſich in Brunoy aufhält und Acteicen ber Franß pe enommmen hat, um fih Dusch Schauſpiele zu uns

wem 4

iche Frivolitaͤt, daß der maitre des menus

> ‚Defenielieh, auf eine bloße Aeußerung es Könies,

er TER ung ehrucdten Städe dea Dichters Bolle zu fehn: Zimmer und Pult aufbrechen läfe: Keeylich.

Bis een in niht, und mußte den Dichter auf dem en erfischen. laffen; aber dies ift für un« geichgel⸗ Bey eben dieſer Gelegenheit hatten die Herren des Hofc Pr alle Shenterdnmen misten. im Ankieiden entführen damit ei „Here den rouss feines Gelichters Deren. er mit tauſend Loniad’or hatte kau⸗

und. Kern für zweyhundert befommen, im Nies

ige» icher, glauben win ara heſten rechnen zu boͤnnen,

3 176 über ‘eine anftößige, Geichichte ficht, Die: Marie Antoin ette Gefühl für zus eben nicht. im; guten Lichte zeigt. Grimm, gie, nt ann, erzähle nur, wie, dee Graf von Artois, des Rön 8 Bruder, der Herzogin von Yearbon einen Stoß int Geſicht gibt, und, ſich mit dem Herz, "yon Bourbon darüber duellirt, er iſt dabey ganz auf Bourbons, und freut fi ch über. die Auszeichnung , bie dae Publicum im Theater gab, da es Artois und ıdie gin fatt empfing, hat auch nur 4 Seiten darüber. Um aber die Geſchichee in ihrer: ganzen Frivolitaͤt zu Eennen, muß man Befenval vergleihen. Diefer, bier ganz in feinem Wes

i6 __Gorrespondance du Baron dE Grimm)

fen, in ber ganzen Wichtlgteit eines‘ Hofmanns, greund dee Grafen v; Artois, breitet ſich über: das Taͤlent, daß er. dabey be⸗ wies, weit aus, und enthuͤllt das elende Weſen der Leute, ohne

v

as zu wollen? Memoires de Besenval Tom. I. p. 282 599. “Man denke fait hundert Seiten! und doch ift das richtig. Mir Finnen Ans, weil das Buch vieleicht nicht jedem zur Hand iſt, micht enthalten, ben Schluß herzuſetzen, der zu Los, miſch klagtich iſt, um nicht zu gefällen, ©.328. Apres U’beu- reuße issue d'un Eevenement qui d’abord avoit si mal toufn& pour Mr. le comte d’Artois, et qui avoit tant embarassé et afflig€ le roi et la reine; apres la .part, que j’avois eue à cette heureuse issue, je devois naturellement m'at- . tendre à quelque t&moignage de satisfaction: Non seu-'

}ement ni le roi, ni la reine, ni qui que ce füt, ne men ouvrit'la bouche; mais m&me dans le monde‘ Fhongeur en rejaillit sur le chevalier de Crussol (er ſchreibt C(***, meint aber diefen ), soit qu’il Veit coure plus & 'son avantage qu’elle ne l’etoit dans le fond, soit que tout ce qu'il en dit et le silence que je’ gardai sur

cet objet, ainsi que je le fais toujours sur ce qui’ me: ' regarde fit tourner les yeu% de son cöte! il en eut pres=.

ue tout l’'honneur, et jenen tirai que celui d’Etr& content

e moi; ce qui me suffira toujours. Edeles Seldftbewußts font Wir ehren zu Grimm zuruͤck um aus feinem Werfe, - als wuͤrdiges Seitenſtuͤck zu dem Ebengefagten die Geſchichte der Sängerin Lagnere hier mitzutheilen. Sie hatte ale gemeine Dirne die edle Laufbahn begonnen, damals eben den Prinzen vor Bouillon in einem halben Jahre ruinirt, und das Vermögen eines ' der veichften Generalpächter, Haudry de Soucy, erihäpft.. Sie follte V. S. 244 in der Iphigenia fingen, war aber während des erften Acts fo betrunken, daß fie hin und her⸗ taumelte, und nur flammelte. Am Zwifchenact wendet md ‘alle Mittel an, um fie nüchtern ju machen, und es geht beſſet;

auch das wird dem König erzähle! „Nun, fagt er dem Mir- niiſter, und fie iſt in Arte 7“ Jetzt ward fie verdafte: Als

fie aber zwey Tage hernach den Anfang ihrer Rolle: | O jour fatal que je voulois envain Ne pas compter parmi ceug de ma vie.

mit Emphafe ſpricht, geräth das Publicum außer ſich vor Ente

zücen, hört gar nicht auf, zu Elatfchen, und der Hof laͤßt ihr am Ende des erften Acts ihre Befreyang vom Arreit ankuͤndi⸗ gen. Sol man nody Etwas hinzuiegen ?

(Det Beſcchluß folgt: )

BEER

No. 2. Beldelbersifhe 1813. Jahrbücher der Litteratur.

ä —————— —— ———————,——————

Correspondance liti£raite philosophique et criügue addressde A un Souwerain d’Alleınagne par le baron de Grimm

et par Diderot.. ( Becſchlus der in No 1. abgebrochenen Ketenfion.) Sr

Venare, ſein letzter Aufenthalt in Paris, und Alles, was ſich darauf bezieht, nimmt einen großen Theil der drey letztern Baͤnde ein, welches die Herausgeber aber als bekannt haͤtten weglaſſen ſollen. Die Grabſchrift, die Rouſſeau Voltaire'n ge: ſetzt hat, iſt befannt, die einer Dame von Lauſanne IV. ©: 855 verdiente es zu fepn: Ti git l’enfant gätE du monde qu’il gata. Wie ſeicht Abrigens Grimm ift, fobald es über altaͤgliches Geſchwaͤtz hinausgeht, ſieht man aus dem Hin⸗ und Serreden tiber Montaigne IIL ©. 109. Ferner über Sprachen, Schriftſtelier, Voltaire und Corneille. III. S. 118 uf In deinſelben Bande ſleht man auch ©. 2ı3— 26, tie die Academie in eine Art von Theater ausgeartet ivar, woman nach dem Beyfall einer gemifchten Verſammlung (IV: S. 360 un. f- I haſchte, und wo man beflarfcht und nicht bes Harfe wurde, fo dafi ſelbſt Grimm gefteht, die Zuhörer der Achdemie beftänden fat aus Sauter Weibern und j ungen Laffen: Diefe Leute vegierten alfo die itteratur, und Urtheile, wie fie Srimm IIT: &. 218 226 fält, mußten dann allerdings noch ausgezeichnet ſeyn, fo wenig wir alich begreifen, wie man fidy dergleichen von Paris aus konnte zuſchicken laffen. Baren doch Dradame Deffant und andere als Orakel der & tterarur angeſehen (LV: ©. 562), war dodj Zutritt gu gewiſſen Ger ſelſchaften das Ziel der Schriftſteller! Wie glücklich find wir Deutſche Gelehrte, daß es dahin bei uns nie tommen kann! Nie wird bey uns die Wiſſenſchaft zum Zeiwertreib, die Kunſt zum Spiel herabſinken, cher vergehen ! Sind doch die Wors- Iffungen der wand ernden ˖ Gelehrten, die Declamatorien, alle Zwitteran ſtalt en bald läherlih geworden und aus der Mode 1

48 Correspondance du Baron de Grimm.

gekommen. Naiv ift Grimms Geftändniß IV. S. 39. Nach—⸗ dem er dort über feine Freunde, die Phllofophen, geklagt Hat, fo feßt er Hinzu: „Unordnung und Anarchie, die unter der philoſophiſchen Parthey feit dem Tode der Mademoifelle lEſpi⸗ naffe und feit der Unthätigkeie der Madame Geoffrin geherrſcht haben, beweifen, wie viele Uebel die weile Regierung der Damen verhätet has, wie viel Stürme zerftreut, und beſonders, wie viel Lächerlichkeiten verhütet worden. Nie würden wir unter ihrer ehrmärdigen Leitung die Scenen aefehen haben, zu denen der Krieg Über die Muſik Anlaß gab.“ Welche Stügen der Philoſophie, ein padr eitle Weiber! Man darf fich aber nicht en daß die ſchaamloſeſte Sittenverderdnig Aberall Heraus leuchtet, da der Beſte unter den Goͤttern der Zeit, Jean Yacı ques, in feinen Confeffions fo (höne Srundfäge zeige, in der Heloiſe lehrt, und dem Emil, in der‘ Erziehung am Ideal,

ein fo troͤſtliches Ende gibt, daß Grimm Recht hat, wenn er ironiſch ausruft: „Wenn Jean Jacques in den Abentheuern Eduard Bomſtons die Weiber, "welche honett Die Ehe brechen, etwas zu hart behandelt hat, fo hat er das im feiner Forts feßung des Emil gewiß wieder güt gemacht. Man kann nicht ühterefjanter die Ehe brechen, als Sophie thut.“ Freylich muß tan, wenn Grimm von Nouffeau fpriht, auf feiner Hut feyn ; denn man vergleiche nur einmal Tom. III. S. 266 die Sefchichte, wie St. Fargeau's Hund Rouſſeau'n umrennt, mit derfelben Gefchichte in den Confeſſions! Doc bringt er ein guͤnſtiges Urtheil Condorcet's Über Jean Jacques bey, das wit gern unterfchreiben würden, wenn es nicht einfeitig wäre.

„Diefer berühmte Mann, Beißt es, dem das Talent, andere von dem zu Übergengen, was er haben wollte, daß fie glauben follten, angebohren war, hat die Wahrheiten‘, die er für nuͤtz⸗ lich hielt, auch populär zu machen gewußt. Sind die Körper ‚der Kinder nicht mehr in Schnürbräfte geſchraubt, wird ihr Verſtand nicht zu frAh mit Vorschriften überladen, entgehen fie wenigſteüs in den erfien "Jahren dem Zwange und def - Dienftbarkeit, fo verdanten fie‘ dies Rouſſeau. Darum trug auch eine Frau von vielem Gefühl darauf an, daß man ihm eine Statue errichte, die von Kindern gekrönt würde. Er Hat in unſern jungen Leuten den Enthuſiasmus für die

*

Correspondance du Baron de Grimm. 19

Tugend wieder erweckt, der ihnen fo noͤthig wart, um ihn den heftigen Leidenſchaften entgegen zu ſetzen. Das find die Ans frähe, die er an die Dankoarkeit der Menſchen hat. Unter den neuern Philoſophen iſt er einer von denen, die am mei⸗ fen auf die Gemuͤther gewirkt haben, weil er das Talent beſaß, die Seele der Leſer ſo zu lenken, wie die alten Redner (und hätte er fagen follen Sopfiften ) die Seelen ihrer Zus

birer lenkten: Aber and Rouſſeau hatte gegen die Philoſophen

geſuͤndigt, und für alle Sünden ift Vergebung bey Grimm, aur die. Sopyiften muß man nicht necken. Weil er das thut, kommt ein elender Schriftfteller, de Querlon, zu der Ehre, den Torrefpondenten denunciirt zu werden. Diefer Menich, hatte naͤmlich Noten zu Meontaigne' 8 Reifen gemacht, die auch recht gern in alten Kaſten auf dem Schloſſe Montaigne's, dad das mals dem Grafen. Segur de la Roquette gehörte, wo fie der Canonicus Prunis (III. 94). triumphirend fand, hätten faufen nögen. Wem fällt Bey ſoichen Gelegenheiten nicht ein, daß Palifot doch Recht Hat, wenn er gleih ſelbſt nicht beſſer iſt, mſagen (Geuvres dc Palissat. & Liege 1777 in den Phi- losophes act, II. Tom. p. 189): Ces grands mots imiposans d’erreur, de fanatisine. |

De pers&ecuton , viendroient à son secours. C’est un ressort use qui reussit toujours.

Bie fehr durch bie Furcht gefhimpft, oder laͤcherlich gemacht ji werden , die angeſehenſten Perſonen des Reichs in Furcht gehalten wurden ſieht man recht in dem Proceffe Kaynafg, - wie er (Tont. Y. ©. 306 u. fag.) Die histoire philosophique des etablissemens etc. unter feinem Namen hatte drucken laffen, und Deshalb eingezogen werden follte. Er hatte, heißt

es hier (V. Z08), jegt allen Rackſichten entſagt, und, ja, man erffaune, daß eine Mation fo tief ſinken kann: „Indeß

bezahlt er (Raynal) feine Mitarbeiter gut, und die "einzige Bedingung , die er macht, iſt: daß, wenn fi ie die Seiftlichen und die chriſt liche Religion herabſetzen und ſchmaͤhen, ſie den Theismus ſchonen, weil die Grundſaͤtze des ihm entgegenge— legten Syſtems, die fih im der erſten Ausgabe faͤnden, viele techtlihe Leute in England’ und Deutſchiand (alſo nicht in deantceich) empört hätten,“ wie leer muͤſſen einem jeden

. \

20 Correspondance du Baron d& Grimm.

dann alle Klagen über Verfolgung erfcheineh, wie fieht mar ſo deutlich, wer eigentlich verfolgte. Um dies beffer zu zeigen, wollen wir uns eines Briefs don Voltaire bedienen, der nicht leicht jedem in die Hand ‘fallen möchte. (Er. ſteht Oeuvres .de Palissot Tom. VI. p. 395) „Sie haben, fagt dort Vol⸗ taire zu Paliffot, die rechte Saite gefchlagen, mein Herr, ich habe Freret, deh jüngern Crebillon, Dideror, ins Befängnif werfen Sehen; :i babe geſehn, wie faft alle andre verfolgt wurden. Der Abbe’ de Pondes, wie Arius von den Athanas fianern behandelt, Helvetius eben fo granfam unterdrückt, Tercier feines Amts, Marmontel feines Vermoͤgens beraubt, und Bret, fein Cenſor, der ihn durchgelaſſen, in die aͤußerſte Armuth verſunken.“ Wer ſollte nicht erſchrecken, wenn er ſo Etwas lieſ't, und nun vergleiche man die Note Paliſfſots S. 393 395, die wir unfern Lefern nachzulefen überlaffen, und fehe, wie fogar Nichts daran iſt; und doch bringt Paliſſot Facta vor, nit Worte. Wir bleiben nur bey Rouſſeau ſtehen, den Voltaire, der ihm verfolgt, zu den DVerfolgten rechnet: „Sean Jacques Rouſſeau, fagt er auf derfelben Seite, der den Wiſ⸗ ſenſchaften nuͤtzlich ſeyn konnte, ward ihr Feind aus laͤcherlichem Stolze, und ihre. Schmach duch eine fuͤrchterliche Aufführung.“ Das ift noch gelind, es ift in einem Briefe; wir haben andre Stellen. In der Vorrede zum Leben Peters des Großen ſchilt er ihn visionnaire, fpricht von einem je ne sais quel con- trat social ou insocial, nennt ihn am Ende einen Saffen: buben (man höre: c’est une etrange manie que celle d’un polisson qui parle en maitre aux souverains et qui pre= dit infaillibllement la chute prochaine des empires du fond du tonneau, ot il pröche et quil croit. avoir ap- partenu autrefois ð Diogeêne). Ja, er ruft ſelbſt den weltli⸗ chen Arm gegen ihn an, und droht ihm damit (vergl. dag Dictionnaire philosophiques Amsterd. Rey. 1789. article Pierre le Grand et Jean Jacques Housseau. Tom. VII. p. 158 144). Diefer Eifer fanatifcher Sophiften hat dann viel Aehnliches mit der Sentimentalitaͤt liederliher Schaufpie; fer. Tom. III. ©. u. f. follen die Schaufpieler auf gewoͤhn⸗ liche Weiſe das Publicum gruͤßen, da nimmt die Deschamp mit liebenswuͤrdiger Naivetaͤt (S. 64) den Schauſpieler

Correspondance du Baren de Grimm. 21

Eelrval bey der Hand (man weiß, was Clairval, Caillot u. a, den Damen waren ) umd fait laut: „Kommen Sie Clairval, Se wien den Damen fo gut den Hof ju mahen, Sie muͤſſen Ste begrüßen.“ Das Publicum Matiht. Dann führe Grimm eine Herzogin sedend ein, daß uns bey der Art, wie er mit feinen Herrſchaften fpriht, eine Stelle aus Duclos einfie. Memoirs secrets Tom. I. p- 397: „Ein fchergens der Ton deckte am Hofe (des Negenten) alle Sittenloſig⸗ keiten; und dies hat ſich in der großen Welt erhalten.“ Dayı naht denn auch vortrefflid die Erziehung, von der hier Pröss hen vorfommen. Man kennt das Verhaͤltniß, in dem Mas dame de Genlis mit dem Herzog von Orleans fland. Tom. V. S. 156 erzähle Stimm, mie man der Genlis in Berch ein deft gibt, wobey die Kinder, die fie erziehen follte, die kanm zwey Jahr alt waren, fagen muͤſſen: Die. Eine: Maman, Genlis, ces deux noms sont (aufs Herz deutend). Die Andre : Et tous deux font dire de m&äme jaime, und das Duo Hatte der Linter s Gouverneur der beyden Brüder der Prinzeſſinnen erfunden! Etwas Aehnliches iM doch auf⸗ fallender bey Madame Neder, wenn man nicht Hrn. Neckers Vorliebe für feine Tochter, die jekige Madame Staël Hols flein, deren ganzer Lebenslauf in diefer Geſchichte Liegt, kennte. Tom. IV. ©. 290 madıt fie als zwötfjähriges Mädchen Cos mödien, und befonders eine unter dem Titel: Les inconve- siens de, la vie de Paris, von der Grimm fagt: qui n’est pas seulement fort Etonnante pour. son Äge mais qui a paru m&me fort superieure A taus.ses modèles. Die Cou⸗ plete von Miarmontel bey der Genefung ihres Waters hätte fie immer fingen mögen, wenn nur nicht die gelehrten Herren, die bey der Mutter fpeifeten, der Tochter im eilften Jahre fo viel Weihrauch geftreus hätten. So wie der Madame Staëel Bildung, aus diefen Anecdoten einleuchtet, fo wirft der Auszug, den Stimm, IV. ©. 105 —ı20, aus den benden Lobreden, bie der Abe Morellet und Thomas, und. dem Briefe, den d Alembert gleich nad) dem Tode der Madame Geofrin über fie herausgab, ein Licht auf den Charakter diefer Frau. Uns bat an ihr am wenigſten gefallen, was an einer andern Stelle ben Grimm vorkommt, daß ihr Mann unter den philoſophi⸗

®

22 6orrespondance du Baron de Grimni.

ſcheh Schreyern an der Ecke des Tiſches einen Platz erhielt,

doch fo, daß er nur eine ſtumme Perſon machte. Wir wollen

fie übrigens, da viel Gutes von the gefagt wird, das freylich fehr affectirt ausfieht, weder anflagen, noch vertheidigen, der Verſtaͤndige wird aus einer Note Grimms Tom. IV. ©. 116 leicht fein Urtheil Über ihre Wichtigkeit und die ganze Tendenz

e ihres Handelns bilden: „Das gegen Madame Gerffrin eins

genommene Paölicum glaubte, fie hate die Gelehrten und

Kuͤnſtler (d. h. Schauſpieler) nur darum in ihr Haus gezo⸗

gen, um die Leute von Stande dadurch anzulocken. Gewiß iſt wenigſtens, daß fie ſchon ſeit geraumer Zeit eine ziemliche

Langeweile in der Geſellſchaft unſerer Litteratoren empfand, und mit ihren Katzbalgereyen unzufrieden war; noch gewiſſer

iſt, daß Niemand auf die allgemeine Meynung hoͤhern Werth legte, den Wochſel derfelben beſſer faßte, und ihm mit mehr Biegſamkeit folgte. Als Helverius fein Bud de Yesprit bes

kannt gemacht hatte, fagte er feinen Freunden: „Wir wollen.

fehn, wie Madame Geoffrin mich aufnehmen wird, wenn ich dies Thermometer der öffentlichen Meynung befragt habe, kann ich genau wiſſen, welches Gluͤck mein Wert: macht“ Dies ift zugleich hinreichend, um zu geigen, wie gefährlich. die Dilettanten den Gelehrten find; das fühlte Diderot auch fehr gut, und er fagt es in der III. S. 269 eingeräcten Schrift:

Resultat d’une conversation sur les Egards qu’on doit aux

rangs et aux dignitds de la société. ©. 273 heiße 06:

„Er (de Gelehrte) wird die Geſellſchaft von Seinesgleichen

—— vorziehen: denn, in ihr kann er feine Kenntniß

erweitern, und ihr Lob allein kann ihm ſchmeichelhaft ſeyn;

er wird fie der Gefellſchaft der Vornehmen vorziehen , ben des nen er zum Erſatz feines Zeitverluſts nur. Lafter gewinnen fann. Er iſt bey ihnen wie ein Seiltänger zwiſchen Niederträchtigkeit

and Hochmuth. Die Niederträchtigkeit beugt das Knie, ber

Hochmuth; wirft den Kopf in den Maren; der wuͤrdige Mann

‚trägt ihn gerade.“ Treffen fih doch manchmal die heterogens

fien Geiſter auf. einen Gedanken ‚- hier ſpricht Diderot wie Rouſſeau, in jener Note uͤber die Geoffrin Grimm wie der aͤrgſte Antiphiloſoph, und Tom. HI. S. 2812 treffen wir den

leichten und leichtfertigen Galiani mit unſerm langfamen aͤcht⸗

!

Correspondance du Baron de Grimm. 233

srofaifchen Meiners auf einem Gedanken. Dort heißt es in dem Briefe an Madame d’Epinay: Ainsi la perfectibilite nest pas un don fait à l’homme en general mais à la seule race blanche et barbue. Par alliance la race haza- nee et barbue la race bazande non barhbue et la race noire ont gagne quelque chose. Iſt das nicht du.Meiners tout pur ?: Doc iſt noch ein Unterſchied; in Meiners (hwars jen Brauen wohnte nur Balter Ernſt; Galiani verfteht Spaß. Politiſche und literarische Motigen finden fich wentge brauchbare oder zuverläffige. Was den Prinz Eduard angeht, ben die mehrſten unſerer Lefer wohl aus Moltaire‘s sibcle de Louis quinze fennen, fo ſcheint es uns nicht recht glaublich, was Tom. V.- &. 52 erzähle wird, daß er, wie er aus ber Baftille entlaffers worden, fih drey Jahre bey dee Martife von Waffe zu Ss. Joſeph in der Vorſtadt St. Germain aufs gehalten, uns die Pringeffin von Tallmont, in die er verliebt war, und mis Der er fih doch balgte, zu fehen. Ein maw vais sujet , wie Eduard, wäre wohl dazu im Stande gewefen, as Hätte aber doch d’Angerville oder wer fonft Verfaſſer der vie privee de L,ouis quimze (a Liondres 1781. Littleton, 4 Vol. 8.) ſeyn mag, erfahren; hier heißt es aber ausdruͤck⸗ ih Vol. HI. S. der: „Man ließ ihn drey Tage in Verhaft, dann brachte man ihn an, din pont Beauvoisin, und dies nahm ihm alle Luft, nad Frankreich zurück zu kehren,“ und doch intereffivte den Verf. die Sache; denn in den Beylagen findet man alle Vaudevilles, die bey der Gelegenheit circulir⸗ tn. Die Anecdoten, weihe Grimm V. &. 45 u. fa. über bie du Barry beybrings, hätten die Herausgeber ganz. weglaffen folen, da fie im der vie privee Tom. IV, ſchon benugt find. Wir waren besierig durch Grimm, der doch in Paris‘ Ichte, äber den Verf. diefer aus ganz verfchiedenen Büchern mit den Worten der Merf. zufammengeftoppelten Geſchichte etwas zu finden; aber er erwähnt ihrer zwar V. ©. 256, wirft aber nicht einmal bem Berf. vor, daß er aus einem fo bekannten Bude, als Voltaire's sitcle de Louis quinze fo fehr "fange Stellen wörtlich einruͤckt. Wahrfcheinlih war es d'Angerville (Eorrespondaäice. litteraire secrete No. 20 et 21. und

woher? WVon unſerm Müller von Itzehoe, Geſchichte der

3 Correspondancz da Baron de Grimm.

Wald heime zweytem Theil S. 253), andre halten * doch auch den Mouffle de Georgeville dafuͤr, und dies iſt nicht gang unbedeutend, da dad einige Nachrichten dieſea Werks "aus keinen andern Quellen - bekannt ‚fd. Gut ausges wählt ift aus Millots Memoires de Noailles der Drief der

Prinzeſſin des Urſins, wo fie (III. S. 418 419) ihre,

erſte Lage bey Philipp V. und. feiner Gemahlin beichreibt. Wie tröftete fie fih bald! Gut ift der Artikel über Dorat V ©. 161-1715 Wer Dorat Sonnen und beurtheilen will,

darf ihn nicht uͤberſehen, fo wenig als zur Ehre von la Harpe

die Anecdote S. 10—ı2, wo Dorass Serretair, der gegen diefen erbittert mer, und Geld nöthig hatte, ihm, dem Args ſten Feinde Dorats, Papiere anbietet, deren Bekanntmachung Dorat verderben mußten, er ſich diefe Papiere verfchafft, und fie Doras augfiefere. Ruͤhrend iſt die Geſchichte des Dichters Gilbert, der V. S. ano in feiner Armuch erft wahnfinnig wird, dann im Wahnſinn feinen” Stubenſchluͤſſel verſchluckt, und ins. Hötel Dieu gebracht wird, wo ex. nach vierzehn Tage oder drey Wachen fein Beben hinſchleppt, ala feine lebte Arbeit aber diefe Verſe eines Pſalms hinterlaͤßt: - Au banquet de la vie infortuné᷑ convive,

J’apparus un jour et je meurs;

Je meurg, et syr ma tombe lentemext j'arrive

Nul ne viendra verser des pleurs. Es iſt Über Grimme Sphäre, wenn er Buffons epoques de la ‚nature beurtheilt, und der Wis tft fihaal, wenn er V. ©, 175 über das Gleichniß der Rakete und Flintenkugel, weis des Buffon Euler'n entgegen .febte, fagts „Sch habe. Herrn Buffon fagen hören... Kerr Euter hätte fih bey der Rakete (man denke an die Bedeutung une fusee) beruhigt. Es märe unſchicklich, ſchwieriger zu ſeyn, als Hr. Euler.“ Wir haͤtten ‚erwartet, er. haͤtte Hrn. Buffons lange Phraſen angegriffen, das gehoͤrte vor fein forum. Was den Wis Grimms angeht, -fo ſagt Buffon ſelbſt (histoire naturelle edit. Sya. Paris 376g. Tom. J. p. 245) von feiner Hypotheſe: „Ich haͤtte ein dickes Buch ſchreiben koͤnnen, wie Burnets und Whiſtons

Buch iſt, wenn ich die. Ideen, welche dag. Syſtem, von dem ich fo chem geredet Habe, auemachen, amsführen und ihnen

%

Correspondance du Baron de Grimm, 25

ein gesmetrifeges An ſehn hätte geben wollen; aber ich ‘vente, daß Hypotheſen, fo wahrſcheinlich fie aud immer feyn mögen, nicht mit fo vielem Aufiehn dürfen behandelt werden, weil dies wie Marktſchrey erey ausſieht.“ Wir fließen mit einer Bes merfung über Diderots Declamation gegen die Sefuiten, und für Dlavides. In Beziehung auf die Erſtern wird es jedem intereffent ſeyn, den nenflen Bertheidiger der Sjeiniten, Hrn. Hofprediger Start in Darmfladt, im Triumph der Philoſophie des achtzehnten Jahrhunderts ( Germantomn, Roſenblatt zwey Bände: von 67: und 654 S. 1805) im erftien Bande im fehjehnten und ficdzehnten Kapitel zu vergleichen mit Diderot ia Tom. V, ©. 368 u. fgg.. Man ficht zugleich, wie bie Meynung Ihwanft; vor gehn Jahren fchrieen alle wie Diderot, und jet Hat auch oh. von Müller, Allgem. Geſchichte dritter Band ©. ae 27, ſich für die Jeſuiten erflärt, und in der hat haben die maitres de la terre, an welde Diderot ©. 340: poflrophirt, nicht wohl gethan, dem Aufruf ſo ohne weiteres p folgen. Die Geſchichte des Olavides V. &. 840 bis gu Ende des Bochs ift aud eine leere Declamation, und man muß deshalb eine Stelle aus Bourgoing tableau de l’Espagne moderne, troisi&me edition. Paris 1803. 8. Tom. J. p. 369 382 vergleichen, no die Geſchichte genau erzählt iſt. Es heißt am Schluß: „Diavides wurde in ein Kloſter geſteckt, beklagte ſich aber, daß feine Geſundheit dort litte, erhielt alfe Erlaubniß, nach Catalgnien zu reifen, um die Wäder zu ger brauchen. Sr mußte dort feine Wächter, die wohl abſichtlich niht genau Acht gaben, zu täufchen , - und entwifghte nach Stanfreich ,„ wo er als Maͤrtprer der Intoleranz aufgenommen ward. Bey feinem erflen Auftritt ward er von den Philcfos shen gefucht, durch die Saffreundfchaft getröftet, und von Dihtern geprieien. Im Yahr 1797 (fa heißt es Bourgoing S. 330) ſchmeichelte ſich Olavides wohl nicht, ſein Vaterland wieder zu ſehen, wo man ihn als einen Proſcribirten behans deit harte, umd aus dem er als Fluͤchtling entkommen war; aber das Alter, Das Ungläd, große Beyſpiele, hatten-ihn gu der Religien zurüdgebract, deren Verachtung ınan ihm Schutd gegehen. Micht bloß fagte er frep ımd ofien, daß er. dei Chriſtenthum anhange, ſondern er hatte auch ſeine Muße dazu

26 Macbeth von J. €. Kid,

angewendet, die Vertheidigung beffelben zu führen, und dies bewies in &Snanien, wie es dort befannt wurde, binreihend, daß er fich aufrichtig bekehret. Ec erfchien 1798 wieder in Madrid, wo er zwanzig Jahr vorher als Keber war beftraft worden. Aber Ehrgeiz wie rofl waren in feiner Seele ers loſchen, er begab ſich nach Andalufien, wo er bey einen Ver⸗ wanen in Der. Stille lebte. | ch. b.r,

Macbeth, Tragedy by Shakespeare ( Shakspeare) with german nötes by D. John Christian Fick. Bridges R u for C. C. F. Breuning. 1812. !

Bon dem Abdrucde einer einzelnen Shakſpeariſchen Tra⸗ goͤdie, cwie der gegenwärtige, erwartet man zum mindeſten einen £ritiihen Tepe, und in den Anmerkungen eine Auswahh folder, die für beſtimmt gedachte Lejer zwiichen dem zu viel - und zu menig grade das enthalten, was zur Erläuterung und Aufhellung des Stuͤckes nothwendig if. Here Fick hat Diele

edilligen Erwartungen nicht erfüllt. Er gibt uns einen überaus , ſchlechten Tept, und unter diejem fo willkuͤhrlich hingeſtreute, unbedeutende, oft faliihe und von Unkunde der Engliſchen wie der Deutſchen Sprache zeugende Anmerkungen, daß wir kein Bedenken tragen, ihn einen Stuͤmper zu nennen. Wir wollen unfer Urtheil mit einigen Beyſpielen belegen. S. 3 ſagt der verwundete Krieger vom Macbonmwald (Macdonel ſchreibt Ar. F. nad) eigener Willkuͤhr):

And Fortune, on his damned quarr.el smiling Shew'd like a rebel’s whore.

Daß fo zu leſen iſt, beweiſ't Steewens unmwiderfprechlich " aus dem Holinshed; gleichwohl behält Hr, F. das finntofe garzys Wildbrett, bey. ©. 14: | only J have left to’ say,,

More is thy due than more than all can More than all macht Einen Begriff aus (wie in Ariofrs ſchoͤner Zeile:

= ee Michel, piäche mortal, Angel divino,),

und bezeichnet aͤcht Shakſpeariſch den denkbar größten er thum auf Erden; Sieh mid ald Schuldner an gur mehr, als mehr denn alled zahlen kann. Davon ahndete Hr. F. nichts, indem er ſtillſchweigend More ‚is thy due, ‚even more etc. an die on ſebte. Blu aan iſt:

Macbeth von J. €; Fick. u.

. safe toward your love and honour . die richtige Lesart, in der, wie Bladftone zeigt, auf das befannte Sauf la foy que jeo doy a nostre seignor Ie roy angeipiele wird. Hr. 3. gibt das laͤngſt verabſchiedete hief’d. 8. 38: .

no; this mv hand will rather The multitudinous seas incarnadine Making the green One red. Dieie Lesart empfichle ih durch die Wortfiellung, als die eins fig wahre. Was Hr. 5. gewollt har mit: 7 "Making the green, One red begreifen wir nicht. ©. 75 lift Ar. F.: His title is affear’d und erflärts „Sein Recht it abgeſchreckt,“ Wahrfcheing ich wollte er afeard. geben; aber dagegen iſt der Zuiammens Hang.” Rec. lieſ't mit den befferen Commentatoren af feerd, . Sein (Macbeths) Titel ift geborgen. ©. zB: Now o’er the one half world Nature seems dead, and wicked dreams abuse The eurtain’d sleep; now witchoraft celebrates. Das ſchoͤne sleep wollten einige Englifhe Kunftrichter in slee- per verwandein; je matter, je beffer, denkt unfer Herausgeber und folge ibnen. | 2 R . Die Meinen Anmerkungen unter dem Tert gehören zu dem Schlechteſten, was und in diefer Art vefannt if. Bald ſcheint es, der Herausgeber habe fih die erfien Anfänger als feine Lefer gedacht, bald wieder, als glaube’ ey, Die ſchwerſten Sas den für befannt vorausſetzen gu dürfen, Mirgendg ift ein feſter Sefihtspunce, uͤberall Leerheit, Seichtigkeit, Ungrändlichkeit, Wenn wir. holily duch „heilig, auf eine geredte Weife“ erflärt fihden, hurly burly durh „Geraͤuſch, auf die Schlacht ſich begiehend,“ what thou. art promis’d duch „mag dir verheißen iftl,“ thou antici- ar’st durch „du kommſt zuvor, greifft ein,“ birthdom uch Geburtsreht" u. f. w., ſo glauben wir, er wolle Rindern das ABC eintrichtern. Sehn wir dagegen, daß er ſtillſchweigend voruͤbergeht bey Stellen, wie: but screw your | ‚courage to the sticking plate, oder ©. 33: he should have old turning. the key u. a., fo follte man meinen, er have fein Buch für vecht unterrichtete Lefer beftimmt. Aber das wahre dee Sache ift wohl, er ſchwieg, wo er nichts wußte. Diefer Fall tritt ein S. 15: ige a The xestis labour, which is not ugd for yoy.

<B !

a Macbeth von J. €. Fi.

S. 37: to cotıntenance their horror, &. 56: Impostors | to true fear, ©. 81: of many worthy fellows, that were out; ©. 85: the powers above Put on their instruments. Receive what cheer you may; The*nigbt is long, that never finds the day u. f. w. Daß wir Herrn 3. mit ſolchen Vorausſetzungen nicht. zu nahe treten, beweifen Anmerkungen, wie- folgende: S. 18: un-« sex me here „entfhledtet mid, wandelt mid am;“ ©. 22: if the assassination Zu Could tramel up the consequence, and catch: With its surcease succefs.

„Wenn der Mord in fid felbft enden , den regelmäßigen Lauf von Folgen zurüc halten, und fein Gelingen den Stillfiand fihern könnte;“ ©, 11: that trusted home, „dieſes ftarke Bertraun®“ (sie); ©. 25: wassel, Webermäfigkeit, Aus (hweifung im Trinken; &, 20: coigne of 'vantage, vor theithaft herausſtehender Theil; weird sisters, „beherte Shwefern“ ſtatt Zauberſchweſtern, Schickſalsſchweſtern. ©. 59. Sn: Augurs and understood relations have By maggot - pies and chaughs and rooks brougt forth The secret’st man of blood. | wird Augurs duch Wahrfager, maggot-pies durch Maus denelftern erklärt, Über die understood relations dagegen kein Wort geſagt. &. Bu: shardborne beetle ift ihm „ein Käfer in Holzriffen erzeugt;“ S. 83: at first and last, „dem erfien bis dem letztem“ (welches Deutſch!) flatt einmal für allemal. Manchmal fcheint dem Her— ausgeber das Nechte vorgeſchwebt zu haben; aber die Sprache. wollte nicht folgen, wie &. 19; My tlıought, whose murder yet is but fantastical , Shakes'so my single state of man, that function ls smother’d in surmise and nothing is, But what is not. ' „Mein Gedanke, deffen Morb nur noch phantaſtiſch iſt, ers ſchuͤttert ſo meinen einzelnen Zuftand des Menfchen, daß die Lebensthaͤtigkeit in der Einbildung erſtickt wird, und (etwak anderes) für mid, nichts iſt, was nicht if.“ So ©. 73: To fright you thus, methinks, I am too savage To do worse to you, were fell cruelty, Which is tod nigh your Person. wo die zweyte Zeile umfchrieben wird: . „Noch ſchlechter han⸗ delte ic) gegen euch, wenn id) euch, und eure Kinder morden ließ (ließe), ohne euch zu warnen. Ron Spracfehlern

Winzer de daemonologia N. T. 20

haben die ausgehobenen Stellen ſchon Proben geliefert. S. 85 ßt außerdem: „Sie glaubt, fie ſpraͤche mit ihrem emahl.*

Wir find es mude, den Augeiasſtall auszufegen; drum,

u noch die Bitte an den Herrn F., er wolle fih aufraffen,

und diefer verunglückten Ausgabe einmal eine gute nachfoigen

laſſen, die wir loben fännen. *

. A. E.

Die Inauguraldiſſertation des Herrn D. Winzer in Wittenberg, die er am 30. Jul. 1812 vertheidigt hat, führt den Titel: De Daemonologia in sacris Novi Testamenti libris proposita Commentatio prima. Viteberg. literis Graefsleri. 57 ©. 4. Eine fleißige von gründfihem feften Forſchungsgeiſt und nicht gemeiner Gelehrſamkeit und Belefenheit zeugende Arbeit, weiche zu den ſchoͤnſten Erwartungen vom Verf. berechtigt. Pie lehrt uns einen Theologen tennen, der im Ausland darum wenig befanne ift, weil feine Befcheidenheit und die ſtrengen Anfoderungen, die er an ſich macht, ihn abgehalten zu haben: (einen, fi, einige kleine akademiſche Sc:iften abgerechnet, «is Schriftficller zu zeigen. In diefer Diifertation hat er uns nur einen Bleinen Theil der ausführlichen Unterſuchung über die neuteftamentlihe Dämonologie vorgelegt, das Prodmium und das erfte Capitel von der Eriftenz und den Namen der Dämonen ; aber auch diefes iſt fo trefflih und wichtig, daf wir gern etwas dabey verweilen. i Der Berf. geht aus von den Hauptfäsen der Emanarlons; Ichre Und Dämonologie der Indier, Perſer und anderer Voͤlker und der Achnlichkeit der legtern mit der Damonologie des N. T. Denn wie dort das Neich des Boſen und des Guten eins ander entgegengefeßt werde, fo im N. T. der Satan dem guten Geiſt, der fih mir Chriſtus vereinigt und fein Reich dem von Chriſtus zu fliftenden Reich Gottes; was wohl niemand lengnen kann , der das M. T. mie hiſtoriſchem Sinn betrachtet bat. Hierauf erklärt fich der Verf. Über die verjchiedenen Meys nungen neuerer Gelehrten Über die Dämonologie, ihre hiftorifche und philofophifche Nichtigkeit und ihren dogmatiihen Werth. Diejenigen, welche die moralifhe Nothwendigkeit des Satans vertheidige, oder deſſen Eriftenz geleugnet, weiſ't er ab mit der Bemerkung , daß aus philofophifchen Gründen weder ges Imgnet, noch behauptet werden könne, daß ein Teufel exiſtire eder gedacht werden koͤnne oder müfle. Hierbey möchte er aber ed; der Philoſophie zu wenig einräumen, Daruͤber, was man

er Winzer de daamonologia N. Tr

/

wiſſen oder denken fann, gibt die Philofophie bie allergemiffefte

Auskunft, und bliebe man dabeh ſtehen, falite man. dies nur fet ins Auge, fo wuͤrde alles Ehidanfen und Traͤumen in der Philoſophie ein, Ende haben. Es täßt fich Teiche zeigen, daß man einen Teufel nicht denken könne, ohne die reine dee der Gottheit aufzugeben. Aud die Meynung derör, melde ans genommen, daß ſich Jeſus und die Apoftel im Portreg diefer

Lehre accommodirt haben, verwirft det Verf. Jeſus habe die

Lehre vom Teufel nicht etwa bloß in Reden an das Voll und in Geiprähen mit den Phariidern, wo er xar' dvIponor hätte fprechen können, vorgetragen, fondern bey jeder Gelege

Seit, ohne äußere Weranlaffung, im vertrauten Gefprähe mi feinen Juͤngern. Für denjenigen, welcher den ſymboliſchen,

bildlichen Geiſt des Alterchums kennt, liegt darin noch immer

kein enticheidender VDeweis gegen die Accommiodatienstheerie. Jeſus mußte, um als Volkslehrer zu -wirken, die Meinungen, weiche feiner Sache nicht hinderlich und Ichädlich waren, niche nur ftehen laſſen, fondern fogar poſitiv gebrauchen , fo wie er fih der Sprache feiner Zeitgenoffen bedienen mußte. Haͤtte er die Lehre vom Teufel widerlegen wollen, ſo hätte er. Zeit und Kraft auf eine Nebenſache aufgewandt, und die Hauptſache aus der Acht gelaffen. Konnte er die hohe Beftimmung feiner Sendung beffimmser und deutlicher ausdrücken, als dadurdy, daß er fagte, er ſey gekommen, die Werke des Teufels zu zerfidren ? Die Idee des: Teufels war die hoͤchſte Abſtraction des Boͤſen, weiche die Zeitgenoffen Jeſu fih machen konnten. Eine Unters fuhung darüber, wie Jeſus fih uͤher dieſe Vorſtellungen erhob, wäre wohl nicht überfläfig geweſen. Er, der mitten inne: zwifchen den beyden Selten der Juden, oder eigent-

lich Über ihnen ftand, mußte gewiß die Nichtigkeit der pha⸗

tifäifchen Vorſtellungen durchfchauen, zumal da fie im A. T.

nur nebendbey und in ſpaͤtern Büchern vorkommen. Sodann

hat der Verf. die Frage mit keinem Worte berührt, ob -auch die Nelationen der Evangelien fo ganz, auch dem Buchſt ab en nad), auf Treue und Glauben anzunehmen ſeyen. Wir wollen mit diefem allen die Accommobationsthesrie nicht fireng vertheis digen, fondern wir wünfdten nur. den Verf. vorſichtiger in diefem Stuͤck zu mahen. So fcheint er nicht genug Vorſicht in Anwendung der Stelle. Joh. 16, 7. 8. 11. gebraucht zu has ben, aus welcher er beweii’e, daß Jeſus die Saransicehre feines; wegs unter die Beſtandtheile ſeiner Lehre gezählt babe, weiche nur auf einige Zeit Gültigkeit haben follten, fondern unter die mwichtigften,, von welchen die Apoftel nach: feinem Tode mittelft des heil. Geiſtes die Veraͤchter feiner Religion überzeugen ſoll⸗ ten: Was folge aber Hieraus ? etwa, daß die Lehre vom Teufel ein

Winzer de daemonologia NW F. 34

Hanptbeſtandtheil der chriſtlichen Religion fey? oder nur, daß fo wie Jeſus fi) Der Sprache und Begriffe feiner-Zeitgenoffen bediente, ed auch Die Apoftel fo machen doflten und mußten? Dun Verf. ziehe nun aus jenen Behauptungen den Schluß, def die Damonologie zum Weſen Les Chrifienchums gehöre. Hier raͤcht fiy die verſchmaͤhte Philofophie fehr flart an dem Berf., der gan, allein der Niftorie fi ergeben zu haben fiheint. Es fommt alles Darauf an, was man unter Ehriftenthum verkeht. Der Merf. feine alles darunter zu begreiſen, wos die Apoftel irgend gedacht und geglaubt haben. .Er faßt alle Hiftoriichen Materialien zufammen, wie, fie vorliegen, nad) eine Aug ern Beziehung, nah der Beziehung anf bie Derfonen der erften Lehrer des Chriftenthums.- In diefem Sinne wollen wir ‚nicht leugnen, daß die Dämonslogıe zum Chriſten⸗ tbum gehöre. . Sollen wir aber wirklich glauben, daß der. Bas tan noch jeßt die Menſchen beftge, fie frank mache, ausgetrie⸗ ben werden Bönne u. f. w.? Nach tem Verf., wenn. er cons ſequent verfährt, ift Dies ein weſentliches Stuͤck des Chriſtenthums. Wir. follen aber im Chriſtenthum nur die Religion: ſuchen, und dem religiöfen Glauben geyört die Lehre von dem Teufel nicht an, fondern nur-der Denkart der Zeit; fie iſt ein mpthotogifches Theos rem, das uns Über etwas verfländigen will, welches bloß und ollein dem Gefühl angehört, nämlich Über. den Widerſtreit des Bien und Guten. Sonach müffen wir, um gu -beftimmen, was Ehrifienthum fe, von einer Idee, von einer innern Beziehung , ausachen,, wobey übrigens ein fireng hiſtoriſches Berfahren obwalten fann. Wir befimmen nur, was wir in der Sefhichte ſuchen wollen; wie fie uns aber dies lieſere, Dürfen. wir nicht wällkuüͤhrlich beſtimmen. &o wer für die. Ges ſchichte der Philoſophie nicht bloß Materialien zuſammenraffen, ſondern Licht und Ordnung in. fie bringen will, muß von der Speer der Philofophie ausgehen, und in jedem philoſophiſchen Syſtem den lebendigen Punct aufinhen, durch welchen: es in die Entwicfelungsgeihichte der Philofophie gehört. Daher ges böre in eine Acht pragmatiiche. Geſchichte der Philofophie nicht alles, was. irgend ein Philoſoph gelehrt, fondern nur- dag, was er eigentlich pbilofophire hat. Diefer Grundfas führe noch vieles Andere mit fih, was der Verf. auch nicht. anerkennt. Bir muͤſſen, wenn wir das rein .‚Neligidje in der Lehre des N. Z. tuchen , Inhalt und Form unterfheiden. Der. Inhake gehört der Religion an, aber nicht durchaus die Form, dann ges bört auch legrere nicht zum Chriſtenthum, fondern nur zu ſei⸗ ner Erfcheinung in der damaligen Zeit. jedoch wir. brechen von diefen Betrachtungen ad, und machen noch ein Paar von den

38 Wirer de dacmonslogia N. T.

Bemerkungen namhafte, womit der Verf. die Liſte der Mmen dee Dämonen und Teufel begleiten. . . Genaue Prüfung verdient, was er vom Antichriſt ſagt. Er verwirft die collective Erkiärung Schleusners u.a. In den Stellen 1 Joh. 2, 18. 20. 4, 9. 2. Joh. 7. findet er einen Antichrift, von andern Gegnern des Chriſtenthums verfchieden, . und gleichſam the Oberhaupt. E Wie aber der Verf. in dieſen Stellen die collective Bedeutung Äberfeßen könne, begreifen wir kaum, da es 1. oh. 8, 23. ausdruͤcklich heißt, der Antichriſt ſey derjenige, welcher Ehriftum verleugne, und Capı 4, 3. der Geift des Antichriſts fen fchon in der Welt. Moch deutlicher tritt das Eollective hervor 2. Joh. 7., mo die oAdvi nAdvor ganz aus—⸗ druͤcktich der Antichrift genannt werden. Anders iſt es freylich Cap. 2, ıB., wo der Antichrift und die Antichriiterr unterfchiedert werben. Uns fcheint der Verf. diefes Briefe die Lehre vom Antis chriſt die er allerdings vorausfeßt, gu deuten And auf feine Weife auszulegen.) Sicherer und beflimmter ift vom Aütichrift, wiewohl nicht namentlich, die Rede im 2.Br. an die Theſſ. Eigenthuͤmlich ift die Anficht, die der Verf. von diefer Lehre hat; er hält dem Antichriſt für das appositum des Efias, womit er fih auf Theo- doret. Epit; divin. detret. c. 23. p. 302 flügt. Allein diefe Dppofition kann wohl ſchwerlich als durchgreifend und fundamıens tal angefehen werden, da nad) den Evangelten Johannes der. Täns - fer Elias if. Der Berf. glaubt einen Unterſchied zwifchen den Wörtern 6 varavds und ö dıaßokog zu finden, nach den Stellen Apot..d, 8. 20, 15., wo ö Iavaroz und 6 Kdng unterſchieden werden. In der erfien Stelle können nicht mit Eihhorn Ö «dns von der Schaar der Schatten verflahden werden, da in der tegtern 6 ddng von oi vexpoi deutlich unserfchieden werben; man könne in der letztern Stelle aber auch nicht unter 6 Aöng und 6 Savaros die Unterwelt und den. Tod verfichen, da fie na V. 14. beyde in den Schwefelpfuhl geworfen werden, welches bekanntlich Die Strafe des Satans fey. Der Apokalypti⸗ “er wiffe demnad) von zweh Fürften der Unterwelt, und es laͤßt fih vermurhen, daß unter dem Ddvazoz der Satan, untee dem döng aber der Teufel verſtanden werde, womit das Evang. Des Nikodemus zufammenflimme, wo der Satan und der Hades unterfchieden, und jener der Tod, der Todesfürft uns aͤhn⸗ licy, diefer aber bald der Fürft. der Hölle, bald Beelzebub, bald Teufel genannt, und gefagt werde, daß erfterer von Chris ſtus der Gewalt des letztern Äbergeben werde. Eine Vermuthung, die allerdings der Pruͤfung werch ift, aber zu nichts Gewiſſem und Bedentendem führen möchte. Wir fehen mit Xerlangen der Vollendung diejer Arbeit entgegen. 6 }

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De 3. Seidelbergiſchen 1813. Jahrbücher der Litteratur.

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Hebräisch - Deutsches Handwörterbuch über die Schriften: des Alien Testaments mit Einschlufs der geographischen Nah- men und der chaldäischen Wörter beym Daniel und Esra. Ausgearbeitet von D. Wilhelın Gesenius, ord. Prof. - Theol.. zu Halle: Zweyter 'Theil, enthaltend ‘die Buch- staben 5 —æ n, das Verzeichnifs der Personennahmen und den analytishen Theil. Leipzig 1812. bey Vogel.

©, gänftige Urtheil, das wir Über den erfien Theil diefes Birterbuhs gefällt haben (Jahrb. ıdıı. Zan.), bat uns ein zweyjaͤhriges Studium volllommen bewährt; und dieſer zweyte Teil verdient es nicht weniger. Auch hier liegen ung die Res fultate einer Wortforſchung vor, die fih auf Benutzung aller Verarbeiten, auf durchdachte und wiederholte Leſung des A. T., . Legleichung der Parallelſtellen und Beobachtung des Sprach⸗ gehruachs und auf verfländige Zurathegiehung der verwandten Diferte gründet, und mit einem Fleiß, einer Umſicht und Präcifion angeſtellt ift, weiche wahre Hochachtung abnöthigen. Day wird wenige fehiwierige Stellen des A. T. finden, über welhe der Verf. nicht, fo weit es die Graͤnzen der Lericogras phie verſtatten, ein reiflich erwogenes Urtheil niedergelegt hätte. FaR überall begegnet er dem forſchenden Lofer des A. T. ale ein bedachtſam zirechtmeifender Rathgeber. Es iſt nicht zu berechnen, welchen Nutzen diefes Wörterbuch für das Stadium der Debräifchers Sprache und die Erklärung des A. T. haben

„Nicht raue wird dadurch der bisherigen ſchwankenden, wikfährtichen Sprachforſchung und Erklärung des A. T. ein Zieh geſetzt; es˖ Hat nun auch der junge Theolog ein erleichs terndes, ermunterndes Huͤlfsmittel, durch das er in das fonft -

fo abſchreckende Studium der Hebräifchen Sprache ohne Schwies.

tigkeit eingeführe wird. In der Vorrede zu diefem zweyten Thelle gibt der Verf. die von ihm 6sfolgeen Principten der En Sprachſor⸗

4

34. Geſenius Hebr. Deut. Handwoͤrterb. uͤber d. Schr. d. A. T.

ſchung an. Da ihn der Raum hierbey nur zu ſehr beſchraͤnkte, ſo waͤre zu wuoͤnſchen geweſen, daſi der Verf. eine eigene Abhandlung darüber abgejondert herausgegeben hätte. Doch find wir ihm auch für diefe kurzen Andeutungen, welhe durch den Gebrauch des Wörterbuchs feld ihr hinlaͤngliches Lichte ers halten, unfern Dank fhuldig, und es war allerdings in ans derer Hinſicht vortheilhafter, die PDrincipien, nad welchen das Werk gearbeitet worden, diefen feldft vorzufegen. Sie dienen zugleich dazu, das Eigenthuͤmliche, was der Verf. Hat, zu überfehen, daher wir fie bey Ddiefer Anzeige zum Grunde legen wollen.

1. Wir haben ſchon bey der Anzeige des erſten Theiles bemerkt, daß ein Hauptverdienſt des Verf. darin beſteht, die oͤfters von den Auslegern und Lexicographen verkannte Wahr; heit geltend gemacht zu haben, daß die Hebraͤiſche Sprache eben ſo, wie jede einzelne Mundart eines ausgebreiteten ESprachſtammes ihre Provinzialismen oder Idiome, d. h. ihre eigenthuͤmlichen Wörter und Wortbedenrungen habe, die fi in Seinem verwandten Dialecte finden. Zwar konnten eine Menge folcher Provinzialismen dem Zweifel gar nicht unterliegen, da ihre Bedeutungen zu fehr gefichert find; aber In einzelnen Fällen hat man wirklich gewagt, eine aus vielen Stellen, als Hebräifch erweisliche Bedeutung zu bezweifeln oder zu verwerfen. Mit fcheindarem Rechte that man dies, wenn ein Wort im Hebräifchen feltener, die Beſtimmung feines Gebrauchs wenigftens nicht augenfällig und unbeftreitbar iſt, und wenn obenein die andern Dialerte eine Bedeutung haben, deren Anwendbarkeit nicht geradehin verwerflidg fcheint. "Auch find ſolche Fälle fehr fchwierig, und nur ein richtiges Gefühl für das Schickliche und den Zuſammenhang, eine glücklich gefuns dene Parallele, die Einftimmung der Nerfionen u. k w. kön: nen bier zu der Webereinftimmung führen, ob die Bedeutung eine provinzielle oder die von den verwandten Dialecten dar⸗ gebotene ſey. Der Verf. hat ſich bey mehrern folhen Wörtern, ungeachtet der möglichen und gewöhnlichen Vergleihung der Dialerte, mit Recht bloß von dem Zufammenhange, der Anas logie und den Verſionen leiten laſſen, und hierin die Erwar⸗

Geſenius Hebr. Deut. Handwörterb, über d. Schr. d. A. T. 35

tung des. Rec. vollkommen befriedigt, z. ©. ON) Buͤffel, nicht: Gazelle; AM ſchweben, wanken; ſchwan⸗ ken; AT no. ı. ferire; urn Weisheit, und: Heil, 3a ruben und opp. Ruhe flören, aufregen, ale") vorü bergeden (vgl. MODN Thapsacus, woben eins be⸗ ruͤhmte Fuhrt uͤber den Euphrat) insbeſ. ſchoönend gors übergehen, ſchonen, welche Artikel mufterhaft andgears beitet find. Mon andern auf diefe Art behandelten Wörtern hatte Rec. Bisher eine andere Mennung, iſt aber vom Verf. eines andern belehrt worden. nayin nahmen wir fonft mit

Kofenmülter.n. a. in den Stellen Pf. 9,4. Hiob oe, "35. in der Bedeutung: Höhe, Haufe; der Verf. aber in * Bedeutung von vn Erwerb, Beſitz, Schatz, welche ſich näher an den Debräifchen Sprachgebrauch anfchließt, und das ‘ber den Vorzug verdient. Zwar ift ihe in der erften Stelle der Parallelismus nicht. günftig, difto mehr aber in der zweyten. die Bedeutung von D’DEWA Träntrinnen geben wir

Hmm gegen die uns chen früher nicht verwerflich gefchienene : sabula, Hur den (von —EX posuit) auf. Richtig zieht auch der Verf. von NORD Jeſ.3 „24. die Bedeutung gefräm felte Arbeit, Locken vor andern vor, da ſie durch die Oppos fition mie Kahlheit gefodert wird. Sn Anfehung des Wortes yo Hiob 6, 25. 1. Kön. 2,8. Hiob 16, 3., von welhem

der Verf. die in den Altern Woͤrterbuͤchern herrſchende Bedeu⸗ tung heftig, kraftig ſeyn, wieder geltend gemacht hat, And wie noch zweifelhaft. Wenn man in der erſten Stelle die Verwechſel un g mit y2 annähme, in den andern aber dfe

Bedeutung Feänken gelten ließe, fo wäre es unſtreitig eins faher, ob es glei ſchwierig iſt, das part. Sn yazı active für eränfend zu nehmen.

Daß der Verf. dem Mißbrauch der Vergleichung des Arabiſchen Dialects geſteuert habe, iſt ebenfalls von uns fon bemerkt worden, und wird faſt durch jede Seite feines Werks - benrkundet. Hier rügt er befonders zwey Arten diefes Mißs -

%

36 Befenius Hebr. Deut, Handwoͤrterb. uͤber d. Schr. d. A. T.

Brauchs: a) daß man bey mehreren bekannten und herrſchenden Hebraͤiſchen Stammwoͤrtern das dem Buchſtaben nach entipres chende Arabiſche Stammwort verglichen, und deſſen Bedeutung, To gut es gehen wollte, mit der Hebraͤiſchen in Verbindung gefeßt ; oder gar als Grundbedentung derfelden aufgeftellt hat; b) daß man bey einem fonft Häufig vorkommenden Hebraͤiſchen Worte an einer einzelnen. Stelle eine Bedeutung aus dem Arabiſchen angewandt hat, die mit dem fonftigen Gebrauche deſſelben in feiner Verbindung’ fteht. Es kann dies nur zu— 1äffig fepn in Fällen, wo der Coͤntext gebieterifch eine andere

als die gemähnliche Bedeutung fodert, deren aber es fehr we⸗ nige geben wird. Ein Beyſpiel der vom Verf. geuͤbten Vor— fiht in diefen Fällen bietet fih im Artikel "PY dar, wo er- in der Stelle Jer. 15, 8. die unpaffend fcheinende Bedeutung Stadt mit der aus dem rabifchen entlehnten Schreden oder dgl. genau abwägt. Gefallen hat uns hierbey die Ans nahme eines Zeugma, wodurch die Anwendung der gewoͤhnli⸗ hen Bedeutung noch leichter wird, wiewohl der Gebrauch des 7 in der Bedeutung und si War dim Jeremia befonders eigen ill. Die Anwendbarkeit der gemmöhnlichen Beteutung ſcheint ung hier das Uebergewicht zu haben; denn das Fließende der Tonftruction Bann bey einem Schriftſteller, wie Seremia, eine feltene uns Hebräifche Bedeutung wenig empfehlen. Viel zulaͤſſiger wird hingegen die Bedeutung aus dem Arabifhen dann, wenn fie mit der, Hebräifchen verwandte iſt (4. B. 727 gehen, auch f. v. a. la untergehen), wie wohl auch bier von der gewöhnlichen Hebraͤiſchen Bedeutung nicht ohne Noth abzuweichen iſt (f. den Artikel 102 und DI). Dagegen hat der Verf. die Vergleichung des Arabifchen einige Male treffend benußt, wo fie nicht genug anerkannt war, 3. ©. bey "33 IV, wollen ı. Mof. 87, 40. (wobey uns aber nidt gefallen will, daß als Bedeutung des Hiphil Pf. 35, 5. und des Subſt. TI umh erirren angegeben wird, da und

Flagen allein paffend fheint.. Womit sufammenhängf, daß der Verf. in jener Stelle das paralleie DYI nah dem Arab.

is ebenfals für umherivren nimmt, da es doch Mich. 2, 18.

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beſerins Hebr. Deut. Handiwörterh, über d. Schr. d. A. T. 37

ofenbar mit. ab! eins il, was auch in der Stelle dee Dalms wegen des parallefen V. ı8., mo "12 vorkommt, ver Fall gu ſeyn Tcheint.)

3. Ein KHauptverdienft des Verf. if, daß er die etwas vernachlaͤſſigte Mergleichung der aramäifchen Dialecte mit Gluͤck benußt hat, wovon wir jhon aus dem erfien Theile ‚Proben gegeben Haben. Vorrttrefflich iſt auf diefe Meife M) no. II.

Sefallen Haben, wuͤnſchen, begehren, als vers wandte mie 1 X , ertäutert, wodurch die wielgedeutete Phraſe

FM MY studium in ane ihre einzig richtige Bedeutung er; bill. Vortrefflich iſt duch das Chald. die Bedeutung von DEU 2. Sam. 6 6. gefihert, u. a. m. Was vr ber

tifft, das der Werf. nah dem Syr. für leeren PBlap nimmt, fo dachte Re. immer an die von UN) tretben ads geleitete Bedeutung Trift, Weidplas, die er auch jetzt | u nicht ganz aufgeben kann. Denn diefes Verbum kann vist urfpränglich wegtreiben, ausleeren geheißen haben, wie der Gebrauch deſſelben vom anfgeregten Meere Jeſ. 57, 20. und das ahgeleitete Subſt. WIN Erzeugniß beweiſ't. Dann,

wäre jenes Wort ſynenym mit nm. mit dem es and gleiche Form hat.

Daß das Talmudiſche und Rabbiniſche ein richt gu’ vers werfendes Huͤlfsmittel der Hebraͤiſchen Wortforfhung fey, iſt wohl feit Michaelis von mehrern wieder erkannt worden. Diefer Dialect enthält unſtreitig vieles aus dem Leben der Hebraͤi⸗ hen Sprache Herübergepflanztes, und foweit ihn Rec. kennt, moͤchte er behaupten,. daf fi in ihm vorzüglich die Sprache des gemeinen Lebens erhalten habe. (So ſcheint uns das pron. rel. U alt zu feyn, nur aber zur Sprache des armen Lebens gehört zu haben.)

4. Berhättntämäßig gu wenig dennte waren vor dem Verf. die Dialecte im Ruͤckſicht auf die Analogie der Bedens tungen, d. #. auf die ähnlihe Modification eines und deifels ben Begriffs unter verfhiedenen Wörtern. Zu fehr bedacht auf Die Vergleichung der Dialecte unter denſelben Buchſtaben

1 1

u

38 Geſenius Hebr. Deut. Handwörterb. über d. Sche. d. A. A.

verfäumte man häufig die Vergleichung der gleichbedeutenden oder finnverwandten Wörter in den andern Dialecten, die eine Menge trefflicher Erläuterungen und Beſtaͤtigungen, aud) neue Auftlärungen für Bedeutung und Konftruction an die Hand geben. Sin diefee Benutzung der Dialecte beſteht ebenfalls ein Kanptvorzug dieſes —— —— lieb war uns die

Vergleichung des Arab, BT mentitus est arcus für die Er: Säuterung der Phrafe 70) NOP:. die andere für ſchlaffer Bogen genommen haben; das Chald. zu Pa.- Aph. ems pfangen, zur Beſtaͤtigung des ay Hiob 21, 10. u. a. m.

Eine nicht minder reichhaltige und bey weitem nicht hin⸗

kaͤnglich genutzte Quelle iſt ferner die analoge Wendung und Modification der Bedeutungen in den ſinnverwandten Woͤrtern der Hebräifhen Sprache ſelbſt. Faſt genügend erläutert ik auf diefe Weile DA}, in der durch die Verss. beflätigten Bedeu— tung aufheben für etwas, und WUYT 1. Sam. 14, 47. fiegen,n oa. m

5. Ueber Verwechfelung und Verfegung der‘ Buchflaben ih verwandten. Wörtern, ſowohl in den verſchiedenen Diafecters als in der Kebräifchen Sprache felöft, Has der Verf. einen Reichthum von treffenden zum Thelt eigenen Bemerkungen zus fammengeftellt, wohin befonders ie jedem Buchſtaben des Alphabets vorangeſtellten Artikel gehoͤren. Er tritt hier der Einſeitigkeit derer entgegen, weiche die Verwechslung nur nach durchgehenden Regeln und bey den zunaͤchft ſich entſprechenden Buchſtaben (wie W und (w) gelten lafien wollen, und nimme fie auch bey entferntern Buchſtaben an (3. B. in ‚723 und.

er o, ohne doch in Willküͤhr und Geſetzloſigkeit auszu⸗

ſchweifen. Treffend bemerkt iſt auch die Verwandtſchaft zwi⸗ ſchen gewiſſen Claſſen von verbis anom. und defect., wie NT, 107, 10T, 175 12% 8, NN uam (Bie die Verba ber legten Art ihre Formen austaufhen;, iR in dee | Vorrede zum erfien Theile bemerkte. Es gehört dahin auch bie Bemerkung, welche die. Aufnahme in eine zukünftige neue. Der

Geſenius Sehr. Deut. Handwärterh. über d. Schr. d. 4. T. 39

arhetung der WB aterfchen Grammatif verdient, daf Dain von 022 und 22737 von 09? entlehnt iſt.)

Wir laſſen nun noch einige zerſtreute Bemerkungen folgen, theils zur Beſtaätigung, theils zur Berichtigung mancher Artikel. Die gewöhnliche Erklaͤrung von DYIY 7) blöde, matte Augen Haben d Hat der Verf. trefflich erläutert, und beftäs tigt durch die Bemerkung, daß die Drientalen feurige lebhafte Augen für einen vorzäglihen Täeil- der Schönheit haften. Wy Jeſ. 53, 9. hat Rec. laͤngſt für fononnm von 909 genommen. Denkt man ſich, daß diefes Städ im Babyloni⸗ ſchen Exil geſchrieben iſt, wo die reichen maͤchtigen Chaldaͤer die Unterdrücker der Hebraͤer waren, fo erklaͤrt ſich dieſer Sprachgebrauch noch leicher. Ein ſchoͤner Verſuch iſt es, morr ©pr. 27, 6. von Bi) beten abzuleiten, fo daß es erbeten, d. 5. erzwungen hieße. Rec. hat das Wort immer auf No. 2. bezogen und für reichlid) genommen, wo— durch kein uͤbler Segenſatz entfiehte gwtgemeint find die Schläge des Freundes, reidlidh die Käffe des

Feindes. Line bekannte Volkserfahrung ſagt: wer frcunds lich iſt, iſt falſch. DU Sam. 14, 24. gehört wohl zur Ver deutung treiben, und heißt: abgetriehem Fein if die Bemerkung, daß IN von ID verhhieden ſey, und mehe zerſchlagen, serfhmettern ꝛc. als zerbrechen heiße, fo wie, Das 90 nicht die Geberden, fondern den Laut der Wehklage bezeichne. Sehr ingenids iſt die: Ers Märung des ſchwierigen DYIM Sei. 28, 2. durch ſchnelt, . welche Bedeutung aus der erften ſcharf fließs, nach der Anas logie von "IT. Pſ. 84, 6. nimmt der Verf. ni»on trop. und elliptiſch für Wege Gottes Ob eine ſolche Ellipſe wohl möglich it? I AN 1. Moſ. 3, a. und KHabak.e,d,, deſſen Bedeutuns befanntlid nicht leicht iſt, Hat der. Verf. gar niht angegeben- In der letzten Stelle fcheint es uns bloß Berflägfung von ?2 in der Bedeutung: ja! zu fepn, und in der erften fommt es vieleicht unferm fo. denn nahe

. 40 Geſenius Sehr. Den. Handworterb. uͤber d. Ahr. d. A. T. |

Hab. 2, 4. ift die Verbindung dee Verbi N) mit BBun

in der Bedeutung ausgefprochen, Gefannt werden“

nicht bemerkt. Von DN fehle die Bedeutung profecto,

welche Spr. 8, 34. Jeſ. 29. 16. nicht wohl zu läugnen liſt;

wenigſtens haͤtten die Stellen bemerkt werden ſollen; ſo auch

Conſtruction von non mit * Hab. 2, 14. iſt vergeſſen. Wie der Verf. DI Br. 2, 7. genommen wiffen will, iſt nicht bemerft; eben e wenig wie ebendafelbft 80 ſtehe. Das

Fut. von IN iſt nicht AN), fondern DIN. Warum

vergleicht der Ber mit An dag „Arab. Wit den plur.

fract., und nicht das Wort 105 feld ? 2 Jeſ. 48, 6.

haͤtte wegen ſeines beſondern Gebrauchs bemerkt werden ſollen, heiße es nun Bundesſtifter oder Verkuͤndiger der Verheißungen.. an Pred. 3, 11. iſt nicht. erläutert.

Uns fiheint es in der Bereutung des neutefl. x0ouos, aibr

zu fiehen. Durd einen Drudfehler fteht ſtatt FR, TN- (Sierbey bemerken wir zugkeich noch, daB &. 396 Sp. 2.

2.17 0.9. Sef flatt Fer. ſteht; S. 771 Sp. 1. 3.13 v. o. 210? ſtatt 205: S. 27ı Sp. 2. 3. 15 v. u. Pf. 17, 6. ſtatt Pſ.7, 15.; S. 386 Sp. 2. 3. 26 v. o. Süden ſtatt Weſten.) Bey DII Becher fehlt die Angabe, daß es foem. if. Das Wort man fehle, und ift auch in dem

Nachtraͤgen nicht bemerkt. Das fchwierige Ton 3ad.d,7. -

iſt nicht erläutert. Von In fehle die Bedeutung Flehen Zach. 12, 10. Die Erläuterung von 72 NI 1. Moſ.

32, 14. vorhanden haben wir vergebens gefacht. De Gebrauch von N27 Pſ. 90, ı2. iſt Äbergangen. Die

Eflipfe, mie welcher HD? Di. 115, 14. fleht, hätte auch bes merkt werden follen. 2 in der Bedeutung wie Pf. 87, 20. 39, 7. fehlt. Bey Sm follte die Stelle ef. 56, 10. ans

die Bedeutung postquam oder quia ef. 55, 1. Die

.n

x

Beaind Gebr. Deut. Haudwoͤreerb. aber d. Chr. d. A. T. A

zeſthet (ya; bo rman die gewoͤhnliche Gedeutung in Zweifel ge⸗ pgen hat, Die ung jedoch beybehalten werden gu maͤſſen ſcheint. Das Bnwörtchenn 72. will der Verf. für eine Zuſammenziehung my Bitte nehmen; uns hat fih immer die Vergleichung des Rheinländifchen Mein! dargeboten. Leber on

Zeph. 3, 17., wo es wahrfheinlih vergnägt feyn bedeutet, it nihts angemerkt. Db es nöthig ift, 122 Zeph. 3, 18, auf min abfondern zurädzuführen, da es Klagl. 1, 4. bes Rimmt in .der Bedeutung traurenb vorkommt, und da das folgende 79 recht gut entfernt heißen konn? Die Bes bentung von 222 vereiteln, welche der Verf. Ser. 19, 7.

anwenden will , fcheint nice einmal in den Zufammenhang zu paſſen. Wir finden in diefer Stelle den häufig vortommenden Sedanten , daB Jehova Juda rathlos, verlegen, verwirrt mas Gen wolle, den Rath ausleeren ift alfo ganz ſchicklich geſagt, wie es fonft heiße: der Rath iſt verloren, verſchwun⸗ den, Ser. 4,9. "122 unverftändlic (von ber Sprade) Ezech. 3, 5. fehlt. Zur Erklärung des 7b 7 Spr. 11,21. 16, 5. wendet ‘der Verf. das Syr. —RX NN an; allein deſſen Bedeutung vicissim, unum post alterum paßt hier nicht, auch iſt der Unterfchied des verfchiedenen Praefir wohl nicht gleihgälttg. Der Zufammenhang fodert etwas wie nims mermehdr, faßte man nun die Bedeutung von Hand zu Hand, d. t. von Befchlecht zu Geſchlecht oder dgl., fo wäre man nicht meit Davon entfernt. Der pleonaflifhe oder affirmative Gebrauch von D}, befonders in den Spruͤchwoͤr⸗ tern Ci4, 20. 17, 26. 19, 2. 20, 11.), hätte wohl bemerft zu werden verdient. Die eigentfünlihe Bedeutung von . FM 1. Kön. 18, 7. Schreden, Furcht, Arg wohn fehle ebenfalls. Ueber die Form Von in Beziehung auf Pr 6, 3. ik nichts bemerkt. Der Name Zophar iſt vergeſſen. Die archapologiſchen, hiſtoriſchen und andern zur Sach— erklaärung gehörigen Artikel find in der Regel reichhaltig, und. mit Umsfiche und kreffendem Urtheil gearbeitet. Man findet da in dev Kürze die Aunleate tiefer und weisläufiger Sorfhungen

42 Geſenins Hebr. Deut. Handwoͤrterb. Über d. Schr. d.A. T.

zuſammengednaͤngt. Vortrefflich iſt der Artikel 2 durch

Sufammenftellung aller Stellen, wo dieſer Mame vorforhmt, will der Verf. wahrfcheinlich mahen, daß dieſer Name nie abſolut von den Israeliten gebraucht werde, ſondern immer nur relativ, im Gegenſatz mit andern Völkern. Hieraus ſchließt er, daß ihnen dieſer Name von andern Voͤlkern, be⸗ ſonders von den Cananitern, ertheilt wordern ſey, und unter⸗ flüge‘ damit die gewoͤhnliche Etymologie von ur Ganz

uͤberzeugend iſt dieſe Argumentation fuͤr uns nicht geweſen. Zuvoͤrderſt ſcheint uns jener relative Gebrauch des Namens nicht ganz entſchieden zu ſeyn; die Stellen 1. Sam. ı3, 3,7. find dagegen, wo Ebräer in einer Kundmachung Sauls an das Volk vorkommt, und dann ig, Parallelismus mit Is⸗ rael. Aber auch diefen Gebrauch zugegeben, fo folgt daraus nicht die behauptete Entſtehung diefes Namens, fondern nur dies, daf es der eigentlihe Volksname mar, während Israel und Söhne Israel der genealogiſche Ehrenname war. Dieſer Volksname konnte nun allerdings auf die Weiſe entſtehen, wie der Verf. annimmt, aber auch auf andere Weiſe. Die Hypotheſe (wenn wir uns recht erinnern, ſo hat fie Wahl vorgetragen), daß die Namen der drey Haupte zweige des ſemitiſchen Stammes IV ER und 139 u

fpränglich eins feyen, Hat ung immer ſehr einlenchtend geſchienen. Gegen die Vergleichbarkeit dieſer Namen unter ſich iſt wohl nichts einzuwenden. Auf jeden Fall iſt es richtig, was der Verf. bemerkt, daß der angebliche Stammoater aD, nur eine mythiſche Perfon fey, fo wie @3), D’IXD u. a. —— Die Artikel Or, MD»: ne j 2 find. vortrefflich gearbei⸗ tet. Was das erſtere betrifft, fo hatte der Rec. ſchon laͤngſt der Wink von Geddes zu 2. Moſ. 14, 7. auf die von den LXX angenommene Bedeutung Wagenktämpfer zurädgeführe, und er ift jeßt daruͤber fo entſchieden, wie man es über bers gleichen unfihere Begenftände ſeyn kann. Allein in die Stellen 2. Sam. 23, 8. 1. Chron. 11, 11. 12, 18. gehöre das Wort wahrfcheinlich nike, und ift nur durch Mißverfiändiß der alten Abſchreiber und Maforerhen hineingefommen, wie dena

Sefenins Hebr. Deut. Handwoͤrterb. über d. Schr. d. A. T. 43

in den Stellen der Chronik das Ketib auch anders lieſſt. Es kann in diefen Stellen nur die Rede feyn von Drey und von dreyßig Helden, die gleihtam einen Orden vow drepy und dreyßig Rittern und ihren Obern bildeten. 2. am. 23,8. iR daher ſtatt zu leſen entweder mit dem Keri in

V. 18. —— oder mit dem Ketib in 1. Chron. 211, ı1.

poibgir. ZIm Art. 709 dat der Verf. mit Recht die

ſchiefe Ableitung von MO berumftreifen abgewiefen, welche nur von denen erfonnen war, welche das vorausgefeßte Alter des Buchs Hiob vertheidigen wollten. nom nah den

—— und Tang. bie Bilder des Tpierkreifes, wos mit ) A Wohnung trefflid übereinftimmt. ms |

Nachtgeſpenſt durch das Zeugniß der Rabbinen und my thologiſche Parallelen trefflih erlaͤutert. naan purpurs

lau, gründlich erwieſen und mit den nöthigen Zeugniſſen Kst. DINIY nimmt der Verf. für den Namen eines

Dimons befonders wegen des Gegenfaßes mit Jehova in V. 8. dagegen ſtraͤubt fich unfer Gefühl, und die Anfiht , die wir vom ganzen Hebraismus haben, läßt nicht zu, Daͤmonologie in der Religionslehre, zumal in der .orthodoren, durd) den Geſetzgeber oder die Priefter fanctlonirten,; vor dem’ Babylor niſchen Exil anzunehmen. Man mäßte dann menigfiens bie Abfaffung des gefeßlichen Aufſatzes 3. Moſ. 16. tiefer herab⸗ ſetzen, als fonft der Charakter des Pentatenchs fodert. Jedoch wir brechen ab , und empfehlen jedem, dem es um grändliches Studium der Sebrälfgen Sprache zu thun iſt, die Benutzung

dieſes vortrefflichen Woͤrterbuchs. W. M.

Ueber den Kaiſer Julianus und fein Zeitafter. Ein hiftorifched ‚Ges | mälde von. Auguft Neander, außerord. Prof. der Theol. zu veidelberg. Leipsig, bey Friedrich Perthes aus Hamburg: 1812. 172 S. gr. 8 Son int vorigen Jahrganhe (N. 57. &. 903) iſt Ai

Schrift über den Kaifer Zukkan beutheile worden. weiche für

BE: W Meanden-üßer den Kaifer Julian.

die Würdigung dieſes merfwärdigen Mannes einen eigenthäms lichen Weg nimmt. Die vorliegende Bearbeitung deſſelben Stoffs wird allen angenehm ſeyn, welche eine billige , unbefans gene, hiftorifche Würdigung eines auch in feiner Verirrung großen Mannes zu fhäßen.wiffeg. Man wird feichter zu dem Ger danfen kommen, daß Julian zu vortheilhaft geſchildert, daß fein Heidenthum gu fehr idealifirt worden, als daß ihm Uns reht von Hrn. N. wiederfahren ſey. Da die Sefehe unfrer Zeits ſchrift ung eine eigentliche Beurtheilung dieſes Werkes, ala eines inlänbifchen, nicht erlauben, fo fönnen wir bloß durch) die Aus hedung der characteriftifchen Ideen und die Darſtellung des Ganges der Unterſuchung unſre Leſer auf ſeine Wichtigkeit aufmerkſam machen und die darin herrſchenden Anſi ichten bes zeichnen. Es zerfällt in vier Abſchnitte.

Abſchnitt ı. Das EChriftenehum im Verhaͤltniffe zu dem Zeitalter, in das ſeine Erſcheinung und Ausbreitung fiel (S. 1 —70). : Die Griechiſche Philoſophie endigte ihren erſten Lauf mit dem: Scepticismus des gegen feinen eignen Dogmas tismus gesichteten, zum Bewußtſeyn feiner grund s und bobdens loſen Unfiherheit gelangenden Verſtandes (unterſchieden von dem Scepticismus der beginnenden Philofophie, Anm. 1.) Eden dadurch wurden. aber wiederum objective Religionsformen dem denkenden menfchlichen Geiſte wichtig; und es erhob ſich von der Einen Seite ein heftiger Kampf gegen das jenen For⸗ men entgegengefeßte Chriftenthum , von der andern’ erregte das erwachte Beduͤrfniß einer belebenden Religion Empfänglichkeit für das Chriſtenthum. Aus dem herrſchenden Unglauben ging aber der Aberglaube hervor, „der nichts anders if, als das Gefühl der verlohrnen Verwandtſchaft mit Gott in dem Ins nern des Menfchen, dem Lebendigen“ (&, 13). Auch von dieſer Seite mußte ‚jenes Zeitalter vom Chriftenthum ſtark ergriffen werden, welches verfündigte, daß der Name Chriſti mit dem Glauben verbunden von der Herrſchaft des Bölen befreye, und die Wurzel des Aberglaubens wernichtete, indem es das Herz und den Geiſt von der fihtbaren ſinnlichen Welt zu dem tebens digen Goit erhob und an die ungertrennliche Gemeinſchaft, in welche der menfchlihe Geiſt durch Chriſtum mie Gott gefommen war, erinnerte, Hiernach Wird gezeigt, wie durd den herr⸗

A. Reander über den Hair Julich. Te

fein Scepticismus der Platonismus und der vhilo ſophiſche un religidie Efletsicismus- (als deſſen Mepräfentane Piutarch Setratet werden Tann ) den befiem und edlen Menfchen empfohlen wurde, wwie Die verfeinerte Abftraction und die den Antheopomorpbiemmus angſtlich meidende Verallgemeinerung die Sehnſucht nach individuellen religioſen Leben und religiäfer Semeinishaft reagirend hervorrief, und dadurch Liche zu dem Poinheiemus und. Haß gegen den Monstheismus als vers Reintlihe todte zum Acheismus führende Merftandesabftractiom tlfland, dann wie ein verfeinerter Polgtheismus mit geiftigen Res Agionsldeen wohl beſtehen konne. ( Die eigentliche. Wurzel. des Volotheismus ift mehr prastifh als theoretifch, .nir die Ides Tiner allgemeinen oder befondern. Theofratie konnte den Poly⸗ theismus practiich vernichten, Anm. 6.) Dieſe linterfuchung führe zu. der Auszeichnung des Charafteriftiihen im Chriſten⸗ tum nis geoffendarter Rigen im Gegenſatz gegen jenen Reopiatonismus und die Disherige Denkart und Weltanſicht überhaupt. (Das Chriſtenthum, an keine befondre bürgerliche Geſell ſchaft gebunden und den Charakter keiner befondern Nar tisnalität tragend, war die Religion der Menſchheit, etwas noch nie gedadytes und Bene, und trat in ein ganz anderes Berhättnig zu. dem Leben der Menihen als die bisherigen Beigionen , indem es das zeitliche Leben nur als Mittel für Ye. un ſichtbare Welt darflellte, lehrte daher sine viel höhere und vollkommnere Moral, ſchien aber den Heiden eben dadurch Die Liebe zum Marerlande zu unterdrikfen, u. f. w.) Daher «bob fi zwar ein heftiger Kampf gegen das Chriftenthum, aber gerade diefer Gegenſatz eröffnete ihm wieder die Gemüs her. Die reine Dffendarung fand gegenüber dem fchmanfens den Eklekticismus, Die göttlich s menfchliche Neligion der alle Beichräntung verachtenden Contemplation. Auch dieſes war dem Chriftentyum förderlih, daß ed als eine über alle fichtbare. Formen erhabene, und zwar keine glänzende Ideale der Phantafie aber aufmunternde Muſter der. Tugend im Wirken und Leiden Barbictende Weltreligion dem menfhlihen Sefchlehte in einer Zeit der Auflöſung und firtlihen und politifchen Erfchlaffung dargeboten wurde. (Mannigfaltige Wendungen des Ekleklicis⸗ mug im Kampfe oder in der Berührung mit dem Chriftenthum ; die eigenstich charakteriſtiſchen Lehren des letztern geben am meiften Veranlaſſung zu fremdartigen Mifchungen ; Selten, Snoficismus. Anm. 6. fg.) | = Aughmärt 2. Ueber Julians Erziehung und. Bildung Bis zu feiner Beſteigung des Kaiferthrone ©. -71’— 208. Schon in der Fugendzeit Julians offendarte. ich fein tiefes und zugleich hochſtrebendes Gemuͤth im Gegenſatz mit ſeinen

1

16 A. Neander über den Kaiſer Zulian,

damaligen boſchraͤnkten und brädenden Lage. Er war damald voll ungeheuchelten Eifers und inniger Wärme für das Chri⸗ ſtenthum, und verabfchente das Heidenthum. Mah feiner Zuruͤckkunft aus Cappadocien nah Konftantinopel fam er im "die Schule des Lacedämonifhen Juriſten Nikokles, deffen phis

loſophiſch allegerifche Auslegung der Dichter des Srichifhen

Alterthums Sultans fenrige Phantafle und feinen nach dem Verborgenen forichenden Seift noch mehr erreste. Da die das Göttliche in Knechtsgeſtalt ankündigende Religion fein das Außerordentlihe und Glaͤnzende fuchende Gemuͤth nicht ans fpeach, fo bewirkte feit jeiner Verſetzung nah Nicomedien der Umgang mit den dortigen Neuplatonikern und die Bekannt⸗ fehaft mit den Lehren des Libanius feine Hinwendung zum Heidenthum um deflo gewiffer,, je mehr feine chriftlihen Leh⸗ rer fi bemüht Hatten, ihn bon aller Verbindung mit den Neuplatonikern fern zu halten. Nicht ohne Einfluß waren die auf . Zultan bezogenen Weiſſagungen unter den Heiden von eınem Manne, der den Glauben an die Götter des Alterthums und ihre Verehrung wieder herzuftellen. und dann über das Römis she Reich zu herrſchen beſtimmt ſey. Die Leberzeugung von einer folhen Beflimmung ward in Julian fowohl duch fein inneres als fein äußered Leben genähre. Wir machen noch auf die Charakteriftit der verfchiedenen Neupfatoniler, welhe auf den Kaifer Julian wirkten, aufmerffam (Vgl. Anm. g. &. 89). Abſchnitt 5. Ueber Julians religtöje und phuͤoſophifche

Anficht Überhaupt, feine daraus hervoraehende Anſicht vom

Chriſtenthume und die- Mittel, burch welche er feine teligiöfen Ideen als Kaifer zu realifiren fuchte. S. 105 144. Die allgemeinen aus dem erſten Abſchnitt hervorgehenden Reſultate werden hier auf den individuellen Eklekticismus des Kaifere Julianus und deſſen Verhaͤltniß zum Chriſtenthum angewande. Durch das chriſtliche Princip uaͤberhaupt, nicht durch das bes ſondre katholiſche, wurde Zulian vom Chriſtenthum entferne. Bey ihm war Kunſt, Wiſſenſchaft, Staat, ſelbſt der Krieg mit der Religion verfhmolzen, daher genügt: ihm das Ans fpruchelofe, demüthige, zu dem jenfelts des irdiihen Lebens liegenden hinweifende Chriſtenthum nicht. Aus dem Cynismus

Sulian’s, der fih dem Chriſtenthum ſcheinbar fehr näherte, aber.

ſich doc fehr von Lemielben entfernte, werden feine Verſuche, eine neue Kirche zu gründen, abgeleitet.

Aubſchnitt 4. Meber den Zuftand der chriflihen Kirche zur Zeit des Kaifers Julian und fein. Verfahren gegen dies ſelbe. ©. 145 ı78. Zuerſt von dem Verderbniß der Kirche in ihrem Innern dur die Vermifhung mit dem Weltlichen, weiches fie zu bekämpfen aufhörte. Eben dadurch bildete fich

A. Neauder über:den Kalfer Jullan. MM

eine Reastion in der Kicche, welche ſich vornchmlich in den Unruhen der Denariften zeigte, die hauptfaͤchiich das Ver⸗ derbniß der Kirche durch ihre Vermiſchung des Wehtlihen bes fimpften, dann aber auch zugleih duch ihre Aeußerangen über chriftiihe Freyheit Mißverfiändniffe veranlaßten, die in Hinſicht ihrer Yratur und ihrer Wirkungen fehr ähnlich denen waren, Durch welche die Bauernunruhen zur Zeit der Nefors mation hervorgebracht wurden. Um das Merfahren Julian's gegen die Chriften nicht ungerecht zu beurtheilen, muß befonders das Verhaͤltniß der feßtern zu den Heiden feit dem Religionskriege wiſchen Conſtantinus und Licinius beachtet werden. Der Uevermutd der Chriſten entzändete bey den Heiden Rachſucht, und bewirkte, nachdem durd Sjulian das Heidenthum tieder auf den Thron gebraht morden, furhtbare Verfolgung, an weicher der Kaifer felbfi keinen directen Antheit Hatte. Denn Glaubenszwang und Verfolgung Maren weder den politifchen, noch den individuellen religisfen und philoſophiſchen Grunds fügen Julian's -angemeffen. Mancher bürgerlichen Vortheile mußte er die Chriſten berauben, weil jene nach feiner Anſicht mie der Religion enge verknüpft waren. Aus diefem Geſichts, yanct wird Das Geſetz beurtheilt, welches den Chriften dad Recht, oͤffentliche Schulen der Rhetorik und Litteratur zu Hals wa, nahm ( obgleid) allen Sünglingen, auch den Chriftlichen, bt blieb, ſolche Schulen zu beſuchen). Gleichwohl, fo Zulian das Tumultuariihe und die Unduldſamkeit hafte, f6 beförderte er indirect die Werfolgungen wider Die Chriften, weil er: in feiner religioͤſen Schwärmerey für das denthum fich es nicht erlaubte, die Chriftenverfolger zu firafen. iedenheit in feinem Betragen gegen die chriſtliche Geifts lichkeit und gegen die übrigen Ehriften, und Entwidelung der Urſachen die ſer Verſchiedenheit. Manche: einzeine den Grund⸗ fügen Juliarnſs widerſprechende Handlungen, 3. B. einzelne Berfolgungern, werden aus Widerſptuͤchen in feiner Gemuͤthsart, deren er ſelbſſt ſich nicht unbewußt war, aus. Aufwallunzen der eidenichafe erklärt. Beine forfakifchen Aeußerungen über das Wirkungen augenblicklicher Laune, ſchadeten ihm ſchon in ſeinem Zeitalter und. bewirkten ungerechte Beurthei⸗ lung feiner Grundſaͤtze. Am deutlichſten offenbarte ſich feine Idee, das ihm ‚vorihwebende Bild des Alterthums unter vers änderten Zeiten, und Sitten wieder ins Leben zurüczubringen,, bey feinem Maßen Aufenthalt zu Antiochien, vor der Eröffnung des Perſiſchen Kriegs, in welchem Julian (im 32. Jahre feis nes Lebens ) „als Märtyrer für eine ihm befeelende Idee, die Barbaren, die Perfer, gu demüthigen,“ fiel, :

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48 8. Vendamb-über De Relig. der Hebr. v. Moſes.

Wir muͤſſen noch bemerken, daß alle hier - angsdenteten- Entwickelungen durchaus mit Belegen ſorgfaͤltig unterſtuͤtzt ſind, und daß die ausfuͤhrlichern Anmerkungen am Ende jedes Ab⸗ ſchnitts manche lehrreiche Eroͤrterungen uͤber die philofoppifche und veligidfe Denkart Julians und feiner Zeit enthalten.

Weber die Religion der Ebräer vor Mofes. Don Lagarud Bet david. Berlin, bey Julius Eduard Hitzig. 1812. IV, ©. &

Daß die, Verfchiedenheit der Namen Gottes im A. T., befonders der Senefis, El, Elohim, Jehovah u. f w., nicht zufällig fenn fönne, fondern auf einem tiefern Grunde beruhen muͤſſe, vielleicht anf der Verſchiedenheit veligidfer Anfichten verfchiedener veligidfen Schulen, if längft bemerkt worden, Kerr Bendavid macht nun in diefer kleinen Schrift einen Vers ſuch, aus diefen Namen den Zortfchritt der veligiöfen Bildung des Juͤdiſchen Volks abzuleiten, dem man mit Ausnahme der gegwungenen Etymologieen, wenn man es nicht fehr frenge nehmen wiß , das triviale Lob zugeſtehen kann: Se non vero etc. Er nimmt an, die Aegypter, denen das Juͤdiſche Volk feine religidfe Bildung verdanfe, hätten drey Grade eis nes Eultus, der nicht mehr Goͤtzendienſt geweſen fey, ‚gekannt, . Dualismus, Zebaoıhismus (Dienft des Heers der Narurkräfte), Spiritualismus oder Theismus. Dee Hebräifche Stamm habe bis zu Sofeph’s Zeiten ſich noch nicht Über die beyden erftern oder niedern diefer Stufen erhoben. Paban und fein Geſchlecht feyen Duatiften gewefen (in ben Theraphim DIES von AN

md N, Stiere des Zorns, findet auh Ar. B. den Sera⸗ pis); Abraham und fein Geſchlecht Zebaorhiften. Der Name Schaddai, der Bebruͤſtete, weicher dieſe Anſicht bezeichnet (vor 79 die Bruft, wovon aud DITD Dämonen), bedeute

eben fo die Aypoftafirte Natur im Zebaothismus als die Iſis der Aegypter. In dem Namen Elohim, wodurch Naturfräfte bezeichnet worden (von un die Kraft, z. B. 2 B. M. XV, 21), findet der Verf. eine fihere Spur des Polytheismus. Durch Mofes erhielt endlih das Juͤdiſche Wolf die hoͤchſte Weihe, es wurde zu der fpiritualiftiichen oder rheiftifchen Ans he erhonen, welche durch die Namen Jehovah und Ei eljon ausgedrückt wird, . 3* Lean

No. 4. Seidelbersifhe - 4843, Jahrbücher der Litteratur.

I) Johannes Müller oder Plan im Leben, nebst Plan im Le- sen, und von den Grenzen weiblicher Bildung. Drey Reden von D. Karl Morgenstern, Russisch Kaiserl, Hofrath , ord.. Prof. d. Beredsamkeit und alıclass. Philolo- gie, der Aesthetik und der Gesch. der Literatur u. Kunst an der Kaiserl. Universität zu Dorpat etc. Leipzig bey Göschen 1808. VI u. 1228; 4. (2f|.)

9) Memoria Joannis de Mülter viri summi m corsessüu so» cietatis Regiae se. Gektingensig inter desideria lugentium celebrata, interpree Ch. G. Heyne. Die X, Juni MDCCCIX. Göttingen bey Dieterid. 12 &. 4.

9 Memoriam Joannis Mülleri ... Civibus commendat Aca- demia Frid. Halensis. Halle im Waifenhaus 1809. 32 S. '2.

4) Johann von Müller der Hiftorifer. Bon A. 9. £. Heeren. Virtus clara aeternaque habetur. Sallust. Zeipgig bey

Goͤſchen. 92 ©. 8. (8 gr.)

Johann von Müller von Karl Ludwig von Woltmann. Berlin b. Hitzig ı810. VIII. 316. LXXLSG. 8. (i Thlr. gr.)

6) Lobſchrift auf Johann von Müller den Geſchichtſchreiber. Geleſen

in der K. Akademie der Wiſſenſchaften zu Münden am 29ten Mai ıgır von Friedrich Roth, D. K. Baierifhem Ober⸗ ſinanzrathe und Mitgliede der Akademie. Sulzbach bep Seidel su 46 S. 8 (24 fr.)

Use {ehe wenige Deutſche Schriftftellee iſt fo viel gefchrie: bin worden, wie Über Johannes Müller: und wenn ſich hieraus zwar nicht mit völliger Sicherheit ſchließen laͤßt, daß diefer ernſte und Gelehrte Hiftoriker ein fehr großes, für ihn ſich lebhaft intereffirendes Publicum gehavt habe (man möchte winſchen, daß zur Ehre der vaterländifhen Denfart und des altkräftinen litteraͤriſchen Geiſtes unferer Zeitgenofien fo etwas daraus gefolgert werden koͤnnte); fo fcheint doch faft keinem Zweifel unterworfen , daß der Mann, über deſſen litterärifche Vidung, Eigenrhämlichkeie und. Wirkſamkeit imegrere Schrift⸗

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50. Schriften aͤber Johannes Muͤller.

ſteller, zum Theil vom erſten Rang, ihre Stimme abzugeben ſich berufen fuͤhlten, mannigfaltigen, vielſeitigen und reichen Stoff zur Betrachtung dargeboten haben muͤſſe; ein ſolcher Menſch gleiche einer herrlichen Gegend, in welcher jeder aufs merffame und gemüthliche Beobachter etwas finder, das ihm zufagt, deren gelungenfie Schilderung fie nicht erfchöpft, und die nach vielen mahlerifhen Befchreibüngen noch immer neue Seiten darbietet, von denen fie mit Theilnahme und - Liebe ‚aufgefaßt und dargeftellt werden kann. So fiheint os hannes Muͤller ſeinem Vaterlande, der einfach großen Schweiz, nicht unaͤhnlich zu ſeyn, welche unzaͤhligemal und vortrefflich beſchrieben dem für die ſtets neue Herrlichkeit der Natur empfaͤuglichen Gemuͤthe neue Anſichten und freygebig lohnende Veranlaſſung zu fruchtbaren. Betrachtungen offenbart.

Sn J. M. ift der Menſch, der Welehrte, der Hiſtoriker, der Polititer und der Geſchaͤftsmann merfwärdig; und fo wie dieſe verſchiedenartigen Beziehungen; unter welchen er an ſich und in der Erſcheinungsweit betrachtet werden kann, oſt in einander fließen, und ohne gewaltthaͤtige Verletzung. der nur in ihrer Verſchmelzung beſtehenden Wahrheit, keine ſcharf abſcheidende Trennung zulaſſen; fo dürfte foft eine willkuͤhrliche Verbindung, oder richtiger Vermiſchung der Gefichtspuncte, aus denen fein Wefen, Denken und Wirken angefehen werden fann, der gerechten Würdigung feines Verdienſtes unvermeidli⸗ chen Eintrag gethan haben. Daß er durch feltene Ausdauer angeftvengten Fleißes eine bewundernswerthe ‚Fülle gelehrter Kenntniffe ſich erworben habe, darüber find Alle einverftanden; bloß Mathematik und Naturwiſſenſchaften ſcheinen ihm fremd geblieben zu ſeyn, und aus ſeiner, durch genetiſche Bildung und fruͤhe feſte Richtung des Geiſtes erklaͤrbaren Abneigung gegen die erſtere machte er ſelbſt kein Geheimniß; dagegen war philologifhe und theologifche Erudition , Staatswiſſen⸗ ſchaft, Rechtskenntniß, Gefhmad-und Kunſtgeloͤhl ‚auf bad glücklichfte in ihm vereinigt; er hatte eine Beleſenheit, wie fie feit Saumaife und Leibnitz nicht Häufig gefunden ward, eine nie befriedigte, nis erfchlaffende Wißbegierde, eis nen immer jugendlich + frifchen Eifer für die Fortbildung ſeines Geiſtes und für die Erweiterung feiner Kenneniffe. Als Menſch

Schriften über Johannes Müller. SL

hitt ee in einer Lichendwärdigfeit hervor, weiche in diefem Grade außerſt wenigen Gelehrten und Sechriftſtellern zugeftans den werden Canın 5 Die ihm eirnmwöhrende Mitte und Weichheit, die in feine ganze Natur innig und unferereintid verwebte Humanitaͤt, Die vein kindliche Hingebung an jedes ſich freund⸗ lich aukͤndigen de Sute, die warme herzliche Theilnahme an Andere: Freude Und Kummer, das immer rege Streben zu begluͤken und zu helfen, die unter keinen Umſtaͤnden erkaltende Treue, faſt ſchwarmeeriſche Anhänglichkeit an bem Kreife feier Lieben, die von erſter Kindheit an bis zur Gruft ſich gleich bleibende Pierät, Die Verföhntlichkeit gegen Feinde, die Zart⸗ heit in gefeliihaftlichent Verhälenifgen, wer mag fie verfennen über mißbeuten , als wenn‘ alles Menſchliche Tand und Thors beit it? Und wie war dei gegen feine Mitmenſchen ſo nachſichtige Mann ſtreng gegen ſich ſelbſt? wie chat er fich nie Genage ? wie war et durchdrungen von Pflichtgefuͤhl? wie beſeelte ihn Kraft, aus Religioſttaͤt, aus lebendigem Giauben ar Vorſehung und Wuͤrde der Menſchheit entquol⸗ kn? Für alles dieſes liegen die Bewelſe oͤffentlich in fe wen ; nicht für das Publicum beftimmiten, nad) feinem Tove bekannt gemachten Briefwechſel vor; wer fehen will, kann fehen : einer beurtheilenden Anzeige der Muͤller'ſchen Merk darf Hier nicht vorgegriffen werden ; es ift genug, im Allge⸗ meinen auf dieſes Urkundenbuch zum Leben And Charakter Eines edlen Menihen aufmerffani gemacht gu haben:

Das, was der Schriftſteller als Menſch it, darf bey der Schaͤtzung des Hiſtorikers nicht unbeachtet gelaffen werden. Diplomatiſch genau und zur entſchiedenen Bereicherung der änferen Wiſſenſchaft ſammeln, kann der fleißige Gelehrte; die Materialien lichtvoll zu ordnen, Ereigniſſe und Vegebens heiten in ihrem Zuſanimenhange und Erfolge anſchaäulich les bendig in ſchoõner Sprache darzuſtellen, und kreffende Bemer⸗ kungen unð Urtheile einzuflechten, vermag der kunſterfahkne und gefbte Schriftſteller. Aber dad Streben nad) einen Böhes ven Ziele, der Alles durchdringende Wille, Mirwelt und Nach⸗ kommen zumi Sdlen und Großen, Guten und ren zu beſtimmen, ganze Gefchlechter zu begeiſtern fͤr KöhPlnd Zr gend, die Semüther mit heitigen Entſchließungen gu befruchten;

2 Schriften uber Johannes Müller.

Diefes Streben ;. diefer Wille wohnt nur in einem heiligen Gemuͤth, das mehr Hat als Wiffenfchaft und Kunft, das von der Allmacht unausſprechlicher Ahndungen beherrſcht wird. Solch ein Geiſt bricht in Muͤller's hiſtoriſchen Darſtellungen durch, und fordert. laut und dringend auf, an den inneren Menſchen des Schriftftellers zu denken, der als Hiſtoriker bes urtheilt werden ſoll. Es bleibt daher lobenswerth, wenn zur Würdigung eines ſolchen Gefchichtfchreibers ein ganz anderer Maßſtab gebraucht wird, als bey unzähligen andern, äußerlich verwandten Schriftftelleen gewoͤhnlich iſt; es erfcheint ganz: in dee Drdnung, wenn ber Charakter des Hiſtorikers nicht iſolirt, Sondern vielmehr in feiner natürlichen und allein zur wahrhaft ten Vollſtaͤndigkeit und Einheit der Anficht führenden Verbin—

bung mit dem Charakter des Menfchen dargeſtellt wird; ob

ſich gleich ein richtiges Reſultat unter nicht ausgeſprochenen, ſondern nur in ihren Wirkungen angedeuteten Vorausſetzungen auffaſſen und darlegen läßt; und auf keinen Fall iſt eine wis drige Analyſe (die nicht einmal ſo unwahr zu ſeyn braucht, wie die von Woltmann'ſche iſt, um verwerflich zu ſeyn) aller und jeder menſchlicher Verhaͤltniſſe erforderlich, wenn eine ſo preiswuͤrdige, durch fromme Achtung fuͤr EIN er⸗ zeugte Abſicht erreicht werden ſoll.

I. v. M. verdiente alfo die Ehre, welche ihm in No. 1.

widerfaͤhrt; in ſeinem inneren, wiſſenſchaftlichen Leben herrſcht

zuſammenhaͤngender feſter Plan; in ſeinen Studien und Grund⸗ ſaͤtzen findet ſich eine mit ehrwuͤrdigem maͤnnlichen Ernſte durch⸗ gefuͤhrte Conſequenz, welche ſo einfach iſt, daß ſie von Allen erkannt und von ſehr Vielen als Richtſchnur angenommen und

befolgt werden kann; die eigenen Bekenntniſſe in Briefen und

die Reſultate ſeiner Beſtrebungen, unvergaͤngliche Denkmaͤler

Deutſchen Fleißes, vaterlaͤndiſchen Sinnes, litteräriſch vers edelter Nationalität und tief begruͤndeter Frömmigkeit, liefern

den Beweis; und Hr Morgenftern bat diefe reichhaltigen Materialien zu einer anfchaulihen Darftellung bes mufterhafl Verdienftlichen im Selbſtbilden, Fortſchreiten und Bewahren des Spies, mit Umſicht zu finden und mit Beſonnenheit und rednerifwger Klarheit zu benußen und zu verarbeiten gewußt.

Jedoch irrt er darin, daß er die Müllerihe Planmaͤßigkei

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Schriften über Johannes Müler, 83

anf das Außere Leben bes fih einer Höheren Führung vers trauensooll Hingedenden und feine Bünfche und Abfichten unter - dem wnerfchtterlichen Glauben an diefelbe gefangen nehmens ten, auch in Diefer Hinſicht feltenen und von beichränkten, für folhen Gottesſinn unempfänglihen Egoiften mißverſtandenen Mannes ausgedehnt hat. immer bleibt dieſe erſte Rede, mit den ihr beygegeben reichhaltigen und finnvollen Anmerkungen, ein ſchaͤtzbarer Beytrag zur genaueren Kenntniß und richtigern Värdigung des menſchlichen und litterärifhen Charakters und der eigenthuͤmlichen Verdienſte des größten Hiſtorikers, weichen Deuntſchland Bis auf den heutigen Tag beſeſſen hat. Die Sprache des Redners iſt koͤrnig, blühend und edel; nur ein einziges Mal S. 50 fälle fie duch die faſt burleske Parenthefe: „ich wette, er reif’e noch einmal nad London!“ aus ihrer Wuͤrde; und in einigen Anmerkungen ift das Beftreben, den Ton und die Manier zu muͤlleriſiren, allzufihtbar. Die zweyte Rede über Plan im Lefen ik dem Geifte und Zwecke nach mie der erften nah verwandt. Sie gehet von ber Betrachtung des möglichen Mißbrauches großer Buͤcherſammiungen aus, und &. DR. erlaubt fih (8.62) eine Anipielung auf Göttingen, welche um ſo ſchicklicher hätte unterdrückt werden ſollen, weiß er ſelbſt fie für ungerecht erklaͤrt, wie fie es wirklich if. Das gegen find Bie Warnungen gegen Biellefevey oder Lefewuth ganz an ihrer Stelle, und mögen in vielen Städten Deutfch, lands dringenderesd Bedürfnig ſeyn, und mehr Beherzigung erheifchen als in Dorpat. Eben fo gerecht find die Klagen über die Verkehrtheit, weiche das kefeluffige Publicum Deutſch⸗ fands in der Wahl der Bücher beweiſet, und über die empös vende Vernachlaäßigung feiner Claſſiker, welche fih daffelbe zu Schulden kommen läßt. Die Hauptfumme aller Weisheit im Lefen wird fiir fludirende Juͤnglinge darin zufammengefaßt : „Lies außer den Schriftftelleen, die du deines gegenwärtigen ober fünftigen Berufs halber leſen mußt, nur die claffiichen!“ Unten Elafitern werden Diejenigen verftanden, weiche rein menſchliches Intereſſe baden, indem fie den urfprünglichen Menſchenſinn für das Wahre, das Gute, das Schöne unmittelbar, und nicht jeden befonders, fendern den dreyfachen Sinn zugleich beſchaͤſtigen, den Menſchen im Menſchen aus eigenem hoͤhern

54 Schriften über Johannes Müller,

Leben zu hoͤherm Leben bilden. In den Feldern ber Poeſie,

Beredfamkeit, Berichte und Philoſophie müffen fe geluch werden. Daß unter unfern Deutfchen Claſſtkern weder Utz, noch Ramler, weder Gerſtenberg, noch J. NM. Goͤtz and Claudius, daß von Romanen-Verfaſſern nicht einmal IJ. T. Hermes und F. H. Jakob i genannt ſind, faͤllt auf; Garve hat bey den Philoſophen einen Platz gefunden ; wen auch das Lefen der Humoriſten ( ©. Bo) dem fpäteren Leben vorbehalten wird, fo Hätten feldft für Ddiefes Hippel und Sean Paul eine Ehrenmeldung verdient. Die Winke über Folge und Methode im Lejen find vortrefflih, und verrathen eben fo viel Erfahrung als Geſchmack und Geiſt. Die dritte Nede von den Grenzen weibliher Bildung tft bey Eröffnung der kaiſ. Töchterfchufe zu Wyborg d. g. Aug. 1805 gehalten worden. Ste verbreitet fih uͤber weiblichen Beruf und weibliche Bildung, und enthält viel Angemeffenes und Durcdachtes, wie es von einem ſolchen Verf. erwartet werden kann.

No, 2. iſt der Ausdruck dankharer Erinnerung an die Wohlthaten, welche die Goͤttingiſche Sorierät ihrem Mitgliede zu verdanken hatte; wirklich war fie ihm ihre Fortdauer ſchul⸗ d'g (S. 4), odgleih Rec. bezmeiflen moͤchte, daß, die Erifteng einer fo geachteten gelehrten Geſellſchaft unter einer fiberalen und für Kunft und Wiſſenſchaft fi fo guͤnſtig aͤußernden Res gierung auch nur Einen Augendli gefährdet geweſen feyn koͤnne; gewiß haben Mißverfländniffe und Irrungen uͤbet Drganifationgs Formen Zögerungen und daher Beſorgniſſe vers anlaßt. Doc, bleibe damit dem für alles Litterarifche, und befonders für Goͤttingens Wohl eifrig thätigen Muͤller das unbeftrittene Verdienſt (©. 9), die zur Unterhaltung ber Geſellſchaft erforderlihen Summen gefihert, für Wiedererftats tung defien, was durch dringende Zeitumflände entzogen worden war, geforgt, und die zur Fortdauer bee Gelehrten Anzeigen und ber Commentationen nöchigen Ausgaben gedeckt zu haben ; auch bewirkte er die, ſpaͤterhin zum Landesgefege erhobene, Eenfurfreyheit. Daß der Redner. (8. 4) lauter Klagen ers mähnt, welche von Mehreren über Müllers Geſchaͤftsfah⸗ rung erhoben wurden, iſt Jedem, der mit der Lage der Dinge

Schriften über Johannes Muͤller. 55

im Jahr 1308 niche ganz unbekannt tft, fehr begreiflich; bie Enden AngelegenHeiten befanden fih in einem ungeheuren Eis, und es ließ fich kaum ein in denfelben entfichendes Syſtem ahnden ; Der bald Schreden, bald Freude erregenden Getuͤhte und Vermuthungen gab es eine Legion; die zudring⸗ fihen Forderungen und Geſuche maren ohne Maaß und Ziel; Miller mie feinem Enthufiasmus für. Wiſſenſchaft und mit feinem weichen miennfchenfreunblihen Herzen, das Allen helfen und jedem Beſorgten Beru,igung verfchaffen wollte, that auf Einmal gu viel, und berücdfichtiate mehr das Einzelne als dns Ganze; feine Troͤſtungen, feine Aufmunterungen, feine Hoff⸗ uungsäußerungen wurden als officielle Erklärungen angefehen, verbreitet und mit Mutzanwendungen ausgeflattet; in den ers fien vier Wochen feiner dffentlihen Wirkſamkeit mußten ſchon viele Unzufriedene entfiehen, denen nichts raſch und ihrem Egoismus gemäß genug ging. Dem Charakter, dem Geiſte und Willen Müllers laͤßt der feit der erſten jugendlihen Entwicelung „mit ihm befannte ehrwuͤrdige nunmehr ſelbſt verewigte Heyne ( S. 20 f. ) volle Gerechtigkeit angedeihen; es ift ein gehalt volles Wort, was er als Refultat Über ihn auffpricht: „non difitendum est, nostris hisce temporibus hominibusque eum nec natum fuisse nec nasci debuisse ; alieno itaque tempore, nec suo nec nostro, eum vixisse.“

No. 3. Der geiftreihe Humaniſt Hr. Prof. Shüs bleibe in feiner, im Namen der Univerſitaͤt Halle verfaßten, durch Römifche Eleganz und durch Gedankenreichthum ausges zeichneten Denkſchrift bey dem’ hiftorifchen Verdienfte Müllers fiehen, und fiellt das Bild feiner geiftigen Bildung und Wirks famfeit ats Mufter auf, dem Studirende nachſtreben ſollen. Deutſchland, fo reid) an vortrefflichen Schriftftellern aller Art, it arm an großen Hiſtorikern, und frepli wird, um ale Geſchichtſchreiber ſich auszuzeichnen, ein ſeltener Verein gelehrs ter Kenntniſſe und ſittlicher und aͤſthetiſcher Eigenſchaften er; fordert; nicht zu gedenken der ſtark eingreifenden aͤußeren Verhaͤltniſſe, unter welchen ein im ſtrengeren Sinn’ gutes hiſtori ſches Werk allcia gedeihen kann; ſeit wann heerſchet eigentlich Publicitaͤt? ſeit wann Willfaͤhrigkeit der Regierungen, Archive zu offnen, und das, was daraus muͤhſam gewonnen

56 Schriften über Johaunes Müller,

iſt, befannt machen zu laffen ? und wie befchränfte ſich folche Willfaͤhrigkeit oft durch Angftliche Ruͤckſichten auf fleiffinnig feftges Haltene Rechtsformalitaͤten, oder auf vermeintlich nachtheilige Volksaufklaͤrung, oder auf Beihädigung dis fogenannten Fas milienglanges.? und wo war Nationaliinn ? wie iparfam wurde Schriftfielleriiches Kunſttalent in unfern gelehrten Erziehungs anitalten geweckt, gepflegt und zu einiger Reife gebracht 7 Es iſt noch immer merkwuͤrdig, daß Deutichland in dem lebten Miertheile des achtzehnten Jahrhunderts fo wiele gute Hiftorifer hervorgebracht hat, welche zwar nicht mit den, großen Alten und ‚mit den durch ihre Werfaffung gehobenen Britten um den Kranz buhlen können, aber doch nur von einigen Italienern Der fchönen Zeit und von wenigen Spaniern ubertroffen mers den. „Illud accedit, fagt der Verf. S. 7 fehr richtig, cur hoc minus mirabile debeat videri, quod quum historia nec institui possit, nisi praeparato atio, nec exiguo tem- pore absolvi, nostris hominibus ad ista studia natis et factis, aut raro, aut numquam vacatio publici muneris, isque otii fructus concedatur, quem Humio et Gib- bono aliisque eorum similibus scimus contigisse. Prae« stantissimi enim Germaniae historici, vel rei publicae administratione vel institutione juventutis academicae sic detinentur, ut miraguli instar sit, eos horis subsicivis tantum, quantum in hoc arte elaborarint, praestitisse, nedum ut iis vitio vertendum sit, eos Opus institutum vel inchoatum reliquisse, vel si ad finem perduxerint, non omnes summae perfectionis numeros explevisse. Ita- que nec Mäserum nostrum historiam Osnabrugensem; nec Sprengelium Britanniae, nec Schillerum hi- storiam defectianis Belgarum absolvere potuisse , dolen- dum potius est quam admirandum; ac tanto majore cum Jaude praedicandum Schlözeros nostros, H.erderos, Plankios, Schröckhios, Heerenios (Schmid- tios, Spittleros), longis operibus iisque elegantissi- mis, quum tot. aliis negotiis districti essent, perhiciendis pares fuisse.“ Auh Johannes Müller konnte nur unter vielfachen Lebensmühen, Geſchaͤftszerſtreuungen und läfigen Unterbrechungen, fein Hauptwerk, die Geſchichte der Schwert

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Schriften über Johaunes Müller, 87

riſchen Eidsgenoffenfchaft bearbelten. Es war herkuliſcher Fleiß erforderlich, um Die überall zerſtreuten Materialien und Noti— gen zuſammen zu. bringen, und es lag in dem durch Local— und Staatsverhältnifie zerſtuͤckelten Stoffe eine eigenthuͤmliche Schwierigkeit Der Darſtellung, welche nur vaterländifches In⸗ tereffe gu überwinden vermochte. Der höhere didaktiſche Zweck, weiher diefee Unternehmung zu Grunde lag, wird ©. ıı genügend angedeutet und das Verfahren des Geſchichtſchreibers vollſtaͤndig gerechtfertigt. Auf feine mufterhafte Treue, Wahr⸗ beitsliebe und Unpartheylichkeit wird aufmerkſam gemacht, ohne die Milde zu verſchweigen, welche ſich in ſeinem Urtheil uͤber das Tadelnswerthe offenbart, und wovon die Charakteriſtik K. Ludwig XI. als ſprechendes Beyſpiel in koͤſtlicher Lateini⸗ ſcher Ueberſetzung (S. 15 f.) aufgefuͤhrt wird. Das Verdienſt⸗ liche in der Oeconomie des ganzen Werks, in der genauen und mahleriſchen Angabe des Schauplatzes, in der anſchaulichen Darſtellung der Denkart und der Bitten verfloſſener Jahr⸗ hunderte, in der Beſchreibung der Schlachten, in der Entwidelung der Verfaſſung und Verwaltung der einzelnen Staaten, in der Beziehung des Einzelnen auf das Ganze, in dem wuniverfaldiftorifchen Blicke, kurz Alles, was an diefem Meiſterwerke dem forgfältigen und kunfterfahrnen Beobachter zuſagt, wird bündig und mit anfchaulicher Klarheit angedeutet und hervorgehoben. Auch über kleine Gebrechen und Mängel, über die Zülle der Citate, uͤber die ofe fremdartige und .uns gleiche Sprache erklärt fih, Hr. S. eben fo gerecht und uns parthepifeh freymuͤthig, als mit feinem kritiſchen Blicke und aͤcht antikem Kunſtſinn. Man trennt ſich ungern von einer materiell und formell fo vollendeten Schrift, und nur in der Vorausſetzung, daß diefe Bogen, mehr als andere academifche Selegenheitsfchriften, in das größere Publicum durch Buch handel gebracht worden find, hat Rec. der Verfuhung Wis derftand geleiſtet, mehrere herrliche Stellen den Lefern wärtlich mitzutheilen. -

No. 4. - Einer ber Erfien unſerer Deutſchen Hiſtoriker, der gelehrte , ſcharfſinnige, geifivole Heeren erachtete es ers ſprießlich Für Die angemefjene Bildung künftiger Hiſtoriker, an Joh. Misere zu zeigen, welchen Weg fie zu betreten und

58 . &cheiften über Johannes Nuͤller.

zu verfolgen haben, um die Forderungen und Pflichten‘ guter Hiftoriter kennen und erfüllen zu lernen.” „Was Müller der Wiſſenſchaft wurde, das ward er gang durch feine Liebe für fi. Sein Enthufiasmus für die Gefchichte ging aus dem lebendigften Gefühl ihrer Wuͤrde hervor. Sie war ihm die erfie der Wiffenfchaften, die Aufbewahrerin alles Großen und Herrlihen, die Heroldin und zugleich die Bildnerin der ©Staatsmänner und Helden.“ Wir übergehen das nun fattfam Bekannte aus Müller’s Leben, welches über feine Bildung zum Hiſtoriker Auffchluß gibt, und verweilen bey demjenigen, was die Individualitaͤt feines hiftorifchen Charakters näher bes zeichnet und entwidelt. In der Gefchichte der Schweiz, für die er ſich beſtimmte, war des Allgemeinen wenig (©. a2), des Befondern viel; das Studium mußte alfo von dern Ein— zelnen ausgehen; und fo bildete die Befchaffenheit des Stoffes, welcher zu bearbeiten war, den Geſchicht forſcher; feinem Genie blieb es vorbehalten, fih von Erforfhung des Eingelnen zur Anfiht des Allgemeinen zu erheben; wer mit dem Allge⸗ meinen beginnt, erbaut ein Gebäude ohne Srund. Die Def fentlichleit der Schweizerifchen Verhandlungen, die zahlreichen Machrichten darüber in gleichzeitigen Chroniken und die Menge der vorhandenen Urkunden eröffneten dem Forfchungsfleiße ein unermeßliches Feld. Für die Trockenheit folher Studien entfchädigte ſch Müller im Umgange mit Hocdhgebildeten, geiftvollen Männern und durch Lertüre der Alten und moder⸗ nen Claſſiker; er arbeitete an der Cultur des practifchen polis tifhen Sinnes, ohne welchen feines Hiſtorikers Bemühungen Fruchtbarkeit für das wirkliche Leben gewinnen können, und an Vervolllommnung des fchriftlichen Vortrags. Won wohl thätiger Wirkung war, daß er veranlaft murde, univerfals hiftorifche Vorleſungen in Genf zu Halten; durch fie ward er auf manche Lücken in feinen Kenntniffen aufmerffam, er durchs dachte den Gegenſtand, worüber er Andere orientiren follte, mit anfchaulicherer Klarheit, er wurde von der engen Verbin— dung, worin das Einzelne mit dem Ganzen flieht, auf das lebendigſte uͤberzeugt, und fie zeichneten ihm den Gang feiner Forfhungen für das ganze Leben vor, Seine Schweizers gefhichte gibt den Maaßſtab, nach weichem fein Biftorifches

Schrriften über Johannes Müller. 59

Verdienſt geraärtiigt werden muß. Er hatte (S. 60) eine ‚reine und fefte Anmſicht von dem Weſen der Geſchichte; fie war hm treue Erzähterin des Geſchehenen. Er fegte den Ges ſchichtſchreiber nie Nbder den Geſchichtforſcher; er hat diefen nie über jenen vergeflen ; und diefe Bewahrung des richtigen Ders haͤltniſſes zwiſchen beyden ift die Srundbedingung zu einem großen Hiſtoriker. Wahrheitslicbe war dus oberfte Geſetz, dem er in feinen Hiftorifchen Beſtrebungen huldigte; er wollte nichts ſagen, was er nicht felbft ( S. 64) als wahr erkannt datt. Sein Wert flieht als Mufter tiefer und grändlicher Forſchung Für die Macwelt da! In Anfehung der Eoms pofition waren einfache KHinderniffe zu befeitigen; nur Ein Hauptpunct konnte feflgehalten werden: Entfiehen und Bes fiehen der Werfaffung, Begründung und Erhaltung der Freys heit, hieraus ergaben fih Zufammenhang und Pragmatiemus; Alles wurde durch inneres Band, durch vaterländifhen Geiſt ufammengehaften. Doch erflärt der Verf. die Anordnung des zerſtuͤckelten Stoffes (©. 70.) für die minder glänzende Seite bed. Werks. Es Bleibt Fjedocd das größte Lob des Geſchicht⸗ ſchreibers im dieſer Ruͤckſicht, daß er, durch einfache chronolo— giſche Anordnung, der Natur folgte, ohne dem Stoffe Gewalt anzuchun. Die anziehende Kraft der Schweizergeſchichte bes ruht anf dem Tebendigen Intereſſe, womit der Verf. an die Bearbeitung des Stoffes ging, und welhes aus dem tiefen Studium feines Segenftandes fi immer dauernder und Bräftis gar entwickelte. Müller hatte eine heitere Anſicht der Welt, einen lebendigen Sinn für Freyheit und für politifhe Größe; er wurde unterlüßt von einer bemeglichen Imagination, die - ee aber immer beherrfchte, Müllers Styl wird (&. 89) mit Recht ein veredelter Ehronitenfiyl genannt. „Müller ſchrieb (S, ge) einen Theil der Deutſchen Geſchichte; im Deutfcher Zunge und mit Deutſchem Gemuͤthe. Alle edte Grundzuͤge des Deutſchen Charakters, reiner Wahrheitsſinn, Frey heisliebe mit Orduung, tiefes und inniges Gefühl für alles Herrtichs und Große fprechen fih laut darin aus. So ſteht es da, ein Nationalwerk im höheren Sinn; eine Deuts fhe Eihe auf Deutſchem Boden. Laut und dankbar nahm es fessft mitten in ihren Verirrungen Über das Wefen der

60 Schriften über Johannes Muͤller.

Geſchſchte, gleichſam fi ſelbſt widerfprechend die Mitwele auf; daß die kommenden Sefchlechter es nicht vergeffen, das für Hat der Geſchichtſchreiber geſorgt!“ Nur fo viel aug

dieſer gehaltreihen Schrift; mer fie noch nicht gelefen hat,

möge dadurch) gereist werden, fih an ihr zu laben; und wer fih ſchon früher des Genuffes erfreut bat, möge dankbar an die frohen Stunden erinnert werden, welche fie ihm gewährte. Sie und die gleich näher zu Hefchreibende Lobfchrift von Roth, Pland'’s und Heeren’s Schriften über Spittler ( möchte uns auch recht bald Roth's Denkmal auf diefen ‚mitgetheite werden!), verbunden mit dem Bruchſtuͤcke aus Schlözer’s Autobiographie und Joh. Muͤller's Briefe an Bonfterten und an feinen Bruder, find die befte und fruchtbarfte practis fhe Anleitung zum biftorifhen Studium, welde dem zum Beſſeren aufitrebenden Deutſchen Süngling zu feiner gedeihlis hen, nur aus eigenem Wollen erzeugten Selbftbildung zum rechten hiftorifhen Studium empfohlen werden kann.

No. 5. Wenn es eine ausführlihde Kritit der von WBoltmann’fhen Schrift gälte, fo würde fih Rec. aus

Edel vor der lofen Speife fenerlich davon losgefage haben z

es thut aber eine mit vollftändiger Beweisführung ausgeftattete Darlegung der Verwerflichkeit diefer nur ihrem Verf. ungäns

fligen Schrift Gottlob nicht mehr nörhig, da der Unwille -

darüber von vielen durch Geiſt und Kraft des Gemuͤthe her⸗ vorſtechenden und ihr Stimmrecht beurkundenden rechtlichen und guten Maͤnnern wiederholt laut ausgeſprochen, und das Publicum, wenn es des bedurfte, genugſam gewarnt worden iſt. Mag Kunſtneid, dem auch beſſere Naturen unterworfen find, mag Schulhaß, wie er einſt den Anti-Ariſtoteliker Des ter Ramus blutig verfolgte, gereist und zum Böen vers fuchet Haben; immer tft fchwer zu begreifen, daß Ar. v. W. in dem von ihm dech gewiß ans Erfahrung fo hoch berechnes ten Umgang mit Weibern nicht fo viel Feinfinnigfeit und

richtigen Tact erworben haben follte, um das Gemeine und -

Veraͤchtliche eines folhen Verfahrens fogleich zu fühlen und den erften Gedanken dazu als Ausgeburt eines unglüdlichen Augenblicks, ſich ſelbſt bloß durch bisweilige Erinnerung daran ſtrafend, zu unterdruͤcken. Was in aller Welt konnte ihn zu

Schriften über Johannes Muͤller. 61

diefem Schritte bewegen, zu dem litterarifchen Banditenftreiche, feinem angeblichen eben mwortlos gewordenen Freunde meuchs lriih das Koͤſtlichſte zu vauden, was Sterblihe hienieden baden und verlieren. können ? und zwar zu rauben mit yer: ſuͤßenden und Die leidenſchaftliche Sewaltthätigkeie bedeckenden Lobiprähen und unter der Hülle ſogenannten freyen Kraft: eifers für Wahrheit und Gerechtigkeit? Beym Himmel, was konnte ihn beſtimmen zu einem ſolchen, fhon nach den Regeln alltaͤglicher Klugheitt unverzeihlichen und, nad) den ewigen Ge⸗ fegen innerer Gerechtigkeit in der Weltregierung, unausbleib⸗ lihe Selbſtrache drohenden Schritte? Wollte man Ken. v. W. Arges mit Argem vergelten, fo fönnte er leiht mit vieler Wahricheinlichfeit.begüchtigt werden, day ihm noch etwas, Unedleres, als bloß armielige und Mitieiden erregende Eitels feit, angerrieben babe, fo zu handeln; daß es ihm nicht bloß daram zu thun geweſen ſey, feinen Mamen durch einen ges fenerten weniger beeinträchtigt zu fehen; daß er vielmehr dar: anf ausgegangen ſey, im Preusiihen Staate, mit deſſen Organiſation er fich vielleicht nicht bloß fchriftftellerifch beſchaͤf⸗ tigen wollte, in Dem Staate, wo es damals zum Tone dir fogenannten guten Geiellihaft gehörte, den vermeintlih ads, tännigen DE KL ler herabzuſetzen und zu verleumden. ſich patrios. tiſh wichtig zu machen, indem er mit Einem Hauptſtreiche den, von mehreren Seiten vergeblich angegriffenen Ruhm des ver; haften Apoſtatenn zu Boden ſtrecke. Und wenn es Dies nicht war, was ihn tried; iſt es nicht unbefchreiblich klein, nicht er⸗ tragen zu fönnen, Daß der Mitbewerber um hiſtoriſchen Ruhm, von Franzdiiichen Feldherren und Staatsmännern gekannt und, geachtet war. vom Kaijer Napoleon durch eine lange . Audienz, ausgezeichnet, bald nachher zu einer Minifterftelle berufen wurde? und wenn dem, aud fpäterhin in feiner naͤchſten Ums gebung wenig beachteten Hrn. von Woltmann dieles wehe that, war es nicht Bleinlihe Nahe, die Manen des MWorgezos genen nur zu feiner Demuͤthigung mehr bekannten und ge— ehrten zu ſchmahen? Die erbittertſte Feindſchaft hätte kein wirkſameres Mittel, dem Herrn v. W. zu ſchaden, erfin— den fönnen , als er ſelbſt erfunden und angemendet- hat, Möge ihn Die allgemeine Indignation zur Selbſterkenntniß fähren! VWon ſeinem Bude kein Wort; denn es wäre, als träte man mit ihm ſelbſt gegen ihn in Buͤndniß, wenn der Inhalt degfelben erneuert und durch Widerlegungen und Berihtigungen in feiner ganzen Häßlichkeit verjünge würde. _ No. 6. iſt einer der vorzuͤglichſten Auffäge, weiche die anze Deutſche Litteratur in dieſer Gattung aufzuweiſen hat. De Redner Aberlabt der Nachwelt, den von allen Raͤckſichten

!

6A Schriften über Jobannes Mälkr.

einer befferen Macwelt zur Erbauung. erhalten wird; es find Meifterfiücke ver-Beredfamkeit, und was Hr. R. m ihrem Nuhme fagt (S. ad), ift mit dem Urtheile aller Unbefange— nen volltommen uͤbereinſtimmend. Was weiter über Ms Sompofition bemerkt wird (S. 3a fg.), zeichnet fih fo fehr durch tiefeingreifende Wahrheit und Angemeffenheit aus, daß es durch einen Auszug nur verlieren könnte; es muß ganz ges fefen und follte beionders von denen behergigt werden , welche ihre idealiftifhe Phantasmen der Hiftorifhen Kunft aufzudrin: gen nicht müde werden. Auch M’s Vortrag wird (S. 37 ft.) gerecht und erihöpfend beurtheilt. Zuletzt einige Betrachtungen über des großen Hiſtorikers Schwächen, welche bey feinem wohlbegruͤndeten vielfachen Werdienfte nicht verfchwiegen oder verfchleyert zu werden brauhen. Er bat bisweilen dem Slam ben zu viel eingeräumt (S. 42) und fih, indem er das Entgegengefeste wird, dem Aberglauben genähert. Er wird bisweilen von zu lebhafter Theilnahme hingeriſſen. Nicht ims mer mäßig genug ift fein Lob, und im Vergleichen moberner Männer mit- den Männern des Alterthums verläßt ihn hie and da kalte Beſonnenheit. Auch artet feine Umſtaͤndlichkeit oft in Weirläuftigkeit aus, und in dem Anreihen kleiner Züge wird der Zuſammenhang vermißt; fein: Vortrag ift ungleich und nod) mehr feine Sprache. Aber dieſe Fehler finden in den mannigfahen KHindernifien, mit welhen er fein Leben lang zu fänpfen hatte, volle Entfhuldigung, Unbeſtritten bleibt ihm der herrlihe Ruhm, fi über fein Zeitalter ers hoben, und „jene mehr bewunderte als eingefehene Kunfl ‘der alten ‚Sefchichtichreiber, unter den Dentfchen yuerft: ge übt zu haben; ia ihm erfcheint ‚vor unfern. Augen bie Macht, die Würde, die Hoheit, ja die Goͤttlichkeit der Ges schichte.“ N ; >

Das Verdienſtliche in dem gelungenen Unternehmen, den größten Deutichen Geſchichtſchreiber von allen Geiten, nah allen feinen Eigenthuͤmlichkeiten, in einer des. Gegenſtandes ‚würdigen Sprache und in einem dem Muͤllerſchen verbruͤ⸗ derten Geifte, am richtigſten und erfchöpfendften charakterifirt zu haben, wird die Ausführlichkeit diefer Anzeige rechtfertigen. Es ift ein zu feltener Genuß, welden eine folhe Rede 9% Fr ale daß längeres Verweilen bey ihm mißbillige werden

unte.

D. Ludwig Wachler.

( Die Anzeige von drey andern Ehriften üher Iohannes Müuer folgt im nãchſten Stück.

en u 050.090 3%, 2023027 So

No. 5: Deidelbersifhe 1813. Jahrbücher der Litteratur.

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Wir fügen zu der in No. 4. enthaltenen Beurtheilung von Schriften. über Johannes Mäller noch die Anzeige von folgenden drey Reden deſſelben Inhaltes hinzu:

1) Johann:von Müller. Eine Gedächtnifsrede ; gehalten im großsen Universitäts - Hörsale den 14, Junjus 1809 von D. Ludwig Woeachler, Consistorialrath und Prof. in Mar- burg. Daselbst in der Academischen Buchhandlung 1809, 08. 8.

2) Rede zur Gedächtnilsfeyer Johann von Müllers , gehalten am 14. Junius 1809 im grofsen Auditorium zu Marburg von C. Rommel, Prof. zu Marburg (jetzt Prof. zu Charkow)). Marburg, in Commission der Kriegerschen Buchhandlung. 2358. 85. (3 ggr.)'

, Was Johannes Muͤller weſentlich war und und ferner ſeyn muͤſſe. Eine Vorleſung/ gehalten am Gedaͤchtnißtage feines Hingangs am

29. May 1818, “im großen afademifhen Saafe zu Aſchaffenburg.

ton Dr. C. J. Windiſchmann, Großber. Hofmed. und

Prof. Winterthur, in der Steineriſchen Buchhandlung. ıyıı.

36 S. 8:. ; \ i

beyden erftern Neden, an demſelben Tage nach einander zu Marb urg geßaften, rufen die redliche, wohlgemeinte Fürs firge ins Andenken, welche die. Marburger Hniverfitdt, wi⸗ die Abrigen Weftphäliihen Univerfitäten, in einer den wiſſen⸗ ſhhaftlichen Anſt alten unguͤnſtigen Zeit von Johannes Muͤller erfuhr; die erſte und dritte find zugleich Denkmale der freunds ſchaftlichein Verbindung ihrer Merfaffer mit dem verewigten großen Mann. | -

der €. R. Wädler benukt in No. 1, die Schilderung des chätigen und "wirfüngsvollen Lebens und die Entwicklung

der Hiftoriichen Verdienſte uuſers Müller, um in feinen Zu⸗

horern gute Vorſaͤtze, Nachahmung des Beyſpiels von Muͤller,

einen Etfer für ‚pad &ute, für Recht und Wahrheit, wis der BSR Deere 6

. N

66°, Schriften über Jobannes Möller. - >

Verewigte ihn hatte, Liebe der Freunde, wie bie Liebe Mal⸗ ter's zu Bonſtetten, zu erwecken, Wir heben folgende Stele aus, um die Darftellung und Sefinnung des Nedners zu ber - zeichnen: „Einen feflen Lebensplan wollen wir fallen und ſtandhaft verfolgen, denn Mäller”s Beyſpiel Ichrt uns, daB der Menfh kann, was er will. Sein ganzes Leben war ges ordnet, um einen vorgefegten Zwed zu erreichen; er freute fih des herrlichen mähfamen Weges; Anflrengung war ihm Pflicht, und ohne fie wäre das Leben eine Laft ihm gemwefen. Der Vorſatz und die Zuverſicht, wirkſam zu werden, zum ges meinſamen Wohl, gab ihm mehr als alles andere Stanphafs - tigkeit und Ruhe; Pflicht und Ruhmbegierde machten ihn jeder Verſuchung unüberwindfih. Chrenftellen fchlug er aus, zeitliche Wortheite verfchmähete er, weil er für nachkommende Geſchlechter arbeitete, weil er Völker unterrichten, Troft und Kath für die unterdrückte Menfchheit erfinden, Freyheit und Geiſteserhebung in die fernſten Zeiten verfündigen wollte: Wer ein würdiges Ziel im Auge behält und entfhloffen vers folge, wird Befland und Kraft ins Dafeyn bringen, und das durch dem Daſeyn Werth und Fruchtbarkeit verleihen.“ Gehr “wohl hat uns die S. 024 angeftellte Vergleihung zwiſchen . Müller und Tacitus gefallen. Ueberhaupt wird niemand dieſe Rede ohne Belehrung und innige Theilnahme lefen. Die zwölf Beylagen enthalten einige genanere Ausführungen von Lebens umftänden und Schickſalen Müllers, welche in dir Rede nur. angedeutet find, Belege oder Erläuterungen zu einigen Bae—⸗ Hauptungen aus feinen Briefen u. f. w.; endlich die. Rede des Minifters Simeon an Muͤller's Grabe, und die Lateinis, ſche Elegie des Herrn Prof. Mitiherlih zu Göttingen auf Müller, beyde aus dem Weſtphaͤliſchen Monitene abgedruckt. Sin No. 2. herrſcht eine jugendliche Vegeifterung für. Muͤller's Größe. als Hifktoriter und eine wohltäuende Webers zeugung von der Reinheit und Teefflichkeit ‚feines Charaktere + jedoch mißfallen hat ung die zivar wohlgeiyeinte, aber. unpafiliche und unbeholfene Ruͤge gegen diejenigen, welche Müller in : den legten Zelten feines Lebens nicht als geſchickten und im -allen Lagen‘ gewandten Geſchaͤftsmann anerkennen wollten, Ein Lobredner Müllers als großen Hiſtorikers und edein

Schriften über Johannes Muͤler. & Mannes ſollte ſolcher wirklichen oder vermeintlichen Schwächen, i meihe außer den Srenjen feines Zwecks llegen, entweder nicht gedenken, oder auch Den Gegnern Gerechtigkeit widerfagren laſſen, wos freylich mit wwersigen Worten und auf eine für eine Be haͤhtnißrede paffende Weiſe nicht gefchehen konnte. Eben des⸗ wegen meinen wie aber and, daß diefe Seite von dem Redner draus nicht Hätte berlihrt werden follen; zumal, ba unfer großer Hiſtoriker ſelbſt wohl wußte, daß Feine menſchliche Groͤße voſſkommen tft, auch Miller feiner wahren Beſtim⸗ mung Wohl bewußt, mit dem bitlerften MWorgefähl in den Gtrudel Ber letzten Jahre feines Lebens einging und nur mit Ummuth darin blieb -( mas nieinand ohne Rührang, der unge rehte Richter Muͤller's nicht ohne dem verfannten Maun das jügefägte Unrecht abzubitten, ih den Briefen des fiebren Theils von Mällct’s erben wird lefen können ), endlich auch Hr. Roms mei doh am Ende zu Muͤller's Lobe in dieſer Hinſicht nicht viel anders zu ſagen weiß, als dafs viceicht Umſtaͤnde obge⸗ valtet, durch weiche feine Wirkjamteit als Gefchäftsmannes bes ſchrͤnkt worden, und niemand Muͤller's Pläne für fein Ger fhäftsieben genau gekannt habe. Wäre Müller ein gewandter, hier, ſtreng und ruͤckchtlos durchfahrender Geſchaͤftsmann geneſen, fo wuͤrde er zwar nicht nur von rechtſchaffenen Maͤn⸗ nern Weniger verkannt worden ſeyn, ſondern auch ſelbſt der bergenen Fehlern großer Männer nachſpaͤhenden Laͤſterungs⸗ ſuht, und dem kurzſichtigen, neidiſchen und liebloſen Verklei—⸗ mungöfiniz Ines litteraͤriſchen Pobele und feiner Wortfͤhrer weniger Wtößen dargeboten haben. Aber er würde dann hicht der wohlwällchte‘, die. Sitten iind Vorurtheile der verſchiedenen

Zeltaller des menſchlichen Geſchlechts mit Beſcheidenheit, das

GSofſ jeber Art und Zeit anerkennender Billigkeit und ſcho— nentes Eiebe beuvbtheilende Geſchichtſchreiber geworden ſeyn, als wien ihn die Nachwelt noch höher ſchaͤzen wird, denn unſer Zeue tue

Des ängeneßrki war es uns, in’No. 3. wieder bloß den: wigerichafelichen Wirkungskreis Muͤller's, auf welchem fems SGroͤße kuhrr, ſeinen edein Charakter, fein tiefes religiðſes Ge⸗ na uub ſetue rebliche Liebe fir Wahrheit und Recht, woraud des großen Mannes herrliche und erhebende Auſicht der Seſchichte

68 Aus meinem Leben von Goͤthe.

und ſeine belebende und erwaͤrmende Begeiſterung fuͤr die Wiſſen⸗ ſchaft, fuͤr welche er lebte, hervorging, in einer anſtaͤndigen, paſ⸗ ſenden, meiſtens edeln Sprache gewuͤrdigt und als Vorbild zur MNacheiferung aufgeſtellt zu leſen. Die Auszuͤge aus den ſchriftli⸗ chen Mittheilungen M's an den Verf. uͤber wichtige Intereſſen der Zeit und Wiſſenſchaft geben noch dieſer Rede einen eigen⸗ thuͤmlichen Werth, und duͤrfen nicht von denen uͤberſehen werden, welche ſich ein gerechtes und vollſtaͤndiges Urtheil über den fo un⸗ billig verfannten und gewiſſenlos gefhmähten Mann zu bilden wünihten. Wir würden mehrere Stellen diefer Rede bier au heben, wenn wir uns, nicht gedrungen fühlten, unfere Lefer zum Befen diefer lehrreichen Betrachtungen aufjnforhern. a )

Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bon Göthe. Bwentet - Theil. Was man: in der Bugend wünſcht, bat man.im Alter die Füle. Tübingen in der 8. ©. Cottaifchen Buchhandlung. 1818,

573 ©. in il. 8. (S. Jahrg. 1512. No. 15.)

Scehites Bud. Der junge Verfaſſer fist noch in Liebes‘ gram auf feinem: Zimmer. Beobachtungen, die man über fein Herz anftellt, und die er durchblickt, vermehren feinen Verdruß. Bald erhält er noch einen befondern Aufieher ale

Stubennachbar, jedoch in. einem Wanne, den er liebt und Shäßt, und dem er feine Gemuͤthslage ohne Ruͤckhalt vertrauen kann. Diefer eröffnet ihm gegenfeitig. den Ausgang und nähert Derhalt jenes verwicelten Handels, und indem er Gretchen dabey das ruͤhmlichſte Zeugniß gibt, heilt er die verzweifelt: Liebe des Juͤnglings durch Kraͤnkung ſeines Ehrgeizes. „Ich kann es nicht laugnen, ſagte Gretchen, daß ich ihm oft und. getne geſehen habe; aber ich habe ihn immer als ein. Kind bitradytet, und meine Neigung zu ihm war mahrhafk ſchweſterlich.“ Bon diefem Froſt gefälter, ermannt fich Juͤngling aus einer Leidenſchaft, welche ſeine Geſundheit unterm geub ; und während er fih nunmehr auf die Academie vorbe⸗ veiten ſoll, ohne daß die Arbeit ihm ſchmecken will, ſo ger er ducch feinen Freund, einen Schüler von Darjes, in p Studium oder vielmehr die Kritik der Philoſophie. Unſet wichtigſte Differenz war die, daß ich behaupyete, eine abgel

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Aus meinem-Leben von Gothe. .69

@ ; derte Philsſophi e Fey nicht noͤthig, dem fie ſchon in der Religion und Poeſie vollkommen enthalten ſey. Denn da in dee Poeſie ein’ gewiffer Glaube an das Unmoͤgliche, in ber Religion ein eben folher Glaube an das Unergründliche ſtatt finden muß : fo fehienen mie die Phildſophen in einer ſehr übeln Lage zu ſeyn, die anf ihrem. Felde beydes beweiſen und erlären wollten." : Nee. wuͤnſcht Seſes kindliche Urtheil, "das eine große Wahrheit fpielend anspricht, manchem Wellen als Heilmittel gegen dem dogmatiſchen philofophifchen Spleen vers ordnen zu können. Wenn jedoeh der Verf. fih als junger Aritiker am: liebſten mit der Geſchichte feiner Wiſſenſchaft bes ſchoͤtigt, und alle Meynungen ehren kann, ins Dunkel ‘der. aAlteſten Griechiſchen Philofophen nicht einzudringen vermag, Boftates hochachtet und feine Schüler gering ſchaͤtzt, So zieht er hierauf S. 14 eine Parallele, der er fo eben Ihre Sentenz gelpeochen hatte. Die Stoa Übrigens wird fein philoſophiſches Ideal. Mon Hypshondrifden Amwandiungen geplagt, vers tioft fi) der nun nicht mehr unbefangene junge- &. ‘am lieb⸗ fin. in die Schasten der Wälder, wohin fein Freund ihm gu felgen: genörhigt ft, und verfense fi wehmuͤthig in ihre Er⸗ hbebenheit. Durch frühen Iimgang mit Malern 'gensöhnt, wie fe, die Segenſtaͤnde in Bezug auf die Kun anzuſehen, wird ex Hier Naturzeichner; feinem eigenen Urtheil nach ohne beſonderes Glujck, wenigſtens für die Ausführung des Einzel neB, Das. ihm als Dichter und „Zeichner ſtets hinter der Wir⸗ tung Ded: Genzen verſchwamm. Geine Skizzen werden Ihm mtimentales: Erinnerungsbuch, feinem Vaier ein Gegenftand hegender Sorgfalt. Man geftattet ihm weitere Wanderungen ins benachbarte Gebirg und die Nheingegend, von wo er mit ahalicher unvoſlkommener Kunſtbeute wiederkehrt. Von dieſen Eertifereyen werden wir mit: dem jungen Dichter nach Hans puräcfgegagen, umb lernen: die fo reiche’ dis ſehnſuchtsvolle Seels (inae: damaligen Lebentvertrauten, feiner wuͤrdigen Schweſter, achft ihrer: Geſtalt, wiher kennen; einet Freundin, in’ der om diexes, Verhaͤlentß ihn zwar für Gretchen entſchaͤdigt, ‚aber die Herzen der Geihwifer ner peinliher ſpannt. Gin birderer jnupee Engländer’ bewirkt einige Aufloͤſurg, undemit ihm tto⸗ ten wie bepeguter Jahrszeit in die muntere Ingendgeſillſchaft

*

70 Aus meinem Sehen von Goche.

aus beyden Geſchlechtern, welche ſich um das Geſchwilierpaar ſammelt, ſich nah Wunſch und Loes zuſammenvaart, einen

ungenannten beredten Capuziner zum Maiſter, und den wackern

Freund Horn, der ſich unter andern im komiſchen Melden: gefang verſucht, zum umentbehrlichen Liebling Hat. Goͤthe, bereits inſtuutionenfeſt, verfällt auf Geſchichte der alten Eittes

ratur und Encyclopaͤdismus duch die Werke von Gegner,

Morhof und Bayle. Die alten Sprachen werden ihm immer aufs neue wichtig; doch vermag er ſich, and Schwaͤche in den Aübrigen, nur an die Lateiniſche zu halten, worin er es, we in neuern Sprachen, hauptſaͤchlich durch Lefeüpungen ohne Srammarit zur beiomdern Fertigkeit bringt. . Der Michaeliszeit, wo die Asademie bezogen merden fol, drängt Ihn jugendliches

. Mißvergnügen mit feiner Heimath und Ahnung einer; ſchoͤnern

N

Fremde entgegen. Mit diefer Empfindung verſchmelzt fih Dec. kennt ein genau ähnliches Beyſpiel hievon Widerwille gegen die juriſtiſche Beſtimmung, und der Entwurf einté geiſt⸗ und genußreichern Lebensplans, in Gedanken auf die ſoliden Studien des Alterthums gegruͤndet, von gehofften Fort⸗ ſchritten in der Dichtkunſt erheitert, und durch das Bild einet academiſchen Lehrftelle begraͤnzt. Den Sohn verlange nad Goͤttingen, der Vater beharrt auf Leipzig. Die Reiſe dahin wird mis Buchhaͤndler Fleiſcher gemacht, und unter einigen, theils komiſchen Abentheuern zuruͤckgelegt. Leipzig zeigt dem erfreuten Ankoͤmmling das Gegenſtuͤck ber Frankfurter Meſſe, und gewährt ihm in der regelmäßigen Banart 'eine neme, an ſich wohlthaͤtige Erfcheinung, worin ee ‚nur die gewohnten Wunder der Alteorhümtichleit vermißt. Zwiſchen Den treuge⸗ fhüderten Verhaͤltniſſen der feingeſitteten Univerſtiaͤt, mo wir den Staatsrechtslehrer Hofr. Boͤhme und ſeine verſtndeze, muͤtterlich auf Goͤthen wirkende Gattin beſuchen, ein Gemälde des vielverehrten Gellert erhalten, Morus und einige

endre Männer im Veruͤbergang erblicken, dammern trublich

Die innen Widerſpruͤche über Wahl tier Beſtimmung, -u0 manchealey Merlegenhaiten gegen die sorgefundene Weit, ihren Seſchmack und ihre Urtheile, als Grundton hindurch; wobty fogar. duch Mehlert. geſchreckt, ſcheu der Genine die Fihgel ehaplahı; aud vleichwie die Garderobe ſich vermandelt,

Aus meinem Leben von Goͤthe.

das Gemath ſich ſelber abſtreifen will, und von einem Infchten Anflug naturhiſt oriſcher Wiſſenswuͤrdigkeiten unterhaltend ans

geregt, uͤber feine liebſten Erzeugniſſe ein rauchendes Autodafe

veranſtaltet. Siebentes Bud. Die Blicke auf Dentſche Literatur, m vorigen Buche ‚mit Ruͤckſicht auf deu Ort gethan, erweitern id) Bier einleitungsweife aufs Gange, und erſtrecken fi abs - wechſelnd bis an den Schluß: Ein fehr wichtiges Stoͤck aus der Geſechichte unſerer Poeſie, vom Geſchichtſchreiber erlebt, wit Veziehung auf ihn ſelbſt ergriffen, und nach langen Jah⸗ ven poetiſcher Erfahrung mit aller erworbenen durchdringenoen Sachkenntniß Dargefiell. Er fest voraus, was ſchon im vorfs gen Buch beyläufig beſprochen war, mämlich das damalige große Sewäfler um den poesiihen Parnaß, worin Goͤttſched wir möchten fagen, als ein edler Wallfifch Kanyte. Indem ber Derf. den barocken, pedantiihen Ton und Sprachausdruck jener Zeit in wenigen Worten glüdlid sufammengreift, und die Wafferfluch aus deſſen Gegenfag ableitet: "fo begiant er hier⸗ auf die litterariſche Erzählung mit den beyden Nuheftährerinnen, Satire und Kritik. Bey der erfleen werden Liskov und Babener zufammen abgewogen, und letzterer nach Verdienſt Aelobt. In der Kritik erſcheint eine troſtloſe Anarchie, weil teiner. die Conſtitution ahnet oder finhen kann. Gottfchebis und Breitingers kritiſche Dichtkuuſt zeigen fih im: ihrer Blöße,: und bie. Verivierung, wird. beklage, in die ſich der Verf. und feine, Geſellen durch den Abgang eimer ſyſtematiſchen Lchre-verfegt ſehen, Ueberdies iR .Maugel m einem natianel⸗ len Schalte dee Poefie, bey genugſam worhandenen Talenten, 4. B. Bünthers inter diefen,-Bendien, und Betrach⸗ mügen wird ©. duch den. Beſuch ſanes Landemanns Joh. Georg Scko ſſer uͤberraſcht, des fireng: gefittetem, ernſten, gelehrt⸗ gebil deten, fähigen. jungen Mannes und gewandten Oqriftſtellers, deſſen kurzer Umgang bodentend und untenriche nd für ihn wird. Mit ihm werden: Reippigs. große Mom beſucht, worunter der riefenhafte Gotfchentine ziemiidg einzige Some liefert. Schlofſers Anweſenheit weroniaße einen Wechſel des taͤglichen Difches, und hieducch Tomıms: ©. aufs mine mit enwirtenbem- Monfchea in Seägrung, und erhe

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72 Ans meinem · Leben von FR *

an Annchen Die erſte Nachfolgerin. Aus breiten, waͤſſerigen Styl rettet ſich Die Litteratur durch Beſtimmtheit "und Kaͤrze. Haller, Ramler, Leſſing, Wieland, Klopſtock, Gerſtenberg, Gleim, Geßner werden nach dem Charakrer ihrer, damals neuaufgehenden, Erzeugniſſe gewuͤrdigt, und die Flachheit der ſie beurtheilenden Kritik ge⸗ ruͤgt. Mit der‘ Sache des Geſchmacks verflößt ſich die des denkenden VBerſtandes, mittelſt Anbruchs einer philoſop hiſchen ‚Auffärung , die jedoch die Theologen zur ſogenannten nadur⸗ 'fihen Religion hinneigt, und jene mißverftandene Bibelktittk eingebt, an deren Machwehen wir noch zur Stunde feiden. Auf der andern Geite erhebt ch der ehrwaͤrdige Bengel, und unter den Anhängern feines Syſtems Ern fing; während ‚Ernefki mit den Seinigen bie klare Gegenyarthey bilden, zu der ſich auch der. Verf. nicht ohne Warnungen feines beſſern Genius Hält. Verbeſſerung wird der Kanzelberedfamkeit And moraliſch/ theologiſchen Schriftſtellerey durch Je rufa fem, 3o0llikofer, Spalding; der medioiniſchen Särabirt durch Aaller, Unger, Zimmermann; der ſchwer heilbe; ‘zen jueiftäichen duch'v. Mofer und Puͤtter; der populaͤr⸗ philoſophiſchen durch Mendelſohn und Garde. Kleiſts Bilderjagd lädt den Dichter zur Nachfolge ein, und gewöhnt. rihn, in Außern Gegenftänden tiefere Bedeutung zu fehen, wozu "das launiſche Verhaͤltniß mit Annchen die naͤhern Anlaͤſſe her⸗ leiht. Friedrich de Böoße Adudie Thaten des ſiebenjaäh—⸗ rigen Kriegs vwerichaffen! der Deutſchen Porfie den fehlenden Stoff und. eigenclichen Lebensgehall. Gleis Kriegslleder, Mamlers Oden, wor allem: · Winn⸗ vor Barnhelm. „Sonde ich, flieht der Berl. @.'165 ff. und diefe Stelle verbient wegen Ihrer vharalteriſtiſchen Wichtigkeit ausfheliche ‚Mitcheiung hats ich durch dieſe curſoreſchen und deſaultoti⸗ ſchen Bemerkungen Aber Deutſche Literatur meine Leſer in einige Verwirrung geſetzt, fo iſt es mir gegloͤckt, eine Vorffel⸗ fang’ von jenem chaotiſchen Zuſtande zu geben, in welcheri Th mein armes Gehten Sefand, als, im Confliet zweyer, faͤr das Nlitterariſche Vaterland fo bedentenden Epochen, fo viel Neues “auf mich eimdrändte,‘ ehe ich mich mie dem Alten‘ hatte abfin⸗ : bt, To vlel Aur⸗ fein: Rocht noch Aber” mich gelten

Aus meinem Leben von Gothe. 73 machie, da ich ſchon Urfache zu 1 haben glaubte , ihm vollig

entſagen zu Dürfen. Welchen ih einſchlug, mih aus

Idefee Nord, wenn auch nur Schritt vor Schritt, zu retten, Bu ih gegenwaͤrtig möglichft zu übertfefern fuchen. Die weitihweifige Periode, in welche meine Jugend gefallen war, Harte ich treufleißig, im Gefellſchaft fo vieler wärdigen Männer, purchgearbeitet. Die mehrern Quartbande Manuſcript, die ich meineni Water” zaruͤcklieh, konuiten zum genugſamen Zeugs niffe "dienen , und weiche Maſſe von Verſuchen, Entwürfen, vis pur Hälfte ausgeführten Vorfaͤtzen, mar mehr aus Mißs muth ats ans Usberzengting in Rauch aufgenangen. Nun fernte ich durch Unterredung überhaupt, durch Lehre, durch fo manche widerſtreitende Meynung, beſonders aber durch) meinen Tiſch genoſſen, den Hofrath Pfeil, das Bedentende des Stoffs und das Ehneife der Behandlung mehr und mehr fchäßen, ohne mir jedoch klar machen jt koͤnnen, wo jenes zu ſuchen und wie dieſes ju erreichen ſey. Denn bey der großen Beſchraͤnkt⸗ heit meines Zuſtandes, bey ber Gleichguͤltigkeit der Geſellen, dem Zurädhaften. der Echret , der Abgeſondert eit- gebildeter Einwohner , bey arz indereutenden Natutgegehtänden, war sh gendthigt, altes in mir ſelbſt zu ſuchen. "MWerlangte ich wun zu meinen Gedichten cine wahre Unterlage/ Empfindung oder Hefl: xion, fo. mußte ih in meinen Buſen greifen; for⸗ derte Ih zu pockifcher: Darftelung eine unmittelbare Anſchauung des Sefgenſtandes, der Begebenheit, , fo durfte ich nicht aus dem Rekiſe heranstreten, der mid 'ja betuhren, mir ein In⸗ tereffe einzuflößen geeihnet wor. JA diefem Sinne fchrieb ich juerft gewiſſe kleink Gedichte: in Pieberform oder freyerm Syl⸗ benmaaß; fie entſpringen aͤus Reflexion, handeln vom Ver⸗ gangenen, und nehmen mekeiſteine epigrammartiſche Wenbung. nd fo begann difienlige Richtung von der ih) "mein ganzes Leben Aber nicht abweichen konnte, naͤmlich baffcnige, was mich eifreute, oder quaͤlte, oder fonſt befchäfttgte, in ein Bild, ein Gedicht zu verwanbein, und daruͤber mit mie ſelbſt abzu⸗ ſchließen, um fdwohk heine Begriffe von den dußern Dingen zu berichtigen, ale‘ mich im Innern dethalb zu- beruhigen. Die Babe htezu war wohl Niemand nörhiger ais mir, den "feine Mar: immerfort ans einem Ertreme dns ‘andre warf.

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7 Uns-meinen.Ichen von Ghihe.

Alles was daher. von mir bekannt geworben, find nur Beuch⸗ ſtuͤcke einer großen Confeſſion, weiche ‚vollfländig zu machen dieſes Büchlein ein gewagter Verſuch if.“ Wir werden unten diefe Stelle. zu. gewiſſen Reſultaten brauchen. Aunden, von dem Dichter durch Eiferſucht gequält, geht für ihn »erlos ren; die ‚Ältefte feiner überbliebenen dramatiſchen Arbeiten: Die Laune des Verliebten, . if die: poctifche Ausbeute diefes Verhältniffes. Die duͤſtern Kruͤmmen und Sergänge der bürgerlichen Geſellſchaft, ihre geheimen Gebrechen mund Verbrechen, in die er zum Theil ſelbſt als wohlehätiger Theil⸗ nehmer verflochten wind, fordern ihn zu mehrern Schauſpielen auf, von denen nur die Mitſchuldigen zur ‚Vollendung kommen. Er tadelt ſich wegen verſaͤumter theatraliſchen Mas tive, zu denen er in ſich die naͤchſte Anweiſung fand, naͤmlich der gutmuͤthigen. genialiſchen Streiche. Beine. Freundin Baoͤhme ſtirbt. Bey Gelegenheit: von Gellerts frommen Fu mahnungen kommt ein Wort über kirchliches Weſen gor, wor⸗ über wir nachher ein anderes zu ſprechen haben. Fuͤr jetzt nur fo viel, daß unfee Anſichten in her Recenfion des erften Theile hier durchaus beſtaͤtigt werden, und dag ©. unter mens gar weltlichen Umgebungen der Zeiten, Orte und Mens Shen, ohne die.große Beweglichkett feiner Natur, „md ohse die alles verfchlingende Vorliebe für die beluſtigende Weite ber Kunft, früh und ..bleibend von dem Geifte des Neligiay ange faßt worden wäre; obſchon wir jegt von ihm Vernchun daß

er, ſobald er Leipzig orreicht hatte, fi von ber Limhlichen Verbindung ganz und gar loszuwinden ſuchte, Gellerts Eu mahnungen zur kirchlichen Erbauung ihm druͤckend wurden, und er feine religiäfe Gewiffensang mit Kirche und Altar völlig hinter fi) ließ... Noch etwas über Gellerts moraliſche Vorlefungen, und die Werunglimpfungen feines Damen bes der Leipziger Wei. Aehnliche herabwärdigende Hrsheite uͤber Friedrich II. rauben dem, Verf. mehr umd mehr das angenchätt Gefühl der Verehrung menschlicher ‚Warzüge. . Aber auch die Achtung vor den richtenden Mitbürgern, und Danchen bi Glaube an das Werdienſt gleichzeitiger Shriftkelisr,. ſiult ben ihm duch einen nenen Freund, den poſſirlichen Tadler wa eigenfinnigen Zicemeiſter Seprifg: Für parifge Omitn

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us meinem Beben von Goͤthe. 15 gen teitt als Docent Proßffor Ele bins mis Gellerts Voll⸗ meh anf. Ein von Haus unfeem Dichter aufgetragenes Erithalamium für den Oheim, einen Frankfurter Rechtsge⸗ lehrten, verſammelt, in Ermangelung muntererer Mittel, den ganzen Olymp; die Ruthe des Lehrers aber: gibt dem Dichter Veranlaſſang, den himmliſchen Plunder für immer bey Seite zu legen. Dagegen wird, nicht ohne Einhauchung von Behriich, auch Cladius fuͤr feinen fremden Woͤrteryrunk bezahlt, den er Ramlern mit minderem Geiſt abgeborgt hatte; dieſe exotiſchen Purpurlaͤppchen werden dem Kuchenbaͤcker Hendel in den Kohl⸗ gaͤrten umgehaͤngt, deſſen Vortrefflichkeiten ein Alexandriniſches Wandgedicht in der Manier bes Meiſters verherrlicht. Mes don von Ctodius erſcheint auf der Buͤhne; ein Prolog is. Anttteiwerfen Abends im Speiſehaus aus dem Stegreif entworfen, "wird aus dem Stegreif von Freund Korn zum Beyfall der luſtigen Sefelifchaft aufgeführt; allein der Arlekin yermiße ich zuegleich, den Kudenhyumus verlängert auf den Beiden anzuwenden, und die Publicität, melde das Gedicht - uf dadurch erhält, bringt die Gefellfchaft in einen böfen Ge⸗ ruch, der ſich bis nach Dresden. verbreitet, und eine, jedoch wnhelhome Verſetzung von Behrriſch zur Felge Hat, Hieduvch rerliert G. einen feRen Halt für fein noch wicht ſelbſtſtaͤndiges, mſtaͤtes Gauath; feine Unzufriedenheit. und Kaͤmpfe wit : ber Aulenmeit, ‚amd die Bewerkungen, die er über -fih hören ws, mochen ihn acc dem geheimen Schatz der Erfahrung lern, zu welchem ihm ſowohl Behriſch, ais ein Hewrlamkter Streiter aus dem ficbeujähnigen Kries, der Geld. und hof kon, bloß rärhrelhafte Wege eröffnen, und ihn nn abe Warten , dieſer Pandorenbüchfe nachjſugehn. |

Ahres Duch. Das vorige if der Litteratur zitenwar tiges haustſaͤchlich der zeichnenden Kunſt. Den lies

eencwuͤrdige · Oe ſer auf der Pleißenburg iſt hier dae ee Figur,

ſein Sumfichmratser wird anf doe trefſfendſte gefildert, Mens - fer als Stecher feiner nebelhaft ammmthigen Jeichaungen - erg wäher, med ferme allegoriiche Laune durch Beyfniele erläuterh - Der Verf. nebſt ſeinen Mitſchuͤlern gewinnt durch ihn mehr an Geſchmack als techniſcher Fertigkeit, in welcher letztern G. mi aus Mangel an Beharrlichkeit, es nie über den geſchickten

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76 Aus meinem Leben von Goͤthe.

Dilettanten hinaͤusbrachte. Das Beben ber Maler von DA genville wird-Audist, und unter Oeſers Führung vermitleiſt ‚der großen ‚Leipziger Sammlungen Einſicht von der Gefchichee Ber Kunft genommen. Die geichnenden Kunſtwerke erwecken ader den Verf. mehr zu poetiſchen; er macht Gedichte: zu Kupfer und: Zeichnungen Ben Caylus werden and Bent fihe Verdienfte ; die eines Ehrift' und Lippert, von Oeſetn erüßfnt, und auf feinen verehrten Win kelmann andaͤchtig von der Kunſtjuͤngerſchaft hingeſchaut. Huber, Kreuchauf, Wimkler und andre Liebhaber und Sammler der Stadt. 3,80 mußte die Univerfitäe, wo ih die Zwecke meiner: Fu milie, ja meine eigenen verfäumte, mich in demjenigen bes gränden ; worin "ich die größte - Zufriedenheit meines Lebens Amen follte.* —ı: Sehnſucht nah Licht in den Begriffen’.der Kumſt, welches durch Leſſings Laokoon angezuͤndet wird. Mer Unterſchied der bildenden und Redekuͤnſte wird Far, md der fruchtbare Keim wahrer Aefihertt iſt aufgegangen. Aber der ˖ Juͤngling begehre nun eine reichere Anfhanung, und end ichließt ih, heimlich und allein Dresden zu Befihen. 98 Vaters afte Warnung vor den: Epinnemeben der Gaſthbfe und Ge drieflihe Nachricht ven einem ehrlichen genialifhen Dresds ner Schufter-, führen ihn in des letztern Quartier. Die Ailb ſchimmernde Gallerie und ihre Kunſtwelt wird geoͤffnes, und von dem neuen Gpopten mie gefprächigem Entzuͤcken durchwan⸗ Dom. Der Gallerieinipertor, Nah-Ntebek, vuipfänat "das verdiente 806 feiner Gefaͤlligkeit, in welches. au der Rec’ His Uingenannten Dank iR ja wohl der beſcheidenſte! mit einzuſtiminen ſich »erpflichter fühle. In einer Epiſode, der Myſtification etnes Meulinge, ſchluͤpft G. unaufgehalten durch die Opinnewebe heim, und überläßt die übrigen. gefluͤ— gelten⸗Inſecten fammt der verfolgten Drohse ihrem Schicklal. Bomꝰ Zaabernebel der Kunft umhuͤllt, erblickt er in den Haͤus⸗) ltchkEiten feines Wirthe Niederlaͤndiſche Schildereyen, und ſcheivet als guter Freund von ihm, ohne ſich, wie nataͤrlich, in.feiner hochſtrebenden, vaftlofen Sehnfucht, mit dem behaglü⸗ Sen Handwerker identificiren zu koͤnnen. Det: veidjhaltige Pavillon der. Antiten wird zur Verwunderung des Leſers, giech den abrigen Koſtbarkeiten Diesdens, unbeſucht gehuffen,

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Mus meinem Beben von Ob. 7

dieſe Erfcheinung jedoch damit erklaͤrt, Daß. der Verf. noch zu wi von dem und urchgruͤndeten Wer) der Bemäldefammlung geweien fen, ‚und was er nicht als Natur anichn, an bie Stelle: des Natur fegen, mit einem befannten Gegenſtand vers gleihen koͤnne, auf ihn nicht wirffam geweſen ſey. Man erkennt hierin allerdings den tiefiuchenden, zugleich freyen - Süngling , dem die nahliegende, frifhe Bilderwelt mit ihrem Sarbenfpiel mehr zufagt, jals die kältere Schranke der Geſtal⸗ tag mit weife gedämpftem Affeet, zu deren Verſtaͤndniß ein gereiftes Auge, und zu deren E:fiärung Gelehrſamkeit gehoͤrt. Hingegen wird noch der Director von Hagedorn und feine. Privatſammlung gejehen. Die Trümmern Dresdens werfen ten Steine der Zernichtung zwiſchen das aniprudvolle Kunfts leben, und predigen aud) bier Staub. und Aſche. Der Zuruͤck⸗ kehrende findet ſich von Freunden umringt, die an ſeiner geheimnißvollen Reiſe und der. Schuſterherberge rathen, im ſeinem Innern aber einen Zuwachs von Unruhe, unvermögend, ju ordnen und fich zuzueignen, mas er gefehen hat. Dog ergreift ihm wieder das Leben bey freundfchaftlihem Umgang und -angemeffener Beſchaͤftigung. Eine angenehme Verbindung fnäpft er mit dem Breitkopfiſchen Hays, in Das ey ung einführt, und mit defien Genofjen befannt macht. Alles ſteht hier in Beziehung zur Kunft, wobey fih auch Druckerey und ſelbſtgeuͤbter Holzſchnitt einfchiebt, und vadirt und geägt wird. Noch wird Weißen s befonders gedacht, ſammt dem Hilleri⸗ (hen Opernfag, Schieblers, Eſchſenburg's des Mitſtudi— tenden, und Zachariaͤ des vorübergehenden Tifhgenoffen ; ein größeree Durchreiſender bleibt aus Jugendgrille ungefehen, Leſſing. In enifernter Kunftglörie. erfheint noch immer Bintelmann,. und duch den edeln Fürften von Deffau, den er besuchen foll, wird Hoffnung, fie in der Nähe zu ers blicken; aber wie ein Donnerfchlag. fällt die Nachricht von Binfelmanns Frmordung darein. And unſer Süngling ſelbſt wird durch den Ausbruch einer lang vorbereiteten Krankheit, die fih Durch hypochondriſche Zufäle antündigte, an den Rand bes Grabes gebracht; ein Blutſturz weckt ihn aus dem Schlaf, das Signal eines erſt bedenklihen, dann langwierigen, reiz,

haten Kraukheitszuſtandes. Dem Arzt und den Freunden wird

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78 Aus meinem Leben von Goͤthe mit warmem Danf unter anziehender Charakteriſirung gelohni Umfiändticher wird des gelehrten Fanger erwähnt, des nach Herigen Bibliothekars zu Wolfenbuͤttel, damaligen Nachfolgers von Behrtſch in deffen Hofmeiſterſtelle./ Er weiß die verbotene Bekanntſchaft mit G. zu deſſen Wohl zu unterhalten, und das Vertrauen zwiſchen beyden gelangt zu einer wuͤrdigen Sjnnigs keit. „Es iſt noch ein Tieferes, das ſich aufſchließt, wenn das Verhaͤltniß ſich vollenden will, es find die religibſen Se ſinnungen, die Angelegenheiten des Herzens, die Auf das Uni vergäugliche Bezug haben, und welche ſowohl den Grund eine Freundſchaft befeftigen,, als ihreg Gipfel zieren.“ Wir würden Diefe Stelle, und viele aͤhnliche, preifen, wenn fie ee nit ſelber thäten. Ein neues Bruchflät der Religionsgeſchichte wird hier eingeſchaltet. Langer, der fo glücklich iſt, die Um entbehrlichkeit eines Mittters zu kennen, predigt ihn dem, nad bimmfifhen Dingen. begterigen, ohnehin in der Bibelreligion ergogenen Kranken zn feinem Troſt. Nachdem no ein —Studententumult erlebt war, fährt der Verf., moch nicht her geſtellt, im Herbſt 1768 von Leipgig in die Heimath zuräd Einige Mißklaͤnge des Vaterhauſes werden laut, und der Sohn - ift weniger als ehedem des Waters Freude: Die betrübte Mutter wendet ſich von Kerzen zum Chriſtenthum, und findet hierin die trefflichfte Stüße an Fräulein von Kletfenberg, die, wenn in der Vaterſtadt ihr Heiliger Werth verhalt, und ‚außer derfelben ungekannt ſeyn Tollte, doch als Ideenbild in ‚ten Bekenntniſſen einer ſchoͤnen Seele fortlebt. Ehen dieſe greift den, mehr noch geiftig als körperlich, Kranken mit Langers Mittel an. „Meine Unruhe, meine Ungedutd, ein Streben, mein Suchen, Forſchen, Sinnen und Schwan— ten, legte fie auf ihre Weife aus, und verhehfre itite ihre Weberzeugung nicht, das alles komme daher, weil ich Teihen verföhnten Sorte habe.“ Auch der leibliche Arge und der Chi⸗ rurg find frommer Art; erſterer ſteht uͤberdem im Ruf and ti der Meynung, die Univerſalarzney oder doch ein Buͤchlein davon zu beſitzen. Auch Goͤthe wird luͤſtern nach dieſem [ker benswaſſer, fludire im flillen häuslihen Verein Wellings opus, Theophraftus Paracelfus, Bafilius Valen tinus,-und ſieht fich wirklich einft durch des Arztes geheinn⸗

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Was meisem Reben: von Goͤche. 19

Cat son einem aefährkden: Parsınamns befrene, und der Heilung entgegengefäßkt. Er felbft beginnt Hierauf bie phils⸗ fadiige Handarbeit, wird auch unter andern Meifter in Bes nitung des Kiefekfafte, ohne jedoch der jungfräufigen (Erde ie aſtrali ſches Kind abzugewinnen. So auch durch einen Theil der Chernie gewandert, beſieht er ſich in den von Leip⸗ is heimgeſchrie benen Briefen, die der Water gefammelt und geheftet Hatte. Wir finden hiebey verſchiedene Bemerkungen Ader ihn ſelbſt und Über das Ganze. Auch wird unter audern kiebhaberey en die Zeichenktunft wieder vorgenommen, wobey der Kichenmaler Morgenftern in der Perfpective helfen muß, die fhädtiche Wirkung des Aetzens entdeckt, und endlih, im Unmurh über ſich umd feine ‚Arbeiten, vor der abermaligen Abreife aus dem. väterlihen Haus eine zweyte Hauptverbren ung gehalten. „Umfländlih genug iſt zwar ſchon ‚die Erzählung von dem, was mic in diefen Tagen berührt, aufs geregt und beidhäftigt; allein ich muß demohngenchtet wieder za jenem Intereſſe zuruͤckkehren, das mir die überfinnlichen Dinge eingeflößt Hatten, von denen ich ein für allemal, in fo fern es möglich wäre, mir einen Begriff gu bilden unters nahm.“ Hier wird des Einfluffes von Arnolds Kirchen— uud SKebergefchichte mit: Liebe erwähnt, und des Dichters bemaliges miyftifchsveligiäfes Syſtem entwickelt.

Reuntes Bud. Ein Fragment aus der allgemeinen Deut⸗ ſhen Bibliothek eröffnet das Buch, deutend auf die damalige _ Erfcheinung einer bequemern Kunfllehre, weiche ale Hauptſache Die Kenntniß der Neigungen und Beidenfchaften fest, Der Zänysing, von: diefen ihm verwandten Gedanken erfreudigt, Aber feinen Zuffand und die heimgebrachten idealen Begriffe mis dem Vater geſpannt, erfüllt gern des lektern Geheiß, im Frühjzahr die Academie Straßburg zur Vollendung feiner Srnisien und gwe Promotion zu beziehen. Im Gafthaus abs geſtiegen, eilt er fogleich den Münfter zu fehn, zu erfteigen, uud das; blühende. Land zu überfchauen, das ihn auf einige Zeit beherbergen fol. Die Tiſchgeſellſchaft, in die er empfohr len wird, bilder wieder eine Eleine Welt für ihn, woraus wir die hervorſpringendſten Figuren befhrieben erhalten: den joviafen Dreyer von run, den Tiſchpraͤſidenten

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80. . Aus meinen ‚Leben vou Käthe:

Actuarius Salgmann (nid Salgniaun)e hernach no Andre... Durch Balgmann wird er zu einem jnrifkifchen Dies petenten gebracht, der ihm das Zweckmaͤßigſto giht, ohne ſei⸗ nem Verkande Stoff zur Selhſtthaͤtigkeit zu gewähren. Gen zogen von den Geſpraͤchen feiner groͤßteneheils mediciniſchen Tiſchgenoſſen, bahnt er fi) daher wiederum eigene Wege der Beihäftigung im Maturfudium, Hört Chemie und Anatemie; Indeſſen tritt der Zeitpunct ein, mo Maris Antojnette von Oeſterreich auf der Rheininſel bey Straßburg in dit Haͤnde des ‚Abgefandten ihres königlichen Gemahls übergeben wird. In dem dazu aufgefchlagenen Gebäude werden die nach Raphaels Cartonen gewirkten: Tapeten für ©. ein Gegen⸗ fand unerfärtlicer Bewunderung... Die modernen Hauteliſſen des Hauptſaals jedoch enthalten die omindfeften Scenen auf Medeens Trauergefchichte,, welche den Schüler des aßegprifchen Defer in Eifer ſetzen. Die junge ‚Königin zieht in ihrem Glaswagen vorüber, und bey der Jilumination der Stadb feſſelt der brennende Gipfel des Muͤnſters vorzuͤglich die Blicke. Mit der Nachricht von der Ankunft der Neuvermaͤhlten id der Hauptſtadt, erfhallte auch die von, dem bekannten ns glück bey. den Hochzeitsfeyerlichkeiten. Letztere gibt eine. ge⸗ faͤhrliche Wendung einem Scherz, den ©. ſich nach fruͤherer Gewohnheit mit dem gutmuͤthigen Korn erlaubt, indem, er an ihn nach Frankfurt einen Bericht von Berfailles datirt einſen⸗ det, hierauf wirklich eine Feine Reife macht, und durch ſein Stillſchweigen in der Vaterſtadt die Beſorgniß erregt, daß er mit. umgekommen ſey. Saltzmann wird auch in fo. fun Gb thens Mentor, daß er ihn in die Cirkel und Vergnuͤgumgsortt des frohen Straßburg einführt, wobey manchekley Gefellfcyaft:: liches vorfommt. In der fortgefegten Schilderung der Speiſe⸗ genoffen ift auch ein freumdfchaftliches Copitel dem ‚würdigen, Jungs Stilling gewidmet; wobey ein Blick auf die wum derbare Bildang derjenigen frommen Menſchen fällt, , welchen dieger merkwuͤrdige Mann hauptſaͤchlich die jeinige verdankt! (Der Beſchluß foist. )

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No, 6. Deidelbergifche 1813. Jahrbücher der Litteratur

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Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bon Goͤthe. (Beſchluß der m No. 5. abgebrochenen Recenſion.)

Mann wird auch eines rechtlichen, treuen Vermittlers Lerſe gebaht, welcher im Goͤtz von Berlichingen einer Rolle deit Namen leiht. lebriggebliebene Neizbarkeit, in Widerwillen vor ſtarkem Schall, in leihtem Eckel und Schwindel ſich äußernd, wird durch männliche Uebungen beſiegt; auch außer der Anatos mie noh das Clinicum und Entbindungscollegium gehört. Den innern Drang und Drud vollends abzuwaͤlzen, Hilft der fort gefeßte Genuß einer freyen, geſelligen, beweglichen Lebensart, zu deren Kreis auch die Urtheils- und Sprechfreyheit über Sof und Öffentliche Gegenſtaͤnde gehört, fo wie zu diefen die Stadtverſchnerung, der Sturz der Jefulteh und die Ungnade Klinglings. Tin Ludwigsritter, auch ein Tifchgefelle, diene hier zum Converfationsirricon, ungeachtet er das Unglück Nat, über Die Abnahme feines Gedächtnis Afters in Ver— zweiflung zu gerathen. Auf die Meine Comddie, die der Verf. iin fpielen Täßt, folgt eine erhabene, tiefſchauende Kunftanfiche von dem Muͤnſtergebaͤude, die denen vorzuglich gu ems pfehlen ift, welche bey viel Geſchmack an der fogenannten Go— chiſchen Bauart fih den äftgerifhen Grund ihrer Liebe zu diefen värerlichen Denkmälern nicht Mar genug gu entziffern wiſſen. „Soll das Ungeheure, wenn es und als Maſſe ents gegentritt, nicht erſchrecken, ſoll es nicht verwirren, wenn wie fein Einzelnes zu erforſchen ſuchen: fo muß es eine unhätärs lihe, ſcheinbar unmoͤgliche Verbindung eingehn, es muß ſich das Angenehme zugeſellen.“ So wird denn dieſer gefaͤllige Coloß, das Werk Erwins von Steinbah, mit den feinften Bahrnehmiungen gergliedert, und eine Erklaͤrung des Meotts Änfers zwepten Theis; „Was man in der gegend wuͤnſcht,

82 Ans meinem Leben von Goͤthe.

Hat man im Attee genug!“ in befonderm Bezug auf diefen Segenftand angehängt. „Unſre Wünfde find Vorgefühle der Zäbigkeiten, die in ung liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leiften im Stande feyn werden. Was wir können und möchten, fielle fi unferer Einbildungskraft außer uns und in der Zukunft dar; wir fühlen eine Sehnſucht nah dem, was wir fhon im Stillen befißen.“ . Indem aber diefe Aäcdıpfadhos logifhe Betrachtung, durch befondre Erfahrungen unterflüßt, von der Beziehung der Dinge auf unfer Ich ausgeht, erweis tert fie fi zur edein Allgemeinheit. „Sehen wir nun wähs rend unſers Lebensganges dasjenige von Andern geleiftet, wazu wir ſelbſt früher einen Beruf fühlten, ihn aber, mit manchem Andern, aufgeben mußten: dann tritt das fchöne Gefühl ein, daß die Menfchheit zuſammen erft der wahre Menich iſt, und daß der Einzelne nur froh und glücklich feyn kann, wenn er ben Much hat, fih im Ganzen zu fühlen.“ Die Anwendung macht fih duch die Meigung und Aufmerkſamkeit, welche G. in frähern Jahren jenen Bauwerken der rieſenhaften Vorzeit widmete, und, nachdem er fie aus den Augen verloren, in

jeßiger Zeit dur andre, namentlih Boifferee an deſſen

Kölinifhem Dom, zur Ausführung gelangen ſieht. Won dies fen Werken der Zeit ſchwingt fi der Verf. zu den Künften des Augenblis, zu feinen Tanzübungen, in denen ehedem der Vater ſelbſt fein Lehrer war; jegt wird ihm ein Franzöfis

her Meifter, mit deſſen beyden Töchtern fih eine kleine

Geſchichte anfpinnt, wo doppelte Zärtlichkeit vergeblich nach Erwiederung feufjt, und, um das Romantifche vollftändig zu machen, das Wunderbare in Geſtalt einer Kartenfihlägerin die Schickſalsblaͤtter aufdeckt.

Zehntes Buch. Nach einem Eingang, worin wir ets was von der Straßburger Meifterfängerzunft glauben hören zu follen, aber das Verhaͤltniß des Deutſchen Dichters Zur bürgerlichen Welt hiſtoriſch und fein bemefien finden, wird uns in Klopftod's Perfon der Augenblick vergegenwärtige, „wo das Dicptergenie ſich feine Verhaͤltniſſe felber ſchuf, und den Grund zu einer unabhängigen Würde. legte.“ Der reine und hohe Sänger des Meffias und fein Wert werden mie Äharfen Linien umzogen, und mit fchimmernden Farben Übers

Has meinem Leben bon Goͤthe 83 rent. Ihm ‚gegenäber erſcheint ſein warmer Freund Gleim, ſchwach an eigener Kunſſwuͤrde, groß als Pflegevater fremden Berdienftes. Die Meintihe Wichtigkeit, welche beyde große, Männer ihren freundſchaftlichen Privatumftanden und den ges tingſten ihrer Thaten bepiegeni, bringen Goͤthen ‚und feine Altersgenoſſen in Gefahr eitter gleichen gegenfeltigen, beſchrank⸗ ten Verzaͤrtelung. Hier tritt aber als herkuliſcher Bekaͤmpfer eitler Selbſtgefaͤlligkeit Herder dazwiſchen, und ſein dortiger felgereiher Umgang. Als Reifegefaͤhrte des Prinzen von Helſtein⸗ Eutin kommt der ſchon duch Schriften berühmte Mani zu Stihßburg an, und. verweilt daſelbſt als Leidender an einem Augenübel, deſſen ſchmerzhafte Operation nicht allzu wohl gelingt. Die anziehende und abſtoßende Kraft dieſer tief elektriſchen Natur, ſein fanftes und beißendes Weſen, ſein Achten und Verachten, ſeine weitgreifenden philofophifch hiſto⸗ riſchen Forſchungen; die umfaſſende Verbindung und hohe Beziehung, worin er die Poeſie erblickt, ſeine Liebe zu Ha⸗ manns Schriften, ſeine Geduld und Ungeduld im Leiden, ſeine hochtragi ſe che Ergebung in den ungluͤcklichen Ausgang der Cur, und fo manches Andre, bewegen Goͤthens Herz und Gaben vielſeitig und heftig. Doch ſteht Herders litierariſche Unbarmherzigkeit dem unbedingten Vertrauen im Wege, und die ſchon im Geifte ſich geſtaltenden Bilder des Ss von Berligingen und Fanft, fo wie die Cabbaliſtik und ihr Zus geher ( wog doch auch Herder ſich in fruͤherer Zeit neigte! bleiben ihm verheimlicht. Auch Jung ⸗Stilling wird von Herdern angezogen und geehrt. Aus der Krankenſtube machen wir in der andern Haͤlfte des Buchs Ausflüge mit academis {hen Freunden in das reich audgeftattete Land von Eifaß und Hier beginnt ein gehaltvolles Reiſetagbuch, durch⸗

ans charakteriſtiſch und reſtexionenreich; Zäbern, Pfalzburg, Buchsweiler, die von der Saar benannten Städte und andre, mit Bau und Straße, Berg und Wald, Fluß und Matte, Metallwerken und Steinkohlengruben, treten in Maren Ums tiffen vor und, nebft dem Kohlenphiloſophen, auch dem brennen⸗ den Berg, und allem Intereſſe der Berggegenden, das Soͤthens nachherige Suſt zu Sionomifhen und techniſchen Betrachtungen zuerſt, erregt. Allein mit G. ih einer. Sommernacht auf

54 _ And aneinem Lehen von Goͤthe.

einem einfam hochgelegenen Jagdſchloß ahnden wir in dieſer feyerlichen Stille ein neues ſanftes Abentheuer, welches das Herz des jungen Helden bereits gefeſſelt hält. Wir eiten durch Zweybruͤcken, Bieſch, und andre fehensmürdige Punste :des Reviere gerade auf daffelde zuz muͤſſen aber zuerſt in..der Wohnung des" Landpriefters von Wakefield einſprechen, und von Herdern ihn vorlefen hören, um defto gefaͤhlvoller und Aberraſchter den Roman im Hanskreife des Pfarrers von Seſenheim ‚verwirklicht zu fehen. Was aber der eigene

ländliche Roman des Verf. mit Friederiken enthält, jene

idylliſchen Auftritte, jene unſchuldigen Mummereyen , die ein reines Vethaͤltniß einfaſſen, und das Poffenhafte burch -uner wartete Verflechtungen zum Sinn s und Geiſtreichen, durch Unbefangenheit und natürliches, trenherziges Geſellſchafisweſen zum Liebenswürdigen fteigern, dieſer inhalt verträgt Leinen Auszug. Ein Maͤhrchen im Mährhen, die neue Mein: fine, hat uns der Verf. am Schluſſe nur genannt, und zuletzt noh Gall's —2— Urtheil uͤber ion gleichjam zur Vignette gegeben.

Das Urtheil, welches wir uͤber dieſen neuen Band zu ſprechen uns aufgefordert finden, iſt dreyfach.

Erſtens, das Buch ſelbſt als Kunſt⸗ und Leſewerk Pr treffend‘, fo erhält es fich durchaus in dem angefangenen Ton und Gang, wie bey Goͤthens beſonnener Meiſterſchaft auch gu

vermuthen iſt. Es zeigt ſich immer jene wohlberechnete An⸗

lage, die das innere Leben des Helden und die Hauptſeite ſeiner Biographie als Kuͤnſtlers im Auge behaͤlt, und wodurch unter anſcheinender Nachlaͤſſigkeit auch aus der Geſchichte ein poetiſches Ganze wird, von contraſtirenden Epiſoden gehoben. Es zeigt ſich jenes gelingende Beſtreben, Kleines und Großes mit Wahrheit und Verſtand zu beſeelen, und eine Herrſchaft uͤber die Gegenſtaͤnde auszuäben, vermoͤge deren fie ſelber ſicht:

- bar vor uns zu treten, und den Erzähler zu bedecken gezwun⸗ ‚gen find. Wenn er gleich flets von fi reden muß, fo ſehen

wir ihn doch nur, fofern er fich ſelbſt pſychologiſches und fünf Terifches Dbjert wird. Hiermit verbindet ſich innigft das uw geſchminkte, heitre Eolorit, welches den Malereyen Seinen

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Ans meinem: Leben non Boͤthe. 85

einfardigen Schimmer , ſondern den durchfichtigen Glanz eines erhöhenden Glaſes Hehe Es komme Hänge. -in „den reifern Sahren des Dichters eine unglanblihe Sprachgemalt, die Frucht der Hebung und eines Temperamentk, das Zwang und Schwäche leichtlich fühlt, verſtoͤßt und zu befiegen weift. Durch diefes gemeinfame Zufammenmwirfen fo vieler ſchoͤnen Kunfts käfte wird jede Zeile angiehend, lebendig und: ihn, und jede Seite erhält von der ausgebildeten Erfahrung und Beobach⸗ tung’ des vreßgenindten Mannes einen lehrreichem: Inhalt, ſey 8, daß er das Geſchehene in einen Bremsmmnct: zuſammena fafe, oder feinen Blick in die Gegenwart „;. im.bhe mannig⸗ fahen Lagen, Werfchlingungen, Schwierigbeuen, Morpige une Anfgaben des Aufiern Lebend‘, Ser. Wiſſenſchaften und Künfte, in das: Neger und Weben der’ Maigungen: und: Beſtrebungen des menfchlichen Herzens und Geiſtes verſenke. Auch⸗ wo mau feines Sy ſterus nicht iſt, wird them Die Gerechtigkein wiherfahr ren, daß er wicht. leichi etwas ungeprüft beſpreche, und: naeniaen ohne eins Seite hervorzunehen, die entweder eine Beſtaͤtigung des Selbſtgeglanbten, vder-eine -intereflante Neuheit, wenig⸗ fiens - eine Aufhellung und Biadung des MWeyrifie Darbieser, Es mag auch der Monte noch fo viek geben in dieſen fünf Baͤchern, und ed mag manches an Kurzweil gewoͤhnte, trockene Herz Hin und wieder einige; Breite fühlen:.: fo gefichen: wir, die wir gar keine Überdäffige Muße ndurcheus anges nehm unterhalten worden zu ſchn. Es iſt dakeine Flaͤche⸗ weile nicht wenigſtens zierliche Heiden ſchmuͤckten, und «9 And vielmehr Plauiſche Gründe, wo im gewundenen Ling. ſich Landſchaft an Landſchaft. reiht, und manche langhingeſtreckty Vellchenſäat unſer Auge in Wermundtrung ſetzt. Mas dieſen Band beſonders wichtig. macht fuͤr den ganzen Kreis der Künfk fer und Litteratoren, ind. die amfpannenden.: hiſtoriſchen An deutuungen aus der Geſchichte ideas Fasz ;die Umriſſe dar Bigeben heiten und die Memſchengemaͤlde. Eier ſpricht der eek des. von ihm. erfehten, lang in Gedenken getrager

nen , woean ex ſich geweſſen, geſpiegelt, ‚gebildet: hat, wovon er inen Auszug mit feinem Talent verfehmolgen, in ſich nie derlegte, und was er nun erß mit. den eigenſten Namen zu beſeichnen fähig geworden iftı Hier iſt vieles und vorgerufen,

86 Aus einem. Leben von Goͤthe

was mir fände kamiten, wed mie. fo tief beasiffen, ee belenchteten. vieles auch fo ausgedruͤckt: Der daß ſich ein Jeder leihe⸗ garent, und gar viel (digen, umſonſt ſich Genie

wird Gileiches wegend.

Und wenn der: erſte Theil fich in eindlichem Gemahl faſt nur frohfinnig Bahinfisiekte, und eine bunte Europäifche Welt, ohne ihre Großheit und Bedeutung zu verlieren, f„h um- den Kna⸗ ben wie uns’ -yedffweren Vildorkaͤſtchen und von den Glaͤſern einer Zauberlastine aufregte: ſo empfindee hier Der Lefer dag ietlich merfwürdigere Treiben und: Wallen des Juͤnglingsal⸗ vers; die tiefer aufflammenten Anfprühe und Fähigkeiten : Ben ſchwankenden Gang des’ nach wuͤrdiger Beſtimmung ſich ſehnenden Meulings; den Sturm eines friſchen Herzens, welchem alles bedeutend iſt, und nichts genuͤgt; das bald anche ri, bald zu viel findet; das in den Feſſeln der Menſchlich⸗ keit umhergezogen witd, wohin 28 nicht mag, und ringt, «wor hin es nicht darf; dar ſich undidie Welt verkennt, vergottert und verachtet; kurg Bas teagiſche Epos und die epifche Tragoͤdie eines lebeneluftigen, und doch immer mit fih und dem Leben entzweyten poetiſchen Gemuͤths, deſſer urbilder, verſchieden abgeſtuft und geeigenſchaftet, in -der Wirklichteit eines -ulvics ten Zeitaltere umherfhwärmen, und die Leiden und Freuden deffelben, doͤch bie erften vorxuͤglich, fe lange mehren heißen, bis der irre Sup zum Bewußtfehn zu kommen anfängt: Den gur gründlichen Ruhe: gelangen, ach! Die alerwenigfien., weit fie den einzigen Bis verihmähen.- nr Z3weytens. Der Dichter entwickelt Bier fein eignes poe⸗ tifches MNaturel, die Form ſeines Gonies, in feinen. Sebi beſchaunngen, im den Wirkungen der Dinge auf ihn, und in dee Scildernitg feiner Geiſtesserſuche und Sewohnheiten. Man erlaube ung ein Paar "bakunnte Schulausdruͤcke zur "ges drauchen, weil die Sache damit. am leichteſten abgethan wird. Goͤthe iſt eigentlich lyt i ſcher Menſch won der ernſtern und weitumblickenden Art, Er iſt aber dabey hoͤchſt merkurialiſch, d. i. aller Geſtalten ſaͤhig, Re init klarem Leben aufzunehmen end wiederzugeben geſchickt. Die von Kindheit auf ihn um⸗

Aus meinen Leben von Bötke, sr

gehende Fälle und Mannigfaltigkeit von wiſſenſchaftlichen, kuͤnſt⸗ leriſhen und gefellfchaftliden Einfläfen, zwang ihn vollende dies letztere zu werden, wenn es nice im.feiner glücklichen Natur, feiner Dffenheit und Empfänglichkeit, feiner beweglis den Phantafie ſchon lag Er ift zum Tragifhen vorzüglich geneigt; aber kein rein entichiedener Tragiker. Er ift fo we sig allein zum komiſchen ala allein zum epiſchen Dichter gebos ren. Das Plaſtiſche feiner Werke iſt ihm weniger natürlich (font wäre. er vermuthlih auch ein großer Zeichner geworden), als vielmehr Durch frühe Bildung eingeimpft und durch Kunfts umgang forterhatten, und konnte vermöge. feiner gefuͤhlvollen Igrifhen Lebendigkeit, verbunden mit männlihern Bemerkungen : über den Unterſchied der Künfte, nie fleif und ſtarr bey ihm, nie zum Fehler, fondern nur zuc Tugend werden; und daher, nämlich von lyriſcher Saͤnftigung und Herz, kommt es, daß wir darin ſtets das Zarte und Inmige an ihm bewundern, und zwar frey von matter Tändelen und Suͤßlichkeit, welchen fein tragifher Ernf und männlicher Verſtand widerſtrebte. Keineswegs find alle feine. Werke, groß und Bein, von gleicher poetifhen Kraft; es wäre eine munderliche Forderung; aber er verläugnet fich felten. Wir find nicht der. Meynung, daß in einer Kunf, welche unter allen. die wandelbarſten Mittel und Werkzeuge hat, ein vorgägliher Kuͤnſtler nicht auch. viel. Alleägtiches hervorbringen koͤnne. Der Verirrungen in der Wahl der Stoffe nicht zu gedenken. Auch hat mancher Dichs ser ftärfere und größere Ideen ausgeſprochen, als. er; aber kaum einer bat, bey fo viel Originalität und .originellee Ders. arbeitung des. Empfangenen, fo ‚allgemein zum. Kerzen geredet, ohne fi im mindeften falfcher Hütfsmittel zu: bedienen. Denn.

Goͤthens Kunft if aͤußerſt Acht und gründlich. Da, wo feine Vorwürfe zu. mißbiligen find, erweckt er eben deswegen um-

fo groͤßern Verdruß: denn er fchläge damit unmittelbar an den Innern Stan ; und da diefer die veinften Anforderungen macht, fo mag er feiner fhönen Kunſt kaum glauben, daß fie. fi willig. dazu hergegeban habe. Seine Beobachtungsgabe, weiche allem einen Spiegel darhaͤlt, worin es ſich fangen muß, gehöre za den größten, ausführlihfien. Daher feine audnehmende Wahrheit ; durd die Macht der Sprache das Treffende, durch

88 Aus meinem Leben von Goͤthe.

tragiſche Würde das Ergreifende. Sein Liebliches iſt auserle⸗ ſen; ſeine Schauer ſind weniger gewaltig, als durchdringend. Denn fie find empfunden und beobachtet. Bekanntſchaft mit alten Ständen und Menſchen, Wiffenfihaften, Künften, Be . firebungen und Träumen der Menichheit bey einem. außeror⸗ dentlichen Gedähmiß, hat ihm zu allgemeiner Empfänglichkeit eine Allgemeinheit von Materialien angeeignet, in deren Ders trieb und Ausftreuung er ſich gefälle, er überall ſelbſt und doch wieder mahrhaft die Sache if. Umgang mit der vornehmern Belt hat ihm Überdem, was an Welt in befferm. Sinne nennt, gegeben.. Mangel an Ausdauer in einzelnen Studien Hat fein vielſeitiges Wefen nur noch vermehrt, ‚oder vielmeht begründet, indem er fih einen entichädigenden Auszug ‚von allem für ſeine innere Kunftwerkftätte verfchaffte, ‚nnd nur in Einer Kunſt ein volles Ausharren bewies. Alles aber hat er, aͤchtlyriſch, mit feiner Individualitaͤt verglichen, aus ihr her⸗ ausgeſehen, ohne Schaden fuͤr das Object, weil ihr nichts fremd war. Denn das wahre Dichtergenie if ein Heilſichtiger, der eine kleine Welt in fi rägs, und ahnder, was ihm nie gezeigt worden iſt. Goͤthens munteres Behagen an der Außens welt und feine Wandelbarkeis in deren Liebhaberen find epiihe Elemente; fein fauniger Muthwillen ift die Wurzel des Komi⸗ ſchen. Man vergleiche mit dem bisher Geſagten das oben gelieferte Excerpt von ©. 163 ff., und was er ferner ©. 176 ſagt: „Denn da ung das Herz immer näher liege, als det Geiſt, und uns dann zu fchaffen macht, wenn diefer fi wohl zu helfen weiß: fo waren mir die Angelegenheiten des Her— zens immer als die wichtigfien erfchienen. Sch ermuͤdete nicht, über Flüchtigleit:der Neigungen, Wandelbarkeit des menſchli⸗ en Weſens, firtlihe Sinnlichkeit, und über alles das Hohe und Ziefe nachzudenken, deſſen Verknuͤpfung in unierer Natur als Raͤthſel des Menſchenlebens betrachtet werden kann. Auch hier. firchte ich das, mas mich quaͤlte, in einen Lind, einem Epigramm , in irgendeinem Rein loszuwerden, die, weil ft ſich auf die eigenften Gefühle und auf die befanderfien. Um fände bezogen, kaum Yemand anderes intereffiren konnten, mich feld.“ Endlich Über das Didaktiſche und Epifche in ihm | als vaͤterliche und muͤtterliche Erbſtuͤcke, äußere er füh ©- Ä

Ans meinem Leben von Goͤthe 89

alſo: Mir war von meinem Vater eine gewiſſe lehrhafte Rebſeligkeit angeerbt; von meiner Mutter die Gabe, alles, was die Einbkidungskraft hervorbringen, faffen kaun, heiter and kraͤftig darzuftellen, bekannte Maͤhrchen aufzufriſchen, ans dere zu erfinden und zu erzählen, ja im Erzaͤhlen zu erfinden.“ Bie aber das Zufammenftröhmen unendlich vieler Bildungs mittel uns in. Erſtaunen ſetzt, weiche fi unferm Diditer von . Kleiirem auf theifs zudrängten, theils neugierig von ihm ers griffen wurden .; wie dadurch) das abergläubifche Ruͤhmen von einee beduͤrfnißloſen Wunderkraft des Genies zu Schanden wird, obſchon fie eine geoße Wahrheit, nur nah Umſtaͤnden, und nicht in dieſem Zeitalter if, wo überdem der Dichter fo viel Bildung erwerben, als Talent befigen mußre: fo wun⸗ dern wir uns zugleich Über die unglaubliche Weichtzeit, Bil⸗ dungsfähigkeit, Beſtimmbarkeit, Veraͤnderlichkeit und Neigung zum NVerieren am Ddiefem fa räftigen Manne, deron -Grund jedoch. eben in jener allempfaͤnglichen Art zu {schen iR, welche wir nicht beſſer ats mic dem Mamen der Mevtuvialität zu benennen willen. Der Inhaber dieſer Naur wWird zwab nie ſich ſelbſt verlieren, wenn. er ſich behalten will, and:immen wieder auf flare Puncte kommen, die ihm Breude und. Ehre bringen; kann aber auch nie fertig.werden , . und: fallt ſogar öfters zuruͤck, wenn er nicht mit Heldenhafter Ermaumang and Unterwerfung. allee niedern Reize kebiglih dem Sonnenpuncte zueilt, mo allein Friede und ewiges Genuͤgen if. Denn we der Geiſt feinen Urſprung finder,. ift allein eine Schwaͤrme⸗ rey; fondern wo er nicht * ZUDEM AD: Und Bier. treffen-wir . >

Drittens auf den: ſitlichen ab religidſen Thril ee Werks; wobey wie mit unfern Aeußerungen in den erſten Mer cenfion bloß ſzufrieden zu ſeyn Urfahe haben. Gem. übers ſehen wir, da wir nice muͤrriſch und lieblos richten "wollen, fondern loben das Lobenswuͤrdige, und prüfen und unterfcheis den, als Zugehör des jugendlichen Sinnes, und als Momente der dichteriſchen Laufbahn, biefes und jenes: Erotiſche. Mur fofern ..eg einladend iR, verdient dergleichen, Unterbrackung; wir baten auf. ber andern Seite nichts dagegen, daß : Ber Dichter fo ehrlich If, ſich und zuigeben wie wiwar Ueber⸗

90 Aus meisten Leben von Goͤthe.

Haupt zeigt er fi allerwaͤres als der Grade, Rechtliche, Un⸗ parthepifche gegen fih und Andre, als der wahrheitliebende Mann. Und niemand wird bie edeln - moralifhen Maximen verkennen, die der Verf. auch in diefem Buche niedergelegt bat. Was aber die veligiäfen Stellen betrifft, fo kommen fie zum Verwundern und zum Vergnuͤgen aller gründlichen Ges muͤther fo Häufig vor, daß man zumeilen glaubt, Die Lebends beichreißung eines angehenden Gottesgelehrten zu lefen, Bes fätigung genug für unfee Behauptung, dafi dem Verf. Das Hoͤchſte der Dinge auch das Wichtigſte, und bie Brruͤckſichti⸗ gung dieſes menſchlichen Grundtriebs ein ganz eigenes Bes duͤrfniß iſt und bleibt; mit welchem wir ihn gleichwohl, da

wir vieles dahin gehoͤrige an ihm ehren und lieben, mit nich⸗

ten alles gutheißen, auch noch jetzt in unentſchiedenem Kampf erblicken. Wenn nun der Biograph dieſem Theil feiner Les bensbefchreißung feläft fo große Aufmerkſamkeit widmet, was iſt billiger, ais daß wir ihm. folgen und ein Gleiches thun 2 Unftreitig: :wied er, der Freund folgerechter Unterhaltungen Über ehrwuͤrdige Begenflände, es uns am wenigften zum Tas del anrechnen, jund wird, wenn er diefed lieſſt, umfrer Bitte Gehör geben, uns nad Gelegenheit ferner eben fo freygebig mit demjenigen zu befchenfen, was den Zug umfrer innigſten Neigung zu feinem Herzen ausmacht. Goͤthe hatte das Gluͤck in einer. durchaus chriſtlichen, an Gottes Wort und Erloͤfungs⸗ werk haftenden Zeit des pinteftantifchen Deutſchlands geboren und ‚auferzogen zu werden, mo auch die Abfonderung von der kirchlichen Semeinfhaft nur wiederum aus veligidien Beweg⸗ gründen entfprang, welche nod) einen größern @ifer, als der. gemeine: war, bezeugten. Mach als er Leipzig. mit Fleiſchern und deſſen geiftreicher Gattin bezog, und fie Abends in Auer⸗ ſtaͤdt mit einem. vornehmen Ehepaar zufammentrafen (5.68), verrichten diefe einander fremde Menſchen aus dem gelehrten und hoͤhern Stand gemeinſchaftlich ein ſtilles Tifhpebet. Man bemerkte, wie wiel diefer Heine Sittenzug im Vergleich mie unfern Gewohnheiten fagt, mo man den Welternährer ım fo. gewiſſer vergißt, als man ſich ſcheut, kindlich zu zeigen, daß man feiner, gedenke. Goͤthe zeichnet. und beylaͤufg jene Zeit, ihren. Ton, ihre Spaltungen, ihre Fortſchritte und Abſchwei⸗

Aus meinem Scheu von Bike. 91

füngen, auf eine b—andenswärdige Weils; mer könnte fh bier fer Dinge fo worurcheilsfey erinnern wollen, und fie fo richtig nennen, wie er ?_ Aber die ungemeine Veiwegtichteit und es Ratibarfeie feines Seiſtes, die bey viel ernſtlichem Willen auch mancher bloßen Wahrſcheinlichkeit gern ein haltbares Intereſſe abgewinnt, die durchdringend und ſchoͤpferiſch auch aus dem Bahn Aechtes zu ſcheiden, und gum behaltenswerthen Stoff mnzuardeiten aufgelegt iſt; Purz: dieſe ehrliche dichteriſche Tole⸗ ranz, mir unzerbrochener, nur verfeinerter Sinnlichkeit vereinigt, und von den 'näthigen Kenptniffen nicht überall umſchraͤnkt, bat Goͤthans Glauben an das Ueherirdiſche, und fein Streben daran), af den Wellen des Zebelaufs mit hinabgetragen, und ihn der Merifrungen bed letztern theilhaftig gemacht. Daher denn der ‚mochweindige. Widerſpruch in dem, was Goͤthens der; und Gemuͤth von goͤttlichen Dingen ſpricht, ind was feine kritiſch gemachte Vernunft an deu Tag gibt: Er bald geiſtlich - Bat weltbich, balde ſframm baid leichefeetig. und zeigt uter Forte vollend aen guhgteite hier eine faſt verwilderte. Wenn er ©. 14 fügt: Des Soͤtrares Schaͤler ffienen mir Aaroſie Aehnlichdeit mit den Apoſteln zu haben, die ſich nad. Des. Meiftere Tode. ſogleich entzwenten,. und offeng bar jeder ur ee befäränfteu Eennesart für das Rechte ere nnte® u fo: :mrddjte‘ man“ fingen: ma. jenes Apoltyphon aufgezeichnet fey ? 7 und wo fi” hier die Beſchraͤnktheit offen⸗ hare Der Verf. traut in ſolchen Faͤllen zu ſehr feis Yen: gutem Gedaͤ tuiß, wo: doch Goliches Wiederleſen kaum der Sache genug thut. Es laͤßt ſich mit gemilderter Beziehung anf unfern Seyriftkeier anwenden, was er S. 137 von einem andern: fage * 5 Mat verzieh dem Aütor, wenn er das, was man fuͤr wahr "und ehrwuoͤrdig hielt, mit Spott verfolgte, um fo der, als er ‚dadurch zu erkennen gab, da f.2E. ibm Leibft

immerfone „u ſchaffen made.“ Unb:diefe innere

| Sadrang An Hetlig, und ehrwaͤrdiger, als die abgeſchloſfeuſto Kit, Sie’ kertig zu ſeyn meint, und nur ſich ſelbſt von der Vihrhen abgeſchloſſen hat. Den großen Weg. des Unheils, ben bie, prateſtantiſche nicht. Confeſſion, ſondern gelehrte Thidlogis · na tzmuo iur Bi. ©. 1244 ff.: „Auf: dieſem Wege zınßen pie Thedlogen ſich zu de mteues er

92 Mus meinen Leben von Goͤche.

ligion hinneigen, und wenn zur Speache kam, in wiefern das Sicht der Natur uns in den Erkenniniß Gottes, der Merbeffes rung und Peredlung unſerer ſelbſt zu foͤrdern hinreichend ſey, fo wagte man gewoͤhnlich ſich zu deſſen Gupſten ohne viel Bedenken zu entſcheiden. Aus knem Mäsigfeitsprincıp gab man fodann ſaͤmmtlichen pofitiven "Religionen gleiche Rechte, wodurch denn eine mit der andern gleichgouͤltig und "unfichen wurde. Uebrigens lieh man Mean ‚doch aber alles beſtehen, und weil die Bibel ſo voller Gehalt - iſt, daß ſie mehr ale jedes andre Buch Stoff. zum Machdenten und Gelegenheit zu. Betrachtungen über Die menſchlichen Dinge konnte fie durchaus nad) wie vor bey allen Kafızelieden ünd fonftigee religioſen Verhandlungen zum Stande gelegt werben. Allein dieſem Werke ſtand unoech ein eigenes Schickſal Bewer u. ſ. w. Indem er —B— ———— Mſpiration gedenft, fährt er von Apr vibel fort: „Ip, für mein, Pers fon Hatte fie lieb und weith: .deiin faf ihr. allein var. ich meine flttlihe Bildung ſchudig und die —— die Lehren, die Symbole, dis Sieichniſſe, alles Harte ſich tief bey: hie: eimgedriktt, und: war :anfı dime oder die: andre Weile wirks m gmarien:.. len Fa die BIER ſM talichea und verdrehenden Angri er, wird nicht aufs merfen auf ‚diefes, —— Genug des Berfafers z Gern möchte man es wie eine einfame hole Suml"ändheben, ‘and auf einem freyen Beeté teren, damit es’ nicht sbrk Un⸗ traut .der Meynungen erſtickt * Duch her tee ſich sim merkwardiger Umſtande an, . für: Asfizg: Deleuchtaug faum Aline ‚shielicheree Raum zu finden wäre, „als. bar.. Verf, ung erßifüet. Unſre Zeit, voll’ des Hrängenipen ewigen. Der duͤrfniſſes, hun and dürftig nach’ Beil,’ ‚juma unter den germalnienden Schlägen des aͤußern Gefchidis‘; "abet Yon uͤber⸗ gewaliget Sinnlichbeit an Augen, "Ohren: und vlben⸗Gliedern Sehnde, eilt, nad) einer welebs ſia wider Maſchichea für, Vroſigntismuß ‚ausgibt, in, ihr

A, mächtig him, 09 > Katho ie Eh u entm nom weiches um "To mehr wahre Ch fen und. fromme Behreh An feinen Schdeße trägt, ala ſein Gebier weiß a aser aus der Einfalt⸗ doverſten Kirche und Senn Wunders

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digen; a wir ſchweigen vorſatzlich von jenen Mißbrauchen, Ohr dinsieitte Reformaſien / welche wreden auf. Meſentlichs tech aan iR: Ausbruch arreige wordan: ROTE Kran

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Muss meinem: Lehen won Goͤthe. 93

imer Erſcheinung Liegt nahe. Der gute Jängling und junge Mann ift immer: religiös. Vollherzig, mit allem phantaftis fhen Zauber Dee ſchoͤnen Kuͤnſte am Gemüth aufgebildet, mit aler Reizbarkeit Des Tags begabt, ohne Menfchenkenntniß, ohne geübte. Unterſcheidungskraft, ohne zureichende Gelehrſam⸗ fit, zu unfräftig und irr, um mit dem Geifte der Wahrheit felst eine unmistelbare Befreundung zu wagen, tritt er in die Belt, er ſieht feinen Innern Menichen von den ihm etwa zus nächft fieehenden Lehrern, die auch Proteflanten zu feyn glauben, veriaſſen; fie geben ihm Zweifel für Wahrheit, Nichts für Alles; eine Liechliche "Außenfeite, die ihm unerwecklich fcheint, kemmt hinzu; er gibt fih die Zeit nicht, beſſere Leititerne zu ſuchen, und glaubt nichts ‚Äbrig zu haben, als daß er, um Bas peinigende Mäthiel feines Herzens zur Aufldfung zu brins gen, wie er irrig fprict, in den Schooß der Kirche zurück Der Bang älterer Menſchen ift dem ähnlich ;' wielleiche fehnen fie ſich nur nod etwas mehr nad) Sichtbarkeit der Kirche und Gemeinſchaft der Slaubigen. Wohl geſchieht es, Daß, de redticher der Uebergegangene es meint, er deſto ges wiffer endlich auf Die Wahrheit felber trifft; durch eine finns liche Kruͤmme, die er wählte, wird er von der Gnade, die ihn wählt, zum Ueberſinnlichen geführt, das in jenem ſicht⸗ baren Gefäß wie in allen behalten iſt. Vielleicht nod) eigens finnig aus menfchliher Schaam, feinen überflüffigen Schritt gu vertheidigen, ift er doch forthin weder petriih, noch paus lich, noch apolliſch; fondern er ift ein Chriſt geworden mirsturque nuvas frondes et non sua poma. Die gejegiiete Toleranz, weldye die Liebe auch in Abſicht auf die wohlthätige Berfchiedenheit äußerer Eonfejfionen für das erfie Gebot erklärt, kommt ihm zu Statten, daß fein frommer Mißgriff weiter feine Abie Zolgen für ihn hat. Aber er hat bey .dem allen ein böfes Beyſpiel von der Methode gegeben, wie man.das Uns weiensliche für das Weſentliche ergreift, und lockt Nachfolger, weiche auf gleiche Weife duch. die fteinerne Thür und die Sewölbe eines andern Hauſes am leichreften in jene freye Kegionen glauben gelangen zu können, wo Gott, im Geiſt und in der Wahrheit angebetet, ſelber der Tempel iſt. Und ir dieſen Ton ſtimmt auch Goͤthe, der ſinnreiche Deuter des en umd. Halbwahren, nachdem er anderwärts der Ders nunfttrisit gehbuldigt, wenigſtens erflärungsweife ein, und empfiehlt &- +78 fi. von Seiten menſchlichen Beduͤrfniſſes und finnficyer Vernaherung des Weberfinnlichen dasjenige, wovon ſich eben fo leicht die zweckwidrige Seite hiſtoriſch und pfychos _ iogiſ⸗ ervorwenden ließe. Er hebt die Sacramente, als weſentliche Theile des Kirchenthums, in ihrem begeiſternden

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94 Aus meintni Leben von Goͤthhe.

firtlichen Einfluß hervor, und entſcheidet: der Proteltant Has zu wenig Sactamente. Indeſſen hat Niemand als der Miſ verſtand irgend einer chriſtlichen Kicche alle und jede Sacra⸗ mente man muß aber wohl, nah Sprache und Erkennmiß, wiffen, was diefes Wort fagen will und vornehmlich die Wahrheit flreitig gemacht, daß die uns in Chrifto gegebene Keligion ein großes Sacrament ift, das fi) in unzählige andre gergliedert, und dem wahren Chriſten aus allen Eonfeifioner durch fein ganzes Weſen, Thun, Denfen, Empfinden und Leiven hindurch ; feine unendlichen, kwig lebenden Kräfte und Adfichten mittheilt. Allein dieſe innere Neligion des Herzens kann von dem Augenblic an, und in all denjenigen Stuͤcken, fich mit:der äußern Kirche nicht mehr als volllommen Eine anfehn (ſ. ©. 181 ), wo fie Verfall und Mifibräuche mahrs nimme (in weldher Kirche es auch fen ) und fich Unvermoͤgend fühle, ihr reines Zdeal von Kirhenehum in die Wirklichkeie heranszupflangen. Sie erträgt alsdann mit goͤttlicher Duldung das ünvolitommene Mittel, das auch ihr zur erften irdiſchen Stufe einer himmliſchen Geſinnung wurde, und Bleibt im Aeußern, wo ihr Menfch geboren iſt. Sie ſucht, wo es ans geht, an jenem Mittel zum beſſern, zu veredeln, damit es leich— ter, kraͤftiger, fchöner vermittie, und gebraucht allerdings zur Erweckung des Herzens auch die Reize der Phantäfle, die uns ausſprechlich wichtig für die Meligion iſt; erwartet aber die ganze Erfüllung diefes ihres Wunſches nur von einer Zeit, wo Das Unſichtbare fih von ſelbſt ins Sichtbare herauskehren, zwi⸗ ſchen dem Widerftrebendften Zriede und aller Fehde ein Ende ſeyn wird. Inzwiſchen ſucht ſie der innern Sacramente, ohne Verwerfung der aͤußern, in ſtets wachſender Stärke theilhaftig zu werden. Sie läßt fih mit Waſſer und Blut von dem taufen, der da kommt mit- Woſſer und Blut, und einen Brunn aufthut, welcher in das ewige Leben quiftt; fie erhäfe die Firmung des wahrheitgengenden Geiſtes; fie genießt dag wahre Brod vom Himmel gefommen, Nicht ohne das bußfer⸗ tige Herz in täglicher Beichte dem Allwiffenden zu Sffren; fie ſchließt eine bräutlihe Ehe mit dem Echadenften, den Himmel und Erde hat, von welcher. das geheime Verhaͤltniß der Ges fchlechter ein heiliges Sinnbild iſt; fie embfänge die Weihe eines koͤniglichen Priefterftandes, und das Del der Barmher— zigkeit aud) in die Wunde des Todes. Bolten wir hier nicht eins fenn mit dem, was G. ahndete, ohne es unter dem poes tiſchen Duft erreichen zu können ? Sollten wir hiet nicht mie dem wahren Katholicismus volllommen eins feyn, Und er mie ung? Aber follte des Dichters eigener Mißgriff ihm niche offenbar werden, wenn er 5. De die wiltührliche Erklärung

Aus meinem Leben von Goͤthe. 95

wien lief't, Die er ber Feyer des heil. Abendmahls in der rimiſch/ kaeholiſchen Kirche aufzwingt (©. 1835)? „Bo Miet ee Hin, Die Hoſtie zu empfangen; und daß ja das Ges heimniß Diefes hohen Acts noch gefleigert werde, ſieht er den Kid nur in der Berne, es iſt fein gemeines Eſſen und Trins tn, was befriedigt, es ift eine Himmeloſpeiſe, die nach himm⸗ liſhem Tranke durſtig macht.“ Iſt wohl dieſe ferne Allegorie eine kirchliche Lehre? Uns dunkt, die Katholiken lehren, wer ben Leib empfange, empfange audy das Blut; Einige behanps ten ſogar, Die eingeftaltige Ereheilung fen nur ein Zufaͤlliges, das die leichtefte Abänderung vertrage. Daß es ein Spaͤteres iſt, wiſſen wir ja wohl ſaͤmmtlich. Wenn ferner der Verf. bey Gelegenheit feiner hermetiſchen Jugendſtudien ſich ein cabs baliftiicy s myſtiſches Meligionsfpftem erbaut, das von Rechts wegen den Anfpruc machen muß, durchgreifend, allgütig, und mit allen möglichen wahren Syſtemen Eins zu feyn denn es kann überall nur Ein wahres Spftem höherer Wahrheit geben ſo hat derſelbe hiebey vieles fehr ſchon gefehen, noch ſchoͤner gefant ; aber wir miffen nicht, ob in diefem Spftem, felbft als abgefomderter Erſcheinung, ihm alles unbedingt zuges ſtanden werden möge. Daß dem Lucifer als Erfigefchaffenen von nun an die ganze Schöpfungstraft Übertragen morden, und von ihm alles Übrige Seyn ausgehn follte, und daß er feine unendliche Thätigkeit bewiefen, indem ır die fammtlihen Engel erihaffen habe (©. 331) das hat unfe:s Willens fein redyser Cabbaliſt oder Theoſoph jemals behauptet: er würde ein folches Verlangen für den Hochmuth Lucifers erflärt haben. Vortrefflich aber fpricht der MWerf. etwas vorher, wo er zu Langers Umgang einleitet ©. agı, unten: „Die chriftlice Meligion ſchwankte zwiihen ihrem eigenen KHiftorifchpofltiven und einem reinen Deismus, .der, auf Sittlichkeit gegründet, wiederum die Moral begründen follte. Die Werfchiedenheit der Charaktere und Denkweifen zeigte fih hier in unendlichen Ads ſtufungen, beſonders da noch ein Hauptunterfchied mit einwirkte, indem die Frage ensfland, wie viel Antheil die Vernunft, wie viel die Empfindung an folhen Ueberzeugungen haben koͤnne und dürfe. Die lebhaftefien und geiftreichften Männer erwies fen ſich in dieſem Fall als Schmetterlinge, weiche ganz meins gedenk ihres Maupenftandes .die Puppenhälle wegwerfen, in der fie zu ihrer organiihen Vollkommenheit gedichen find. Andere, treuer und befceidener gefinnt, konnte man den Biu— men vergleichen , die, ob fie ſich gleich zur. ſchoͤnſten Bluͤthe entfalten, ſich doch von der Wurzel, von dem Mutterſtamme nicht losreißen, ja vielmehr durch dieſen Familienzuſammen⸗ bang die gewuͤnſchte Frucht erſt zur Reife bringen.“ Wäre

96 Aus meinem Leben von Goͤthe.

"nun der Charakter des Verf. nicht in diefem Süd j

eben fo fhwantend als gierig geweien: fo würde dag giühende Sintereffe feines Herzens fid) nothwendig unter den vielen, auch Börperlichen Aufforderungen zur Webergade und zur Beſtaͤndig⸗ keit im Ergriffenen, in die Zufriedenheit des Beſitzes und fteigenden Wahsıhum aufgeldft Haben. Dagegen ift es merk wuͤrdig, wie nach den ‚heiligen Stunden, mit Langern am ande der Verweſung gefenert, eben diefer Kranke, nod frank, der Meifterin Klettenberg wieder fo viel Vergebliches zu thun - geben kann. Indeſſen erklärt fih die Sache durch das Ges tenntmiß ©. 305. „Nun hatte ih von Jugend auf geglaubt, mit meinem Gott ganz gut zu fliehen, ja id) bildete mir, nad mancherley Erfahrungen, wohl ein, daß er gegen mich ſogar im Reſt fiehen könne, und ih war kuͤhn genug zu glauben, daß ich ihm einiges zu vergeihen hätte. Dieſer Dünkel grün dete fih auf meinem unendlih guten Willen, dem er, wie mir ſchien, beſſer hätte zu Hülfe kommen follen. Es läßt fih denken, wie oft ih und meine Freundin hierüdet in Streit geriethen, der ſich doch Immer auf die freundlichfie Weile und manchmal, wie meine Interhaltung mit dem alten, Rector, damit endigte: daß ich ein märrifcher Burſche ſey, dem man manches nahfehn müfle.“ Wir vergeffen hiebey nicht, Das Geweſene vom Jetzigen hiftorifch zu unterfheiden , und haben uns auch über dag Letztere fhon mehrfach geäußert. leider: weife wird nad) dem trefflichen Umriß des Klopſtockiſchen Meſ⸗

ſias ein gleihfam entfchuldigendes Wort angehängt, wobey

wir gern den Vorwurf übernehmen möchten, es lieblos. auf das Dogma zu deuten (S. 451). „Der mliſche Friede, weichen Klopſtock bey Conception und Ausführung diefes Ger dichtes empfunden, theilt fih noch jeßt einem jeden mit, der die erften zehn Sefänge lieſ't, ohne die Forderungen bey ſich laut werden zu laſſen, auf die eine fortruͤckende Bildung .nict gerne Verzicht thut.“ Wenigſtens ift die Bemerkung zweydeu⸗ tig. Denn was dag Artiflifche betrifft, fo wollen wir dem Verf. nicht widerfprehen. Die geiftliche Bildung aber muß, wie et felber anderwärts will, als Blume der Wurzel entfleigen, ohne ſich von ihr gu trennen; fo waͤchſt fie unfterbiich fore, und bringt Blumen und Früchte ohne Zahl. Sie muß, ohne eine Umfchränkung zu vertragen, weil fie unendlich ift, der Bil dung jener ſich felbft bildenden Menſchen im Weſentlichen gleich fepn, deren der Verf. ©. 380. 381 mit Achtung eri "wähnt, und die unflreitig das beſte Theil erwählt Haben.

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No. 7. Heidelbergiſche 1813. Jahrbuͤcher der Litteratur.

Lehrbuch der civiliſtiſchen Litterairgefchichte, vom Profeſſor Ritter Hugo in Goͤttingen. Berlin, bei Auguſt Mplius 1812. XII und 427 ©. 8.

Auch unter dem Titel: |

Zehrbuch eined civiliftiihen Curſus, vom Profeffoer Ritter Yugo in Goͤttingen. Sechster Band, welcher die civiliſtiſche Litterairge⸗ ſchichte enthaͤlt. Berlin, bei Auguſt Mplius. 1812.

Ge verdient Kerr Prof. Ritter Hugo den Dank aller geiehrten Eiviliften für fein Unternehmen, die civiliftifche Lits terärgefchichte zu bearbeiten, und feine Aunfihten und Bemer⸗ kungen über einen fo wichtigen, und das Rechtsſtudium feldft fo vortheilhaft unterfiügenden, Zweig der Eivilvechtsgelehrfams kit, au den Gelehrten außerhalb Göttingen mitzutheilen. Jede Erfcheinung diefer Art muß befonders in unfern Tagen für den Verehrer des Roͤmiſchen Rechts erfreulih ſeyn, eines Rechts, das, feiner Innern Wortrefflichkeit wegen, aud bey ellen Mängeln, die es, wie jede andere menfchlihe Geſetz⸗ gebung, hat, noch immer allen Stärmen getroßt hat, und gang gewiß ewig froßen wird. ec. iſt lebhaft überzeugt, daß fine Macht im Stande ift, die Nömifhe Geſetzgebung auf immer, und mit der Wurzel auszurotten. Wird man fie, ans gereist von Maͤnnern, die Einfluß auf die Verfaſſungen der Staaten, aber entweder die Kraft, oder den Willen. nicht haben, tief in ihre Geheimniſſe einzudringen, auch noch To (ebHaft verfolgen , fo wird doc) diefe Verfolgung nie von langer Dauer fon. Das große Raͤthſel wird. immer dieles bleiben, eine beffere Geſetzgebung an die "Stelle der Römiihen zu feßen. Nie wird es an Männern fehlen, welche unparthevifche Ver⸗ gleihungen , in Zeiten, wo der Geift der Neuerung ſich bereite gelegt hat, anftellen werden; und das Reſultat dieſer Operation wird dem Roͤmiſchen Rechte immer nur neue Anhaͤnger und 7

95 Lehrbuch der auiik.; Bineräugefigiihte v. Pr. R. Hugo.

Verehrer verfchaffen. Bey weitem die meiften, wichtigften und am tiefen liegenden Wahrheiten Hat die Roͤmiſche Geſetzge⸗ Bing aufgedeckt, Währheiten, die unveränderlich und ewig find, und eben darum die Grundlage jeder Geſetzgebung feyn “und bleiben muͤſſen. Schon in diefer Hinficht muß diefe Ge⸗ feßgebung alfo immer, in den Augen aller Vernünftigen, eben fo angefehen werden, wie jeder gebildete. Selchrte die Claſſtker des Atterihums anſieht, als bleibendes Denkmal der Kraft des menſchlichen Geiftes, als Inbegriff der Erfahrungen von Jahr⸗ taufenden, und als erhabenes Mufter für alle Zeiten. Wo iſt eine Sefepgebung ,. die, in Hinſicht auf Die ungeheuere Summe der mwichtigften Wahrheiten, welche man in ber Nömifchen Gefeßgebung findet, fih auch nur von weitem mit diefer meffen fönnte, und nicht, in ihren glängendften Parthieen, eben diefe als Duelle und Müfter anerkennen müßte ? Taufend Erfah⸗ rungen haben beivieien, daß, menn jemand eine Sache, die bereits aufs Beſte ausgeführt worden iſt, von Neuem darftellen: und verändern will, er nichts Voizũgliches hervorbringen koͤnne; und eine Sache, die nicht Höher emporſteigen kann, Fällt ihrer Nalur nach zurück. Die großen Wahrheiten gehen nie ing Unendliche. Sind fie einmal entdeckt und Beflg in genommen, fo haben. wir feine aridere Patthey zu ergreifen, als Diefe, uns aus ihrem Beſitze nicht verdrängen zu laffen. "Keine neuere Geſetzgebung darf ed wagen‘, 'an den Grundwahrheiten des Roͤmiſchen Rechts zu rütteln; thut ſie es doch, fo trägt fie den Keim ihrer eigenen Zeiftörung in fih. Diefes haben auch die neueſten Geſetzgeber ſehr wohl eingeſehen; und eben des⸗ wegen haben ſie ihre Werke auf dem unerſchuͤtterlichen Römts (hen Boden weislich aufgeführt. Die füßen Hoffnungen der vielen Veraͤchter des Romiſchen Rechts, die in deffen Geheim⸗ niffe nicht eingeweiht find, wurden durch diefelbe Geſetzgedung vereitelt, von der ſie die Erfuͤllung ihrer Wuͤnſche erwarteten, und noch neuerlich konnte man, bey Ankuͤndigung der Elé- ments, du droit civil Romain, selon l’ordre des Institutes de Justinien, par J. G. Heineccius, traduits en Fran- gais par J. F. Berthelot, die merkwürdige Stelle leſen: „Le droit civil Romain |vient de recevoir du Gouverne- ment l’'hommage , que lui avoient rendu tous les gou-

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ehrbuch Der viliſt. Lutetaͤrgeſchichte m. Vr. R⸗Hugo. 99

yernements Ecelgirds., On l'enseignera speciglement dang ms eccoles; ce gera encore pour noys Ja raiaon ecrite, et le principe, ou le developpement duCode civil des Francais.“

Was Heren Prof. R. Hugo's Arbeit ſelbſt Betrifft, To sehen wir Hier Mechenihafs von dem Eindrucke, den Diele auf mas gemacht Hat, und Mir gehen uniere Gründe ap. Sind dieſe für ‚Andere nicht überzeugend, fo Wollen mir gerne glaus ben, daß unſer Urtheil nice richtig if. Mehr kann. von keis mm Kritiker gefordert. werden.

Bop einem Gelehrten, der, wie Hr. R. Hugo, wahre un unmideriprechliche Verdienſte um die Roͤmiſche Rechtsge— lehrſamle«t und Littexaͤrgeſchichte ſhon laͤngſt fich. erworben hat, der vjeljähräger Rechtalehrer in Sättingen iſt, und der, mie er an der MWorrede felbft fast, ſchon fo oft und fo lange über

die civiliſtiſche Bisseräsgeichiehte, Coflegien geleſen Hat, laͤßt es

Eh ichen in Moraus erwarten, Daß man in einem Lehrbuche der civiliſtiſchen Litteraͤrgeſchichte van ihm nicht nur feine Tri⸗ wialitäten , ſondern ſehr piele fchöne und trefflihe Bemerkun⸗ gen, die ihm theils feine Lectuͤre, theils fein eigenes Nach⸗ denken darbieten mußten, antreffen werde. Diele Erwartung Hat. aud) der Berf. nicht. getaͤuſcht. Er Hat, mit Benutzung der beften Schriften, mande Irrthuͤmer berichtiget, viele wiffenswerthe Dinge, die man in andern Lehrbuͤchern der civiliſi. Litterärgefchichte nicht findet, vorgetragen, und befonders, was feine Arbeit von den Arbeiten feiner Worgänger unterfcheider, auf manche Veränderungen in dem Geiſte deß Studiums nad. in der Verfaſſung Der Lehranfialten aufmerkſam gemadt. Und wenn gleich auch, mit Benugung des Buches des berühmten Doctors der Sorbonne, Sean de Launoy, de Scholig celehrioribus-& Carolo' Magno exstructis, der Antiquitateg academicae von Hermann Conring, mit Goebels ge lehrten Maren, wovon die befte Ausgabe durch Heumann gu Gottingen 2759. 4. beforge wurde; . ferner Der großen Menge von Schriftſtellern, welche die Sefchichte teinzeiner Univerfitäten in Europa gefchrieben haben, und vorzäglich der Schriften der Rechtsgelehrten der verflofienen Jahrhunderte felöft ; endlich dev vielen: größern und kleinern Werke, welche

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100 Lehrbuch der eiviliſt. Litteraͤrgeſchichte v. Pr. R. Hugo.

in dem Catalogus Biblioth. Bunauianae Tomo I, Vol. I. p. 917 sq. in diefer Beziehung angeführt find, die Bemer⸗ tungen des Verf. unendlich reicher hätten ausfallen koͤnnen: fo kann dody Alles nicht auf einmal gefchehen, und der Verf. wird fpäter diefe Lücken ſelbſt auszufüllen wiſſen.

Auch finder man bey ihm weit mehr Gchriftfteller ange führe, als bey Herrn Haubold; aber auch bey ihm fehlt noch eine urigeheure Menge guter und vorzäglicher Eiviliften, die mit eben fo viel, und oft mit noch mehr Recht, als ans dere von ihm angeführte, eine Stelle in feinem Buche hätten anfprechen koͤnnen; wobey nicht gu leugnen if, daß Kr. Haus bold oft eine beſſere Auswahl getroffen bat. Kr. Hugo nimmt in feine civiliſtiſche Litrerärgefchichte eine Menge Juris fen auf, die Ar. Haubold aus guten Gründen nicht aufı nahm; und Rec. vergife, bey biefer Behauptung, nicht, daß Lesterer Institutiones juris romani litterariae, erflerer aber ein Lehrbuch der civiliſtiſchen Litterärgefchichte fchreis ben wollte. Nimmt der Verf. das Wort: civiliſtiſch ganz allgemein:, und bleß im Segenfage von Staatsredht, fo - Dat er viel zu wenig, nimmt er es aber eingefchränfter, fo hat er viel zu viel Schrififteller in fein Lehrbuch aufgenommen. Ja aud im erfien Falle gehören Daniel Paräus ($. 206.) mit feiner Lehre von dem Widerfiande gegen die Obrigkeit, Negner Sirtin ($. 211.) mit feinem Buche über die Megalten, Rümmelin mit feinem Buche über die goldne Bulle (9. 214.), Johann Hortleder mit feiner Schrift über den Schmalkaldiſchen Krieg (F. 216.), Melchior Gol daſt mit feinen Folienten (6. 216.), Londorp mit feinen Acta publica zur Gefchichte des dreyßigjährigen Krie⸗ ges (G;016.), Theodor Graswinkel mis feinen Vindi- ciae maris liberi ($. 220.), Georg Buhanan mit ſei⸗ nem Jus regni apud Scotos ($. 2928,), ber Jeſuit Joh. Mariana mit feinem Buche de rege et regis institutione ($. 234.), der Kardinat Bellarmin, als redlicher Verfech⸗ ter der Rechte des Pabfies ($. 236.), Arumäus, Daniel Dtto, Reinking, Hippolithus a Lapide, Lampas dius, Kloc mit ihren ſtaatsrechtlichen Schriften ( $. 259-), die im 9. 278. angeführten Staatsrechtslehrer, der Stadt⸗

Lehrbuch der civiliſt. Sitterärgefchichte v. Pr, R.Hugo. 101

fhreiber Lünig mit feinem zwölf Folianten ſtarken Reiches archiv ($. 304. ), und noch viele andere von dem Verf. genannte Schriftfteller offenbar nicht in die Litteratur des Eis vileechts, fondern in die des Völker s ober Staatsrechts. Auch hat der Verf. im fein Lehrbuch gute, mittelmäßige und fchlechte Ghriftfieller unter einander aufgenommen ; ja man findet darin feloft einen Petrus Rebuffus, Rebhahn, Ungepaur, Zaunfhliffer, die Hommel (Litteratura juris $. 149.) mit volllommenem Rechte unter die Plebejer rechnet, und wovon der erfte aud von Dumolin (Sur la Coütume de Paris Tit. I. n. 106.) mißhandelt wird. : Wenn Mec. alle Gchriftſteller anführen wollte, die der Verf. in feinem Buche vergefien Hat, und die doch eine ehrenvolle Stelle darin ans fprehen könnten, fo mäßte er fehr viele Seiten mit bloßen Namen anfüllen. Inzwiſchen will er nur diejenigen nennen, die ihm zunächft einfallen. Er vermißt nämlih ungerne fols gende Namen , die er, ohne chronologifche Ordnung, anführts C. A. Rupertus, der gelehrte Phllologe und Geſchichts⸗ forſcher in Altorf, dee für die Rechtsgeſchichte mehr leiftete, als die meiften Suriften vor ihm; Diodor Tuldenns, Drofeffor in Löwen; Paulus Picus, Alciati's Lehrer, dee, wie Leßterer, den Responsis der Italieniſchen Rechts⸗ gelehrten den Krieg angeländiget hat; Tiberius Decias uns, der Die Hesponsa gegen jene heftigen Angriffe, in einem merfmärdigen Bude, vertheidigte,;, Sylveſter und Peter Aldobrandini; Clarus Sylvius; Rihard Vitus; Joſeph Cyrillo, Profeſſor in Neapel; die beyden Payen von Avignon; die Portugieſiſchen Juriſten Pet. Barboſa, Arius Pinellus, Emanuel Acoſta, Caldus Pe— reyra; den Italiener Julius Clarus, einſt ein gefeyers tee Name; den Niederlaͤnder Joh. a Someren; den Spas nir Pich ardus, der den größten Inſtitutionen⸗Commentar fhrieb , übrigens die kindifhe Schwachheit hatte, fih von Ans dern die Vorrede zu feinen Büchern fchreiben zu laſſen; Die Srangofen Joh. Copus und Per. Coflalius, aus dem XVI. Jahrhundert, wovon Erfterer fhon im Jahre 1555 ein fehe gutes Buch de fructibus fehrieb, und Lebterer von Vie Im, die nad) ihm kamen, geplündert wurde; Ipho, als der

463 Lehrduch der cibdiliſt. Bitteräpgefchichte v. Pr. R. Hugo.

einzige unter bie Welligen verfehte Juriſt; die beyden Dänen, Det. Stasehius And Nicolaus Cragius (in de Ausgabe feiner Annäles Danidi Son 1739 findet man Nach—⸗ richten son feinem Leben); Raoul Fournier, der Sohn dee Guittadume, deffin rerum quotidianarum libri VI. auch ın Ottos Thesaurus fiehen; Berenger Fernand, Profeſſor in Zotilonfe, einft das Drafel der Franzöfifchen Practiker; Pr. Loriotas, einſt Profefor in Bourges, Balence und Leipzig; Joh. Mnjoretus, Yon Toulouſe, und Ptrofeſſor daſelbſt, bekaniit durch feinen Commentar über die Inſtitutibnen; ber Spunier Pet. de Valaſco et Medi— Billa, der ken Buch ſchrieb: Rixae et implacabiles con- certationes Gaji et Proculi, aliorumque veterum juris äuctörum. Salamanticae ı625. 4.; Stephatus Bodens, der einen guten Sinftitntionen » Commentar fchrieb, der 1559 zu Paris bey Nivelle in Fol. erfhtenen I; Nicol. Burs gundus von Enghien, zuerſt Advokat in Gent, dann Pros feffor in Ingolſtadt, zuletzt Rath bes Gerichtshofes von Bras Bant, durch mehrere gute Schriften bekannt; Joh. Buteon, aus der Daupdine‘, deſſen mathematiſch juridifche Schriften zu Lyon 1559. in 4. heransgefommen find; Jac. Caimus, von Modena, Srofeffor in Padna, durch feinen Folianten Variae lucubrationes. Patavii 1654. ſehr beruͤhmt; die Nie derländer C. DO. Boecdelen und Paul. Buſius, an welchen letztern Lipfius einen merkwürdigen Brief gefchries ben hat (Lipsii Epistolae p. m. 142.); Julius a Beyma; Hen. Broumer; der Römifhe Profeffor Dunt, dard feinen Streit mie 3. H. Böhmer, und durch fein Bud über den Urfprung und Fortgang der bürgerlichen Werfaſſung in Rom; der Neapofitaner F. A. Srimaldi-durd fein ;fehe gutes Bud de Successionibus legitimis berühmt; Pet. Franc. Lingfois, von Befancon, durch feinen Commentat über die 50 Decisiones. Antwerpiae ı622. fol. bekannt. Er war Advokat in Beſançon; vier Jahre vor ihm, naͤmlich 1618, ließ Merille feinen Commentar über die 50 Deck siones zu Bourges drucken; aber Linglois Tannte ihn nicht; wenigſtens fagt er in der Praefat. ad lectorem, daß er von aflen Interpreten keinen kenne, der bie 5o Deciszories ; sigil

-

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aithuch der civiliſt. Linerärgefihichte 0-9. R. uge 103

ltim et ex professo“ commetatirt habe. Da au anzauch, mn ik, Daß Linglois mehrere Jahre an feinem Werke gearbeitet Habe ; da er, in ber Deodication an die Bpaniiche Infantin, Zfabella Elara Eugenta, feibk: bemerkt, daß fein Wert lange bey ihm verborgen geweien fey, und da mar an aus dem Werke ſelbſt deuntlich fieht, daß der Verfaffer Meriltes Wert weder gefannt, noch benutzt habe, fo müffen wir annehmen Daß beyde Gelehrte zu gleicher Zeit auf den⸗ ſelben Gedanken gekommen fegen, amd keiner von deu Andern etwas gewußt Habe; was bep alien intereſſanten Materien imme zu wänfchen wäre. Wilhelm van der Mueten, bekannt durch feinen Commentar über Srorius Wert, und dur feine Exercitationes in tit. D. de just. et jur. et historiam Pomponii de origine juris, folte gar nicht fohten. Koh. Zerrarius, mit dem Beynamen Montanus, ein Helle, Nath und der erſte Profsifor der Jurisprudenz, und der erfie Rector ben der im Jahre 1907 errichteten Uniderſitaͤt in Warburg, iſt dem Re. um fo mertwärdiger, weil er, außer Zafe, aus der erſten Hälfte des XVI. Jahthunderts einen Dentfhen Juriſten keant, ber fo gut, fo kurz, ſo ele⸗ gant und je frey von dem haͤßlichen Fehlern der Vartokiſten gefdyrieben- Hätte. Seine adnotationes in IV. institutionum libros, und fein Commentarius ad tit. D. de regulis juris zeichnen ſich beſonders ans. jene kamen zuerſt in Marburg 15502 und 1836 heraus, und wurden fogleih in Paris ap. Simonem :Colinaeum 1533. 8. md in &yon 1532, and fpds ter wieder 3537 und 1544 nachgedruckt; dieſer erſchien zuerſt in Marsurg 13%, und wurde ſogleich in Lyon 1537 und

.—_ 1546 wieder aufgelegt. Don: jenen befist Nee. ſelbſt

Die Pariſer Ausgabe von 1533, und von biefem die Lyoner

von 1537, was er deswegen anführe, weil er dieſe Ausgaben

weder bey Lipenius, noch ſonſt irgendwo angezeigt findet.

Zerrartus Hatte In feiner Jugend bie Gottesgelehrſamkeit,

die Medichn wand die Rechte ſtudirt, bey welchen leßtern Fache

er blieb. Iharlıs Dumolin, der in der Regel von den

Deutſchen Juriſten feiner Zeis fehv nachtheilig fprady, nannte

der Ferravias.einen „vir excussi judicii.s Er flarb ein

Jahr vor Duaren, ı55B, und gehöre in dem Lehrbuche Dis

408 Sehrbuch der. enilit, Litteraͤrgeſchichte v. Br. R. Hugo.

Verf. in den $. 211., wo er den Reihen der dort angeführten Marburger AJuriften in doppelter Hinſicht, einmal als fruͤhzei⸗ tiger treffliher Deuticher Rechtsgeienter, und: dann als der ersie Profeffor der Jurispeudenz auf der im Sjahr 1597 neu⸗ errichteten Unwerfitde Marburg (G. A. Hartmann D. qua Academia praesens Marburgensis eadem cum anno 1597 instituta ostenditur. Marb. 1758.) mit allem Rechte führen ſollte. Dem Franzoſen Louis Malquyt, defien zu Paris 1626 herausnefommenes ſchoͤnes Buh: Vera non si- mulata ictorum pbhilosophia, Gund ling hundert Jahre fpäter zu Halle wieder nen auflegen ließ, hätte auch eine Stelle in des Verf. Lehrbude gebuͤhrt. Aus dem XVI. Jahrhundert wären auch noch die Miederländer Jacques Typot, Det. Delius und Pierre Corneille de Brederode (unter dem Namen Brederodius befannt) ans zuführen geweien. Typot, gebärtig von Dieſtem, einer Stadt in Brabant, fiudirte die Rechte in Stalien, ging nach Wirzburg, von da nah Schweden, wo ihn Gluͤck und Uns giäc trafen, von da (1595) an Kaifers Rudolph II. Hof, der ihn zu feinem KHiftoriographen machte; 7 zu Prag 1600. ©&criften: Historia Gothorum ; de Monarchia; de Salute Reipublicae; de Justo, sive de legibus etc. Peck's theoretifch practiſche Schriften Über mehrere wichtige Materien Des Civilrechts waren immer fehr gefchäßt, auch erhielt der Werf. eine ehrenvolle Stelle in der zu Paris erfchienenen Aca- demie des Sciences et des arts; und Brederode's The- saurus Sententiarum, von Modius bereichert, war ſtets der treue Achates der Practiker. Die Stalienr Mafcard, Mantica, Merlinus, Megufantius, Turreius, Fachinaͤus, welher letztere auch in Ingoiſtadt Profeſſor war, Vizzanius aus Bologna, duͤrfen in des Verf. Lehr⸗ buche um fo weniger fehlen, da fie Über mehrere Materien Hauptbuͤcher geichrieben haben. Ventura Coecus, Pros feffor in Bologna, hat eine Catalexis in L. ꝗ. D, de Orig. jur. Boneniae 1563. 4. gefchrieben. Von dem Neapolitaner Jacobus Gallus haben wir: Clariores juris: Caesarei apices. Neapoli 1699. 4., und Brentmann ertheilt dies ſem Rechtsgelehrten die größten Lobfpräcde ( Diss. de zepubl.

Lehrbuch der civiliſt. Litterärgefehichte v. Pr. R. Hugs. 105

Amalphitor. $. 37.) Nicolo Tortorelli, von Fo gia, Advokat in Neapel, berühmt durch fein Buch: Degli antichi Giureconsulti Romani. In Napoli 1786. 4. iſt au vergeffen, und fogar fein Landsmann Siuftiniani hat ihn überfehen. Alexander Turamini, aus Biena, iſt um fo merfwärdiger, weil er fi vom Anfange an zur guten Schule des Connan, Duaren, Baron, Doneau, Liglius, Eujas hielt, und niche mit dem Strome feiner Zeit (hwimmen wollte, wo man es dem Marianus So— sinus, nah) Pasquier, zum Verdienſte anrechnete, daß er nicht fowiel Zeit mit den ſchoͤnen Wiſſenſchaften verdorben habe, als Alciatus Noch ein Jahr vor feinem Tode, dee . 1605 erfolgte, ſtritt er in Ferrara, in einer Rede, mit bes Bunderswürdiger Dffenherzigkeit für die Franzoͤſiſche Schule, gegen die Bartoliſten feines Landes. In feinen Gchriften sergleiht und ſtellt er immer das pofltive mit dem Mares. ichte zufammen. Du Bosquet, der Herausgeber des Pfels ns, Carl Ruinus, Alziati's Lehrer, der fi oft bitter beflagte, daß die Richter fo Häufig gegen feine responsa fpräs den, Arn. Joh. Corvinus und fein Sohn Arnoldus, drancois de Roye, Vinc. Cabot, Franc. Davydar⸗ ginte, ZoH Superior, Joh. Brechaͤus, H. ©. Cmpanus, Profeſſor in Dole, Per. Belojus, Claude Did, Padilla, Nic Fernandez de Caſtro, Jac. dena Lande, Tranc. de Petris, D. Laurentius a Batajana et de Bufilio, ©. Prouftean, Per Joh und Elaude Chifflet, Puga et Feyoo, Aeze⸗ ma, Yjala, Avellanus, Pet. Burgius, Sabre. Catius, Joh. Chr. Chriſtius, Chriſtoph. Cole⸗ rus, ac. Conſtantinaus, Caͤſar Coſta, Ant. Guib. Coſta uss, Hieron. Elenus, Ferandus Adduens ſis, Mrius Arcas, Antonius Leſcurius, Sam. Fermat Joh. Filleau, Val. Guil. Forſter, Gab. de Gaſt Franc. Marſius Gordonius, Hieron. Groshot, Ed. Heuryſon, Conſtantius Landus, DetlevuMangebed, Georg Lopez Madera, Per Martrefir, Marcus Vetranius Maurus, Nieto, Thomas Ppillon, Per. Perrenon, Pet. Poucetus,

1038 Lehrbuch der civiliſt. Litterärgefchichte v. Br. R. Hugo. |

Hr. Hugo bat in feinem ganzen Buche nicht einen einzigen ordnungsmäßigen Wüchertitel, und er ſcheint fich diefe Nach— läßigkeit, die ‚man auch in feinen übrigen Schriften, mi Ausnahme feines Index edit, font. Corp. jur. civ., bemerkt, zum Geſetze gemacht zu haben. Sin keinem Werfe ift die tumultuarifhe Anführung der Schrififteller zu loben; aber. in einem litterächiftoriichen Werke ift fie befonders unangenehm. Man muß vey Hrn. A. Buche immer wieder andere Bücher bey der Hand haben, um nur die Titel zu wiſſen. Es ift uns gewöhnlich, daß wir Sachen, bie uns ganz geläufig und gar zu befannt find, fo kurz als möglich, und felbft mie Nacht laͤßigkeit anfuͤhren; aber man muß nicht übertreiben ; denn kein Kenner laͤßt fih täufchen, und er glaubt nicht mehr, ale er glauben kann, und fein Urtheil nimmt fehr oft die entges gengefeßte Richtung. Vom $. 24. bis zum $. 37. lieſſt man nichts, als Namen, und man befommt feinen Titel zu lefen; man muß, wenn man genauer feyn will, immer fchon bier fogleich andere Büher zu Nathe ziehen, um nur den Titel beſtimmt zu erfahren. Und fo geht es durdy Bas ganze Bud) fort! Welches die beffere, die neuere Ausgabe eines Buches ſey, ob es auch in einer groͤßern Sammlung, und in welcher ſtehe, davon erhält man nie Nachricht. Ader bey Hrn. Haus bold findet man es immer; und die Kenner, denen ihre Zeit werch iſt, wiſſen es zu ſchaͤtzen, wenn es auch übrigens durchaus nicht ſchwer für fie ſeyn koͤnnte, die Sache mit Auf wand von Zeit felbft zu finden. Kr. R. Hugo ſagt zwar, daß er recht fühle, daß er zum eigentlichen Litterator verdorben fey (1. Vorrede S. X); allein Rec, glaubt, daß er füch Hier Uns recht thue, und daß er, durd feinen index edit. font. Corp. jur. civ., fih als genauen und muͤhſam⸗fleißigen Litterator fo ſehr legieimirt Habe, daß, wenn er diefes in andern Schrift ‚ten nicht tft, man nichts anderes glauden kann, als: daß er es hier nicht feyn wolle. Einem weitern Vorwurfe kann and, diefes Lehrbuch fchwers Ich entgehen, nämlih dem, daß es die Bücher, aus denen es feine Sachen nimme und nehmen muß, faft nie, oder da wicht nennt, wo es fie nennen follte.. So wie das ansichweißende Anhänfen der Schriftfteller, ein ficheres

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kehrbuch der eiviliſt. Litterärgefchichte v. Br. R. Hugo. 109

Zeigen des verborbenen Geſchmackes if, eben fo iſt die Karg⸗ heit dee Selehriamteit eine der vornehmſten Urſachen des Vers foles der Wiffenfchaften; und fo wie jeder von natürlichen: Verſtande geleitete Gelehrte bey Lefung von Schriften. weiche mit langweiligen Citaten üderladen find, einen unerträgs lihen Edel empfindet, eben fo endet auf der andern Geite auch der Lefer, der ſich gern unterrichten möchte, und jene Schriften lief’e,, worin man, unter dem Deckmantel eines philofophifhen Styls, unverfiändlihe und rärhfelhafte Sachen findet, gewoͤhnlich Das Bud), ohne viel mehr zu wiffen, als er zuvor wußte, amd ohne einmal gu wiffen, wo er ſich nad beſſeer Belehrung hHinzumenden habe. Wenn man die ges ſchaͤtzteſten Schrififteller aller Nationen, einen Rapin, Bofs fnet, FGenelon, Fleury, Mabillon, Dupin, Rols lin, Dubos, einen Abbe Racine, Barthelempy, Montesquieu, Bayle, Muratori, Mazzuchelli, Beccaria, Filangieri, Bandint, einen Hume, Ros bertfon und Gibbon, in Ihren verfchiedenen Werfen, aus der Heiligen und profanen ©elehrfamfeit, ohne allen Nachtheil Für die Sleihfärmigkeit und Fluͤſſigkeit ihres Styls, jur rechten Zeit und am rechten Drte, die. Schriftfteller zu Betätigung und Erläuterung ihrer Gedanfen anführen, den Studirenden die Bahn zu jenen reinen Quellen der Litteratur and aller gründlichen Wiffenichaft öffnen und erleichtern, und auf dieſe Art mehr Mannigfaltigkeie und Reichthum in ihre Schriften bringen fieht: fo haben wir in dieſen berähmten Namen micht nur für immer ehrwuͤrdige Mufter der Nachs ahmung, fondern wenn aud der Eine oder Andere diefe großen Männer in die Claſſe der Pedanten fielen wollte, fo wird doch ganz gewiß der größte Theil der guten Gelehrten mit der Belegung dieſes Titels zufrieden feyn, und ganz gern den Werth des philoſophiſchen Geiſtes der unfruchtsaren Dunkelheit aller jener Schriftfieller überlaffen, welche die pofltiven Wiſ⸗ fenfchaften gern nad Art der metaphufifchen und mathematis ſchen Aufgaben behandeln möchten. Glaubt derjenige, welcher‘ in pofitiven Wiſſenſchaften keine Schriftfteller eititt, feinen Lefeen glauben Machen zu Lönnen, daß er nur aus den Quellen felbt, und ans feinem eigenen Kopfe Alles fhöpfe, fo irrt er

410 Lechebuch der civil, Atteraͤrgeſchichte v. Br. R. Hugo.

gawiß ſehr; wur Unwiſſende wird er überreden foͤrnnen, den Kenner nie. Dieſer weiß zu gut, wie man ſtudirt, und wie jeder ſtudiren muß; und je mehr Verftand er einem Schrifts ſteller zutraut, deſto weniger fann er au von ihm glauben, daß er ih, aus eitler Anmafiung, von felbft und ohne Grund und Mor), um einige Jahrhunderte, und in die Kindheit der Wilfenichaft zurüsfgekellt, und daß er diejerigen großen Mäns per unbenußt gelaſſen Habe, welche längft vor ihm eben Diele Quellen mit Sp viel Sraft, Umfaffung, Scharfiinn. und Gluͤck bearbeitet Haben, daß ihm ſelbſt, in Vergleichung mit dem, was diefe geleiftet Haben, nur noch fehr wenig zu thun übrig bleiben kann.’ Warum folte man fih alie den Schein von «was geben mellen, das, weun es Wahrheit wäre, uns, Rast Buhm und Ehre, nur gerechten Tadel zuziehen könnte, und der größte Fehler wäre, den man begehen könnte? Die großen Chorpphäen der civiliftifhen Gelehrſamkeit Haben fhon laͤngſt bey weitem das Meifte und Wichtigſte entdeckt; und das Vers dienft der Neuern beſteht meiftens nur darin, daß fe unter den verſchiedenen Meynungen und Theorieen Über irgend eine Segenftand eine auswählen, und hoͤchſtens mir einigen neues

Ständen, die ſelbſt Übrigens ihnen meiftens wieder von dem

| Aeltern an die Hand gegeben werden, wnterfiüßen und befläs

v

tigen. Alle civiliſtiſchen Schriften, welche in unfern Tagen herausyefommen find, und welche man für die beften der nauern Jeit Hält, beurfunden die Wahrheit diefes Satzes nur allzu ſehr. In Lehrbäcern über eine Wiſſenſchaft vollehds kann der Natur der Sache nad) .nur der bey weitem Mleinfte und unbedentendfte Theil in neuen Dogmen beſtehen, und die Kürze, zu der die Compendien verpflichtee find, maht ſchon an und für fih Mieles dunkel. Warum will man alfo nidye vedlich Diejenigen nennen, die uns bey dem Schreiben unferer Buͤcher geleitet, und aus denen wir Das Beſte darig genoms nen haben? Warum wollen wir nicht die kurzen und dunkelu Saͤtze unierer Compendien durch jchuldige Anführung Der Schriftfteller aufhellen, aus denen wir gefchönft haben, da es fein ſichereres, unfehlbareres und für jeden Lefer augencehmeres us Auftlaͤrungsmittel, als eben dieſes, geben fann, wodurch Diefer zugleich auf dem kuͤrzeſten Wege in den Stand geſetzt wird, ein richtiges Urtheil Über den Werth oder Unmerth eines vorgetragenen Saßes zu fällen? Warum wıll man dem wis begierigen Leſer gefliffentlihy dieien angenehmen Dienft verfas gen, wodurd er, ohne daß das Bud um mehr als einige

Vogen ſtaͤrker würde, über jeden wichtigen Saß, der bev ans

dern Schriftitelern vollſtaͤndig mit allen Gründen und unendlich beffer entwickelt if, als er in Dem kurzen Paragraphen des

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Krach Dee civiliß. Literäegefepichte v. Br. R. Hugo, 114

ug Compendinms entwidelt werden konnte, den beflen Commentar zur nähern Aufklärung, zur beffern Prüfung zum ritigeen Urtheile und zur Mlarften - Meberzeugung erhalten märde? Hat Der Lehrer und Schriftfteller diefe ſchͤnen Zwecke siht, fo iſt es ihm bey feinen Bühern mehr um fih ſelbſt, as um die Befer., zu thun; und er muß bey dieſen nothwens dig in den - Werdacht fallen, daß er ihnen gefliſſentlich die. Mittel, feine Säge richtig zu verfiehen und zu beurtheilen, atziehe; daß es ihm rende mache, wenn fie fih fioer feine in nuce, Die er aus der volftändigen Ausführung eines

viät genanntes beruͤhmten Schriftſtellers vrtcahirt und väthiels haft Hingeworfen Bat, Saͤtze, die mit Anführung dieies Schrifts ſtellirs ſehr Leiche zu verfichen wären, ohne Anführung deſſelben aber, wie meiſtens alle Ertrafte, entweder unverſtaͤndiich oder wenigfiens zweyd eutig find, die armen Köpfe zerbrechen; daß er, durch Verſchweigung feiner Quellen, ſich .einen verfchangs . ta Hinterhalt machen wolle, um über diejenigen, die ihn. angreifen, und feine geheimen Vertheidigungsmlitel nicht ken— nen, immer mit Vortheil herfallen und ihre Angriffe zuräds (Hagen zu fönnen, und daß er Überhaupt mehr fcheinen wolle, als er wirklich ift. Der wahre Gelehrte muß fogar den Schein meiden, als wolle er feinen berühmten Vorgängern Den Ruhm Ihrer Entdeckungen rauben, und -er ehrt ihr Andenken am (Hönften denn, wenn er beym Vortrage wichtiger Wahrheiten . fe als die Entdecker derfelben nennt. Ulric Huber lobt es mit Recht an Lyklama, feinem Landsmaune, daf er „alilenissimus a more hujus seculi nimium frequente er pudendao, describendi alıenas et pro ‚suis audacter ven- dıtandi cogitationes“ geiwefen fey; und Gebauer fagt fer ſchön ( Narratio de Henrico Brenckmanno p. 95): „Sedulo sane cari, ne prudens sciensque vd unam voculam Brenckmannianae industriae et Jaudi subträhe-

rem. . FR Auch iſt es anf jeden Fall eine nicht ſehr delikate Fordes rung, wenn ein Schriftſteller, ſey er, wer er wolle, von dem lefenden Publikum verlangt, dafi es feinen Saͤtzen, ohne allen Beweis, gleichſam als Duakeliprücen , dlindlings glauben und trauen foll. Jeder Scriftfteller ift fchuldig, den fcharfiinnigen £efer, der immer-die fiherften Denkmäler aufſucht, um das Seleſene anzunehmen und zu glauven, auf dem kuͤrzeſten Wege 8 den Stand zu eben, ſich nach feiner Wahl davon überzeus gen zu Fönnen, ohne fih bey den bloßen Worten und ‚Vers hyerungen des Schrififiellers beruhigen zu muffen, der, wie jeder Menſch, Irrthuͤmern aller Art aufgefeßt bleibt, mißver— chen. und haſardiren fann, was er will. - Niemand ann

413 Lehrbuch der etilift. Litterärgefchichte v. Pr. R. Hugo.

verlangen, daß man ihm aufs Wort glaube, und jeder, der zuhöre, kann verlangen, daß der, welcher Ipricht, das, was er vorträgat, beweife. Diefer Beweis fann nun entweder fo geführte werden, daß man die Gründe für einen Satz ſelbſt, oder daß man die Schriftfteller anführt, bey denen die Gründe bereits entwidelt find. Jener Beweis ſchickt fih für ausfährs lihere Abhandlungen , diefer für Compendien. Wer weder das Eine, noch das Andere thut, erlaube fih eine nicht zu rehts fertigende Anmaßung, erfhwert ohne Noth den Lefern ihre Arbeit, bringe fie um ihre edle Zeit, welche fie beſſer anwen⸗ den koͤnnten, vermindert umd vernichtet feinen Credit bey ihnen, und macht fie am Ende fo verdriefilih und ärgerlich, daß fie entweder feine Bücher ungelefen gang auf die Seite legen, oder nur mit dem größten Widermillen. leſen, ihnen eine nur geringe Aufmerkſamkeit ſchenken, und die Zeit und den Augens blic® nicht erwarten koͤnnen, wo fle wieder getrennt von ihnen’ find, und fi wieder einem redlichern, regelmäßigern und ihre Wißbegierde mehr befriedigenden Schriftfteller uͤberlaſſen koͤn⸗ nen. Wenn man von der boppelfinnigen Pythia oft getaͤuſcht wurde, fo verläßt man ihren Tempel gern; man horche nicht mehr auf ihre zweydeutigen Ausſpruͤche, und geht wieder in die Afademie |

Auch tadelt es der Verf. ſelbſt (6. 248.) an Domat, daß diefer,, in feinem Werke, weder D’Efpeiffes, noch iv gend einen andern Autor, nenne.

Video meliora proboque, deteriora sequor.

Einem weitern Vorwurfe wırd dieſes Lehrbuh auch wohl fhwerlich entgehen können, einem Vormurfe, der auch die Übrigen Schriften des Verf. trifft, und der die Schreibart, die Manter und den Ton deflelden angeht. Der Styl des Verf. liebe das Einfache, Narärliche und Fließende nicht, er weicht von dem gewöhnlichen Style der äÄltern und ' neuern Kiaffiter und auch unferer beften juriftifhen Schriftſteller ab, erhält den Lefer immer in einer unangenehmen Epannung, ermüder ihn, madıt ihn fiets ungufrieden mit fich ſelbſt, laͤßt ihn ohne Beſchwerlichkeit von einer Stelle zur andern nidt fortruͤcken, neckt und hält ihn überall in feinem Gange auf, bringt ihn um viele Zeit, martert ihn ohne Noch, überlaͤßt ſich nicht felten, flatt gu unterfuchen, einem minder befchwerlis hen Pyrrhonismus, geht immer nur auf das Ungewoͤhnliche, Auffallende, Pikante, auf das Raͤthſelhafte in Sache und Worten aus, fuhr immer nur, fo zu fagen, die Quinteffenzen auf, und wird dadurch gegiert, gezwungen und dunkel.

(Die Zortiegung folgt, )

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No. 8. HSeidelbergiſche 1813.

Jahrbuͤcher der Litteratur.

©

Lehrbuch der civitiftifchen Zitterärgefchichte vom Prof. Ritter Hugo in Goͤttingen. ( Sortfegung der in No. 7. abgebrochenen Necenfion, )

R. iſt uͤberzeugt, daß gerade der Verf. am wenigſten noͤ⸗ thig haͤtte, ſeine Buͤcher mit dieſem unaͤchten Schmucke einer falſchen Gelehrſamkeit aufzuputzen, zu dem gewoͤhnlich nur diejenigen ihre Zuflucht nehmen, die zu arm ſind, um in . einem ſoliden Aufzuge erſcheinen zu koͤnnen. Der Verf. hat zu viele Realitaͤten, als daß er noͤthig haͤtte, nach Mitteln zu greifen, die tief unter ſeinen Talenten ſtehen. Auch weiß Rec., daß ſelbſt die waͤrmſten Verehrer des Verf. dieſes zu allen Zeiten lebhaft an ihm getadelt haben; und gewiß hat er ſich ſchon laͤngſt mehr damit geſchadet, als er glaubt. Man ſchiebt dm Motive unter, die Rec. nicht für wahr hält, die aber, wenn fie es wären, micht ehrenvoll für ihn ſeyn könnten. Würde der Verf. in einem weniger gefuchten und weniger duns kein Style ſchreiben, und würde er zu rechter Zeit und am tehten Orte die Quellen anführen, aus denen er fhöpft, ges wiß er würde feine glücklichen Litterärifchen Erfolge nach der Anzahl feiner Werke zählen. Die Schriften des Verf., fo wie fie find, find alle nur entweder für feine Zuhörer, denen er, im mündlichen Vortrage, die Raͤthſel derfelben geloͤſſt hat, oder für diejenigen, welche die Quellen kennen, und die Bis der beſitzen, aus denen er fchöpft, oder endlich für diejenigen, welhe eine Materie ex professo ftudiren und das Pfeinfte Detail derfelden kennen, verftändlich; für alle Andere bleiben fie dunkel und befchwerlih, weil man faft feinen einzigen Pas tagraphen fließend meglefen kann. Daher kommt es auch), daß feloft mehrere fehr gelehrte Profefforen des Civilrechts in Deutſchland, die Rec. kennt, kein einziges Buch des Verf. beſitzen, ja nicht einmal leſen wollen; und, bey diefer Stims - 8

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mung, läßt ſich vielleicht nicht ohne Grund prophezeihen, daß die Werke des Verf., fo wie fie find, fein hohes Alter erreis den, und daß hoͤchſtens ein anderer lichtoollerer Gelehrter fpäterhin das Beſte daraus nehmen, und in einem deutlidern, fließendern und angenehmern Style, unter Anführung der Quellen und Scrififieller, welche benußt wurden, vortragen werde.

Ein Schriftfteller und Lehrer kann feinem Publikum, das fi) niche bloß mie Ihm allein zu befchäftigen hat, nicht zumu⸗ then, fo vieie Zeit auf die Enthuͤllung feiner Närhiel zu ver fhwenden ; er ift ſchuldig, fo klar als möglich zu ſchreiben, ſo Har, daß ihn, wie Johann Campegius von Bologna, ein Juriſt des XV. Jahrhunderts, und Jaſon's Zeitgenofle, zu fagen pflegte, felbft die Ignoranten verftehen können. Sehr mertwärdig ift auch die, wohl etwas zu ſtarke Sprache, welche der große, fchon bejahrte Cujas nur fünf Jahre vor feinem Tode, im Jahr 1585, in einer Nede, die er gu Bourged hielt, gegen die dunkeln Profefforen führte: „Idem quoqus, fagte er, in doctore nostro requiro, ut nihil unquam tra- dat obscure in jure, et ut tradat patefacta ratione, clare et perspicue. Quo enim mihi juris interpres, nisi sit irn eo, quod in po&ta Aristoteles exigit, ut res palam ante oculos ponat, et in bono lumine? Quid enim 0%0- zeıvot illi Heraclito similes, nil nisi cruces atque tor- menta? Quid item turpius, quam id ipsum esse obscurum, quod ineum solum adhibetur usum, ne sint cetera obscura? Ab his nebulis nebulonibusque dicti sunt procul dubio nodi juris, dicta legum aenigmata !* Alnfere Nachbarn jenfeits des Rheins haben uns fchon oft genug, wegen unferer gelehrten Dunkel⸗ beit, ausgelacht, und fchon im XVI. Jahrhundert tadelten fie es an ihrem hochverehrten Landsmann Dumolin, daß er feinen Styl nah dem der Deurfhen Schriftfteller gebildet habe ‚— „qui rendent leurs écrits obscurs et quelquefois m&me inintelligibles, pour y vouloir affecter une trop grande erudition.*

Gibbon und Spittler (heinen auf die Schreibart des Verf. entjcheidenden Einfluß gehabt zu baden; in den

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Shriften diefer beyden Gelehrten fcheint man das Modell des Styls des Verf. zu erfennen. Aber jede Nachahmung bleibe immer hinter dem Driginal zuruͤck, und kann zwar bie Fehler, aber nicht die Tugenden deſſelben erreihen; und dann if Spittler kein Gibbon, und ſelbſt Gibbon wird, eben feines gefuchten und minder einfachen Styles wegen, einem Aume und NRoberefon mit Recht nachgeſetzt. Diefe beyden großen Schrififteller find auch gedrängt und reichhaltig; aber fie find zugleich fo klar und durchſichtig, und führen die Quel⸗ Im, woraus fie fchöpfen, immer fo vedlih an, daß fie dem Lefer nichts zu wuͤnſchen übrig kaffen. Der Verf. fcheint feis nen Styl auf den- in Deutſchland wegigftens feit einiger Zeit ziemlih gemeinen Geiſt des Jahrhunderts berechnet zu haben. Denn leider hat fich der Myfticismus in unfern Tagen ſelbſt in die fchöne Litteratur eingefhlihen, und es iſt wirklich fo weit gefommen Daß von vielen Spdioten, welche ihren ©es ſchmack durdy Die Claſſiker der alten und neuen Zeit noch niche firire Haben, Diejenigen über die Achfel angefehen und verlacht werden, weiche nicht dunkel und unverfländtich ſchreiben; aber Nec. frene ſich menigftiens, daß er die myſtiſchen Schriften immer für Die Peſt der Litteratur gehalten Hat, und er finder eine tröftende Beruhigung in dem Glauben, daß der Ges ſchmack für das dunkle Andenten ein Rauſch fen, der nice lange dauert, und defien man fi ſchaͤmt, fobald er vorüber iſt.

Der Verf. wird ohre Zweifel fagen, er ſupplire und helle in dem Collegium Alles auf, und feine Lehrbücher ſeyen nur für feine Zuhörer beftimme, für welche es fogar vielleicht beſſer ſey, wenn ihnen die Sachen im Buche feldft nicht ganz faßlich dargefielle werden, um fie an ein fchärferes Nachdenken und an eine firaffere Spannung der Seelenkräfte bey der Repeti⸗ tion anzuhalten und gleichſam dazu zu zwingen. Allein abges rechnet, dafs Diefes Motiv immer den Schein hätte, ale wäre es dem Srundfaße nicht vorausgegangen, fo glaubt Rec., daß ein Buch, "das auf die Leipziger Mefie kommt, auch für das uͤbrige Publikum geſchrieben, und nicht bloß für die Studens ten in Goͤttingen beſtimmt if. Sodann flieht er nicht ein, warum man auc den Studenten das ohnehin fchon ſchwere Rechtsſtudium nicht auf jede Art zu erleichtern erachten folte.

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Wenn man ihnen die Sachen aud noch fo klar vorträgt, fo bleiben doch immer noch nur gu viele Schwierigkeiten und uns Üderfteigliche Hinderniſſe, in einer fo vermickelten und fo viele Kenntniſſe vorausſetzenden Wiſſenſchaft, für fie übrig, an denen fie ihre Kraft und ihren Scharffinn genug üben können. Der talentvolle und fleißige Zuhörer bedarf keiner kuͤnſtlich herbey⸗ geführten Schwierigkeiten, um nachzudenken und feine Seelen⸗ kraͤfte anzufpannen, und man beraubt ihn unnöthigerweife einer Zeit, die er nüßlicher anwenden könnte; und der minder fähige und minder fleißige Student wird eher von dem foliden Studium des Nehts verfheuht, wenn er feine einer immer währenden Spannung unfähigen Geiftesfräfte unaufhoͤrlich und auch da anftrengen fol, wo man Ihm die Anftrengung eripas ren könnte. Auch waren die beften ECompendienfchreiber der ältern und neuern Zeit, - und feldft die Vorgänger des Verf. auf der Univerfität gu Göttingen, nie der Meynung, daf man in den Lehrbähern und Compendien die Schwierigkeiten gu fliffentlih vermehren fol, um die Aufmerkſamkeit und das Machdenten der Zuhörer zu fchärfen. Alle ihre Schriften die fer Art find fo klar und faßlih als möglih, und an den Eompendien von Georg Ludwig Böhmer wird ‘gerade diefe Klarheit in den Begriffen und Worten mit dem größten Rechte hauptſaͤchlich geprieſen. Der Verf. ſelbſt ertheilt (6. 576.) dieſen Boͤhmerſchen Compendien ihr gebuͤhrendes Lob, und doch wie weit ſind nicht die Lehrbuͤcher des Verf. von der edein und ſchoͤnen Einfalt derſelben entfernt? Iſt einmal der richtige und kuͤrzeſte Weg entdeckt, warum will man dieſen nicht auch einfhlagen, und warum foll man einen längern und langweiligern fuchen, nur um einen befondern gu haben? Böhmer’s Lehrmerhode ift die befte, weil fie in der Natur der Sache liegt, von Maren Begriffen ausgeht, dieſe, ohne alfe gelehrte Umfchweife, deutlich und hell entwickelt, weiter verfolgt, daraus wichtige und durchſichtige Wahrheiten zieht, die für jeden Verſtand zugänglich find, und diefe immer ent weder mit Geſetzſtellen für minder ſchwierige Gäge, oder mit Schriftſtellern für diejenigen Saͤtze belegt, die zwar aud in den Geſetzen liegen, aber ohne Huͤlfe derer, welche ihre Muße und ihren Scharfſinn auf die Erklaͤrung derfelben verwendet

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haben, nicht fo leicht. von allen Lefern begriffen werden koͤnn⸗ ten. Eben deswegen wurde und wird über Boͤhmer's Coms yendin auf allen Liniverfitäten gelefen, chen deswegen werden diefe von allen WMerfländigen, ohne irgend eine Ausnahme, hochgeſchatzt; und man kann mit Gewißheit behaupten, daß fie diefes gluͤckliche Schickſal nicht gehabt haͤtten, wenn ihr wärdiger Verfaſſer fle nad Art des ii R. Hugo gefchries ben hätte!

Soviel im Allgemeinen über das vorliegende Buch. Rec. wii nun, thetls zu Bellätigung diefer allgemeinen Betrach⸗ tungen mit einzelnen Vepfpielen, theils zu Berichtigung und Erläuterung, tbeils. zum Lobe mandyer einzefnen Saͤtze des Verf., auch etwas in das Detail der 400 66. gehen, aus des nen das - Lehrbuch. beſteht.

Sn der ‚Einleitung, die aus 66. beſteht, trägt der Berf. mehrere Sachen vor, die man in den bisherigen Lehrs Gähern der civiliffiishen Litteraͤrgeſchichte nicht findet, die Mans chem zum Theil unbedeugnd. jcheinen koͤnnen, die es aber in der That nicht find. Dergleichen Kleinigkeiten werden oft im. Studium feldft fehr bedeutend, und man muß fie, wenn man gut fortkommen will, eben fo gut willen, als die wichtigften Säge. Im $. 3. fpricht der Verf. von den Familiennamen mehrerer Ciniliften, die man gewöhnlich nur unter ihrem Las teinifchen Namen kennt... Man könnte, ſtatt der angeführten, - viele andere Beyſpiele geben, wo es nach fchwerer iſt, aus dem Lateinifhen den Familiennamen, nder.umgefehrt, heransı zubringen. So hieß z. B. Antonius Bengeus Ben— 99, Aegidius Mortenfius hieß Desjarding, Celſus Hugo Diffurus Heß Deicoufu, Joh, Galli hieß Le Eog ; und fehr wahrfcheintich vermuther der Verf. an einem andern Orte ( Livilif, Magazin III. Bd. 4. Heft. &. 440), daß Adrianus Pulväus in feinem Waterlande Poudrengr geheißen habe. ©. 3 Note ı) fragt der Werf.: Wie hieß Sutrherius? Erſt im $. 245. S. 227 fleht die Antwort: Souttiere, mit der Bemerkung, daß diefer Name erft fp&e von Ba yle aufgedeckt worden fey. Verſchiedener ift wohl noch fein Name geichrieben worden; Sontier, Suthier, Surtizres, SGoutiere, Gouthier Suthikrres,

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Guthiedrre, Gouthierre;: Diefe Bverfchledene Namen ger ben ihm feine Landsleute ſelbſt. Der Verf. fchreibt aber den’ Nas men doc) nicht richtig, und wie ihn Baple ( Dictionnaire historique et critique, Tome 11. Edit. Amstel. ‘1740, p. Baa. col. 1. note 114.) angibt; denn Bayle fchreibt Sous tiere, der Verf. hingegen Gouttiere. Auch in den Let- tres choisies ’de Mr. Bayle, Tom. II. Roterd. 1714. p.709 “ficht folgende Bemerkung: „J’ai rencontre depuis-peu dans Y’Histoire de Bresse de Guichenon .le nom fran- gois de cet &crivain. C'est Goutiere. Il 'etoit grand ‘Humaniste,; et illustroit ‘par plusieurs: passages du droit.“ S. 3 Note 6. fragt der Verf. : Welher Name ift ‘der wichtige bey -Viglius -Zuichemus ab Ayta Frisius? Er läßt diefe Frage unbeantwortet, aber da er ihn gewöhnlich Zuichem nennt (|. das Negifter S. 427 $. 41. $. 110. Note 3, $. 112. $. 101. Mote 8. $. 124. Mote a. 6. 1925. im Terte und in der Mote 1. $. 148. Mote 1.), fo ſcheint er die fen für den wichtigern gu halten. Dieſes ift aber nicht richtig; denn der wichtigere und der Familienname iſt ab Aytta, weil der Water des Viglius ſich bloß Folcardus ab Aytta, ohne

den Beyſatz Zuichemus, nannte. Viglius war aljo der Vorname, ab Aytta der Familienname, Zuichemus iſt ein

Beyſatz von dem Drte Zuihem, wo, nah Martiniere, Biglius gebohren, und der, nach Andern, zugleich ein alt

vaͤterliches Familiengut war; und Frifius wurde er von der Provinz Friesland genannt, worin Zuihem liegt. Martis

niere nennt ihn daher richtig, nach feinem Vor s und Zunas

men, nut Viglins ab Aytta. Auch fein Landsmann, Ulrich

Huber, Hält den Namen ab Ayta für den wichtigern und - Bamiltennamen (Opera minora et rariora. Trajecti ad

Rhenum 1746. 4. p. ı26) und den Beyſatz Zuichemus nur-

für einen Beyſatz, der den Geburtsort beitimmen foll; fo wie ee an demfelden Drte und in berfelben. Linie den Joachim Hopper Snuecanus, von feinem Geburtsorte Sneek, nennt. Die Geſchichtſchreiber Übrigens, wie Bentinoglio, Wat— fon und Andere, nennen ihn gewöhnlidy nur mit feinem Bow namen Viglius, nie aber nennen fie ihn Zuichemus. So

wenig man bey Rofredus den Beyſatz Beneuentanus, bey

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Per. Sregortusg ‚den. Beyſatz Tholofanus, bey Theodos ins Adam Aus den Beyſatz Sualembergins, bey Hopper den Beyfag Snecanus für den wictigern Namen halten kann, eben fo wenig Darf man auch den Beynamen Zuihemus bey Kiglius ab Ayera für den wichtigern halten. Daß enh die Vermögensumſtaͤnde nicht felten: auf die litterariſche Wirkſamkeit Einfluß haben, wie der Verf. $. 5. bemerkt, iſt nur allzuwahr. Alciati wollte das ganze Corpus juris gloffis ven; aber der Krieg fchmälerte feine Einkünfte: er mußte advociren und Gutachten flellen, und fo unterblieb diefe näßs ide Arbeit (ſ. Alciati Epistola Francisco & Turnone in- scripta opp. Tom. I. praefixa p. 2). Die Armuth ik eine Krankheit, von der die Gelehrten felten geheilt werden; auch die Juriſten konnten dem bekannten Joh. Pierio Vale— riano manchen Beytrag zu feinem Buche: de infelicitate litteratorum liefern. Sn dem Sage, daß die Aenderung der Grundſaͤtze der Schrififteller oft Sehr bemerkenswerth fen, ($. 10.) lieferte wohl in neuern Zeiten der Baron von Hont⸗ heim das merfwürdigfte und auffallendfte Beyſpiel. Wenn der Verf. ©. 8 6. 15. Mote 3. ſagt, ſehr oft werde Fatte⸗ rini ſtatt Sarti unrichtigerweife genannt, fo iſt hiebey zu bemerken, daB man eigentlich bey dem Werfe: de claris Archigymnasii Bononiensis Professartbus. beyde, Sarti und Fattorini, zugleih nennen follte; denn der erfiere flaeb, ehe er auch nur den erfien Theil wollender hatte, und der letztere mußte auch im diefem eben deswegen noch an fehr vielen Drten nahhelfen. Webrigens nennt der Verf. ( &. 33 Note 5.) felbft den Fattorini flatt Sarti.

Sehr richtig fängt der Verf. im $. 39. eine eigene Periode in juriftifher Hinfihe mie Polizian an, ungeachtet Coras (Miscellanea ) behauptet , er habe von dem Roͤmiſchen Rechte nichts verfianden, und ungeachtet auch Alciatus mit einer gemachten Geſchichte deffen Ignoranz, als Nechtsverfländiger, glaubwärdig maden wollte. Bon $. 4a. bis 6. 88. bes nußte der Verf. beynahe immer Sarti’s und Fattorint’e bereits angeführtes Werk, ohne es Übrigens viel zu mennen. Man fiehe überall, daß es der Verf. emfig ſtudirt, und fofl allein zum runde gelegt hat. Diefes Werk ift als der beſte

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Eommentar zu den fragmentarifhen und oft dunkeln Stellen des Buches anzufehen. Wo vom . 42. bis $. 88. eine Stelle rächfelhaft ift, da darf man nur dieſes Werk nachſchlagen;. man findet da immer. dasjenige Heil und deutlich ‚vorgetragen, was in dem Buche des Berf. dunkel iſt. Sarti’s und Fattorini's Werk geht aber nur bie gu Dinus Mugels lanus, alfo bis zum $. 88. des Lehrbuhes. Don bier an * muß fodann Tirabofchi zu Hälfe genommen werden. ©. ı6 6. 31. fpricht der Verf. von Diplovatacctus und Pans zirollus Es iſt an ſich ganz gleichgültig, - ob man einen Schriftſteller mit feinem vaterländifchen oder mit feinem Lateis nifhen Namen nennt ; aber da der Verf. in der Regel immer das erftere thut, fo erfordert es die Gleichfoͤrmigkeit, daß es überall gefchehe. Deswegen follte Diplovatazzi, Pan— zirolli, Alctati (8.16 und ©. 106), Sigone, Gem tili (S. 30 und 108. ©. 164. 190. 191), Ferretti, nidt Ferret (S. 102), Pietro Vettori, ſtatt Petrus Victorius (S. 197 $. 140.), Aldo Manuzio (©. 197 6. 141.), Matheo de Afflitte (&.go 6. 113.), Ans mar du Rival, flatt Aymar Rivallius (©. 146 $6.166.), Baron, flatt Baro (&. 178), Cafaubon, flat Cafaubonus ($. 194), Broe flatt Broeus (©. 209), Giuſephe Tofcano Mandatorizzo, ſtatt Tot cant Mandatorizzgi (S. 335 $. 349), Gentien Hervet, ſtatt GSentianus Herverus (©. ı20), Boyar oder Bouerry, flatt Boerius (8. 108), Roufard, flatt Muffard (©. 158), Roncagallo, fiat Ronchegal⸗ Ins (8.91), Juſtel und Voel, flatt Juſtellus umd Voellus (S. 236) u. f. w. in dem Lehrbuche fiehen. Gegen $. 46. Mote 2. G. 31 ift zu bemerken, daß ſchon vor Mosheim und Spittler, und fogar gleich unmittelbat nach Erfcheinung des berüchtigten Buches des Aler Matt chia velli, im 5. 17026 diefes in Italien felbft große Wi⸗ derſacher gefunden habe, und daß, auf Macchiavellis Bitte, der Doctor Giuſeppe Pozzi di Jacopo, ein munterer und fpaßhafter Mann, eine nicht ernftlich gemeinte Vertheidigung des Calendarium verfaßt habe. Fantuzz! fannte wohl ſchwerlich Spittlers Abhandlung, wenigſtens

Lehrbuch der civlliſ Litteraͤrgeſchichte v. Pr. R Hugo. 121

zitirt er fie nirgends. Wenn der Verf. (S, Note 3.) bemerkt: „Won dem Anfanae des zweyten Bandes des Wers tes: de claris archigymussii Bononiensis professoribus, ift nichts in den Buchhandel gefommen; es exiſtirt aber wer nigſtens ein Exemplar davon in Deutſchland,“ fo weiß Rec. nicht, wozu dieſe Bemerkung nüßen foll, und warum der Verf. nicht lieber geradezu gefage hat, wo es eriftirt. Diefes ift gerade, ale wie oft Leute fagen: Ich weiß eine Neuigkeit, aber ich fage fie. nicht! Lieber nichts ale fo gefagt! Warum die Neugier Anderer vergeblih reizen? Warum eine Sache als wichtig behandeln, Die. e8 niche ift, und die man, : ohne ‚alles Nachdenken , bloß hiſtoriſch, entweder durch. Leſen, oder muͤndliche Tradition, erfährt? Diefe Bemerkung des Verf. erinnert an den Gasus unus deB $. 8, I. de Actionib., wors ber ſich ſchon fo viele Gelehrte die Köpfe zerbrochen haben, und. wegen deſſen dem Tribonian fihon fo ‚viele Vorwürfe ' gemacht worden find. Besen &. 55 Mote 5. ift zu bemers tn, daß Fatt orini und Sarti von des Gefchichte mit den gu Amalfi von den Pifanern gefundenen und von Lothar II. beflätigten Pandekten doch deutlih, genug fprechen, indem dieſe gleich auf Der 2. Seite $. 5. eine fabula genannt wird. Der. $. 48. tft in einem hoͤchſt beichwertichen Style abgefaßt; Rec. glaubt nit, daß irgend jemand, dem diefer $. vorges leſen wird feinen Inhalt würde faſſen können. Den $. 56. Note ı. ©. 45 hätte Sarti Tom. J. p. 52. $. 10. anges führe werden follen,; denn fo, wie die Note ſteht, muͤſſen diejenigen, welche Sarti’s Wert nicht kennen, glauben, der Verf. babe diele Entderfung gemacht. Allein auh Sarti tft nihe der erfte Entdeder ; deun fhon Duck (de auctorit. jur. cir. p. m. 355g. et 560.) hat eben fo interpungirt; und auch Terraffon (Histoire de la jurisprudence romaine p. 429) ‚bemerkte, daß Selden den Rogerius mit dem Vaca— rius verwechlele Im $. 56. bemerkt der Verf., daß dag Eompendium des Vacarius Äber dad Roͤmiſche Recht nicht bewieſen ſey. Sarti iſt zwar allerdings ( Tom. I. p. 54) „dagegen ; aber feine Gruͤnde find nicht ftart genug, um den Glauben an das Chronicon Normannicum zu vernichten. Das Breyviarium, oder die Excerpti de codice et digestis

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novem libri, wovon die Normanniſche Chronik ſpricht, exi⸗ flirten gang gewiß, was auch Sarti dagegen fagen und für Zweifel und Kppothefen erheben mag. Rec. beruft fi, und swar, ſoviel ihm bekannt iſt, „zuerft auf. ein Dokument, dag alle diefe Zweifel auf einmal vernichtet, nämli auf die Man- tissa de libro rarissimo, Bihliotheca Ant. Augustini, Tar- raconensis Antistitis, die ®ebauers Narratio de Hen. Brenckmanno. Goettingae 1764. 4. angehängt iſt. In dies fer Mantissa fteht (&. 197 Nro. 380.) folgendes Buch, ale in der Bibliotheca manuscripta latina A, Augustini definds li: „Incerti auctoris breviarium, sive excerpta ex enu- cleato jure Digestorum et Codicis, pauperibus Anglicis destinata, ac novem libris comprehensa. Regulae juris. Liber in membranis annor. CD. forma folii.“ Diefes ift nun ganz zuverlälfig daſſelbe Bud, von dem die Normannifdye Chronik fpricht. Wenn nun ihre Angabe von der Eriftenz defs felben richtig ift, warum follte die Angabe von dem Verfcſſer deffelden weniger glaubwürdig ſeyn? Und wenn, in der Bi- bliotheca manuscripta A. Augustini, ‚dee dort befindliche Codex auf sin Alter von 400 Fahren, im Jahre 586, wo diefe Mantissa zu Tarragona gedruckt wurde, gefhäßt worden iſt, fo fälle deffen Nerfertigung gerade in das Jahrhundert und in die Zeiten, wo Vacarius, nah der Normannifchen Chronik, lebte; und alfo wirt eben dadurch die Angabe diefer Chronik, auch in Abficht auf den Verf. des Breviarium, noch meiter beftätige. Die Bemerkung, welche der Verf. im 6. 65. aegen die große Menge von Zuhörern des Albericus macht, hat keinen hinreichenden Grund, weil nah Ddofres dus, die Scholae S. Ambrosii, in denen Albericus lag, ampla conclavia prope S. Ambrosii eeclesiam waren, ubi ab antiquiori tempore populi Bononiensis conventus ha- beri solebant, et à magistratibus utbanis jus dicebatıur, antequam Bulgari aedes ad id fuerint delectae (Sarti et Fattorini Tom.I. P.I. 9.62 $.5.). Bey Azo (5 68.) wäre auch noch zu bemerken geweien, daß zu feinen Zeiten die fogenannten Coneurrentes oder Antagonistae ent flanden find, von denen wie in den Schriften der Altern Stas lienifhen Juriſten fo vieles leſen, die fo oft den Wetteifer,

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Neid, Haß und Sturz berühmter Profeſſoren verurfachten, diefen recht eigentlich zur Qual und zum Aerger beygegeben waren, ihren Fleiß und Eifer immer in der unangenehmften Spannung erhielten, und ihnen fehr oft ihr langes Anfehen, ihren alten Ruhm, ihre Ruhe, Ehre, und das ganze Gluͤck ihres Lebens raubten. Ein folder Concurrens mußte mit dem Profeffor In derfelden Stunde und Über denjelben Text leſen. Nah der Lection trat er mit ihm auf den oͤffentlichen Kampf— las, in Gegenwart allee Zuhörer von beyden Theilen, und difpuiirte mie ihm über die in der Lection abgehandelten Artis tel und Streitfragen. Hier fuchte er nun mit allen Stacheln feines Scharfſinns und Witzes auf den Profeſſor zu flechen, diefem eine tödtlihe Wunde um die andere beyzubringen, ihn, mit allen Kunſtgriffen der Dialectit, aus der Faſſung zu’ brins gen und in die Enge zu treiben, mit feltenen Texten zu übers rafchen, mit ganzen Colonnen von Authoritäten zu belagern, kurz mit allen Waffen der höhern und niederern Seelenkraͤfte, der fchwerern und leichtern Gelehrſamkeit, feldft der Argliſt und Chikane, gegen ihn Sturm zu laufen, und ihn dem Ges fpötte, dem Gelächter und der Verachtung eines jugendlichen und muchmwilligen Auditoriums preis zu geben. Diefe Diipus tstionen waren gelehrte Haben, zu denen ſich auch der wärs digfte und gravitaͤtiſchſte Profeffor primarius, . gar großen Beluftigung des jungen juriftifchen Anfluges, nolens volens hergeben, und wobey er ſich fehr häufig proſtituiren laſſen mußte. Die muthigeen Koncurrenten erlaubten ſich nicht felten die ausfchweifende Freyheit, Terte zu erdichten und herabzu⸗ (efen , die nirgends eriflirten, nur um den Primarius in eine angenblicklihe Stockung zu Bringen, und die ehrerbietigen Schüler ermangelten in folchen Lritifchen Augenblicken nicht, ihren Lehrer aus vollen Haͤlſen auszulahen. Die ruhigften und gelaffenften Primarit, welhe, nach ihrem Maturell, nur gu einem ſtillen und fanfe hinfließenden Leben Hang hatten, mußten fih Gewalt anthun, aus den“ Schranken ihrer Natur mit Gewalt hervorbrechen, ihren. Charakter verleugnen, ſich mit dem größten Widerwillen in das gange Meer von Sabalen, Rniffen und Chikanen flürgen, in dem der unruhige Kopf, wie in feinem Elemente, lebt, und, ben den fanfteflen Ges

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muͤthsanlagen, ſich tro& den Händeljüchtigften und zaͤnkiſchſten Menſchen, trotz den tollfien Braufeköpfen, benehmen. Sie mußten fi erniedrigen, Partheyen unter den Studenten zu bilden, und diefe feldft mit Selde auf ihre Seite zu ziehen trahten. Der Sieger wurde meiftens von den Studenten, wie im Triumphe, nach) Kaufe begleitet. Diefe Sitte wurde von Italien auch nad Frankreich verpflanzt, und Bartolus (ad L. ı. $. divus etc. n. ı9. D. de var. et extraord. cogn.) fpricht von einem folchen gelehrten Kampfe, der zu Toulouſe zwifhen dem Profeſſor primarius, Quilselmus a Eunio, und feinem Concurrens, Beltrandus de Monte Faventino, nah dem Jahre 1340 Statt hatte, Aber in Italien hielt fih diefe Sitte weit länger. Sehr oft endigten fih diefe gelehrten Fehden mit Injurien von beyden

Seiten, manchmal fogar mit Thärlihkeiten. Den ECarolus Ruinus, der doch ſchon vorher einen ehrenvollen Kampf mit

dem gefürchteten Jaſon in Padua beſtanden hatte, jagte einmal fein Eoncurrens, Franciscus Parmenfis, bloß durch .ein fanftes Lächeln, fo fehr in die Hiße, daß er in den heftigften Zorn ausbrach, und fih allen Ansihmeifungen einer zügellofen Rede ohne Scheu uͤberließ. So wie fih gemeinigs lich die Unverfhämtheit des Lebens unvermerft auch den Wer— fen der Schriftftellee mittheilt, fo waren oft auch die Schriften jener Zeiten der Abdruck jener unanftändigen Kämpfe. Mans cher Primarius, der in der Difputation von feinem im Ganzen minder gefchieften Eoncurrens, durch einen gluͤcklichen Einfall, oder einen liftigen Kunftgriff, in die Enge "getrieben wurde, fuchte fih nachher, in einer Schrift, zu rähen, und die ven

-biffene Wurh gegen feinen Gegner auszulaffen. Ganz gewiß

waren: die Nachtheile diefer Sitte größer als die NWortheile: eben deswegen kam fie auch allmählig außer Gebrauch. In die zweyte Periode von Irnerius bis Accurfius gehören

auch noh Jacobus Colombinus, der berühmte Feudiſt,

der Engländer Stepdan Langton, der Franzoſe Guy Foucaut, nahher Pabft Clemens IV., und der, durd mehrere gefchäßte Schriften befannte, Pabft Innozenz IV. Bon $. 75. bis 83. ſtehen ſehr / gute allgemeine Betrachtun⸗ gen über die dritte Periode, von Accurfius bis Bartolus,

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mins aus &GSarti’s und Fattorini’s Werke genommen. Diee Periode zeigt uns heramirrende Profefforen , weldhe ans fehnlihe Summen aus den Benträgen ihrer Schüler, ziehen. Die luſtige Stelle des Odofredus (©. 56 Mote 2.) if aus Sarti T. I. P.I. p. 180 Mote a) entlehnt. Wenn ber Verf. hier behauptet ($. 75. Note 2.), das Verhättniß zmis fhen lectio ordinaria und extraordinari in der dritten Meriode, ſey jegt nicht mehr ins Klare zu Tegen, und es fey wohl nicht dasjenige, wie nachher zwiſchen einem Publicam and Privatcollegium gewefen, fo ift Rec. nicht diefer Mey⸗ nung, weil es ſich beftimmt beweifen läßt, daß, auch in der dritten Periode, lectio ordinaria und extraordinaria ſich bloß dadurch unterfhieden, daß dieſe von den Zuhörern bezahle werden mußte, jene hingegen nicht. Schon die Etelle des Ddofredns, weihe Sarti und aus dieſem der Verf. (©. 56 Note 2.) anführen, leider fchlechterdings Leine andere Exs klaͤrung; aber nod) viel deutlicher erklärt fich derfelbe O dos fredus hierüber an einem andern Drte, nämlich in Pro&mio Pandect. in princ. n. ı1. Was den Zweifel beteifft, den der Verf. hierbey Außert, daß nämlich die Lehrer keine Gehalte hatten, fo mußten fih die Profefforen vecht gut und fchlau zu helfen; denn von Irnerius an, dem feine Nachfolger veche gerne folgten, lafen die Profefforen der Irneriusſchen Schule öffentlich und umfonft nur über das Digestum vetus und den Codex; die andern und zwar die bey meitem michtigeren Theile, naͤmlich das infortiatum und novum, erflärten fie privatim und gegen Bezahlung. Diefes fagt Odofredus

ausdrädlich Comment, ad L. ult. D. de divort. num. ult, und es ift befannt, daß diefer Mechtsgelehrte den Urſprung und die Beichaffendeit der Srneriusihen Schule, deren letzter Sproͤßling er felbft war, am beften von Allen kannte, und daß wir beunahe Alles, was wir von ihr wiffen, nur durch ihn wiſſen. Auf diefe Art zwangen die Profefforen ihre Schüs fer auf indirecte. Weiſe, ihre Privatcollegien zu befuhen, und jeder Student war gendthiget, dem Profeffor eben fo gut zu opfern, als wenn er publice gar nicht gelefen hätte. Denn welcher Schüler hätte nur einen Theil, mit Hiutanjeßung der zwey andern Theile der fo Hoc verehrten Digeften, hören

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wollen? Und was lag dem Profeffor daran, wenn er für das Privatcollegium recht gut bezahlt war, was, wie wie willen, geſchah, ob er für das Publicum uͤber das verus etwas oder nichts erhielt? Er war für das letzte ſchon in dem erfien, wo nit dem Namen, doch der Sache nah bezahlt. Wer weiß, ob nicht aus bloßem Kigennus die Eintheilung und Abs fonderung in Digestum vetus, infortiatum et novum fo lange und fo religtös bepbehalten worden if. Auch willen wir nicht, ob die Profefforen der Irneriusſchen Schule, fo lange fie feine Gehalte vom Staate hatten, nicht wenigſtens andere Vortheile genoffen, die fie mit einem Publicum, das fie ums fonft laſen, gerne vergalten. Auf jeden Fall fanden fie in dem großen Anfehen und der Ehre, die von ihrer Stelle auf fie ſelbſt zuruͤckfiel, verbunden mit dem Rechte, auch Pris vatcollegien zu leſen, und, mit diefen, den, Beuteln der Stu⸗ denten zuzuſetzen, eine veichliche Entfchädigung dafür. Das Infortiatum mußte ihnen befonders ein wichtiger und lieber Dame feyn, weil er die Grenze bezeichnete, wo fie, auf dem großen Wege der Digeſten, anfingen, auf Rechnung der Stus denten zu reifen. Wenn Ddofredus, in feiner Ankuͤndi— gung, droflig genug fagte: Extraordinarie non credo legere, quia Scholares non sunt boni pagatores, fo war diefes eine weder ernfllih adgefaßte, noch ernfilich gemeinte Drohung, bey der er darauf rechnen konnte, daß fie ihre Wirkung nicht verfehlen, daß die Studenten in fih gehen, und, um feines Unterrichts nicht beraubt zu werden, das Honorar entweder anticipiren , oder den gefhästen Lehrer wenigftens vollftommen fiher ftellen würden. Non credo legere ift weit weniger ale: non legani; jenes ift, fo zu fagen, eine Einladung zu Pers fuaforien; und welche Perfuaforien die fiherften feyen, gab Ddofredus durch fein angeführtee Motiv deutlich zu erfens nen. Haͤtte er aber auch feine Drohung ausgeführt, fo wiſſen wir ja nicht, od er nicht in Umſtaͤnden war, die ihm wohl erlaubten, eine folhe Probe zu machen, oder ob er nicht anf irgend eine andere Art eben fo viel, als durch ein privatum verdienen konnte. Bey ber dritten Periode hätte auch bes merkt werden können, daß fchon in diefen Zeiten die Subtilis täten und Neuerungen die Manier waren, wodurch fich ein

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Profeffor vor dem andern auszugeichnen fuchte, daß diefe Herrn mit einander oft auf eine wicht fehr würdige Art werteiferten, ja daß fie ſich manchmal feloft fo weit vergaßen , ihre Hoͤrſaͤle euh mit ihren Bedienten anzufüllen. Daß Accurfius, wie der Werf., der gemeinen Meynung gemäß, im $. 85. bes bauptet, fih fpät zur Rechtsgelehrſamkeit gewendet habe, iſt nicht nur fehr unwahrſcheinlich, fondern auch beſtimmt unrichs tig, und durch zwey glaubwürdige und fehr Alte Schriftfteller

des XIV. Jahrhunderts, nämlich den Philippus Villas

nius und? Domenicus Bandini, widerlegt. Sarti hat, aus einem bandfchriftlihen Codex der Barberiniſchen Bibliothek, einen Auszug aus dem Villanius (Tom. 1. P.2. p. 200. ), und, aus einer Vaticaniſchen Handſchrift, einen Auszug aus Bandini (T.I. P. ꝗ. p. 205.) gegeben, welche diefes außer Zweifel feßen; und er felbft, auf diefe großen Auchoritäten geflügt, und die gemeine und unwahrs fheinlihe Meynung für eine Fabel erflärend, fagt bes fimme (T. 1. P. 2. p. 157 et 138. $. V.) von Accurſius:

„A prima aetate literis se dedit, et mira temporis brevi-

tate artes liberales didicit. Mox ad jus civile se con« tulit in tenera adhuc aetate, à quo Studio nnnquam deinceps discessit.“ Cpnus von Piftoja ($. 88.) iſt ein als Rechtsgelehrter und Dichter gleich merkwuͤrdiger Mann. Noch vor Bocaccio, nämlih zu Dante’s Zeiten, ſchrieb er Gedichte welche verdienten, feldft von Petrarca, der ihn gleihfam als feinen Lehrer anfah, gelobt zu werden. Er lebte, ſtudirte und lehrte zu Bologna die Nechtsgelehrfamteit, und wurde in Nom Benfiger Ludwigs von Savoyen, der das ſelbſt Senator und gleihfam Stellvertreter des Kaifers Heinrich VI. war. Der $. 88. ift ein auffallendes Beyſpiel eines ges fuhten und abſichtlich dunfeln Styls. Cinus aus Piftoja, über deffen Verhaͤltniß zu Perrarca und Boccaz bey Panzirof (Panzirolli ) ein Höhft unhiſtoriſches Gemählde, und feitdem noh ein Betrug von Doni vorfommt. Er ftarb 1336 oder 1341. &o lautet der ganze Artikel von Cynus. Was kann ein ſolcher Artikel in der Seele des denkenden Lefers zu: rädlaffen ? Wozu diefe gefliffentliche Unverſtaͤndlichkeit! Warum follen fich die Lefer ohne alle Noch die Köpfe zerbrechen ? Wo

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ſollen fie erfahren, in was Doni’s Betrug befand? Warum follen fie eine Sache errathen, die der Verf. kurz vorher viel⸗

leicht feldft nicht mußte? Warum verweif’t der Verf. nicht

vedlih auf Tirabofcht (Tom. V. p. 265), woraus er bie ganze Sache’ genommen bat? Sn der Mote ı. zum .88. kommt fogleich wieder ein ganz ähnliches Manoeuvre vor. Diele. Note lauter mörtlih fo: „Er (Linus) wird oft bey einer ‚Stelle aus Cajus angeführt, die er aber von Jacobus a Navanis hatte, und diefer hatte fie wahrfcheinlich nur aus Boethins“ Was foll abermal Diefes Raͤthſel von Anmers tung? Warum will der Verf. abermal die guten Lefer vachen, und im ganzen Cajus fuchen laffen, wo er fie doch nur mit zwey Worten auf.die, fonft nur mit der größten Mühe zu findende, Stelle verweifen konnte? Warum gibt er fi bie Miene des Urhebers diefer fehr richtigen Bemerkung ? Warum fagt er nicht redlich, daß fie einzig und allein dem gelehrien Schulting angehört, aus dem er fie genommen hat?

Wie weit befcheidener, anſpruchsloſer, vedlicher, deutlicher,

ſchoͤner, -und fogar noch weit kürzer fagt bier der vortreffliche Haubold (Institut. jur. rom. litter. $. 24. nota c.): „De Cajo ex Cino restituto vid. Ant. Schultingius Ipd. Antej. p.54?* Mit diefen wenigen Worten weiß; Jeder for

. gleich VBefcheid ; jeder weiß fogleich, wo er fi) weiter unters

richten kann, während dir Lefer des Lehrbuhes des Verf. mit

unerträglichem Zeitaufwande alle die vielen Noten zu Cajus "

durchblättern muͤſſen, um eine zwar richtige, aber nicht fehr wichtige Bemerkung gu finden. Dffendar hat auch nur bie Hauboldſche Note den Verf. zu der feinigen veranlaft; aber, weil er die Bemerkungen Anderer nie mit ihren Worten wieder zuräcd gibt, und weil fein Styl das Natürliche nicht liebt, fo huͤllte er die fchöne Einfale der Haub ol d ſchen Note in eine geſuchte Dunkelheit, wobey man niht umhin fann, ſtets an das Quintilianiſche: „qui, ut aliquid novi afferre videantur, etiam meliora mutant“ zu denfen.

(Die Sortfegung folgt, )

EEE

No, 9.- Heidelbergifde 1813. Jahrbücher der Litteratur.

Lehrbuch der civiliftifchen Eitterärgefcichte vom Prof, Kitter Hugo in Göttingen. Ä

Sortfegung der in No. 8. abgebrochenen Recenſion.)

In die dritte Periode gehoͤren auch noch Oldradus de Ponte, Schüler des Dinus, Guilielmus de Mandas got, Verfaffer des VI. Buches der Dekretalen, und bie fünf Profeforen zu Toulouſe, Jacobus de Arenis, Öuiliels mus de Montelauduno, Gencelinus, Lucas de Penna, Suilielmus de Cuneo. Sn der Charakter eiftit der vierten Periode, von Bartolus bis auf Polis zian ($. 9gı.), hätte vorzüglich bemerkt werden follen, daß, neben der Dämmerung in der alten Litteratur, im dieſer Periode, zugleich jene "eckelhaften dialectifchen Streitigkeiten, Unterfcheis _ dungen und Weitſchweifigkeiten, und kurz alles das, was die (hönen Geiſter an die Thüre des Tempels des Geſchmackes verweiſen, aufgekommen ſind, und zum großen Schaden des gruͤndlichen Studiums des Römischen Rechts, nur allzulange die ſchoͤne Wiſſenſchaft dieſes Rechts verunſtaltet und verwirrt haben. Der Urſprung jener unzähligen und unnuͤtzen Fragen, weihe die Echule befhäftigten, die Wiſſenſchaft zu einer uns fruhtdaren Caſuiſtik herabwärdigten, und jene unermeßlichen Bände hervorbtachten, welche fie in den folgenden Zeiten fo veraͤchtlich gemacht haben, muß vorzüglich in diefer Periode gefuche werden. Wielleiht koͤnnte man behaupten, daß Mangel und Ueberfluß an Büchern zugleich zur Weitläufigkeit der Werke der fcholaftiichen Juriften diefer Periode beytragen konnte. Dieſe traten auf. die Schaubühne der gelehtten Welt, um zu einer Zeit, wo die Bücher, in Vergleihung mit den fpätern Zeiten, noch felten waren, eine allzubedeutende Rolle zu fpies len. . Sie glaubten Alles fagen zu muͤſſen, weil die meiften . Lefer, die feine oder nur ſehr wenige Bücher hatten, Alles 9

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neu war; fie wollten als Vielwiſſer, Entdecker und fcharffinnige Dialectiter angefehen fenn , fie beſaßen das große Geheimnmiß nicht, nur das Wichtige auszuheben, fie fagten zuviel, und wurden fade, fhwälftig und eckelhaft. In Wergleihung mit den fruͤhern Zeiten hingegen, und namentlich in Vergleichung mit dem Zeitalter von Irnerius bis Accurfius, waren nun (don fehr viele Bücher ihrer Vorgänger in ihren Händen, und, mit diefen, bereits eine Menge controverfer Rechtsſaͤtze und Meynungen der Doctoren im Umlaufe. Diefe gaben ihnen Gelegenheit zu langwierigen Unterſuchungen und zu wies der nieuen Meynungen, die fie eben fo breit, und mit eben den langweiligen Umſchweifen darlegten, durch die fie dazu gekommen find. Wenn die Schrififteller der frühern Periode nur felten und mit wenigen Worten Andere citirten, fo fing jege fhon Bartolus an, Auchoritäten mit reicherer Hand auszuftreuen, und feine Nachfolger wußten bald Fein Ziel und Maß mehr zu beobachten, fie führten ganze Laftwägen von Allegaten herbey, und verfchangten die gemeinflen. und undes deutendften Pläge mit einer ungeheuern Wagenburg von Eitas ten. Sie erklärten nunmehr nicht fowohl die Geſetze, als vielmehr Bloß die Meynungen ihrer Worgänger; die Geſetze waren von der Laft der Meynungen unruͤhmlich niedergedräcke, und von dem dichten Staube bededt, den die Schule und die Heerden von Meynungen der Doctoren erregt hatten. Die Mote 1. zu $. 94. (S. 75) ift abermal auf gefuhte Art duns tel. Sie lauter fo: „Auch gegen Laurentius Valla fol die Lex quinque pedum (c. 5. C. 3. 39.), die ſchon viel früher Hey Abdelard (wahrſcheinlich einer Verwechfelung mit Bailardus) vorkommt, gebraucht worden feyn. Er Habe fi ‚darauf berufen, mander Surift verfiehe die Uſucapion nach den XII Tafeln nicht.“ Was follen die Lefer mit diefer Note, die fie nicht verſtehen können ?_ Warum gefiel es dem Verf. nicht, ihnen eine unnöthige und unnuͤtze Mühe durch ein kleines Eitat von einer Linie, etwa nur duch: Alcıat de 5. ped. praescript. liber. n. ı. et 77. (In opp. T. III. p- 596 et 605) zu erfparen, und, zum richtigen Verftande der Parenthefe, Sarti Tom. I. P. 1. p. 49. $. 1. anzufühs ven, aus dem diefe genommen if? Warum der Verf. im

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6.100. Note 3. (S. 79) den fo verdienten Hommel des wegen über Die Achſel anfehen will, weil er kurz über den theologifch » juridifchen Proceß des Bartolus gefprohen hat, weiß Nec. fich nicht zu erflären. Diefer Proceß ift eine fo anfallende und Argerlihe Erſcheinung in der gelchrten Welt, daß man noch jeßt mit dem wahren Motiv des Verf. nicht zeht im Reinen ift, daß man nicht weiß, ob man ihn als die Wirkung einer ausihweifenden oder gerrütteten Einbildungss kraft, oder der Spötteren und Irreligion des Verf. anfehen fol, und dag man nicht begreift, wie ‚ein Gcheiftfteller des IV. Yahrhunderts es wagen durfte, ein fo nnanftändiges Buch zu fehreiben, worin die ehrwuͤrdigſten Namen mißbraucht - und dem Teufel entgegen geftellt werden, um den Lefern den Civilproceß zu erklären, worin Maria heidnifhe Geſetze citirt, um das menfchliche Geſchlecht gegen die Angriffe des Satans zu verwahren, und worin gegen die gemeinften Bes griffe fo Fehr angeflogen war, daß der böfe Zeind erſt im Sahre 1311 zur ewigen Verdammniß verursheilt wurde. Wenn fehr berühmte Selehrte, ein Bayle, Marhand, und au dee Advofae Terraffon, nebft noch vielen Andern, noch von Niemand darüber getadelt wurden, daß fie weitkäufige und umftändliche Ynterfuchungen hierüber angeftellt haben, fo wird man dem verdienten Hommel wohl aud eine Pleine Detavfeite verzeihen, die er diefem Gegenſtande gewidmer hat. Die Anmerkung über Baldus ($. 101.), daß das Geld, welches dieger Juriſt mit Fideicommiffen verdient haben fol, noch neuerlich zu Anipielungen auf Suriften gebraucht worden fen, muß abermal für alle diejenigen dunkel bleiben, welchen die Schrift , woraus diefer Übrigens ganz unwichtige Umſtand entiehne iſt, zufäligerweife nicht zu Gefihte kam. Mancher Mrofeffor , der Über des Verf. Lehrbuch lefen‘ wollte, müßte, wenn er auf diefe Stelle fäme, und von feinen Schälen ger fragt würde, wo jene Anfpielungen gemacht worden fepen, ohne weitere Umſtaͤnde verflummen, und feine gang nicht uns rtuͤhmliche Ignoranz geſtehen. Auch gehört fo eine Anmerkung | gewiß nicht im einen $. eines Leherbuches der civiliftifchen Litte⸗ tärgefhichte; Kr. Haubold wärde fie, nach feinem feinen gelehrten Tacte, ganz gewiß nicht einmal nar in einen Moss.

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‚aufgenommen haben. Baldus muß übrigens am Lefen

‚und an dem Profeffors s Leben eine Freunde wie keiner gehabt haben ; denn er fagte (in Pro&m. Dig. $. Itaque etc. n. 9.): .„ Legum doctores in omni loco et omni tempore felices sunt.“ Aber Panzirolli var nicht diefer Mehnung; denn ‘er feßte unmittelbar dahinter: „Quod an verum- sit, ipse viderit!« Sm 6. 103. fagt der Verf. von Ehriſtopho— rusde Caſtiglione: „Er wird als ein Neuerer genannt, aber ‚worin befland dies?“ Die Antwort it: Darin, daß er, nad einer Menge unrühmtlicher Juriſten, welche die Mey⸗ mungen und Erklärungen ihrer Vorgänger höher als die Geſetze Felbſt ſchaͤtzten, nur jene fludirten und dieſe vernachlaͤſſigten, und, was die nothwendige Folge dovon war, die falſcheſten und thoͤrichſten Saͤtze derſelben ohne Pruͤfung annahmen, von Hand zu Hand weiter gaben, und ſelbſt in die Praxis eins führten, wieder der erfle und hauptſaͤchlichſte Doctor war, der, mit Hintanfeßung jener albernen, gemeinen und hochverehrten Meynungen,, fih Bloß wieder an die Geſetze felöft hielt, dieſe nad) ihrem wahren Sinne und aus andern Geſetzen zu erflä ren fuchte, Beine erdichtete, fondern nur ſolche Grundſaͤtze zu Entfcheidung ſchwieriger Rechtsfragen anmwendete, welche in den Geſetzen ſeibſt gegründee waren, alle jene divinatoriſchen Diftinctionen, Limitationen, Ampliationen und Ausnahmen ‚von der Begel, wovon es In den Schriften feiner Worgänger mimmelte, aus den feinigen verbannte, eben darum den ge meinen Meynungen der Sjuriften vor ihm, bey jeder Gelege heit, den Krieg ankündigte, und, weil er viel Scharffinn befaß, dafür eine Menge neuer Meynungen und neuer Spißs findigfeiten auffteflte, die vor ihm feiner auf die Bahn gebradt hatte. Weit er giäcklicherweife, an Raphael Fulgofius, Raphael Eumanus und Paulus de Caſtro, dr berühmte Schäfer hatte, die auf der neuen Bahn ihres Mei ſters mit Gluͤck fortwanderten, und wovon die beyden erfiern von Jafon (ad L. 1. D. de pact.) öffentlich befchufdiget werden, daß fie die Schriften ihres Lehrers unter fich getheilt, und feine Entdelungen untedtmäßigerweife ſich zugeeignet Haben, fo mußte auch noch der Glanz der Schüler, was immer dev Fall ift, auf den Lehrer Strahlen zuruͤckwerfen;

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Sehrbuch der civiliſt. Litterärgefchichte v. Pr. R. Hugo. 133

fo tonnten ſelbſt die Neuerungen feiner Schäler, befonders wenn Ja ſon's Beichuldigung richtig war, als fein eigenes Berk angefehen, und fo verdiente er mit Net, ein Neuerer genannt zu werden. Ohne Zweifel hat diefe nämliche Stelle des Jaſon, der nicht lange nah Eaftiglione lebte, den fpäs

‚tern Juriften bauptfächli Anlaß gegeben, diefen Rechtsgelehr⸗

ten einen Neuerer zu nennen, ohne feine Schriften felbft zu. fennen. Sie lautet mwörtlih fo: „Contrariam opinionem et quidem probabiliter tenuerunt subtiles moderni, Ra- pbael Fulgosius et Raphael Gomensis, et ante eos fuit opinio subtilitatum principis, D. Christophori de Csstiglione, eorum praeceptoris, cujus novas opınio- nes saepe sihi adscribunt.“ Jaſon muͤſſen wir, ſowohl wegen dee Zeitalters, in dem er lebte, als wegen feiner eiges nen Fähigkeiten, für einen competenten Dichter in dieſem Steeite halten, und, anf feine Treue und Glauben, darf nun Eoftiglione, von allen Juriſten und für alle Zeiten, ein Neuerer genannt werden, oder es gibt wenig hiftorifche Wahrheiten mehe in der Welt. Wenn der Verf. im $. 109. - von Raphael Fulgofi und Raphael Raimondi,

boder da Como ſpricht, und nicht das gewoͤhntichere Fulgo-

sius, Comensis, Raimundus waͤhlt, fo. harmonirt es nicht recht, wenn er nicht auch Bartolo, Baldo, Minucci, Accorſo, Saliceto, Bonamici, Bonifazio de Bonoconſiglio, Bulgaro, Calderini, Pacio, Robortelli, u. fr w. ſchreibt. Bey Jaſon ($. 108.) wäre beſonders auch zu bemerken geweſen, daß er, ſelbſt nach Aleiatus Urtheil, etiam in literis latinis longe praestans war. Ein poſſirliches Schauſpiel muß es geweſen ſeyn, als er im J. 1499 zu Pavia vor dem Koͤnig Ludwig XII. vor fünf Cardinaͤlen und einer großen Menge anderer ausgejzeich⸗ neter Derfonen, in einem Kleide von Goldftoff las, und die wichtige Theſis, gegen’ mehrere Antagoniften; vertheidigte, daß die Nittermärde, welche jemand wegen Tapferkeit im Kriege von feinem Fuͤrſten erhalte, auch, auf die Kinder uͤbergehe. Die Note 3. zum 6. 107. hätte abermal mit dem Schriftftefler belege werden follen, aus welchem fie genommen. if. Bey $. 111. Note 2. iſt zu bemerken, daß die Klagen der Practiker

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und Barbaren gegen die Humaniſten zu allen Zeiten gehört worden find, ja daß jene auch nod) in unſern Tagen menigs fiens im Stillen über diefe feufzen. Wie könnte es auch anders feyn? Keiner will im Alter geftehen, was er in der Jugend vergebens erlernt Katz Jeder fieht durch feine eigene Brille, und die Eigenliebe der Menichen geht fo weit, daß fie ſelbſt die Tugenden, die fie nicht befigen, an Andern eher für Feh⸗ Ice zu halten, als fih eigene Mängel einzugeftehen geneigt find. Wenn der Verf. im $. 115. von Marcus Mans tua fage: „Er ſtarb 1582, und wenn er wirklich Aber go Jahre alt wurde, fo konnte er freylich den Gojährigen Ceras als einen ziemlich jungen Mann fchildern“ und dabey wieder, nad feiner Gewohnheit, weder den Autor nennt, aus dem er das gojährige Alter des Mantua erfuhr, noch den Schrift⸗ ſteller, bey welchem Zweifel über fein und des Ceras Alter erhoben worden find : fo ift dies abermal eine, die Manier des Verf. ganz charakterifirende,, Affectation,, die um fo mehr zu tadeln iſt, weil fie auch in der allereinfadhften und unwids tigften Sache von der Welt, woben es fih der Mühe nicht verlohnt, nur eine Minute Zeit zu verlieren, nad Duntelhels ten und Raͤthſeln haſcht. Denn kein Profeſſor ift hier im Stande, den status controversiae Mar einzufehen, wenn er nicht vorher, mit unnägem Aufwand von Zeit und Mühe, dem Autor nachgefpürt hat, aus dem die Bemerkung genoms men iſt; und einer Menge Lefer, welche die Quellen des Verf. nicht kennen oder nicht befigen, muß die Sache ſtets ein Raͤth⸗ ſel bleiben, das fie nie Löfen können. Es ift unbegreiflich, wie der Verf. in dergleihen Dingen etwas fuchen mag, wozu auch nicht die geringfle Kunft erfordert wird, und womit ihm jeder gelehrte Juriſt, wenn er wollte, ‚und nicht von einem richtigern Sinne geleitet wäre, nicht hundert s fondern taufends weiſe aufwarten, und ihn in die größte Verlegenheit fehen koͤnnte. Was würde denn der Verf. ' dazu fagen, wenn er z. B. Säge der Art in einem Buche finden würde: „Daß bie berühmten Römer, welche den Pflug nad dem Commandor ftabe führten, deswegen kein fo großes Lob verdienen, zeigt vortrefih Bougainville“ „Daß die erdichteten Hiſtorien darum Romane genenne werden, weil die Roͤmiſche Geſchichte

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die Geſchichte aller ührigen Nationen an großen Heldenthaten fehe weie uͤbertraf., hat Dodwell bewiefen.“ „Daß ein keus ſches Indiſches Frauenzimmer um feinen andern |Preis, als am einen Elephanten, zu einer Ausfhweifung gebracht werden tinne, Hat ein berühmter Sriehifher Geſchicht— fhreiber behauptet.“ „Daß das Romiſche Recht in Italien nie ganz außer Gebrauch gefommen fey, hat am beften und mit vielen Documenten ein Italiener in der erften Hälfte des 18. Jahrhunderts dewielen.“ „Eine pes riodiſche Zeitfchrift, die in Frankreich geſchrieben wurde, erzähle eine fo großmürhige, anßerordenslihe und tuͤhrende Handlung des Verfaffers des Esprit des Loix, daß ein gefühloollee Lefer ſich dabey der Thraͤnen nicht enthalten kann.“ „Schon im 3. 1558 if in Poitiers ein Compendium des Civilrechts gefchrieben worden.“ „Der Buchhändler Roſſi bat, in der Vorrede zu einem geſchaͤtzten jurifiifhen Werke, das im I. 1770 in Stalien in Lateinifcher. Sprache zum zweytenmale gedruft wurde, mit ſehr guten Gründen bie Nachtheile der Fideicommiffe aus einander geſetzt.“ Was wärde der Verf. zu dergleihen Sachen fagen? Er made nur mie diefen Benfpielen, die Mer, fo wie fie ihm zunaͤchſt in Die Feder kamen, mniederfchried, feine kleine Probe, und er wird finden, daß er. audy micht ein einziges dieſer 7 Raͤthſel dien kann. Und fo wollte ihm Rec. täglih zu Hunderten aufgeben, und abfihtlih Hat er in dieſer Kritik noch viele Sachen nicht mit Authoritäten belegt, die der Verf. nicht leicht wird finden können. In der Vote 3. zu $. 118. (©. 95) hätte der Verf. den Titel von Hommels biographiichem Vergeichniffe anführen follen ; denn hundert Lefer werden nicht wien, daß feine Effigies Ictorum in indicem redactae darunter verflanden find, und gewiß zuerit in feiner Littera- tura juris vergeblich nachjuchen. Webrigens haben auch - fhon Denis Simon und Taifand den Poliziano unter ben Rechtsgelehrten aufgeführe. Wenn der Verf. im $. 180. behauptet, Alciat habe in feinem Leben wohl nie den Cu⸗ jas nennen. hören, fo zweifelt Mec. ſehr Hieran, und er ifl vielmchr vom ©egentheile uͤberzeugt. Cujas las zum eritens male im Jahre 1547 Über die Inſtitutionen, und er wurde

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fogleih beruͤhmt, man verſprach fich fogleich viel von ihm, und man bewunderte vorzüglicd die Klarheit feines Vortrages, die immer das Erbtheil der hellen Köpfe if. Dieſes ſagt Pass quier (Oeuvres T. II. p. 568), der zugleich bemerkt, daß er feloft diefer erften Lection des großen Mannes angewohnt habe. Rec. beſitzt ferner ein feltenes, aber nnbedeutendes Buch, nämlich die Epistolarum legalium , in quibus varii juris articuli continentur, libri tres von Sohannes Raymundus von Toulouie, die im J. 1549 zu Lyon ind. herausgefommen find, worin Cujas in der Dedication, die der Verf. an diefen richtete‘, fhon den 2. Auguft 1549 und fünf Jahre vorher, ehe Cujas etwas geichrieben hatte, vir doctissimus et decus hujus aetatis genannt wird. Da nun Alciat erft im 3. 1550 in Pavia flarb-, und da’ zwifchen Toulonfe ind den Yniverfitäten in Dbers Stalien, durch die Studenten aus Frankreich, welche auf dieje gingen , ſtets eine Verbindung unterhalten wunde, ſo ift es nicht wahrſcheinlich, daß Alciat, der gewiß nicht weniger, als die Profeſſoren gewöhnlih, auf feine Kollegen auf anderen berühmten Unis verſitaͤten, und namentlich auf der berühmten Univerfirät eines Landes, in dem er feldft mehrere Jahre als Profeſſor lebte, neugierig war, vom 9. 1547 an bis 1550 nichts von einem Profeffor follte gehört haben, der gleich bey Eröffnung feiner Öffentlichen gelehreen Laufbahn fih berühmt machte, und, was wohl zu merken if, auf einer Univerfität, wo damals nur die Sekte der Bartoliften und Barbaren die herrfchende war, dens felben Weg eingeichlagen,, und diefelbe Lehrart zu der feinigen gemacht Hatte, wodurch er feldft vor den. meiften Juriſten ſei—⸗ ner Zeit fich fo vortheilhaft ausgezeichnet hat. Wenn der Berf, in den Zufäßen und Berichtigungen (&. 397) fich verbeſſern will, und bemerkt, daß es im 6. 122. eine Verwechfelung des Todesjahres von Alciat mit den drey Andern fey, dafi diefer ben Eujas wohl nie habe nennen hören, fo verſteht Re. entweder diefe Erläuterung niche, oder die Sache ifk nicht rich⸗ tig. Denn aus der un richtigen Angabe des Todesjahres des Alciat (1558), die man im $. ıa2. findet, konnte die Behauptung ges Verf. unmöglich entfichen, weil die richtige Angabe (3. 1590) diefe Behauptung noch weit cher recht

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fertigen und wahrſcheinlich machen könnte. Haͤlt alfo der Verf. feine Behauptung im $. 122. in den Verichtigungen und Zus fügen ©. 397 feibft für unrichtig, fo kann fie diefes nicht aus dem von ihm angeführten , fondern fie muß es aus einem ans dern Srunde ſeyn. Bey $. 197. tft gu bemerken, daß Boerius in der Geſchichte nicht fehr bewandert gewefen ſeyn möjje; denn er glaubte, die Longobarden feyen Könige gewe⸗ fen, welhe aus Sardinien nah Sjtalien gefommen feyen. Om 6. 105. Mote 1. iſt anzuführen, daß Maccioni’s Differtationen nicht zu Pifa, fondern zu Livorno herausge⸗ fommen find. Selbſt die Dedication au den Mardefe Don Migele Imperiali Simiana ift nie von Pifa, fons dern .von Florenz aus gefchrieden. Bey Biglius im $. 131. hat der Verf. auf das fhäßbare Wert von Papens dreht aufmerffam gemacht , deffen, fo wie feines Verfaſſers ah Reis Ad Praefat. ad Theophilum $. 30.) ruͤhmliche Erwähnung thut, und das der Aufmerkfamteit des Hrn. Haus bold entgangen if. Ranconet ($. 134.) hieß Aimar de Ranconet. Mach des Präfidenten de Thou Behaupe tung hat befonders Duaren aus de Ranconer's zerfireuten Papieren vieles ſich zugeeigner, und in feine Schriften übers getragen. Viglinus ($. 131.) iſt auch Deswegen merk würdig, weil er zuerſt die Baſiliken angezeigte hat, wovon nahher Gentien Hervet zwey Bände, die er von Aguftin erhalten hatte, zu Parts 1557 Bol. herausgegeben Bat. D5 der Verf. S. 62 $. da. Note 1. wohl daran that, eine Engliihe Stelle aus Hume anzuführen, weiß Rec. nict. Soviel ift gewiß, daß von den dermalen lebenden Juriſten kaum der fechfte Theil diefe verſteht. S. 1925 Mote 3. gibe der Verf. gegen Ladvokat, Taifand und Hrn. Haubold, welche Ameldeuren als Loͤwenklau's Geburtsort nennen, Coesfeld im Münfterihen an. Er kann Recht haben; aber 6 war abermal feine Schuldigkek, feinen Grund und feine Quelle anzugeben, und, fo lange er diefes nicht thut, kann man ihm, auf fein bloßes Wort, nicht glauben. 6. 140. Scaliger hieß im Frangäfiihen de L' Escale. Bey $. 149. können die Schriften von Brunquell de jurispru-' dentia per reformationem emendata, von Fried. Friſius

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de Ictis, qui reformationem Lutheri adjuvarunt. Lips. 1730, und Heineccius de Ictis reformationi ecclesiae praeludentibus mit Wortheil benugt werden. $. 152. Denis Simon (Tom. I. p. 229) fagt von Didendorp: „Il passe sans contredit pour le premier Jurisconsulte d’Allemagne.* Aber mit allem Rechte ift Terraffon (Hi- stoire de la jurisprudence romaine p. 388. ) dagegen. Sein fogenanntes Naturreht, deſſen der Werf. als des für das dl tefte gehaltenen, erwähnt, ift nichts als ein Hang mageres Skelet des Pandertentitels de jure nat. gent. et civ., daß nur 24 Duodezfeiten zählt, und das mit nice mehr Recht für ein Compendium des Naturrechts angefehen werden kann, als alfe die vielen Commentare der Rechtögelehrten vor Olden⸗ dBörp über jenen. Pandectentitel, von denen fogar die meiſten diefen Titel weit vollftändiger und beffer, als dieſer, erklärt haben. Rec. befißt diefes unbedeusende Werkchen ſelbſt. 6. 158. Mynſinger ift auch darum ein nicht gewöhnlicher Mann, daß er, nachdem er fchon zu Dole und, unter Bil glius, zu Padua ftudirt hatte, und bereits verheyrachet war, noch Sciuer des Zaftus wurde, und mit feiner Frau nad) Freiburg ging, um unter diefem berähmten Nechtsichrer noch weiter zu ſtudiren. Diefee Aufzug mit der Frau: muß den andern Studenten eben fo angenehm geweien feyn, als dem Zafins, für deffen Gelehrſamkeit er das größte Compliment war. 9. 161. Bey Hoppers ift zu bemerken, daß dieſer von Viglius das do. 42. Buch der Baflliken ferhalten hatte, und daß Eujas diefe wieder von Hoppers erhielt, der in Madrid als Chevalier 1576 geftorben if. $. 162. Dem Räwärd gibt der Verf. das Jahr 1533 als Geburts jahr, Sare ( Onomast. Tom. III. p. 894) und Br. Haut Bold nennen das 3. 1554, und in dem Speculum Jacobo- rum. Lips. 1811. p. 11 wird das J. 1555 genannt. Welche Meynung ift nun von dieſen dreyen die richtige? $. 166. Ber Tirayueau nur aus feinen Schriften kenne, follte nicht glauben , daß diefer Juriſt in feinen Aeußern einer der größten Elegans feiner Zeit war. Es exiſtirt ein Holzſchnitt von ihm, wo auf feinen Wangen mehrere Schoͤnpflaͤſterchen angebracht find, womit der eitle Mann, nad) Art der Damen,

Lehrbuch der civiliſt. Litterärgefchichte vo. Pr. R. Hugo. 139

die Schönheit feines Geſichtes heben und noch höher ſteigern wolte. Seine Schriften find zu weitläufig; er fhweift immer aus, und die KHauptfahen werden in Nebenſachen bey ihm erſauft. Pratejus, von dem im $. 166. die Rede ift, hieß im Franzoͤſiſchen Pardoux Duprat, nie Prat. Seine Jurisprudentia media, die der geſchickte G. Ronille in &yon 1561 herausgab, war, che Otto fie feinem Thefaus ns einverleibte, ein feltenes und ſehr gefuchtes Werl. 6.168. Connan hieß im Sranzgöfiihen Francois Eons nan, Sieur de Eoulon et de Rabeſtan. Bon Hotman, Duaren und Turamint werden feine Werke fehr Hoch gehaften,, von Andern verachtet ; fo verfchteden find die Meynungen der Gelehrten! Der_unpartheyifche Lefer, den keine Leidenfchaft Über die Linie treibt, wird in feinen Werken fehr viel Gutes, "und manchmal ſelbſt vortrefflihe Sachen fins den. 6. 179. Die Anmerkung gegen Roaldes, womit diefer ſehr gelehrte und zu feiner Zeit allgemein gefchäßte Mann verkleinert werden foll, Hält Rec. für ſehr Übel anges bracht, und ohne Zweifel wurde fie nur gemacht, um ein fa- cete dictum des Eujas an den Mann zu bringen, für das fouft kein fchichlicherer PlagTvorbanden war. Wenn der Verf. fo gewiß ift, daß Roaldes keiner der vier Eivitiften feines Rornamens (Franciscus) iſt, von welchen Cujas nur einen einzigen fchäßte, fo kann er. diefe Gewißheit nicht aus eigener Veberzeugung und aus der Einfiht der Werke dieſes Rechtes gelehrten Haben; denn bekanntlich Haben wir kein einziges Wert von ihm, und, wie de Thou berichtet, gab er auch nie eines heraus. Aber er kann fie auch nicht durch die Zeugs niffe feiner Zeitgenofien vom Hoͤrenſagen haben, weil bey dieſen nur eine Stimme über feine großen Kenntniffe und Gelehrs famteit it. Cujas, Hotman und Pithou fchäßten Ihn fehr Hoch. Der Lebtere dedicirte ihm fein Werk über bie Weſtgothiſchen Gelege; Cujas nannte ihn ommis antiquita- tis reconditae locupletem penus, und, was mehr als Alles für feine großen Kenntniffe beweif't, Cujas und Hotman, die ſich über die Erklärung der I. frater & fratre. D. de condict. indebit. nicht vereinigen konnten, compromittirten, nah Teiſſier (additions sur .les Eloges des hommes

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savans, tirds de l’histoire de Mr. de Thou) auf feinen Ausſpruch; und auch Sainte Marthe (Gallorum doctrina illustrium -elogia L. II. p. 1612) ertheile ihm die größten Lobfprüche. Woher will aljo der Verf. feine Gewißheit haben ? und welche Gegengründe will er vorbringen,. wenn Nec. ber bauptet, daß es, aus den angeführten Gründen, und namentlid) aus der entfchiedenen Hochachtung, die Cujas für feine Kenntniſſe hatte, fogar in hohem Grade wahrſcheinlich fey, Daß gerade er von den vier Franzen derjenige geweſen fey, den Eujas bauptiählih und allein gefhäße habe? 6. 17%

Das Umftändlichfie und Wichtigfte, das Über Bourges ges

fehrieben worden ift, und zugleih am meiften in ein inter effantes Detail geht, find die Meinen Schriften von Nicolas Catherinot, wovon die neuen Herausgeber der Bibliothek des P. Lelong ein Verzeichniß giben, das fih auf die Zahl von 130 belauft, die größtentheils die Geſchichte und Geſetze

von Berry zum Gegenftande baden, dabey aber hoͤchſt ſelten

find. Fuͤr die Univerfirät Bourges ift wohl unter dieſen das⸗ jenige Werkchen das intereffantefte, das den Titel hat: Scho- larum Bituricarum inscriptio, das zu Bourges im J. 167% in 4. berausgelommen ift. Diefe Schrift enthält ein Lob der Univerfisät, und ein Verzeichniß der juriftifchen und mebdicinis fhen Brofefforen, fo wie eine Menge intereffanter Dinge, die man fonft nirgends finder. In einem andern Werkchen: Le Calvinisme de Berry. Bourges, 1684. flieht ©. 4 bey dem 5.1553 folgende intereffante Stelle: „En ce tems les pro- fesseurs de Bourges Etoient fort suspects d’heresie, Voici

. . * . leurs noms, avec leurs gages, par curiosite. Francois

Duaren geo livres, Francois Balduin 550 livres, Hugues Doneau 2do livres, Nicolas Bouguier 200 livres, Charles Girard ıdolivres, Jean Rabbi 140 livres, Andre Levescat ı60 livres, Ant'oine Lee Cante 45 livres, Henry Eduard (Es follte heißen Eduard Henry) Ecossois 45 livres. Cette proportion n'est ni geometrique ni arithmetique, mais burlesque; parceque le merite des uns et des autres n’etoit point encore .assez connu,* Üben fo merfwürdig iſt folgende fleis nere Stelle, die kurz nah) dem 5. 1557 vertommt: „OR

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Lehrbuch der civiliſt. Litteraͤrgeſchichte v. Pr. R. Hugs. 141

disoit en ce tems des Antecesseurs de Bourges: Donel- lus theologatur , Cujacius furatur (wahrſcheinlich hatte biefes auf die Baſiliken Beziehung), Contius crapulatur, Bouguerius feriatur.“ Offenbar kommt, bey diefer Schils derung, Leconte am fchlimmften weg, und das Schlimmfte für ihn ift dabey dieſes, daß eine folhe Eigenihaft ohne hin⸗ reihenden Grund nicht leicht erdichtet wird. Diefe zwey Stelr Ien find auch in einem neuern Werke excerpirt; aber Rec. nennt diefes nicht, um den Verf. gleichfalls Eben fo ſuchen' zu lafien, wie er feine Lefer immer fuchen läßt. Sm $. 179. Note 1. ſagt der Verf. der Bugnerius, defien Roufard, in der Dedication an L'Hopital erwähne, ſey ein gang Unbekannter. Er iſt es nicht; es ift derfelde Niclas Bonguier, von dem Catherinot in den zwey eben ‚ans geführten Stellen zweymal fpricht, den Alciat in feinem Emblema XI. mit feinem Bildniffe und fieben Lateiniſchen Diſtichen, Anulus, in feinem Gedichte, mit vier Hexame⸗ ten, und Duaren mit einer merkwürdigen Rede verewigte, die er den 25. December 1551 bey deffen Aufnahme zum Profeffor in Bourges hielt, an deren Ende er ihm große Lobs fprüche ereheile. Man darf ihn nicht mit Jean Bouguier verwechfeln, der Parlamentsrarh in Paris war, und von welt dem ein Recueil des Arrests vorhanden ift, wovon die erfle Ausgabe im J. 1620 und die zweyte vermehrtere im J. 1629 erfhienen if. Alciat und Anulus nennen den Bouguier auf Lateinifh Bugerius, Duaren hingegen Buguerius. Wenn Roufard Bugnerius fchrieb, fo ift biefes entweder eine Eigen heit deffelden, oder ein Druckfehler, und aus einem - umurde ein n gegen feine Abſicht. Bey $. rör. bemerkt Rec, daß Leconte noch im Jahre 1966 in Bourges über die Snftiturionen las. Diefes weiß er aus einem Exemplare der Institutiones juris civilis, Franc. Accursii glossis il- lustratae. Lugduni, apud Antonium Vincentium 1559. &. das er befißt, das uifprünglich einem Deutihen Baron, Eus tih von Sickingen, gehörte, der im Jahr 1566 ben Leconte in Bourges über dieſes Buch ein Kollegium hörte, und in welches der Befiser vom Anfange bis zu Ende eine Menge Randnoten ſchrieb, die Leconte feinen Schäken in

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442 Lebrbuch der cibiliſt. Litteraͤrgeſchichte v. pr. R. Hugo.

die Feder dictirte. Gleich im Prooemium der Inſtitutlonen findet ſich folgende Randnote: „Praeceptor meus, Antonius Contius, in praelectione harum institutionum, in haec verba : Germanicus, Alemanicus, Sequentia glossavir etc.“ Leconte las alfo Äber die gloffirten Snflis tutionen, und in dem Collegium erklärte er feinen Schülern den Tert und die Sloffe Wo er mit diefer einverfianden war, da lobte er fie, wo er anderer Mepnung war, entwickelte er feine Gründe Burg und gut. Die neuere Litteratur ber Humaniſten fupplirte er immer, befonders aber benukte er, bey, feinen Erklaͤrungen der Geſetze, die Inſtitutionen des Eajus, Ulpians Fragmente, des Paulus receptae sen- tentiae und den Theophilus Won GSchrififielleen führt er häufig Alciat, Ferrarius, Dldendorp, Baron und Andere an. Daß das Lefen Äber den Tert und die Gloffe auf die Art, wie Leconte las, unendlich Iehrreicher und ums foffender feyn, und folidere Suriften bilden mußte, als wie heutzutage das Lefen über Compendien, wo man oft das Wich—⸗ tigſte deffen nicht erfährt, was man willen. follte, hält Re wenigftens für ausgemacht. Im $. ıdı. Note 1. fragt der Derf.: „Warum machen die, weiche, nach der Analogie von Horaz und Properz, durhaus Cujaz fagen wollen, aus dem Lateinifhen Namen: Contius, nicht den Deutſchen: Conz?“ Rec. antwortet: weil es in Deutfchland viele gibt, die Conz heißen, aber keine Contiuſſe find. Dies iſt der eingig wahre, und zugleich ein fehr richtiges Gefühl für Schicklichkeit verrathende, Grund des Unterfchiedes. Würden Die Namen: Horaz, Properz Igemeine Deutfche. Namen feyn, den ‚unbedeutende oder wohl gar verächtliche Menſchen führten, gewiß würde man jene berühmten Dichter des alten Roms in Deutſchland nie fo genannt haben, wie man fie jeßt gemeiniglich nennt. Auch bemerkt Rec. noch weiter, daß es einem Deutfchen, der den Lateinifhen Namen Cujacius nicht franydfiren, fondern germaniſiren will, ohne allen Anftand, und mit demfelben Rechte erlaubt iſt, Cujaz zu fagen, mit dem man Horaz, Properz, Lukrez, Labs tanz, Prudenz, Fulgenz, Aefop, Apoll, Herodot, Herodian, Heſiod, Homer u. f. m. ſagt. Auch kann

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der Verf. um fo weniger etwas dagegen eintwenden, Wenn er es auch gleich ſchon mehrmalen gethan hat, da er ja felbft im 6.88. 6. gı. und ©. 70 Mote 5. aus dem Stalienifchen Boccaceio imme Boccaz macht, und hierzu durchaus nicht mehr Recht Hat, als die, weihe Enjaz fchreiden. 6.187. Demochares, oder Mouchy iſt au ein in der Franzoͤſiſchen Polizey nicht unmwichtiger Name ; denn fein Eifer gegen die Calviniſten trieb ihn fo weit, day er, um diefe aufs zuſuchen und aufzuſpuͤren, geheime Miethlinge beſoldete. Diefe wurden Moucharts, nah dem Namen ihres Heren, ges nannt, und dieſer Name blieb in Frankreich His jetzt den Poligenfpionen. Der $. 165. zeichnet fih abermal dur eine gefuchte Dunfelheit aus; denn man weiß nicht, worauf Rh die Note x. bezieht, und der Verf. verweif’e in diefer im Algemeinen bloß auf Melandton’s loci communes, und äberläßt es den Lefern, in disfen mit Zeit und Mühe zu fus den, was er feldft auf einem kuͤrzern Wege in einem Schrift fiellee gefunden hat, den er nicht nennt. $. 190. Bey Enjas ſcheint der Verf. den Hauptcharakter uͤberſehen zu haben, der diefen großen und erfien Kiviliften aller Zeiten vorzüglich auszeichnet. Denn wer follte e8 glauben, daß ber untericheidende Charakter des Verf. von fo großen und zahl: reihen Bänden feine erflaunlihe Kürze iſt? Diefes Urtheil maß von allem denen befräftiget werden, melche feine Werke Audiren werden. Die Note ı. zu $. 240. ift auch wieder fo dunfel, daß nur wenige Lefer fie verfichen merden. Es wird nämlich von den beyden Doctoren der Sorbonne, Ars naud und Micole simpliciter, und ohne das Bud zu nennen, aus dem es genommen ift, gefagt: „Von ihnen kommt das „on“ her, welches fih aud bey ihrem Freunde Domat findet.“ Iſt diefes nicht wieder eine recht adfichtliche Dunkelheit? Weldyes on kommt von den beyden Doctoren der Sorbonne Her? Warum machte es der Verf. nicht mit zwey Woͤrtchen Ddeutliher? Warum follen die. Lefer nur immer tathen und fuchen? Es it ja doch auch dieſe Notiz wieder eine rein bifloriiche, die der Verf. nicht durch Nachdenken, fondern durch irgend ein Buch erfahren bat. ec. hat, um fid recht zw Überzeugen, ob diefe Dunkelheit nicht vielmehr

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fubjectiv ale objectio fen, und ob er dem Verf. nicht Unrecht thue, namentlich diefe Mote zwey fehr gelehrte Männer, und die zugleich große Letteratoren und fcharffinnige Köpfe find, lefen. laffen, und fie Haben ihm erklärt, daß fie nicht wiſſen, was der Verf. damit wolle. Rec. glaubt aber, daß derfelbe das an für je meine, wo man nämlich fagt: On a fait flat: j’ai fair. Aber er gefteht, daß er feiner Sache nicht gewiß iſt, und daß er nicht darauf wetten möchte, daß er

Recht habe. Was der Berf. im $. 243. Über Francois

Broe (ſo hieß er im Franzoͤſiſchen) bemerkt, iſt ein aͤchter Dendant zu feiner oben angeführten Bemerkung über Roal⸗ des. Um etwas anzubringen, das er für ſpitzig Hält, iſt er hier, wie dort, ungerecht, und läßt ſich zu fehiefen und unrich⸗ tigen Urtheilen verleiten. Troß der Vergleichung des Rechts mit einem Kfeide oder einem Städe Geld, war Broe ein fehr gelehrter und fcharfiinniger Mann, der einen der alles beten Commentare über die Snftitutionen ſchrieb, unter die vorzäglichften Juriften und Profefjoren feiner Zeit mit Recht gerechnet wurde, und in denfelben gwey Abhandlungen, die der Verf. zu feiner Herabfegung anführt, fo viele gute, aus gefuchte und manchmal ſelbſt vortrefflihe Sachen vortrug, daß er gar wohl die Ausländer damit hätte locken Lönnen. Meer man, bdeffen gelehrte Urtheile doch gewiß mehr Gewicht haben, urtheilt auch ganz anders Über Broe. Er fagt von ihm: „Elegantiss im a sunt et argumenti valde singularis bina haec opuscula Franc, Bro&i (Analogia juris ad vestem, et Parallela legis et nummi), qui eruditissimo ad In- stitutiones Justiniani commentario inter celeberri- mos suae aetatis Ictos nomen adquisivit, quique omni honarum literarum adparatu instructus fuit, ad illustrandam Jurispru- dentiam.“ Ein anderer berähmter Kritiker aus &panien fagt von ihm: „Multa in Franc, Bro&i Commentario ex- ponuntur adcurate et erudite, et brevis totius juris Chronologica historia, quae praemittitur, legi mere- Der Veſchluß wigt.)

ann ee = 22302 1202.00 22

No. 10. Heidelbergifhe 4813. Jahrbuͤcher der Litteratur.

öxxxxxxXxXXXXEIEX

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Sehrbuc der civiliſtiſchen Litterärgefhichte vom Prof, Ritter Hugo in Goͤttingen. ı Beſchluß der in No. 9, abgebrochenen Necenfion. )

J aber Hat Rec. ſchon viele gefunden, die Broe gelobt, aber noch feinen, der ihn herabzuſetzen gefucht Hätte; und er ſelbſt Hat fih fhon fo oft, in feinem eigenen Studium, von der. Vortrefflichkeit des Broeſchen Kommentars über die Inſtitutionen zu Überzeugen Gelegenheit gehabt, daB es ihm wehe that, ein fo umgerechtes Urrheil Über einen Mann zu leſen, den er feldft immer verehrt Hat und verehren wird. Bo find denn die Männer, die heutzutage einen ſolchen Com⸗ mentar gefchrieben hätten, oder fchreiben könnten? Und wenn heutzutage, auf vielen Univerfitäten des In s und Auslandes, die Ausländer oft durch weit unbedeutendere Schriften der Profefforen gelockt werden, warum follten fie nicht auch durch Broe's auf jeden Fall bedeutendere Werke haben gelockt wers den Binnen? Was Broe, in jenen zwey Vergleichungen, vorträgt, zeugt offenbar von Gelehrſamkeit und Kenntniffen mancher Art. Nerräth er aber, in den Titeln jener Schriften, weniger Geſchmack, fo hat Forcadel für feine verfchiedenen Schriften noch weit gefhmadlofere und abentheuerlichere ges wähle, und doch nimmt der Werf. diefen in Schuß. ($.173.), während er den Broe herabſetzt, ohne Zweifel deswegen, weil die gemeine Stimme gegen Forcadel und für Broe fl. Wenn Semand den $. 245. lieftt, der Fabrors Werke noch nicht aus eigener Einfiht fennt, fo muß er glaus ben, diejer gelehrte Mann habe faſt feine Verdienfte um bie Rechtswiſſen ſchaft; denn alle feine Schriften werden nur ges todelt, niches wird an ihnen gelobt. Meetman, Reis, Otto, und alle, welche Fabrot genau kennen, denken ans

ders über dieſen berühmten Gelehrten; auch Peiresc, jenes j 10

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berühmte Mäcen aller Gelehrten von Verdienſt, fo mie der Präfident Du Vair, der Fabrot nad Paris gog und ihm einen Gehalt von 2000 Liores verichaffte, fo wie alle Gelehr⸗ ten feiner Zeit, waren gang anderer Meynung. Seine tiefe Gelehrſamkeit und feine anferordentlihen Kenntniffe in dem Kömifchen und Kanonifchen Rechte waren allgemein anerkannt.

—Es iſt nicht zu leugnen, daß man allen Zabrotfchen Ausgaben

fremder Werke viele und große Fehler vorwerfen kann, weil der gelehrte Mann zu arbeitfam war, und weil pluribus intentus minor est ad singula sensus; allein deſſen unges achter bleibe Fabrot immer ein großer Mann, und wir wären fehr zu beklagen, wenn wir feinen Theophilusg, feine Baflliten und feine Ausgabe von Cujas, bey allen Feh⸗ lern, durd) welche diefe Werke verunſtaltet find, nicht hätten. Ein berühmter Kritiker fagt von ihm: „Fabroti judicium fuit egregium, eruditio stupenda“ und Reiß, ein gewiß ſehr competenter Richter, ‘nennt ihn Magnus vir, mit ber Bemerkung, daß er ihm diefen Namen nicht eipwvıxzasz, fons dern serio gebe, cum ob diffusam lectionem et eruditio- nem‘, tum ob juris rom. summam peritiam, nec contem- nendum judicii acumen, Fabrot's Namen wird ewig leben, fo lange die Römifhe Rechtswiſſenſchaft leben wird. Wenn viele Gelehrte, die vor und nad ihm gelebt haben, fhon längft der Vergeſſenheit übergeben feyn werden, wird fein unfterblicher Name den Nechtsgelehrten, Antiquaren, Ges fdrichtfchreibern und Philologen noch immer theuer ſeyn. In der Mote zum $. 249. hätte der Werf. fagen follen, wo der Pariſer Profeffor Daragon feinen Beweis geführt Habe: denn wie viele werden in Deutfchland diefes erfahren Bönnen? Daragon führte diefen Beweis in feinem Avertissement, das an der Spige des „Droit public de la France, ouvrage posthume de l’Abbe Fleury, publie avec des notes par J. B. Daragon, professeur en l’Universite de Paris. Paris 1769. 2. Vol. in 12.* flieht. $. 260. Sehr ohne Grund wird hier Hilliger's Buch über. Doneau herabgefest. Wegen der reichen Litterame, die Dillinger, mit dem größs ten Fleiße, aus den berühmteften Humaniften feiner und der Vorzeit, bey jedem wichtigen Gabe angeführt Hat, iſt fein

(

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Bert zu allen Zeiten in Deutfhland, Frankreich, Holland, Spanien, Portugal und Stalien nad Verdienft gefchäßt wor⸗ den, und wird ſtets um fo mehr gefhäßt werden, weil man fehr häufig ganze Stellen aus Werken darin ercerpirt finder, die heutzutage ſehr felten find. Nichtiger, als der Verf., ur⸗ teilt ein Tcharffinniger Kritifer des Auslandes über Hilliger, wenn er von feinen Moten zu Donean fagt: „Notata eruditissima, et selectae.bibliothecae vicem praestare possunt“ und Vinnius, der fi, durch feine allgemein beliebten und gefhäßten quaestiones juris, fo bes eähme machte, Hat in diefen meiftens nur die Noten des Hilliger benugt, und oft nur abgefchrieden, ohne feinen Dann zu nennen. Hievon Fönnte Rec. viele Beweiſe geben. Daß Hilligers Styl in dem Auszuge ſelbſt fchwerfällig, eifern und dunkel ift, kann nicht geleugnet werden. Bey Schilter (9. 268.) iſt fein feltenes civiliſtiſches Buch: Herennius Modestinus, Argent. ı687. 4. vergeffen, das übrigens 24 Jahre fpäter von Brenfmanns Diatriba de Evrematicis. Lugd. Bat. 1711. 18. übertroffen worden iſt. Wenn der Verf. im $. 275. bemerkt, daß man oft vergeffe, wie mannigfaltig Leibnie von Anfange an zur Rechtswiſſen⸗ (haft gehörte, und wie erhebliche Bücher er auch theils über die jurift. Methode, theild Über das Staatsrecht geichrieben habe, fo weiß Nec. von folhen, welche in der juriftifchen Litteratur auch nar ein wenig bewandert find, Niemand, det diefes vergäße. In allen gangbaren juriftifchen Kitterärgefchichtlichen und bibliographi⸗ fhen Buͤchern, bey Struv, Taifand, Terraffon, Doms mel, König, Nettelbladt, Lipenu. ſ. w. flieht Leibnig ats Juriſt, und feine jueiflifchen Schriften werden von mehreren. von diefen vollfländiger als von dem Verf. aufgezählt. Seine Nova methodus discendae docendaeque jurisprudentiae ex artis dıdacticae principlis, die in neuerh Zeiten in dem Thesaurus jurisprudentiae juvenilis. Neäpoli 1754 et 1756, 2. Vol. 8. wieder abgedruckt wurde, nennt Äbrigens Hom⸗ mel „juvenilis admodum, eaque philosopho, nedum Icto, adeo indigna. ut Christ. Wolfum mirer, in ea iterum edenda operam perdidisse; und von feiner Ratio Corporis juris reconcinandi; nachdem er die Ordnung derfelben ange⸗

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führt hatte, bemerkt er: „Praeclarus ordo, si Diis placet!“ Diejenigen, welche Leibnis als Juriſten nicht kennen, wers den aber gang gewiß auch viele noch befanntere und berühmtere Juriſten nicht kennen, als Leibnitz ifl. $. abo. Brums mer fiarb nicht im J. 1661, fondern im J. 1668. Als er in diefem Jahre von Paris nad) Lyon reifen wollte, ertranf er in einem Fluſſe. Sein Buch de lege Cincia fam zuerft in Paris in demfelben Jahre herans, in dem er ertranf, und war dem berühmten Sranzöfiihen Staatsminiſter Colbert dedicist. Er war fo giädlih, der Schüler des Reineſius zu fen, der, durch Colbert's Verwendung, Ludwigs XIV. Freygebigkeit rühmen konnte. 6. 282. Difelius hat das Beſte in feinen Noten dem Aleander ehtwendet, and Reis nold behauptet, daß er auch die Sollectaneen des Saumaife geplündert habe. Demnach war er doc, wenigfiens ein ges fhichter Eorfart 6. 290. Die Bemerkung, daß unter Friedrich Wilhelm kein. Profeffor einer Preußifchen Univerſitaͤt Erlaubniß erhielt, eine Stelle auswärts anzuneh⸗ men, als wenn allenfalls ein Paar recht große SGrenadisre flatt feiner gu haben Waren, hätte auch wieder Hr. Haubold gewiß niche in ein Lehrbuch der civiliſtiſchen Litterärgeichichte aufgenommen. $. 2d,. und 6.288, in Thomafius fehr gut geſchildert, und feine Ver⸗ dienfte um die Rechtswiſſenſchaft find fehr richtig beurtheilt. 6.296. Ludovici’d Schriften waren, nah Gundlings Behauptung, zu ihrer Zeit fo hochverehrt, daß man fie ſelbſt den Werten des Cujas vorjog. So eigenfinnig, fonderbar und undegreiflih ift oft das Schickſal der Schriftfteler; aber auch Ludovici beweif’t, daß das Gluͤck, wenn es nur eine Taprice für einen Schrififiellee hat, nie zu lange bey ihm verweilt. 6. 297. Heineccius iſt ohne Anftand derjenige Deutſche Juriſt, welcher im ganzen Anslande und in ganz Europa für den erſten und berühmteften gehalten wird, und Rec. glaubt auch, daß er diefen Muf verdiene, weil er Beinen andern weiß, der thn mit mehr Recht anfprechen könnte. Heineccius, der fih mit dem Leſen der beften juriftifchen Schriften genährt hatte, befonders mit. dem der Werke Des Tujas, vereinigte, in feinen gelehrten Merten, nicht nur

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die wichtigften Beobachtungen derfelben, fondern fügte auch meißens feine eigenen Betrachtungen bey, die immer inter effane find. Die neuern Franzoͤſiſchen Rechtsgelehrten ſelbſt fügen, daß, nach den Werken des Tujns, die des Heinec⸗ ins am nothwendigſten feyen; und fie bemerken, daß man jene niche fo fortlaufend lefen könne, wie diefe, weil Deis neccius darin alle Theile des Rechts auf die erſten Elemente mrüdführe, und deswegen, als ein wahrhaft claffifher Schrifts fieller, gelefen und ſtudirt werden muͤſſe. In einem neuern Sranzöfiihen Werke wird Heineccins auteur clair, inge- nieux, profond et distingu€ dans toute !’Europe genannt, qui livre a decouvert les secrets du droit romain, et re- ville 4 une etude six mois ce qu’on auroit cherche laborieuseinent pendant dix anndes. &ehr wahr iſt auch, wis Camus (Tom. I. p. 316) von ihm fagt: On pre- tend, qu’aujourdhui en Allemagne l'autorité d’Heineccius decroit un peu, parceque quelques jurisconsul- tes, qui sont venus apr&s lui, ont fait mieux, en profitant de ses recherches. Ein deutliher Beweis | feiner Klarheit und Vorzüge, liegt darin, daß Gibbon, bey

dem 44. Kapitel feiner Geſchichte, ihn zum Führer wählte, und durch ihn Beynahe allein in den Stand gefekt wurde, als Laye eine Abhandlung über das Römifche Recht zu fchreiben, die jedem Eiviliften Ehre machen wuͤrde. Dies if unftreitig das größte Lob, das man dem Heinecctus fagen kann. Sn. Maris wird noch immer über ihr gelefen, und fein fpäteres Eompendium irgend eines andern Deutihen Suriften hat und wird ihn ſobald verdrängen fünnen. $. 325. Noodt hatte die Originale der Roͤmiſchen Rechtswiſſenſchaft fleißig gelefen, fo wie die claſſiſchen Autoren des Alterthums, mit deren Hülfe er jene aufhellte. Diefes bemerkt man an feinem reinen Style, der aber , weil er zu gedrängt tft, für alle diejenigen fchwer in verfichen iſt, welche mit der Schreibart dee Tacitus und Plinius niht vertraut find. In feinem Bude: de jure summi imperii et lege regia, das auch Barbayrac ins Framzoͤſiſche Überfege hat, ſtellt er Grundſaͤtze eines aus; (hweifenden Republikaners auf, und man ftöße nicht felten auf Stellen, über deren Kuͤhnheit man eiſtaunt, und die des

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heftigften Jacobiners würdig wären. 6. 345. Fuͤr die Antiquitäten, welche befonders aud) den gelehrten Juriſten ins tereffiren,, tft bier vorzüglich zu bemerken Johann Arbuths. not, wegen feines claffiihen Buches: Tabulae antiquorum nummorum, mensurarum et ponderum pretiique rerum venalium, das Daniel König aus dem Engtifchen ins Rateinifche uͤberſetzt, und zu Utrecht im J. 1756 in 4. heraus gegeben hat. König hat aber getert, wenn er diefes Werk dem Carl Arbuthnot, dem Sohme des Johann, auf dem Titelblatte, zuſchrieb. Der Vater, Johann, war der wahre Verfaſſer, und überließ feinem Sohne, Carl, nur das Honorar des Buchhaͤndlers. Dffenherziger, als Arbuthnot, hat noch Fein Schriftfieller geftanden, Baß es ihm, bey der Herausgabe feines Buches, hauptſaͤchlich nur um das Honorar zu thun geweſen ſey. Das Werk erlebte zwey Auflagen in England. Zwiſchen der erſten und zweyten gab der gelehrte D. Georges Hooper, Biſchof zu Bath und Wells, Uns terfuchungen über die alten Maaße der Arhener, Römer und Süden in London 1723 in 8. heraus. Arbuthnot ſelbſt ertheilt diefem Buche, in der zweyten Auflage feines Werkes, die größten Lobſpruͤche; aber fein eigenes Buch ift doch das beffere und gefhägtere 6. 349. Das für - den Zueiften wichtige Werk des fcharfiinnigen und wißigen Abbate Gas gliani wären mohl feine „Brundfaße des Natur- und Völkerrehts, aus den Schriften dee Freundes des Mäcenas gezogen,“ wenn fie gedrudt wären, mas leider nicht der Fall if. Diefes Buch müßte um fo intereffan ter fenn, weil Niemand mehr, als Sagliani, den Horaz ſtudirt und durchdrungen hatte, den er auch ing Franzoͤſiſche übderfeßte, welche Weberfegung aber auch noch ungedruckt if. Unter fo vielen ernfihaften Werken, die er nach, und nad) her ausgab, fchrieb er auch im J. 1778 eine Oper: Il Socrate imaginaro, die von einem großen Tonfeger in Muſik gefeht wurde, und in der ganzen Welt befanne if. Diefe Oper war eine beißende Satyre auf einen damals noch lebenden und functionirenden Neapolitaniſchen Deinifter, der Himmel und Hölle gegen diefes Werk des Wißes und der Tonkunſt bewegte. Der eingebildete Sokrates durfte auch, auf koͤniglichen Befehl,

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eine Zeitlang nicht mehr gegeben werden ; allein das Publikum | und der König ſelbſt Hatten eine fo große Freude daran, daß dee Befehl bald wieder zuruͤckgenommen wurde, und nun mußte der koͤnigliche Minifter es fi) gefallen laffen, als eingebiks deter Sokrates, nolens volens die Bühne zum zweytenmale zu betreten, und fi von einem zahlreihen und muthwilligen Publikum nody mehr ausfpotten zu laſſen, als das erftemat. Gagliani flarb zu Neapel im J. 1787. Es wäre zu wüns fhen, daß fein Erbe, Here Azzaroti, feine vielen koſtbaren Manuſcripte, die Gagliani felbft, in einem Briefe, an Madame d' Epinay in Paris, vom 15. Dezember 1770 aus Neapel ſchrieb, aufzähle, und in deren Beſitze Herr Azza⸗ roti fih befindet, allgemein bekannt machte. $. 352. Den hier angeführten Italieniſchen Rechtsgelehrten der letzten Des riode ſollten auh Mazzei, Mangieri, Arcafio, Fea, gerrante, Pagano, und nocd, viele andere, bengegeben werden. Maz zei, geboren zu ‘Paola in Ealabrien im Jahre 1709, war berühmter Advokat in Rom, wo er 42 Jahre iebte, und 1788 farb. Er fchrieb drey geichäßte Schriften : ı) De matrimonio conscientiae, vulga nuncupato : acce- dit Diss. de matrimonio personarum diversae religionis. Romae 1771. &) De legitimo actionis spolii usu Com- mentarius. Romae 17735. 3) De aedilitiis actionibus lihri tres. Romae 1786. 4. Mangiert, Profeffor in Neapel, gab Elementa juris civilis, ‚Neapoli 1766, in swey. flarten Dctavbänden, und Praclectiones ad Pandectas. Neapoli ‚1767. 1780. 1781. et 1780. in fünf Bänden in 8. heraus. Bon Arcafio, Profefor in Turin, haben wir 8 Baͤnde Commentarii jur. civilis. Augustae Taurinorum 1780. et ında. 8. Bea ift durch feine Vindiciae et observationes juris. Romae ı782. 8, fo wie durch mehrere anttquarifche Schriften, Gerrante, ehemals Advokat, nunmehr Juſtiz⸗ minifter in Neapel, durch fein Buch: della Legge Remmia. Napoli 1780. 8, berühmt. Joſeph Anton Bruni, Pros feſſor in Turin, fchrieb einen flarfen und großen Quartband Dissertationes in jus eivile. Augustae Taurinorum 1759. und der Meapolitanifche Profeffor, Franz Saverio Bruno, ſechs ſtarke Detavbände Elementi del dritto civile, wovon,

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nad dem Tode des Verfaifers, eine neue Auflage im %. 1804 zu Neapel erihienen if. Einer der berähmteften Civiliſten der neuern Zeit, der als Schriftfiellee und Lehrer, ats feiner Theoretiker und gehdter Practiker gleich gefchätt war, und der wohl von allen Civiliften nicht nur von Stalten, fondern überhaupt von allen Ländern, in der neueften Zeit, das Meifte geſchrieben Hat, ift der Neapalitaniſche Profeſſor, Joſeph Pascale Eirtilo,:geboren 1709, T 1776. In den Jah⸗ ven 1797. 1798. 1740. und 1742. gab er einen weitläufigen Commentar in vier Bänden in 4. Über die Inſtitutionen hers aus, den im Jahre 1796 in zwey Octavbaͤnde zufammenzog, weiche er im J. 1785 von dem Abbate Gio. Selvaggi ins Italieniſche Überfegt wurden. Im J. 1745 ließ er einen Quartband Institutiones Canonicae, und zwey Jahre früher, im Sahre 2745 hatte er Betrachtungen über Muratori's Traktat: Dei diffetti della giurisprudenza romana druden laffen, die dem Marchefe Tanucsi dedicirt waren. Er fchrieb Commentare de conditionibus et demonstrationibus, de legatis et fideicommissis, de vulgari et pupillari substitu- tione, de jure adcrescendi, de pactis et transactronibus, de rescindenda venditione, de donationibus, de jure fisci, die aber erft nach feinen Tode von dem Profeffor des Trimis nalrechts, Don Michele Leggio im Jahr 1781 herausges geben wurden. Er gab einen Codex legum Neapolitanazum in zwey Quartbänden,, und der. Advofat Domenico Bras cale in Neapel gab nach) feinem Tode 1780 zwölf Auarts bände -Allegazioni di Giuseppe Pascale Cirillo . heraus. Anferdem ließ er vom J. 1750 1754 fünf Reden, im J. 1773 und 1774 zwey Leichenreden deuden. Er gab die Vin-

diciae secundum Cujacium adyersus Merillium des Dos .

menico Sentile, ‘mit einer gelehrten Vorrede, ſo wie das Werk des Girolamo Muzio Siuftonopolitano: Battaglie per la lingua Ikalianos, mit einer Vorrede umd vielen Anmerkungen heraus. Eirillo war auch Dichter. Er ſchrieb im J. 1798 La contesa delle Muse, Im J. 1740 das. Drama Le nozze di Ercole e di Ebe, Eine Menge anderer Poefleen von ihm find in andern Sammlungen zers fireut ; die einen ftarken Band geben würden. Im J. 1744

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belthuch der ciohl. Eiterärgefhichte v. Br. R. Huge. 153

gab er auch die Poefieen des Franz Lorezini, mit einer Vorrede und dem Leben diefes Dichters heraus. Er hinterließ ach viele juriftifche, antiquarifche, hiſtoriſche Abhandlungen und Comoͤdien, die noch ungedrudt find. Der Abbate Antonio Geno veſi, gleichfalls ein Neapolitauer, geboren im J. 1712, f 2769, ift al Theolog, kritiſcher und Morals phitofoph, als philoſophiſcher Juriſt und Staatsokonom glei) beruͤhmt. Durch ſeine Schriften und muͤndliche Lehren ward er der Vater der politiſchen Oekonomie in Italien. Franz Mario Pagand, gleichfalls ein Meapolitaner, geboren in der Mitte des 18. Jahrhunderts, war der würdigte Schäfer des Genoveſi, Freund und Vertrauter von Grimaldi ud Filangieri, und einer der vorzäglichfien Köpfe des neueſten Italiens und der neueften Zeit. Nachdem er im 25. Jahre Advokat in Neapel geworden mar, murde er.einige Jahre ſpaͤter Profeſſor des Criminalrechts daſelbſt. Hier zeichnete er ſich ſogleich vor allen ſeinen uͤbrigen Collegen aus. Sein Hoͤrſaal war der beſuchteſte von allen, weil von ſeinem Catheder lichtvolle Grundſaͤtze, erhabene und glaͤnzende Ge⸗ danken, neue und reiche Auſichten und weitgreifende Lehren floſſen. Seine vielen Schuͤler trugen dieſe einleuchtenden und wohlthaͤtigen Grundſaͤtze in die Saͤle der Richter, und bald wurde, in allen Tribunalen, Pagauo's Name eine ehr⸗ wuͤrdige Authoritaͤt. Die erſte Frucht ſeiner philoſophiſchen Betrachtungen war fein Criminal⸗Proceß, ein merk⸗ wuͤrdiges Buch, worin er die Reform eines‘ Syſtems, voll der haͤßlichſten Mißbraͤuche, ausdachte, und Mittel: an Die Hand gab, rwie «8 einzurichten wäre, daß nicht die fehlerhafte Einrichtung der Gerichte mit: der Beſtrafung der Schuldigen au) den Linfchuldigen aufopfere. Diefes Merk ift ein wuͤrdi⸗ ger Dendant zu Beccaria’s berühmten Buche, md es ers hielt nicht nur die Lobſpruͤche der größten Gelehrten von Europa , fondern auch von der Franzoͤſiſchen Nationalverfamms lung eine fehr ehrenvolle Erwaͤhnung. Die polttisghen Verſuche, die auf diefes erſte Werk folgten, muͤſſen jedem unbefongenen. Lefer eine hohe Idee von dem fchäpferifchen Seifte des Werfaffers geben. Wan muß darin den erhabenen Denker, den in der alten und neuen Litteratur vollendeten

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Gelehrten, und den großen Polititer bewundern, der würdig it, neben Mackhtavelli zu fiehen. Diefes Werk liefert ein Gemählde des Urſprungs, Fortgange und Verfalls der menfchlihen Gefellfhaften. Es tft eine einfache Gefchichte, aber nach einer ganz neuen. Zeichnung; es ift nit die Ges ſchichte des Volles von Athen, oder von Lacedämon, oder von Rom oder Carthago; es ift die Gefchichte des menfchlichen Geſchlechts. Diefes Werk iſt zugleih in einem männlichen und fraftvollen Style gefchrieben; es zeichnet fih nicht durch eine blumenreihe, fondern gründliche Beredſamkeit aus, die

nicht in Worten, fondern in Sachen befleht; und die Blumen

der Pitteratur find nicht blindlings und unordentlih, fondern mit Kunf und Vorſicht ausgeftteut. Diefer große Mann, ‚igleich einer der edelften Menſchen, ftarb eitten unwuͤrdigen und gräßlichen Tod. Sn jener nicht fehr weit von uns ents fernten: Zeit, wo über Neapel ein Trauerflor gezogen war, wo Tod und Schrecken diefes fchöne Land verheerten, und wo fo viele beredte Zungen unter des Henkers Händen vers flummten, wurde auh Pagano, unſchuldig von einem Nies derteächtigen angegeben, in einen Kerker gefchleppt, wo er drepgehen Monate fchmadhtete, und feine Abhandlung über das ‚Schöne ſchrieb, wieder befreht, flähtig nah Nom und Mais Iand, ‚von dem Franzöfifchen General, der Neapel eroberte, wieder zurückberufen, zum Mitgliede des proviforifhen Re⸗ gierungsausfchuffes ernanne, Verfaſſer der. Conftitution der neuen Republik Meapel, abermals eingekerkert, zum Gafgen verurtheikt, und den 6. Dctober 1800 hingerichtet. $. 354. Voltaire gab fih alle Mühe, des Präfidenten Henault's Wert (Abrôgé chronologique de l'histoire de France) vortrefflich zu finden; aber d'Alembert fand es nur nuͤtzlich und bequem. Die berühmte Madame du Deffand ver langte von d'Alembert, daß er, in dem Discous prelimi- naire gu feiner Encnclopädie, diefes Buches des Präfidenten Henault erwähnen möcht. Aber d'Alembert bemerkte ihr, daß ihm diefes unmöglich fey, parceque dans un ou- vrage destine à celebrer les grands genies de la nation, et les ouvrages, qui ont veritablement contribue au pro- grös des lettres et des sciences, je ne dois pas parler de

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Lehrtuch der civiliſt. Litteraͤrgeſchichte v. Br. R. Hugo. 155

TAbrégéẽ chronologique. C'est‘ un onvrage utile@g jen conviens, et assez commode, mais voilä tout en verite: cest A ce que les gens de lettres en pensent; c'est 1A ce que !’on en dira, quand le president ne sera plus (Oeuvres de d’Alembert Tome ı4. p. 321). And von dem Baron von Grimm wird der Advokat Job. Nic. Moreau, wegen feiner Bibliotheque de Madame la Dau- pbine, hart mitgenommen, in der ganz neu berausgefommes nen Correspondance litteraire, philosophique et critique, adressdee a un souverain d’Allemagne depuis 1770 jusqu’en 1782 par le Baron de Grimm et par Diderot. Paris ıdıa. (Tome I. p. 405 405). Dem Biographen ber beyden Pit hou, dem Advokaten Grosley, geht es darin gleichfalls jnicht beſſe. Grimm ſagt von Grosley's Reiſebeſchreibungen von England und Italien, daß ſie enthal⸗ ten ohservations triviales et bourgeoises, de froides et mauvaises plaisanteries, und noch weiter bemerkt er: L'ignorance a ses gradations, comme la science. Il y a des ignorances d’honnetes gens et des ‚ignorances de la- ‘quais. Celles de Mr. Grosley sont de la même esp£ce.“ 6.357. Auch über die oͤconomiſtiſchen Philoſophen macht fh Sreim m in feiner Eorrefpondenz fehr oft luſtig. - Im 6. 365. verdienen auh Dlivier und Paftorer eine rühms lihe Erwähnung. Sean Dlivier tk duch feine Analysis philosophica civilis doctrinae. Romae 1777. 4. durd) feine Principes du droit civil romain. Paris '1786. 2. Tomes. 8. fo wie Durch fein Buch: Sur la reforme des loix civiles, ‘Paris 1786. 4. Tomes. 8. und Paftoret dur feine, von der Academie des inscriptions et belles-lettres im Jahr 1784 gekrönte Preisichrift über die Frage: Quelle a ere linfluence des lois maritimes des Bhodiens sur la marine des Grecs et des Romains, et de l’influence de la. marine sur Ja puissance de ces deux peuples. Paris 1784. durch feinen: Moise considere comme legislateur et moraliste, Paris 1788. und durch feine, von der Franzöfifchen Academie den 25. Auguft 1790 gefränte Preisichrift: des lois penales. Paris 1790. & Vol. 8. frähmlich befannt. 380. Bon Selch ow erhielt fhon im Jahr 1764 von dem Staltener

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Migliorotto Macciont ein großes Lob; er nannte ihn: „il dottissimo signor Cristiano de Selchow, celebre pro- fessore di Gettinga, & cui molto devono gli studiosi della giurisprudenza, della quale particolafe ormamen- 20.” Im $. 318. Mote 1. gibt der Verf. eine intereffante und nod wenig befannte Nachricht von dem berühmten Dir niſchen Etatsrathe Johann Jacob Mofer, aus den Pas pieren des Kanzlers Juftus Henning Böhmer in Halle, die recht auffallend beweist, wie viele Widerwärtigkeiten . und Kraͤnkungen die größten und von der Nachwelt verehrteften Gelehrten in ihrem Leben erfahren, wie unruͤhmlich und uns ſcheinbar ſie oft ihre gelehrte Laufbahn eröffnen, wis gerade ide anfängliches Mißgeſchick, indem es ihren Ehrgeiz und Eifer reizt, ihr größtee Gluͤck wird, wie fie, mit einem felten Willen und großer Kraft ihe Ziel verfolgen, allmählig alle ihre Zeitgenofien Äderflügein, und non der allein unpartheyifchen Nachwelt allein mit Ehrfurcht genannt werden, während die Namen aller derer laͤngſt der Vergeſſenheit übergeben find, die bey ihren Lebzeiten .vühmlicher begonnen , aber unruͤhmlich geendet, und vielleiht den Mann der Nachwelt, in ihrem thoͤrichten Eigenduͤnkel, tief unter fi geſetzt und veradıtet Baden. $. 418. Bon dem großen Nußen der fpftematifchen Borträge im reinen Nömifhen Rechte konnte fih Rec. wie überzeugen ; und wenn er, mit Webergehung mehrerer wichtiger Gründe, die er anführen koͤnnte, nur von der ge genwärtigen Zeit, wo die fnflematifchen Vortraͤge an ber Zagesordnung find, in die Zeiten zuruͤckblickt, wo secundum ordinem institutionum, Pandectarum et Codicis gelejen wurde, fo findet er nicht, daß jet gründlichere Juriſten, als ehemals, gebildet werden. Die großen Civiliſten der verfloffenen drey Jahrhunderte wurden nicht nach fuftematifchen Vortraͤgen gebildet, und welche Rechtsgelehrte der neuern Zeiten, die darnach gebildet wurden, können wir ihnen an die Geite ftelen ? Rec. will damit ducchaus die fpftematifchen Vorträge nicht verwerfen; er fchägt fie vielmehr, wenn fie gut ausge: dacht find, fehr Hoch, und glaubt, daß fie dem Verſtande des Verfaſſers immer geoße Ehre machen; aber er glaubt, daß man ihren Nutzen gewöhnlich zu hoch taxire, und daf fie,

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Schuch der. cipiliſt. Litterärgefchichte v. Pr. R. Hugo. 457

nd einer Erfahrung, die wenigftens fchon fo alt iſt, daß man fihh ein Urtheil erlauben darf, niche fähig feyen, grund⸗ lichre und beruͤhmtere Juriſten hervorzubringen, als die niche ſyſtematiſchen, Die, uns die größten Civiliſten geliefert haben, die nah immer unerreicht geblieben find. Ueberhaupt glaube Ru, daB die Heutige Civilrechtsgelehrſamkeit im Gangen tief mie der ehemaligen Franzoͤſiſchen, in ihren fchänften Periobe, fiehe, und er iſt, aus zwey Hauptgruͤnden, volllommen übers zeugt, daß jene glänzende Periode nie wieder zuruͤcktehren werde. Einmal iſt in diefer das Wichtigſte fchon entdeckt worden, und weil die wichtigen Wahrheiten nicht in das Uns endlihe gehen, fo mällen die Nachkommenden Hinter den Borhergehenden nothwendig weit zuruͤckbleiben. Gobdann muß gerade die Leichtigkeit der Erſtern, fih der Entdeckungen der Letztern zu bedienen, fie nachzuahmen, und von ihnen zu ents lehnen, ein Hauptgrund feyn, warum bie Spätern, in ihren Berten, unter den Zrühern bleiben. . Diefe Bemerkung iſt von großer Wichtigkeit, um von dem Vorzuge Rechenfchafe zu geben, den wir fo.oft dem einen vor dem andern Schrift ſteller beyzulegen ſchuldig find, und die überdies noch die aufe fallende Erſcheinung erklärt, warum gerade Diejenigen, welche mehrere und größere Vortheile, etwas zu lernen und ſich auss zuzeichnen, zu befigen fcheinen, und auch in der That befißen, gewöhnlich mit weniger Nutzen lernen, und bey weitem nicht 10 berühmt werden. Denn der glüdliche Erfolg iſt immer der Sröße der uͤberwundenen Schwierigkeiten angemeffen.

Reck. bricht Hier den Faden diefer vielleicht zu lang auss gefponnenen Critik mit Gewalt ab. Hochachtung für die. Talente und Kenntniffe des Verf., die er mit tief empfundener Wahrheit, und mit guter und großer Ueberzeugung, weit über feine eigenen, viel geringeren, ſetzt, Liebe für die Willens ſchaft felbft, und, um ganz offendergig zu. fepn, auch ein wenig eigenes JIntereſſe fonnten ihn allein zu einem fo weits läufigen Discurfe verleiten. Einem Schriftfteller, für deſſen Verdienfte er weniger Hochachtung hätte,, würde er nie fo viele Seiten gewidmet haben. Die Liebe für die Wiſſenſchaft beſtimmte ihn, Maͤngel und Gebrechen zu ruͤgen, wodurch dieſe ſelbſt, wenigſtens nach ſeinem Glauben, verunſtaltet

458 Lehrbuch der civiliſt. Litterärgefchichte v. Br. R. Huge.

wird ; und fein eigenes Intereſſe befteht darin, weil er nichts fo ſehr wuͤnſcht, iald die den Sachen nad hoͤchſt fhäßbaren Schriften des Verf. frey von jenen Mängeln leſen zu können. Diefe Mängel betreffen den Vortrag, die Gchreibart , die Form , den Ton und die Manier, Dinge, die der Verf. aͤn⸗ bern kann, fobald er nur will, und wobey nicht Rec. allein, fondern alle Derehrer der gelehrten Eigenfchaften des Verf. eine größere Regelmaͤßigkeit ſehnlich wuͤnſchen. ec. tritt alfo, dur Ruͤgung diefer Mängel, nicht einmal den wahren Ders Dienften des Verf. zu nahe, weil jene nur auf die Form und nicht auf die Sache fih beziehen, und weil es nur von dem Willen des Verf. abhängt, jene nach Belichen abguändern. Thut er diefes nicht, fo ift Rec. lebhaft uͤberzeugt, daß er für den größten Theil feiner Lefer unverftändlih bleiben, daß er fie ohne Noth um viele Zeit bringen, daß er fie mißmuthig und verdrießlih machen, und. für feinen eigenen Ruhm bey der unparthenifchen Nachwelt am wenigften forgen wird. Er fchließe mit folgender vortrefflihen Stelle des eben fo vortrefßs dD’Alembert: „L’obscurit@ est le plus grand vice de J’elocution, soit qu’elle vienne du mauvais arrangement des mots, soit quelle vienne d’une trop grande brievete. Comme on n’eerit que pour se faire entendre, la pre- mière chose, & la quelle on doit songer, c’est d’etre clair. Il faut, dit Quintilien, non seulement qu'on puisse nous entendre, mais encore qu’on ne puisse pas ne pas nous entendre. La lumitre dans un écrit doit &tre comme celle du soleil dans Junivers, laquelle ne demande point d’attention pour &tre vue.“

Lehrbuch -der gerichtlichen Medicin. Zum Behuf academi- scher Vorlesungen und zum Gebrauch für gerichtl. Aerzte und Rechtsgelehrte entworfen von Adolph Henke, der Arzneikunde und Wundarzneikunst Doctor , Professor der Medicin an der königl. bairıschen Universität zu Erlangen, der physikalisch ınedicinischen Societät daselbst zeitigen Secretair, und einiger gelehrten Gesellschaften in Teutsch- land, Rufsland und der Schweiz Mitgliede. Berlin 1912, Bei Julius Eduard Hitzig. X und 358 S. in &. -

Lehrb. d. gerichtl. Arzneywiſſenſch. v Henfe n. Widberg. 159

Handbuch der gerichtlichen Arzneiwissenschaft zur Grundlage bei academischen Vorlesungen und zum Gebrauche für ausübende gerichtliche Aerzte von Dr. C. F. L. Wild- berg, herzogl. mecklenb. strel. Hofrathe, Stadt - und Districtsphysicus und practischem Arzte zu Neu-Strelitz, und mehrerer gelehrten Gesellschaften Mitgliede, Berlin bei W. Dieterici 1812. VII und 429 $. in 8.

Die gerichtliche Arzneywiſſenſchaft tehre uns, wie wir die ans Beobachtung und Erfahrung hergeleiteten Grundfäge der Naturwiffenfchaft und der Heikunde zur Aufhellung und Ents fheidung zweifelhafter Rechtsfragen anwenden follen, und iſt in diefee Hinſicht keine in ſich ſelbſt gefchloffene Wiſſenſchaft, fondern ihre Beichaffenheit hängt von dem jedesmaligen Zus ftande der ihr zum runde liegenden Wifenfchaften ab, und fie wird daher in eben dem Grade vollfommener, als jene beyden Wiſſenſchaften ſelbſt an Vollkommenheit gewinnen. Diefe beyderley Wiſſenſchaften aber gründen fi bloß auf Er⸗ fahrung Jund Beobachtung, und gewinnen von dieſer Seite ihre fchäßbarften Bereicherungen, welche die fogenannten Ber reicherungen, Vermehrungen und Vollendungen derfelben auf dem Wege der Speculation weit Hinter fi zuruͤcklaſſen; und in diefer Hinſicht iſt es namentlich für gerichtliche Arzney⸗ wifienfchaft, weiche dem Leine fpecmlative Wagefäße und Phra⸗ fen, fondern lauter pofltive Srundfäge fuchenden Richter bey Entſcheidung gewiſſer Nechtsfälle an die Hand gehen foll, ein ſehr erwünfchter Vortheil, wenn Naturwiſſenſchaft und KHeils kunde auf dem Wege der Empirie an Vollkommenheit gewins nen. Diefes gilt aber namentlid) von unfrem Zeitalter, wo, abgefehen von den mancherley ephemeren Syſtemen und for genannten Philofophieen, die wie ein berrfchender Genius epidemicus auf die wifjenfhaftlichen Arbeiten mander Naturs forfchee und Aerzte einen unverfennbaren Einfluß aͤußern, demungeachtet der Männer nicht wenige find, die, dem Eins fluffe jenes Genius epidemicus durch die Feſtigkeit ihres Charakters widerſtehend, auf dem zwar. fhweren, aber fegens vollen Wege der Erfahrung und Beobachtung der Summe unferer Kenntniſſe im Face der Naturwiffenichaft und Heilkunde täglich nene Wahrheiten hinzufügen. Durch die wohlthaͤtigen Bemühungen diefer verdienftvollen Männer gewann jeit einem

5

160 Lehrb. d. gerichtl. Arzneywiſſenſch. v. Denke u. Wildberg-

—— ſowohl Naturkunde, als auch Medicin fo manche ereicherung ihrer Wahrheiten, und eine reichhaltige Quelle von Bereicherungen und Berichtigungen aͤlterer Grundſaͤtze oͤffnete ſich hierdurch auch fuͤr die gerichtliche Arzneywiſſenſchaft; manche ihrer Lehrſaͤtze erhielten hierdurch eine neue Berichts gung, manche eine größere Feftigkeit, manche, nunmehr als trrige erfannt, wurden mit beſſern richtigern vertauſcht. | Diefe Berticherung, Berichtigung und Verbeſſerung unfer rer gerichtlichen Argneywiffenichaft brachte nun auch das Beduͤrf⸗ niß neuer Lehrbücher hervor, nachdem die feirher gebräuchlichen Lehrbücher derfelben der fih immer mehr ausbildenden Wiſſen⸗ fhaft nicht mehr gang anpaffend waren, und Deferent freut fih in dieſer Hinſicht Hier zwey neue Lehrbücher der gerichtlis hen Arzuenwilfenfhaft nennen zu dürfen, melde, von deR ‚Händen. zweyer fehr verdienftvollen Deutihen Aerzte uns ge ſchenkt, in der Litteratur der in Deutſchland gedornen hund ausgebildeten Wiffenfchaft einen ehrenvollen Plaß einnehmen. ende Werke find als vollftändige Lehrbücher der gericht lichen Arzueywiſſenſchaft wegen’ der Ausführlichkeie ‚und Reichs haltigkeit, womit die darin vorfommenden Gegenftände abge Handelt find, keines kurzen Auszugs fähig, weswegen Neferent ſich genoͤthigt fieht, nur einige allgemeine Bemerkungen über dieselben bier mitzutheilen. In beyden Werfen. find die neneflen Entdedungen und Erfahrungen im Face der Naturmiffenfhaft und Heilkunde mit großem Fleiße benutzt, die eingelnen Gegenſtaͤnde der gerichtlichen Arzneywiſſenſchaft gehörig deutlich und zweckmäßig von einander unterfchieden, die mancherley Wege zur Entfcheis dung und Aufhellung dee dem gerichtlichen Arzte vortommenden Fragen genau und fehrreih angegeben, die einzelnen Fälle, deren Erdrterung Segenftand der gerichtlihen Arzneywiſſen⸗ (Haft ik und werden kann, ausfuͤhrlich auseinandergefeßt, und die Behandlung derſelben ift mit hinreichender Deutlich Leit angezeigt und mit der reichhaltigften Litteratur belegt. Veberdies findet auch der Anfänger in beyden Merken nidt nur eine zwar kurze, doch Iehrreiche Darftellung der gefchichts fihen Momente diefer Wiffenfchaft, fondern zugleich eine hoͤchſt faßliche Einleitung, und man möchte fagen Einführung in dies ſelbe als einen Theil der gefammten Staatsarzneywiſſenſchaft. Heferent glaube in diefen kurgen Bemerkungen die Ders dienfte zweyer Werke hinreichend ausgefprochen zu haben, deren erfterem überdies noch eine gewiſſe Eleganz des Vortrags, Ich terem ein ausführliches Sachregifter eigen if.

B;

No. 11. Heidelbersifäde 4843. Jahr buͤcher der Litteratur.

N ke # Y

Nidiniide Heid enlisder, Balladen und Märdpen äberfegt von Wil⸗

beim Carl &rimm. Heidelberg, -bey Mohr und Binimer, u. XL u. 545 © m8 (5 fi.)

W. dem Entdecker einer wuͤſten Inſel, der durch einen Sciffbruch auf fie verfhlagen, viele Jahre auf ihr allein zu leben ſich gendthige ſieht, und nachdem er durch Schickſal oder Zufall sinige Zeit von ihr entfernt, . neugierig endlich mieder in die liebgewonanene Heimath zuruͤckkehrt, und jetzt ploͤtzlich hier eine Hütte, oder ein Haus, dort einen ſchimmernden Palaſt aufgeführt fieht, freudig erflaunt, dies kleine, fo lange Bde gebliebene Land fo ſchnell bevoͤlkert, und auch von andern geihägt und angebaut zu fehn, fo angenehm. und froh war die Werwunderung des Rec., als er durch vorliegendes Werk und die mannigfaltigen neueſten Notizen, welche dafielbe enthält kehrt wurde, wie das Fach der Nordiſchen Litteratur von mehreren, befonders von dem Berf. des gegenwärtigen Werks, mit einen fo ſchoͤnen Enthufasmus ergriffen, und miggeinem, mach der Kürge der Zeit berechnet, kaum glaubliche leiße angebaut werde. Wie die Nachſchrift beurfundet, fo find wir gu der zuverſichtlichſten Hoffnung berechtigt, in: Kurzem. fogar die Hauptwerke diefer Litteratur, namentlich die Edda und ſaͤmmt⸗ lie Sagen nebft allen darin enthaltenen Liedern der Vor⸗ zeit ( Werke, woran -fo. manche tiefgelehrte Kenner des Nor⸗ dens manches Jahrzehend gearbeitet, und erſt einen Bleinen Theil trotz koſtſpieliger Aufopferungen und Ermunterungen verfiorbener und lebender Maͤcens, eines A. Magnäus und Suhm, zu Tage-gefdrdert haben) halbjährig paar und paar⸗ weife (wie fonder Mühe und Koften) vorgeführt zu fehn. _ Auch muß Rec. aufrichtig bekennen, daß die Freude, einen

| Wunſch, das alte Kiempe⸗-Viſebog hier nicht nur vollſtaͤndig

| ondern fogar mit philofogifher Kritik behandelt, } Werſetzt, ſ

162, - Midänifehe Heidenlleder von W. C. Grimm.

mit eher Einfeitungen und Erklärungen verfehen, und bald. zu. der Einen Sage den Schluͤſſel, bald den Widerſpruch einer andetn: geheben; bald Dunkelheiten der Geſchichte durch die Sage entraͤthſelt, und im Ganzen einen ſo reichen Zuwachs don poetiſchem Stoffe uns angeeignet zu ſehen, in dem er— fien Augenblick die Pflihe der Eritifhen Prüfung unterdrückte, fa wie ſie auch ſchon dur) die a des ganzen Buches einigermaßen erſchwert war.

Indeſſen hat bey fälterer Anfi cht dieſer Bearbeitung und bey

fluͤchtiger Vergleichung der Originale ſich bald gezeigt, daß der Kritik gleihwohl noch mandes, und zum Theil fehr ernftliches a“ erinnern übrig bleibt. - Wir haben daher die Anordnung und ueberſetung der | Kfempevtiſer ſelbſt, die Anſicht des Verf. in ſeiner Vorrede, und den Werth: feines Commentars ‘Aber einzelne Stuͤcke am Schluſſe des: Werkes einer AmfELNDNMJEN Pruͤfung unterworfen, KHefultat folgendes iſt.

Da ein Myerup, der fih Thon vor 27 Sjahren in feir nen Folfehange, die als zweytes Heft der Levninger af Middel s Alderens Digtelunft zu Kopenhagen. (1784. 8:) herauskamen, , als kritifch s Titterarifhen Kenner der Daniſchen Volkslieder beurkundet har, in Verbindung mie einem Abrahamfon, dem Veteran der Dänifchen Aeſthetiker, Sprachkenner ung Alterthumsfreunde, deffen erfteren trefftiche Anficht feiner varerländifchen Volkslieder längft aus feinen äffherifch s Pritifchen Bemerkungen über das Lied vom ſchö⸗ nen Midel in Öräters Bragur, 5. Band (Leipzig. bey Gräff, 1794.), ©. 2ga u. f w. uns Deutfchen befanne geworden iſt, und einem Rahbek, der in feinen früheren Jahren Bereits unter den Dichtern des Naterlands genannt wurde, und durch feine Poetiſte Forfog ( Kiöbenhavn, 1794. 8.) fih als Iyrifchen, und vorzüglich als Liederdichter ausges Iprochen, und fowohl in feinen Danſke Tilhkuer, ats in dem gemeinihaftlih mit Nryerup herausgegebenen Bidrag til den Danfte Digtekunfts Hiſtorie, udedragne af Foreläsninger , hoidne over dette Aomne, i Vintren 1798 ıBoo. ved Pros feſſorerne Nyerup og Rahbek, (Beytrag zur Geſchichte Der

Daniſchen Dichttunſt, als aus den, Über dieſen Gegen⸗

Abänifche Heldenlicher von W. C. Grinm. 163

Rand in den Wintern 1798. bis 1800. ‚von den Profefforen Nyerup und Rahbek ‚gehaltenen Vorleſungen) Kisbenhavn (Copenhagen ) 1800. u. f, ſich als einen für alle Zweige der frühen und ſpaͤtern Dichtkunſt mit hohem Eifer hingegebenen Litterator ausgewiejen hat eine kritiſche Ausanbe dieſer Kiempe Bifen oder vielmehr Dante Vifer der gelehrten Welt verſprechen; fo ift es kaum begreiflich, mie Hr. Sr. eine folche liete⸗ täriich. und aͤſthetiſch-Ekritiſche Ausgabe der alten Daͤniſchen Volkes lieder nicht lieber abwarten wollte (zumal da das Nonum prema- tu m annum wohl bey feiner poetifchen Arbeit nöthiger fheint, als bey einer folden), und uns feine teberfegung aus einer fo unkritiſchen, wie diefe unftreitig iſt, zu geben vorzog. Wir wennen hier Hrn. Nyerup zuerſt, welcher niche vießeicht Cwie in dieſen Jahrbuͤchern, 4. Jahrgang 4. Heft. April, S. 369 gejagt ift), fondern gang gewiß und ſchon feit langer Zeit zu einer Ausgabe fi vorbereitet, indem aus Sräters Bragur 5. Band ©. 311 durch Herrn Peofeffor Rahbeks Nachricht ſolches bereits ſeit 17 Jahren außer Zweis fel iſt; außerdem hat Here Prof, Nyernp, VDibliothekar der koͤniglichen, und früher der Suhmiſchen Bibliothek, dem daher. ein Reichthum von Materialien feit vielen Jahren zu Gebote

; fland, die Wahrheit diefes Verſorechens bereits duch eine merkwürdige Probe (ſ. unfere Jahrb. 1811. Mr..24.) bes . | gründe So willig wir aud) zugeftehen, was Kerr Srimm ©. 42.9— 451 behauptet, daß der Etatsrath Sram in einem

| autographum der fönigl. Bibliothek, welches Hr. Nyerup ‚t ſchon in feiner Vorrede zu den obgedachten Levninger anges si führe, und nur Kr. Grimm vollftändig mitgetheilt hatte, zu | hart urtheilt, wenn er die Kiempe Viſer unter dem Titel: #| „diefer ganze Kram von Altenweiberzeng * abfertigt, und +) Thomas Bartholin fie ‚geradezu „putidissimas et triviales Mr cantilenas nennt, omni prorsus Juce indignas, cum ne in- ] star quidem antiquitatis prae se ferant, ad colos (duch einen Druchfehter fteht bey Hrn. Grimm color) aniles heri

" aut nudius teztius infelici vera compositae; ſo hat doch, was den Prisiichen Werth diefer Syv. Wedelſchen Ausgabe der Kiempe Viſer betrifft, feldft ein Nyerup, den Hr. Grimm

| | | | |

164 nadannche Heldenlieder von W. C. Srimm.

gewiß nice den Ken. Gram nnd Bartholin gleich ſtellt, im ſeiner Vorrede zu den Lerninger udgivet af det Kongelige Biblisyhett Haandſtriſter, Andet Hefte, (S. 8 von Anfang der Vorrede an gezaͤhtt) folgendermaßen geurrheilt: „Nimmt dan PDusiiiaem. dieſe beyden Heinen Proben mit Beyfall auf, fo wird:fich. vielleicht ein Sandwig oder Wandal dadurch zu. einer. neuen vermehrten kritiſchen Ausgabe des ganzen Kämpfers liederbuchs bewsgen laflen, da es nicht gerade unferer Litteratur zu befondesen Eheo gereicht, daß diefe Monumente des Mittels atters bloß im. diefer erbärmlichen,, unanfehnlichen, von Druck fehlen angefällten, und ohne wahre Kritik veranftalteten Ancgaben, mie diejenigen find, Die wir haben, zu lefin find, von Anders Sorenſen Wedels Ausgabe an, bis zu der neues ſten, van Nicolaus Ehriftian Hopffnern 1764. gedruckten * Auch Sum urtheilt nicht glimpflicher Aber dieſe zuſammen— geraffte Sammlung Daniſcher Volklieder (ſ. deffen gefammelte Schein, O. 76, wo er fagt: „nah dem Inhalt der Niſtunga Gaga find unſre meiften Kjempeviſer gefchmieder, doch mit dem Unterſchied, daß Sstalienifche und Deutſche Bes gebenheiten darin fo vorgeſtellt werden, als ob fie in unferm Morden geſchehen wären. Jeder verfländige Lefer kann daraus ride abmorfen, wie wenig diefe Kiempevifer in unfrer Ges fchichte Huͤlſe leifen, und wie fchlimm es ift, daß fo brave Muͤnner, wie Wedel und Syo. ‚fo viele Zeit und Mahe auf fie verwondet haben.“

Eben fo ſchlimm, wenn nad ein Paar Jahren eine kri⸗ tiſche Ausgabe der Kjempeviiſer wird erſchienen ſeyn *), fagt man vielleicht, war es, daß Kr. Grimm auf die alte unkriti⸗ fire fo viele Zeit und Mühe verwendet hat.

Unftreitig aber verdient eine ſolche Uebertragung auch fe den Dank des Deutfihen Publitums, und wir find keineswegs. gefonnen, Hrn. Grimm deswegen zu nahe zu treien.

Es fragt ſich jetzt nur, wie Br. Grimm diefes Unterneh⸗ men ausgeführt hat. Unſers CErachtens gibt es FEN

*) So eben leſen wir in Idunna und Hermode, daß dies bereits geſchehen ift.

Altdaͤniſche Heldenlieder von W. C. Brimm. 165

drpeien Arsen U eberſetzungen, Eine, die bloß das Wort wieder gibt, damit, wenn fie zur Seite flieht, man recht genau mer⸗ fen kann, cujus generis, numeri, casus u. fi w. ddEr cujus modi, temporis, personae es im Driginal ift, kurz, mad Art der Schhier s Erercitien in der fireugen Syntaxi conve- nientiae. Eine andere, die fich micht fowohl nach diefer gram⸗ matiſchen Driginalität, ale nah dem Sinne richtet, umd eine dritte, der es bloß um den Geift zu thun ifl. Die zweyte nämlih will uns nicht in den einzelnen Worten der Sprache mterrichten , fondern in-den Gedanken, und die deitte nicht in der Form fedes einzelnen Gedanken, fondern in der its kung des Ganzen, die fie anf gleiche oder doch auf aͤhnliche Weiſe hervorzubringen firebt.

Hrn. Grimms Ueberſetzungen gehören weder in bie erſte, noch in die dritte Claſſe, fondern in die zweyte, doch fireifen le nicht felten an der erftern, nie aber an der dritten.

Tadeln if keine Kunft, wendet jeder Schriftfteller, jeder Känftler ein, mad) du's beſſer. Diefe Einmendung gilt von jedem erften Verſuche, und wir flreiten daher mit keiner diefer Arten, wir nedmen fie vielmehr alle, «Ben als seite Vers. fahe und Vorarbeiten mit gebährendem Danke am Allein 8 gibt unter der Anzahl diefer von Hrn. Grium aͤberſetzten Lieder doch einige, die fhon von Deutſchen Schrifteſtellern Abertragen waren, und eine Vergleichung mit Ddiefeg feinen NWorarbeiten muß den Ausſchlag geben, ob fih Hr. Grimm beſtrebt hat, und ob es ihm gegluͤckt ift, es beffer zu machen oder nicht. wer

Ein berühmteres Lied unter diefen Daͤniſchen Volksgeſaͤn⸗ gen gibt es unter uns nicht, als die Jungfraun auf Elvershoh. Eeſt Hat ung Serfienderg, dann Herder, dann Haug bamit Befannt gemacht.

Dan höre alſo:

Gerſtenberg. | S. Briefe über die Merfwlirdigkeiten der Kitteratur 1. Sammlung, ©. 110)

Ha legte mein Haupt auf Elvers Höhe ; meine Augenlieder fanten: Da famen zwo Jungfern, ſich mit mir zu unterreden.

166 Altdaͤniſche Heldenlicder von W. C. Grimm.

Die Eine fireichelte meine weißen Baden, die Andere lifpelte mir ins Ohr: Steh’ auf, munterer Jüngling, und erbebe den Tanz!

Steh’ auf, muntrer Yüngling, uud erbede den Zanz: Meine Zungfrauen ſollen die ſchönſten Kieder dir fingen.

Die eine, fo reizend über alle ihres Geſchlechts, hub ein Lied an, der braufende Strom hielt inne, und floß nicht mehr, die kleinen Fiſchchen, die in der Fluth ſchwammen, ſpielten mit ihren Verfol⸗

ern. * Alle kleine Fiſchchen der Fluth ſpielten und hüpften; alle kleine Vögel des Waldes zwitſcherten durch die Thäler.

Höre, du munterer Süngling, will du bey ung verweilen, fe wollen wir dich die Runen und Charakteren lehren.

Ich will dich den Wären binden Ichren, und der Drache der ſich auf Golde lagert, ſoll vor dir weichen.

Ste tanzten bin, fie tanzten her auf der Höhe: aber ber FJüng⸗ ling ſaß, und fügte ich auf feinem Schwerte.

Höre, munterer Süngling, wenn du uns nicht antworte, fo ze wir die mit Schwert und Meſſer das Herz aus dem Leibe reißen.

Da krähte der Hahn! zu meinem Glücke! Ich wäre ſan nie von Elvers⸗Höhe gekommen.

Jedem iungen Dänen, ber nach Hofe zieht, will ich au niemals auf Elvers Höhe zu fchlummern.

So überfegte Gerſtenberg fchon 1766, mithin vor 49 Jahren, und man muß geftehen, unerachtet die Ueberſetzung in Profa abgefaßt ift, und dem Ohre durch feine profodifche Kunſt fchmeichelt, daß der Iprifhe Schwung, der im Originale lebt, und das zauberhafte Colorit keineswegs dem Verf. ent gangen ift.

Zwölf Jahre darauf in des trefflihen Herders Volkslie bern, Leingig ı77d., die mit Recht Stimmen der Voͤlker heißen, erfhien (1. Th. &. 152) eine neue Webertragung dieſes Volkslieds, Herzlih und ſchoͤn, aber auch holzſchnitte mäßig, wie man es von Herdern gewohnt if. Sie lautet alfo :

Attdänifche Heldenlieder von W. ©. Grinm. 467

Elvershoͤh. ‚ein Zauberlied. Daäniſch.

Sich legte mein Haupt auf Elvershöb/ Mein’ Augen begannen zu finfen,

Da kamen gegangen zwo Zungfrau'n fchdn, Die tbäten mir lieblich winken.

Die Eine, fie Hrich mein weißes Kinn, Die zweyte Kifpelt ins Obr mir: Steh auf , du muntrer Büngling! auf! Erbeb’, erbebe den Tanz bier! Steh auf, du muntrer Büngling, auf! Erheh', erhebe den Zanz hier! Meine Jungfrau'n fol’n dir Lieder fingen, - Die fchönften Xieder zu hören. Die Eine begann zu fingen ein Lied, Die Schönfte aller Schönen; Der braufende Strom , er Hoß nicht mehr, And borcht den füßen Tönen. Der braufende Strom, er floß nicht mehr, . Stand fill und horchte fühlend, Die Zifchlein ſchwammen in heller Sluth, Mit ihren Seinden fvielend. Die Fiſchlein al’ in heller Fluth, Sie fcherzten auf und nieder, Die Böglein al’ im grünen Wald, Sie hüpften , zirpten Lieder. „Hör an, du muntrer Süngling, bör an, Willt din bier bey ung bleiben ? Mir wollen dich Ichren das Runenbuch , Und Zaubereyen fehreiben. Ich will dich lehren, den wilden Bär Bu binden mit Wort und Beiden; Der Drache, der ruht auf rothem Gold, Son ſchnell die flieh'n und weichen.“ Gie tanzten bin, fie tansten ber; Bu bublen ihr Herz begebtt , Der muntre Züngling, er fab da, Geſtützet auf fein Schwer,

4168 Altdaͤniſche Heldenficher von WB. C. Grimm.

„Hör an, du muntrer Süngling, bör an: Wit du nicht mit uns fprechen,,

So reißen wir die, mit Mefier und Schwert, Das Herz aus, ung zu rächen.“

Und da, mein gutes, gutes Släck! Der Hahn fing an zu kräh'n.

Sch wär fonft blichen auf Elvershöß,- Bey Elvers Zungfrau'n ſchön.

Drum vath ich ichem Süngling , Der zieht nach) Hofe fein,

Er fee fich nicht auf Elvers Höh, Allda zu ſchlummern cin.

So Herder! Uebrigens bemerkt er in dem Inhaltsver⸗ zeichniß, daß der Zauber des Originals unüberfeßbar fey. Es mag, aber daß wenigftens ein ähnlicher Zauber hervorgebracht werden kann, ſcheint uns Haug in feiner trefflichen Bearbei⸗ fung defielben Liedes (f. Epigrammen und vermifchte Gedichte, 2.58. Berlin 1805. S. 393) bewielen zu haben, das zus gleich unter den Meiſterſtuͤckken der Iprifchen Dichtkunſt nicht Überfehen zu werden verdient: >

Elverspäp. Nach dem Dänifchen.

Mich wollte füßer Schlaf Auf Elversböh umfangen.

Da kamen lieblich und zart,

Zwey Mädchen, nach Feenart Mebr ſchwebend als gegangen.

Die Eine ſchmückte mic

Mit ihrem Myrtenkranze.

Die zweyte lispelte traut

Mit herzbeſchleichendem Laut: | „Mein Züngling! Auf zum Zange!"

Die Eine fpielte ‚mir

Mit fanfter Hand am Kinne,

Die zweyte faßte mich frey,

„Wohlauf, mein Tänzer! Herbey!“

Und fang ein Lied der Minne.

[4

Altdaͤniſche Heldenlicder von W. C. Grimm, 4169

Mit allen Sternen fehlen f Der blaſſe Mond zu laufchen. Kamm baute die Nachtigall;

Der Strom bielt mitten im Fall, Der Sturm vergaß zu raufchen.

O Wonnemelodie!

Mit ihren Feinden ſpielten

Die Fiſche ſo wohlgemuth

In monddurchſchimmerter Fluth, Und Felſen, Bäume fühlten.

Gelobe, muntrer Kant !

Uns Zungfrau'n dich zu weißen, Hör unfern Gegenverſpruch: Dann lernfi du das Nunenbuch Und alle Zaubereyen.

Du follfi den wilden Ur

An feid’nem Kädchen lenken, Sollſt Drachenbesäbmer feyn, Und Gold und Edelgchein, Worauf fie ruh'n, verfchenfen.

Sie huben lockend an

Im Tanze ſich zu drehen.

Khr Blick und Weſen verklärt! Gelehnt auf’s ruhige Schwert , Kalt, ſchweigend blieb ich fliehen.

Komm , ſchöner Küngling , komm! Du zogerſt? Wirk du ſprechen?

Verachte nicht unfer Gebot , ö Son muß dein plößlicher Tod

Uns, die Verſchmaͤhten / rächen.

Sie baten, zürnten, ſchrie'n

Zwey Dolche blinkten Wehe!

Gottlob! da krähte der Hahn.

Sonſt war's um mein Leben gethan

O meidet Elvers Höhe!

Welchen von dieſen drey Vorgaͤngern nun Hr. Semm übertroffen habe, muß die Vergleichung mit feiner eigenen Uederfegung zeigen. Hier iſt fie:

172 Altdaͤniſche Helbenkieder von W. €. Grimm.

sder der Nacht ihm zugehört, und felbſt im ferner Ingend manches herzliche Lied ans inniger Seele mit gejungen hat, konnte fi bey diefer ga; a priori gefaßten, aber eben darum aud (ehr verunglädten Kımflregiung nicht enthalten, zu tür den! So geht es dem Gelehrten am Pulte!

Man hoͤre Hrn. Gr. (J. c.): „Es findet ſich naͤmlich in den Daͤniſchen Liedern nur ein zweyfacher Hauptrhythmus. Erſtlich die Strophe, die aus zwey langen Zeilen beſteht, die reimen, und wovon jede ſieben bis zehn Hauptaccente bat, in der Mitte aber einen Abſchuitt. Der Rhythmus ift ganz les zufammengehatten ( was foll das heißen?), und bewest fi in der größten Srepheit ꝛc. Späterhin wird fih dies Splben⸗ maaß immer feſter gefegt haben, wie es am ausgebildets fen (1!) erfcheine in der Elſenhoͤh 2c. *

Zweytens die Strophe, die aus zwey kurzen Zeilen von vier bis ſechs Accenten befteht, die Leinen Abſchnitt haben, reimen , männlich oder weiblich, und in mannigfachem dactili⸗ fchen, trochkifchen and jambifchen Rhythmus abwechfeln.“

Das Wahre an der Sache iſt, die Strophen der zweyten Gattung find wirkliche Diſticha, 3. B. in dem Lied von ded Königs Tochter in England (man fehe Kiempevtifer, (S. 490):

6. Og med | til bus I vet hungan | ger ben | Der föd | de hun | en fün | faa ven. | T. Sun tog | det barn, | fwöbte dee | i lün | Og lag | de de det li forgnl I dte ffrün. | 8. Hun lag | de derhos | viet falt | og lius, For det hau | de ey | rer i | Guds Huns. | Und wie man fieht, ohne im mindeſten neue Runflausdrüde für Ihr Metrum erfinden zu därfen, es find nichts anders als vier⸗ füßige Jamben, mit denen Anapäftie und Spondaͤen, ja wohl zumeilen auf ein Paeon quartus (vuvw—), abwecfeln, wobey es denn anf ein oder ein Paar kurzgebrauchter Längen dem, um die Regeln der Kunft, wie überall, nicht ſehr ver legenen Volke eben nicht ankommt. 3. B. in eben dieſem Liede:

Atäniiche Heldenlieder. von W. C. Grimm 473 AG. Der Md1de fa as forive tiv ml gers dag vvu-l|uyo -—- vo 5. Ct. Den Böm | frw tager o | ver fig aa | ben Blan, Dies if das ganze Geheimniß von den vier bis fechs Accen⸗ kn, wovon Kr. Gr. fpriht, und was eigentlih nicht an dem fl; denn unter den Accenten verſteht er nicht, wie etwa Klopſtock, den Nedeton, fondern jede lange, zwiſchen den kurs jen fih Heraushebende Sylbe. Allein Hr. Er. muß dergleichen Lieder nte von dem Wolke haben fingen hören; denn die vierte md fünfte Otrophe haben um deswillen, daß fie an Sylben uͤberfließen, darum nicht einen einzigen Vocalton der Melodie Weiter, und Hr. Er. ſtellt fi e8 gewiß ganz irrig vor, wenn er glaube, daß die erſte Zeile der vierten Str. flatt aus vier,

aus fünf oder ‚gar ſechs Accenten ( welches wie andern Süße heißen) beſtehe, und ſo muͤſſe geleſen werden:

Det id | de fa} at for | ee tip I4 m gie dag.

Eben fo ift es mit den Liedern ber erften Gattung. Sie find wirkliche Tetrafticha , nur daß der erfle und dritte Vers des Reims entbehren können. Sehr viele diefer Fieder aber

teimen auch den erften und dritten Vers, wie z. B. S. 483:

De legte guldtavel ved breden bor d (ausgefprochen bor) 3 glaede og Infi med alde, De fruer Ivende med aere flor, Saa underlig Inegen mon falde. Manchmal reimen ſogar die zwey erſten und zwey lebten Verſe mit einander, wie z. B. in dem eu von der Königin Berns gerd ©. 214: 6. Hypor ſtkul le vi] fan me | get Staal fan, Bi fun | de bande Kand | og Band befina: > Min Finere Romfru & fare i Mag, Dver | der vil el | lers kom | meitoer Klag. Wieder in andern find der erſte und dritte Vers bald gereimt, bald nicht gereimt, wie z. B. in IV. 27. (nach dem Original citirt) S. 452: 1. Str. De Növere vilde ſtiele gan, Saa langt i fremmede lande (ausgeſyr. Tanne)

4

*

8

174 Altdaͤntſche Heldenbeder von W. C. Gricam.

Saa ſtale de bort den Konges barn, Den Vomfru heed Skion Anna.

Hier reimen nur der zivepte und vierte Ders, wie auch in Otr. 3. 5. 6, 7. 1%, 18. 14 a6., hingegen in 2. 4. 8. 9. 10. 11. dann wieder 27. u. f. m. reimen alle vier wechſelnd, fo daß man offenbar fieht, es iſt gar keine Regel in der Sache, (zumal ba auch öfters der 2te und Ate Vers nur zur Noth reimen, wie 3. B. in dem angezonenen Liede Str. 3. fange

und Konge. 4. flamme und haande. 6. frue und trolove u.

ſ. w.) fondern lediglich Zufall. Das Volk befümmert ſich nur um die Sache und den ſchnellen Ausdrud feines Gefühlten, aber nit um den Reim. Es will zwar veimen, aber das muß fein Nachdenken Eoften; gehts nicht fogleich, fo wird auch geftolpert,, fo gut man kann. Dies ift überall in ‚allen Läns dern fo gleih, daß man es fogar für eins der ſicherſten Kri⸗ terien des wirklichen Volksliedes annehmen kann. Wo alles nady den Regeln der firengen Kritik geht, das hat gewiß das Volk nicht gedichtet.

Zweytens aber hat er dieſes Stolpern felbft wirklich Abers trieben. Es gefällt ung an ejnem Frauenzimmer, wenn fie Bey einer gefühlvollen und Überdies gebildeten Sprache doch an ihren orthographifchen oder feinen grammatifchen Fehlern ihre Weiblichkeit verräth; aber wenn ein Mann den Styl und die Schreibart des Weibes nahahmen will, und fie beynahe in jedem Worte einen Fehler begehen läßt, dann ift es widerlich. Ehen diefe Widerlichkeit empfanden wir an Kın. Gr. Ueber feßungen. Sie flolpern zuviel, und wir finden dieſes feines wegs durdy die Dänifhen Driginale gerechtfertigt.

In dem gegenwärtigen Liede find unter ı2 Neimen nicht weniger als ſieben, mithin mehr als die Hälfte nicht, und der

achte durch ein bloßes Flickwort (fofort!) gereimt. Dies

heiße fich die Sache leicht machen, und fo ift denn wohl bes greiflih, . wie man etwa in der nämlichen Jahresfriſt, in welcher ein anderer Dichter, der dad nonum prematur in annum vor Augen hat, kaum Ein Lied zu befriedigender Vols lendung bringt, ihrer Hundert auf einmal druckgerecht zu machen verfteht. Wir wollen den Beweis führen. Das Dir nifche fängt an:

Ardänifche Heidenlieder von W. €. Grimm. 175

. Yeg lagd mit Hovet til Elver Hy Mine Done de finge en Dvale: Der tom gangen des toe Fomfruer frem , Eom gierne vilde med mig tale.

Aber wie Ringe Hr. Grimm ?

Ich legte mein Haupt auf die Cifenbob meine Augen begannen -m ſchlafen,

Da kamen gegangen zwey Zungfrau'n heran, die wollten Nede fo

‚gem mit mie haben!

Afo ſchla fen und Haben muß fih zumal tn einer fo. feeyen und weitichweifigen Umſchreibung des „tale“ (reden) dennoch reimen! Das heißt doch bey einem fo fchönen Liebe, wie diefes, den Lefer, von welcher Claſſe er auch ſeyd, gleich im Anfang abfchreden.

So reimt in der zweyten Strophe der Däne: Dre und tore gut, Kr. Sr. aber flüftern und rüften ſchlecht. In der fünften ‘der Daͤne: rinde und finde, Hr. Gr. rinnen und fhwimmen. In der neunten der Däne: Ferd und Sverd, Hr. Gr. Zug und’ gut, ferner reden, legen, fagen, ſchlafen uf. w. Das fann doch unmöglich auch die lieblichſten Däs niihen Gedanken dem Deutſchen Ohre empfehlen. Und bie Veyſpiele davon find durch das ganze Buch zahllos. Man (lage auf, mo man will, da veime fih: herab und macht, zog und mogt (letzteres Wort S. 247 verſtehen wir noch uͤber⸗ dies gar nicht), Wald und Schlaf, ſtark und Wald, lieb und Schild, auf und Braut (alles auf Einer Seite!) oder Kiſte und wußte, Leid und neun, Geſicht und mich, Noth und froh, alſo! und fol! (S. 387) Arm und Karn (Kars ven). Doch genug! Weiteres Zeugnifes bedarf es nicht.

Drittens hat Hr. Gr. auh in Hinſicht des Rymu niht immer die 'gefällige Treue beobachtet.

&o fingt der Däne in der fünften Strophe:

4 2 3 4 u—vu U lvv—luv | De lidven ſmaa Fiske i Floden fvam

Hr. Grimm aber: _

1 2. 3 * 4 5.

v-Iuv—|u —|v v-luV , Mit ihren Floͤſſen fpielten die Fiſchlein Hein

176 Alwaͤntſche Heldenfleder von W. €. Grimm.

und macht aus 4 fünf Fuͤße, oder man müßte die zwey erſten als einen einzigen Buß (vuu—) annehmen, welches wieder zu gezwungen ift.

Eden fo in der achten Str. u. f. w. Ja, in Marft Stig's erftem Lied (S. 388 Kiempertiier, & zug) hat Sr. Gr. beynahe ein ganz anbered Sylbennaaß, wwenisftens er kennt man das des Originals keineswegs darin.

Biertens iſt auch, bey aller Abrigen genamen Kenntniß der Daͤniſchen Sprache, dte dem Hrn. Verf. gar nicht abzufpreden if, doch hie and Ba der Stumm ſonderbar verfehlte. So übers ſetzt er in even diefen Liede Ser. a.: .

Den eene begundte en DBife at quaende San faurt.over alle Quinde. Und über alle Weiber ſchne Em Lied hört ich eine beginnen.

da doch das Wort faurt nicht fhnell, fondern fchön heißt, und nichts anders als das alte fagurt ift; wie es denn Ar. Gr. ſelbſt Eurg zuvor, fo wie auch anderwärts richtig durch ſchoͤn uͤberſetzt. Wollte er bier eine Verbeſſerung anbringen 7 © iſt fle in der That nicht gerathen. Auch iſt in der 10. Str. flaıt dem hvaſſen Kniv (ſcharfen Meffer ) die Naivitaͤt mit dem ſcharfen Mefferlein. gewiß nicht zur rechten Zeit angebradt.

Eben diefe Fehler, die hier an einem einzigen Liede ges zeigt find, herrſchen durch das ganze Buch, denn gleich Bleibt ih Hr. Sr. allerdings. Nur einen einzigen haben mehrere der andern noch, der hier nicht anzubringen war, nämlich die fonderbare, und wenn wir es gerade herausfagen follen, die nachläffige Beybehaltung des Däntfhen U in eigenen Namen. Denn welher Deuiſche wird Vonved anders als Fonfed aus fprehen? Und hierin erkenne fih doh der Däne in feinem Wonwed gewiß nicht mehr. So ſchreibt er Vidrich Verlands ( Fidrich Ferlands) Sohn ſtatt Widrick Werlande, Sivard (Sifard) ſtatt Siward, Hvitting (Hfitting!) ſtatt Hwitting Danved (Danfed) ſtatt Danwed, Verner (Ferner) S. 150. ſtatt Werner; ſogar S. 602 Vifferlin, welches beynahe wie Pfifferling klingt, ſtatt Wifferlin u. ſ. w. Lauter Umſtaͤnde, die

den Genuß dieſer Altdaͤniſchen Reliquien mit Gewalt ſtoͤren. (Die Fortſetzung folgg, )

No. 12. Heidelbergiſche 1813. Jahrbuͤcher der Litteratur.

IR WE WED WILL RL WE TL LIND AUß AS

Altdaͤniſche Heldenlieder, Balladen und Maͤrchen überfegt von Wil«

heim Earl Grimm. ( Sortfegung der in No. 11. abgebrochenen Recenfion, )

is hat Herr Grimm: in allem asg Lieder Abers feßt, aus welcher Menge, und der dabey nöthigen Eile fd allerdings alle obigen Erſcheinungen ſehr leicht begreifen laſſen.

Deſſen ungeachtet find es nicht alle. Denn der erſte Theit der Danſke Viſer enthaͤlt 26, der zweyte 66, der dritte 19 (nebſt zwey Zugaben), und der vierte und letzte 100, mithin

- allem 190, wiewohl ihre Zahl auf dem Titel zu 200 an⸗

gegeben iſt. Es fehlen alfo in dem ‚gegenwärtigen Werke noch 68 Lieder. Hieruͤber erfiärt fih gwar Kr. Sr. in der Vor⸗ rede S. XI. mit einigem Grund, aber alle diefe 68 Lieder fallen wohl niche in die nämliche Eategorie, und da Hr. Sr. durchaus nirgends poetifh, fondern bloß wörtlich oder hoͤchſtens fongetren uͤberſetze, mithin uns feinen postifhen Genuß bereis tt hat, fo wäre es wahrfcheinlih nicht Schade gewefen, wenn er uns in einem Werke, das do einmal mehr für den Littes rator als ders Lefer, der Vergnuͤgen verlangt, beflimme ift, auch die Abrigen zum beſten gegeben hätte. Allein auch der bloße Litterator und Forfcher wird ihm die Uebergehung des alten Biarfemäl, bey. dem ſich ohnehin duch Wiederherftellung des wahren alten Geiftes aus dem Studium der immer nod bedentenden Ueberreſte des Urlieds ein großer kritiſcher Scharfs finn und das ungwendeutigfie äfthesifche Gefühl Hätte erproben laſſen, nicht wohl vergeben.

Zudem bat fih Hr. Gr. beynahe aller Nachweifungen auf das Original Aberhoben, womit wir keineswegs die neue Ciaffis fiiirung dieſer Lieder in Heldenlieder und Balladen tadeln,

mit der aber die Nachweiſung gleichwohl vereinbar, und eben 19 |

473° altdaͤniſche Heldenlieder von W. C. Grimm.

deswegen, weil die Ordnung des Originals nicht beobachtet if, vm fp nmerläßlücher war. . .

Aber auch Syv’s hiſtoriſche Einleitungen zu jedem Liede find durch den Anhang, der einen hiſtoriſchen Excurſus über das Ganze enthält, keineswegs erſetzt. Denn die Fabel der 34 Heldenlieder zwar iſt vollfländig commentirt, aber von den Balladen und Maͤhrchen find ihrer 58 ohne Erklärung ac blieben. Ä |

An den Erceurfen feldft, die allerdings einen ruͤhmlichen Beweis von des Hrn. Verf. großer Beleſenheit und weitgreh fender Forſchung ablegen, fanden wir bey ruhiger Anſicht hauptſoͤchlich viersriey zum Voraus zu tadeln: die undeutſche Sprache, die unrihtige Schreibung fEeinder , befonders (fans dinarifher Namen, die ſonderbaren Eitationen umd die an maßenden Urtheile,

So ſucht Hr. Gr. darin eine Originalitaͤt, daß er das Huͤlfsverbum auskaͤßt, wo der Deutſche es durchaus nicht ent⸗ Kehren kann, 4 B. S. 440 „daß es nur darauf ankam, ihr Dafeyn zu heweiſen, nicht dad fie begründet in der Hiſtorie; (WR?) S. 475 und gering ein ? Waffen verſchnei⸗ der ihn! S. 497 „weil fein. Hals fo hart wie Stahl,“ „daß Seine Falſchheit dabey! (S. 545) S. 498 in Hbhle gewarı fen“ ſtaut in eine Höhle u. ſ. w. | Was iſt ferner Vandlothing! Hedins fied, Glaͤſir val⸗ le? Seit wenn ſagt man die Ingibiorgu von Upſolum? Iſt das exfiere Skandinaviſch und das zweyte Deutſch? (8 523) ;

Wie Hr. Gr. citirt, daven nur einige auffellende Ben fniele: Dste von Ärepfingen (Lat. Otto -Frisingensis ). heißt bey ihm Otto Srifingens! (ſ. ©. 432) Joh. Meſſenius, Prof. dee Beredſamkeit und der Rechte zu Upfal, nachher koͤnigl. Afosion zu Stockholm, und zuletzt 18 Jehre (Bis norem miser integros per annos!) in Gefangenſchaft zu Cajane— Barg, wo er auch flarb, gab unter vielen gelehrten Werken auch eine Schrift über die fänf aͤlteſten und !nernehmfrs Schwediſchen Handelsſtaͤdte Upſal, Gigtun, Eıbasa.. Birk und Stockholm heraus, und nannte dieſe Schrift mit einst Griechiſchen Zuſammenſetzung, die fi darauf bezog Nun

m

Wirbänifche Heſdenlieder von W. C. Grimm. 179

führt. Stephan Stephanius in ſeinen Notie uberioribus zum Saxo Grammaticus S. 156 gelegentlich folgendermaßen an: Prorsus igitur frustanea est opera Johannis Messenii, dum in libello quodam suo, quem Sveopenta protopolin ete. inscripsit, evincat etc. Auch Wet. befipt diefe Schrift eben fo wenig als Hr. Gr., und hat fie nie gefehen, vermu⸗ thet aber Doch, daB von dem offenbaren Ackufativ protopalin dee Nominativ protopolis heißen mäle. Allein Hr. Gr. findet nicht nothig, daran etwas zu ändern, fondern ſchreibt getreulich nach? „Joh. Meffenins in feiner Meinen (7) Schrift Sveopenta protopolin! (das Druckfehlerverzeichniß fchweige hievon.) | Auf eine andere Art fonderbar citit Hr. Gr. S. 405 Suhm II. 179. 185 und fo öfter. Wo foll der Lefer dieſen werten Band von Suhm fuhen? Dec. beſitzt die ſaͤmmtli⸗ Gen Suhmifchen Werke, aber nur feine Eritifchen Worarbeiten jur Nordifchen Geſchichte lamfen unter der Nummer 2 10., feine Hiflorie af Danmark ı 7. umd feine Samlede Okrife ter 16. Welche diefer drey Sammlungen meint Kr. Gr. damit? Das läßt ſich nicht nur nicht errathen, fondern die Citation paßt nicht einmal, we man auch nachfchlaͤgt. Zus fälliger Weiſe ift nun vier Bogen weiter Hinter ©. 491 abers mals Suhm II. agı citire, aber dazu Mord. Fabelzeit geſetzt. Und ſomit läße fih nun endlich feine Meynung errathen, aber auch nur errathen! Es hat naͤmlich Graͤter bekanntlich Suhms Hiſtorie af Danmark, wo nicht aufgefordert von dem ehrwuͤr⸗ digen Verf., doch mit ſeinem Wiſſen und ſeiner Billigung etwa ſechs Jahre nach feinem Tode in einer forgfältigen Ver⸗ dentſchung unter dem Titel: Peter Friedrich von Suhm's Geſchichte der Daͤnen. Aus Liebe zu dem Siudium derſelben und aus Ehrfurcht fuͤr ihren Verfaſſer ins Drutſche uͤbertragen von Fried. Dav. Graͤter, Leipzig 1804. dey Heinrich Graͤff in gr. 8. herauszugeben angefangen. In dem, über Suhm, als Hiſtoriker, ib auf XLII Seiten verbreitenden Vorbericht mödificire Gr. fein Urtheil Über dieſe Suhmiſche Gefchichte dee Dänen, ©. XXVIU, „daß fle ein wahrer Nekrolog der Regierungen, ein drittes Buch der Könige, ein Speculum resale fey, das, ohne je die Gefahr der Ungnade zu-laufen,

180 Widämiche: Hefdenficder: on W. €. Grinm.

Die. Stelle eines tieien Miniſters und eines freymuͤthigen GStaatsmannes vertrete“ in Hinſicht der zwey erſten Bände, die bloß die Gefchichte der Fabelgeit enthalten, und fest hinzu: „es möge ſeyn; - daß die Fabel in der Gedichte, eben weil man da nur die firengfte Wahrheit erwarte, fo lehrreich niche ſey, als fie es in der Sphäre der Kunft zu ſeyn pflege,“ allein fie feyen daram nicht minder leſenewerth; denn „fie enthalten eine möglihft s volftändige und möglichft s Hiftorifche Darftellung der Nordiſchen Fabelzeit, und möäßten in fo ferne: fhon als bet gelehrteſte Commentar Über das fabelhafte Alterthum, und ats ein veihhaktiger Anhang zu der, von Dichtern und Kuͤnſt⸗ Teen noch lange nicht nad, Verdienſt gewürdigten Götterlehre des Nordens auch als ein -abgefondertes Wert für die Liebs haber und Forfcher der Nordiſchen Morzeit ein fehr ſchaͤtzbares Handbuch ſeyn,“ daher er ihnen (den zwey erſten Bänden von Suhms Daͤniſcher Geſchichte) obigen Nebentitel (Hiſto⸗ riſche Darſtellung der Nordiſchen Fabelzeit) ohne Zweifel mit Recht gegeben habe. Allein Graͤter hat bis jetzt nicht mehr als den L Bd. herausgegeben, und es iſt alſo auch jede Titation, die ſich bey dieſem Werke mit II. ſignirt, durchaus falſch. Denn wenn dieſer Band gleich in der Verdeutſchung in zwey Abtheilun⸗ gen (weil die Verdeutſchung nicht in gr. 4., wie das Daͤniſche Original, ſondern in 8. gedruckt wurde, mithin der Band zu dick geworden waͤre) geſondert iſt, ſo ſteht doch auf jeder Ab⸗ theilung Erſter Band, und wer richtig und genau citiren will, Sam und wird daher eine Seite der zweyten Abtheilung nie

Euhm H. 195, fondern entweder Suhms Geſchichte der Däs nen’ von Graͤter F. 2. 199, oder Suhms hiſt. Darftellung der Mord. Fabelzeit mit gleicher Signatur citiren. Daun erſt weiß der Deutſche ſowohl als der Nordiſche Lefer, woran er iſt. Was endlich die abfprechenden- Urtheile betrifft, fo kann ec. nicht umhin, hauptſaͤchlich zwey verächtlihe, aber wohl dieſen Männern von Zen. Gr. noch zur Zeit nicht gebührende Seitenblicke zu ruͤgen. Der erfie betrifft den allgemein bes kannten, von jedem Liebhaber und Horfcher des Nordifchen Alterthums ſtudierten, und von allen, die ihn ftudiert haben, mit-Dant und Hochachtung, die er auch wahrlich verdient,

Midänifche Heldenhieder von B. €. Grimm. 481

genannten Thomas Bartholin; aber Hr. Gr., der ihm ohne Zweifel, falls er fein Buch durchſtudiert, und nicht bloß darin geblärtert hat, eben fo vielen Dank fchuldig if, kann nicht umhin, daffelbe zum erſtenmal unter allen Dänen, Schweden, Islaͤndern, Engländern und Deutfhen, die feiner gedenken, mit dem Namen eines geſchmacklos gefchriebenen Buches der Verachtung preis geben zu wollen. In jedem alle iſt das Urtheil etwas fchief; denn es kam wohl bey feinem Buche nicht fo fehr darauf an, in welchem Geſchmack, fondern mit welher Gruͤndlichkeit er feinen Sa& de causis contemtae a Danis adhuc gentilibus mortis durchgeführt Bat. '

Der zweyte betrifft den cehrmärdigen Suhm. Mit welcher

Einkildung mag wohl Hr. Gr. geftraft feyn, um bey feinem

erften Auftreten im Face der Mordifchen Literatur ſogleich auch den verdienteften Manen aller Mäcene und Alterthums— forfcheer des Nordens mit folhem Uebermuthe entgegen zu teten? Denn Uebermuth iſt es doch in der That, wenn Kr: Gr., nachdem er fih auf Suhms Interfuhungen Überall ges föse und berufen hat, &. 509, da er das Dänifche Volkslied von Hafbur (Habor, Hagbard) und Sigmild mit der Ges (dichte diefer Liebenden aus dem Saxo Grammaticus commtens tiren will, fich folgendermaßen erklaͤrt;

„Es folge hier eine Ueberfegung davon, ein Auszug zum Teil. Auf Suhms Nordiſche Fabeljeit, wo (I. 234—4ı) die Sage aus dem Saxo eingeräckt worden , konnte nicht vers wiefen werden, weil er (Suhm) alles mit feinem matten Si breit gemacht ıc.“ |

Abgefehen davon, daß Suhm, in der ohne Zweifel richti⸗ gen Webergengung, daß Saro nicht als ein trener Geſchicht⸗ ſchreiber berichtet, fondern alle Erzählungen der Vorzeit mit finee Phantaſie aufgefluge und erweitert hat, fi abſichtlich Mühe gab, mo möglich Bloß den Hiftorifchen Kern aug bielen poetiihen Werfchönerungen herauszuhoten, und in feiner Ges ihichte auf das Werdienft eines Romanſchreibers Verzicht zu thun; abgefehen davon, dal ſelbſt, wenn, Suhms Styl in feinee Geſchichte der träfiige und blühende, wie er in feinen fräderen Schriften war, ‚nicht mehr iſt, in weichem Falle es do von einem Kın. Sr. mit einiger Achtung zu. bemerken

4183

Alidaͤniſche Heldenlieder von W. C. Grimm.

war, fo muͤſſen wir geſtehen, daß, wenn wir Suhms Erzaͤh⸗ lung in Graͤters Werdeutihung (denn darauf beruft fih ja

Hr. Sr. durchaus, niemals auf das Original,

das er auch

nit gelsfen gu haben ſcheint) vor die Hand nehmen, dieſer ihm angefchuldigte breite Styl neben dem fchmalen Styl des Hrn. Gr. fih gar nicht fo übel ausnimmt, mie derfelbe feinen Leſern verſpiegelt. Doch man vergleiche ſelbſt:

Suhm’s Dän Geh. von Bräter. 1. Bd. 1, Abth. S. 286.

sim ihn daber deſts mehr zu ehren, wurde ibm feine Schlaf⸗ Hätte bey der Königstechter ſelbi augewieſen.

Die beyden Glücklichen koſ⸗ ten nun, bezaubert von Liebe und Wolluſt, ungeſtört mit einander, und Hagbarth fragte feine gelichte Signe: |

„Was wird du, wenn dein Bater mid) aufängt, „und der Tod dann mein gewiſſes Loos if, Cbenn ich erfchlug feine Söhne, und nun balte ich auch dich, fei- nem Willen zu Trotz, in meine Arme gefchloffen) was wirfi du dann, du meine einzige Freude, was wir du dann thun? mich vergeflen, wenn du mich verlief? Dich einer andern Liebe hingeben?

I

Signe erwiederte: Blauber

Geliebter, glaube, daß ich mit

Die ſterben werde, wofern der häß⸗ liche Tod dich in den Hügel legt!

. umfangen.

Srimm’s Altdän. Heldenlicder. E. 511. -

Dann, um ibn mebr au ch- zen, ward ihm feine Schlafſtele aA ihrem Bett gegeben:

Da nun, in dem Genuß ges meinfchaftlicher Luſt, fragte Hag⸗ barth die Sygne:

Wenn ich ber Gefangene dei-

ned Daters werde, und einem | traurigen Tod übergeben, wirſt du uneingedenk unſres Buͤndniſſes, deine Liebe einem Andern zuwen⸗ den?‘ fo mir jenes Schickſal bes gegnet, hoff' ich nicht, daß er verzeiht, lüſtend feine Söhne zu rächen ; denn ich habe deine Brü⸗

: der getödtet, und balte dich num,

ohne fein Wiffen und gegen fei- nen Willen, in gemeinfamer Luft Sage, Herzliebſte, was wirft du dann thun, Wann ich dich nicht mehr, wie fonfl, umarme ?

Sygne antwortete: Glaube nicht, lieber Herr, daß ich lieben möchte, wenn das Verderben über dich gefommen,, gder meine Beit

Wlatiche Heldenlieder von W. Grimm,

Subm.

Ha, auf welcherley Art du fiel, ſey es durch Krankheit, ſey es durchs Schwert, im Meer oder auf dem Lande, ſo will ich dir nachfolgen! jede andere Liebe iſt mie verhaßt, gemeinſchaftliche Bärtlichfeit bat und verbunden,

ein gemeinfchaftlicher Tod fol

uns vereinigen !

Deinen Tod werd’ ich felbft empfinden und den nicht verlaſ⸗ fen, den ich meiner Liebe wür⸗ dig geachtet babe, den, ber mir den erſten Kuß gab, der mich zum erflen Mal die Liche lehrte!

Act Gebuͤbde fall Heiliger ſeyn,

wohn je ein Frauenmund beit ſprach.

153 Srimm.

verfängeren , wenn Hin trauriger Tod dich in ben Grabbügel ge führt! Welcher Zeb dich weg⸗ nimmt, durch Kraukheit/ Schwert, in Meeres Abgrund, uber anf dem Felde ich gelobe einen glei» hen zu flerben, daß, wie im Brautbett, ein Tod und vereini- 1

Deines Todes Bein werd anch ich fühlen, und den nicht ver⸗ laſſen, den ich meiner Liebe werth geachtet, der zuern meines Mun⸗ bes Kuͤſſe genen, und meinen blühenden Leib. Keine Derbeif fung ſoll gewiſſer ſeyn, wenn ie eines Weihes Wort tıyu war.

Wenn uns nicht alles fo iſt Suhms Sprache die

wahre Sprache der Liebe, und mithin der Natur; Herrn Grimm's aber ziemlich verfänftelt, und wenn wie dieſer Ver⸗ gleihung ein Quid tanto dignum etc. vorausgefegt hätten, mödhte wohl mun das —— ſecet Verheißungen ſchr ma⸗ ger ſeyn.

Wenn nun aber Hr. Gr. weiter fortfaͤhrt, dem Saxo nachzuerzaͤhlen, und am Ende gar es wagt, mit Hexametern md Pentametern zu fchließen, fo verwandelt fih in der That der gerechte Unwille über feine unbeſcheibene Art gu metheilen, in eine mildere Empfindunn.

Zum Beweiſe wählen wir Hier die vier letzten Zeilen:

DaB dort Liebe mir aufblüh” (e) be’ ich die fichere Hoffnung fol ein Hexameter feyn. 2

—|— u

Und es wird mir rer, bald Wolluf gewähren ber Tod! Beid' die Welten fürwahr boch fie. se

Eine Nuhe des Geifis, ‚wie in der Lich’ eine Treu.

134 Mtdänifche Heldenlicher von W. C. Grimm.

Weich’ eine Eonftruction ! meld’ eine Sprahe! Kaum wird man fie, ohne feinen Saxo zur YR zu nehmen, enträrhfeln tönnen!

Wir kommen nun gu den Errurfionen ſelbſt. Nach einer allgemeinen Einleitung , worin Kr. Gr. die Erfiärung der Keldentieder als die Hauptſache diefes Anhangs angibt, bes merft er, daß die Abſicht defielden fen, theils die Originals . Einteitungen der Daͤniſchen Ausgabe zu jedem Liede nicht vers Ioren gehen zu lafien theils auch fie bald zu berichtigen, bald gu ergänzen. Es ift feine Frage, dab Hr. Gr. in diefer Hins fiht arößtencheils More gehalten hat. Auch liefern feine Be⸗ merkungen in der That viel Neues und Wahres,

Gleich feine erftien Bemerkungen über die drey Lieder von dem Verrath der Frau Grimilde an ihren Brüdern beflätigen dieſes Urtheil, und geben einen Beweis, daß der-Berf. bes zeits den inhalt des Heldenbuchs und der Nibelungen eben fo wie den Imhalt der Niflunga s, Wilkina⸗ und der Wolſunga⸗ und _ Mornagefts s Saga, desgleihen auch des Anhangs ber jüngerm . Edda einfindire hat. Er behauptet, daß diefe Lieder mit den vier erften, d. h. mit dem Deutſchen Heldenepos, und der aus Deutſchen Sagen entflandenen Wilkina, aber keineswegs mit den reins nordifchen Vorſtellungen der Wolfunga ıc. uͤberein⸗ ſtimmen. Rec. befigt zwar die meiften diefer Werke, hat aber jet nicht Muße, fie noch einmal durchgufefen. Er behält ſich daher eine nähere Prüfung biefer Angabe, an der. er jedoch im Ganzen nicht zweifelt, bevar. Soviel ift ihm noch vom ehedem erinnerlih,, daß er die gedachten Dänifchen Volkslieder felöft einft für Sprößlinge der Deutſchen Sage hielt; wobeg deffen ungeachtet der Driginalität ihres Vortrags und Seyns nichts benommen ift.

Wenn Hr. Gr. in der Note gegen den gelehrten Sram behauptet, daß der Norden den Reim nicht von den Deuts fhen gelernt Habe, fo ſtimmt ihm Dec. volllommen by. Das heidniſche Deutfchland hatte gewiß eben fo gut feine Alliteras tion als Skandinavien, und woher brachten fie wohl die Ans gelfachfen als eben aus unferm Vaterland? Ga, Prof. Sräter har fogar vor einigen Jahren die nicht unwahrfcheins liche Hypotheſe in feinen Drogrammen hierüber aufgeftellt, dañ

/

Mpänifche Heldenlieder von W. C. Grimm. 188

die verloren geglaubte Proſodie der alten Welt ebenfalls in nihte anders als in der Alliteration und damit verbimdenen Bocalen s Correfpondenz möchte beftanden haben. Allerdings hat fie auch die von Hrn. Prof. Gley entdeckte und der tan⸗ fendjährigen Vergeſſenheit entriffene Evangelien s Harmonie. Rec., dem der Entdecker feine erfien Abfchriften des Codex zus ſchickte, freute ſich ſehr, eine ſchon früher darüber geaͤußerte Vermuthung damals fo vollkommen beftaͤtigt zu finden. Aber nicht bloß darin, auch in dem Weſſobrunner Fragment offen⸗ bart ſich das, dem Deutſchen Reim vorangegangene Geſetz der Aliteration, und es freut und, wenn Kr. Gr. bald den Bes weis gibt, daß auch in dem Eaffeler Fragment von Hiltibrat and Hathubrat das nämliche herrſche.

Die zwepte Hauptexcurſion betrifft die Gage von ber Teojanifchen Abkunft der Franken. Mit befonderer Begierde Ins dies Rec. Gewiß es iſt ein Intereffantes Thema. Aber nach vielem gelehrten Aufwand hat der Kenner nichts Menes gelernt, und für den gänzlich ununterrichteten Lefer fehlt es dem Vortrag an logifher Ordnung und Klarheit der Darftels Ing. Auch find damit die Meynungen Wendelin’s, Schilter’s, Ercard’s und Suhm's keineswegs widerlegt. Es wäre ſchon genug, wenn diefe vier verfchiedenen Meynungen hier nur gründlich wären beleuchtet worden. Wenn S. 432 nicht mit völiger Gewißheit behaupter wird, mas Meibom aus dem Magnum Ghron. Belg. anführe, daß die Stade Kanten am Rhein Plein Troja genannt werde, fo kann Dec. aus dem vor dm liegenden Chronicon verfichern , daß es mit diefer Anfuͤh⸗ rung feine Richtigkeit hat, nur mit dem Unterfchiede, daß er niht Hago von Troja oder Trojanms, fondern Trajanus ges nannt wird. Die ganze Stelle fieht S. 65, und lautet fo: Isti duo fratres ( Theodericus, prim. com. Hollandiae, de Waltgerus ) habuerunt avunculum Hagononem Traja- num, qui in Troja minori (scilicet Xantis) habitavit etc. Auch die S. 555 und 456 aus dem Sigebertus Gemblacen- cs angeführte Stelle finder fih umfländiich in dem Magn. Chron. Belg. &. 9 und 10 und fängt mit den, für Hrn.

Grimms Behauptung fprehenden Worten an: Porro origi-

nem Regni Francor. hanc esse novimus ex relatu fideli

u

466 Alddaͤniſche Heldenlieder won W. C. Griam:

Majorum, wiewohl ih das freylich nicht bloß auf muͤndliche, ſondern auch fchriftliche Weberlieferung immerhin besichen ließe.

Sa der Note **) S. 440 fagt Hr. Gr.: „Diefe Sage (oben im Tert aber if wor keiner beſtimmten PDerfonen s Ser ſchichte, fondern nur davon die Rede, daß die Abkanft der Branten von ben Trojansen eine allgemeine und fehr atte Volkeſage geweſen fen) iſt es, welche Meiſter Bioͤrn nach Norwegen gebracht; ungenau hat man dieſes bisher auf die

. Willina Saga bezogen, es gilt. bloß von diefer.“ Alſo dem

Volks glauben einer Abkunft der Franken von den Trojanern bat Biden nad dem Morden gebracht? Wohl ſchwoerlich; es ſcheint, hier iſt Hr. Gr. ſelbſt ungenauer (im Ausdruck, den vermuthlich meinte er es anders) als feine Borgaͤnger geweſen.

Auf dieſe zwey Hauptercurfionen folgen nun die erflärens den ‚Bemerkungen zu jedem einzelnen Liede. Da gegenwärtige Anzeige die gewöhnliche Ausdehnung einer Kritik ſchon Jene vielletcht aͤberſchreitet, fo wollen wir uns nur auf weniges bes fhränfen.

©. 485. Das Hogna ſtatt Hozni oder Hogne. H. Mr. wird im Verfolg feiner Studien diefes a verwerfen, weil es weibliche Zorm ift, ob gleich Rec. weiß, und es ſelbſt chedem dern Ohre zu Sefallen brauchte, daß man allgemein Graga last Bragi oder Brage ſagt.

S. 492. Daß der Name von Wittichs oder Widga's Mutter wirklich in der Volundar⸗Quida vorkomme, wie Br. Gr. vermuthet, und daß; es nicht Bodlild, fondern Boͤdmild der Baudwild Heiße, Hat fih unserdefien theils aus Graͤters Veberfegung der Wölundar » Auida in Idunna und Sers mode, theils aus dem herausgegebenen Texte des Co- dex Reg. von Herrn Hagen beflätigt, womit wir jedoch nicht Hrn. Gr., der wun eine Abichrift bes Eod. ſelbſt Beige, eine Neuigkeit fagen, fondern bloß den Befiser feiner Dänis fhen Heldenlieder zu einer Note vsranlaffen.

S. 406 hat uns der mordlihe Tod wicht fehr gefallen. Nehme doch der Hr. Verf. die Wahrheit ımd Richeigbeit Dies ſes Ausdrucks noch eimmal anf die Mage.

©. 508 ift eitirs: (Huon de Bourdeaux. Franz. Volks⸗ buch (7) ©. ag. 50) Möchte fih der Werf. doch näher

Alid ͤntſche Heldenlieder wom A. C. Orkmaı. 187

darüber erklaͤren! Rec. kennt den Hueu be Bourdeaux aus den Extraits des Romans de Chevallerie wird der naͤmliche Roman in Frankreich etwa, wie bey uns der gehoͤrnte Giegs ftied und die Mepmons s Kinder ıc. dur Krämer auf ben Märkten, gedruckt in diefem Jahr, verkaufe? und verfteht Hr. Sr. einen foschen Abdru darunter ?

Was &. 52o von der, zu einem Volkslied gewordenen Thrymsquida gefagt wird, iſt nicht unintereffant, aber wenn er am Schluſſe Hloß die Kjempeviſer citirt, find wir nicht zus frieden. Die Kitation erfeßt die Anführung von Syv's eiges nen, lehrreichen Worten nicht.

S.. 5024 und 525 fommen drey Straphen aus der Her⸗ vararſaga vor. Man fieht, daß fih Kr. Gr. nicht an die Eoteinifhe oder Schwedifche Weberjebung gehalten, fondern aus dem Sfandinavifhen Originale felbft Hat überfeben wol⸗ im. Es ift diefe Probe in der That merkwürdig, indem fie als Beſtimmungspunct dient, in welch kurzer Zeit der Verf. und fein gelehrter Hr. Bruder, Jacob Grimm, fi der Stan: dinavifchen. Sprache durch eilernen Fleiß und enthufiaftifches Stadium fo weit werden bemächtige haben, daß fie im Stande find, das kuͤhne Veriprehen am Schluffe Diefes Werkes, die . noch nicht entzifferten Lieder der Edda zu Überfeßen, in wird liche Erfüllung zu bringen. Denn Hier erfcheint wenigftens Hr. W. Gr., der Herausgeber des beurtheilten Werkes, im der That nach als Anfänger in jener Sprache. Denn wenn man auch annimmt, daß er nicht die kritiſche Ausgabe des Magnäanifchen Inſtituts, welches doch zu erwarten iſt, zu Stunde gelegt Habe, in welchem Falle ſich freylich noch meh⸗ tere. Fehler zeigen, fondern die Vereliſche (ſ. jene Sumtibus de Suhm, &. 34. 56. 40. und Verel. ed. &. 70 und 71); fo geben doch die vier leiten Zeilen den Ausichlag. Sie heißen:

beim gief ec Erni

Effum brader

Sa mun af blovi

Siuga minn. Der Schwede überfest :

Then ſtora Druen

Wardar ing til ficck

488 Altdaͤniſche Heldenlicher von W. C. Grimm. -

Mitt bledh thet vida | Stall han och ſuga. Here Grimm aber: | i Dem Aar geb” ich Eine Speife; So and) mag a von meinem Blute ſaugen.

Man ſieht unſchwer, daß es dem REITER und nit der Schwediſchen Ueberſetzung nachgebildet iſt, oder feyn fol; aber es fällt auch plötzlich in die Augen, daß Hr. Sr. bie beyden Ausdrüde efftum und Sa mum nicht verftanden hat, nämlich damals, ala er dies ſchrieb. Daß er jetzt in Dereis nigung feines Fleißes mit einem, zu gleiher That geräfteten Bruder es nicht verftehen follte, zweifeln wir kaum. Es heißt:

Senem Adler geb ich |

Die lebte *) dev Speifen :

Der wird (fogar) von meinem

Blute nun faugen ! Er Hielt das Skandinaviſche fa’ für fo! es heiße aber ber, und er kannte mit das pronomen demonstrativum, fa’, fü, pal, noch nicht. Wie es fcheint, ein wahrer Beweis, daß wenig ftens Hr. W. ©r. bey Herausgabe des gegenwärtigen Werkes (Dfterm. ıdıı.) erft bie Standinavifhe Sprache zu lernen angfangen hat!

S. 537 zu 87. Klage König Waldemar des II, dum bre- vis esse laboro, obscurus fio. Wer nicht die Gefchichte ie ner Zeit im Gedaͤchtniß Hat, wird durch die rächfelhafte Ers Märung des Hrn. Sr. ftatt belehrt, vielmehr irre. Es fol eine Klage Waldemars des II. und doch über Waldemar den III. ſeyn! Das fcheint, dem erften Anblick nah, ein Wider: fpruh, weil die Klage Waldemars auch zur Noth als Klage um Waldemar Eönnte verftanden werden. Auch begreift mat auf der Stelle niht, wie KR. Waldemar der IT. um feinen anfcheinenden Nachfolger, Waldemar den IH., lagen kann.

*) Oder auch, wie der Schwede Üüberfehte, efftum zu erni gejogen, dem hochfliegenden Adler werd’ ich num ſelbſt zur Speife.

|

Mipänifche Gefdenlicder von W. C. Grimm; 189 Es hätte daher Hr. Sr. die Driginal, Auffchrift in den Kjempe⸗

viſern IV. P. Ne. 43. ©: 567, wo ausdrücklich ſteht: König

Waldemars des II. Klaggedicht über feines- Sohnes Tod nicht abfürgen, und zur Erläuterung, warum diefer vor ihm geflors bene Sohn gleichwohl die Regenten⸗Bezeichnung Waldemars des III. führe, anmerken follen, daß dieſer Prinz bereits zum König gekrönt war, aber noch vor feinem Water flarb, wie das auch Nyerup zur Deutlichkeit bemerkt in dem 4. Bd. feis nee Stildring af Tilftanden i Danmark og Norge, &. 255. Ueberhaupt komme dieſe Dunkelheit durch Kürze öfters vor, und man muß zuweilen in der That rathen.

©. 641 zu Ne. 89. Marft Stig (oder Marfhal Stig) und ſeine Tochter waͤre es nicht unintereſſant geweſen, die Marmora Danica anzuziehen, wenn gleich die dortigen Data unerweislich, und die von Stigs Töchtern Ode und Ade, wie Nyerup fagt, wirklich apokryphiſch find; denn wenn Marſk Stig ſchon im J. 1298 ftarb, konnten feine Töchter allerdings nicht erft 1460 begraben werdin.

Andy die Vorrede des Hrn. Verf. fann man von Dunkel heit nicht frey fprehen, und manches tft fo allgemein und abfprechend gefagt, daß man, wenn man ſich nad) Beweiſen und Thatſachen umſieht, in Verlegenheit if. Wir wollen es nicht rügen, daß Hr. Sr. meint, es fey Zeit, die Aufmerk⸗ ſamkeit endlich auch auf die Poefle des Nordens zu Ienfen, weiche doch ſchon laͤngſt durch Gerſtenberg, Denis, Herder und Graͤter darauf gelenkt war. Wenn er aber behauptet, „Daß es meiſtens nur die Mythologie geweſen ſey, die man aufgefucht habe, oft nur, um ihr eine Ungerechtigkeit anzus thun, und fi nah Beweiſen für eine Anſicht umzuſehen, bie fie im Voraus für eine Nachahmung der Griedjifchen und Römifhen ausgab, und melde kritiſche hieß,“ ſo verfichen wir entweder nicht, was Ar. Sr. damit fagen will, oder es it ein Vorwurf, der entweder nicht gegründet, oder hieher nicht paffend if. Denn unfers Willens ( abfirahirt von den Schriftſtellern des Nordens feibft) kennen wir in Deutſchland big jet feinen, der fill ex professo ‚mit der Erörterung und Darfielung der Nordifchen Mythologie beichäftigt hätte, ale Graͤter. Diefer ſtreitet aber ſogar gegen Vergleichungen mit

192 Alldaͤniſche Heldenlieder von W. €. Grimm.

Menge Beyſpiele belegen. Allein er will nur bey. einem eins gigen fliehen bleiben. Mir vergleichen das bekannte Jaͤgerlied in zwey Abdruͤcken, welche kaum 2o Jahre aus einander find: Es blies ein Jäger wohl in fein Horn (ſ. Herder von Deut⸗ ſcher Art und Kunft, deſſen Volkslieder, Stimmen der Völker, und Sräters Dragur und Arnim’s Wunderhorn ).

Schon in der dritten Strophe fangen beyde Abdräde ( Recenfionen? Hr. Sr. bedient fih immier diefes vornehmen Ausdrucks bey ſolchen Fällen, und mir können nit nmhin, auch das gelegenheitlic zu rügen. Verdienen denn wohl .folche Lichtfinnige Achtlofigkeiten des Volks, ſolche willkuͤhrliche, oft verfkand » und finnlofen Abänderungen einen Namen, welchen man den, mit hoher Gelehrſamkeit und Kritik bearbeiteten Tertausgaben eines Wertftein und Griesbach, eines Ernefli und. Heyne zu geben pflegt?) Abdrüde alfo ſchon in der dritten fangen fie an abzumweichen, auf folgende Art:

Sräberee Er ſchwung fein Hütchen wohl über den Strauß Der Zäger ritt wohl durch einen grünen Buſch

Fr. Es ſprung ein ſchwarzbraun Mädgen heraus Sp. Da ſprang ein ſchwarzbauns Mägdlein heraus, Fr. Hob fa fa fa, dra, ra, ra, ra

©. Denn Hopfafa, denn Vallerallera, ꝛc.

5. Stropbe. gr. Deine grofen Hunde, die thun mir nichts, ep. Deine großen Hunde, die beifen mir *) nicht, Sr. Sie wiſſen meine hohe weite Sprünge noch nicht Sp. Sie kennen meine honette Sprünge noch nicht, ꝛc.

*) Dffenbar nur der Sehler eines Sächfifchen oder überhaupt Nord⸗ lichen Setzers, der den Dativ und ei in on Fällen nicht za unterfcheiden wußte.

(Der Beſchluß folgt.)

DEZE TEN ae

No. 13. Heibeldergifge 4843, Jahrbücher der Litteratur.

Urdinifee Heldentieder, Valladen und Märchen überfeht von Wil«

beim Earl Grium. 1 Bechluß der in Ne. 12. ahgehrochenen Pecenfion. >

| Do genug zur Probe. Die hohen weiten Spruͤnge, von

denen ſich das ſchlaffe Gedaͤchtniß nur noch des ho erinnerte, und daraus honette! Spruͤnge machte, die großen Hunde, die mir nicht beißen, ſtatt mir nichts thun, und der Jaͤger, der durch einen gruͤnen Buſch reiten muß, ſtatt daß er ſein Huͤt⸗ chen wohl uͤber den Strauß ſchwingt, das freplich mit den Geſetzen der Ideenaſſociation ſchwer aus dem bloßen Gedaͤcht⸗

niß zu reſtituiren war, zumal da der Strauß ſelbſt ſchon ein

Gedaͤchtnißfehler und eine Verbeſſerung um des Reims willen fuͤr das vermuthlich aͤltere Strauch zu ſeyn ſcheint, dieſe wenigen, aus einem unzweydeutigen Beyſpiel herausgehobenen Proben der allmaͤhligen Abartung der Volkslieder von ihrer Urgeſtalt deuten klar genug auf den Weg hin, auf dem man weiter zu ſchließen hat; und wenn Hr. Gr. uͤberzeugt iſt, daß die dee einer folhen Abänderung gar nicht volksmaͤßig ſey! | (©. XIX der Vorrede) fo iſt es offenbar, daß er das Volk und ihre Lüeder noch gar nicht aus eigener Erfahrung kennt, und leßtere bloß an dem Pulte zu ſtudiren angefangen hat. Es klingt freylich prächtig ( wiewohl dunkel), wenn Br. : Sr. auf der vorhergehenden Seite (S. XVIII) fagt: „die Volkspoefie lebt gleihfam .im Ständ der Unſchuld, fie ift nackt, öhne Schmuck, das Abbild Gottes an ſich tragend; die Kunſt hat das Bewußtſeyn empfangen, fie kann den Much nicht mehe Haben, ihren Gegenftand Hinzuftellen, wie er ift, fons dern er muß umfleidet werden. Es ift darüber fein Streit, man muß es empfinden, aber diefe Kleidung iſt es, die wir in den Sefängen der Edda finden, dieſes Gemeſſene, Runde. Dadurch wird nicht gefagt, daß fie nicht > fehr einfach ſeyn 1

194 Atdänifche Heldenlieder von W. €. Grimm.

koͤnnen, noch wird Über den Rang zwiſchen bepden abgeurtheitt: wenn wir die Volkslieder wegen det Gewalt und der Wahr⸗ beit lieben, _mit- welcher fie das Leben und das Größte des Lebens nah vor uns hinftellen ; fo fehen wir in den Kunflges fangen alle Kräfte der Menſchheit gefteigert, die Helden idealer und zu den Göttern gerät!“ (Und nun zum Beweis eine Vergleihung der Thrymsquida mit dem. Dänifchen Volkslied von dem Tord von Meeresburg! )

Wahrlich ein großer Aufwand von ſchimmernden Gedan⸗ |

ten, um einen verkehrten Schuß zu machen. Denn man darf nur die Thrymsquida in Gräters befannter Verdeutſchung in den Nordiſchen Blumen leſen, und dann dieſen Tord von Meeresburg in Jegenwaͤrtigem Werke, wenn man ſich uͤber⸗ zeugen will, daß in dem letztern nicht das Groͤßte des Lebens vor uns hingeſtellt, noch weniger aber das Abbild Gottes darin erfenntlihh, Sondern daß es vielmehr von dem örtlichen nicht bloß zu dem Menfchlihen, ſondern zu einer wahrhaft pöbelhaften Verunſtaltung herabgeſunken if. Das läßt ih auch begreifen, denn wenn man annimmt, daß das Eddiſche Lied Höchftens in das achte Jahrhundert zuräck zu datiren fe, (welches in Vergleihung mit den Liedern des Thiodolfs von Hwin, die doch zum Theil einen großen Theil Kuͤnſtlichkeit mehr verrathen, wohl nicht zu gewagt iſt) das Dänifche Volks:

lied aber in dns ı6te Jahrhundert ſetzen, fo liegt gerade ein

Zeitraum von acht hundert Jahren mitten inne. Bedenkt mat nun, wie in odigem Beyſpiel nicht bloß die hohen weiten Sprünge in dem kurzen Zeitraum von 2o Jahren fehon zu honetten Sprüngen geworden find, fondern man fich auch die Freyheit genommen hat, nicht bloß Ausdruͤcke, fondern Um flände zu verändern, und aus dem Huͤtchen ſchwingen übe den Strauch ſchon ein Reiten dur den Buſch gu machen ſo läßt fi) denn wohl auch degreiflih finden, wie jin einem 40 mal längeren Zeitraum nur einige Hauptſtriche des alten Ges mäldes geblieben, die fhönflen Mittelzuͤge aber nebft dem ganzen antiken Colorit verwiſcht find.

"Nur ein Paar Züge zur Probe:

Altdaͤniſche Heldenlieder von W. €. Sri, |

Eddiſche Erzählung,

nach Gräters Ucberfehung en

Hinweg flog Locke Das Federgewand raufckte, Bis er binausfam Aus der Gotter Grenzen, Und bineintrat Ins Rieſenland.

Thrym ſaß auf einem Hügel, Der Riefen König!

Er fehnürte den Hunden ‚Das Soldband um, And feinen Bferden Strich er die Mahne.

Thbreym Wie ſtehts bey den Göttern 2

Wie ſtehts bey den Geiſtern?

Warum kommſt du allein Ins Rieſenland? Locke. Unbeil bey den Göttern! Unheil bey den Geiftern! Haft du des Donnerers Sammer. veritedt ?

Shbrym Ach babe des Donnerers

Hammer verſteckt Acht Meilen unter der Erde!

Niemand foll ibn Wieder erhalten, Bringt man mir nicht

Freya zur Frau.

4195

Diefe Züge Haben fih nun in achthundert nach und nach in dem Däntfhen Volkslied nah Hrn. Grimms Ueberſetzung ©, 142 auf folgende Art veraͤndert und vers

wiſcht:

196 Alwaͤniſche Heldenlieder von W. €. Grimm.

Das war Lade der Diener, Der fette fich ins Federkleid So og er in das Norden Gebürg, Weber das ſalzige Meer fo meit. Und müten in dem Burgbofe Da achfelt er fein Kleid, So ging er in den hoben Saal Vor den garfligen Tölpel ein. Willkommen, Locke, du Diener , Willlommen, bil-du büben? Wie ſteht es auf.der Meeresburg ? Und wie ſtehts im Lande drüben ? Wohl flieht es auf des Meeresburg‘, Und wohl ſtehts im Lande drüben. Tord bat verloren den Hammer fein, Drum bin ich kommen berüber. Tord feinen Hammer nicht wieder kriegt, Du kannſt die Wort' ihm ſagen, Fürnf und funfzig Faden tief Ziegt er in der Erde begraben. Tord feinen Hammer nicht wieder Eriegt, Das fag’ ich. frey zu bir: Ihr gebt denn Yungfegu Fridlefsborg Mit all’ Eurem Gute mir. -

Der ſchoͤne Homerifhe Zug, wie der Niefenkönig, auf dem Hügel figend, feinen Hunden mit eigener Hand das Golds band umſchnuͤrt, und feinen Pferden die Mähnen fireiche, iſt hier bereits gänzlich verloren gegangen. Eben fo auch andere trefflihe Stellen dieſer Art, wie Freya ob dem unwürdigen Antrag erzuͤrnt, und alle Goͤtterwohnungen unter ihr erbeben, und das große bligende Kleindd zerſpringt; wie dann Die delfen frahen, und flammend die Erde brannte, als Thor, der Sohn Dding, auf feinem Wagen nach Jörunheim fuhr! Was kann man aber wohl einem Volkslied, deffen altes, wahrs haft ſchoͤnes und mit erhaßenen Zügen ausgeſtattetes Urbitd man gluͤcklicher Weiſe neben fih Kar, unter folhen Umftänden für einen Werth beylegen ? poetifchen ? keinen. Haͤtte es wirk⸗ lid) eigenen poetifhen Werth, fo wärs es wahrlich nur Zufall,

Altdaͤniſche Heldenfieder von W. C. Grimm. 197

und würde diefer Werth den Werth) des Urbilds überfteigen, ein Wunder ! Um wie viel weniger no laͤßt fih ihnen ein hiforifcher Werth beylegen? Handgreiflich hat man «es ja, daß aus dem Donnergott Thor ein Nitter Tord (oder Tor) von Meeresburg, aus dem Thurfenkönig Thrym ein Toͤlpel (Din. Toffe, offenbar aus Thurs entflanden) Graf, und endlih aus der Goͤttin Freya eine Jungfrau Fridlefsburg ges worden ift. Da fuche man nun in der Geſchichte nach dieſer Fridlefsburg, und nad dem Tölpel und dem Tord! Alles Suchen und Forfhen ift vergeblih, und wohl kann es in dies fer Hinfiht einem Sram, und Suhm und Bartholin, die foihe heilloſe Entftellungen der Geichichte und felbft der Altes fin Sagen in diefen Volksliedern gewahr wurden, keineswegs verdacht werden, wenn fie diefen ganzen Kram, als unnüß für die Geſchichte, Feiner weitern Beachtung würdig halten zu mäffen glaubten. Ja, es läßt fd kaum Bergen, daß wohl auch die Hierin enthaltenen Lieder von Grimhild ic. zur Ers Märung und Würdigung der Eddifhen Lieder über diefe alten Heldenabentheuer kein größeres Gewicht haben mögen, als das Volkslied von Torn zur Erklärung der Thrymsquidn, wiewohl eine Zufammenftellung dieſer Art nichts deſto minder von hohem Intereſſe ſeyn Tann. Abgeſehen indeſſen von allem hiſtori— ſchen Werth, und denjenigen Stuͤcken, die noch ſchwache Wiederklaͤnge aus den Tagen der grauen Vorzeit, auch eben desiwegen Peine von dem Wolfe urfprünglich gedichtete, fons dern nur durch feinen Leichtfinn und feine Vergeſſenheit vers dordene und entftellte Lieder find, fo haben doch auch diefe Wiederflänge noch einen Werth, indem fie theils unmwiderlegs lihe Beurkundungen von der ehemiatigen Erifteng eines Urbilde find, theils uns doch noch manche Ahndungen der urfprünglis den Schönhete und manche Hauptſtriche des Alterthums duch Sahrhunderte Herüber gerettet haben.

Auch in diefer Hinſicht verdient das Werk des Krn. Sr., deſſen Verdienft um das Dänifche Kjemipevife Bog durch alle bisher vorgetragenen Einwendungen und Kügen keineswegs kann geſchmaͤlert werden, in der Bibliothek jedes Forſchers der Vorzeit und jedes Freundes der Kunſt und des Schoͤnen zu ſtehn. Er hat ung zuerft durch feine mie Fleiß, Sprachs

498 Cbribl. Kirchengefchichte von A. Michl.

und Sachkenntniß gemachten Ueberſetzungen das Verſtaͤndniß deſſelben geöffnet, und ung au ihrem Genuffe vorbereitet. Das fü: gebuͤhrt ihm der Dank Zeitgenoſſen, und wird ihm hiemit auch von dem Rec. mit der aufrichtigſten. Wahrheits⸗ liebe dargebracht. =

Shriftiche Lirchengeſchihte von Dr. Anton Mict, Koͤn. Bayr. geil. Rath und öffentl. Lehrer des Kirchenrechts und der Kirchen⸗ geſchichte zu Landshut. I. Bd. Zweyte verm. und verbeff. Auf. Münden ı8ı2. 596 u. xV1 S. ing... Bd. Zuſaͤtze zum erſten | enthaftend. 1811. 440 ©. in $.

Man muß fi fehr wundern, in der werbofferten Auflage diefes für ein Hauptcollegium auf einer berühmten Univerfität befiimmten Lehrbuchs noch fo viele antihiftoris fche Anfihten und andere unläugbare Fehler zu finden. Es iſt Rec. Pflicht, auf einige derſelben, und dadurch auf die Nothwen digkeit einer genauen Reviſionz die zum Theil eine wohl⸗ vorbereitete Umarbeitung werden müßte, aufmerkfan zu machen.

Daß Jeſus zur geeigneten Zeit als Meſſias erſchienen ſey, ſoll nach S. 21 auch dadurch erwieſen ſeyn, daß die Juden keinen Koͤnig aus ihrem Stamme mehr hatten, Antigonus aus den Maccabaͤern der letzte, und Herodes ein Idumaͤer, ein Fremdling geweſen ſey. Soll immer noch die Stelle, daß das Scepter nicht von Juda entwendet werde, auf den Meſſias bezogen werden, ſo iſt darin offenbar vom Stamm Juda, nicht von den Juden als Nation die Rede. Vom Stamm Juda aber war das Scepter ſchon weggekommen, da die Mac— cabaͤer, in Johannes Hyrcanus, Koͤnige wurden. Denn dieſe warten vom Stamm Levi. Wäre alſo des Verf. Argumens fation Über die, Schieklichkeit der Erfcheinung des Meſſias zum Grund zu legen, fo härte diefer ungefähr 130 Jahre früher, ehe Johannes Hyrcanus, der Maccabaͤtſche Levite, dag Scep⸗— ter nahm, auftreten muͤſſen. Schon von dort an war wirklich das Scepter von Juda's Stamm entwendet. Der Hiſtoriker

darf Chronologie und Geſchichte nicht nach der ——— ums formen !

Chriſtl. Airchengeſchichte von A. Michl. 199 Die Erzaͤhlung von der chriftl. Donnerlegion unter Ans teninus Pius verwirft S. 57, behauptet aber, Dio und meh— rere Auctoren,, auch die Antoniniſche Säule gu Rom ftellen ihn, den Antonin, ſelbſt, als den Jupiter pluvius ‚dar. Die Auctoren fagen hievon kein Wort. - Auf der Säule iſt ein Regengott, aber nicht Antenin, als foicher, dargeftell. S. Die Kupferabdräcdke von dieſer Säule, bey Fabretti. vgl. Baum⸗ garten Examen Mirsculi legionis fulminatricis contra Woolstonum. Halae 1740. 4. Der Dfterfireit wird &. 54 fo vorgetragen, als ob bie Frage gewefen wäre, ob die Ehriften ihr Opferfeft am viers jehnten Monde oder am Sonntage nah dem viers zehnten Monde feyern follten. Aber, mie man an oder nah dem. „viergehnten Monde“ Hftern halten könne, wird niemand begreifen. Die Frage betrifft den viergehns ten nach dem Neumond: Hier nennt der Verf. ſchon die Roͤm. Biſchoͤfe Anicet, Bictor, Stephan ıc. jedesmal Paͤbſte. Der Hiſtoriker kann doch nichts daran Ändern, daß bamals, 3. B. in Epprians Briefen, der Roͤm. Biſchof noch feinen andern Titel hatte, als jeder angefehene episcopus. In der bekannten Stelle des Juſtinus von der Eudariftie Apolog. I. $. 65. 66. erkandt fih der Verf. das Wort opfern eingufhieben, wovon im Terre feine Rede if. Hr. M. übers fest: worauf wir Brod und Wein mit Waffen, opfern. Der Teyrt ſagt: Alsdann wird dem Borfteher der Brüder Drod und ein Becher Waffer mit Wein gemifht dargereicht (zgooh£perar, affertur, nicht offertur ). Der Lateinifche Fleury, welchen der Verf. in der Note anführt, hat für mo- Taoov, Becher, fogar vini et aquae sacrificium einges heben. Sollen denn aber auch in unfern Zeiten noch dergleichen piae fraudes fortgefeßt werden ?_ Noch mehr: Juſtin ſagt: Wir nehmen die Euchariftie nicht als gemeines Brod, nicht als gemeinen Trank. Vielmehr, wie, durch einen Logos Bots tes, Jeſus Chriftus, unfer Heiland, Fleiſch geworden ift, und Zleifh und Blur wegen (Ude) unfers Heils gehabt Hat, fo, find wir auch gelehrt worden, daß die Nahrung, aus welcher unfer Fleifh und Blut nad der Umändes rung (dee Verdauung) zara ueraßoAnv genährt worden,

200. Eprißf: girchengeſchichte on W. Wit.

wenn fie durch Gebet und dad von ihm kommende Wert, Aöyas 6 rap. adroo, gefegner if, auch Zleiſch und Blut jenes fleuichgewordenen Jeſu ſey. So Zufin. Der Verf. behauptet, Juſtin ſtimme ganz genau mit der Lehre von der Transiubs Rantiation überein. Und doch erklärt Juſtin, dag die Sym⸗ boie der Encariftie eine Nahrung feyen, durch welche unfer Zleifh und Blut durch Transmutation ge nährt werden. Auch glauben viele Kirchenvaͤter, daß eben diefelbe in den Leib der Ehriften verwandelte Nahrung diefem zur Auferfighung geſchickt mache. Daran atio, daß die ſub⸗ ſtantielle Eigenfchaft jener Symbole, körperlich nahrhaft zu ſeyn aufböre, . dachte Juſtin nad nicht; er dachte vielmehr das Gegentheil. Was thut aber Hr. M.? Er, der Hiſtori⸗ ker, laͤßt die Stelle: aus welcher bis: genährt werden, ganz weg (©. 61), und fügt alsdann fogleich bey, daß dieſes (häßbare Document fo genau mit der Lehre feiner Kirche Übereinfiimme; ungeachtet Überdies Juſtin nicht fast, daß Brod und Wein Jeſu Leib und Blur irgend werde, fondern daß pie Symbole diefes ſeyen, weil Chrifius gefagt habe: dies ift mein Leib, iſt mein Blut! Juſtin Hiele fih vorſichtig an Jeſu Wort, ohne irgend ausdeuten zu wollen, in wiefern und wod urch Brod und Wein in der Euchariſtie Leib und Blue Chriſti ſey. Soll denn nun eine Ausdeutung , welche notoriich erft im Mittelalter zur Kir⸗ chenlehre canonifirt worden ift, und welche ſelbſt Gregor VII. lange Anftand nahm, gegen Berengar als Kirchenlehre aus zufprehen, foll und darf eine ſolche Auslegung den Hiſto⸗ riker auch in unfern Zeiten noch verleiten, in Leſebuͤchern für angehende Theologen die Terte des heiliggepriefenen Alterthums mit der Kirhendogmatit durch Auslaffungen in Harmonie zu feßen und durd) Einſchiebſel, wie opfern ſtatt dan bieten, umzuaͤndern?

Dagegen erlaubt ſich aber auch Hr. M. (S. 38) unſern ſo partheyloſen Leſſing unter die Feinde der chriſtli— chen Religion zu rechnen. Auch wird, wo irgend von einer freymuͤthigen Unterſuchung die Rede iſt, gewoͤhnlich die Andeutung gemacht, daß „der Proteſtant Semler* (©. 36) „die Proteſtanten Ernefi, Lei, Herder xc.“ (8.56)

Ehriſti. Kirdrengebiräte von A. Dicht, 201

dieſelbe gewagt haͤtten. Allerdings iſt dies gerade proteſtan⸗ tiſch, ungebunden von irgend einer vorgefaßten Meynung oder Auctoritaͤt jede moͤgliche Hypotheſe in ihrer vollen Staͤrke, in ihrer groͤßten Wahrſcheinlichkeit zu betrachten, weil ſie, wenn ihr nicht ihr volles Recht angethan wird, nicht mit Wahrheits⸗ ſinn gepräft, nicht entſchleden angenommen oder verworfen werden kann. Aber, um ihrer Meynungen willen, Texte des Alterthums durch Auslaſſungen und Einſchiebſel umzuwandeln, dies haben Leſſing, Erneſti ꝛc. nicht ger wagt; dies zu wagen haben ſie auch aus ihrem Proteſtantismus fiinen Ania genommen, feinen darin -aefunden !

8.62. „Die Taufe war anfangs nur von bem Biſchofe, weil die Firmung mit der Taufe verbunden‘ war, jedoch mit deſſen Erlanbniß arch von Prieſtern oder Disfonen, und im Nothfall fogae von Layen ertheilt.“ Anfangs nur von dem Bifhofe? Und doch hatte fetop Korinth, da Clem. Romanus jenen Brief der Röm. Gemeinde (nie eines Roͤm. Bilhofe) an die Korinthifhe Gemeinde dahin ſchrieb, noch feinen über die Presbyters erhobchen, ein« jeinen und eigenslichen Biſchof! Er nennt nur emioxönong (im Plural) xai drsaxsvovs, fo daß [ihm Erioxomor und zpeoßöreno: noch Synonyma find.

Aus Herders Adraſtea 1. St. ©. 1923 werden ©. 76 bie . wergiichen Worte angeführt: „Im Chriſtenthum gibt es kei— sen Klerus. Die Menfhheit (die Geſammtheit aller Herzlis den Verehrer Gottes) ift der erwählte Theil Gottes, Fein ausfhließender Stand. Vertilgt fol der Name, tie der Inbegriff, werden. Denn beyde find Reſte der Barbaren, den nuͤtzlichſten Ständen verähtlih.“ Kr. M. finder dies uns begreiflih. Die Lehrer, fagt er, der Hiftoriker, wurden bald Birhöfe, bald Priefter genanne, und führt dabey Act. @o. V. ım. und ad. an. Was aber fagt die Beweisſtelle hiſto⸗ riſch? Die Presöpters, die Aelteften , werden auch Episkopen, Aufſeher, genannt, weil fie, aber fie alle, und nicht bloß Einer unter ihnen, diefes bey der Gemeinde waren. Darf‘ nun der Hiftoriker angehende Theotogen in die Meynung verfehen, als ob Presbyter, senior, durch Priefter gu uͤberſetzen,

202 Chriſtl. Kirchengefthichte von A. Mil, und 'mit iepeds, sacerdas, damals fynenym geweien fey ? oder

als ob der allen Presbyters gegebene Beyname, Episkopos, das

mals den Begriff eines Biſchofs der fpätern Zeiten angedeutet Babe.

S. 79 ſagt: „Da die, Proteſtanten den Roͤm. Primat gerne umgeworfen haͤtten, zugleich aber die deutlichen Dokumente (7) des Alterthums nicht weglaͤugnen konnten, kamen einige aus ihnen auf den verzweifelten Einfall: Petrus ſey niemals zu Rom geweſen u. ſ. w. Die böfen Proteftanten ! Aber der genaue und partheylofe Hiflorts.” ter würde, flatt diefes polemifchen Tons, feinen angehenden Theologen vielmehr dies gefagt haben, daß die Proteftanten nicht erweistich finden, Petrus ſey als Biſchof zu’ Nom ges weſen; daß, wenn fein apoftolifhes Dafepn zu Nom den dortigen. bifhöflihen Primar begründen ;folte, An, tiochien den ähnlichen Anfpruch auf ein Primat gehabt” hätte:

daß Überhaupt nicht gegen das eigentlihe Primat (wenn

Biichöfe find, fo muß Einer der Erfte unter ihnen fepn!y, fondern gegen das Supremat und die Hieromonardie des Bischofs zu Nom proteflirt werde, wie nach dem Einge— fändniß des Verf. ſelbſt (S. 55) der heilige Cyprian fchon dagegen Bräftiger, als mir ee wiederholen moͤchten, fich erklaͤrt hat. Hr. M. erklaͤrt ſelbſt die Iſidoriſchen Decretalien S. 693 für Erdichtungen; und wer kann hiſtoriſch laͤug⸗ nen, daß das Univerſal⸗Supremat und dann der Hie ro⸗ deſpotismus des Bonifacius VIEL, . weichen Frankreich fhon unter Philipp dem Schönen zu brechen anfing, rechtlich betrachtet, nur auf der Zeitmennung ruhte, als ob jene Des crete uralte und Achte Kirchendocumente wären? Diefe Praͤm iſſe iſt längft weggefallen; ſelbſt von allen fahfundigen katholischen Gelehrten ift die vornehmlich durch Proteftanten enthuͤllte pia fraus, als ſolche, anerkannt; und dennoch) ſollte das Reſultat nicht zu bezweifeln, die Conclufion ohne Prämiffe geltend ſeyn? Die kathokiſche Kirche behauptet gu allen Zeiten die nämliche zu feun. Sobald der Roͤmiſche Primat fo. bes trachtet wird, wie ihn, nach allerdings deutlichen Documenten des Alterthums, der Heilige Biſchof Eyprian annahm , fo ifl

Chriſti. Kirchengefchichte von A. Dich, 203

diefer Streit großentheils geendigt. Die katholiſche Kirche ſelbſt wenigfiens und jeder ihrer. weltlichen Regenten kann, fobald die Diendo s Decretalten nicht nur an fi, fondern auch, wie narärlih, zugleich in ihren Folgen und Reſultaten, als das, wofür fie anerkannt find, behandelt werden, mit Recht nicht in Verlegenheit feyn, wenn, zum Beyſpiel, rechtmäßig ges wählten Bifhöfen von einem Primat, welches nicht ein gebietens des Supremat, nicht Univerfal s Eupremat ift, die Confirmation (was eigentlich bloß Anertennung der Unitat ſeyn fann) aus temporären Gründen verweigert wird.

Dem Rec. mangelt die Zeit, bie Parorame des Verf. weiter fort zu bemerken. Von K. Julian, deſſen richtigere Schilderung der Verf. aus Hrn. Prof. Neander's hiſto—⸗ tifhem Semälde über den 2. AJulianus und fein Zeitalter (CLeipzig ıdsa.) erfehen mag, ſpringt er ſogleich auf Muhammed, das beißt, vom 5. 360 auf das J. 591. Welche Anordnung der Darfellung! S. ı924 verfihert, Dis hammeds merkwuͤrdigſte Grundfäge aus dem Koran ausziehen zu wollen, und gibt fodann an: „Der verfprochene heilige Geiſt ſen Muhammed felöft, weil man in der Dibel nide Parakletus, fondern Periklitus (sic) leſen muͤſſe, welches Wort ſo viel als beruͤhmt heißt, und in der Arab. Sprache durch das Wort Muhammed ausgedruͤckt wird.“ Mo ſtuͤnde dergleichen etwas im Koran? Auch das Maͤhrchen vor der fallenden Suche bey Muhammed wird zweymal wies derholt. S. 123. 129, Nach Muhammed geht der Verf. auf Donatiften,, Arianer ıc. zuruͤck. Auch in Hinſicht der Sprache hat der Verf. nöthig, dem würdigen Ton getreuer gu bleiben. 3. B. ©. 140. „Vom Singen kam es (bey Artus) bald zum Lärmen.“ ©. 149. Priscillian waͤrmte die gnoftifhen Stundfäge wieder auf, S. 153 die Lehre des Pelagius zu verfleiftern. ©. 161. Man hörte nicht auf, an dem Hern Jeſus gu meiftern. Der IL Bond enthält theile eine weitere Ausführung einiger Paragraphen des Lehrbuchs, theils die Ergänzung mancher Materie, wie fie Hr. M. ohne Zweifel in feinen Vorlefungen zu geben pflegte. Die Behands lungsart ift die nämliche. Uebrigens füge Rec. auch mit Ders

204 ° Mahn Comm. de Apostolis & J.

genügen die Erklärung bey, daB mande Meaterien hiſtoriſch richtiger, den Auellen entfprechender, bearbeitet find. 3. €. G. Panlus.

Ern. Aug. Phil. Mahn, Wildunga - Waldecci, nunc ab Or- dinis theolog. Georgiae Augustae Repetentium Collegio, Comm. in qua ducibus quatuor Evangeliis Apostolorum- que scriptis distinguuntur tempora et notantur viae, quibus Apostoli Jesu doctrinam divinam sensim sensimque ımelius perspexerint. Goettingae 1811. 151 ©. in gr. 4.

Observationes exeget. ad difficiliora quaed. Vet. 1’. loca. Auct. E. A. Ph. Mahn. Goetting. b. Pietridh. 1512. 45 ©. 8.

Die erfte diefer Schriften Bat 180g den Preis bey der theol. Facultaͤt zu Göttingen erhalten. Durch bie zweyte er: warb fih der Verf. die philofophifche Doctorwärde und die Erlaubniß zu Vorleſungen. Beyde führen ihn unter die era getifch s gelehrte Theologen als einen Mann. ein, welcher bey fhönen Sprachkenntniſſen und großem Fleiß, verbunden mit einer beſcheidenen, aber nach Gruͤndlichkeit firebenden Prüs fungsgabe und einer unverfennbaren Empfänglichkeit für das Natuͤrlich s Wahre und Practifhe, bdie ihn auch zu einem Freunde Baco's gemacht zu haben fheint, für das Fach der oriental. und biblifchen Studien durch vergleihende Darſtel⸗ fung verfchiedener Anfichten und durch weitere Verbrteitung der beſſeren Ideen ſich vorzäglich näglih machen wird. Seine Arbeiten beweifen auch dur eine Fülle ( bisweilen moͤchte man fagen, ducch einen lUeberfluß) von Litteratur feine Ads tung gegen das fhon Vorhandene. Der Anfang altes eigenen Wiffens ift die Kenntniß und Prüfung der Vorarbeiten. Der ſicherſte Probierftein, ob ein angehender Gelehrter gu wahren Erfindungen in feinem Fach Talent‘ habe, iſt, wenn er in feinen Forfchungen öfters mit den beſten Vorgängern unges ſucht zufammentriff. Man muß wuͤnſchen, daß dem Verf. feine jeßige Anftellung zu Eaffel, als Profeffor am Lyceum, die nörhige Muße und Gelegenheit zu Fortfegung diefer Str dien nicht beengen möge.

Mahn Comm. de Apostolis I. C. 205

Die Preigfchrift geht aus von Zügen des Plans, welchen Jeſus hatte, bleibe aber doch allzu fehr bey dem bloß Relis gios Moratifchen ſtehen. Jeſus will ein Reich Gottes; er wil es durch Lehren und muftermäßiges Selbſthandeln bes gründen; er verbietet fih und andern durchaus alle Gewalt. Nur was aus Lieberzeugung komme, tft daurend! Aber doch will Zefus nicht, daß diefes Reich Gottes immer nur in eins jenen und bloß innerlih fey. Die Wesergeugten follen auch jnfammentreten nad) ihrer riorıs in Sefammtheit handeln, badurh an ihn als Oberhaupt, als einen durch Geil und Wahrheit, nie durch mwillfährlihe Gebote, wirkfamen Regenten ſich anſchließen, und wo möglich fi) fo ausbreiten, daß feine Kirche ein Staat Gottes, ein Simmel auf Erden, fey.

Die eigentlihe Abhandlung ſtellt drey Säge auf: ı. Die judaizirende Meynung der Apoftel von einem (mit mwunders barer Gewalt gegründeten ) irdifhen Meffiasreih fey durch Sefa Ermordung geſchwaͤcht, duch feine Auferfiehfung wieder erweckt worden (Apg. ı, 6.). Endlih aber haben fie ein bloß moralifches (?), auf Erden beginnendes, im Himmel (und auf der paradififh verwandelten Erde ?) fortdaurendes Gottesreich geglaubt. 9. Jeſu Abſicht, weldhe die gange Menſch⸗ heit umfaßte, haben ſie anſangs nicht durchſchaut. 8. Endlich aber Chriſtenthum ſvom Moſaiſchen Geſetz trennen und eine geſonderte Geſellſchaft fuͤr ihre Religion bilden gelernt. Wie der Verf. dieſe Saͤtze zu erweiſen ſuche, welche Modificatio⸗ nen dabey zu beruͤckſichtigen ſeyn moͤchten, geht uͤber den Raum einer Necenſion.

Aus der zweyten Schrift geben wir folgende Benfpiele. Der Verf. beftätigt die Schnurreriihe Erklärung des 91102 niNnD Nicht. 5, 2. Nach dem Arabifhen = 3 meldes im die Höhe reden bedeutet. Daher ei? Volkshaͤup⸗ ter. Auch Rec. pflege zu uͤberſetzen: Weil ſich Haͤupter unter Israel erhoben, weil das Volk freygeſinnt ſich gezeigt bat, dafür preifer Sjcehova! Auch Deut. 3a, 40. findet ſich die nämliche Bedeutung. (Erod. 32, 25. aber erklärt fih aus einem ganz verfhiedenen Stammwort f ausſchuͤtten,

206 Mahn Observat. ad diff. V. T. loca,

leer, kraftlos machen. Day FO, daß Ey

etwas Gegoſſenes und Ede den gießenden

Rüänftler bedeutet. Daher zugleich die: Anfpielung auf das gegoffene Kalb. „Mofe fah das Volk, daß es. wie aufs gegoffen war (Profüsum in scelus), weil Aharon es zum’ Sußbild, fusile, gemacht hatte, zum Scheufal vor den Feinden.) Zu > Rice. 5, 7. 11. vergleicht Hr. M. mit

+ 5 unterfcheiden, entfheiden, richten; ver⸗

ſteht aber darunter nicht Richter, ſondern viros stre- nuos. Es kann Überhaupt das, was ſich ausfondert, auszeichnet, vorzüglich iſt, bedeuten. Vgl. IT UN”

Hab. 3, 14. caput eximiorum. Auch .Erdkayi iſt :oft = duderrol. ef. ı7, 16. wird nom) als, Subſtantiv,

aegritudo, von’ non angenommen. Collectio frugum erit in’ diem moestitiae. Zu ef. 22,2. wird ‚bemerkt, daß Fon dfrers nicht den Berwundeten, ſondern den

Krieger bedeuten muͤſſe. Richt. 20, 3ı. 8. Sam. £, 18., wo auch die Aler. TROREINEO: feßte. Der Unterichied ruft

auf dem DenpelIR Cha * it Adit, transfodit und per-

fossus est, \m> aber castra metatus, grassatus est, nad

der Srundbeveutung solvit etiam ‘ad commorandum. Lebteres Verbum bebdeuter wohl einen der ſich nieders läßt, sarcinas solvens. Deswegen aber noch nicht: miles,

Sani iſt active transfossor bellator, passive bon trans- fossus- Jeſ. 25, 11. wird IT NIIIN ey überfeßt: ma- nibus adstrictis seu in pugnum compressis. D) fol in aeternum bedeuten; welches Rec nicht zu ermweifen wuͤßte. Prov. 7, 21. wird 3 mit Oo uecus dulcis, fructuum

coctione inspissatus, verglichen: inclinavit cum dulcedine Be sermonis sui. Vergl. Pf. 55 ae. zu Hohesl. .Prov. 5, ı9. 7, 18. beſtaͤtigt der Verf. für 0777

die suavia. Wahrſcheinlich waͤre D’717 und 0777 zu unterfcheiden. Letzteres ift is -Jusit,. Zu DINO

&

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De vi vocabuli xrioss auct. G. Chr. Grimm. 207

Hiob 5, 5. wird verglihen („Lo recondidit, und als Pars tieipiam 'Hiphit Überfege: abscondentes secum aufe- runt. uvr Habac. 2, 17. haͤlt Herr M. für die dritte

foeminine Perſon des Peal, vergleicht insidiatus est, und überfeßt: et vastatio bestiarum, (quae) irrumpent. Chab. 3, 18. wird a9] vom heiligen Reigentanz ev

färt: saliendo colam Jehovam.

H. E. G. Paulus.

De vi vocabuli *Tiets Rom. VIII, 19 seag- qua simul locus iste Paulinus explanatur. Auct. M. Gottlob Christ. Grimm, _eccl. Kleinwelsbacensis prope Longosalissam pastore. Lips. b. Breitkopf. 1812. 96 S. in 8.

Die Methode der eregetifchen Unterſuchung in diefer Eleis nen Schrift ift fehr richtig. Der Verf. ſucht durch die Präs dicate den eigentlihen Sinn des vieldeutigen Subjects gu beffimmen , und zeigt daneben, gleihfam im Vorbeygehen und ohne Anmaßung, warum nad diefer Vergleihung der Prädis cate diefe und jene der fonft angenommenen Deutungen des Subjects nicht zuzugeben ſey. Gerade durch eben diefe Un⸗ terfuhungsmerhode aber fcheint auch des Verf. Erklärung auss geihloffen gu werden. Er deutet xrioıs, aus dem Gegenfaß gegen die erften Chriften, die „Erſtlinge der Gottesfähne“ als Nihtchriften, vergleiht Marl. 16, 1. xnpdEnı TO soayy. naon Ti xriocı, Coloſſ. ı, 25. xnovydeis Ev nam vij arioeı TH nd ToV 0bpavor, und erinnert an xoauog ald Synonnmon. Matth. 18, 18. 1. Joh. 3, 1. Die philos logiſche Moͤglichkeit diefer Bedeutung iſt nicht zu läugnen. Wie aber paßt fie in den Zufammenhang ? Ders ıg. wird &.64 fo umfcdhrieben: qui carent nomine atque jure filio- rum Dei futuraeque salutis promisso, ( = xtioıg ), sperant adeo expectantque conditionem beatam Dei filiis desti- natam et asservatam. SKann-aber das Prädicat: fie hoffen und erwarten die Seligkeit der Chriften, den Nichtchris fen zugefchrieben werden ?_ Ein folches Erwarten würde ben Stauden vorausfegen, daß die Ehriften gewiß felig werden. Vers 2o. Non suo arbitrio (ut Christiani, qui mala cum christ. religionis professione conjuncta &xodcıoı susce- pisse dici poterant) sed per Deum rerum omnium recto- ıem malis submissi sunt (©. 80), sed Vs. 21. S. 65 sperat 7 xtiorg, fore ut et ipsa, quamvis sit »rioıg i, e. quamvis filiorum Dei juribus careat, liberetur.

f

208 . Mempria C. G. Heynü auot. Heerei.

Panlus aber ſagt nicht nur liberetur, fondern auch eis is Ehrvdegiav väs Hobng TAV Tixvav Too Deod. Wie könnte bey Nichtchriſten eine ſolche Hoffnung. der Befreyung von Ervenelend angenommen werden, Die fih irgend anf die Befreyung der Chriſten beziehe? an dieſe fih ans ſchließe? Der Apoftel konnte nicht vorausſetzen, daß fie den Chriſten dieſen Vorzug zufchrieben. Webrigend zeigt der Verf. fo viele Kenntniffe, Darfiellungsgabe, Gewandtheit im Lateinifhen Ausdrud und Humanität in der Beurtheilung Anderer, daß man feine Klagen Über Entfernung von litteras rifhen Huͤlfsmitteln nicht ohne Theilnahme lefen kann, und ihm eine feinen Studien angemefiene Lage fehr wünfhen muß.

H. E. G. Paulus.

Memoria Christiani Gottlob Heynii commendata in consessu reg. Spcietatis Scient. ad d. XXIV. Oct. MDCCCXII. ab Arn. Herm. Lud. Heeren. Gottingae typis Henrici Dieterich. 22 &. 4. 3 Here Heeren, von welchem die zahlreihen Freunde und

Schüler Heyne's die verheißene ausführliche Biographie deſſelben

mit Sehniucht erwarten , fchildert hier nur vorläufig mit Ruhe

und Klarheit, wie es eines Geſchichtſchreibers würdig ifl, die

Verhältniffe des Verewigten zur Uuiverfiräe Göttingen, welche

ihm einen fehr großen Theil ihres Ruhms verdankt, befons

ders aber feine Verhaͤltniſſe zu der mit der Univerfirät verbuns denen Societät der Wiffenfchaften, und gibt einen Umriß von feinen großen litterarifhen DVerdienften. Die hier mitgetheilten kurzen Nachrichten von dem frühern Leben Heyne's find zwar

im Ganzen den Freunden defielben ziemlich befannt, fie erhal⸗

ten aber doch einen eigenthümlichen Werth dadurch, DaB der

Verf. einen Auffab von der eigenen Hand des Verflorbenen:

über die Schiekiale feiner Jugend benußte, aus weihem S. 5

“folgende rührende Stelle mitgetheilt wird: „Ex omni mea

juvenili aetate, si eam memoria apud me repeto, nihil

prorsus occurrit, quod: jucupdum memoratu foret. In summa egestate, in penuria omnium commodorum, quae vitam optabilem vel tolerabilem saltem reddunt, nil aliud expertus sum, quam aliorum injurias ac oppressionem,*

Sehr angenehm. waren uns die Bemerkungen über Heyne's

Verbindung mit Muͤnchhauſen, welche auf die gahlreihen im

dem Nachlaſſe vorhandenen Briefe des berähmten Minifters

ſich gründend, den uneigennüßigen Sinn Heyne's gegen frühers bin verbreitete Fäfterungen ‚des Meides und der Mißgunft recht fertigen. Auch was ‚über feine Werhältniffe zu Winkelmann bemerkt wird, iſt fehr lefenswerth.

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No. 14. Heidelbergifäe | 1813. Jahrbüder der Litteratur.

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xXX

Das heilige Abendmahl, von Dr. Heinr. Stephani, K. Bayr. Kreisſchulrath (zu Anſpach) des Kön. St. Michael⸗Ordent Ehren⸗Nitter, und mehrerer gel. Geſellſch. Mitgliede. Mit 1. Kupfer. Sanbehnt 29 Krüll. 1811. 155 ©. 8.

Fam Abſchied aus feinen Verhaͤltniſſen als Kreisſchnlrath des

Lechkreiſes richtet der Verf. an die katholiſche Seiftlichs

keit jenes Kreifes, welche als Schulinfpectoren mit ihm in

Verbindung geſtanden waren, dieſe für die Verbündung aller

guten Menſchen, als Ehriften, merkwürdige Schrift mit den

Borten: „Die Guten trennt weder Eonfefflon noch Schickſal.

Sie fühlen fih ewig als Mitglieder jener einzig mahren Kirche,

der Unfichtbaren, verbunden. Hier nur erzieht uns dieſe in

verfchiedenen Abtheilungen füt ihr höheres Neid.“ Eben dies - ſes rege Gefühl der Vereinigung aller Gutgefinnten herrfcht in ber ganzen Darftellung. Ungeachtet des Beifs. Erklärung der / Worte Jeſu beym Abendmahl von allen: bisherigen abgeht, und feine Beurtheilung der vielfahen Abweichungen von dem Vorbild. der Stiftung, alle Confeffionen zu einem höheren urs

| frränglichen Zweck mit Enthufiasmas zuruͤckzuleiten ſtrebt,

verfaͤllt er doch niemals in einen polemiſchen Ton. Wie er ſich ſelbſt charakteriſirt, daß jene feine Amtsbruͤder ihn als einen Mann Lennen gelernt hätten, der „nichts fo feurig wuͤnſche, als das Anfehen der Religion in der Welt wieder recht wich fam machen,“ fo athmen auf diefe fünf Auffäse den Geiſt der Wahrhaftigkeit und Liebe, in dem Beftreben, durch Gründe zu Überzeugen, und zu Befolgung der Ueberzeugung durch lebhafte Darftellung zu rühren. „Ale Syſteme von GereHämern, auch unfre kirchlichen, haben (&. 7) gewiſſe Gentralpuncte, auf welchen ihre Haltbarkeit beruht. An diefe fege man den Hebel freymäthiger Unterfuhung an, und ihre

Waſſen werden zerſtiebend herabrollen und die Sonne der

14

210 Das heilige Abendmabl von H. Stephan.

Wahrheit niche mehr hindern.“ „Die von Jeſu ange: fangene (Kobffer 1, 24 8.) Eriöfung, des Mens fhengefhledhts kann (S. 9) nur dadburd zur Vollendung - gebracht werden, wenn alle Lehren und Gebräuche der chrifts lichen Kirche mit dem hohen Zweck der (Heiligung oder) Vers edlung immer mehr in Harmonie gefeßt werden.“

Nach diefen Srundideen erkennt der Verf. im der "Geyer des Abendmahls die Abfiht einer fortwährenden Bundess erneurung herzlih wahrer Chriften für zufammen

wirkende Ausäbung und Verwirklichung defien, was im

Chriſtenthum das Weientlihe if. Jeſu Worte: Dies iſt der (gemeinfhaftlihe) Kelh des neuen Bundes! feinen ihn ‚geleitet zu haben. Eben diefer Worte wegen ift auch fonft die Idee, ‚die Symbole des Abendmahls mit Bundesfpmbolen zu vergleis hen, ſchon Öfters aufgefaßt worden. Vgl. Worbs Ueber die Dundes s und.. Frenndichaftsipmbole der Morgenländer, zur Erläuterung mehrerer bibl. Stellen. Sorau 1792. Der Verf. tbut es auf eine in den Hauptgranden und in der Anwendung eigenthuͤmliche Art.

Faſt alle Voͤlker traten mit ihren Goͤttern * geſchlach⸗ tete Thiere in Verbindung, deren einen Theil man durch Feuer den Goͤttern gab, den andern aber die Menſchen in einem gottesdienftlichen Mahl verzehrten. So af man in Verbin⸗ dung mit den Göttern, auch nod zur Zeit des Urchriſtenthums (1. Kor. 10, 11.). Auch die Israeliten hatten in ſolchen Dpfermahlen Verbindung mit dem Altar des Sjchovah (eben: daf. V. 18.), und der Apoftel feßt in jener gangen Stelle das

Mahl des Heren in Aehnlichkeit mit jener die Gottheit und den

Menſchen mit einander verbindenden heilig gehaltenen Mahlen. Befonders bey Bündniffen wurden unter mancherley Mopifis

sationen, welche der Verf. ausführlich angibt, Thiere zerſtuͤt⸗ kelt, ihr Blut als Bundesblur gebrauht, wie ausdruͤcklich bey

dem theokratifchen VBerfaffungsbund Sehovahs mit den Seraeliten, Erod. 24, 8. vergl. 19, 1 11. das Bundespiut theils, auf die Seite der Gottheit bin, alio an den Altar,

verfprigt, theild aber in Becher gefüllt und auf die verbüändes |

ten Menichen, nachdem fie ihre Einwilligung in das Bundes Hefe gegeben hatten, geiprenge wurde. Alsdann wurde mit

Das heifige Abendmahl von 9. Siephani. 211

den Opferfleifch und mit Wein, flatt des Blutes, ein Bun⸗ desmahl gefeyert. Sogar wurde nicht felten ſelbſt etwas von dem Biute under Wein gemilcht, und auf dieſe Tchaners lichſte Weiſe die Verpflichtung zum Bunde auf Beben und Ted übernommen. Leber diefe hergerfchätternde Bitte gidt S. no die ausdruͤckliche Bemerkung dee Saluſt Bell, Gatilin. c 29. nicht nur Catilina, da er feine. Verbundene vereis dete, humanı corporis sanguinem vino permixtum circum- tulisse, fo daß fie davon post exsecrationem alle etwas ko⸗ fleten, fondern es fey auch, was die Hauptſache if, eben diefesbey den feyerlihen Weihungen Sitte ges weſen, „sicuti in solemnibus sacris fieri consuevit.“ Diefes letztere, als vorzüglich merkwürdig, hat der Werf. durch die fprechende Abbildung einer fehönen Gemme verfinnlicht, unter weiche eben jene Worte: sicuti . . consuevit gefeßt find, wahrfcheinlich um zu erinnern, daß Hier was ohnehin kein billiger Lefer der ganzen Schrift thun fann nicht an das, was in Catilina's Handlung aufrährerifches war, zu denken fey, wo vielmehr auf die Allgemeinheit jener befchriebenen heiligen Sitte ausdrücklich hing edeutet und ſie hiſtoriſch und antiquariſch bewieſen werde.

Dieſe allgemeinen Anſichten und Gefühle der Menden bey Heiligen Bundesmahlen, wie fie befonders au aus Ilias 3, 45 301. und Liv. ı, 24. vollkändig zu erkennen find, was ren, ſchon feit Geneſ. K. 15. 8.06. 8. 3ı, 46. auch bey den Süden. 2. Sam. 5 20. 1. Kön. ı, 25. Und da Seins beym Abendmahl den Kelch ausdrüdlih einen Kelch des neuen Berfaffungsbundes nennt, fo kann fein Zweifel feyn, daß er dabey an die alte Bundesverfaffung und deren Erod. 24. ers zählte Einweihung gedaht Habe. Eine aͤhnliche Conſecra⸗ tion ſeines Verfaſſungebundes war alſo ſeine Abſicht. Wie aber ſein Verfaſſungsbund ſelbſt viel humaner und univerſeller ſeyn follte, als der noch im unvermeidlichen Particularismus von Moſe geſtiftete, eben ſo mußte auch in den Symbolen das particulariſtiſche, das Paſchalamm, weggelaſſen nnd dages gen etwas allgemein Noͤthiges gebraucht werden. Dies war das bey dem Paſchamahl vorhandene Brod. Moſe hatte Fleifch, ein gebratenes Lamm, jur Hauptſpeiſe des Pafchar

®

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212 Das heilige Abendmahl von H. Gtephani.

mahls gemacht. Dies war ein Felt finnlicher Freude Aber finnlihe Erldfung Jeſu Bundesmahl fol aufs geiftige ‚gerichtet, fell fo wenig finnlih ‚fen, wie möglich. Moſe's Bundesſpeiſe, das Lamm, wurde von den Juden der Pas fh aleid,.0D MA, oöua voo 70x genannt. Einen - ſolchen Paſchaleib Hatten ſo eben. die‘ Tifhgenoffen Jeſn nebſt ihm genofien. Noch lagen Biffen davon vor ihnen, weit das Mahl mie einem folhen Biffen von dem Pafchaleib aes fehlopgen werden mußte. Hier nahm Jeſus einen Brodkuchen, ſprach darüber den gewöhnlichen Dank gegen Gott, zerbradh uud gab ihn (nah Hrn. St: Erklärung) mit den Worten« dies ik meim Leib, nämlid mein Paſchaleib, Pas, was ich ſtart des Pafchaleibs zu nehmen verordne. Der Sinn wäre: dies tft meine Bunvdedfyeife, das univerfellere, unent⸗ behrliche Symbol der (nicht mehr particnlariftifchen, nicht bloß nationellen) Verbuͤndung und MWerbräderung aller Gut—⸗ geſinnten. ——

Allerdings frappirt anfangs dieſer Anlaß, mit einemmal in den Worten Jeſu nichts mehr von dem eigenen Leib und Blut deſſelben zn finden. Mit einemmal wäre das oupoe auf das cöya Tod ndoxa zu beziehen. Aber, genauer, wiederhofter, uneingenommen betrachtend, wird wenigſtens die philologifche Worterklaͤrung nichts gegen die Anficht einwenden, daß Jeſus bey den Worten, dies Brod iſt mein Leib, gerade dieſes ‚gedacht haben könne: das alte ouua Toö nacya ift nicht mehr mein ou, Brod foll dagegen mein odua (sc. od .naoxa) feyn! Ferner: das alte levitiſche Schladytopfers Hlut iſt nie „mein“ Blur. In Zukunft fol diefer Wein mein Diut, das Blut des neuen Verfaffungsbundes feyn. Er fagt fogar amsdrädlih fogleih in den nächften Verſen bey Matth. und Markus, daß er keinen Paſchawein mehr trinke, daB er auf eine neue Weiſe Wein trinten werde. Das Neue tritt an die Stelle des Alten. So fagte Er bey Soh. 4, 54. Meine Speife if, daß ich thue den Willen Gottes, und der Sinn iſt: flatt der Speifen, welche ihr bringet, if das Wirken nach Gottes Willen-mir zur Nahrung. Entfcheiden könnte man über die Auslegung, wenn Wir die

Das heilige Abendmahl Ivon H. Stephani. 13

begktitenden Gebaͤrden Jeſu mit Hätten anfehen können. Sah er bey dem Wort vöum auf das vorliegende odua Toü Tra- 07 Wer kann dies entſcheiden? Aber auch bey der gewoͤhn⸗ lichen Erklaͤcrung ift es ebenfalls nur hinzugedache, daß Jeſus bey den Worten ooud ov auf feinem Lerb gedeutet oder ger blidt Habe, Daß man fie lange fo verſtund, beweiſ't nicht, daß man nicht lange geirrt haben könne. Denkt man fi

lebhaft an den Paſchatiſch Hin, wo Jeſus mit feinen Juͤngern

io lebend faß, fo hat es doch feine eigene Schwierigkeit, gu

denfen : er babe ihnen Brod hingegeben, welches, in irgend einem eigentlichen Sinn, fein noch als ein Ganzes vor ihnen lebender Leib feyn follte!

Hr. St. vereinigt auch die Übrigen Stellen des N. T. mit feinee Erklärung. Man konnte fpäterhin die Symbole Brod und Wein vun xpıoToö, ala xpıosoö nennen, in ſofern ee ſelbſt ſie feinen Pafchaleib, fein Bundesblut ger

nannt hatte. Wer einem jüdifchen Opfermahl, =) Mar,

beywohnte, erklärte, wie 3. Kor. ı0, 18. fagt, nad) damals gen Begriffen fih für einen Theilnehmer an dem Altar;

wer den geweihten Becher, das gebrochene Brod der Chriften

genoß, erklärte fich ſelbſt eben fo (V. 16.) für die Theil⸗ nahme an dem, was der Herr für feinen (Paſcha⸗) Leib, für fein Bundesblut erklärt Hatte, und dadurch für den Vor⸗ fa, ein Tifhgenofe des Herrn (V. 21.), ein Gaſtfreund bey des Herren Mahl, deinvov xvpıaxoy (11, 20.), und

ein Verbuͤndeter des Geiſtigen Einen ooua Jeſu, der Ge

meinde, zu feyn (10, 17.). Selbſt die legte offenbar geiftig deusende Stelle fcheint zu zeigen, daß ou im ganzen Con⸗ tepte niche leiblich zu verſtehen ſey. Eine coena dominica muß doch nicht ein Mahl feyn, wo dominus ve] aliquid de domino comeditur; etwa wie Hamlet fagt, Act. IV. a sup- per, not where he eats, but where he is eaten. Wer dann nach 1. Kar. 11, 21. lieblos und üppig bey einem fols Gen Chriſtenmahl fih bewies, wer alfo unanftändig und uns würdig das vom Herrn eingefegte Brod und Wein genoß, der

verſchuldete fih V. 27. gegen das, was der Kerr, flatt der

Paſchaſymbole, feine Symbole, fein oöra x. alu“ genannt

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[4

MA Das heilige Abendmabl von H. Stephani.

Hatte. Er behandelt das, mas Seins fein ouua genannt hat, nicht mit würdiger Auszeichnung, dıiaxeivov. V. 29. Da Sefus felb des Bluts noch befonders erwähnt, fo würde Er, kann man wohl hinzufegen, nicht os, fondern oapE. Fleifh, dem Blut parallel geftelle haben (wie oh. 6, 54. ‚65.), wenn er an fein eigen Fleifch und Blut gedqcht hätte. Der Leib, wie auch im Streit über den Kelch oft bemerkt wurde, ‚würde fchon auch das Blut begreifen, wenn von einem bes lebten Leibe nad) der gewöhnlichen Auslegung die Rede wäre.‘ Rec. bat fih noch die Einwendung gemacht, daß das Paſchamahl an fi nicht ein Verbändungsmahl, viel—⸗ mehr die Feſtmahlzeit zur Erinnerung an die Erldfung aus Aegypten war. Der Verfaffungsbund. der Sjsraeliten entftand - erft nad) dem Auszug. Erod. 24. Allein, daß Jeſus an Feyer eines Verfaſſungsbundes dachte, bleibt durch feine eigene Andestung: Tb aiıa uov, TO Tüs xaıyis dadNenz, worin alle drey Evangelien harmoniren, entfchieden. Jeſus konnte auch ſchon auf Gottes Bund mit Abraham Senef. 17,9 15, 18. zurüdfehen. Er vereinigt Erinnerungss und Ben buͤndungs feyer. Aber für das eigentlihe, . particuläre Erinnerungsfymbol, den Paſchaleib, ſetzt Er ein allges meinereds. Uebrigens bat, wie auch &. 56 anzeigt, fchon Pfaff in feinen Institutionibus Theologiae dogm. et moralis (Ed. II. 1721. ) p. 691 die Andeutung gemacht: Christus hoc sacramentum institut ad analogiam coenae Paschalıs.. . Et verba roöro ori To ooud pov ex phrasiJudaica explicamus: Judaeis enim agnus Paschalis assus, atque in mensa positus olim dicebatur

—J DIN corpus Paschatis. Mur die Anwen—

2 dung, welche Ar. St. hievon macht, war fuͤr jene Zeit noch nicht moͤglich, nicht vorbereitet genug.

Aber auch, wenn dieſe Anwendung nicht Über die philolo⸗ giſche Möglichkeit hinaus erwiefen werden fann, bleibt doch, nad) des Rec. Einfiht, alles das, was Hr. ©t. über ‚die Deutungen der Abendmahlsworte ins Lnbegreiflihe, und dann uͤber die practifch veredlende Anwendung diefes eigens thuͤmlichen Chriſtenmahls weiter folgen laͤßt, in gleichem Werth.

Das Heilige Abendmabl von H. Stephan. . 215

Oceimutfiwolles kann nichts darin liegen; denn dies, wenn es eine Aufgabe für den Glauben feyn follte, müßte von Je⸗ fas in beffimmten Worten zur Aufgabe, zur Glaubensprobe, gemacht feyn. Oder wußte etwa Jeſus weniger, als ein Cons dlium im Mittelalter und die fonftigen Verf. von Glaubens— normen, die angemefjenften Worte für das, was man hier zu glauben Habe. Das gewiß ausgefprochene iſt, daß feine Hands lang auf einen neuen Verfaffungsbund fih beziehen folte., Daß e8 Erinnerungsmahl an Zefa Aufopferung für eben diefen Bund werden mußte, daß die Chriſten, fo oft fie es als Ehriften zuiammen aßen, in den bittern Gedans fen, in den hergerfhürternden Ausruf ansbrehen mußten: Sie haben uns den Meifter erfhlagen! (1. Kor. ı1. 26.) dies lag ohnehin in der Natur der Sache. Eben fo gewiß ift es, daß Brod und Wein nie Symbole eines Suͤndopfers waren, daß felbft das Paihalamm gu den frohen Gluͤcksopfern, 8 nicht in die Claſſe der Suͤnd⸗ oder Schuldopfer gehoͤrte, daß alſo auch bey dem dafuͤr geſetzten Bundesmahl an alles eher, als an ein Opfer für Süns den von den erſten Ehriften gedacht werden fonnte, die ale gebohrne Juden mit der DOpfertheorie von Kindheit auf beſſer, als mander Theologe, bekannt waren. Selbſt der Apoftel Daulus hat nie von dem Mahl des Herrn eine Ans wendung diefer Art gemacht. Die Betrachtung, daß es Buns desmahl fey, bleibt alfo auf jeden Fall.

Mit ſchoͤnem Enthuſiasmus flellt es denn auch der Verf. | als Verbrüderung für ein Gottesreich, für eine mit Gott hars monierende Weltordnung,, ale Erneurung eines Bundesſchwurs für die Verbuͤndung mit allen Gutgefinnten, als das große Samtlienmahl aller Gottesfinder unter dem Einen, ewigen, - heiligen Vater, dar. Er eifert S. 99 darüber, daß es zum Mahl für die große Süänderzunft gemacht fey. „Wie woller ihr den Menihen je dahin bringen, den mühevollen Kampf für die Tugend zu beftehen, wenn ihr ihm ein aͤuße⸗ res Mittel anweiſet, durch defien Gebrauch er ohne innere Anftrengung den Tugendhafteften gleich geftelle werden könne? Er gibt liturgiſche Vorſchlaͤge darüber, Leider feine

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216 Das beitige Abendmahl von. H. Stephant..

Anfiht au in eine Abendmahlsrede en, melde durchr aus zweckmäßig fcheine, und verbindet damit paffende Ges fänge, melde den beften ung befannten nicht nachſtehen. Alles diefes aber iſt, wie es jeßt faft nicht anders ſeyn ann, auf die großen, gemifchten Verfammlungen in Kirchen berech⸗ net. Hierdurch wird immer das Bundesmahl auf die bloßen Symbole eingefchräntt. Wie ganz anders. mußte es in den noch befiern Zeiten des Chriſtenthums wirken, wenn verttaute Chriftenverfammlungen wirklich ihre coena zuſammen afen, als folhe, die fi ihres Chriſtus freuten, nur ihn und feinen Bundeszweck, alles Wahre und Gute, zum Tiſchaeſpraͤch machten, und endlih am Schluß: eines ſolchen aͤchten Chriſten⸗ mahls höher geffimmt und gu manden guten Vorſaͤtzen neu erwärmt, ihren Jeſus feldft fich vergegenwärtigten,. wie er einft, am legten Abend feiner kaum begonnenen Lebensbahn, des Verraths zum Tode gewiß, aber auch gewiß feines Vort faßes, daß der Sieg des Guten nur durch Weberzeugung, nicht buch Gewalt zu bewirken fey, die treubleibende kleine Heerde, wie der alte königliche Prieſter Melchiſedek Genel. 14, 18. durh Brod und Wein zu einem Bundesmahl vers einigte, welches in der Folge eilf Galilaͤiſchen Männern die Stärke gab, feine kurze Wirkſamkeit für den gebilderften Theil dee Welt unverlöfhlid, fegensreih zu machen... Auch die tor lirte Beyer des Bundesmahls in den Kirchen if allerdings feinem Heiligen Zweck fo nahe als möglich zu bringen... Et fcheint aber doch unvermeidlih, daß fie nur wie ein. Symbol der urfpränglichen Einrichtung bleibe. Die Hauptbedingung des Effects wird allein in engeren Tirkeln denkbar feyn, mo wirkliche Chriftusfreunde als ſolche einen heiligen Abend feyern, wo der Mund von dem, wovon ihr Herz voll iſt, vertraulich Überfließt, und, gleihfam Kohle an Kohle gelegt, die Ale der Konvenienzen weggehauht wird. Auch Jeſus erwartete das Meifte von kleinen Gefellfhaften Sleihgefinnter;

wo zwey oder drey folhe beyfammen wären, wollte er de Tiſchgenoſſe, der Inhalt ihrer Tifchreden, fenn. Daß alsdann alle dergleichen kleinere Cirkel gu allgemeinen Zwecken dei Bundes für alles Gute harmonieren und aus allen Kräften zufammen wirken, deswegen immer auch zugleich eine Kirche überhaupt bilden follten, ergibt fi) aus der Natur der Sache. Geben uns doch die wirffamfien der für ideale Zwecke verein ten Verbruͤderungen eben dieſes Beyſpiel des Wirkens aus kleinen vertrauten Kreiſen in Rie vielfacher zufammengefehte

Sefammtheit.“ | ' H. E. G. Paulus.

Ueber Rellgionsvereinigung von F. Stewdel. 217

Ueber Neligioncverelnigu Ein Wort Vroͤfung und vfner (offener) Erflärung als Beytrag zur Pr Des griedens in der chriſtl. Kirche. Don Fried. Steudel, Diakonus zu Cant⸗

ade Cjeht zu Tübingen). Gtuttgart bey Mezler. 1511. VALLE

und 223 ©. in S.

Rec. will diefe beſcheidene, gher ſtandhafte Proteftation | gegen Erregung eines neuen Unfriedens zwifhen der katholiſchen und proteftantifhen Kirche, meift durch fich

ſelbſt, durch Auszüge ihrer eigenen Worte, charakterifiten, da He fehr vieles Wahre und Sure, nur bisweilen durch eine verwickelte Periodologte in etwas verdunkelt, darbietet. In Beziehung auf die „Friedensworte an die katholiſche und proteſtantiſche Kirche für ihre Wiedervereinigung“ ( Sulzbach | 1810.) eine Schrift, welche jede Bitterkeit and Lieblofigkeit zu vermeiden vorgibt, will der Verf. ins Licht ftellen, Daß der Prtoteſtant weiß, was er glaube und warum er es glaubt, daß eben deawegen die Proteffanten feine Gründe haben, fih als religidfe Geſellſchaft aufzuldien und der Farholifhen beyzutreten. Er wollte nice einen andern irre madhen in dem, was diefer glaubt, aber dartegen, daß der Proteftant keinen Grund babe, in dem,’ was er glaube, ſich irre machen zu laſſen.

Die Frtedensworte wiederholen das befannte Wißs fpiel, daß man entweder Katholik feyn, oder Deift werden muͤſſe. Wenn die Latholiihe Kirche and, zugeftehe, daß in ihr zu einer gewiſſen Zeit Mißbraͤuche flatt gefuns den haben, fo fey fie doch die ächte chriftl. Kirche, und ihr Syſtem das einzig confequente chriftlihe. Kr. St. iſt fo friedliebend , nicht fogleich zu fragen, eb es confequent fen, in einer unträglicdren Lehranftale Mißbraͤuche, ſelbſt durch den Repräfentanten der infalliblen Kirdye autorifirte Mißbraͤuche (wid Ablaß um Geld ) jemals einzugeſtehen? Wenn die Ges ſchichte ſo oft, fo unlaͤugbar dag Gegentheil von Infallibilitaͤt der Kirche documentirt, fo wird man eher zu einer andern Antichefe gedrungen : dafl man entweder Proteftant oder Deift ſeyn müffe! Die untruͤgliche Kirhe, melde ben Dffens bahrungsglauben fihern fol, ift geichichtlich nicht gu finden. Er muß alſo entweder rationell gefihert werden, oder müßte er gar nicht zu fihern ſeyn. Kr. St. erllärt daher mit ruhiger Beſtimmtheit: was die proteftantifhe Kirche fy. Sie iſt ihm eine Sefellihaft, welche in Gegenftänden des relig ißſen Slaubens als enticheidend nur das Ans fehen der Bibel gelten laffen, von deren göftlihem Ur⸗ fpeunge Der eigene freye Gebrauch der Vernunft fie überzeuge, und weiche fie nur mit. Huͤlfe ihrer eiges

nen Bernunft erklaͤre. Durch diefen genetifhen Begriff

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218. UkReber Religionsvereiwigung von F. Gtendel.

der proteſtantiſchen Kirche iſt allerdings gezeigt, daß Proteflans sismus und Rationalismus nicht einander entgegen, fondern zugleich zu feßen find. Der Proteflantismus ift bibliſcher Nationalismus Mur das, mas nod) allzu vieldentig ift in des Verf. Ausdruck, daß, der Proteffantismus in Hinſicht der Religion allein das Anſchen der Bibel.gelten laſſe, fors dert noch genauere Beflimmung. Die Bibel enthält vieles, was nicht zum Wefentlidhen der Religion gehört, und auch das zur Religion gehörige gibt fie in einer zur Vollkommenheit foreichreitenden Entwicklung. Das alte Teftament enthält auch ſchon Religionsoffendbahrungen, die aus religidjer Begeiſterung entftunden. Im neuen Teftament aber fihreiten fie zur weites ren Vervolllommnung fort. Die proteftantifhe Kirche nun, wenn fie deutlich erflärt, was fie unter dem Anfehen der Bibel veritehe, eikennt aus vernänftigem Nachdenken, daß alles, mas in der Bibel als wefentlihe Neligionswahrheit ges offendahrt iſt, das volllommenfte und zureichendfte unter allen Religionseinſichten iſt, die als Offenbahrungen aus veligiöfer Begeifterung en:ftunden. Eben deswegen aber muß diefe Kirche, auferdem daß fie bey Entdeckung des Uriprungs und des Wort finns diefer Offenbahrung die eigene Vernunft gebraudht, die nämliche das Goͤttliche fuchende Geiſteskraft auch noch dazu ges brauchen, daß fie den übrigen, vielfachen Spnhale der Bibel von dem unterfcheide, was innerhalb der Bibel als weſentlich⸗ religidfe Wahrheit aus beiliger Begeifterung ung in Lehren oder Beyſpielen vorgehalten wird. Wie richtig unterſcheidet auch der äftheriich : philofophiihe Scharffinn Plank's (in feiner Einleitung in die theol. Wiffenih. fhon 1795.) Bibel und bibtifch s geoffendahrte Neligionswahrheit. Er erkennt es als „allgemeine Rege! (IT. Th. &. 404), daß die fuftematiiche Theologie ihre Schrifebeweife nur aus folhen Stellen ziehen folle, von denen es gewiß iſt, Daß fie eine Belehrung und

‚gwar eine für alle Zeiten beffimmte Belehrung

über Religionswahrheiten enthalten,“ mit (&.409) der.doppelten Bemerkung, daß „nicht in allem, was von Sein und den Apofteln herrährt, ein dogmatiſcher Reli— gionsunterriche gefucht werden darf, daß man aber auf jedesmal fih fehr beftimmter Gründe bewußt feyn muͤſſe, wenn man fi in einem befondern Fall erlauben will, einem eregetifch wahren Ausiprud, Chriſti oder der Apoftel die dogs matifche Wahrheit abzufpreihen.“ Wird dieje genauere der flimmung , daß und in wiefern der Bernunftgebraud, des Pros teftantismus fi nicht nur auf die Bräliminarien der Theologie, auh nicht allein auf die Eregeie beziehe, fondern überdies auf den Inhalt der Dogmatik ſelbſt, als eines Syſtems

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ueber Religionspereinigung von F Steudel. 219

der wefentlihen Religionswahrheiten, gewiſſenhaft anzuwenden und conſequent durchzuführen ſey, vollſtaͤndig erwogen, fo ers het, daß aͤchter Proteſtantismus jederzeit bibliſcher Ras tionalismus war, und bleiben wird, nie aber in einen bloßen Deismus (tn eine alle Dffenbahrungsauctorität laͤug⸗ nende Neligionsphilofophie ) ausarten kann. Die Gottheit führt die Menfchen durch zwey Wege zu Religionseinfichten. Entweder ift man, bey den vom Water der Geiſter veranflals teten Weranlafffingen zur Ueberzeugung, fih des eigenen Nachs denfens und aller Umſtaͤnde bewußt, wodurd man die Einficht erreicht; oder wird fie dem Andachtsvollen aus feinem innigften Gefühl für das Heilig s Religidie mit Begeiſterung offenbar, d. h. fo klar und wahr, daß er fid feiner Wirkfamkeit dabey nicht bewußt iſt. So lange die Geſchichte zeigt, daB Bott die Menſchen auf diefen beyden Wegen za ihrer religiäfen Erziehung leitete, und fo lange es gewiß ift, daß befonders bey der Re—⸗ ligion Geift und Herz, Nachdenken und Gefühle vereinigt wirken, einander beleben und berichtigen follen, . eben fo lange wird fich die bibl. Offenbahrungsiehre nicht vom Ras tionalismus, und diefer fih nicht von dem Biblicismus trennen. Diefes beydes aber wird Geſchichte und Menfchens fenntniß immer zeigen; mogegen es Srrationaligmus wäre, als Glauben vorzufchreiben, dab auch etwas den aners kannten, unläugbaren Einfihten entgegengefeßtes dennoch Dffens bahrungsmahrheit feyn könne. Und fo flimmt auch mit den Srundideen der Stifter des Proteflantismus jeder Protes ſtant überein, welcher fi) zum biblifhen Nationalismus in obigem Sinn bekennt, weil auch Lurher, Melanchthon ꝛc., was fie aus der Bibel ale Aufgabe des religiöfen Glaubens behaupteten , nur wegen der Vorausſetzung behaupter haben, daß es dort als wefentliche und andern unläugbaren Einfihten nicht entgegenfiehende Religionslehre vorkomme. Sind denn gleich die proteftantifchen Gelehrten noch nicht Über den ganzen Anhalt des biblifhen Nationalismus nad) jedem einzelnen Theil axegetiſch und dogmatifch einig, ſo ift dies doch nur eine ins nere Differenz, die bey fo verjhiedenen Stufen von Vor— fenntniffen und Einfichten bisher unvermeidlich, zugleich aber

‚ein Zeichen des geifligen Lebens und Selbfiforfhens war. Der

Unterfchied felbft befteht nur darin, daß der Eine mehrere, der Andere wenigere Säße geoffenbart findet, welche er zum Wefentlihen der Neligionsbelehrung rechnen zu dürfen überzeugt ifi-. Dawider aber, daß irgend etwas, das in der Bibel nicht geoffenbare ift, durch irgend eine in Mens (hen fortdaurende Sjnfallibllität zur Religionswahrheit, oder auch nur zu einem abjolut nothwendigen zeligidfen Ritus ers

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220° uUeber Rellgionsvereimigung von F. Gtendel.

hoben merden könne, ſtimmen alle Proteflanten nur defto kraͤftiger zuſammen, wenn gleich ihre biblifher Nationalismus bey manchem weniger, bey andern vollftändiger durchgeführt and wiffenihaftlich ausgearbeitet erfcheint. Leber die negies rende Stellung des Proteflantismus gibt es eine Differenz; aber auch der affirmirende Theil deffelben (denn der Bors wurf, daß der Proteftantismus nur neaierend fey, tft ohner bin abermals ein bloßes Wortfpiel! ) zeige fih in,allen weſent⸗— lihen Puncten weit mehr zufammienflimmend,” als die Diffes renzien es vermuthen laſſen mögen, welche in der That nur Bas, was zur Einkleidung und unter die temporären Begriffe I vechnen fey, betreffen. Und fo, mie dieſer affirmirende heit des Proteſtantismus für Die Religion das Wichtigfle tft, eben fo bleibe der negterende, die Proteflation gegen ‚allen Slaubensswang, für die Eultur dee Menſchheit äberhaupe hoͤchſt wichtig. „Nur dagegen (S. 82) firäubte fi) unfer ganzes Wefen, wo das Sdttlihe durch menichliche Zugabe entwärdigt, oder gar verdrängt werden follte.“ S.134. „Selbſt die Taͤuſchung in der Meynung, man’ denke felöft, iſt noch ehrenvoller und nährender für das Gute, “als das des müthigende Wegwerfen feiner feloft, womit man fih unfähig glaube, auch ſelbſt zu denken,“ d. h. anflatt eines gebotenen Auctoritaͤtsglaubens einen Weberzengungsglauben zu haben, wel⸗ cher allerdings achtbare Auctoritäten auch vergleicht und bes nu&t, eben deswegen aber z. B weder durd) die rohen Producte des Mittelalters fidy ſeſſeln läßt, ndch bey einem Kirchenlehrer, welcher, wie Auguſtinus die Bibel nur lateinifch lefen Fonnte, richtige Eregefe und Anwendung ſchwerer Stellen erwartet. ©. 135. „Wer jebt noch dem Chriſtenvolke von einer uns eräglihen Lehranftalt voripriche (die Friedensworte fpres hen nad dem Modeton, daß wenigftens das Wolf eine folche Religion bedärfe!), der muß, wenn er von dem vernünftigen Theile, ſelbſt der Katholiken, gehört werden mil, vorher vielleicht mehr als Einen Foltoband fcdhreiben, in dem er alle Data, welche die Gefchichte zu dem Beweis, daß fein Forum kein unträgliches if, an die Hand gibt, ale unftatehaft widerlegt.“ | Die Friedensworte tragen ©. 32ı darauf au, daß nicht mehr widrige Vorurcheile aufgewärmt, nicht, mehr feindfelige Zumuthungen ausgefireut werden foltten. Dennoch geben fie den Wint ©. 258, daß die Idee einer unfihrbaren Kirche gegen die Proteftanten Bei forgniffe von Seiten des Staats verurfachen koͤnnten. Ader dieſe Kirche hat keine unfichtbare Obern, als Bott und Jeſus! Ehen diefe Friedensworte. wiederholen. aud) gegen die Refors f

Ueber Religionsversinigung von F. Gtewdel, 221

malion die Vorwürfe von Luthers Leidenfchaftlichleit, und „da ein Dann, welcher dem gemeinen Mann von Frepheit, den Zürften von Unabhangigkeit und Einziehung teiher Pfründen, den Kierifern von Aufhebung des Coelibats fprah, ſich wohl günfiige Aufnahme habe vers fprehen können.“ Ganz vorzäglih gut hat Kr. St. das Hiforiih :Uinwahre dieſer Punete gezeigt, nach dieſem aber auch den wichtigen Unterſchied beyder Kirhen in Grund⸗ fügen und einzelnen Dogmen treffend ausgezeichnet. ©. 100. „Dat denn er (der Berf. der Zriedensworte) wicht gehöre von Luthers treuer Vermahnung (1522) an alle Chris Ken, fih vor Aufruhr und Empoͤrung zu hüten ? nichts von fels ner Schrift gegen die räuberifchen und mörderifhen Bauern ? ıc.* „Bar es nicht noch 1530 bey den svangelifchen Fürften Gegen⸗ fand einer reiflihen 1eberlegung, „ob man dem Kayfer mit. gutem Gewiffen Widerfland thun koöͤnne, wenn er gegen einen derfelben, um der Religion willen, Gewalt gebrauchen wÄrde 7" (Auch wie fehr Luther fel6 dem Krieg entgegen war, weil fein Heldenglaube, daß Sort feine Sache ſchuͤtze, unerfchätteriich blieb, ift befanne!) Das Secularifiren aber war ohnehin nicht im Geifte der Reformatoren. Luchagsflagte darüber, daß ein Theil des Adels die Kioftergüter an ſich reißen wolle ( Schrödh N. KG. I, 374), und der Ehurfürf von Sachen verordnete ( ©. 891) feluft, daß alle Einkünfte der geiftlihen Stellen und Kiöfler genau beredynet werden folls im, um Kirchen und Schulen zu verforgen, wozu er, wenn es nöthig ſey, noch Geld herzugeben fih erbot. Leider! aber mußte Hr. St. mehrmals anmerfen, wie fehr die Friedens: vurte von dem, was ihr Verf. aus Stellen, die er ſelbſt zur Hälfte citirte, richtiger willen mußte, gefchichewitrig und vorfäglih abweichen. Mer follte den Schluß für möglich hal⸗ ten, welchen er $. go macht, daß, weil die Neformation Res ligions Uneinigkerten verurfachte,, fie alle Schuld der Bartho⸗ lomaͤusn aͤchte, angezündeter Scheiterhaufen u. dgl. trage. War ten nieht die &cheiterhaufen laͤngſt vor Luther und Huß aus unträglicher Machtvolliommenheit angezündet? Mir Wäre ſpricht überhaupt S. ı0B das Unläugbare aus: „Nichts von dem, was Luther (gegen den Katholicismus) als Jrrs tum beſtimmt verworfen bat, hat unterdeffen fih als Wahrheit beftätiget, fondern die Macht, welche er heidenmärhig angriff und in Schranken zuruͤckgewieſen fehen wollte, ward wirklich dahin getrieben; feine Srundfäße im Ganzen find von Millionen als hoͤchſte Wohlthat erkannt, durch neue Stäßen gefihert, und durch weitere Beleuchtung noch mehr aufgehellt worden.“ ©. 195. „Kein (and nur

22 Ueber Religiomsversinigung von F. Steudel.

hifkorifch:) anfgeflärter Katholik kann läugnen, daß das Gy fiem des Katholicismus, welches von Luther beftrttren wurde, die Auffiärung in gewiffen Zweigen der Miffenfchaf: sen (außer der Philoſophis vornehmlich im Staatsrecht, Kies chenrecht ꝛc.) nicht begänftigen kann, weil feine Exiſtenz und "die Heiligkeit derfelben durch fie gefährdet würde .... Darum lag Frankreich non jeher im. Rampfe mit dem Haupte der ka— thalifchen Kirche, und darum lag Kayſer Joſeph fo fehr im Kampfe mit der Hierarchie. Es möchte ſchwer fallen, den Saß zu beftreiten, daß, mas innerhalb diefer :Zeit für Aufı flärung im Katholicismus gefchehen iſt, Annäherung iſt zu den Srundfäsen ‚der proteftantifchen Kirche.“ Wer hat die Unaͤcht⸗ heit der. Pſeudodecretalien gezeigt, wer aber auch von den. Fob gen diefes nur im Mittelalter möglich geweſenen Products ſich entfeffeft ?_ Die Friedensworte feldft geben S. 132: den Wink, daß „Rom nihe mehr in feiner alten Lage fey.“ Sie uͤberſehen daben die natärliche Gegenfrage: ob die alte Lage mit der Infallibilitaͤt der Kirche uͤhereinkam oder nicht? und das Dilemma: ob alfo dieſe Infallibilitaͤt entweder jeßt oder damals als verlegt erfheine? Sie ziehen aus der vers ände Lage Roms nur die Erwartung (St. S. 83), daß „ale Dpfer, die mit der Wefenheit des Chriſtenthums vereinbär find, gebracht werden moͤchten.“ Mit der Weſen— heit des Ehriftenehums ? Wer aber wird dieſe beflimmen? Die Exegeſe und Religionsphilofophie der katholiſchen oder der proteftantifhen Kirche ?

Der Verf. der Friedensworte ſetzt, wie er nicht anders kann, das erſtere voraus. Denn Untruͤglichkeit der Kirche und Primat des Roͤm. Biſchofs als „des goͤttlich autoriſirten Res praͤſentanten der untruͤglichen Kirche“ ſetzt er ſelbſt als die Kauptdivergenzpuncte (S. 146. 187). Die Wefenheit des Ehriftenchums wäre alfo nur auf jener Seite. Auch fein Vereinigungsplan kommt daher, wie es immer bey zwey Thei—⸗ len, wovon der Eine im MWefentlihen allein Recht gu haben glaubt, der Fall werden muß, darauf zuruͤck, daß, wenn ein " Unionsentwurf von beyden Theilen gemacht, dem Pabſt zur Genehmigung vorgelegt, und von diefem mancher aus den kirchlichen Einrichtungen fließende Anftoß gehoben würde, man von den Proteftanten Nadygiebigkeit erwarte, wo die Anftände einen Blaubenss und Dffenbahrungss gegenffand betreffen.“ Die Proteflanten alfo müßten ihre Srundfäße, das Weſentliche ihrer chrifti. Weber

zeugungen,, der Katholicismus dagegen einige Nitus und .

äußere Verhältnife aufopfern! Hr. St. hat gegen dieſes Opfern Äberhaupt mit großer Klarheit bemerkt, daß fich dar⸗

ueber Neligimnsvereinigung . von F. Oteuda. 223

‚über, ob man von etwas Überzengt ſeyn wolle oder nicht, gar nicht pacisciren laſſe. Es ift Pflicht, alle mögliche Mittel zur Ueberzeugung anzuwenden. Mer darf Pflichten aufopfern ? Welch ein Begriff von Wahrheit und Religioſitaͤt, wenn dieſe aus gegenfeitigem Accordiren hervorgehen follten! Wegen des Primats zum Beyſpiel begehren die Friedensworte $. 126. die Meberzeugung : daß, weit Petrus.von Jeſu einen ‘Primat ums ten den Apoftelm gehabt habe, umd in Rom geflorben (ep, alſo fin Rachfolger zu Rom ihm auch im Primate folge.“ Ders gleichen Schiäffe wirden fodann gebotener Glaube feyn; gegen fie dürfte es dann feine .Segenfrage mehr geben: ob der Vor⸗ sung des Petrus nicht ausdruͤcklich auf individuelle Eigenſchaften deſſelben gegründet wurde? und ob fi) dieje durch Jahrhun⸗ derte herab vermittelft des Sibens auf dem Stuhl des Petrus vererben laffen ? Der vom Pabſt modificirte Vereinigungsplan foll, nach, den Friedensworten, „durch den Landesherrn von feis ner. wänichenswerthen Seite empfohlen, und dem Amte bet Prediger Schuß, Unterſtuͤtzung und befferes Einfommen vers fprochen werden. Wer aber die Augen gefliſſentlich ſchließt, det eignet ſich nicht mehr zum Lehramte.“ Iſt es Geift des Chris ſtenthums, oder Folge der Ergiehung unter einer.an das Gebieten gewohnten Kirchenpolitik, welche bey Vorſchlaͤgen dieſer Art von Urheber dreiſt genug machen konnte, fie Ungeſcheut vor das Publikum zu bringen? Hr. &t. faßt dies alles mit Recht in die Worte zufammen: es fol Slaubenszwang einge führe werden! ©. ı20. ran. „&s aber jemand (zum Predis ger) sräte und fprähe: Bruder! ich biete dir Ehre und Ga winn; komm, diene meinem Zweden; da müfte er erwieternz Es ſtehet geſchrieben, du follft andeten Gott, deinen Herrn und ihm allein dienen. Und, wie fehr jener auf das Edle feiner Zwecke fich bernfen und durch Worte der Bruderliebe ihn ges winnen möchte, er müßte ihn, weil er durch Anbietung irdis fer Vortheile ihn zu gewinnen gehofft hatte, verachten. Ind wen wir verachten, dem dienen wir nicht. Noch Diener der Edle dem , von dem er als der Verachtung werch behandelte wird.“ Am meiften wundern wir ung über den (bruͤderli⸗ hen?) Wink der Friedensworte S. 25, daß Eigennuß vors zuͤglich bey proteffantiihen Seiftlichen fich einſchleiche, diejer aber und Stolz wider die Vereinigung fampfe. Konnte . der Friedensflifter nicht bedenken, daß fein Wink nur zur Ben gleichung zwiſchen den Vortheilen kathol. und proteftantifchse Kirchenaͤmter und zwiſchen den Ehrenſtellen einea Cardinals, Biſchofs ꝛc. und eines proteſtant. Conſiſtorialraths auffordere.

Es iſt nicht bekannt, daß irgend die proteſtant. Kirche eine äußere Vereinigung mit der kathol. für Zeitbeduͤrfniß halte.

224 Lpher-Meigionsvereinigung von F. Strndel.

Der Gedanke von St. fcheint daher der. natuͤrlichſte, diejenigen Katholiken, weiche ein ſolches Zeitbedürfniß einzufehen behaupten, . darauf aufmerkſam zu machen, wie fie den umgewandten Ans trag, durch folhe Mittel Proteftansen zu werden, aurueh nen würde? Mas die Regierungen betrifft, fo können fie ,.

gleich der Name Primat nod fo milde flirt, doch —— ver⸗ 5 daß er eigentlich ein dirigirendes Supremat in ſich ſchließe, weiches nicht nur auf Staubenseinheit, un auch auf viele weltliche Verhaͤltniſſe, wie Eheſcheidungen, Ehedis⸗ penſattonen, Verheyrathung zwiſchen Perſonen verſchiedener Kirchenconfeſſion u. dgl. Einfluß habe, und, zwar nicht mehr ſo, wie in dem geprieſenen Mittelalter, mit Thronabſetzung 7) Aufldfung des Unterthaneneydes, aber doch mit einer andy buͤr⸗ gerlich ſchaͤdlichen Ausſchließung aus der Kirche und von der Seligkeit drohen fönne. Und wenn als ein Hauptgrund Religionsvereintgung dies angegeben. wird, daß auch Die kirchliche Geſellſchaft, nah dem Bepfpiet der Staaten, fich zur Centras difirung der Kräfte neige, fo wird der Staats: und Geſchichts⸗ kundige die Reflexion nicht unterdruͤcken koͤnnen: daß Biefer

Grondſatz auf die Nothwendigkeit einer geiſtlichen Univerſal⸗ monarchie (vgl. S. 66) führen muͤßte, um fo mehr als fix jene fhon einmal ein Verfuch im Großen gemacht worden - if, und gegen. den Mißbrauch concentrirter geiftiicher Kräfte, weiche unaufhoͤrlich auf Erjiehung und Gewiſſen Einfluß haben, die weltliche Macht in der Continuation immer unterliegen muͤßte, wenn fie nicht, durch Gewiſſensfrerheit und vorurcheilsfreye Sets #tesbildung der Pluralitaͤt, ein gleichfalls geiſtiges Uebergewicht zu erhalten fuchte. Diefe wahren Beſchuͤtzeringen der Staaten and aller Fortiehritte zum Guten aber fcheinen ung zuzurufen: - Wenn von Verbeſſerung im Religiöfen die Nede fepn fell, fo laßt ung nicht ins Mittelalter, nicht in jene frühere Zeit, wo Sinken und Zerfall des Nöm. Reichs das Charakteriftifche iR, daft ung vielmehr zu Seins, zu Petrus und Paulus, laßt ung zum Urchriſtenthum feloft immer mehr zurüdtehren! Das Urs chriftenthum muß doch das feyn, was die volleſte Karholieität (Allgemeinheit) verdiente! Und auch im Geifte der proteftant. Neformatoren war, wie ſchon der fo ruhig forfchende Schroͤckh im II. Theil der Reformationsgeſchichte &. 8oo urtheilt, die Wiederherftellung desädten (uralten), allein ges meinnäßlihen Chriſtenthumss das, was fie nach allen Kräften wollten. Diefer Geiſt, diefe Tendenz führt zu dem Tens- tralpunct zuangloſer, übergeugungstreuer Vereinigung; mo ber Dbrigkeit, mas der Obrigkeit gebührt ( (Gehorſam zum Staates wohl), Sort aber, was Gottes ift (Verehrung in wahrer Geis ſtigkeit) gegeben wird. . HE. G. Paulus

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15. S8seidelbergiſche 1813.

Jahrbuͤcher der Litteratu r.

a ET ETF OPT GT TE TAT [2 J J 1

Bofegarten’s Dichtungen. Neue Kuflage. Erſter Band 232 &. Zwei⸗ tr Band 227 &. Dritter Band 196 5, Vierter Band 231 ©, Breifswalde , gedr. bey Eckhardt. 8.

Bi achtungswerthen Theile des Deutſchen Bestituns, weihern gemüthvolle, erhebende Dichtungen, dieſe ſconen Bluͤthen eines höheren Dafeynd, zufagen , und weides fid nit ducch einige vorlaute Schreier des Tages, dte ihm vor⸗ demonſtriren wollen, was es fuͤr Poeſie und Nichts Poefte halten fo, irre machen laffen, wird es erfreulich ſeyn, zu vernehmen, daß Ar. Köfegarten ändefangen babe, feine bedeutendern Dichtungen zu fammeln, zu fühten und zu ord⸗ nen. Die bereits vor und liegenden vier Baͤnde beurkunden

zur Genuͤge, daß Hr. K. deſſen Dicterberuf nur det

Unverftand oder böfe Wille verfennen wird, uind dem’ einft Herder und Schiller dieſen Beruf wilig jugeftahden nur Gelaͤutertes geben wollte; denn überall ſtoͤßt man auf Beſſerungen und forgfältige Seile. Auch in Rackficht der Me; tif hat diefe Sammlung unſtreitige Vorzůge vor allen bieheri⸗ gen Arbeiten ünſers Dichters. Es kann uͤbrigens nicht die Abſicht unſrer Anzeige ſeyn, die hier gelleferten Bichtungen, deren Werth groͤßtentheils ſchon entſchieden iſt, beym Publi⸗ kum erſt einführen zu wollen, ſondern nur von dieſer Ausdabe der letzten Hand, wodurch Hu’: fich „am Rande: ſeiner dichtenden Laufbahn einen Denkſtein zu ſezen wunſthte, wel⸗ her die Nachbleibenden für eine Weile nad an den Mer ſchwnndenen erinnern moͤchte,“ (S. V. d. Worr:) wollen mie einen treuen und unpartheyhiſchen Bericht abſtatten. Was der Dieter in diefen vier erften Bänden gab, gehoͤrt mehr oder weniger dem Epos an; was er der Lyra Anvertrautt, werden die vier legten Baͤnde liefern, baldiger eig wir

mit Verlangen entgegen ſehen. 15

226. Dichtungen von Kefegarten.

Der erfie Band, enthält die anmuthige ländliche Dich⸗ sung: Jakunde, in fünf EHogen, die man- aud nad) Voſſens Luife und. Goͤthe's Herrmann und Dorothea mit Vergnügen leſen wird. Diefe idylliſche Darftelung ſpricht das Gemuͤth durch edle Einfalt, Zartheit, materifhe Schilderuns gen reigender Gegenden und eine fräftige und harmoniſche Sprache an. Das Ganze iſt fehr gut gehalten, und nur fels ten thut das durchſchimmernde Städtifhe, Gelehrte oder zu Bleinliche Detail mancher Beſchreibung dem Nührenden und Maiven Abbrud. Bisweilen Hört man auch den Dichter zu fehr felbft in den Perfonen dieſer Idyllen fprechen. Die meiften Charaktere treten indeffen lebendig hervor, nur den Liebhaber Jukundens lernt man zu wenig, und faft nur aus feinee Schwefter Thefla Schilderung, kennen. Das Bor fefen der Stellen aus dem, Plato und einige andere Par ticen erinnern zu fehr an geehrte Kenntniffe,.die den Idyllen⸗ Menſchen fremd feyn muͤſſen. Der „Bediente, der zu Tiih (ud, = iſt auch nicht idyllenmaͤßig. Eben fo möchte man einige zu gemeine Ausdrüde, wie Unrath merken, blühender

Kloß, Kloß des Feldes (für Erde geſetzt), krachen

der Rohrſtuhl, ungewoͤhnliche Wortformen und Provin zialismen, wie: ſticke le Wände, Gebreite der Schwaden, lauterlich, u. f. w. wegwuͤnſchen. Bey aller Sorgfalt, die Hr. K. auf den Versbau gewender hat, laſſen ſich doch noch manche Verſe nur fchwer fpondiren, wie z. B. S. 43: „Welcher if fehön, vornehm, und ein Liebbaber der Mädchen.“ Auch fans man wohl nice fagen: „ein Kind, das ihn fo heuer gekoſtet.“ Das „theuer erkaufte Kind“ in der vorigen Auflage ift dem Genius. der Deutſchen Sprache weit angemeflener. Abſud gefällt ans auch in einem Dentichen Ge Dichte nicht. „Im gleichen Womene“ if in der feßten Au& gabe auch niche gut durh „in felbigem Mu“ verändern worden. Und warum fehlt in allen Ausgaben die fünfte Bitte im Vaterunſer, da der Dichter fih doch fonft fo genau an die Worte der Schrift Hält? Die beg weitem meir fien Veränderungen find jedoch wahre Verbeſſerungen. Unte

andern hieß es in der erftien Ausgabe fonft (1. Efloge):

Dichtungen von Koſegarten. 227 Aber es ſenkte ſich das dufire Gewoͤlk, von der Sonne Scheidendem Strahl mit Gold und Purpur befäumt. Von der Se ber Haucht' evquickendes Kühl; und Die Wetterfahne bes Kirchtburms Dreht' in den Dflen ſich, die gewünſchte iz verkuͤndend. But heiße es: Aber das Wetter verzog. Das Bemslk ſank. Fern aus der Eee ber vanchet erquickendes Kühl. Von des Oſwind Athem geheben, Nauſchte Das Meer, und golden und roth sing unter die Sonne. Hismeilen ift der Grund der Weränderung nicht ganz klar. & if in der Znueignung der Ausdruck: begießen und dbrdnen in den Frühen Ausgaben jetzt in fänbern und waſſeen verwandelt. Der „Sänger der Hohen Johanna (Schiller) heißt jeßt! „Der Sänger des Wilhelm Tell.“ Gluͤcklich, und dem Zujammenhange ängemeffener, find dagegen die Worte der frühen Ausgaben Ekl.):

Alſo ſprach ſie. Schon eilte der Vater ein Mehrers zu fragen/ Me von Amaltich geführt, Jukunde nabet und Thekla, Jetzt fo verändert: |

Alfo fprach fie, und ſchwieg. Auch der Pfarrherr ſchwieg, den ſo eben

Nabten Jukund' und Tbekla, geführt vom edeln Amal⸗ rich.

Die: trefflihe Stelle in der 1. Ekl. von dem im Walde einge⸗ en und aufgeweckten Kinde:

Sanft fie ſchüttelnd, ins Ohr ihr raunend, den toſigen Mund ihr Deckend mit glühendem Kuß, gelang es mit Noth ihre, dent Schlummer Sie zu entreißen. Es ſchlug das Kind die trunkenen Augen Träumend zum Himmel empor, erblickte die glänzenden Sterne - Schauerte leif’, und bog fih zurü zum Buſen der Pathin. Diefe zartempfundne Stelle iſt mit Recht in der neuften Aus— sabe unverändert geblieben. Kraͤftig und wuͤrdevoll iſt die Befchreibung des Geſangs der am lifer des Meeres verfams melten Gemeinde: .

Scholl der Gemeinde Geſang hinauf zum Himmel |

u. Dichtungen von Kofegarten.

Voll, fiark, prächtig, harmoniſch; es ſcholl im Den heiligen A | Ehoryfalm - Zaut die Poſaune des Meers und des Sturms vichkehlige Drgel.

Mor s und Schlußgeſang der Gemeinde und die Predigt des Pfarrers find des Dichters gleichfalls würdig; doch iſt die den Fiſchern und KHüttenbewohnern beygelegte Kenntniß der Geſtirne, des „Sirius, Rigel und Yed, Azimech, Antar, Arktur * nicht wahrſcheinlich. Im der 6. El. finden ſich ©. 199 mehrere gluͤckliche Zu ſaͤtze, die ſich auch in der zweyten Ausgabe noch nicht fanden. In eben dieſer Ekloge, worin der Pfarrer ei⸗ nen gehabten Traum erzaͤhlt, hieß es ſonſt: Liebe Tochter, das Wort, was du im Scherze geſprochen, Stiprt mir ein Traumgeſicht zukück vor die flaunende Seele, Das ich gefchaut heut Nacht, in der füßen Stunde der Frübe; Aberes war vermifcht bis jetzt aus meinem Bt.,

/ mütde Jetzt Heißt gene alſo: | Liebe Tochter , das Wort, das Sie im Scherze gefprochen , Fübhrt mie ein Traumgeficht zurück vor die Haunende Seele, Das ich gefchaut heut Nacht in der fügen Stunde der Frübe; Aberes lag verbüflt bis jeßt in meiner Erinne⸗ rung. | Nur hat ung die Aenderung des traulihen Du in das hoͤfliche Ste in einer Idylle mißfallen. Noch ftehe Hier eine der ge lungenſten Befchreibungen aus der zweyten Ekloge: Lang fchon fand betrachtend alfo der begeiſterte Lehrer, Anzufimmen gedacht’ er fo eben dei preifenden Frübpſalm , Siebe, da trat, wie die Frübe fo feifch, wie der röthliche Nlor- | a gen Bluͤhend, zur Thür herein fein erfigebornes Mägdlein. Blumen, fo eben entblüht, von des Frühthaus Tropfen noch Ä - blinfend, Brachte die fromme Tochter dem blumenlicebenden Vater.

| Der zweyte Band enthäle die Inſelfahrt, oder Aloyfius und Agnes; eine ländliche Dichtung in ſechs Eklogen, die, nad ihrem Inhalte: die Landung, die Betfahrt, die Irrfahrt, die Kreuzfahrt, dit Nachtfahrt und nie Heimf ahrt uͤberſchrieben find, Ein

Dichtungen von Kofegarten. 229

gefihlooller Weihgeſang: Unferer Köntgin, ſteht voran. Hier nur, zur Probe, zwey Strophen:

Fern, wo die dunkle Fluth, dann laut, dann leiſe, Am Fuß der heiligen Arkona grollt, Erklang freywillig die zu Lob und Vreiße Der ftimmiteichen Lyra tönend Gold. Das Lied, das ich ihr abgelauſchet habe, Reg’ ich- zu Füßen dir, als DOpfergabe.

Der Tochter Deutfchlands, traun! ‚bleibt ewig theuer Der fügen Heimat traulicher Geſang.

Klingt doch des Franten und des Wälfchen Leyer So herzlich nicht, als Deutſcher Saiten Klang. Drum widm’ ich kühnlich dir, o Hochverehrte,

Das ſchlichte Lied, das mich, die Muſe lehrte!

Aa in dieſer zweyten laͤndlichen Dichtung findet man Ken,

8 vertraute Bekanntſchaft mit der Natur, Hohen Sinn fir

Religion und Waterland, und fräftige, maleriſchſchoͤne, oft redner'ſche Darftellungsgabe wieder. Aber auch hier. ſchimmert überall der gebildete Gelehrte durch. Des Verf. beffernde Hand ift auch bey diefem Gedichte nicht zu verfennen. Tiefs gefühl und anziehend find die Mittheilungen der Schiffenden über das Meer, in der ı. Ekloge, S. so fg. Der 155. V. iſt in der neuen Ausgabe ſehr gluͤcklich veraͤndert worden. In der zweyten Ekloge kommt wieder eine Predigt vor, aber Ton und Geiſt ſind doch von der in der Jukunde vorkommenden verſchieden. Diefe- Predigt hat einige ergrelfende Stellen. Ruͤhrend iſt die Schilderung des im Meer verſinkenden Vaters Iſorens. Die Beſchreibung des Bernſteinlandes in der dritten Ekloge hat treffliche Stellen, wiewohl hie und da ein zu ga lehrtes Anſehen. Zu den ſchoͤnern Stellen gehört folgendes .: Aloyſius Hand erfiaunend die Wunder der Meerwelt, Maaß mit pruͤfendem Blick des Abhangs grauſige Tiefen, Schauete liebend ſodann in die weite Wogende Ferne, ". ' Trank des Atherifchen Strems mit Wollufl ; ‚öffnete lechzend Stirn und Bruſt dem gr der- fern aus, dem bed, . - Ann dns Meer, wlbrang/ —— Haar ihm hob, vn et © laͤſen

230 . Dichtungen von Kofegarten.

Brand Tanftichmeichelnd ihm küblte. une fwalte das Aug' ihm,

Und zum Unendlichen trug der Geift des Unendlichen Anblick, S. 107 fg. hat ſich der Dichter ſelbſt einen Tieblihen Kranz gewunden, Kine maleriihe Schilderung der untergehenden Sonne komme ©. ı10 fg. vor. Die in der 1. Efloge mitges theilten : Legenden wird man mit großer Theilnahme leſen. Nur wollen uns ©. 161 die gefhaarten Chöre nicht ges

fallen; auch fonft fanden wir den Ausdrud gefhaart mehr⸗ mals bey unferm Dichter. Das Wort geweft fl. gewefen ©. 165 wuͤnſchten wir aud hinweg. Warum nicht ? nie fromm fie war, wie fireng’ und wie eifrig.

Die Hymne an die Nacht in der 6. Ekloge ift in dem Geiſte der Hymnen des Drpheus gedichte. So gelungen auch der größere Theil feyn dürfte, fa Hat fie doc, einzelne zu presiöfe ©tellen, 3. ©.

Nacht, Bertraute des Herzens, Auslegerin dunkler Orakel,

he PreDbeiiR? Kbenepin Hieroppantin

ice / mid, Matter: nicht den, der nie um des

gichtes Baufel dir untreg ward

- Bunnuig Einverleibe mich dir; und nimmer ende die Braut⸗ nacht!

Zu den ——— Stellen gehoͤrt in der 5, Ekloge die Schilderung der Zufammenkunft des Alo yſius mit der Ags nes am Frähmorgen, und die Schilderung diefes Morgens, in der 6. EA. die Befchreibung des Sturms u. f. w. Auch dieſe Eklogen Laffen einen wahlthaͤtigen Eindend in der Seele

uruͤck.

Der dritte Band enthaͤlt Legenden, Sagen der kirch⸗ lichen Vorzeit. Wenn wir gleich in der Bekauntmachung dieſer Legenden nicht das Hauptverdienſt des Hrn. K. ſehen koͤnnen, ſo geſtehen wir doch aufrichtig, daß wir die meiſten mit Theil⸗ nahme und nicht wenige auch mit Ruͤhrung geleſen haben. Bey vielen dieſer Legenden erinnert man ſich der ſchoͤnen Worte, die einſt Herder ausſprach: „Das Kreuz hat einft

Dichtungen von. Koſegarten. 234

den Wölkern Ruhe gebracht; es lilte Aufruhr, Fehben, Zwie⸗ tracht, und gebot den Gottesfrieden . .. Das Grab war ihnen eine Ruhekammer, wo himmalifshe Geiſter das ar⸗ Rorbene Saamenkorn zur Aufbläthe eines künftigen ewigen Frühlings bewahrten.“ . . . „In der Verachtung fanden Diefe Helden Ruhm, in der MWerfolgung Gewinn, in der Mühe - Lohn, in der Schwachheit Stärke.“. Einige won Dem K. bes arbeitete Legenden nähern ſich jedoch zu ſehr dem Tändelnden, und entfprehen dem von Herder angegebenen Ideale folches . Bearbeitungen nidt. Eine kurze Ueberſicht wird umnfer Urtheil

befätigeg. Auffallend war «8 uns, hier die Einladung wieder abgedruckt zu fehen, die in der Infelfahrt ſchon abge⸗ denke ſteht: „Bluͤhe Violen allein, u. f. w.“ Den Anfang der Legenden machte ein herrlihes Gedicht: Die Auffahrt der Zunsfrau ©. 11 fg., worin uns nur der Auédruck irren, von der fcheidenden Jungfrau gebraucht: „Lau der Sterne nur girrte fie noch mit ſtammelnder Zunge“ ge Rört Hat. Auch konnten wir den Bildern, worin der Bohn (Jeſus) als Bräutigam der Mutter (Maria). vorgeRelle wird, keinen rechten Geſchmack abgewinnen. Außerdem har uns diefes Gedicht hohen Genuß gewährt, In den fichen Freuden ©. 52, fg. hat uns die Reverenz, der volks tommene Ablafi und die Errettung aus des Feges feners Glut, nice gefallen. . Nah ©. 56 konnte ein Mitter nichts fernen und behalten, als „ymey ſuͤße Woͤrtchen: Yves Maria. Diele waren fein Weidſpruch, fein Gebet und fein Leibfluch —, und nach ſeinem. Tode wuchs eine Lill⸗ aus ſeinem Grabe, worauf man deutlich und in goldenen Schriften auf jedem Blatt der Blume leſen konnte: Ave Maria. . - . Eines zu fehr ſpielenden Inhalts iſt auch Das Unterpfand. S. 58. In der Legende: die Tängerim, ©. 61 fo. tanzt die nach So Bußtagen in den an aufge . nommene Seele der Tängerin :

„mit Senn’ und Mond und Sternen, Mit den heil'gen Sungfraun , mit der hohen Gottesmutter, der Gebenedeiten , Bmmerdar den hochzeitlichen Reigen.“

22. Dichtungen’ von: Rofeganten,.

Sohannes. auf Pathmoe, ©. 66 fo. iſt eine geiſtvolle Nachbildung einiger Stellen ber Apokalypſe. (Den Ausdruck - die &che, für Schkraft, müßten wir jedoch nicht gu zechtfettigen..) &o großes‘ Bergnägen uns das Lieben und Leiden Ber heiligen Agnes tim zweyten Bande biefer Kofegartenfchen Sammlung. gewährte, fo wunderten wir uns doch nicht wenig, biefen ganzen Aufſatz im dritten Bande, S. 70— go nochmals abgedruckt zu fehen. Nur der heili— gen Agnes Brantlied, ©. gı, und die Trauung der heiligen Agnes, ©. 97, find bier Hinzugefoms men. Die letzte hat recht eigentlich das Spielende mans har Legende Margaretha und der Drade, S. 100 fd. Diefe fchöne Legende gab einft Raphaeln die Idee zu einem feiner finnvofiften, berrlichfien: Gemälde. Hr. 8. Has fie mie Seift bearbeitet. Die Legende: der Garten des Liebſten, S. 105, Heht auch fhon im zweyten Bande dieſer Sammlung: abgedrudt, gehört Übrigens auch zu den Bartenihfundenen. Die Jungfrau von Antiodia, ©. zıofg., und das Geber der. Heiligen Scholaftifa, S. 118 fg., zeichnen fih ebenfalls durh Inhalt. und Darſtel⸗ King aus. Minder bedeutend find: die Milch der heilt: gen Brigitta, © 122. Der Ermel des heiligen Martinus, ©. 128. Der Brunn des er BSangeslf, © 1ıdı. Das Amen der Steine, S . 15%. Der Sig des Heiligen Ailarius, ©. 156. Der Haudſchuh der heiligen Kunigunde, ©. 108. Die Katze des Eremiten, ©. 143. Manche find unbedeutende Anekdoten oder Ditungen, an einen Spruch der Schriften angeknuͤpft, dergieichen man viele ähnliche im Talmud fin det, die an Sprüche des alten Teftaments angelnüpft werden. Einft betete die Heilige Runigunde vor dem Altare; es war aber gerade keine Zofe da, iht den Handſchuh abzunehmen.

doch Kunigunde

Zog ibn ans, und warf ihn forglos von fich.

-Eilig ſtabl durch eine Mauerribe

Sich ein Sonnenſtral herein, und ſchwebend

Hielt der Sonnenſtral der frommen Fürſten Handfchub, Bis fie dargebracht das fromme Opfer.

2 a

Dichtungen von Koſegarten. 233

Wehen Zwech Haben wohl feihe Erzaͤhlungen? Hier iſt tie fromme Anwendung:

Denn dem Herrn nit nur, auch feinen Heil’gen

Dienen willig Gottes Elemente !! r Radegunde, ©. 139. Diefe Legende aus dem Leben der heittge® Eliſabeth ift Schön erzähle. Einige Altere Chrents ten nennen das Maͤdchen Hildegundis. ©. Leben der heit. Eliſabeth. (Zuͤrich 1797.) ©. 119. 120. Das Geſicht des, Arfenius, ©. 11d fg. Die Kreaturenliebe des heis ligen Franzistus, ©. 148. Des heiligen Frans zistus Sonnengefang, ©. 152. Diefe Legenden find gut erzaͤhlt, nur fällt der Inhalt der zweyten bisweilen ing Spielende, und in ber dritten iſt einigemaf hart gegen das Sylbenmaaß gefehlt. So kommt folgennt Zeile in einem darchaus jambdifchen Gedichte vor: _ 7

euer, Wafer, Luft und Erde. Luſtig If Auch iſt das Hebrqaͤiſche Wort Hallelujah, wie faſt von allen

Dichtern, die es gebrauchen, falſch fo ſcandirt: Ha elujad. Zu den vorzäglichfien Stuͤcken dieſer Sammtung gehört! Die Brautnacht ver heiligen Cäcilia. ©. 157 fg. Eben dieſes Lob gebührt der darauf folgenden Legende: Die Zunigs.

Stan von Nikomedia, S. 165 192. Dieſes Stuͤck ers ſchien zuerft einzeln, Berlin ı808., und fchildert auf eine

rährende Art die ftandhafte Frömmigkeit einer edlen chriftlichen Sungfrau. Einfalt der Darfiellung, ein frommes findliches Gemuͤth, Ernſt und Trauer, in harmonifchen Trophäen das Herz anſprechend, machen dieje Legende zu einer hoͤchſt ans Ben Lectuͤre. Hier nur eine Stelle zur Probe:

Maserkätifch ſtand indeß und ruhig - Suliane vor der Nichttribune,

Himmelan gewandt ihr klares Auge,

Thränen bebten in den langen Wimpern,

Um. die Lippen zuckt ein leiſes Zürnen,

Holde Schanm erböbete der Wangen

- Blafles Roth. Ihr Haar, der Schling’ eytalitten, Floß vollringelnd auf die Schultern nieder.

Mur bey wenigen Stellen fließen wir an, EB. 8. 174:

i

234 Dichtungen von Kefsasriem:

Doch verbönend ſprach and Habſucht beuchelad

Sie, die habſuchtfreyeße der Jungfrauen Dergleichen kleine Flecken kommen jedoch bey ſo großen ander⸗ weitigen Vorzuͤgen nicht in Betrachtung. Hr. K. hat ſich durch feine ſchoͤnen Darſtellungen der Bluthen des Glaubens, ber Liebe, der Hoffnung, der Ergebung und des frommen Helden⸗ ſinns den Dank aller fuͤhlenden Herzen erworben, und eine liebliche Dichtung: Die heiligen Jungfrauen, an Irene, ©. 193, beſcließt würdig dieſe Sammlung von Sa⸗ ‚gen der chriſtlichen Worzeit.

Der vierte Band enthält Sagen der Morweit: ruͤgiſche und erfiiche Sagen. Zu den erſten gehören drey Ger dichte: die Ralunken, das Fräulein von Jarmin und Rithogar und Wanda. Erinnerungen an alte kräfs tige Heldenflämme, gelungene Schilderungen der großen Nor—⸗ diſchen Natur, mit eingeflochtenen Betrahtungen der Hinfaͤl⸗ ligkeit alles Sroifhen und der Lnvergänglichkeit des Wahren und Guten, dabey eine kräftige, volltönende, das Herz ers greifende Sprache geben diefen Darftellungen, worin ein dem Dffian verwandter Geiſt wehet, Hohes Intereſſe. Sie wur⸗ den ſchon bey ihrer erſten Erſcheinung mie großem Beyfalle aufgenommen; ‚wie fehr fie jedoch Hr. K. durch eine forgfäls tige Zeile der Vollendung. näher zu bringe geſucht habe, davon findet man beynahe auf allen Blättern Senne ‚Wenn der Dichter fonft begann :

Natow, fen mir gegrüßt im Schimmer der ſcheidenden Sonne!

Zieblich weber der Schleier des Abends um deine Gefilde.

Deine weißen Mauern find fanft gerötbet, Die Dächer

Feuer im Golde des finfenden Tags. Es dämmern fo ſchaurig

Deine fäufelnden Hain'. Es fpiegeln die Wangen des Himmels

Sich in den Fluthen fo rofig, die deine Ferſe befpülen ;

&o heißt es nun in der neusften Ausgabe:

atom, fen mir gegruͤßt im Schimmer der fcheidenden Sonne,

Natow, tie birgfi du fo fchön am Saum der hallenden Strand-

bucht !

Hochlich ergott mich, o Burg, dich zu ſchaun im Schleier des

| . Swiclicht!

Deine Binnendgetaucht ig des Spatroths flüſſiges Mattgold:

Oichtungen von Kofegarten. 235

Brennend der Fenſtern KEryſtall in dee Glut des gefunfenen Kichtballs:

Düftefchauernd die Gärten umher! blaudämmernd bie Anböben,

Welche die Welle befpühlt der leifegefräufelten Meerbucht!

‚Eine rührende Herzensergießung des Dichters, beym Ermähr. ven der Warne f ©. 26. 27. In dem Gedichte: das Sräulein von Jarmin, ©. fg., ſtößt man faſt auf jeder Seite auf die gelungenften Verbeſſerungen. Nur &. &7 hat uns das Überwachete Mägpiein, das fih in den vorigen Ausgaben nicht fand, nicht gefallen wollen. Süßdufs tend find die Blumen, die der Sänger Allwiil, G. 84 fü, anf der gefallenen Edelmwine Hügel ſtreut. Aus der dritten Snge: Rithogar und Wanda theilen wir, als Probe, din Schluß, nach’ den neueften Werbefferungen des - Dichters,

mit, und uͤberlaſſen die Vergleichung mit den fruͤhern Ausgas

dm unfern Lefern ;

Hügel des weißen Geſteins, der taufendiährigen Eiche Grauer Ernäbrer, du weilſt in des Sande? Seele die Wehr muth,

den Wimpern. Nimmer zu tröften vermöcht er fih; in müßiger Trauer Würd’ er vergehn , ibm würde die Harfe verfiummen für ime mer 5 Rauſchte die Leier Homers ibm nicht aus den ewigen Lorbern, Zispelte nicht aus verwitternden Gichen hie Stimme won Cona: „Alles vergebt! Es vergeht. der Held und des Helden Denkmal, „Aber das Zied tönt fort, das warm aus. ber Bruſt an das Herz fpricht. * Nimmer verballt der Geſang, den Phöhos weibet und Braga!

Die er ſiſchen Sagen find groößtentheils aus fremden Gegenden auf Deutſchen. Boden heruͤber gepflanzt, und mir erinnern uns, mehrere derſelben in den non: Hrn. K. chemals herausgegebenen Blumen geleſen zu haben, die uns aber jeßt nicht. zur Hand find, um fie. vergleichen zu: kaͤnnen. Man findet Hier; Finan und Lorma. Ein Geſang des Ofſſian. (Grey bearbeitet.) Dieſe drey Stuͤcke: die Waffenmeihe, die verlornen Kinber und Die. wiedergefundenen

[4

Dämmerung mölft, ifm dns Aug’, und sm bebt die Thraͤn' is

236 Taſchenb. d. Gag. u. Leg. v. A. v. Helwig. u. B. v. Fouque.

Kinder find anziehend durch Inhalt und Darſtellung. Umad und fein Hund. Line Epifode eines groͤßern erfis fhen Sefanges. Des Barden Abfhied. Fla' Innis; die Inſel der Seligeh. Ein reigendes Gemälde! Die Kilda⸗ Klage Dffianund Malvina. Dffians letztes Lied. (Frey, im elegiſchen Sylbenmaaße, übertragen.) Der Schwangeſang. Theils in Jamben, theild im elenifchen Sylbenmaaße uͤberſetzt. Zum Schluß ſtehe Hier noch einge Probe aus diefen Heldenſtimmen: Dumpf rings ſchweigen die Felder, wo unfere Saglachten ge⸗ donnert;

Aber es redet das Mahl, das uns die Helden gethürmt.

Oſſian's Stimm’ erſcholl. Frohlockend lauſchten die Väter. “Komm denn, o Sänger , binweg! Komm zu den Batern/

| Sohn!

Sit

Taſchenbuch der Sagen und Legenden, ine von Amalie von Helmig geb. v. Imhof und Fr, Baron de la Möktte Fouqué. Mit Kupfern. Berlin, in der Realſchulbuchhandlung (1812.). 185 ©. 12.

Lange Zeit wurden Legenden als Erzeuaniffe eines vers kehrten Sinnes und verkehrten Geſchmacks Betrachtet; nicht felten wurden fie durch tändelnde Darſtellungen, wobey man . den Geiſt dem Spiele mit Bildern aufopferte, dem befferen Theile der Lefer widrig. Herder war einer der erften, wels her auf: die reinen Goldkoͤrner, welche ſich in dem Legendens Staube finden, aufmerffam machte, die ZUge von Einfalt, Würde und Schönheit hervorhob, die fi in vielen dieſer tirchlich sreltgiäfen Sagen finden, und fein Urtheil durch eigene geiftvolle Bearbeitungen - vechtfertigte. Auch Kofegarten ‚gab uns mehrere gelungene Legenden. nd welchem Gefühl vollen ſollte niche der: herzliche, Fromme Sinn mancher Legem den‘, wenn fie uns Stauben, Liebe, Hoffaung und Einkehr in uns ſelbſt mie ruͤhrender Einfalt. empfehlen, angeſprochen baten? Daß viele gegen hiſtoriſche Wahrheis und gegen Achte Sittenlehre anſtoßen, und: in's Taͤndelnde und Säppifhe fallen,

b \ TZaſchenb. d. Sag: u, Leg. v. A. vi Helwig u. B. u. Fouque. 237 wird kein Unbefangener laͤugnen. Deſto willkommener aber muß uns eine Auswahl des Beſſern und eine geiſtvolle, den frommen Sinn der fruͤhern Jahrhunderte zart auffaſſende Bes arbeitung jener Sagen und Legenden ſeyn.

Sn dieſer Hinſicht verdient die vorliegende kleine Samm⸗ lung ein ausgezeichnetes Lob, und Nec. bekennt aufrichtig, ſie mit großem Intereſſe geleſen zu haben. Schon die vorausge⸗ ſchickten trefflichen Stanzen der Fr. v. H. erwecken das guͤn⸗ ſtigſte Vorurtheil fuͤr dieſe Sammlung, und beweiſen, daß die edle Dichterin nicht einer eitlen Mode des Tages froͤhnen wollte, ſondern nach einem hoͤhern Ziel geſtrebt und den ges läuterten Geiſt der Legenden und Sagen rein aufgefaßt habe. Wir können une nicht enthalten, hier zwey Strophen aus dies fem ſchoͤnen Geſange, als Probe, mitzutheilen:

ind wie der Sonne voller Schimmer ,

Dem Blick ein heißverzehrend Licht,

Durch bunter Scheiben Farbenflinsmer

Dem ſchwachen Aug’ fich milder bricht ; So' ſenkt der ew'gen Wahrheit Eonne

Mir fchonend lei umhlilltem Straß!

Den Gkaͤuben, reich an Ahnungswonne,

Mit Hoffnung in dies Erdenthal.

Da reichen Engel Siegesfronen

Dem Leidenden mit Himmelshuld ,

Da flebt der Dulder nicht um Schonen /

Nur um Gehorſam und Geduld;

Da blüh’n aus Wunden Himmelsrofen ,

ae Entbehrung macht die Seelen reich , Und durch der Leidenfchaften Toſen | Schwingt Friede feinen Palmenzweig. \

Stiftungsbrief, den Freunden; gleichfalls von Fr. v. H. Die Veranlaſſung zu dieſen gefuͤhlvollen Strophen gab ein treffliches Bild der Maria mit dem Chriſtuskinde, von Francesco Francia gemalt, das ſich in der Samms tung der Herren Boiſſeree und Bertram zu Heidei— berg befindet, und das, als Titelkupfer, hier zum erſtenmale geſtochen erſcheinet. Der rährende Inhalt diefer Strophen wird jedes Gefühl anfprehen; eine Stelle derfeiden, worin.

2338 Taſchenb. d. Gag. u. Led. v. A. v. Helwig u. B. v Fouque.

Troſt und Schmerz fo hart mit einander verbunden find, klang tief in dem Innern des Rec. wieder.

en zu.einer genauern Bezeichnung der einzelnen Sagen und Legenden diefer Sammlung über. Das Geber. der heiligen Scholaſtika, Legende (von A. v. H.). Es War tung intereffant, diefe Legende, die auh Koſegarten bearbeitet hat, nach der doppelten Bearbeitung zu vergleichen; Kr. K. hat mehr einfach erzählt, Fe. v. H. hingegen das Ganze dichterifch s freyer behandelt. Wir fegen bie legte Stro⸗

phe, zur Wergleihung, hierher :

Kofegarten. Nach dreven Tagen flarb Scholar fifa

tind in dem Augenblick, worin fie farb , Sah Benediftus, einer Taube gleich , Bum Himmel ihre reine Seele 5 fhmeben. Da ſchlug das Herz ibm: Eine . Stimme fprach ; „die Kegel, Abt, it aller

A. v. H. und nach drey Tagen ſiebt er's RU ſchweben, Gleich einer Taube, himmel⸗ warts

Es iſt der Schweſter reines Leben, Gebrochen, ſonder Angſt noch

| Schmerz

And eine Stimme läßt fich hören,

In Harfentönen mild verklärt:

„Werth iſt die Regel aller Ehe: ven,

Ebre wertb; Doc, größre Ehre würdig iſt die | Kicbe!“ 2

Die Hülfe ber heiligen Jungfrau, Legende (von Fr. v. Fougue) ine gut gehaltene Erzaͤhlung von der Berirrung zweyer feinfinnigen Menfchen, eines Moͤnchs Als binus tind einer Nontte Verma, die ein Wunder der heil: Jungfrau und ihr eigener befferer Geift fi) ſelbſt wiedergibt: Die kräftige, fchöne Darftellung des uns ald Dichter ſehr wers then DVerfaffers eritipricht dem anziehenden Inhalte. Einige Ausdrücke, die wir mit andern vertaufcht wänfhten, wie: »Ich bin den Lebenden wieder, gefhaart,“ oder Härten, wie wall'nd, werden an dem: fhönen Sanzen kaum bemerkt, Die Ruͤckkehr der Pförtmertin, Legende (von A. v. H.). Diefe anmutbig erzählte Legende, weiche Sinnlichkett, Suͤnde, Buße und Gnade ganz in der Denkart faäher Jahrhunderte vers finnfiht, und, ale den geläuterten moraliich s religiöjen Ideen unfrer Zeit nit ganz entfprechend, vielleicht ein verfchtedenes Urtheil erfahren wird, die jedoch den bewahrten Sinn für das Höhere auch in einer Sünderin fehr gluͤcklich darftellt, wird den Lefern des Taſchenbuchs noch aus. dem Morgendlatte

Doch mehr noch ift Die Liche werth! |

2;

Laſchenb. d. Sag. u. Leg. v. A. v. Helwia u. B. 0, Fouque. 239

bekannt feyn , worin die Dichterin zuerſt fle mittheilte. Hier findet man noch ein fchönes Kupfer ale Beygabe. Adolfss El, Sage (von A. v. H.). Mech führt eine Ruine bey Schwalbach diefen Namen, woranf fich dieſe fehr gut erzählte Sage bezieht. Auch Hierzu ein Kupfer. Der Sancı Elis faberhben s Brunnen, Legende (von A. v. H.). Diefe fhöne Dichtung , worin vier fromme Mädhen fh an dem Ehifaberh s Brunnen die Wunderthaten diefer Heiligen erzählen, Band zuerft in dem Göttingiſchen Mufenalmanahe vom J. 1803, und murde gleid anfangs mit verdientem Benfall aufgenommen. Ste und da iff der Ausdruck glücklich werbeffert. Zwen treffliche Kupfer, des Inhalts würdig, zieren diefe durch ihren Iprifch s feyerlihen Ton anziehende Legende. Sanct Georg und die Wittwe, Legende (von A. v. H.). In Ruͤckſicht der Darſtellung, eine der gelungenften dieſer Samms- lung. Auch bey diefer Legende finder fid) ein ſchoͤnes Kupfer. Der Siegeskranz, Legende von Fr. v. F. (An Profa). Wir rechnen dieſes fchauerlich » anmuthige Nachtſtuͤck, worin Leben und Tod fo lieblich aneinander grängen, zu den vortreffs lihften Dichtungen des geiftvollen Verf. Eine zarte Idee ift es, dafi Die Braut den entichlafenen Keldenjängling mit dem Siegeskranze ſchmuͤckt. Möge ung der treffliche Dichter, den fein Genius mit Zauberhand zu allen Sagen hinzieht, recht oft mie ähnlichen Gaben befchenten! Das zu dieſer Legende gehörige Kupfer iſt eines der gelungenen. Das Grab des heiligen Clemens, Legende (von A. v. H.). Rec. las diefe zarte Dichtung mit inniger Ruͤhrung und Theilnahme, und eine Strophe tönte tief in feinem Kerzen wieder. Bachs dem das am Grabe des heil, Clemens wieder vom Tode ers werte Rind zuerfi erwacht, fragt es feine freudig, fiaunende Muster : nt „Warum daft bu mid werfen müflen ?

So lieblich träumt’ ich Feine Nacht!

Wie füßen Schlummer ſtörſt du mir,

Ach, nur ein Stündlein ruht' ich hier!“

Ind. dann folge diefe fchöne Strophe:

So fiebt im Erdenſchmerz befangen Wohl manche Mutter boffnungslos; Und ſtarrt mit traurigem Verlangen Hinab zum dunklen Erdenſchooß;

Indeß ‘das Kindlein, woblgebergen

Bor rauhem Sturm und ſchwüler Olut Bis zu des ew'gen Tages Morgen

Sn Fühler Stile harmlos ruht;

240 Faſchenbed. Sag. u. Leg. v. A v. Selwig u. Bev. Fonque.

Den langen Schmerz, das kurze Glück Berfchläfts, wie einen Augenblick!

Die Naht im Walde, eine dramatifhe Sage ( von’ Fr. v. F.). Dies angiehende Nachtgemälde, deſſen Tendenz eben fo edel als die Ausführung gelungen ift, rechnen wir gleichfalls zu den vorzäglichften Stücken der Sammlung, wenn wir gleich dem Siegeskranze noch den Vorzug vor dieſem Stuͤcke geben möchten. Auch dürfte manchem die Bekehrung Hagenulphs und Windrudens zum Chriſtenthume doch etwas zu ſchnetl bon ſtatten zu gehen ſcheinen. Uebrigens iſt die ganze Unters redung Karls des Großen mit Windrude, durch die darin herrſchenden aͤcht⸗ menſchlichen Geſinnungen, hoͤchſt ans tehend: Auch zn dieſem Auflage gehöre ein Kupfet. Der. hang durch Koͤln, Sage (von A. v. FH). Der Stoff diefes fchr intereffanten Aufiages ift ans alten Familien s Nach: zichten des darin genannten Haufe gezogen. Wir wollen dem Inhalt deſſelben, voll eigenthuͤmlicher Züge, durch eine fchlichte, den Geiſt jener fruͤhern Sur Zucht und veligidien Sinn aus degeichneten Zeit trefflich auffaffende Darftellung gehoben, den Lejern nicht verrathen, geftehen aber, daß ung deifelbe ein reines Vergnuͤgen gewährte, und manche Erinnerungen an die ung werchgewordene Stade Köln wieder aufwedte. Den Bes ſchluß diefer Sammlung madht: Die Marting: Wand, Sage (don A. v. H.). Die bekannte Sage von ber Werins rung des edlen Kabsburgers 8. Maximilians I. auf eine ungehetire Felfenhöse und defferi wunderbarer Errettang wird bier einfadh und lebendig erzähle, und diefe Erzählung, die einen blinden Sänger in den Mund gelege wird, überrafchte uns um fo angenehmer, da wir kurz vorher eine ſehr geiſtvdlle Bearbeitung deſſelben Stoff von dem zu früh gefchiederien Dichter H. 3. v. Coflin, unter der Aufihrift: Kaiſer Mar, auf der Martinswand in Tyrol. 1499. im deſſen Gedichte: Sammlung gelcien hatten: Auch bey dieſem festen Auffage finder fid, ein Kupfer. Noch mäflen wir des geſchmackvollen Aeußeren der von uns angezeigten Sagen und Legenden mit Ruhm erwähnen. ‚Außer dem fhönen, nad Francesco Francia geftohenen Titellupfer find die übri—⸗ gen acht Kupfer fämmtlih nad Zeichnungen bes geiftreichen Herrn Cornelins aus Düfjeldorf, jekt in Rom, von Lips, Rift und Bolt fauber gefiohen. Auch der Umſchlag, Bas gen und Legenden ſymboliſch darftellend, ift geſchmackvoll. Die „Bedeutung diefer Symbole enthuͤllt ein vor dem Titelblatte ſtehendes Sonttt von Paul, Gr. v. H*% K i. Mn 2 en DR

No: Seidelbergifche⸗4813.

A

-

Jahrbuͤcher der Litkeratur.

1 [#7 * Qq 7

Rlusfasscine- A’uno Zödidco arfentale tel: Gibineteo dehe me- uglie (di. Sum Mans, æ Parigi, "scoßerto’ ‚reoentemente æreago Je sponde del Tigwein "einapza ‚del -antica Babi-

„Jgpia „, monpmento che serve ad illustzare la stpria del? . „AStronomia_ ed altri punti interessauti dell Antichitä, da | "Givse ppe’Hager. ‘Milano, dalta stamperia fonderiä U Giui Gitlseppe' Desikfanis a S.-Zeno, num. 534: 1814

‚EB Eger Bol. vhne De: Benusde.und Doblintlen, mit A ober 5

t 125

+

U. dieſem vielverſprechenden Titel lieferte. der Herr By

blieggelag Joſenh Hager, in, Maileyd eig: Prachtwerk zur Frllärung :des, merkwaͤrdigen Dentmahl⸗as, worüber gu Derfeien

Zeit der, nprewigte Herr -Domkapisuler Friedrich Hugo von . Dalberg eimen Aufſatz auganheitate,. senken, dr unter dem bes ſcheidenen Tisel: Ueber das Algyerfifche Monument

von Takte sure, eine Maahma ſrang (ſ. Gatting. ge,

Au. ıdıa. St. 86. ©, Bad ff). .am die Eömigke- Bocietie bee . Riff. in. Göttingen ejemrg... Jenes Denkwahl wurde gu

Endg det vorigen Jahrhungeng , ‚und dem -Werficherungen.deg Dem Michaux Milin’s Mag. engycl. VI aunde. T. UL p.,88),. am Ufer des, „Tigais unterholb Bagdad anten-den

Ruinen eines großen Palaſtes, welchen man, die. Gärten der

Semiramis nennt, gefunden, und Durch, Kein: Diane ſeibſt In dag, Antifens Kabinett, deu. kaiſerl. Bibliochek zu. Paris ges

bracht. Wie. darauf gegrabenen Fignren und. Zufchriften mit

ſogenaunten Keilbuchſtaben, welche map. für, einen Beweis fer

nes hohen Alterthums mahm,.. veranlaßten den Hru Millin zu einer Bekanntmachung deſſelben in ſeinen Monomens anti- ques inedits. Tom. I. p. 58--68 (Paris 1800. 4.) auf Planche ‚VIE und IX, mie Bemerfungen "von ihm. feldft und dem em de Sacy. Beyde hielten den Stein für einen Pers (hen :Zalisıyan, um dag boͤſe Princip zu —— und ſeinem |

NY

*

242, Austr. d’uno Zodiaoogorjeptale da G. Hager...

Einfluſſe auf die heiligen Gebaͤnde, wozu der Stein gehörte, ale Kr 34,2 nebenan: ‚eine AIdee auch der neueſte Ge⸗ Märer Priv: Dalbtrh wuffaßte, \ Ind aus den Hiefikhen Reu⸗ gionsbegriffen des Dualiemus, des Kampfes zwifchen dem Guten und Boͤſen, auf eine Weife gu erläutern ſuchte, weiche feinem Nec. in den Goͤtt. gel. Anz. viel Empfehlendes und Wahrſcheinli ches zu Haken ſcheint. Derſelbe Mer... geſteha iss Doch, daß jede Erklaͤrung bloße Muchmaßung dleibe, bis die begleitende Särife: un Elicher hett erklaͤrt ſey. Eben -Karin fand man Hr. Abt Lichtenftein eine Art von Tranergelang, weißen ber oberſte Magier den Perſiſchen ober, Sabaiſchen Frauen bey der Leicheuſeyer zu Ehren der jüngfverinreuen Man⸗ ner, Bruͤder, eher audern: Auderaundeen, mad en⸗ begkeitenden Klageweibern an einem feſtlichen Tage vorzuleſen dat: Darum bezog er die Abbildungen, worin Hr. Hager die Vorſtellung eines der alteſten Thierkreiſe findet, auf die oͤffentliche Trauuer, weiche man allſaͤhtlich· per Ehren der Verſtorbenen mil’ heftigen ‚Bebräuden zu begehen pflegte & Tentamen Palzeogra- phſiae Ass yrio Persicae;: "aucts Lachteratein p. His

VBeyder Mehnungen errezten aufangs Allgemeine’ —x— reit, und faiden‘, wie jede dreiſte Behauptung der Gelehrten, weiche ihre Erklärungen. mike Veleſenheit und: verfaͤhreriſchen Scheihgräuden gu unterffägen wiſſen; ihre Lobredner: man ſehe in Hinſicht des Hager ſchen Wilkes mediciniſch chirutg. Zeitung vom 16. May 1811. W. 89. und den Fra" Moni⸗ teur .ıBır. N. 837. vom 3. Dec.Doch Kr. v. Dalberg Bar dehde mr Recht vermorfen :: Sehe die Deutung des’. Herrn Lithtenftein verliebt ſchondurch Die Bemerkung, daß ’ieh':Die Inſchriften, von welchen er ausging, von der verkehrten Seite 146 ; alle Haltbarkeit; und mie einem Wierkreife hat die ganze Darſtellung weiter keine Achnlichktit, als daß Thierfiguren den Stein in einem Kreiſe zu umziehen ſcheinen. Die Wanter dee Kin. Hagern in Ber Erlauttrung eines ſolchen Denkuahles kennt man ſchon aus frͤhern Werfen deifelben, beſonders auch "aus der Dissertation on the newly discovered Babylonian ‘Inscriptiohs by Joseph Hager ( London ı8oı. ‘4. ); wors aus man in diefem Werke die Babyloniſchen : Gmeffein s Ins ſchriſten, Cylinder and Gemmen mit befondern- Bemerkungen

4

Ulnstrı d’uno Zodiago orientale da G, Hager, 243

dariher im 19. Kapitel widerholt findet. Antergeltnerer enthaͤlt

fh daher alles Urtheils Über, die Art, wie dev. Hr. Verf (eine Behauptungen gu. begründen. fuht, Da er den big ‚selänterg ten Gtein ſowohl, als ‚die zu Paris‘ befindlichen Hacktein⸗ ans den Ruinen Babylons welche Milin im zweyten B der Monum. antig. inedits N. XXIII. p. 263 27ı. Tannt. gemacht hat, nicht bloß, wie Hr, Hager, aus He, foumenen und unzuverlaͤſſigen Darſtellungen in Kupferſtichen und Copien,ſondern aus SAr-AEIRRU Abdrüden ber. DOrigie nele Senyt,... welche fräher der. ar, v v. Dalberg beſaß, jet das Veufenas- zu Fraukfurt am Main aus deſſen Verlaſſenſchafi sufbewahrgs, „to iſt es ihm mehr datum, zu thun, feine eigenen Beobachtungen ,. worauf ihn die, genaue Betrachtung der Abs druͤce fuͤhrten, mis, den Bemerkungen anderer Erlaͤuterer dem gelehrten Publikum miszusheilen,. ‚And ai gluͤcklichern Erläutes rungeverfuchen: den Grund zu legen, als das Unmwahrfheinliche ie den: Hypotheſen des Hrn. Verf, das Uebereilte in feinen Shlügen, und das. unkritifche Verfahren in den eingeſtreuten Etymologieen zu: zeigen, weiches auch ber größte Aufwand von Gelehrſamkeit dem befonnenen - Forſcher nicht verbirgt. Mit Recht haͤlt eg der Rec. in dep Gott. gel, Anz. 1012. St. 86. für wenig verdienſtlich, Die ‚Erklärung eines fo dunkeln Denk⸗ mahles im Einzelnen zu beſtreiten, wenn man nic Wahıs an die, Stelle ſetzen könne.

Zwolf Rapitel machen den Inhalt des garden "Wertes ws; das e er ie, Kapitel beginne mit der Entdeckung, des Steis nes und mit allgemeinen Bemerkungen über feine Deſchaffen⸗ keit und Wedentung. Das. zwepte Kapitel pefäfge ſich mit den darauf vorkommenden Figuren; das dr tte betrachtet die eine Beite. des Thierkreiſes, das vierte, befonders das fehste Zeichen. defielben, fo wie das fünfte die Wage, über deren Einführung in den Thierkreis fi das ſech ste Kapitel verbreitet. Das fiebente Kapitel, welches den erſten Theil des Werkes ſchließt, enthält Bemerkungen über die Aegyptiſchen Thierkreiſe, welche man in den neuern Zeiten in genaue Un— terſuchung gezogen hat. Im zweyten Theile hebt das achte

Kapitel mit den Wintergeihen an; dann geht der Hr. Verf.

Im neunten Kapitel zu den Morgenlaͤndiſchen Thierkreifen über, und handelt im zehnten Kap. von den Perfi (den, Indi⸗

244 Theke, Kıno Ziödieco- orientäle da O. Hager: tion - hd Arne,’ ti eiiftreti wort dent Chalsatſchen Shrecekiife „Deren Rorſtetuns er auf unferm · Denkemahté fem⸗ dei: An —X— wird no’ im zud viyten Kamen von den Vabyivntſchen und Merfiſchei Schreftzeichen inKeilſr Bed ſpwchen· "Mon dit Kupfer taPerti, welche Bay Werk yore; Retie’ Bte. @Fftt Snicht' ntmetteeb; dert Stein innatutiichet Groͤße it V ——— die Fweyte und dekſUede?noch

- befünders die Figuren zur 7 Seiten des Steines/ doch wer

\

in mehr oder wentger Hntiheheh Nachftichen won -BUR: RW fin’s Tafeln, dar. Die vierte fiefört einen Hagasar read nach einer Medaille des Katfers dieſes Mamendk der Sei Beif nuch einer Nachricht Kerodians V. 3," derſzufbige dee Elagadat, ein ſehr großer Stein ih Kegetfötn, alten’ abger rundet, ſchwarz von Farbe und ein Aerolith war, "wg Arte Dent nahl für einen Mekebtſtein erflärt." Wie‘ ehr: Tante enthaͤlt die ſchon erwähnten Proben von Babylonſiſchet Nee fcheift. Ru) Wergehe die Bemerkungen über die verſchiedenen Thietkteiſe wom Hr. Hager ſeinen Chafdätfeen Chrereteis in Harinoene zu bringen fücht, um deſto aueſaentte Br das erlährerte Denkmahl zu reden.

At, Hager {heine den Stein viel zu Hoch ’in! Ba thum hinaufzurucken, wenn ee ihn wegen der: Keilin ſchriften für den vermnuthlich aͤlteſten Thlerkrefs haͤlt, den wit die En⸗ ropa kennen. Der Gött. Ret. bemerkt ganz richtig, deſ:nich jedes Dentmahl mie Keitfcheift fofort im die ZUR der Abämes niden hinahfgerücht werden dürfe, da diefe alte Schrifcet eben fo weit herab fortgefet werden konnte, wie die Hierogtyphen⸗

ſchrift auf dem Stein von Roͤfette. Der Dre, wo vie ſies

Monument gefunden wurde, läßt fein fehr ho hes

Alter vermutben, man müßte es denn aus einer

an,dern Stadt dahin gedradt glauben. Ar: de Say madite ſchon die Bemerkung, daß der Platz, wo der ‚Stein gefunden wurde, das alte Kieſiphon ſey, welches erſt die Parr ther ſtifteten, und bis ins 7te Jahrh. nach C. G. die Reiben der Perfißhen Könige blieb. ‘Denn wenn man von Bagdad den Tigris hinab 4—5 geogr. Meilen fuͤdoſtwaͤrts reifet, fw

koͤmmt man auf eine zu beyden Seiten des Fiuffes: mit > nen weit umher bedeckte Gegend, welche die Araber al Madain

u

Nlustr, d’une Zodiaco orientale da.G, Hagen 245 oder die zmey Städte nennen, Pietro delle Valle viaggi I.

. Brief 17. Zves Reifen ©. 110, Unter diefen Trümmern hat

Ah noch ein anſehnlicher Palaft von Backſteinen erhalten, der von feinem großen Gewoͤlbe, welches von Oſten nach, 7 duch das ganze Gebäude in einer Tiefe von 150 Fuß, in

eine Höhe von 106, und in einer Breite von 85 Zuß, ſtatt der Hauptthure läuft, bey den Morgenländern Tak / Resra

oder Boden des Kosroes heißt. Dieſer Palaſt liegt auf der

Oſtſeite des Tigris, wie das heutige Bagdad und das alte Kıefipdon, und Abulfeda Geogr. &. 259 macht dabey die Bes merkung, daß der Drt auf Perfiih noch immer Thaifafun genannte werde. Die. beyden Städte, welde der Mame al Modain bezeichnet, find alſo Ktefiphon und Koche, micht dag 18 geogr. DM. Höher gelegene Seleucia auf der Weftfeite des Tigeis: denn ein Schriftſieller des 4ten Jahrh., Grego⸗ rins von Nanzianz (orat. II. in Julian. p, 308), erzaͤhlt, der Stadt Kteſiphon gegenuͤber liege Koche, eine andere mie diefer dur) Natur und Kunft verbundene und nur burch den Lgris getrennte Zeflung , fo daß bepde Fine Stadt zu ſeyn (deinen. Iſt aber diefes der Fall, to darf das Alter unſers Steines nicht zu Boch hinauf gefeßt werden: man müßte denn glauben, daß er zugleich mit den Materialien ker Mauern Babylons, melde feit feinem Verfall duch Selaucia's Aufı

bluͤhen zum Bau ber Käufer, Paläfte und Städte in dieſen

Gegenden verbraudit wurden und uoc; verbraucht werden, nad Ktefiphon gekommen, und fo aus frühern Zeiten erhalten fey. Kteſiphon ſelbſt wurde, mie Seleucia, von den Macedoniern angelegt, daher es fchon Polybins (V, 45.). kennt: aber «8 war ein unbebeutender Flecken, bis die Parther Herren des ganzen Landes wurden, und Kteſiphon zum gemähnliden Binteraufenthalt wählten, wie Efbatana zum Sommerſitze. Strab. XVI. ©. 1079. Unter Verus, dem Collegen Marks Aurels, nahm defien General, welcher &eleucia . nernichtete, an Kteſiphon ein, und zerſtoͤrte die Aöniglihe Burg. Dip Cass. LXX, 2. Aber bie Stadt befand noch bis ind 7te Jahrhundert, da fie das Eigenthum der Arabiſchen Chalifen wurde, und durch fie ihren Untergang fand. Bagdad, welche⸗

. 762 gegründet wurde, fcheine mehr aus feinen Trümmern ale

246 NMlustr. d’uno Zodiac orientale da G. Hager.

aus den ‚Steinen bes u weit —— Babylons ER zu ſeyn. Bon dem großen Gewölbe, das fih von allen Gebaͤu⸗ den, mit welchen einft. die ganze Strecke von © Madain bedeckt war, allein erhalten hat, gibt man einen Perfiihen - König Kosroes, andere einen Europäifchen Fuͤrſten oder Caͤſar als Stifter an, "und laͤßt es in der Zeit Juſtinians, auch früher oder fpäter, aus Babplonifhen Trümmern erbauen. Seine Römifhe Banart, wovon man fonft im Drient nichts

Aehnliches finder, verräch einen Baumeiſter aus den Zeiten der

Roͤmiſchen Herrſchaft, fen es nun, daß wirklich ein Roͤmiſcher

oder Griehifher Monarch den Palaft bauen ließ, oder daß

ein Aſtatiſcher Fuͤrſt Furopäifhe Bauleute dazu gebrauchte, wie Kambyſes zur Anlage von Suſa und Perfepolis Baumeis fler aus Yegppten kommen ließ. Diod. I. ©. 43. Ar. Mans

‚nert meint daher (Geogr. der Sr. und R. V, 2. ©. 404),

daß Ehosroes, der Sohn des Hormisdas, der zu Ende des fehsten Jahrhunderts duch innerliche Unruhen auf einige Zeit ans feinem Reiche vertrieben in Syrien lebte, und durh Uns terflägung des Römer wieder auf den Thron kam, den Palaſt gebauet Haben könne. Aus dem Angegebenen erhellet- wenige ftens fo viel, daß unfer Stein nicht weiter herabgerückt werden

darf; doch fey der Stein, fo alt oder jung er wolle, die

Ketlinfhriften deſſelben find, gleich den Hierogly—

phen in der Rofettifchen Inſchrift, eine aus Höherm Als

terthume beybehaltene Schreibeweife, ber zufölge, wenn fie mit den fumbolifchen Abbildungen darüber in Bes ziehung fleht, auch diefe nad) Altern Begriffen erläutert werden muͤſſen, wenn fie gleich in viel fpätern Zeiten in den Gtein

:gegraben wurden. Fragen wir nun, welches Volkes Begriffe

auf diefem Steine gu fuhen ſeyn; fo widerfpricht fih Hr. Hager felbft, wenn er darum, weil der Stein in Babylonien gefunden fey, die Figuren für einen Chaldäifchen Thierkreis erklaͤrt, die Inſchriften aber, im Gegenſatze der Babyloniſchen Schreibeweiſe, als Perſiſch charakteriſirt. Eines andern Wis derſpruches macht er ſich ſchuldig, wenn er der Unmoͤglichkeit, die Idee eines Thierkreiſes auf unſern Denkmahl durchzufuh—⸗ ren, mit der Bemerkung entgegen zu kommen ſucht, daß die Chaldaͤer, gleich den Chineſen und Japanern, ihre eigenen

Iiasit. d’uno Zodiaoe orientale da .G. Hager. 24

Zeigen. und Bilder gehabt huben könnten ;; mid zlalchwohl aus Mangel Veftinnter Machrichten Aber den Chalbaiſchen Thier⸗ fceis die Echefäge und Vorſtellungen der Griechen , Aegyptier, Indier und anderer Voͤlker zu Hhlfe rufe, um einzelne Figu⸗ ten bes Steines daraus gu 'eriären, nnd den Datz za begruͤn⸗ den, daß in Ehaldda: oder: Babpionien der alteſte Thierkreis, wie die aͤlteſten Spuren der Religionen und Sagen, des Wifs fenfhaften und Künfte, der Sitten und Gebraͤuche aller ge bildeten Voͤlker, der Aegyptier, Griechen und Römer fowoht, wie der Chineſen, Indier md Perſer, zu finden ſeyen. Kr: Lichtenſtein, weicher die Figuren mie einer fabäihen Tramers Mage in Beziehung zu beingen: ſuchtr, ift ebenfalls nicht frey von dem Vorwurfe, zu viel Fremdartiges unter. einander ges miſcht zu Haben. Einen beſſern Weg ſehlugen Ar. Millin, de Sacy und von Dalberg ein, welche ſich durch dem Ort, we

der Stein gefunden worden, berechttgt glaubten, ihn für einen auf den Strom und die daran liegenden Gebdaͤnde fih beziehen⸗ den Talisman zu haften, und nach diefer : Anfiche die Abbil⸗ dungen: mir den Lehren der Perfiſchen Reltgionsbůcher im Zuſammenhang brachten.

Die Vermuthung, daß ber Stein ein Aerolich ſeyn koͤnne, gruͤndet He. Hager auf feine Geſtalt und Farbe. Dieſe iſt ſchwarz auf der Oberflaͤche und geau im Bruche, jene oval⸗ rund, doch ungleich abgerundet, nad) oben fpigiger, nad uns ten bauchförmig gewunden, ungefähr doppelt fo breit als Di, und dreymal fo hoch. Kür einen Meteorftein wäre feine. Größe fehr bedeutend: denn feine Hoͤhe beträgt mach Hrn. Mihaur’s Angaben 48 Tentimeter oder anderthalb Fuß, feine größte Breite 32 Tentimeter oder einen Fuß, und fein Ge wicht oA SKilogramme oder 44 Pfund. Was. aber mit jenet Vermuthung flreitet, if gerade das Weſentliche, was Hr Hager Überfa), feine Maſſe. Hr. Mihaur erklärt. den

Farſiſtan beſtehen; Und Michaur's Vermuthung, daß er and

Stein fuͤr dieſelbe un. mie woraus die Zelfengebirge von

dem Innern von Perfien-in die Gegend gebracht ſey, wo bie Natur dergleichen Steine nicht erzeuge, iſt ein Grund mehr, in feinen Abbildungen und Inſchriften Perfiihen Geiſt zu fühen. Hr. Michaux hielt den Stein für Baſalt, aber Hr.

t

248 Muate. duno Zodisee oientale da :G. Hacat.

Rilin ertloͤn ihn genadepı:fün wine. Rarmar,. wie ihn auch Hr. Hager immar neunt. Hr. 0. Dalberg, welcher als Cihrifts ſteller uͤber den Meteorcultus der Alten hier: venaͤglich sine Stimme Hat, hoftreitat ſchon die Vermuthung das Hen. Ha⸗ ger, da der Saein ein Aarolith ſav, und bexaerkt, daß Die chewiſche Analyſe ihr als. einen ſchwarzen hituminoͤſen. Mar⸗ wor darſtele. Chaux carbonatze. hituminifene ua Hast.

&o wenig die Matur Bahulonien mit dergleichen Beinen verfehen hat; ſo haͤufig findet man fie im: jenew Gegenden. Hr. Beenchamp Heß in den Ruinen von Babylon einen ſchwar⸗

zen Stein ansptaben , weicher anfangs ein. Goͤtzenbild gu ſeyn ſchien, nach feiner .-Meisigung: aber ſich als eine‘ geſtaltloſe Maſſe ahne Inſchrift zeigte, wiewohl er Spuren des Meiſſels trug. Mon derſelhen Oteinart fand ee an mahreren ‚Stellen

große Bloͤcke als Ueherrefte wchrerer Denkmaͤhler. Zu Bruſfa, gwey Lieuen ſuͤdoſtlich von Hellah in der Wuͤſte trifft man

nah Hru. Beauchamp's Berichte ſchwarze Steine mit Zus ſchriften, fo. wie in al Kadder, in noch weiterer Ferne, man morne Statuen. Hr. Hager ſchließt aus dem Gebraeuche des hoͤchſten Alterthums, die Götter unter, einfachen. Steinen nund Aerolithen zu verehren, beſonders aber aus dem Sonmenbilde dee Syrer zu Emeſa, dafi der Stein als Aerolith der ‚Some gewidmet, und daher die ſymboliſche Darfielung. an feinau obern "heile eine Abbildung des Sonnenlaunfes oder ein Thier⸗ Preis war. Dagegen bemerft aber Kr, v. Dalberg fehr treft fend , daß die Ehrfurcht, die man gegen ſolche heilige Steine hegte, das Eingraben von Figuren und Schrift ausſchloß, wie es bey dem fegelfdrmigen Steine der papbifhen Veynus umd

bey dem nad) Rom gebrachten Bilde der peſſinuntiſchen 2

bele der Fall war. Auch fchreibt Herodian dem Syriſchen Elagabal keine eingegeabene Ziguren zu, fendern nur ‚eboxds zivag Boayeiag za) zönovg, Heime Eden und Gruͤbchen, woraus man feinen himmliſchen Urſprung erwies: übrigens war er ein unbeardeitetes Stein ( dypyaoros, nicht 2800

woigrog). Unfer Stein dagegen ifi offenbar von

Menſchen abgefchliffen, um auf den bepden Faden Seiten mit Figuren und Schrift bedeckt zu werben: den die Figuren find erhaben auf vertieftem Grunde, die Inſchriſten

Ilustr. Jumn Zodiaco orientale da G. Hager. 249

aber vertieft auf glattgefchlifggger.. Zlaͤche. Seine fonherhare Seflalt kann unfer Stein Daher auch nicht, wie Ar. Millie meint, dem, Abſchleifen des Tigerſtromes, fondern muß fie irgend einem religidien Aberglauben zu verbanten haben. Doc dat der Stein ‚mehr die Geſtalt eines unfbrmlichen plattges drädıen Kegels, als einer Pyramide, welche Hr. Millin, wie wig weiter unten ſehen werden, durch den Perſiſchen Cultus geheiligt glauht. Aus den bisherigen Angaben geht hervor, daß der Stein weder ein Aerolith, noch uralt, noch Thalddis ſchen Urſprungs ſey; ob. er der Sonne gewidmet, und ein Thierkreis ſeyn könne, wird die nähere Betrachtung der ass geriſchen Figuren geigen.

Die Ziguren erfüllen den ganzen obern Theil des Steines, am oberſten Ende durch eine queruͤberliegende Schlange ges ſchieden, welche den Stein in feiner größten Breite umzieht; isdoch nehmey fie auf einer der beyden Hauprfeiten des Steines ein donpeltes Feld und dappelt fo vis! Raum ein, als auf der andern Beise,. Nur die obern Figurenreihen follen einen Thierkreis vorflelen; die untere Figurenreihe der einen Seite foll den. Sommer und Winter im Allgemeinen bezeichnen. Die fhöne Jahreszeit oder die Zeugungsfraft der Sonne werde durch den aufrechtſtehenden Phallus oder Lingam neben dem Thiere mit Dem Widdermanle, . der Winter durch die umge⸗ Rärgte Pyramide oder den Sonnenfiraht neben dem Thiere mit der Eberſchnauze begeichnet. Hr. Hager lieh fid) Hier durch die falſche Darſtellung der Millin’jchen Kupfertafeln verleiten ; denn die beyden Thierfiguren des untern Feldes find ſich auf dem Steine ſelbſt vollommen gleich, und haben mit Dem -Thiere des obern Feldes, welches Hr. Hager für das Zeichen des Steinbocks oder des BWinterfolftitiums erklärt, zwar nicht die Geſtaltung, aber Boch das gemein, Daß fie auf befondern Uns terlagen ruhen, die ihnen das Anfeben von blofs fen Sphinrartigen Beſchuͤtzern der Altäre geben, duch welche ihr Hintercheil verdedte wird. Die Bedeckung des Hintertheiles ſetzt Diele Ihigrfiguren in den Hintergrund, fo dos nicht ie, fondern die Altäre des Vordergrundes als der Haupttheil Per allegoriſchen

950. Mustr. d\uno Zodiaco orrentale da G. Hager.

Darftetlung.gu betrachten find. Die befondern Unterlagen fiellen viele Thierfiguren ats bloße Abbildungen plaſtiſcher Kunſtwerke dar, weiche man, glei den. Fabelthieren in Pers fepolis, ans den Beltandehellen dreyer oder: mehrerer Thiere gufammenfeste, und unterfcheiden fie dadurch von den Thierem, womit die ganze entgegengefehte Sekte angefülle iſt, fo, daß fie nicht mir ihnen: ats Thierkreis in Verbindung geſetzt wers gen Binnen. Das Thier in der Mitte des obern Feldes ers ſcheint als ein freyes, die beyden andern als gefeffelte Thtere: denn jenes kniet nur auf dem rechten Vorderbeine, und hat das linke, aufgerichtet, zur Erde niedergeftellt 5 Die Vorderbeine der beyden andern Thiere liegen: aber=anf den Unterlagen Hingeftreckt, und fcheinen, nach den Gypsabdrucke zw urtheilen, jufammengebunden zu feyn. Das erfte Thier hat die Beftandtheile reiner Thiere nad Perſiſchen Religions⸗ begriffen, die Beine eines Stieres, den Kopf eines kretiſchen Widder mit gewundenen Hoͤrnern und einem Ztegenbarte bey - gefchloffenem Maule, den Hals behaart, den Leid gefiedert mit kleinen Flügeln auf dem Ruͤcken. Die beyden andern Thiere, die A. Hager auf eine unbegreiftiche Weife zu Krokodilen ums Schafft, vergleicht Hr. Lichtenſtein nicht unpaffend mit gefchupps ten Hyaͤnen; doch erfcheint, die Loͤwentatzen abgerechnet, alles WMebrige fo zufammengefegt, daß man fein Thier In der Nas tur von ähnlicher Bildung findet. Die kurzen, fpisigen Hörner ſtehen völlig fenfrecht, mie bey der Antilope, welhe man Klippfpringee nennt; zu beyden Seiten derfelben vertritt lok—⸗ kenfoͤrmig gemundenes Haar, desgleihen auch hinten am gans gen Halfe hinunter hängt, die Stelle der Ohren. Rah Hrn. Lichtenſtein foll dee Schmuck bes Hauptes keine Hörner vors ftellen, fondern eher ein ſymboliſches Emblem feyn, deigleichen auf den Aegyptiſchen Denkmaͤhlern die Scheitel des Serapis ziert. Der Leib ift fchuppenförmig oder gefiedert, die Schnange vorn gefrämmt, wie die eines Ebers, aber mit einer weit herausfichenden, z veyfach ‚gefpaltenen Zunge Hr. Hofrath Heeren hat in feinen Ideen uͤber die Politik, den Verkehr :and den Handel der vornehmſten Völker der alten Welt ges zeigt, daß ſolche willkuͤhrliche Abänderungen in der Zufammens ſetzung einzelner Theile ganz in dem Geiſte der Kunfl des

)

Ilustr. d’und. Zodiavo-orientale da G. Hager: 251

Derſiſchen Zeitalters waren. Daß auch im Tempel des Belus der reihen Abbildungen monſtroͤſer Thiergeſtalten aufgeſteüt ware, Tage Beroſus in einer miv'vom Ken. Dr. Fioris frenndſchaſtlichſt mitgetheilten Greffe, in excerptis Alex. Polyhist. ap. Syncellum Chronogr. p. 23 (Script. Byz: T. V. ed.- Ventt, 2729. fol.), woräber Court de Gebelin ‘Monde primsitif. T. IV. (Histoire du Calsndrier ) p. 488 unter andern fast, daß fie die Chaldaͤiſche Theologie und Loss

mogonte darſtellen ſollten. Haͤtte Ktefias in feiner Beſchreibung Indiſcher Wunderthiere nicht vielen Übergangen, weil es denen unglaublich ſcheinen würde, die es nicht gefehen hätten; fo wñrden wie vieleicht noch in feinen Fragmenten diefe Thiere erklärt finden, wie Kr. Heeren darin den WMartihera, den Greif und das Einhorn fand. Am meiften wärde auf fie die Beſchreibung golbhütender Sreife paſſen, Ctes. Ind. ı2, 100° ſie als vierfäßige Vögel von der. Groͤße eines Wolfes, mit den Beinen und Klauen eines Löwen, mit rothen Federn auf der Druf, und ſchwarzen Federn auf den Abrigen Theilen des Lelbes, gefhlldert werden, wenn diefen nicht Aelian H. Anim. IV, 26. den Kopf und Schnabel eines Adlers gäbe. Zwar erſcheint Dies Wunderthier, deſſen Dichtung fih Aber gang Afien verbreitet hat, in verfchiedener Geſtalt; doch haben uns fere Thiere zu wenig von einem Vogel, als daß man fie mit dem Perfiichen Simurg oder Sirenk vergieihen koͤnnte. Sie mit dem Ken. v. Dalberg für Bilder guter Genien, Taſchters und Behrams, zu erklaͤren, die hier, gleich den Sphinrxen in Acgypten als maͤchtige, wohlthaͤtige Beſchuͤtzer der Gegend und Bewohner der Gebaͤude ruhen, verbietet die oben ange⸗ führte gefeſſelte Lage der Tiere. Hingegen das Thier im obern Felde, welches Kr. Millin mit einem Tragelaphos, Hr. Lichtenftein mit einer geflügelten Gazelle, Hr. Hager aber - mit dem Steinbock vergleicht, ik nach Ken. de Sacy's gluͤcklicher Enträrhfelumg, welcher auch Kr. v. Dalberg beyſtimmt, ein Eymbol des thaͤtigſten und wirkſamſten Izeds Behram, der. nach dem Jeſcht⸗Vehram Zenbav. II. fih unter alleriey Thiers geſtalten offenbart, umter andern auch, nach Eorde 8, unter der Geftalt eines Schafbocks mit veinen um ‚gebogenen Hoͤrnern. | |

352 Mustr. dung Zodiaco orientale da.&. Hager.

Mac. Hro- Hager Met dan otzere Feld den Himmel, das‘

untere die Erbe vors er irrt aber, wenn ot, die vier Altäte des obern. Feldes für Thurme und Palaͤſte erklaͤrt, melde ſich auf Die gwmälf Sonnenfiatienen beſiehen, Die zwey des unterm Geides dagegen für Altäte des Feuerdienſtes. Die. Altäre. des uwtern: Feldes uneerfheiden [ih von den Als tären des ohern Feldes in nichts als in der bes beutumgsiafen Berzierang ber Außenſaiten. Alle hablben ein. eckichtes Piedeſtal und eine an deu Gelten abges nändete Obexlage ; aber im obern Falde theilen vier Säulen den Schaft is. dacp gleiche, mit willtährlihen Schnoͤrkeln und Strichen verzierto, Felder ab, Die Unterlage iſt mit drey wel leafoͤrmigen Strichen durchzogen, und die Oberlage in fünf Felder mit Kreifen in ihrer Mitte abgetheiis; im untern Felds dagegen iſt der Schaft in zwey Felder getheilt, die Unterlage nur mit zwey Schlangenlinien durchzogen, und die Oberlage in ſechs VBierecke zerſchnitten. Auf jedem Altare befin⸗ det ſich aber ein beſonderes Symbol: auf einem Die Figur eines Hufeiſens oder. vielwehr eines Griechifchen Q in der hertigen Uncielform, zu beyden Seiten unten gelockt, und ringsum durch drey Linien im nier Theile getheilt: anf dem andern ein langer und duͤnner, geſchuppter oder ger fiederter Hals, der, meil der Kopf durch die Deihädigung des Steines verſchwunden ift-, einem Baumſtamme aͤhnlich; auf dem dritten und vierten eine paraboliſch geſtaltete Tafel mit

einer Einfagung von“ allen Seiten, und mit ſechs aufwaärtse

gehenden, in der Mitte zufammenlaufenden Adern durchzogen; anf dem fünften eine liegende, dreyeckichte Ppramibe gleich einer Räucherferge, deren Bas im Verhältwiß ihrer Höhe nur gering. ift; auf dem ſechsſten endlich ein deeyeckichtes Taͤ⸗ felchen mit Einfaſſung, gleich den Kreuzen auf den Gräbern laͤndlicher Kirchhoͤfe auf. einem kurzen Pfehle ruhend. In dieſen Dingen, nicht in deu Altären, welche Bloß zu Heiligen Untergeſtelben für die Sym⸗ bole dienen, beruht Die allegoriſche Darfiellung zu deren Enträthfelung uns neh die ficherjeis senden Borkenneniffe fehlen. Sonderbar dewer Hr. Hager die Hufeiſengeſtalt, weil fie einem Griechiſhen 82

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Ilustr. duno: : Zodiaoo orimlale da G. Hager. 253

Ahnelt, «uf das an BZeichen im Thierkiriſe ober die Fiſche.

Hr. v. Dalberg muß nar den Mitlin ſchen Kupfebſtich, nice ben dortrefflichen Gypoabbeuck, augeſchen haben, ald er die Deriegimgen am Steine Für: Leichte Umriſſe von Regenwolben eflärte, welche aus dem flammenden Sterne Saſchter (Sirius) much dem durtinterſtehenden: Gebäude niederfaher, deſſen mit Schuppen bedeckrer Hells Bielleicht Amordad, der Führer Taſchters, odet Michta, alſo der. wohlthätige Gentus der Bike: Ah. Die paraboliſchen Geſtalten der: flagen:: Tafeln dem dritten nud werten Altave verleiteren deun Hru. Bager, die für: ATharnie ungeichen, amd durch Main's unnekkoms nine Darftellmmg) im Kupſerſtiche verfähr‘,. meint er, der eine ern ur Hat da, um anpudeuten, bu Sk Brorpion ber —5 bdieſer, den Winter busitellenden Getet he, . Hr. 1heilte dre Kupfsrtafetn na dan bey den Hauptplatten des Gypſsabdrutkers ad; vobey⸗dvre kleinen Beitenſtücke aucflelen, und dahexen unf Der einum Kupfertafel de SEchktangen⸗ ſqgwange die Hälfte der Oterafiguren arm obetn’ Aaude uue einen Alcars mite feinem’ Symbele,

ſo wix Die ausgefrättee Zunge des Thaerro im unter Pelde, verloren ging, während auf der andern Amfesapeb bie Schlange und der Wolf Aber dit Graͤnglinien huandgezeichnvt wenden. Dus Piedeſtal der Altaͤre, weiches auf den Kupfertafſeln niche ganz treu dargeſtelt iſt, verbietet er, ſie mir Ben: Hager für Tharme and Palaſte, oder mir Hm.’ v. Dalberg für Terrpel oder Luffäle zu halten, wenn fan: ri In Den Werzierungen des Schaftes Thuͤren umd Ai Mteave, und in din Merjlerungen der Oberlage Togar Acht lee: mie den Töeigtyphen und Melopen des Gtiechiſchen Gebmees finder -iiöchte: Welt paffehder und mit der ride der Yalytnteis ruhenben Thiere wert mehr im Berhaͤltniß fichend erklaͤrte Hi. Eichtenſtein alles für Leihenmähler, deren Ems Hand ſchiber zu erklären ſeyn. Nah Eubulus bey Porphyr. de: Nyitipk. 'antro. Ed. Gantabr. p. 255 sq. heiffgte Zoröns ſter wine höhe als Bild der Weltordriung darch Mirhra ges bant · ufide geſchũtzt, woͤrin nad) abgemefjenen Entfernungen von einander Dinge lagen, welche die Elemente und’ Klimate

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954 IKuste. d’uno Zbdiaco, orientala da 6. Hager.

Abilfen tollen. Dem cchnulich ſcheinen die Abbildungen bee beyden Feider auf der eisen. Haupeſeite des Gteinrs zu. fen: Br. v. Dalberg fand. im umtern Felde ein Opfer: db. Ormuzd augedentet, und ‚meinte, die.Higende Pyramide fen bie: himmr küche Pflanze Hom, vielleicht ein aus dem Holze deſſelben oder aus Mete beſtehendes Opfermeſſer im drepſeitiger Pyraa midetfprm; oder ein Werkzeug aue Holz zum. Anumachen dep Opferfeners dur; Reiben ; auch die, aufrecht flehende Gpige ' anf dem. andern Altar. fey win Weller. nder- ein Blatt des Baue mes Kom. : Bany verſchieden davon urcheilten Kr. Hager, und Vichtenſtein: nach jenem: folk auf dem einen Altar eine Pyra⸗ wide as ‚Bymbat: des Jeners auf dem andern -tine . dreyſeitige Pyramide lingen; die:einen Phalus ger Singers

darſtollez⸗nech dieſem foll auf Dem andern. Br das Gegenſßhck des Lingem; die Zoninoder das der Ranus Urania qugerichtet ſeya, ale Emblem den weiblichen Jomgung; auf · dem: Leichenmahle neben dem: teens liege cine -Zinur, weelche durch die Zeit beſchaͤdiget fen ‚und falls man nach achn⸗ lichan Dankmaͤhlern beym Sräfen Caplus en duͤria uma feehaglid eine Mumie vorsaſteſit habe, oben .einen, Lrichnane in Leinwand pewidelt. Allein nichts iſt auf dem Driginafe vollfomimener: und--demtlicher dargeſtellt, als grade dieſe Uegande Mopramide; dagegen die Pyhramidalfiguren am Schafte Den Auaͤre nur quf Millin's unwollfommenem Kupfſorſtiche erſchei⸗ nen. Hr. Millin findet in dieſen Pyramidalfiguren, welche auf dem Originale bloße Vertiefungen in den Feldern zwiſchen den Säulen ud, etwas Myſtiſches aud Religiäfes, den Grunde zug aller Keilfchrift als Symbol der Sonne, : ders Strahlen immer in koniſcher Geſtalt gezeichnet würden, und will deq⸗ halb auch das dreyeckichte Taͤfelchen auf dem letzten Altare für eine aufrechtſtehende Pyramide angeſehen wiſſen. Umgekehrt findet Ar, Lichtenflein darin das zweyte Element ‚Der zeugen den Dyos und der Keilicheift, deren Grundzug ber Pfeil oder männliche Mirrich ſey, welcher an der linken -Säule Bicfes Leihenmahtes ſtehe, die Spitze in die Baſis gehefſtet, zur Andeutung des nach dem Tode und der Begraͤbniß durch neue Zeugung zu erneuenden Lebens. „Man ſieht, zu welchen Mey⸗ nungen ein unpollkommener Kupferſtich führen kann: der treue

Ihustz.. dung, Zpiliano. ‚oxientala da G. Hager; 255

Bernd des Oextaln⸗les ht ‚wahr einen Mirrich, woch ein⸗ Jeni, no ninen Linga oder Nhallu⸗ über. und an hen Al ehren Sehen, - Eben ſo nenig. kann der Pfeil neben der Abbll⸗ dung zweyer ſich versinigenden: Bäfle, „mie Hr. Lichtenſtein meins, der wiermaf geflügelts, Mirrich fepn :..06 if ein gewähus - per Pfeil, auf bayden ‚Selten befedere: : Nech Dun. Hager ‚Hille, die beydes Otrame zur Bezeichnung des: Ortes, wo di Btein ein Gegenſtand des Werehrung: mer, Den. Enphras und Tignis gar, uud der Pfeil iſt Bezeichnung des letztern, weil im eg Tir ſowohl einem ‚Pfeil. ads ben Tigteflcons

Zwar finden ih der Pfeil auf ‚den verkehrter: Seite⸗ * * nicht zur Hynotheſe pe, wird Dex Ungeſchicklichkeit des Bilners zugeſchrieben. Hr. Millin weiut, der Pfeil könne Ma Lauf der Stroͤme bezeichnen, mir auf- unſern hpdrographl⸗ ak Hr. de Sacy erklaͤrt die. Bläffe für eine Abbil⸗ dung Asß- eo erh. oben des. Zeralhy Sand oder des Woory kaſche insbeſendare, „die ein Geſchenk des Taſchter ſind, und meins, der Pfeil koͤnne Symbol des Tir ſeyn, welcher dan Taſchter bealeltet. Hr. Lichtenſtein finder: andem zweyge⸗ ſpaltenen⸗ Strome die Fluͤſſe des Beldal, deren einer „Die uns ſuldiaea: Seelen im die elpſiſchen Fluren, der andere bis Beräbptes der Gotter in.den Tartarus fuͤhre. Her ©. Dalberg Gdlich erkamt den: Strom fuͤr die himmliſche Quelle gerakh⸗ Ed, und den Pfeil für: Taſchtars Pfeil oder ein Bild -bas Hlitzes und. dee himmliſchen Fetzars; doch gibt er zu, daß beydes audy deu- Tiger bezeichnen koͤme, deſſin Nome einen pfeil, bedente. Das Folgende wigd aber zeigen, dab in dem auf ſeine, Spitze geſtelleen Pfeile fewohl, als in be Aerliegenden Schlange om obern Ende, nichts weite als eine Vegrnzung datz Flguren, menn, gleich eine ıfyms b41iſche —R eesee an ſu⸗ Bel. tm:

Ursractat man die Anſchtiſten, vwelche auf beyden Haun⸗ kiten dee Oteines im zwey von ‚einander unabhängigen Co⸗ Inmnen, unter den figürlihen Abbildungen ſtehen sie findet man die-ganze Schrift von allen, Seiten durd Linien einges foßt, die Kolumnen von ungleicher Länge auf der einen Seite

Pu -_ 1 SE 2ei

956 Musi duns Zidiae ’orkmtald da-C. Kiger.

Var, .äuf der andern "diteih wiy: prall pet pendſtadar Londen geſchieden, und: jede‘ Melle: von Ser! andern durch: Quertinien abgerheint. Ebeinnfol fall die Schkanhel nit. vie: Fegucen Sir beyden Haußſeſeilen von” einunbet Then’ daher ihr Schwanz getade ſo weit herunternreicht, als DR Banden der mit. einer doppelten -Pigurentuife Bedeckiten Setil Was der Schlangen: auf der einen te des untern Weldos' bezwerde⸗, ſriſtet aufi der andeiit- Sei Ye! DR beyden obern Phyuveneethen ſend nur Auf eintr Sefte BL) vn Gxhlangihieit gefchleden:; auf der andern Wekte,; Ib der Pfril dit untere Bigareikreißt Gögränge, : Moden fe ic mitteibar: an: vinaader. Alleih die aber vikamder *—— Saar vdrr Dander, welche zur untern ten an Di IRitgarenreihen dienen, and bey. den febertiähch - Vie Stetlenquer durchgizogener EAnien vertreten, Yen Sthh langenkos ſe hinangtich, daß vie obern 2 beyber Seiten »des Seetmes von -ehtähber vnabhangißz MRS. An ‚Ber unrichtigen Boramsfegung, daß bie SA Sch ganem. Sreinnünyiehe, vetgleichen Herr Wet. Und Lichter, Kein: deſriov fahr: unpafend mir; dem Vaſugh ˖ ver Braiinen vder· mit den Symbble der · Jeit, dir Schlange, welche ſich m den Othwanz beißt. Herr Miullinerkannte die Sqtauge nach Ihr Geſtalt und Groͤßs für eine Ark Reſenſchlaige, amd vorhlich ſie mit der —* des Corand; welche den Tri Gottes: rings umgibt, Was Hier jedoch nit: DEFFFRU til. He de Sach ˖ und von Doͤlberg glairbtch in der Stage den Aiſchmsgh (Aemodi) des Zendaveſta zu erkennen, welcher Wermuthimg der Mangel der n bevden Füge“ widerſpricht, die Der Zertavefla dem Aſchmogh zuichreibe: Die Abbitdung ſtebbt nichte ab Fine gewoͤhnliche Schlange darz weile, da fie die: Figuren ben! Steines in geh. Theile theilt, nad) Kern Hager andeuten ſoll, daB dis Babe vun‘ erſten Begriffen det Wölfen genfiffinke nach Oom⸗ mer und Winter verſchieden ſey, den Reichen dee Lichts u der Brunn:

- ( Dee Beſchluß BR

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No. 17. 7 Hetb.eltersifge: - 4813,

Japebäder der Litteratun

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Ilustrazione d’uno Zodiaco orientale del Gabinetto delle mes

daglie di Sua Maesta a Parigi, da Giuseppe Hager. GBeſchluß der in No. 16. AUADTOD NEN Recenſion.

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| Near man num, sei Selte bes Stefnes als die

erſte gelte, fo geht aus der Lage der oben angeführten Schnuͤre oder Bänder, wovon freylih die Kupferſtiche nicht die mindefte Andeutung geben, ia hervot, daß die mit gedoppelter Figurenreihe Bedeckte' Seite die erſte ſey, was zu⸗ gleich auch die Richtung des Schlangenkopfes mit zweyfach ges ſpaltener Zunge andeutet. Die letztere Andeutung hat auch Hr. Hager aufgefaßt, nur begeht er, um feinen Thierkreis mit einem Widvderähntigen Thiere zu beginnen, den Zehler, bie fhte Figur zur erften zu machen, und umgekehrt, da doch (don die Köpfe aller Thierfiguren die entgegengeſetzte Richtung von der Linken zur Rechten verrathen. Hr. Millin folgte dies fee Richtung, welche auch die Inſchriften zeigen, betrachtete aber die Thiere der Kehrfeite früher, als die Segenftände der doppelten - Figurenreihe. Kr. Eichtenftein traf zuerſt hierin die währe Drdnung, indem er Millin's IX. Kupfertafel der vitt vorangehen ließ, und erklaͤrte ganz richtig die Figuren von der Linken zur Rechten. Doch ließ er ſich dadurch nicht bewegen, auch die Inſchriften in gleicher Richtung zu leſen, weil dar⸗ aus, daß die Thiergeſtalten ſaͤmmtlich zur Rechten blicken, eben ſo wenig die Richtung der Schrift folge, als man auf Maͤnzen immer dieſelbe Richtung der Thiere oder Menſchen⸗ Epfe mit der Inſchrift finde.‘ Zwar verfannte er nicht, daß die Inſchrift zuweilen uͤber die Graͤnzliaie zur Nechten hinauds sehe: aber er erkfärte dies lieber für Schnorkel der“ Anfangs buchſtaben und uͤberſtuͤſſige Zuge, fo wie den Hleiihen Anfang mehrerer Zeilen für gereimte Endungen, ungeachtet fich. jene‘ Schnoͤrkel nur M der erſten Zeile finden, dagegen . ‚aber‘ von FRECHEN

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2358 Ihustr. d'umq Zodiact otientale da G. Hager.

der linkeſtehenden Columne in die zur Rechten fo eingreifen,

daß offenbar die jedite Golumme fpäter. geſchrielen werd als die linke. Weil die Ihiergeftalten der Kehrfeite den Altären, welche Hr. v. Dalberg für Gebäude Hält, zugekehrt find; fo bezeichnen fie ihm boͤſe Genien oder Divs, welche fic) ‚verbuns den haben, den Tempeln oder Paläften auf der andern Seite verderblich zu werden. Allein erſtlich gehören die beyden Voͤ— gel, wenn man fie auch für Raubvoͤgel halten wollte, zu den reinen Thieren; zweytens irrte er darin, wenn er fi die Charfeſters alg anxuͤckend zum Kampfe gegen die Wohnungen des Lichtes dochte. Dawider ſtreitet nicht nur der Umſiand, daß die Charfeſters das Ende der Figurenreihe bilden, und

alſo eher abs als vorwaͤrts ziehen; ſondern auch die ruhige Lage der meiſten von ihnen, und die Richtung der ſchuͤtzenden

Thiere nach derſelben Seite, wohin die Charfefterg gewandt find. Kr. Hager verfaͤhrt gerade umgekehrt, indem er ſich, wie die. Sonne im Thierkreiie, den Richtungen der Thiere ‚entgegen bewegt, und vom Schlangenkopfe beginnend dab; ‚jenige Seite des Winters oder der Finſterniß neunt, was dem Hın. v. Dalderg die Lichtjeite fein.

Maren, wir mit diefer Seite den Anfang, wie, es der Bildner durch die Lage der zur Baſis der Figuren dienenden Schnur unverkennbar bezeichnet hat; fo ſehen wir oben der Schlange zunaͤchſt drey [heibenförmige Schilder, worgn das erſte, beſchaͤdigte, nichts. als eine unabgefchliffene, rohe Maffe darftellt. Die beyden andern find durch vierſtrah⸗ lige Sterne mit einem Knopfe in der Mitte verziert, movon der eine zwifchen fämmtlichen Strahlen ausgehende Lichtflams men. zeigt, der andere, auf einem gleichen vierfirahligen Sterne ruhend, wie ein Stern von acht Strahlen ericheint.. Herr Millin hält diefe runden Schilder für Höfe, welche. die. Stern umgeben, allein auf dem erfien, ziemlich dicken Schilde hat, ſo viel man uodh ‚Sehen kann, nie sin Stern geſtanden. Hr. Lichtenftein meint, die drey Sterne flellen die Deichfel des Magens am Morppole npr, als Spmbol der Sabäifchen, Txias, dreyer Dbergötter im Morgenlänpiihen Sterndienſt. Allein die Schilder haben ein dreyfaches Anfehen, und fielen entwe⸗ der drey Arten von Sternen, oder daffelbe in dreyerley

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IHustr.; d’uno: Zodiaeo orienlale daG. Hagex. 26

Vezichungen vor, als ruhe und migebilidete Maſſe oder wer⸗ dendes Geſtirn, halbvoulendet mit auafprühensen Flammen, und in vollem Lichte ſtrahlend. Hr. Hager deutet, bie rohe Maſſe ganz uͤbergehend, den einen Stern zum Tann des Pas radiefes mie vier Strömen, und den andern zum Symbole⸗ der finfleren Macht, ftatt daß Hr. v. Dalberg ben flammenden Stern mit Ken. de Sacy für den Taſchter erfidet, der durch fein Licht die Divs vertreibt. Tafchter wird wenigſtens im Geht: Tafchrer Zendav. IT. durchans ale ein Stern des Lichte " and Glanzblttzes gelſchildert, und im .Gten Corde mit Gehram (den Planeten Mars ) zuſammengeſtellt, weichen Hr. de Sach auch unter den Sternen des obern Geldes vermuthet, wie er ihn in dem Mter ihm ruhenden Thierbilde fand. Daß auch is einer der Thiergeftaiten Taſchter verborgen ſey, [heint Ar de Sacy minder gluͤcklich zu vermuthen: denn koͤrperlich erfcheint dieſer JIJed nur im dreyfacher Geſtalt, mit dem Körper eines ıSjäprigen Juͤnglings, glänzend und lichtweiß, oder eines Stieres mie Slißenden Augen und goldenen Hoͤrnern, oder eins Heidenroffes mit gebbenen Reifen Ohren und gofdenem bochgetragenen Schmelfe. Beetrachten wir die Figuren der Keheſeite, ſo iſt das erſte Thier ein Skorpion, nah Hrn. Lichtenſtein sin Bild des Todes; Das zweyte ein Falke oder Nabe mit Papagepens ſchnabel auf einen beſondern Geſtelle, welches bloß da zu fepn (dein, um ben Mogek oberhalb ber Storpionsſcheeren in den leeren Raum zu bringen - das dritte em Huhn, nah Ken. Haget eine der Iſis geweihte Sans oder eine Taube. Mr. de Sacy Häte den einen Vogel für den Kehrkas oder Eorofch, den andern für den Aufsafhrnosad oder Peroderefch ; dagegen Kr. kichtenſtern den erften fr. eins behaubte Lerdye auf dem Leichen mahfe:(.dme DonPilßtog. xopvdarıls ) erklärt, welche auf den Geäabern einſam zu ſitzen pflege. Der andere Vogtl ſey nicht Didus Ban. , wis Zr. Millin vermuthe, fordern ein Nabe oder dor Wovof ‚wein noch jetzt die Brahminen als ein Embleri: wor ab goſchtedennen Stelen betrachteten. Wenn chen bey dieſen Thierſiguren die Meynangen fo verſchleden find, fe Iaffennapioie biteden zunchſt Folgenden monftröfen Ihierges ſtaſten worh Wentger befkiimmien, wort fie. nicht aaturhiſtorifch,

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260 Ilusir; dan Zödiaco orientale da G. Hager.

.fondern- idealifch oder magifch‘, nach Perfiicher Sitte, darge⸗ eilt find. Nur das läßt ih wohl mit Gewißheit behaupten, daß fie keine Bilder des. Thierkreifes waren. Sie ’gleihen zweyen Schlangenleibern mit verfchiedenen Köpfen: der Kopf des erſten fcheine behaart, des zweyten befiedert, und doch Gar der erſte den Schnabel eines. Raubgogels mit einem Kamme und Zähnerachen, der zweyte den meitgeöffneten Zähnerachen eines Saͤngethieres mit langen. gefpigten Ohren, “die: Hr. Millin und Hager für Hörner halten. Kr. Lichtenfein findet in den beyden. Schlangen .die Zeichen für die. Planeten Mars und Saturn, oder Merkur und Venus, und deuntet fie als Kedu und Rahu, xaxodasiınv und dyaSodaiıar. : Die ſchwebende Figur, welche den ganzen Raum uͤbes dem Huhne einnimmt, erflärt er für eine muflifche Muſchel oder einen Hyſterolich, das. natuͤrliche Idiom des Lingam; Hager für einen heiligen Machen, das Schiff der Iſis oder der Jungfrau zur Bezeichnung des Lichtreihes und Sommer ; Sotflitiumg, wieder Steinbock auf der amdern Seite das Winter : Solftt tium bezeichne. Hr. v. Dalherg bewmerkt dagegen, mas auch bey mehreren andern Deutungen erinnert werden kann, daß das Ass Schiff. als ein rein⸗aͤgyptiſches Bild nicht wohl ia einen Cyclus Chaldaͤiſcher Mythen paſſe. Den Beſchluß macht ein ſitzender Schakal; nah Hrn. Lichtenſtein ein Hund, der Sura, welcher den Mithra begleitet, und bey den Parſen den Las benshaud der Sterbenden auffängt, oder auch ein Wolf ats Zeichen des Planeten Merkur, und als Begleiter der Seelen zue Unterwelt und wieder zus Oberwelt; nah Hrn. Hager fogar der Widder, oder den Vorſtellungen der Parfen gemäß, das Lamm als erftes Sternbild im Thierkreiſe. Fuͤr die, weldse das Thier mehr einem Wolfe ale Lamme oder Widder ähnlich finden, bemerkt Hager, um feine Idee von einem Thierkreife wicht aufgeben zu muͤſſen, daß die Brahminen ſtate des Wid⸗ ders ebenfalls ein Thier ihrer Gegend hoͤtten, welches -einem Kunde, Wolfe oder Fuchſe gleiche, und daß nach Minfrebine die Sonne auch unter dem Bilde eines Wolfes verehrt ſey. Beydes beruhet auf nichtigen Gruͤnden: denn nach den Asiatic Researches (ſ. Jen. A. 2.3. 1012., No. 231. )..feanen die VDrahminen allechings den Widder, Aur hahen, ſt auch andere

IInati dinnd; Zodiaed: onientald.da: G. Hager. 26£

Beiden und, Bilder, die Biondshrter zu beſtimmem; und bey Hemer bezeichnet das Wort Arnıäßor, welches gu der Behanp: mug des Makrobins Anlaß gab nicht. dus Zahr ezuewie man gewoͤhnlich glaubt, ſondada Rab Mondeswerhlel oder den Mon⸗ deslauf won einem Reumdonde zam andern, Worauf ar en un Lateinifche Name Lina für Bacina hinweiſet.

Se wenig Grund nach oßigem dB Verf. Dißtungeh der ziguren— -haben, eben fo zrundlos ciſt fein Urahass Aner die Babyloniſche Keilfhrift. Hr. Anger behauptit ann ih, daß zwar die: Perſiſche Keilſchrift eine Mehtwig "von det Linken zur. Mechten habe, die: Babyrloniſche at perpen dicular abwärts nach Chineſiſcher Schreibeweife, (6: dafiı'die? Eolumme gar Rechten den Anfang mache. Zh’idiefer Bebauung vr anlaften ihn bie bekannten, Inſchriften auf beni; Auckſteinen und Eytiuberw, weiche er ſe halt, daß ftine Gchäeprung: mie der von mir erwieſenen Zeichenfäige: voͤllig : sufammenfkimme Denn biefeiben Bnichriften, weſche in horizentaler Richtung von der Linken zur Recheen gelefen. werden, 'Isufeır, "als: pers yendimmiare Enlımmnen betratchtet, non der Nechten zuw⸗Linken und umgefehre. : Damit: man viedech ſich uͤbergeuge, :taß Am Angers Meysnung eben fe wenig Airamd babe, als Chardims ähniıhe Behauptung in Anfshang: der Perfepelitunkfdien. Im ſchriften an den Senftern: im. Palaſte dei Darius. iſobemerte ih, daß die-Igvofe. Londaner nfheift in schen: Gehtumin; worüber ich meine Bemerkungen im Sntelligergbfutt.:Adr :: Ye, a. 2. 3 1805. No. aoı.. bekannt gemacht. habe, : auf :deväk erßter Columne fih der Inhalt faͤmmtlicher bis jrtzt -Sefänisten Backſteine in Meinen Variationen wieder ſindet, Aben fo wir widerfprechlich eine horizontale. - Richtung von der: "Linden zur Rechten hat, als die Inſchrift desjenigen Steines, von web chem hise die Rede iſt. Das Ungmelläffige eines Qupferſtiches zeigt ſich in den Inſchriften dieſes Steines ſawohl, als im den allegoraſchen. Abbildungen: doch hat ſie Ar. Millin mit der moͤglich ſteun Treue geliefert. Weniger richtig. if. der Nachſtich bey Sagen, , wiewohl auch dieſer treuer genannt werden Hann, als. Millin’s.. Abtzildungen der Bahyloniſchen Bnackſteinu In⸗ ſchriften, zu deren Lefung ader Copirung nach den Originalen felba, wegen ihren rohen Maſſe und der vielen beſchadigten

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382 Ihustr‘' d’imo :Zodiaca.orientale da Gu Häger.

Grm; ein: in dieſer "Gchriftuer. vikifach geidtes Ange gehöre. Ich Habe die verſchiedenen Bruchſtücke aber bekannten Back⸗ ſteine zuſfammengeſtelle, "und fs Mich Jufammenhaltung aller Engliſchen mb: .Breubiihiit Mihiiuungen gegen nem, im ihrem. Yuhinlte ‚wenig verſchiedene Inſchriften herausgebracht, zu deren VBelaimetmachumg ie erenen Kapferſtichen ich His jegt noch keine Gelegenheit fand. Ueber Her Charakter" der. Keil⸗ ſchrift auf unſerm Steine ihabe ich’ ſchon in dem Anhange zum erſten Therle von Heeren?s Ideen Aber bie Potitik, den Ver⸗ dehr und den Handel der vornchmſten Volker der: altın. Welet meine Bemerknagen mitgecheilt; hier finde ˖ nur Hody folgendes Wenige Naunmi. Der Stein iſt an mehreren Bitellen befchäs digt, wodarch einzelne Luͤcken, beſonders einzelner Keile, im der Inſchrift entſtehen; Hiervon verſchieden ſind aboer die mie Fleiß "geiefenett Lucken; der. Juſchrift in ben :nesiften Zeilen, weiche deher: zu; rͤhren ſcheiden, weil man nur eine beſtimmte Zeichenreihe in jede Zeile briagen, ber auch keine Luͤcke am Endecder Zeilen laffen wollte. Man dehnee daher bry klei⸗ nern Zeichtneeihen die: Keile, vaͤckte bie Schviftzeichen ſelb ſt meiber aus einander, ober (er "auch nur das letzte ‚Beichen aus Eude Bir Zeile, Inden mwanden übrigen Ham "unaas gefüllt Hide Vey groͤßern Zeichenreihen rädte.nian die Zeichen nicht wur näher zuſammen, und zeichnete fie fo klein als moͤg⸗ lich, ſonbern man erlaubte ſich auch, fiber die Graͤnzlinie Der Bstien · han aucqugehen. Das lobtere ift jedoch in der erften Eolumme,d. h. den. darüberſtehenden Figuren zufolge zur Bien der mit Titer doppelten Fignrenreihe bedeckten EBeite, wie der Fall; ‚viehmehe erhält: bey einer Wiederholung deſſel⸗ den Jahalts ie ıgte Zeile zwey Beihen mehr als die 1Gte, welche man zu Aufang der ırten Zeile fekte. Ans dieſem Grunde fan man bie Scheu, eine Zeichenreihe. zu unterbre⸗ chen, alcht wohl fuͤr eine Folge der Interpunction halten, fa daß jedes einzelne Zeichen ein "ganzes Wort bezeichnete. Far eine Wortſchriſt iſt Überhaupt Die Werſchiedendeit der Beichen gu. Hering, und die Wiederkehr, ja ſelbſt unmistelbare Wieder⸗ delung gläicher Zeichen zu häufig, ale daß man hier Peine WBuchſtaben⸗ oder wenigfiens Gplbenfhrift vermuthen ſollte. Bir ledteve ſcheint das -Aenferfkcomplisikee: maticher Zeichen,

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Ilustr. Auno Zodiagn, orientale. darßr Hager. 263

Nam Ende der Zeilen: ifnlieg,fichen, zu ſyrechonz meniafteng die Werfhiedenheit der Zeihen zu graß,, ala daß man as eine ganz einfache Buchſtabenſchrift benfen ‚fännte, warn. mau quch noch fo viel Conſonanten und Bocalzeichen ins Alphabes anfschmen wollte. Entweder. muß man alſo sine geaße Menge . yon Zeichen als Abkürzungen. ganzar Wirken: betrachten, wie «6 in der Perſepolitaniſchen Keilfchrift mis dam Königstisel ber Ball iR; - oder annehmen, ‚Daß in der Babplauiſchen ˖ Keil⸗ ſchrift Die Vocale mit den Conſonanten zu einem einzigen Zeis den verbunden zu merden pflegen, Die dadurch entſtehendo Menge der Zeichen hindert Die, Ueberſicht, Bed. alſeo auch die Ruyifferung fehr; weniger... binden Die. beſchaͤdigten Stellen der Inſchrift, da fie ih meiſtens durch Zufenganheikung alels cher Stellen engänzen laſſen. Sp. find in dee erſten Cokınng gerade da, wo der Stein, am meiſten gelistien bes, Die. ges and aote Zeile wit der. arten umb ıgten- bis auf die beybay Schluß zeichen der gten und 1iten geile ſich völlig gleich. Ming muß bey ſolchen Vergleichungen aher äußert vorſichtig veſah⸗ sen, da zuweilen bey ber, Zuſammenſtimmung aller Zeichen ein⸗ zelne darunter verichteden find, die vielleiche auf. verſchiedene Beerionen deuten. ©g 4. B., ..um bey ber erben Columge ſtehen zu bleiben, . die Ste Zeile ‚gleicht der. ten bie auf daB ale Zeichen,. welches auf die bayden gleichen folgt;. ale nich dem ten Zeichen iſt die Verſchiedenheit bedsutenh, menn gleich die Heine, Verfchtedenheit isn. beiten Zeichen von Ende, wa⸗ des mit den eben erwähnten ;benden gleichen - Zeichen {überzin: Rünmt ‚nur ein Verfehen des Bildners ſcheint, Nimmt man Wiederholungen einzelner Zeichgureihen für Wörter an, ſo Hfe-fih die gange Inſchrift ia Wörter von; a.— 5. und, mehr Zeichen auf, Die meiſtens oͤfter, wiederfehren, haͤngere Zeichens. reihen wohl, 4, kürzere gar I mal: In Km. Lechtenſteins Erfiäsung wird man ſelten dexgleichen Wiederholungen ayf gleihe Weiſe erklärt finden; eine Folge der, yabeichreiblichen Willkühr, mit welcher ein Drittheil der Keile für uͤberfluͤſſig erklaͤrt. ganze Zeichen, ja Wörter ausgelaffen, andere Dagegen " eingeſchaltet, Keile mie Winkeln, und Winkel mit Keilen. fo vertauſcht ſſind, doß ‚man die Inſchrift des Steines in ber Entraͤthſelung nicht wieder zu finden weiß. Die bald haͤufigere,

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DE N | 264 IHustr! dme Zödiacc ofientäle da G- Hager. Said ſeltenere Wieberholung ganzer Veilen ſowohl, “als kleine⸗

ter Zelchenreihen, Virlleicht auch Die heilige Seen, mit wel⸗

cher man. eine"beftinimte Zerchenreſhhe in jede Zeile‘ Beachte, verbunden mit bc: allegorifchen! biidungen darüber; laßt Abrigens vitmge Linen récligibſen als hiſtortſchen, pꝓlitiſchen oder Wifferſchetftikchen Inhalt“ verlinuthen.“ Iſt vielleicht Die Zuſchtift eine: fchekilch geſchtiebenek Eocbid oder: CTaviß ?- eine heilige Geber Zur: Abwendaͤng“ alter Aebel des Leibes und der Seele; umd- Aberhaupt affer "Anfälle boͤer Genien, welche wür- ein Mobeb !oher: Prieſter Ichteiben vburfte. ©. Zendav. II. Jeſchts Bades N. LXX— LXXVIII. Dergleichen Toavide enthalten jeßt- gewoͤhnlich die Formel in Pehlewi: „Ach Binde diefe Uebel Ban Fenersı Kraft und Feriers s Schänheit,; umd Macht des glängenben- Feridun Athvians, durch der Irr⸗ und Standſterne: Kdaſt w ſ. f.%, und’ werden vorzuͤglich am“ Lage Eependarmmad das Monats Espendarmad (dan 15. Tag des Waren- Meonates im Jahre ) ausgefertigt, und“ den Parſen verkauft, um bie Dews aus ihn Haͤuſern zu vertreiben, oder ſte wenigſtens zu binden, daß ſie nächte ſchaden können. ©

Zendav. III. Gebraͤuche der Patſen 6. X. Man 'feyert diefen

Tag noch ‚wie man Ihn. ſchon zur Zeit des Agathias beging, welcher Hast. II. p. 59 davon“ atſo ſchreibt: "Eoprne weno- adv pelgoba Tur ToV xuxdy Neyoueonv Araipesıy vehod- or, EG av Te foneröv reiora Kar vv Mir Chor Grdce Eybuäi Kal onussotid⸗ ——— edoeßelae ur f. m.

Es Bleibe- jederk! feine Menning een, aber große: Belehrang

in aſtronomiſchen und hiſtoriſchen Kenntniſſen erwarte nie

mand von der vdlligen Entraͤthfelung. Hoffnung 'zi diefer if

jedoh, fobald die Gpracde der Inſchrift Pehlewi iſt, da nenern Nachrichten zufutge W. Dufeley unter andern Merk würdigkeiten des Orients au) din Pehlewi⸗ Serteron a

"gebracht haben vom:

Srotefend.

Capita Theologiae Judaeorum dogmäticae e Havn 'Josephi scriptis collecta. Accessit ...r super ' Josephi de

Capita Theologtae Jud. dogm. auet. Bretschneider. 265

Jesu Christo - testimonio. -Auctore Carolo Gottlieb Bietschweider,"Iheal. D. er Anmaemont. Superintend. Lipsiae 1812. ap. Joh. Ambr. Barthium. b ©. in 3. Sohkphus Hate im Sinn, Über-jüdifhe Religonge lsören m were Buͤchern za ſchreiben. Aechaͤol. So, 11. vol, mit I, 1: 2. Lewer! iſt dleſ Arbeit nicht auf uns gekommemn Sie würde var, da alle Schriften dos J. apolvgeifch für die Juden find‘, "aiche. unpuurthegdich, dennoch aber fuͤr die Kennt⸗ ih vom Zeitalter des Urchriſtenthums ſehr belehrend ſeyn. gelehrte Werf. der Dogmatik der apokryph. Schriften sen Teſtaments (Leipzig 1805.) macht ſich daher ein wahres Perdienſt, indem er ans den abrig gebliebenen Ber⸗ ten des juͤdiſchen Ptieſtere und Geſchichtſchreibers die zerſtreu⸗ ‚tm für die Dogmengeſchichte merkwuͤrdigen Stellen in einem gefhligen! Lateintſchen Vorrrag nach dem Jahalt ordnet, und die meiſten zugleich mit den Worten des Driginals ſelbſt aus führt. Die Ausführung iM gedrängt, genau’, melſt "anf : Kchte hiſtoriſche Auskegungskunſt gegruüͤndet. Wir erlauben ung einige ba der Durchſicht aufgefallene Bemerkungen. BR ‚Contra - Apion. 1, 8. erfthrt bekanntlich, daß bie Hebe. ———— ſeit Artaxorxes Zelt nicht ſo glaubwuͤrbig ſeyen, als die vorhergegangen⸗ n, weil die gendue Sncceffion der Prop heten nicht gewefenfey. Aa vo u yercstaı ae Tr Koohnehv dreh Amdoxiv. Der Verf. dentet die dann, daß, Rah der alten Meynung, der Geiſt,wel⸗ cher den etien Propheten getrieben Hatte, übergegangen: fey auf ˖den Andern. (So begehrte Eliſa doppelt fo viel Antheil an Shia's Seiſt, als ein anderer erhalten moͤchte. =. Kin. 2, 9.). Das: Beywort: genaue:Succeflion, ſcheint aber doch mehr darauf zu gehen, daß, fo lange die Prophetenchoͤre dauer⸗ "gen, der Vorſteher feinen Nachfolger wählte, den er auch ſalbte, 1. Koͤn. 19. 15.” Hierdurch wurde die. Succeſſion axrpıBas eine.-gena.we. Uevrigens zeigt dies Stelle, daß auh Joſe⸗ phus dis Fortpflanzung (und eben. damit die den National⸗ zweden gemäße Redaction) der Nationalgeſchichte unter die

Gehhäfee der Prophetenchoͤre oder Schulen rechnete. Unter

den Weudtasdten: wartete man, ob je wieder: ein fo gendu autentfirtes: Pevphet aufitchen würde: 2. Maktab. 14, 41.

266 Capita Theologias Jud. dagm. auot. Breischneider,

Contra Apion. 1. s. $. aa. wird Gott beſchrieben ald non» Hy Te.xal wereßos Aıuiv dpariorıroz. Er ſey in Dim ſicht der Geſtalt und Größe für uns durchaus unſichtbar. Hr. B. aber will, uooſm fep bier ſynondm mit odoia.. 37 uogPü Dead Indoyar Ph. a, 6. möge ehem daher erklaͤet werden. Dies iſt offenbar mggichti Ju welcher Sprache Bännte das innere, das Welen, odeia, durch einerley Wort wit dem Aeußern, der Geſtalt, bezeichnet werben ? Auch fagt ber. Contert bey Sofephus: feine Materie tauge gu einem Bild von Gott, keine Kunſt vermöge. iin nachzubi A;an. Beziehen fi Materie, :öAx, und Aunfl auf das Wefen? richtigere Parallele folgt in der Note 77. Feariozop noppn. ‘Wir faflen mehrere Bemerfungen Über das, was das Dogma vom Schickſal nah dem Tode betrifft, als einen, der merkwuͤrdigſten Puncte in der Dogmengeſchichte zus fammen. Daß Joſephus, der Phariiker, in mehreren, dog⸗ ‚masifchen ;Berftellungen beſonders in dieſer Ruͤckſicht von ben Phariſaͤern abgewichen ſey, davon haben die von dem Varf. angeführten Beyſpiele den Rec. nicht uͤberzeugt. Im 7. Buch vom jän Krieg 8.6, 3. ©. Br fagt Joſ., die fogenanns ten Dämonten ſeyen Geiſter böfer Menſchen, weils he die Lebenden anfallen, und die, Welche nicht Hilfe (duch die Wurzel Baaras und Salomoniſche Sneantasiomen ‚nah Arhävl. B, 2. S. 257) erhalten, tädten. Nun behaup⸗ . sten die Phariſaͤer? „aller Geelen Bätsen eine „unfierblidge Kraft; unter der Erde aber (vᷣno ZBuros, im Hades) haben ‚fe Strafen oder Belahmungen, je nadbem fir im Leben Tu⸗ ‚gend oder Bosheit gehbt haben, zu erwarten; und- für Den einen Theil komme hinzu ewige Kerkerſchaftt (eloyuor :aidıoy Teogsiteoder), für den andern. Theil aber bie Leichtigkeit, wieder ( in einem: Körper) aufgeben.“ Prora- vny Teö avaßıoöv. Arhärl, 18, 1. 5. Da bier den böfen Menſchengeiſtern von den Phorifäern eine ewige Einkers Lerung zur Strafe gemacht werde, ſo ſchließt der. Berk S. 32. Joſephus feibſt, weicher diefe Seelen noch anf der Erde als Dämonien. auf:.die Menf wirten: la, mäfe ‚Hierin von der Pharifäiicden Vorſtellungsart abpemächme ſeyn. Allein die. ewige. Einkerkerung dee Wöfen me, ' wie bie

Capita Theolögise Jud. dogm. äuet. Bretsöhneider. 257 irperliche, PBiederbelebung dir Guten, nicht als etwas ſogleich nah dem Kommen in den Scheol erfolgendes angenommen; wiehehr war szene cin hinzukommendes Webel, welches 9. nie ohne Urſache durch ein wpoorideoda bezeichnet. Die Daͤmonien konnten noch fp lange, bis‘ die Einkerkerung Iinsufamı ‚,-als Ueſacher menschlicher Krankheiten hier oben von Sofephns gedacht werden, ohne daß er von (einem Pharifsismny abwid. Ferner ließen, die-Pharifäer, zum wenigften, gewiß die Seelen der Guten in einen andern Körper übergehen, ueraßaivev eis drepov ouua, und dahurch Sie Erleichterumg genteßen, daß fie aus dem Schatten⸗ fead. wieder aufleben, avaßıoöv. Darhber bemertt ®. 52 ’Qaamquam in N. T. Act. 23, 6 - 8. Pharisaei mortußurum resurrectionem expectasse dicuntır, sd an’ te. wd Avaßıddv et Tb neraddaisew dıg Erepov 9öua referr3 non possunt. Non enim dicit Jos, &orpora mortua vitae 'olim restitutum iri, sed animas vVedituras esse in vitam; non scribit, animas zig TO adrd oüua ‘sed: eis trep0v esse transituras; non contendit, hoc sinul, una die, esse eventurum, sed animas, habere fao- own» hoc'fariondi, pendere igitur hoc ab animabus ip- eis, .verliam hanc illis esse dataın., während die böfen See⸗ ten im Hades gefeffelt bleiben.“ Dem ec. ſcheint das, was Zeſ. als“ phariſaiſches Dogma angibt, mit ber Anzeige des IE TE micht in Widerſpruch gelegt werden zu muͤſſen. Wer ſagt: die Duele geht Über in vinen andern Körper, der

laugnet miche, daß diefer andere Körper ſich zum vorigen,

wis Ah ysvuatınöd zum YVuxıxov, wie eine neue dem geiligeven Zuſtand angemeſſene Frucht zum Saemenkorn (ı. Kor. 15, 43. 44.) verhalten, atfo ein auferflandener ſeyn möge, Die paordrn voö avaßıoöv aber iſt ſchwerlich von ungen den Seelen der Guten überlaffenen Freyheit,

wieder Bbeperlich aufpeteben, warın fie wollten, zu deuten.

Wietinehe iſt wohl dies der Sinn: Wera die böfen Suelm einft den Zuſatz (zu ihren vorigen Strafen) erhalten, ewig eingokerkerinzu ſeyn, fo erhalten die” gaten dageyen bie

Leichtigkete, von dem Böden Scheol befreyt, als Hörperkich.

mau behebt Aügpreisten. Ohne Korper naͤmlich wer, nad ber

265 Capita-Theologiae Jud. dogm. auct. Bretschneider. Vorſtellung ſinnlicher Menſchen, kein volles Gefuͤhi fuͤr Freude

oder Leid.

Wohin aber, dachte man denn, daß die Seelen der Sum nach dem Tode hinkommeu? und wohin follten fie, mit dem neben Koͤrper vereinigt, übergehen? Der Esfeener. antwor⸗ tete: die Seele der Guten geht ohne Körper ſogleich in einen Tomos oixeios, im einen Ort, der .(Lünftig) ihre

Heimath ift, in das jenfeits des Oceans liegende Einfium oder

Pargdies (vergl. Luk. 25, 45.). In diefem Sinn fpridt CB. 7. vom jüd. Kr. 8, 7.) der S. 54. 55 angeführte Elen gar; und auch hier, um dies im Vorbepgehen zu bemerken, geht alſo Jeſephus, welcher den Eleazar, zu Maſſada in der Mähe der Eſſeniſchen Wohnungen, als einen Eſſener ſore⸗ chen laͤßt, nicht von dem Phariſaͤismus ab. Der Sadducaͤer Raiſonnement ließ die Seelen mit den Koͤrpern vergehen. Zaddovxanioıg Tas Yovxüs 6 Adyog awvapanigsı Tög od- voor. Archaͤol. 18, 2.4. Der Phariſaer lieh alle Seelen zuerft in den Scheol gehen. Dort, ad’ &dov (weiche. Phraſu

= 6md x>ov0g ©. nicht es wie ©. 53 angibt, post

mortem, ſondern beflimmt in

rung der Böien van den Busen (ein anderer Aufenhalt fir Abraham und Lazarus, ein anderer für den reihen Praſſer,

*

a de, in sede inferarum, bedeutet) ſind Strafen und Belohnungen, alſo eine Abſonde⸗ |

Luk. 16, 22.). Doch ſchweben oft jene, wie fchon nacagewie

fen ift, als Dämonien noch auf der Erde. (Diefe fürden

nur, zu frühe wieder in den. Abgrund getrieben. zu. wer⸗

den. Luk. 8, 31.) Gpäterhin werden. die‘ Höfen in dem | Scheol confinirt, eioyu@ aidın, die Guten aber in den

Himmel verſetzt. Wenr Joſephus in einer Ermahnunge

rede gegen den Selöftmord dieſes letztere ohne des Hades ſa gedenken, aus ſpricht ( „&ga dx IoTp,, ört ua al.

- denxaoı Yoyai uevonaı, ‚X5p09 —ED day zarov,. Erden Ex nepırgenig alıyev dyvors ad Ar

:TEVOLRIGOVTM ogacıw“ von Sud. Kr. 3, 8, 6.), ſo weicht er auch ‚darin vom Pharifäismus. nicht ab. Er nennt mit

das eingreifendfe Motiv, die einßige Verſetzung in des Him⸗ mels Reinheit, ohne laͤugnen zu. wollen, daß die gusen Selm

zunächk nach dem Tode, in dem Hades, u a Aa dem

Capita Theologiae Jud. dogm. auet. Bretschneider. 269

paradifiihen Theil deſſelben, eintreffen, Daß alsdann ben der _ Biederverfegung in Körper nicht an himmliſche, Ayherifche, fondern an reine, aber irdifche Körper zu denken fey , welche fe reliete coelo bewohnen follten, folgert jwar Ar. Br. aus dem Wortchen dedev von Dorther. Dies wäre dann aber eine Verfchlimmerung ihres Zuftandes, weiche ihnen keine My⸗ thelogie anvichten fonnte. Der Sinn muß alio vielmehr diefer ſeyn, daß die Seelen der Guten, wenn fie einft in den heiligften Ort des Himmels verjeßt werden, von Dorther (oder auh: des wegen) nady mandhem Zeitenwechſel auch wieder mit reinen Körpern verſehen werden. Nach der Borausiegung, daß die Beele ohne Körper nicht lebhaft genug empfinde, wurde ohne Zweifel diejes neue Einwohnern. in Beufhen ( unleidenichaftlis hen) Körpern als eine Erhöhung der Seligkeit betrachtet und dabey leicht angenommen, daß Sodann der Selige überall, im Himmel und auf Erden, fortzuleben vermöge.

Nah all diefem fcheint es, daß zwiſchen den dogmatiſchen BVorftellungen des Volks, der Pharifder, und des Sofephus _ felbfi kein bedeutender Lnterfchied zu denken ſey.

Ueber die Aechtheit der bekannten Stelle des J. von Jeſus Archaͤol. 18, 3. 3. ©. 621, vgl. 20,9. 1. ©. 698 ſtimmt Ar. Br. mit Houteville ( Erwiefene Wahrheit der chr. Religion 1749: ©. 875 311) Überein. Daraus, daß Zur Ein und andere Apologeten, Tertullian, Drigenes jene Stelle gar nicht benust haben, folge nicht, daß fie.nicht da geweſen ſey. Schon uſebius habe fie, und ſo alle KHandichriften. Der Inhalt fen oaſſend, wenn man nur bedenke, daß in den Wors ten: ö Xoıorös odros 79, der Name Chriſtus nicht dogma⸗ tiſch zu verfichen fen, fondern. als Beyname: „dieſer war jener Chriſtus,“ naͤmlich der Urheber der Ehriftianer, ö As- yYöpevog' Xorords. Die bey Joſephus am wenigften zu erwartenden Worte: Wr Feior mgopnräv zaöra xab ÄNNa yopia Savudora ep abrod Eipnxöray, feyen nur fo, wie die Ehriften fih auszudruͤcken pflegten, ausgedrückt. Mer. iſt der Meynung: Die Apologeten und bejonders Dris genes, welcher ctra Cels. I, 47..©. 106 der Wuͤrzb. Ausg. Die minder bedeutenden Stellen von Johannes dem Täufer ‚und Jacobus, als KA GO; "Incos os Asyouivav Xpıiores

270 Capita Thesiogiae Jud. dogm. auei. Breischneider.

ausdruͤcktich benutzt, würden auch diefe vollſtaͤndigere Stell⸗ nicht uͤbergangen hahen, wenn fie damals fo vortheit— haft gelautet hätte, wie jegt. Joſephus aber müßte dem Chriſtenthum aͤußerſt guͤnſtig geweſen ſeyn, wenn fis fe, wie jetzt, gelautet hätte; und doch weiſ't Origenes von ihm, daß er war 75 Inooö Hs Kowosa und (nach Commentar in Matth.) 'Inooöv. judv 08 xaradebdusroz elvar Xpıorov. Woher hätte Drigenes dies vermuthen koͤn⸗ nen, wenn Sof. fih fo, wie man. jebt lieft, erklaͤrt hätte. Wenn die mildernde Deutungen des Verf. gelten follten, fo würde & Xororös gdros kvouigero ſtatt 9 geichrieben, und bey Tor Veimv npopnTar, ein os paol, beygeſuͤgt ſeyn muͤſſen. Bis gegen die Zeit des Eufebius Hin muß alfo wohl die Stele ſelbſt In einzelnen, aber leicht veränderlihen, War ten, gegen die Chriſten ungünfliger gelautet Haben. Wie konnte Sof, die Anhänger Ehrifti als „das Wahre mie WBergnägen annehmend“ « AAnIn ndonh_dexoevong ſchit⸗ dern und doch ſelbſt Jude blelben? Vermuthlich ſchrieb er = ααny (vom Sing. AAA7dn5), und charakteriſtrte J fie als Leute, welche andere Sitten gerne annehmen, rebus novis intenti. «Eher Bat er Jeſus einen orpopdg oder br oTp0Bog Arno, einen revolutionären Wann, gu nannt als einen oopos. Zwiſchen Drigenes und Euſebins Zeit aber ſchrieben chriſtl. Abfchreiber ooſÿ2,ß), und TAANDE. Unfere Handſchriften geigen uns natürlich Feine frühere - Lefäs ärt. Das folgende: noAAod; dt xal Ehinvınodg dnnyl- zero: 6 Xpıorös oöros zu! würde ohnehin etwas unrichtiges enthalten, da nicht Jeſus ſelbſt viele Sräctffirende an ſich zog. Ich denke, in diefer Stelle fen eine unvichtige Wortabthei⸗ "fung, und ſetze eniyaye xd“ „ö Xp. ourog wed.i.adberan® viele Heiden führte herbey, inducebat, jenes! „der ⸗·Meſſias war dDiefert“ DiefeMSprahgebraud) des ro fft nicht nur bey Luk. ae, 57., fondern auch 1. Kor. 4, 6., und ben Sofephus ſelbſt, jüd. Kr. 7,5. 2. in’ ddiim 33 6, we Deore. jener Aufenf, jenes Loſungswort der Chriſten: Dir Meifias war diefer! if apa den 'Idod Ads 6 Xoorrsg! Matth. 54, a, j

w

Capita Theologiae Jud. dogm. äuct. Bretschneider. 971

Dur) diefe, fa unmerkliche, Aenderungen ſcheint ſich der Text fo, wie ihn Joſephus gefchrieben haben kann, wie fos dann die Apolegeten und Origenes ihn nicht anyuführen Ur—⸗ fahe hatten, wie aber bald daranf die jeßige Textform aus jenem gedtldee werden mochte, eutdecken und wiederherftellen zu lafien. Auch die einzige, noch übrige Wendung, welche von Joſephus nicht erwartet werden könnte, ſcheint fih zu er: Mären, wenn man darin eıne Parenthefe vorausſetzt. Er ſagte SAuh nahdem Pilarus Jeſus mit dem Creuze beftraft hatte, obrx Enaboavro oiys npcTov Ayamioarres (davn yüp adrolc, rolenv Exav julpav, radıv dar) ziy Deimy rpo- Inrör, Tadra xal Ma urpia Iavudora nepl abson tionxoray ,„ d. i. ließen die, welche ihn zuvor geliebt hatten, (denn er erfchten ihnen, als er den dritten Tag erreiche hatte, wieder lebend!) niht ab von den göttlihen Propheten, als ſolchen, welche biefes und taufend andere Wunderdinge von ihm gefage Haben follten. Iladeodaı wird oft mit dem Senitiv confrutrt, wie nadeoduı is 2dadis u. dal. m, Daß ein Gekreuzigter nad) einiger Zeig Doc wieder hergeftelle werden koͤnne, mochte Sof. nah der Erfahrung, welche er in feiner Vita ©. 1031 felbft erzähle, für glaubtıch halten. ei- enxzora» kann in diefer Eonftruction auch ſubjunctive Bedeu⸗ tung haben. Noch deutlicher wäre dies, wenn angenommen würde, daß vor radra ausgefallen fey as, welches nad der Endiguna des Worts weopnrav fehr leicht moͤglich wäre. Im Ganzen bat dieje kleine Schrift ihre Aufgabe rühms lich geloͤſſt. Line noch fchwerere wäre übrig; auch aus

Hilo die Alerandrinifch jüdische Dogmengefchichte mit Ahns her philologiſcher Gruͤndlichkeit darzuftellen. Möchte der ges lehrte Verf. auch diefe Arbeit unternehmen und dafür eben fo viel feinen Sinn für Allegorie und religidje Poefle, als Sprachkenntniß und hiſtoriſche Forſchungsgabe, verwenden. _

2. E. ©. Paulus.

Rerifen deutfcher Dichter und Brofaifien. Herausgegeben son Karl Heinrich Zördens. Sechſter Band. Leipzig, im der Weid mannifchen Buchbandlung. 1811. VI und 910 &. in gr. &

Bey, der Anzeige diefes dicken Bandes können wir ung kurz faffen. Er enchält nichts als Zuiäße, Berichtigungen und Sups plemente von fehr verichiedenem Amfang und Gehalte. Mancıe find dem Lıtterasor ſchaͤtzbar, andre aber find auch ſehr unbes deutend , und wenn Hr. %. fortfahren wird, mit fo weniger Etrenge und fo leichter Hingebung aufzunehmen, was ihm

3

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279 Bariton Depiäter Oiahter u. Prefälhen v;.2.’0: Iirdent.

vorkommt, und fogag manche einzelne Scheiften weitläuftig zu ercerpiven , fo if das Ende diefes Werkes, deſſen qute Seiten wie bey der Anzeige der fruͤhern Wände gewiß nicht verfannt, ſondern offen dargelegt haben, kaum abzuſehen. Man findet ‚. bier ganze weitläuftige Stellen aus andern allgemein bekannten Buͤchern in extenso wieder, abgedruckt, fb daß manchmal drey bis vier Urtheile über Einen Mann bunt neben einander ftehen; Auch ift jedes einzelne Gedichtchen, welches in eine andere Sammlung wieder aufgenonimen wurde, namentlid) verzeichnet. , Heben manchen unbedeutenden Artikeln kommen aud recht ins tereffante vor, wie Joh. Seorg Hamann, Wilh. Heinie, HM: K. Lenz, Abraham von Sancta Clara, J. Chr. Krauſeneck u am Don Sophie Brentano wünichte man dagegen mehr zu leien, als man hier &. 586 fa. findet. Die Supplemente liefern, von ©. 609g an, zum Theif ansführliche Aufiäge über Ulrih von Hutten, Martin Luther (von ©. 654 7251), ZN. Meinhard, & Schatz, Fr. v. Köpfen (ein fehr forgfältig ausgearbeitgter

Artikel), Joh. Zoadh. Eſchenburg. (Unnörhiger, Weile . |

ift hier ©. 777 782 der ganze Inhalt der Eichenburgfchen Beyſpielſammlung angegeben! Solche weitläuftige Regiſter, die man haͤufig bey Hrn. J. antrifft, vertheuern nur das Werk. So it auch S. 785 fg. das ganze Handbuch der claſſiſchen Litteratur, und ©. 787 fg. auch die Schrift Über W. Sha⸗ kespeare ercerpirt worden, wobey man fogar Shakes« peare's Leben im Auszuge findet! Webrigens find Efhens burgs zahlreiche Schriften hier mit großem Fleiße zuſammen getragen.) J. K. F. Manfo. (Zum Theil von Hrn. M. ſelbſt mitgetheilte Nachrichten.) K. H. Heydenreih. (Warum wird der fo außerordentlich gerühmte Lehrer Heydenreich's S. Vig nicht auch genannt? Sonft find die Notizen von H. Leben und Schriften fehr ausführlih.) Kari Philipp Mos riß. (Hier wird unter andern and) ein Auszug aus der im Schlichtegrollſchen Nekrologe befindlichen zu ſtreng anatomis renden Biographie Moritzens mitgetheilt.) Den Be fhluß dieſes Bandes machen fehr ausführlihe biographifche und listerärtihe Nachrichten von Karl Ludw. Fernow. So ſehra wir eine Fortfesung des angezeigten Werkes wüns (hen, ſo Annen wir doch auch unſern Wunfd nicht beugen, daß Hr. J. künftig das Ueberfluͤſſige ausfchließen, und bey der Auswahl der zu bearbeitenden Artikel was im erſten groͤßern Theile diefes Bandes nicht immer gefchehen ift ſtrenger ſeyn möne, ſonſt miß dies Werk zu einer ungehcuren Anzahl von Bänden anwachſen "| ;

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No. 18. Hreidelbersifde 4843. Jahrbuͤcher der Litteratur.

Themis/ oder Beytrage zur Geſetzgebung von D. Baul Soban Unfelm Feuerbach. Zandsbut bey Krüf 1812. XIV un 85 S. 8.

2) Betrachtungen Über das Geſchwornen Gericht von demf elben. Landshut ben Krüll 1818. vI und 2426, 8,

Das Zenerbah, ben, als er noch dem Catheder anges Börte, und als er durch theoretiihe Schriften gu belehren fuchte, feine Talente, feine claſſiſche Bildung, fein heller, klarer Ver⸗ ſtand, fein tiefeindringender Scharfſinn und feine herrliche Darftellungsgabe in fo kurzer Zeit zu einem Lieblingss Schrifts ſteller des Deutſchen, juriftifchen, Publicums erhoben, nun, ds Staatsmann, feine Achtung gegen das ihn achtende Pus blicum dadurch bekundet, daß er ihm in den angezeigten Schrif⸗ ten eine Auswahl intereffanter, durch feinen jeßigen Beruf deranlaßter Ausarbeitungen mittheilt, und dadurch ihm gewifs fermaßen Rechenſchaft Über fein Thun und Wirken in feinem jeßigen Verhaͤltniſſe ablegt, das ift in der That eine ers . freuliche Erfeheinung! Da das Publicum ihn auch in dieſen Ausarbeitungen finden wird, wie es ihn fannte, fo wird dee Beyfall, mit welchem diefe Geſchenke ohne Zweifel aufgenoms men werden, Hm. Seuerbacd, hoffentlich veranlaffen, daß er fein, auf diefen Fall in der Vorrede von N. 1. gegebenes Verfprechen , die Themis fortzufegen, vecht bald erfüllen und dadurch ſich eben fo große Verdienfte um das Fach der Legiss lation erwerben wird, als er fih bisher um das Fach der Zus eisprudeng erworben hat. Zür den Rec. wird dadurch Die Erſcheinung diefer Schriften um fo erfreuficher, denn er iſt mehr, als irgend einer, davon uͤberzeugt, daß in feinem Fache die Deutſche Litteratur fo wenig, wie in dem der Legislation, ſich mit der Litterarır des Auslands zu vergleichen vermöge, und daß gerade in dem jegigen Zeitpunct es wahrhaft Noth dr:

274 :Tpemis u. Betracht. über d. Seſchw. Gericht v. Ftuerbach.

thue, die Richtung auf dieſen, bisher, aus fehr natuͤrlichen Gruͤnden, vernachläßigten Gegenſtand den denkenden Köpfen der Nation nahe zu legen, damit auch in diefem Puncte dem Deutſchen Namen die Ehre gu Theil werde, welche ihm ges buͤhrt.

N. ı. enthält acht Abhandlungen. I. Betrachtungen Aber den Geift des Code Napoleon und deffen VWerhältniß zur Geſetzgebung und Berfaffung Deutſcher Staaten überhaupt und Baierns inss befondere. Der Verf. entwickelt Hier, wie die Geſetzge⸗ bung des Tode auf den Hauptideen einer volllommenen, allgemeinen bürgerlihen Freyheit der Perfonen, einer volls tommenen Gleichheit der Gelege für alle Bürger des Staats, einee möglichft vollkommenen Freyheit des Eigenthums und einer abfoluten Selbſtſtaͤndigkeit und Unabhängigkeit des Staats von der Kirche in allen bürgerlichen Dingen, als auf ihren eigentlichen KHauptfäulen ruhe, und wie. diefe Geſetzgebung eine der Franzoͤſiſchen im Weſentlichen ähnlihe Verfaſſung des Staats, des Öffentlichen Dienftes und insbefondere der Juſtitz⸗ verfaffung als eine von ihr unabtrennlihe Vorausſetzung bes trachte. Er entwidelt, wie fih in allen diefen Grundideen und Vorausſetzungen dieſe Gefebgebung in einem wahren Widerfireite mit den Srundideen und den Vorausfeßungen der. Deutfhen Sefeßgebung im Allgemeinen, und insbefondere ‚dee Baieriihen, befinde, und wie daher ein Staat, welcher den Code Napoleon aufnehmen wolle, ohne ihn in allen diefen Beziehungen zu modificiren, und dadurd in feinem ‚innerften Lebensprincip zu vernichten, fih nothwendig in allen diefen on zu einem volllommenen neuen Leben umgeftalten muͤſſe.

Fuͤr denjenigen, welcher bisher an der Behandlung der vielfältig ventitirten Frage: über die Aufnahme des Code Nas pofeon in Deurfhen Staaten Antheil genommen hat, enthält diefe Ausarbeitung in der Sache nichts Neues, aber auch eis nem foldyen wird dennoch Feuerbachs Darfielung wohl‘ befannter Gedanken Sintereffe abgewinnen, und er wird dabey auf manche intereffante Mebenerörterung floßen, welche gerade nicht zu dem allgemein Bekannten gerechnet werden dürfte, wie

Themis u. Betracht. über d. Geſchw. Bericht v. Feuerbach. 275

3. B. die Erörterung fiber den Geiſt des, gewoͤhnlich fo ſehr verfannten neuen, Franzoͤſiſchen Adelsinftteuts. Webrigens muß man bey diefer Abhandtung nicht Überfehen, daß fie ſchon im Jahre 1808 gefchrieben wurde. Wenn man hieran denkt, ſo gewährt es ein eigenes Intereſſe, den Verf. fhon zu einer zeit auf dem einzig richtigen Wege zu finden, wo die Webers jeugung von der Nichtigkeit dieſes Weges wahrlich noch nicht als Gemeingut betrachtet werden konnte.

Da hier der Dre nicht iſt, Über die wichtige Frage, welche den Segenftand dieſer Abhandiung bildet, gu debattiren, und da-der Rec. Überhaupt, ans mehreren Gründen, an oͤffentlir den Debatten über diefen Gegenftand feinen Antheil nehmen mag, fo unterläftt er eB, dasjenige vorzutragen, was er onſt wohl bey einzelnen Aeußerungen des’ geſchaͤtzten Verfaſſers zu etianern haben moͤchte, und er unterläßt es daher auch, fich über manche wichtige Mebenäußerung zu erflären, 3. B. über die: daß dem Erbadel die Hofämter für immer vorbehals ten bleiben follten, eine Aeußerung, welche diejenigen wohl fhwerlich umterfchreiben dürften, die nicht von der Nothwen⸗ digkeit einer bürgerlichen Herrihaft des Erbadels, wohl aber von dem hoch bedeutenden Einfluffe der Hofaͤmter in dem Les ben, wie es tft, überzeugt find. Gewuͤnſcht hätte aber Rer., daß der Verf. die Frage einer genaueren Prüfung würdig ges funden Hätte: ob es nicht für einen gegebenen Staat, welchen Nahbarfhaft und Politik mir Frankreich“ verbinden, ſelbſt dann noch von Snterefie ſeyn könne, den C. N. aufzunehmen, wenn er fih auch niche Überall, in Anfehung der Grundideen und der Verfaffung,, Frankreich affimiliren will, und wenn ee auch demnach den C. N. auf eine Modifications » Netorte brins gen müßte, wobey ſich der größte Theil feines eigenthämlichen Geiſtes verflüchtigen dürfte? Dec. glaube diefes aus mehreren Gründen , wovon der paradorefte wohl der ſeyn mag, daß er es für eins der größten Uebel hält, welches Deutſchland, im feiner jegigen Verfaſſung, treffen konnte, wenn jeder Bundes⸗ ſtaat auf den. Gedanken kaͤme, ſich ein eigenes buͤrgerliches Geſetzbuch zu ſchaffen, welches etwas anders, als einen für die Localitaͤt modificitten C. M., darſtellen ſollte.

76 Themis u, Betracht. über. d. Seſchw. Bericht u. Feuerbach,

HU. Weber die Rechtskraft und Wolftrelung eines von einem auswärtigen Berichte geſproche;- nen Erfenntniffes. Dieſe intereffagte Abhandlung, welche in einem. Zeitpuncte, wo die dem Art. 1% des C. N. zum runde liegende engherzige , voͤlkerrechtliche Maxime fih mans dem Staate empfehlen könnte, als ein wahres Wort gu feiner Zeit betrachtet werden kann, tft ein ſchaͤtzbares exposd des motifs gu der nahahmungswärdigen koͤnigl. Baierifhen Ver⸗ ordnung vom 2. Sun. 18011 über den bezeichneten Gegenftand. Es thut in unfern Zeiten wahrhaft wohl, wenn man einen Staatsmann von der dee einer Voͤlkergemeinſchaft unter als . gemeinen Geſetzen des Rechts, und nicht von Maximen auss geben fieht, welche an die Ehinefiihe Mauer erinnern. Sec. iſt mie dem Verf. ſowohl in dem Grundſatze, als aud in den nothwendigen Modificationen deſſelben einverftanden, nicht aber eben fo mit allen Ausführungen des Details. So iſt zwar Dec. ganz der Meynung des Verf., daB man im Auss lande gegen den dafeldft einen Ausländer beklagt: habenden Sjnländer erlaffene Urtheile als vollſtreckbar betrachten folle, aber er kann nicht einräumen, daß dieles fchon daraus, Daß man den Unterthanen geflatte, im Auslande eine Klage gu erheben, mit Nothwendigkeit folge, und er kann dem Verf. nicht beyfiimmen, wenn er fagt:. „ich kenne nur das Dis femma: entweder den auswärtigen Erkenntniſſen Vollſtreckbar⸗ keit gu geflatten, oder alle Klagen dieffeitiger Unterthanen wor auswärtigen Gerichten gu verbieten, und demnadh deu Art. 14. des C. N. geltend zu mahen.“ Gerade der Art. 24. des €. N. beweif't, daß des Verf. Dilemma nicht nothwendig iſt, derin diefer Art. ift zwar auf die Vorausſetzuug der Unvolls ſtreckbarkeit auswaͤrtiger Sentenzen in Frankreich, aber feines; wegs auf ein Verbot der im Auslande zu erhebenden Klagen geſtutzt. Ein ſolches Verbot exiſtirt in Frankreich nicht, und wuͤrde auch in einem Falle, wo der zu belangende Ausländer. nur im Auslande Güter befißt, hoͤchſt thörige feyn. In einem ſolchen Falle uͤberlaͤßt man es in Frankreich dem Franzoſen, in dem Auslande alle Huͤlfe zu ſuchen, welche er daſelbſt fins den kann, und man denkt, in dem Auslande werde man ſchon, durch auferlegte genägende Cautionen pre reconventione et

emis u, Betracht. über d. Geſchw. Bericht v. Feuerbach. 277

expensis, dafür forgen, daß es auch den möglichen Vernt⸗ theilungen des Klaͤgers nicht an Vollſtreckbarkeit fehle. So iſt Rec. zwar daruͤber noͤch im Zweifel, ob ſich die Staaten gegenſeitig eine Univerſalitaͤt des Concuraproceſſes vermoͤge all⸗ gemeiner Regel zugeben, oder ob ſie eine ſolche Univerſalitaͤt nur auf beſondere Staatsverteäge gründen ſollen; aber dars äber ift er nicht im Zweifel, daß der: allgemeine Gantgerichts⸗ fand fremder Staaten nidt, wie der Verf. &. 119 meint, das Reſultat "einer Uebereinkunft in einzelnen Fällen werden dürfe, denn auch völferrehhtlihe Marimen dürfen, wenn nicht jura quaesita verlegt werden ſollen, nur für fols gende Fälle, keineswegs für den eingelnen, jebt zu beurtheis Imden Fall verändert werten. &o kann endlich Rec. unter den Gründen, warum es für die Vollſtreckung des auswärtts gen Urtheils eines inländifhen: placet oder pareatis bedärfe, den zweyten nicht gelten lafien, welcher aus der möglichen Faͤhrdung wohl begruͤndeter Hypothekenrechte durch die Huͤlfs⸗

vollſtreckungen in die Subſtanz unbeweglicher Guͤter abgeleitet wird. Wäre nur dieſer Grund, jo würde Rec. ohne Beden⸗ . im die Vollſtreckung, ohne pareatis, geflatten, denn gegen diefe Gefahren muß die Executionsordnung, nicht das pareatis, ſchuͤtzen. | III. Weber den Wilddiebſtahl. Diefe Abhands ang ift ein expose des motifs der befannten koͤnigl. Baieri⸗ fhen Verordnung vom 9. Aug. 1806. Der firenge Tadel, weichen dieſe Verordnung erfahren mäfen, veramlaßte ben Verf. zu diefer Herausgabe ihrer Beweggründe. Was ein verſtaͤndiger Mann zur Nechtfertigung eines folhen Geſetzes fagen kann, das bat er wirklich igefagt, Rec. gefteht aber offenherzig, daß er ſich dennoch mit dem Geiſte diefer Ver—⸗ ordnung nicht auszuſoͤhnen vermag, "und er glaubt, daß ber größere Theil des denkenden ———— mit ihm in gleichem Falle feyn werde. „Wer erweistih mit einem —— Wild angeſchoſ⸗ ſen, oder erlegt hat, ſoll, er habe das Thier in ſeinen Nutzen verwendet, oder nicht, folgendermaßen beſtraft werden:

1. Wenn er dine angeſeſſene, oder im Staatsdienſte am

geſtelte Perfon, oder ein Jagdbeſitzer ift, mit einer Geldſtrafe

278 Chemis n, Betracht. über d. Geſchw. Gericht 9. Feuerbach.

‚von do 100 fl., außer dem Erfage, dem Verluſte des Ger wehrs und der im $. 18. dem Denunciauten zugeſagten Be⸗ Iohnung von 100 fl., wurde die Handlung aber in einem Marke, Thiergarten, oder eingefriedigten Waldung begangen, .fo fol an die Stelle der Seldfirafe ı jährige Gefaͤngniß⸗ fitafe treten. Im Wiederhotungsfalle fol dort an die Stelle der Geidſtrafe ı jährige Zuchthausſtrafe, bier aber an Die Stelle der Sefängnißftrafe eine Sugthausfrafe bis zu 3 Jah⸗ ‚ren treten.

2. Diefe letztern Strafen foflen fhon das erſtemal eintres ten, wenn die Handlung von einer andern, als den subn.ı. ‚genannten Perfonen begangen murde.“

‚Rec. will hier nicht den Mangel des Verhaͤltniſſes > welchen jeder darin entdecken wird. Daß eine Perfon aus n. 2. wegen der Wilderey in einer eingefriedigten Walbung nur etwa um 1; härter geftraft wird, als wegen einer Wildes rey an andern Drten, während bey einer Perfon aus n. 1. in jenem Falle beynahe eine 1ofach härtere Strafe eintrifft, ‚wenn man naͤmlich, nach 6. 10., 10 fl. zu 8 Tage Gefängnig anſchlaͤgt. Der Geiſt des ganzen Geſetzes iſt es vielmehr,

welchem Rec. den Krieg erklaͤren moͤchte. Im Allgemeinen nämlich erſcheint es Rec. ein Fehl griff, wenn man die Wilderey ans dem Gefihtspuncte der Dievftähle ergreifen will, - Die Handlung des Diebes erfcheint jedem als niederträchtig, die des Wilderers im Allgemeis nen nicht. Mec. erkläre fich Diefes daraus, daß, einige Aus nahmsfaͤlle abgerechnet, welche denn feht wohl -in "einem eigenen Geſetzo behandelt werden könnten, der animus- lucri- Jaciendi, welcher den Diebſtahl charakterifirt, bey der Wildes rey entweder gar nicht, oder doch nicht im eigentlihden Sinn vorhanden iſt. Die .Zagd s Lieshaberey, welche bekanntlich, zumal in jüngeren jahren, fo leiht in Jagd-Paſſion uͤber⸗ seht, und welche, da fie aus dem Intereſſe an der Merrfchaft ber Kunft über die Natur hervorgeht, nicht auf unedler Quelle ruht, iſt der Regel nach die Erzeugerin diefer Unordnungen. Ste ift es, die den higigen Jaͤger über feine Gränze hinaus führt, und Eingriffe in fremde Rechte bey Menſchen ergeugt, welche, unvermögend, ſich feldft eine Sjagd. zu pachten, ſehr

Venis u. Betracht, über d. Befchm Gericht v. Feuerbach. 279

gerne ihre Kunft ohne Eigennutz üben würden, wenn ihnen nur ein Jagdberechtigter dieſes geſtatten wollse. Gerade Barum erſcheint es Rec. als ein befonderer Fehlgriff, wenn der Verf. die Wilderey mit Sagdgewehr auch nur in irgend: einem Puncte mit dem bewaffneten Diebflahle zu vergleichen vermag. Cher- möchte Rec. einen ganz entgegengefeßten Geſichtspunct wetheidigen. Ihm fcheint es, als ob von den Entſchuldigungs⸗ seünden, welche dem hitzigen, das vielleicht angefchoffene Wild Über Die Gränge verfolgenden Sjäger zur Seite fliehen, feiner für. die Handlung desienigen ſpraͤche, welcher mit Netzen u. dgl. das Wild in fremder Bahn zu fangen fucht, denn bier ik (dom eher animus lucrifaciendi und ſchmutziger Calcul, meihen man dort nicht zu erfennen vermag,

Freylich kann die Zlinte auf eine für die Entdeckenden gefährliche Weiſe mißbraucht werden, und. es fehle nicht am traurigen Beyſpielen, wo es geihah. Aber worin, fragt Rec., liegt hiervon der wahre und entfcheidende Grund ? In eurem harten, unmenſchlichen Gefegen , möchte er antworten. Es if nämlich die natürliche Folge unverhältnißmäßig firenger Strafs gefeße , daß Alles confpirirt, um fie gu umgehen, Bid auf den Richter zu, welcher fie handhaben fol. Wer könnte es aud einem Richter verdenfen, wenn er fich heut, einem jungen Menfchen, der zum erftenmale in feinem Leben eine. Wachtel in fremden Jagdbezirke ſchoß, zu 3 zjährigen Zuchthauſe und zur Zahlung von 100 fl. an den Denuncianten zu verurs . theilen ?_ Und felbfE den Denuncianten werden dieſe 100. fl. wie ein Blutgeld druͤcken, und er wird vor feines Gleichen darum als mit einer levis notae macula behaftet erfcheinen, weil er aus Eigennug einem ‚gemißbilligten Geſetze einen

Menſchen zum Opfer brachte. . So werden denn die gu harten Geſetze nur felten angewendet werden, und aus der dadurd gefteigerten Hoffnung , ungeflraft dem, Vergnügen opfern zu können, wird fi die Zahl der Eontraventionen gegen das

Geſetz vermehren. Nun aber führt das Ungluͤck für den Con⸗ travenienten den Momente der Entdeckung herbey! Da fteht nun Die entehrende Strafe mit ihrem ganzen fcheußlichen Ger folge vor feiner Seele. Er muß die Entdeckung verhindern, und. fo wird er peinlicher Verbrecher, um nicht als peinlicher

7)

380 Demis u. Setracht. über d. Geſchw. Gericht v. Feuerbach.

Werbrecher behandelt gu werden. Gelbft [die erlaubte Pfäns Bung der Flinte, welche wohl nicht minder, wie die fämmtlis hen Privat : Pfänbungen, wenigſtens gegen nicht unbekannte Perſonen, abgeichaft zu werden verdiente, iſt nicht felten Die Veranlaſſung der aus der Wilderey fih entwickelnden größeren Werbrehen, denn die unndthiger Weile ausgeuͤbte Privass‘ Gewalt empört leicht ſelbſt denjenigen, der millig fih der oͤf⸗ ſentlichen Strafe ſeiner Fehler unterwerfen wuͤrde.

Doch Rec. kann hier dieſen Gegenſtand nicht weiter vers

folgen, er glaubt aber, daß geringere, und zwar, der Regel

AB

sad), Geldſtrafen, weit beflimmter der Wilderey entgegenwirz ten werden, als ſelbſt die Todesſtrafe, denn diefe wird nicht ausgeuͤbt werden, wohl aber jene, wenn fie fo gewählt find, daß fie, bey einem dem Volle gegen die Wildfhäden garans tirten Schuße, die Öffentlihe Meynung für fih gewinnen, und fhwerlic wird man in einem Lande, weiches fi einer foldhen milden ÖStrafgefeßgebung erfreut, und welches in der Regel keine Privats Pfändungen Eennt, von gefährlihen Wilds dieben hoͤren, schwerlich wird es in einem folchen Lande Leute geben, - weldye die Wilddieberey als Nahrungszweig treiben, denn in ihm wird fi nicht die Gewohnheit der Wilddieberey erzeugen, welche nur auf. ber fange ungejtraft fortgefegten Betreibung diefes Handwerks wurzelt.

IV. Ueber die Beftehung der näherte: Ein expose des motifs. der koͤnigl. Baieriſchen Verordnung vom 9. Jun. 1807 über den bezeichneten Gegenſtand. Jeder wird daſſelbe mit Intereſſe leſen, und den herrlichen Ausfuͤh⸗ rungen dee Verf. über die zu erhaltende ‚Heiligkeit und Unbe— flecktheit des Staatsdienſtes und über die traurigen Folgen einer gutmäthigen Schonung der das Heiligſte herabwuͤrdigen⸗ den Staatsbeamten gewiß mit Ueberzeugung bepfiimmen. O6

daſſelbe von dem Vorſchlage des Verf. gelte, daB man den

Staatsdiener nnd den Beſtechenden ſich gegenfeltig gemiffers maßen zu Waͤchtern beftellen, und zwifchen beyden ein heilſa⸗ mes Mißtrauen dadurch gründen folle, daß man auf der einen Seite dem Staatsdiener die Anzeige eines jeden Be⸗ fiehungsfalls. bey Strafe andefehlen, und fein befchwornes

- Zeugniß, wenn es nur durch irgend einen Vermuthungsgrund

Tpemis m. Betracht. über d. Geſchw. Gericht v. Feuerbach, 288

mmterägt werde , gu vollem Beweiſe erheben, auf Der ams dern Seite aber dem Beſtechenden, für den Fall der von ihm zuerft geichehenen Denunciation, Straflofigkeit, Wieden etlangung feines Geſchenks und eine Belohnung von der Hälfte der von dem Beſtochenen vwerwidelten Geldbuße verheißen folle, darüber möchte Rec. nicht fo geradezu enticheiden. IM genids ift der Gedanke gewiß, auch fürchte Rec. keine Nachtheile von dem leßteren Theile des Vorſchlags, aber bie Erhebung des beſchwornen Zeugniffes des Otaatsbeamten zu vollem Beweiſe ſcheint ihm zu bedenklich zu ſeyn, und dem GStaatsbeamten, welcher, der Regel nach, nur in Hinficht ſei⸗ ner Kenntniſſe und Faͤhigkeiten, nicht aber in Hinſicht ſeines Charakters, Pruͤfungen beſtanden hat, einen gu großen Opiel⸗ raum zur Befriedigung unedler Neigungen barzubieten, indem er, bey der Realifirung dieſes Geſetzesvorſchlags, keineswegs bloß, wie der Verf. meint, das zu erwirken vermag, daß fein Feind dem Fiscus in den doppelten Erſatz des angeblih Bars gebotenen Geſchenks verurtheilt werde, fondern es vielmeht ihm anheim ‚gegeben if, vermittelt kluger Benutzung eines fheinbaren Umſtandes, die bürgerliche Ehre feines Feindes zu brandmarken, was unendlich viel mehr iſt, und was die Nadıs ſucht öfters wohl gerne durch eigene bodeutende Aufopferungen zu erkaufen verſucht ſeyn duͤrfte.

V. Weber die Aufhebung der Folter. Eine Abhand⸗ ‚lang , welche ‚auch derjenige, der Moer den Gegenſtand derſel⸗ ben fhon lange mit ſich ſelbſt einig ift, doch mit wahrem Sintereffe leſen wird, weil fie eine wortrefftiche hiſtoriſche Zur fammenftellung, und über dir Aufhebung der Folter in- Defters reich ſelbſt Bisher unbekannte Notizen enthält, welche der Verf. aus einem handſchriftlichen Aufſatze des achtungowuͤrbigen Sonnenfels entlehnt hat.

VI. Ueber die Colliſion verſchiedener in dem / ſelben Staatsgebiete geltender Otrafgeſetzge— bungen. Sin Baiern herrſchen nicht mehr als fünf, an Geiſt und Inhalt verfchiedene Strafgefeugebungen, ein Zuftand, welcher es gewiß für Baiern ganz befonders wan—⸗ ſchenswerth mahen muß, daß feine Hoffnung anf die Erſchei⸗ uung des neuen Strafgeſetzbuchs bald in Erfüllung gehen möge:

-389 Themis u. Vetracht. über d: Gefchte. Gericht v. Feuerbach.

- Daß fih aus diefem traurigen Zuſtande vielfache Collifionen

und aus diefen Anfragen der Gerichte erzeugen mußten, war narärlih. ‘Den Anfragen diefer Art verdankt diefe Abhand⸗

fung. ihren Urfprung. Der Verf. entſcheidet dafür, daß ein

Baieriſcher Unterthan nach den Geſetzen feines Domicils und, wenn er in verfhiedenen Diftricten domiciliirt ſey, nad) Der milderen Geſetzgebung beftraft werden ſolle. Da die gebuldete Berichiedenheit der Geſetzgebungen in einem Reiche nur das

- durch einen vernänftgen Sinn erhalten kann, daß man ans

nimmt, der Sefeßgeber Habe die verfchiedene Nationalität der ihm unterworfenen Voͤlker einer befonderen Berädfihtigung

würdig gehalten, ſo ift dieſe Entſcheidung gewiß die einzig

PB]

richtige, und es iſt gewiß eben fo rihtig, daß in Anfehung der.nicht in Baiern Domiciliirten , für. welche diefer Geſichts⸗ punct nicht entſcheidet, die Geſetzgebung des Orts, wo das Verbrechen begangen worden ift, zur alleinigen Norm für die richterlichen Urtheile erhoben wird. Es gibt noch andere Staas ten in Deutfchland, in welchen diefe fhöne Abhandlung von

der Gefehgebung einfweilen zum Mufler gewonnen zu werden

verdiente.

VII Sollen die Criminalprozeßkoſten vor⸗

gehen der Entſchädigungsforderung des Belei—

digten? Der Verf. entfcheidet, mit Ausnahme der Koſten, welde auf Wiedererlangung und Erhaltung der entwendeten Sache verwendet wurden, fehr richis fuͤr die verneinende Der

antwortung.

VIII. Entwurf eines Staatsvertrags uͤber die gegenfeitigen Gerichtsverhältniſſe zweyer benachbarten Staaten. Dieſer Entwurf iſt auf die richtigen voͤlkerrechtlichen Grundſaͤtze, welche in der zwoyten Abhandlung aufgeſtellt worden ſind, geſtuͤtzt, und geht in das nähere Detail aller derjenigen Fragen ein, über: welche in Anfehung der Gerichtsverhaͤltniſſe Colliſionen entſtehen können. Sm Ganzen kann diefer Entwucf recht. wohl zum Mufter für ähnliche Regulative unter andern Staaten empfohlen werden,

obgleich Rec. damit nicht fagen will, daß nicht in einzelnen

Puncten manches auch wohl anders beſtimmt werden koͤnne. So iſt . ©. die Frage: ob die Erbſchaftsklage in Anſehung

S* Zr

Lhemis u. Betracht über d. Geſchw. Bericht v. Feuerbach. 283 ber in ;den verfhiedenen Staaten gelegenen Immobilien za theilen fey ? in dem 6. 15. bejahend entfchieden und gewiß fehr richtig, wenn man auch nur in einem der contrahirenden Staaten von dem, nad) Rec. Meynung, vorzüglicheren Grund⸗ füße ausgeht, daß die immobilien nad den Geſetzen des Orts, wo fie gelegen find, vererbt würden. Wenn aber der Staatsvertrag zwifchen Staaten geichloffen wärde, weiche beyde von dem Mechtsfage ausgehen, daß auch in die Immobilien nad den Geſetzen des Wohnorts des Erblaſſers geerbt werde, fo wände aller folide Grund zu der wahrhaft laͤſtigen Theilung ‚der Erbſchaftsklage hinwegfallen, und es würde alsdann viel yorzüglicher ſeyn, wenn diefe Saaten gegenfeltig die auss fließende Competenz des Gerichtsſtande des Wohnorts des Erblaffers "für diefe Klage, welche ohnehin gewiffermaßen ger mifchter Natur ift, anerkennten. "N. ©. iſt zwar urfpränglich au durch die Amtsardetten des Verf. veranlafßt worden, und eben darum fchien es dem Rec. zweckmaͤßig, die Anzeige diefer Schrift mit der Anzeige der in der Themis enthaltenen Verufsarbeiten des Verf. zu verbinden; da aber Hier dem Merf. fein amtlicher Vortrag nur als Beranlaffung gu einer freyen, wiflenfhaftlichen Bears beitung des hoch wichtigen Gegenſtands der Seihwornen s Ges richte gedient hat, und da diefe Behandlung als eine wahrhaft erſchoͤpfende betrachtet werden kann, fo hatte er allerdings ſehr gute Grände, fie, als ein. eigenes and felbfiftändiges Werk, dem Publicum zu uͤbergeben, und dadurch. aud) für das In⸗ tereſſe derjenigen zu forgen, welche zwar wohl der Segenftand diefes Werks, nicht aber gerade eine Sammlung von Arbeiten für die Gefeggebung überhaupt intereffiren ſollte. So befcheis den auch der Verf. bemerkt, daß er feinen eigentlichen Plan, den Gegenfland der Gejchwornen- Gerichte, in hiftorifcher, politifcher und criminalrechtliher Hinſicht, gang vollftändig zu bedandeln , nicht Babe ausführen können, und daf daher, wie aud) der Titel ankündige, feine Abſicht vor’ der Hand nur barauf gehe, Betrachtungen Über diefes Thema zu liefern, fo iſt doch in diefen Betrachtungen wirklich eine fo vollſtaͤndlge und, Rec. darf dieſes hinzufuͤgen, eine fo meiſterhafte Bes Handlung des Segenftands enthalten, daß folgenden Bearbeitern

*

224 Themis u. Betracht. uͤber d. Geſchw. Gericht v. Feuerbach.

ſchwerlich in einer anderen, als etwa in der hiſtoriſchen Hinſicht, eine fruchtbare Nachleſe verſtattet ſeyn duͤrfte.

- Eine ſolche Behandlung durfte nun ein Gegenſtand aller⸗ dings in Anſpruch nehmen, welcher, neben dem hohen Ins tereſſe, welches ein Inſtitut an fi verdient, das: von dem freyen Engländer als einer der Hauptpfeiler feiner conftitutios nellen Freyheit betrachtet wird, dadurch für Deutſchland, in diefer Periode der Erifis für. die Geſetzgebungen, nothiwendig an Intereffe gewinnen muß, daß die. Jury, von Frankreich aus, nun auch ſchon für manche Deutſchen Länver das Recht eines Eingesürgerten erlangt hat, und daß daher in einem jeden Deutſchen Staate, wo diefes zwar noch nicht gefchehen, aber denn doc auch die wünichenswerthe Neform des bisheris gen Deutihen Criminalweſens nicht mehr zw umgehen ift, es wahrhaft an der Zeit fcheint, die Frage: ob man dem Fremd⸗ linge die Graͤnze fchließen,, oder ihn auch bey fh freundlich willkommen beißen folle? einer ernſtlichen und geneuges Pruͤfung zu unterwerfen.

Das: nil admirari: war zwar auch in ‚Anfehung diefeg Gegenftands den Deutichen fehr nahe gelegt worden, als fie fahen, daß, bey der neuen Eriminalgefeßgebungsreform in Frankreich, ſich faſt die allgemeine Stimme gegen die Beybe⸗ Haltung der Geſchwornen-Gerichte erklaͤrte, und daB, ohne den perföntichen Einfluß des Kaifers, welcher diefes Inſtitut mit einer wahren Vorklicse behandelt, feine Beybehaltung wohl fhwertih wuͤrde befchloffen worden feyn; indeffen genügen die Franzoͤſiſchen Acten zu einer vollkoinmen erfdyöpfenden Pruͤfung der großen Frage allerdings nicht, weil die Gegner der Se fhwornen; Gerichte Ach Falk ganz auf: die Erfahrungsbeweife beſchraͤnkten, in welchen ſich die Werwerflichkeit der revolutio⸗ naͤren Jurys freylich auf eine hoͤchſt traurige Weiſe zur Ge— nuͤge documentirt hatte, bey welchen es aber doch immer noch hoͤchſt zweifelhaft blieb, ob man daraus wirklich gegen das Inſtitut ſelbſt etwas folgern könne, oder ob nicht vielmehr alle Schuld auf die unzweckmaͤßige Einrichtung deſſelben in dem revolutionaͤren Frankreich falle. Es war daher eine tiefere Prüfung der Sache durch die Franzoͤſiſchen Vorarbeiten kei⸗ neswegs unnoͤthig gemacht worden, und der Verf. verdient

Demis u. Betracht. Aber d. Geſchw. Gericht u, Jeuerbach. 288

wahrhaft den Dank des Publicums, daß er fi biefer Frds füng in dee Art, wie er es gethan hat, untergog.

Die in dem dry legten Betrachtungen enthaltene Ausfuͤh⸗ rang, daß die Geihwernen s Gerichte in criminalrechtlichen Hinſicht, d. h. als Mittel für eine richtige, partheyloſe, der Unſchuld ungefährliche, und doch die Schuld nicht beguͤnſtigende Ansäbung der Criminalgerechtigkeit, bey weiten an Werth Hinter gehörig organificten, aus inamoviblen Richtern zuſam⸗ mengefeßten Collegien zuruͤckſtehen, und daß alle theils vorge⸗ (blagenen , theils neuerdings in Frankreich in Anwendung gebrachten Werbefferungsverfuhe durchaus unvermoͤgend (even, fe zu einem. gleichen Werthe zu erheben, darf mit Mech eine volllommen gelungene, einem Zweifel Raum laffende genannt werden. Dem Rec., welder immer dieſe Anfiche Batte, iſt, durch die Lectüre diefer vortrefflichen : Ausführung, gar manches, was er bisher mehr dunkel ahndete, als ſich deutlich Dachte, volllommen klar und demtlih, es iſt ihm das durch feine eigene Anſicht erft zu einer volllommenen Webers jeugung erhohen worden, und er glaubt, verfichern zu können, dag es den mehrſten Lefern eben fo erashen, und daß in Aus kunft über dieſen Punct fchwerlih mehr eine Iheilung bee Meynungen flatt finden werde. |

Sn polieifcher Hinſicht dagegen, d. h. ale Thell der Stantsverfaffung eines Volks und als Mittel, die Zrepheit der Nation gegen die Eigeumacht Weniger zu fihern, finder der. Verf., in den erfteren. Betrachtungen, das Inſtitut den

Geſchwornen⸗æ Gerichte mit dem inneren Geifle einer, wenn

auch nur eheilweifen Democratie fo innig verbunden, Daß im ſolchen Verfaſſungen man fehe wohl, wie es in England ges fhicht, annehmen könne, die criminalrechtlichen Machtheile des Juſtituts koͤnnten gegen ſeine politiſche Vorzuͤalichkeit, ja gewiſſermaßen Nothwendigkeit nicht in Anſchlag gebracht wer⸗ den. Nicht fo in reinen, wenn gleich conſtitutionellen Mor narchieen! Als Schußmittel einer politifhen Freyheit, welche es Hier nicht aint, Bann in diefen- Werfaflungen das Inſtitut der Jury nicht gedacht werden, es wuͤrde Daher hier nur als Schyßmittel der bürgerlichen Srepheit ergriffen: werden können, wozu ihm denn auch der Verf. zwar die Taugs

anf. Themis u. Betracht, über d. Geſchw. Bericht. v. Feuerbach;

lichkeit nicht abfpricht, wohl aber behauptet, daß ihm feine voi zuͤglichere Tauglichkeit für diefen Zweck, als den criminals rechtlich vorgäglicheren Richter s Collegien., zugefchrieben werden Könne. In diefem Reſultate: daß durch wohl organifirte Ges richtshoͤfe die perfönliche Freyheit nicht mehr gefährdet und nicht weniger gefichert werde, als durch Geſchworne, wird jeder aufmerkſame Lefer. der Schrift gerne mie dem Verf. übers - .einftimmen , wenn gleih Viele, mit dem Rec., Anfland nebs men werden, das Näfonnement des Verf. zu unserfchreiben,, durch weldges er aus der Möglichkeit, daß der Souperaͤn ſich über .die Schranken: der Conſtitution hinwegſetzen könne, bie Fragilitaͤt eines in den Geſchwornen gefuhten Schutzmittels der buͤrgerlichen Freyheit deducirt. Diefes ganze Räfonnement wuͤrde eben. fo gut gebraucht werden können, um das in wohl: organifirten Collegien von Nichtern, welche die Conſtitution für inamovibel erflärt, gefuchte Schuemittelfder Freyheit für: eine morfche Stuͤtze zu erklären, und eben darum wird Diefes ganze Näfonnement vollkommen durch die: herrliche Ausführung- des Berf., am Ende der zweyten Betrachtung, widerlegt, in welcher die. Srände, warum auch reine Monardieen eine ger nügende Garantie für die. Erhaltung conflitutioneller Einrich⸗ tungen gewähren, mit Kraft und -Salbung zuſammengeſtellt find

Wenn nun In reinen Monarchieen das Inſtitut der Ges fhwornen feinen politifhen Vorzug hat, wer könnte dann, bey feinen undeftreitbaren criminalrechtlichen Nachtheilen, auch nur verfuche werden, zwilhen ibm und dem Inſtitute wohl BRAD zu . 7.

Schatzkaſtlein des rheinifchen Hausfeeundes von 3. B. Hebel. Tür bingen in der Cottaiſchen Buchbandlung. 1511. 296 ©. 8.

Dieſes Schagtäflein wird fhon fo weit und -breit gefefen‘ daß unſere Anzeige zu ſpaͤt kommt. Indeß ſchadet die⸗ ſes nicht; denn was lobenswerth iſt, ſoll man immer loben und ruͤhmen. Und hiezu haben wir Grund und Urſache.

Gehaptähfein des rbein. Haucfreundes von FB. Hebel, 287: Denn. wir Haben dieſes Büchlein (fo nennen wir es mit dem Berfaffer, wegen feines Inhalts und Zwecks, denn nad feinem Umfange kann es wohl ein Buch heißen) Kindern u auch Bauersleuten zu lefen gegeben, und fie haben «6 fehr gerähme , und gewuͤnſcht, daß mehr ſolche Wücher ſeyn möchten. . Der Hausfeeund weiß aber auch recht luſtig und anmathig zu reden und zu erzählen. Wer fih an feinen Alles . manniſchen Gedichten erfreut hat, erkennt aud in dieſem Schagtäftlein feinen Mann wieder. Man ſiehet, wie er oft - unter dem Volke gewefen, und dem gemeinen Dann ins Herz und in die Augen und auf den Mund geſchaut hat, und doch dabey- ein feiner Mann iſt, der zu nehmen und zu geben weit. Souſt Kanten dieſe Lefetäde in dem Badi⸗ (hen Landkalender, gleichſam um die Zeit gu fürgen und zu würzen, wie fie denn in einem Kalender fo dürre umd langes

weilig daſteht, oder Einem zugezählet wird, daß man das

bey einer Würze und eines Labfals ungern entbehrt. - Da hat nun der - Hausfreund allerley aus feinem Schatz bervorr geholt, - Altes und Meues, und hat es dazu gar nett und luſtig aufgelußt, fo daß es Herz und Sinnen leichtlich er⸗ freuet, auch manche gute und "ichöne Lehre und Warnung giebt, wie es dem Hausfreunde gegiemet und wohl anftehet. Er nimmt: gleich. anfangs. einen: hohen Flug, und wagt fi . unter das Weltgebäude und zwiſchen die Sonnen und Pas neten, aber fo hoch er auch ſchwebt, man. erkennt doch ims mer den alten Kausfreund, und er ſtellt fih ntemals unges . bährdig und Hochmäthig, und weiß von den ‚Sternen und ihrem Weſen fo deutlih gu reden, als ob er: fie felber ges... macht, oder doch wentgfiens unter Auffiht hätte. Man ers kennt leicht, daß er lange Zeit muß den Kalender regiert haben. Indeß bleibe er nicht Jange oben, und: fommt bald . wieder herunter, aber wenn es ihm gemäthlich und dem Lex fer heilſam iſt, ſieht man ihn wieder in der Höhe bey den Sternen. Denn laͤßt er ſich hernieder, wo es ihm beliebt, im Morgenfande zwiſchen Türken und Arabern, oder in eis nem Semäfe s Garten zwiſchen Naupen und Kohipflangen, in einer Schule, wo er rechnet, ober in einer Schenke, wo er

z00 @chapfäfiein des thein. Hentfrcundes von J. D. Hehe,

erzähle, was ihm in den Stan kommt, und den Zuhörer mahr erfreut, ala fein Schäpplein. Es muß Einen dauern, wie der Hansfreund den Kopf und die Haͤnde fo voll hat, und man färdten, er möchte fih todt reiſen und erzählen, ehe das Buch zu Ende if, Da iſt's denn eine große Freude, gleich im Anfange gu vernehmen, daß der Hausfreund auch zwey Gehuͤlfen bekommt, nämli den Adjunet und die Ads janctin , feine Schwiegermutter. - Der Adjunct muß auch fer

glei eine Standrede im Gemäfe s Garten feiner Schwiegen

mutter balten, umd dee Hausfreund faun nun wieder Athem

fehöpfen, und fo loͤſen fie fih einander ab, und bringen

das Buch gluͤcklich und lebendig zu Ende, und werden hof fentih noch lange fortfahren, Kalender zu machen. Der

Adjunct Kar and noch eine beſondere Geſchicklichkeit, Die der

Geſellſchaft ben dem trocknen Kalender machen, gut zu flatten

kommt. Nämlich er verſteht die Kunft auf dem Blatt zu

peifen,. umd dadurch den Hausfreund fo in Vegeiflerung gu fegen, daß dieſer fogleich in feiner Weife ein Liedlein begin

net, wie 3: &.2 Der lieb Sort hat zum Fruͤhlig gſeit: Gang, deck im Wuͤrmli au ſei Tiih u. ſ. w. Mer Hieraus nun das Schatzkaͤſtlein noch nicht kennt, mags ſelber leſen, und

das wird ihn nicht gereuen. Vor allen lei” es, wer mit dem

Volk viel zu thun hat, und das Volk lieb hat. Auch. kann man es dem Volke und gemeinen Mann, der etwas leſen

will, in die Hand geben, damit er fi in trodner Zeit daran erluſtige. Denn ein froher Mur if doch das. halbe Leben. Kinderiehrer und Schulmeifter koͤnnen auch Nutzen baraus

ziehen. Abfchreiben wollen wir, nichts daraus ; denn das

ganze Blchlein Hat ung gefallen, und wir willen niht, was

wir daraus wählen follen. Auch iſt's gedruckt wohlfeiler , als

wenn man’s abfhreiben wollte. Wir wünfhen dem kalender machenden Kleeblatt am Oberrhein, daß fie noch lange mit

den Jahreszeiten und Monden fortgehn und Allerley aus ihrem

Schatz hervorlangen mögen. E. A. K.

nn

No, 419... Hetdelbergifhe: 48143, Jahrbücher der Litteratur. EEE EEE Saar Plitarchi Chaeronensis Vitae Timoleontis 5 E—— a

Bruti. Animadversionibus instruxit Fridericus Wil-

helmuüs Fabrici, Darimstadiensis. ‚Lipsiae , sumtibus E. B. Schwickerti. MDeccxil: 180 G. a

% [2

| ar Fabrici hat nach feiner Berg dus keinem an

bern Grunde diefe Biographieen ans den übrigen zur Bears beitung gewählt, als weil er vorzuͤgliches Wohlgefallen an ihnen gefunden. Einigen Einfluß mag indeß wohl auf ſeine

Wahl die Bred ow ſche Sammlung gehabt haben, und da dieſe in mehreren Schulen mit gutem Mugen eingeführt ift, fo Hätte er inimer auch den Philopoͤmen, den- fie mehr Hat, mit neh⸗ men mögen. Mad) dem, was der Herausgeber. hier geliefert hat, ſcheint er ein junger Phildlog von guten Anlagen, von ſchaͤtzbarer Bele ſenheit und von vieler Liebe für fein Studium Er wird 26 darum nicht uͤbel deuten, wenn wir ihm zuvoͤrderſt im Allgemeinen nuf einige fleine Unarten aufmerkſam machen, durch die er manchem feiner. Lefer die Bekanntſchaft mit ſich etwas verleiden wird. Was ſoll z. ©. das beichwerliche Ans häufen von Citaten ‚in Fälle, die keiner fangen Sfnduetiog von Benfpielen bedürfen ‚»ja bey: ganz triviellen Dingen. Die Zeiten von Klotz und Conſorten ſtnd, Bott ſey Dank, vors uͤber. So werden S. 117 zu dem bekennten Bebrauch des Ed» nicht weniger als fieden Stellen und fieben Philologen aufgerufen ; die Bedeutung von Üsezards wird. ©, 74 mit ı2 Citaten belegt. Und ſo öfters, wo nicht ſeiten das Eine Citat die andern.überläffe macht, da :fie darin ſtecken. So forgfältig aber der Herausgeber in der Regel andre zu citiren pflegt, Fo ſchlecht ſich ſelbſt, z. B. ©. 19 ceterum vide, in-

fra, Was foll dag? vide quae monuimus ad Gracchos; u

jam alibi hanc rem dar S. ı7. 37.182. ıdı und ©: ı@ 19

290 Plutarchi Chaerost. Vitäe 'Tinadl. ed. Fabrici.. gar: sic jam supra in Tib. Giaich. c. I. habuimus, was erſt folge. Ein feltfames Verſehen. Gegentheils vermißt man hin und wieder fremde Eitate, z. B. bey der Note ©. 89 zu naidey undtv dıaptpovras, die ihrer Subſtanz nah aus Wottenbach zu Phaed. S. ıd2; ©. 11 gu dyaxakvrripıon;, die aus Wefjeling zu Diod. I. ©. 531; S. 55 zu pıxpäs noopdoeag, die and Coray entlehnt il. S. g verfihert er durch mehr als ſiebzig Steffen gegen Hermann (ad Viger: S. 760) beweifen zu Binnen, daß AMag ve auch ohne za) fichen koͤnne, führt aber keine einzige an.

Nicht minder Röhren in fo kurzen, ja fargen Erklaͤrun⸗ . gen bes Tertes die vielen gelegentlichen Emendationen und Erläuterungen fremder Schriftſteller, Die wir noch, jumal bey einen angehenden philologiſchen Schrifikeller, entſchuldigen wollten, wenn fie nicht zu oft mit faft lächerlicher Gewalttha—⸗

tigkeit durch zwey, drey Wittelglieder, oder nur duch die

Nachbarichaft des Buches, des Kapitels ıc. herbeygezogen wir

den. Man fehe ©. 24 zu Iaptpew, ©. 5i. zu Ede;

©. 59.4u waraormunrınds, &. 65 gu unapew, ©. 118 zu ond rhpas u. ſ. w. In der Eile diefer gelegentlichen Obi fervationen geſchieht aud) wohl ein fehwer gu verantwortende⸗ unrecht, wie ©. 58, wo man tiefe, daß Wottenbach (ep.

csit, sd Kuhn. 1, 14.) die füße Geſpannſchaft ber Daka und Grazien im Euripides nicht zu finden gewußt Babe; Dierk Unwirfenheit muß fortbanern, denn er hat auch an der Spitze

feiner Polymathie der angenehmen Syppgie den wäh,

den Herkules zum Begleiter zu geben, noch immer nicht für dienlich erachtet. Die S. 83 getadelte Bemoerkung

von Tzſchucke gehoͤrt nicht zu Eutropius, ſondern zu Florus

H, 9. 25.

Einen wahren Abſcho⸗ Biden wir wifrer Seits —* Formel, die ungefähre ſo lautet: Hoc jam dudum conjec® ram, postea vidi.in idem incidisse. Diefe zwendestige und erbettelte Anmaßung eines Prisritätsrechres finden wie zu unferm Leidweien auch hier, 4. B. ©. 49. 74. 112. 120, und mit einer eigenen Beſcheidenheit widerlich verfeht &. 166. Endlich Finnen wir unfer Mißfallen Aber die auffallond haͤn

2

Plutarchi Chäeron. Vitae Timol. ed. Fabrici. 294 Ägen Wiederholungen nicht bergen. Don dAGeı» wird G. 87 und S. 133 gehandelt, und doch ſollte ſchon gu Timol. c. 14. bie Rede davon ſeyn, von Bodv ©. 89 und ©. 138, von sois BovAogievors, ©. 29 und 8. 48 mit deinſelb en Citat, son and ©. 85 und ©. 117, von Aınapeiv &.65 und S. 122 mit demfelben Citat, von addoxdrog ©; und ©, i68, von Tb. xaAobusyoy ©. 44 und ©. 95, wovon body fen gu Timol. c. 9 oder c. ıB. härte geſprochen Werben ſollen, von sis ubvos ©, 19. 73. Bı. 99 und 148. Das alles zeugt mehr oder weniger von Eilfertigkeit und von Js diecretion gegen Lefer und Käufer. Dein darüber, daß haͤu⸗ fig fange Anmerkungen von Henricus Gtephanus, Patmerius, Moſes du Soul, Coray, Bredow wörtlich eingerädt find,

wollen wir grade nicht rechten, wiewohl dies unfers Erachtens:

auf dem Titel: nicht unbemerkt bleiben ſollte. Die eignen Anmertungen des Herausgebers verbreiten ſich weder über Die Kritit des gangen Textes, denn es iſt im Durchſchnitt des

Reiskiſche, noch Über alle Schwierigkeiten der Interpretation;

es find nur beliebige und bisweilen nur zufällige Erlaͤuterun⸗ gen einzelner ‚Hiftorifcher oder grammatifher Dinge, oft nur. einer artikel, einer Tonftructien, wobey das Triviale nicht immer vermieden iſt. Alles, was man fohft bey einer Aus gabe, zumal für Schulen, zu erwarten pflegt, Einleitungen,

Inhalts anzeigen, Regiſter wird hier vermißt, fo daß, was. .

wirklich jum Verſtaͤndniß des Autors gehort und gereicht, ſich auf wenige Blätter. zufonimenfafen Heß. Daß auch Hier. ſtrengeren Anfoderungen nicht durchaus Benäge gefchehen, wol⸗ lm wir an einigen Beyſpielen zeigen.

Zu Tim. c. 4. wird (aber erft ben Brutus.c: 1. ©: 123)

—*— für dvädeıkes vorgeichlagen. Daß das letztere

auch richtig fen ,. fieht man aus Caesar.’ c. 35. dnarov d’A-

yadsibas &avıdv. Tim: c. 8: ©. 11 fol nach der Meynung

des Verf. Plutarch bey der Mythe vom Raube der Profers pina vielleicht an den . Euphorion gedacht haben, mac dem Scholiaften des Eyripivig Phöniss: V. 688. bey ihm iſt ja riht von Sicilien, fondern von Theben die Rede. Chen möchte man die Stelle auf Pindar. Nem. I, 17, vergl. den

x

292 Plutarchi Chaeron. Vitae Timol. ed. Fabrici.

Schoͤliaſten ad h. 1;, bengichen, wenn nicht die Gage älter wäre, ale unfre fohriftlichen Denkmaͤhler. GC. ı2. S. i7 u "Adpavoo s; „qui (quis) praeter Plutarchumi hujus dei inentionem fecerit, equidem non 'menini.* Erinnert u fi) nit des Aelian de nat. an. L. XI. c. 20. Au kommt der Gott auf Siciliſchen Münzen vor. Of. Eckhel _Doctrin. num. IL &. ı90 und ©. ae4. Weber das vorbe⸗ Deutende Schwitzen der Bildſaͤulen S. 18 war flatt der vagen Anführumg des Cicero Wefleling gu Diod. XV. 10. gu citis ren. C. 13. xal cv adınv udelphv xal yuvalıe. Das für will der Herausgeber leſen: ery adrob Adehphr x. T. Sehr ungluͤcklich; dann würde ja fie, die zugleih Schweſter und Gemahlin war, zu zwen Perfonen. Die Lateitter dräden | fi eben fo aus: Curt. III. 5. illum florem juventae, illam | vim animi, eundem regem et commilitonem divelli a se. | Bey bein Philistus c. 16. ©. an. bedurfte es bey der An führiing von Bredows Note auch einer Berichtigung -deffelden. Man begreift nicht, da ja Philiſtus nicht als Zeitgenoffe die fer Begebenheiten won Plutarch dargefiellt wird, warum er nad Bredow ein fo hohes Alter von 70 Ba Jahren fol erreicht Haben. Allerdings iſt es fein anderer, als der fo Häufig erwähnte Syrakuſiſche Sefchichtichreiber. Man vergleiche A. F. Nüke Schedae criticae: Halae ıBıe., der ©. 27, eine gelehrte Anmerkung über ‚urifre Stelle macht, ſich aber tert, wenn er eine andere Stelle des Plutarch ei Hecah. ol. c. 1.09 Ts eine Aiovvoio auf denfelben Philiſtus bezogen willen will. Die. Note von Weſſeling ju Diod. I. S. 644 war ihm nicht ‘gegenwärtig. Bey den Born c. 26. ©. 57 vor dtıopahds voooöyra deiodaı Tour roũ oehivov If zwar die Vulgata mit Recht beybehalten und. durch Paralleiſtellen beſtaͤtiget, aber. nicht erwaͤhnt worden, daß dieſe Wiederholung des Pronomen, wie auch Weiske de pleonasmis &. 76 andeutet, jedeshial init einer gewiſſen Bedeutſamkeit verbunden fer. Fehlte Hier das Tooror, fh fhiene es, als wenn auch die Worte Tor Emioparas 9% coöyra zum Sprichwort gehörten. Das Sprichwort lautete ‚aber; oöras diraı Ton ‚wehlroy; das. andre iſt Erklärung.

Ei

Plutarchi Chäeron. Vitae Timol. ed. Fabrici. 293

Aehnlich ſchiebt der Deutiche das Pronomen ein. Schiller m den Kranichen des Ibykus:

Zum guten Zeichen nehm id) euch, Mein Loos, es iſt dem euren gleich.

Leber jenes Sprichwort felbft wird man auf Interprett. ad Callimach. T. I. p. 280 ed. Ernesti vermiefen, und findet dere nichts, als unfre Stelle. Beſſeres würde der Kerauds seber finden in Laurent. Beger. Exam. quorundam dubio, zum Berolin. 1604. p. 9 sq. und über den anderweitigen Gebrauch des Eppih bey Voß zu Virgil. Ecl. VI. v. 68, Beylaͤufig gälte es hier die Frage, ob Schiller in jener anges führten Ballade nicht einen Anachroniemus begangen, . daß er den Fichtenfrang zum Siegeszeichen der Iſthmiſchen Spiele made. In demſelben Capitel lieſt man S. 38 zu den

Worten dv ö ui» Tois Övvbın Eyeps dranenapusvoy dieſe

Note : Videter hic ante oculos habuisse verba Hesiodi ioye x. nu. ı87. ed. Br. Wer? der Autor doch nicht, denn diefer bedient fich gang gewöhnlicher Nedensarten, die er gar nit Umgang haben könnte, alſo wohl der Adler, "daß einem das Bonmot eines berähmten Gelehrten beyfallen fönnte, der bey dem fchenen Pferde in Tacit. Annal. I. 66, die mAnds liche Bemerkung machte, es babe den Kiel in der Anabaſis (U. @. 10.) vor Augen gehabe Sollte einmal citirt werden, wärde Il. XIL aoo. zıdß. XIIL daı, noch bezugli⸗ cher geweſen ſeyn.

Befremdend iſt es, daß die Emendation des Dacier_‘Ic- rüs für ‘Iegas c. 30. ©. 44 darum für unſtatthaft erklaͤre wird, weil das xadlovusvas dabey ſtehe. „Nam quid apus erat, ut hoc adjungeretur, si locus nominaretur, qui in nomine nihil haberet, quod ut verba ai xalodueras subjungerentur,, requireret, Atſo müßte Achradine c. 18. auch falſch ſeyn, und es müßte überall, wo. das fogenannte dabey ſteht, in dem Namen etwas Vefonderes oder Bes deutendes liegen. Vergleiche doch der Herausgeber feine Citate.

Daß in demſelben Lapitel noch das Werworrene dmaloyov-

Klang TE Truadiouto; surugi mit Bredows Anmerkung

94 Plutarchi Chaeron. Vitae Timol. ed. Fabrici.

gedeckt wird, nimmt uns ebenfalls Wunder. So viel ließe ſich dagegen erinnern; hier nur das Eine, daß Jixn dann in zwey Bedeutungen einmal ale Strafe zu und hernach als Gerechtigkeit zu arohoyouuevng genommen wers den mußte; daher auch der Ueberſetzer genoͤthiget worden iſt, mit einem Worte wie Strafgerechtigkeit ein Abkommen zu treffen. Warum nicht abroiç Öuodoyovuivas mit den Hande ſchriften und Coren? Eben fo hätte c. 36. das Fragment des Sophofles unangetaftet, und Reiske feine Conjectur ode für Toöde nidyt eingeräumt werden ſollen. Die Eonfiruction mit dem Genitiv, wenn man unter demfelben, mie natärlich, ein feidendes Object verſteht, iſt ganz in der Ordnung; ein Dativ wuͤrde ja ein bethaͤtigtes Subject hier ein an einem dritten theilnehmendes darſtellen. Uebrigens muß man nach dem Geſetze des Zuſammenhangs roode neutraliter neh⸗

men, was Bredow in der Ueberſetzung verfehlt hat. Zu der

gleich darauf zwiſchen dem Mahler Dionyſius und Nicomachus gezogenen Parallele erhalten wir ein kahles Citat aus Junius Cat. Artif. Der Herausgeber hätte ſich hier beſonders uͤber die ſchwierige Bedeutung des techniſchen Wortes rorog erklaͤ⸗

ren ſollen. Stoff wuͤrde ihm dazu Hagedorn in den Betrach⸗

tungen über die Mahlerey ©. 689 ff., und noch mehr ein neuerer hypotheſenreicher Schriftſteller Grund Geſchichte der Mahlerey IE. 329 ff. gegeben ‚haben. |

Tib. Graichus. c. 13. —RX oſSTßoc non praesens ille. Hoc ut nonnulla alia apud. Plutarchum, Latinis

"mum redolet, "Da eönnte man non praesens ille. mit gleis

chem Zug für einen Graͤcismus halten. ©. Matthia Griech. Grammatik $. 471. Dagegen iſt c. 16. eis Tv dyopar *taßac, wobey flieht: sic Latini etiam in forum der- eendere dicunt eine mörtliche Ueberfeßung des Bateinifchen; be Grieche pflegt das Umgekehrte zu ſetzen.

Bey der verworrenen Materie von den Verhaͤltniſſen * Nitterſchaft gu den Gerichten C. Gracch. c. 5. war flatt ber

ungeordneten Citate und ſtatt des Rualdus auf Heeren's vors

treffliche Geſchichte der Revolution der Griechen (Kleine hiſt. Schrifta. Th.) als auf ben beften Commentar zw dieſen bey⸗

Plutarchi Chaeran. Vitae Timet. ed. Fabrici. 295

den Lebengbefchreibungen zu verweiſen. Aus jenem Capitel ließ fh der Meine Irrthum berichtigen, den Heeren ©. 235 hat, als ob fih Graichus von der Eurie zu dem Comitium gewandt babe; er wandte fih von dem Comitium und der Curie zu» dem Forum. Die Anmerkung über 65 ©. ı1, das als Präs pofition nie gu undelebten Dingen gefeßt werde, leidet Bes sihtigung. Cf. Valckenaer ad Thom. Mag. in epp. Ruhnken, ad J. H. Ernesti ed. Tittntann. ıdı8. p. 186. Weber die Abſtammung des Marcus Brutus von dem alten. Junius zu Brutus c, I. p. 114 wäre noch der vortrefflihe Ercurs von Eckhel a num. Pr 11. Vol. VI. p. 90 sq. nadyu tragen. C. 45. p. 170 oös Boiyas ävduade zu den von Sturz de dialect. Maced. p. citirten Stellen fann man no Cic. orat. 48. Curt, VI. 11. und Heyne ad Virg. Ecl. VI. arg. hinzufügen. Der Vorfhlag c. 51. p. 178 Aria für nIıxös wäre an fih nicht uneben, wenn Adıxaz unerflärlich wäre, und nicht vielmehr die fhöne finnvolle Bes deutung hätte, die vornehmlich Valckenaͤr zu den Adaniazusen p- 928 sygq. ausginander geiegt hat. Man verbinde nur nDıxos mit Ooden und einev und nicht, wie Bredow ge than zu haben ſcheint / mit usıdıncas.

Wir wollen in diefen Berichtigungen nicht fortfahren,

fondern nun noch pflichtmaͤßig und geen hinzufegen, daß mie auch auf recht gute und treffende Bemerkungen geſtoßen ſind, wovon nur die zu &Amidog Toiadens yevauevov Tim. c. p. 8. Die Conjertur napayayai für napaloyai Tim. c. ꝗ. p. 11. Die Nachweiſung über Xovoö» Edeifay Tim. c. 11. p: 16. über ueyav adbeodaı c. ıÖ. p. 41. Die Veſtaͤ⸗ tigung von Stepanus Vermuthung zarixiace zu dem Phae- . don. .c. 66. gegen Wyttenbach S. 8. Die Ableitung. von Aeapyds ©. 28, von Asas, dem aͤoliſchen warv, hätte hier erwähnt werden mögen.

Der Verf. iſt gefonnen, wenn dieſe erſte Peobe nicht mißfallen, eine zweyte Bearbeitung einiger andern Plutarchi⸗ ſchen Biographieen folgen zu laſſen. Da feine Thaͤtigkeit wer ber des Geiſtes, noch der Kenniniffe ermangelt, fo wird es nur auf feinen ernſten Willen ankommen, um: etwas Tüchtis

296 _Dentfehe Ornithologie von Bekter ic. | ges fünftig zu leiſten. Wir wuͤnſchen ihm dazu, ſo wie zu feiner (laut der Vorrede) unternommenen Reife nad) Erants reich von Herzen Sid 5

}

Deutſche Ornithologie oder Naturgeſchichte aller Vögel Deutſchlande in naturgetreuen Abbildungen und Beſchreibungen herausgegeben von Dr. Bekker Lichrbammer, C. W. Bekker und Bembcke. XXltes Heft. Darmſtadt 4511. im Verlage der Herausgeber. TO DEE ER 2

Mit Vergnügen zeigen mir die Fortfeßung diefes jedem Freunde der vaterländifchen Naturgeſchichte befannten “an, das, der jetzigen druͤckenden Verhaͤltniſſe ohngeachtet, in gleicher Schönheit und zu fo geringem Preife fortgeſetzt En daß auch der minder begüterte Freund der Drnithologte daran Theil nehmen kann. Es iſt daher vorzüglich geeignet, Aufs flärung in der Deutfchen Voͤgelkunde zu verbreiten, und die Verehrer diefer fhönen Wiffenfchaft zu vernichren. Rec. ; der diefeg Werk, feit es erſchien, ſchaͤtzte und empfahl, wuͤnſcht daher deſſen moͤglichſte Vervollkommnung, und erſucht die Herausgeber, dieſem Wunſche nachſtehende Bemerkungen aus

zuſchreiben.

Diieſes Heft enthält die Maturgefchichte des Steinadlers und des Schleyerkanzes; von jeder Art ſind drey Abhildungen geliefert.

| Nichts erleichtert mehr das Studium der Naturgeſchichte als richtige und kurze Kennzeichen der Art; es iſt daher vor züglich in einem Werke, wie das Vorliegende, hierauf Ruͤck⸗ ſicht zu nehmen, da es hauptſaͤchlich für Lefer beſtimmt if, die feine wiſſenſchaftliche Naturforſcher find. Allein wir Haben ‚bisher auch in diefem Werke, fo mie überhaupt in den Schrifs gen der Meueren, die Bechſteiniſchen, Meyerſchen und Wolfi⸗ ſchen nicht ausgenommen, die Vernachlaͤßigurg dieſes fo wich⸗ tigen Theils des ornithologiſchen Studiums bemerken muͤſſen, da doch Feine gründlichen Fortſchritte zu hoffen find, fo lange | niche hier auerft | die Unbeſtimmtheit entfernt wird.

Denrfche Ornithologie von Bekker ı0. 297

Unter der Aufſchrift: Kennzeichen der Art werden hier in swanzig (!) Zeiten befondere Kennzeihen vom alten Männdyen dem ganz ( ?) alten Weibchen, dem alten Weibs then, und dem jungen Männchen vor dem dritten Lebensjahre geliefert. inne’ würde 06 folder Arts Kennzeichen in Eritaus nen geraten seyn, und feinen Ausſpruch: Horrenda sunt nomina specifica veterum sesquipedalia quae descriptio- nes loco :differentiarum sistunt, dahin abgeändert haben, dag den Neueren hierin der Vorzug gebühre.

Wir find zwar in der Drnithologie nach nicht fo weit, von allen Deutihen Voͤgeln Arts Kennzeichen liefen zu können, und muͤſſen uns daher öfters mit Beſchreibungen behelfen, ins deffen ift dies mit dem Steinadler der Fall nicht. Beine bis &uf die Zehen befiederten Beine unterfhriden ihn ſchon von allen Deutfchen Adlern bie auf Aquila naevia Brissonii und Aquila imperialis Leisleri, es waren daher nur nod Merk mahle aufgufuchen,, weiche ihn von diefen beyden trennen. Bon Aquila imperialis ift der Steinadler durch feinen abge⸗ rundeten Schwanz. und die nicht Über denfelben Hinausragenden Schwingen, von Aquila naevia durch feine Größe hinlänglich unterichieden , indem der NMheinadler nur die Größe des rauht füßigen Buſſords hat, der Steinadler - alfo einige Schuhe mehr in der Breite mißt. Das Arts Kennzeichen bed Stein⸗ adlers laͤßt fih demnach kurz und befimm auf folgende Weife angeben. - |

Steinabdler (Aquila fulva Meyeri). Die Deine bis auf die Zehen befiedert; die Schwingen nicht über den abgerundeten Schwanz hinausragend ; fieben Fuß breit. ;

Außer der Unfoͤrmlichkeit, woran die von den Herauss gebern aufgeſtellten Art⸗Kennzeichen leiden, haben fie einen zweyten noch weſenilicheren Fehler, indem fie nicht die ganze Art umfaſſe n; denn der alte Vogel, welchen Sinne’ unter dem Namen Falco Chrysadtos Goldadler beſchrieb, iſt nicht dark enthalten. Die drey bier gelieferten Abdildungen, wovon zwey die Unterſchrift Goldadler führen, haben ſaͤmmt⸗ lich weiße Schwanzwurzein, fie gehören daher alle gu Falco fulvus Linnei, und keiner zu Falco in, indem die

298 Dentſche Drnithologie von Bekler.c,

weſentlichen Kennzeichen, dDieagfchgrauem Bänder, fehlen. Wir fehen daher keinen rund, warum Biefe Steinadler im ums volltommenen Federfleide Aqua fulva Bekkeri find genannt worden, da ja ſchon Briffen fie unter dem Namen Aquila £usca befhrieben hat, und fie zu Aquila fulva Meyeri ges Hören, . der befanntlih den Gold ; und Steinadler vereinigte und ihm biefen Namen gab. Wenn alfo Bedflein feinen Goldadler ausſtreichen fol, mie hier verlangt wird, fo muß dies aus andern Gruͤnden gefhehen, denn der Bechfleinifche Goildadler iſt einerley mit dem Linneifchen, ‚von dieſem if ‚aber in dev ganzen Beſchreibung nicht die Rede, es ſcheint daher, daß ihn die Herausgeber nicht gefannt haben.

Bechſtein und andre Maturforfher haben zwar laͤngſt vers muthet, daß der Goldadler mit dem Steinadter zu Niner Ay gehörte, Meyer hat bafür den Beweis geliefert, indem er nicht nur die Erfahrungen anderer noch lebenden Naturforfchet hierüber , ſondern auch feine eigenen mittheilte, woraus fi denn ergibt, daß der Linneifhe Falco fulvus gegen das fies bente Jahr feines Alters in den Falco Chrysastos Linnei übergeht. ©. Wetterauer Annalen 1. B. 1. H. S. 139 —ı48. Bechſtein Hat hierauf auch im dritten Theile feines Taſchen⸗ buches bemerkt, daß nach Angabe der Neueren der Goldadler ausgemerzt werden muͤſſe. Es befremdete uns daher ſehr, in Diefem Hefte die Meyeriſche Abhandlung weder angefuͤhrt, noch benugt zu finden, und wir muͤſſen es den Herausgebern diderlaffen, wegen bdiefer Vernachlaͤßigung der Wiſſenſchaft Entſchuldigungagruͤnde vorzubringen, da wir nicht einſehen, soie dies zu entſchuldigen ſey. Wir bedauern, daß durch dies sen Fehler die Irrthuͤmer, welche über diefe Adlerart herrſch⸗ sen, noch bey Dielen werden erhalten werden, um fo mehr Da neuerlih auch Naumann den unverzeihlichen Verſtoß gegen die Wiffenfchaft beging, und den alten und jungen Steins adler als zwey verfhiedene Arten auftelte.

Da fih nad der in diefem Hefte enthaltenen Angabe in dee Sroßherzoglihen Menagerie ein lebender Steinadler bes findet, fo wuͤnſchen wir, daß die Herausgeber. für deſſen Er⸗ haltung beforgt ſeyn und von ihm, ‚wenn er fih in den

|

Zwey Bredigten von ©. L. Ribſch. 299

Pinneifchen Soldadler wird umgewandelt haben, in einem der folgenden Hefte eine Abbildung, fo wie die bier unterlaſſench Berichtigungen nadjlisfern möchten.

Die Abbildungen der Schleyerenlen ſtellen Dam, Weib und jungen Vogel vor. Wir erhielten oft ım Fruͤhſahr alte Männchen, die aber ſtets viel heller wie das hier abgebildete gegeichnet waren. Diefe Eule liebt fo fehr die Wohnungen bee Menſchen, daß man fie falt den Hausthieren beyzählen kann; unrichtig iſt es aber, daß man fle vergebens in Waͤl⸗ dern fuche, wie hier angeführe wird, Dec. .hat fie Hfters in hohlen Bäumen anf den Epern BeIaBBN: die “ac immer reinweiß Maren.

In Ruͤckſicht der Kupfer muͤſſen wir noch bemerfen, daß Vie Abbitdungen der Adler vortrefflich ausgeführt find; die Eulen find nicht ganz fo gut gerathen.

Wir wuͤnſchen, daß die Herausgeber diefes in der That ſchaͤtzenswerthe Werk ſchneller, wie in der letzteren Zeit ge⸗ ſchehen iſt, fortſetzen, und die hier gemachten Bemerkungen zu deſſen Vervollkommnung benutzen moͤgen.

Zuey Vredigten bey der Ruͤckkebr der Pfarrgemeinde zu Wittenberg aus der daſigen Schloßkirche in die Stadtkirche gehalten, von D. €. 2. Nitzſch, der Theol. Vrof. des Conſiſt. Beuf. Pfarrer und Superint. zu Wittenb. des Witt. Kreiſes Generalſup. Dir tenberg bey GSeibt, 1812. 64 ©,

- Obgleih nur zwey Predigten, doch genug, um ſich vor ganzen Bänden dem Publicum zu empfehlen. Wie die Zueignung des Verf. an feinen nun verewigten Freund Reinhatd ein fchönes perfänliches Verhaͤltniß darlegt, fo zei⸗ gen diefe Kanzelreden, daß fe mit den erhabenen Muſtern unfrer Zeit, mit: den Reinhardſchen, befreundet ſind, aber ihren eignen Charakter frey behaupten: Durch den ganz ſpe⸗ ciellen Gegenſtand erhalten ſie noch einen eignen Werth m. des Inhalts und der muftsrhaften Behandlung, -

300 Zivey Predigten von C. & Nitzſch.

An der erſten Predigt nimmt die Gemeinde mit ihrem Ffarrer von dem Ort Abſchied, wo fie fich feit den Krieges ftörungen 1807 verfammeln mußten, von der Schloßkirche, welde Schon durch das Auge auf die aroßen Männer der Res’ formation erinnerte. Der Redner, nicht vorbeplaffend das Intereſſe der Zeit. und des Otts, redet, nad) einem kurzen Biftoriihen Eingang, nah Hebr, 18, 7. von den dankbaren Erinnerungen, mit denen die Gemeinde aus diefem Gottes⸗ Haufe ſcheidet; es find Erinnerungen, ı. an den Stifter uns fers Glaubens, g. an die Wiederherſteller diefes Glaubens, 5. an die dortige hohe Schule. Er fpriche kurz und klar, rednerifh und einfach; nicht, wie Viele wollen, immer nur durch den Verſtand zum Kerzen, und noch weniger, wie eine neuere Mode wollte, dur den Lnverfiand zum Gemuͤthe. Keine der Perioden fieht aus, als gehörte fie zu irgend einer :moraliihen Abhandlung, fondern jede gehört grade gu dieſer Predigt. Nur durfte immer bey ihren Worgügen der Bes flimmeheit und Helligkeit das Colorit etwas wärmer feyn. Wie viel beffer aber Einfachheit und Kürze ergreift, als jeder beliebte Wortdienſt, das fehe man ©. 15 folg. in der fo treffenden Hindeutung auf die vier berühmten Bildniffe, welche diefe Kirche zieren, auf die „zwey fürfllichen Brüder“ ( Fries drich der Weife und Johann der Beſtaͤndige) „und auf Me zwey gelehrten Freunde“ (Luther und Melanchthon). Ws diefe ‘vor den Augen flanden, da bedurfte es grade nur diefe wenigen Worte, um mit fremmen Gedanken die Her— gen zu erfüllen. Gegen das Schlußgebet möchten wir ers innern, daß es mehr zu ale aus den Herzen der Zuhörer fprehe, und darum’ auch etwas zu lang ſey. Doch kommt - ben fo mas das meilte auf den Vortrag an.

Non der zweyten Predigt läßt fich daſſelbe rähmen, "was von der erfien. Da man nur felten. noch, und nicht ohne Grund, Predigten allgemeinen Inhalts leſen (und hoͤren) mag, fo find ſolche fpecielle Reden nicht bloß für den Zuhörer, fondern für das theologifhe Publicum fehr ſchaͤtzbar. Solche, fagen mir. Diefe wurde am Neujahrstage ıdı8 bey der Einweihung der-wiedsrhergeftellten Pfarsticche zu W. gehalten

Ziven Predigten von C. 2. Nitzſch. 31

ber PHU. 4, 4., und das Thema war: Die Freude in dem Seren, durch weiche wir ihm dieſes Haus weihen ſollen (Rec. Hätte es in einen einfahen Satz zufammengegogen ); 2. ihre Duellen, ©. ihre Wirkungen. Der erfte Theil zeigt die Liebe. und Achtung für die gemeinfhaftliche Andacht ner Chriften als .die Quelle, und der zweyte: Danfgefühle, fromme Entſchloſſenheit eines jeden zur eignen Seelforge, Eifer im Äffentlichen Bekenntniſſe Chriſti, Sorgfalt gegen jede Enthei⸗ ligung des geweihten Hauſes, fromme Wuͤnſche und Hoffnun⸗ gen als die Wirkung. Auch dieſe Predigt ſchließt mit einem Gebete, dem wir nur einen Ton tieferer Andacht wuͤnſchten, wedurch denn einige ſtoͤrende Ausdruͤcke weggefallen waͤren. Doch das ſind kleine Mängel, und Rec. ſcheut ſich nicht, dieſe beyden Predigten unter die Muſter in dieſer Gattung zu ſetzen. Der Leſer legt ſie gewiß nicht ohne eine angenehme Erbauung aus der Hand, und freut ſich dankbar der belehren⸗ den Zugabe in den hinten angefuͤgten Anmerkungen. Noch etwas hätte Rec. zur Vollendung der zweyten dieſer Kanzels reden gewuͤnſcht. Die Zuhörer werden gegen die Nachlaͤſſig⸗ Leit im Kirchenbeſuchen gewarnt, und es wird nur von dems jenigen Grunde biefes Uebels geſprochen, der. in dem Zuhörer Siege: aber iſt das nicht bloß die Hälfte defien, wovou zu fprehen war? Und wer hatte mehr innern und aͤußern Ges nf, auch Hier ein Wort den künftigen Geiſtlichen an das Herz zu legen, als diefer ehrwuͤrdige und verdienftvolle- Lehrer ‚auf der Kanzel und auf. dem Katheder ? Doch wollen wir nicht gu viel tadeln, denn er konnte Gründe haben, warum er hier grade davon ſchwieg. Dafür fehe man folgendes lieber bloß als eine gelsgenpeitliche Sergensergießung des Rec. an.

: DE genug hort man jetzt die Rage, daß die Kirchen verlaſſen ſtehn; man Hört fie meiſt von dem Prediger, aber wo wird der Zuhoͤrer dagegen vernommen? Dieſer naͤmlich will nicht alies das Moraliſirende oder Dogmatifirende, oder Myſticiſirende, nicht homiletiſche Kuͤnſteleyen hören: dafür kann er in vielen Blaͤttern und Buͤchern ſich beſſer unterhal⸗ ten, oder auch in guten Geſellſchaften, oder auch etwa vor

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x ze Catalogus’ Bibliothecae ed. G. L. Rahner: Kenutniß der Samminng haben ſich Hirfh, Serz, Her—

ser, von Murr und der noch lebende gelehrte Diakonus

Dedermälfer verdient gemadt. Die Manufcripte find vornehmlich durc) des unermüderen von Murr Memorabi- lia Bibliothecarum Norimbergensiam P. IL ( 1768 ) be⸗ kannter geworden. Der jetzige Catalog bietet nun zum Ber kauf an: A. Manuſcripte. Drep bibliich » hebräifche, bekannt

durch Nagels Differtationen von 1749 und 1769, ein Rabbin.

von Maimonides , einen durd) Schoͤnleben 1958 befchriebenen Cod. gr. Novi Testam. membz.. Saec, XII. 17 Lateiniſch⸗ Bibliſche, 37 Arabifche und Tärkifhe, ein Perſiſches. Die neueren Deutichen und Lateiniihen Manuſcripte, welche meiſt Neiſen, Geſchichte, Diplomatik, fädtifhe Rechtskunde und

Landrechte betreffen, gehen von No. 66. bis 379. Die Was

nuſcripte ‚von claſſiſchen Autoren vollends bis No. 400. in Terenz cum schol. Sec. XI oder XIL, ſcheint noch nicht bes nußt. Mach den Manufcripten folgen B. 45 Libri impressi Seeuli XV. sine notatione unni. Von No, 446. bis 648. libri Sec. XV. impressi cum notatione anni; von da an bis No. 1794. impressa bis zum Jahr 1550. Diefe Mummiern enthalten, meil meiltens mehrere Piecen zuſam⸗ men gebunden find, vier Taufende won Incunabeln und ähnlichen für die Neformationsgeit merkwärdigen gleichs zeitigen Drucken. Die Beſchaffenheit der vorhandenen Eremplare iſt getreu angezeigt, faſt bey ‚jeder Raritaͤt werd bibliographifche Fundgruben nachgewiefen, wo der Geſchma der Liebhaber durch mehrere Notizen gereist und ‚befriedigt werden kann; biswelten gibt es jogar ein incognitumg ; meh es zu Panzer Annales typograph. nachzutragen if. Möge denn aud) diefe Sammlung erfahren, was der im den Alten wohlgeuͤbte Derfaffer des Catalogs aus Lucrez troͤſtliches am führe : dissolvir Natura; neque ad nihilum interimit res, Haud penitus -pereunt, quaecurique ( perlsse) videntur; uando aliud ex alio reficit Natura.

⸗. E. © Pantuc

J

No. 20. Seidelbergiſche 4813. Jahrbuͤcher der Litteratur.

Blattdeutſche Gedichte nach dem Willen des Verfaſſers herausgegeben von Bornemann. Berlin, gedruckt bey Georg Decker. 1810. 8.

Mars eine befondere Aufmerkſamkeit auf alles, was nicht fos wohl ‚den gebildeten Theil der Nation , als vielmehr die ganze Nation angeht, ift ung diefe Sammlung Plattdeutſcher Gedichte zugeführe worden. Nun wende man uns nidyt ein, daß das Plattdeutſche doh nur Sprahe eines Lleineren Theile der Deutſchen Nation, ſey, genug es begreift noch mehrere Millios nen Deutfche; diefe Singewelt iſt alfo immer nod viel zahl⸗ reicher, als die gebildete Waffe der lefenden Mation, aud: hat dieſer Plattdeutſche Theil der Nation mandye Eigenthümlichkeit, berühre das Innenmeer, die Oſtſee, wohnt.an großen Stroͤ⸗ men, und würde in diefer mannigfaltig anregenden Beräbr rung ficher viel eigenehümliche Poefieen bewahrt haben, wenn ihm niche Gebürge fehlten, weswegen er von dem Wechſel der Kriege viel rafcher und verheerender gu aller Zeit ergriffen ward, : und fih inzwiſchen von der Ausbildung der Hochs deutfchen Mundart fo weit übertroffen ſah, daß er für Staat und Kirche jene annahm, und die Plattdeutſche Mundart nur für den vertraufihen häuslihen Kreis bewahrte. Dies fer Häusliche Kreis wäre es alfo, fammt der’ Kiugheit in der Beruͤhrung mit der Höheren anders redenden Welt, die dem Plattdeutſchen Wolfe norhwendig wurde, zugleich Spott über diefe höheren Kreife, die freylich hinter der freyen Zutraulich⸗ feit in mancherley zuruͤckblieben, während fie ſich fehr übers legen wähnten. Das wäre uns hauptſaͤchlich naͤchſt manchem guten Scherz nod im Munde des Plattdeurfch redenden. Vols - kes übrig; ältere Heldenſage iM faſt ganz verſtummt, fpätere Kriegslieder ſind Hochdeutſch, aͤltere Kinderſagen finden ſich nur noch in verſteckten Winkeln, neuere ſind meiſt aus dem | 20

396 Altdentiche Gedichte von Bornemann.

Hochdeutſchen entlehnt, überall Hat faſt die Aufklaͤrerey bie Sparbädfen des Volks zerſchlagen und die Flappernden Keller unter dem Vorwande weggenommen, es fey alte verrufene Münze. Und doch, wie Haman fo fhön fagt, beſteht in Bildern der ganze Schatz menfchliher Erkenntniß. Auch in Diefen Bildern der Volkspoeſie lag ein fo vollländiges Syſtem, als fie noch beyfammen waren, wie irgend ein neuerer Philos foph fih nur träumen loffen mag, ſey es. daß er fein Sm dium mit dem Worte Erfahren, oder mit dem Worte Ofr fenbaren angefangen hat.

Aus dem Sefagten wird der Inhalt diefer Gedichte den Leſern erklaͤrlicher werden, die, wenn auch nicht eigentlich volks mäßig, doch deutlich aus einer wahren Berührung mit dem Molke hervorgegangen find. Wir fehen nämlich. auch Hier, was eben als des Plattdeutſchen angegeben worden, haͤus⸗ liche Luft, ©. 18. 24, Klugheit gegen höhere Kreife, Spott darüber, insbefondere über Gelehrte (©. 9. 125. 100. 107), Scherz wie in den meiften übrigen, mande Züge darin find aͤcht vollsmäßig aufgefaßt, und doch glauben wir, daß dieſe Lieder fih eher als Sprachſcherz in den gebildeten Hochdeutſchen Lefe s Kreifen verbreiten würden, wenn” gute Melodieen fih dazu fänden, als daß fie je zum Volkliede des Plattdeutſch redenden Volkes werden könnten. Der Grund davon liege nahe, der Verf. weiß das Piartdeutihe der Markt Brandenburg fo. gut, wie Voß den Miederfähfiihen und Hebel den Badischen Volksdialect kannten, aber er lebt eben fo wenig darin, mie jene; es ift in allen dreyen ein freundliches Verſetzen in die Sprache der ärmeren Klaffe, aber alle drey tragen noch eine andere Bildung in fih, die fih nicht in dem Einzelnen mit dem Molke verbinden ließ, die erſt eine ganze Nation durch⸗ laufen muß, ehe fie ganz vollsmäßig wird. Wir geftchen, daß in Hebel dieſe Differenz mehr ausgeglichen iſt, aber ſchon die Wahl Griechifher Sylbenmaſie in manchen feiner Gedichte, insbeſondere aber das Verweilen bey Dingen, die dem Bor nehmen. zu erfahren fehr lieb find, die’ aber dem Wolke, weil es davon umgeben ift, allzubekannt find, zeigen, daſt es doc) mehr -ein Heraufräden des Volksmaͤßigen zum Genuſſe der höheren Stände, als Lieder für das Volk find. Offenbar ift fein Schaf

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Altdentfche Gedichte von Bornemann. 307

fäflein des rheinifchen Hausfreundes, ob es gleich in keinem Dialekte geichrieden, volksmaͤßiger als die Alemannifhen Ges . dihte. Um den Unterfchied an einem der bier in der Samm⸗ lung mitgetheilten Gedichte im Beyſpiel zu . ‚, fo wählen wir die Bauernhochzeit ©. 18.

1. Juchhay Hochtiet!

Hochtiet is huͤt

Kieckt de ſchmucke Brut maal an, Un den drallen Bruͤggamsmann, Wie ſe ſick ſo herzig ſchnuͤtern

Un mit Fuͤer Ogen kluͤtern! Schnuͤtert, kluͤtert friſch drup in Bruͤtluͤd muͤtten hitzig ſin.

Suhhap Juchhaideldey,

Juchhap.

2 Juchhad u. . w. Hei wie de Trumpeten ſchalln,

Un de Pulver Buͤſſen knalln, Alle Klocken trekt de Koͤſter, Ingeſegnet haͤt de Preſter,

Hans un Grein biede tru, Hans un Gret ſin Mann un u Juchhap.

3 Juchhap u. f. w. Schlagd den brange fe ſchons Herbie Den kaptealen Herfe Brie. Stief mit Sandel äberzudert ,' Daͤt daͤt Herz im Liewe pudert; Ut de Müler pieperfings Loͤpt dar Waater rechts und links. u. ſ. w.

Wir fühlen gleich, der Dichter iſt von der Herrlichkeit dies fer Hirſe nicht mitergriffen, die Hochzeitfreude wird ihm zum . Spott. Aehnlich finge Schmidt ‚bey der Bauernhochzeit von dem glänzenden Daumen der Braut beym Schweinebraten als Spott, und diefes Vornehmfeyn hinderte ihn, Volksdichter zu werden, ungeachtet mancher glücklichen Anlage. Auch die Platts dentſchen Hochzeitlieder in der Inftigen Geſellſchaft von Peter

308 Aldentfche Gedichte von Bornemenn.

de Memel. Zippel Zerbſt 1695, ©. 269 und 277 ind nur ein Scherz des Beſſerunterrichteten, der fi uͤber das Ansfafficen der Braut, Über das viele Nöthigen beym Eſſen Iuflig mad. Wirklihe Hochzeitlieder des Volkes machen ih nicht über die Hochzeit, fondern mit der Hochzeit Inflig. Zum Benfpiel führen wir aus einer muͤndlichen Mittheilung in Pom⸗ mern haͤufig gefungene Hochzeitlied an: De Hochtit. Küferh feggt unfe Hahn, ' Upt Srieen mul he riden, Blanfe Sporen fnallı be an, . Enn Degen an de Eiden ; As he vor Ukermuͤnde kamm, War ſeden fine Luͤde? „De Koh ſtund voͤr dem Für, „Dat Kalf lag in de Weege, „De Hund de haart de Votter, „De Katt de lickt de Schöttel, „De Scharpenvever fegt dat Hub, „De Multworm dregt dat Mult ut; „He drag dat woll vor ene Schün, „Da doͤſchten dre Kappunen in, „Doͤſchten dar fhone Hawer Caff v Dar bruuden fe ſtark Bier aff: „Dat Bier namm enen Sus „To'n Gaͤbel ur dem Hus; „Gaͤſter mit dem langen Schwanz „Deed mit de Brut den Voͤrdanz/ „Sparling dar gar lütte Ding „Gaff de Brut den Zroring, „Adbar mir de fangen Knaken „Wull de Brut dat Bedd upmafen.*

Wie voltsmäßig Dies Lied aber feyn muß, und bie hochherr— : fihe Unordnung einer Hochzeit ausdruͤckt, beweiſſt, daß wis e8 aus einem andern Munde derfelben Gegend folgender a ſtalt verändert erhalten : : | iR

IE weet enn keed,

Dat ’neemand weet,

Dat kat id von de ople Magret;

Altdentſche Gedichte von Bornemann. 309

As id na Runken keem,

Da ſchale ick minen Wunner ſeen, De Kart de kneet de Boter,

"De Hund de wuſch de Scöttel, De Stedermud de feegt dat Huus De Müf de dDragen dad Mult herut Achter unfe Schüne,

Dar Runden twee Kaphäne,

De enn de fchlag den Hawer af, De andre brout dat Beer daraf, De Kukuk up den Tune Berfoop ſik in den Schume

De Hene up den Nefte

Verſoop ſik in de Geſte

De Hane up den Wimen

De (dal bynah beſchwimen.

Wir ſehen aus den beyden wohl nicht vollſtaͤndig erhaltenen Volksliedern den Unterſchied deutlich; fo wenig "der Soldat fein Epercitium in Liedern abfingen mag, fo wenig der Bauer den ruhigen Verlauf feiner Beſchaͤftigungen und das Einzelne feiner Lebensfefte, er möchte nur die Sefinnung des Gefühle darftellen, was ihn dabey anwandelt. Anders aber begehren es höhere Stände, und dieſe haben billige Rechte, und wie können ihnen-diefe Lieder -aufrichtig empfehlen, die manches recht wahr, mandes recht Eräftig ausiprechen ; mancher Einfall ift gut, und Ein Lied (des verlorenen’ Hundes Todtenfeyer) hat wirklich einen rährenden Effect, als 06 es reht von Kerzen gelungen wäre. Wir wuͤnſchen vom Verf. bald mehr zu lefen, vielleicht. gelingt es ihm, einmal alles Höhere abzuſchuͤtteln und gang in der Sefinnung des Volkes zu fingen; in jedem _ Gall iſt es eine angenehme Abwechſelung, fih in bie Eigens thümfichleiten einer andern wenig gefchriebenen Mundart vers feßt zu fehen ; die aber den Dialect in verfchiedenen Gegenden gehört Haben, werden die Werfchiedenheit in demſelben nicht ohne Verwunderung fehen, während die ESchriftiprache des . Hochdeutſchen fih immer mehr feſt ftellt, und von der lebenden Beweglichkeit einer freyen Mundart entfernt.

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310 Alopſtock und feine Freunde von Klamer Schmidt,

Klopstock und seine Freunde. Briefwechsel der Familie Kiop- stock unter sich, und zwischen dieser Familie, Gleim, Schmidt, Fanny , Mcta und andern Freunden. Aus Gleims brieflichem Nachlasse herausgeg. von Klamer Schmidt. Halberstadt, 1810. ım Bureau für Litteratur und Kunst. LXIV und gı4 ©. II. Band 366. 8.

Der erfte der Hier mitgeteilten 176 Briefe ift vom g. May "1750, der lebte vom 5. Febr. 1805. Wie Klopſtock, ber firenge Richter defien, was er geichrieben hatte, der ſelbſt feine 1787 und 1788 entworfene hiftorifche Bruchftüce über den fie benjährigen Krieg, Friedrihs Sclahten und Heldenthaten, in der Kolge den Flammen übergab, die Bekanntmachung bie fer Briefiammlung , wenn er fie erlebt hätte, aufgenommen Haben würde, läßt ſich errathen. Sicher hätte er wenigftend darüber gezärnt, daß die Auswahl nicht firenger gemdcht iſt. Die meilten Briefe des erften Bandes, befonders dic des redfeligen Schmidt, floßen durch. ihren tändelnden, füßen und wigelnden Ton zuruͤck. Selbſt die von Klopfiock find großentheils feines Namens nicht würdig. Die Klopftods Sulgers und Schuftheiß'fhe Beſchreibuug ihrer Schweis zerreife, die mehrere Bogen einnimmt, erinnert lebhaft daran, daß nicht jeder Humor ein Stern e'ſcher ift, und bey dem von ©. 319 bis 331 fortgehenden gevierten Briefe, durch deſſen Veranftaltung Sc midt einen Danf verdient zu haben glaubt, bedauert man, auch den Namen Ramler zu finden. Doch der zweyte Band entfhädige für Die leeren Garben des erften. Schmidt ſchweigt ſeit dem 11. April 1755, die uͤbri⸗ gen Freunde aber haben inzwiſchen das Leben auch von der ernſtern Seite kennen gelernt, und unterhalten ſich nun uͤber mancherley Gegenſtaͤnde fo, daß man fie gern hoͤrt. DBefons ders Liefert Diefer Band von Klopfloc, von feinen beyden Sattinnen und von Gleim mehrere der Aufbewahrung wuͤrt dige Briefe.

Zur Lebensgefchichte des großen Dichters und feiner Freunde fpender zwar die vorliegende Brieffammlung nicht !viel; doch ifl fie nicht aem an mandherley Notizen, wovon hier Einiges folgt.

Bd. I. ©. 55 erfahren wir, daß 19750 Jeruſalem in Braunſchweig Klopftoc bey. fih Haben wollte, Hingegen

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Kopfio und feine Freunde von Klamer Schmidt, 311

Sad, der Mofprediger in Berlin, der Meynung war, daß die Selle nicht für ihm fey, und dagegen einen Plan hatte, dab Ri. zwey Sjahre in Berlin mit Zufriedenheit und als völs liger Herr feiner Stunden leben follte.. Aber noch in dem nämlihen Jahre wurde er (nah) S. ı20) auf Bernſtorffs, der in Paris auf Kiopftod (wie der legte Marfgraf von Ansbah in Rom auf feinen Uz) aufmerkſam gemacht worden war, und Moltke's Empfehlung, von: dem Könige von Dänemark mit einem Gehalte von 400 Thalern ( 100 Thlr. auf S. 127 iſt ohne Zweifel ein Druckfehler), wozu in der

Folge (nah ©. 278) noch andre, Vernänfligungen kamen,

nah Kopenhagen berufen, um die Meifiade gu vollenden. Ruͤhrend iſt &. 132 und an mehrern andern Stellen der Auss druck von Ki. Liebe zu Fanny Schmidt, welde diefe duch kalte Unempfindlichkeit erwiederte. Der Todesgefang, welden Schmidt S. 141 dem Daͤniſchen Könige Regner Lodz brok zufchreißt, Toll vielmehr, der Weberlieferung zufolge, von des Königin Aslauga gedichtet ſeyn. Was S. 194 fg. über Mißbrauch des Wiges und deffen Folgen gefagt iſt, mag, -da

diefe Krankheit immer gewöhnlicher wird, als MWarnungstafel

bier fiehen: „Wie haben Sie doch die Achnlichkeit, die ich gwifchen der Schwierigkeit, einem Mädchen im Arioft, und zwischen der, Ihnen zu trauen, angab, fo ſehr nach dem Wortverftande nehmen könne? Sie wiffen ja, daß man «8 bey einem Einfalle, den der Urheber für witzig hält, eben

nicht übel nehmen muß, wenn etwas zu viel oder zu wenig -

Hefagt if. Warum ſollte man menigftens in einem .Anfalle von Wis nicht eben fo viel Nachſicht fodern können, als in

einem Rauſche, da man in jenem feiner Zunge eben fo wenig.

maͤchtig iſt, als in’ diefem ?_ Es ift mir aber gleichwohl nichts verdrießlicher, als daß ih Sie duch einen Fehler von diefer Art beleidigt babe, vor dem man mich fihon fo oft gewarnt hat. Der Henker hole doch alle Einfälle und alles Traveſtiren! Ins künftige milk ich die Luft gu beyden unter die Landplas sen mit zählen. Ich glaube überhaupt fall, daß von jenem Griechiſchen Spoͤtter an, der fih durch einen Scherz über die Einäugigkeit feines Königs um den Kopf gebracht, bis auf mich, mehr Leute durch den Wis umgelommen find, ale durch

312 Alopſtock und ſeine Freunde von Klamer Schmidt.

den Krieg.“ ©. 255 ſpricht Kl. zum erfienmale von Meta Moller aus Hamburg, die nachher, als Gattin, das Gluͤck feines Lebens machte. S. 2ge Hält der Sänger des Meſſtas feine Beftimmung fih in diefen Worten vor: „Sie war: Vielen die Menichlichkeit desjenigen, der unvergangner Anbes tung und Nahahmung würdig iſt, zu zeigen. - Dein Herz mußte deswegen völlig von dir entwidelt- werden: Wehmuth und TIhränen mußten es ausbilden. And wenn du zugleich hiebey zeigteft, ‚daß die tiefe. Unterwerfung und Anbetung der Vorſicht theurer find, als eine Stäcieligkeit, deren Dauer dir fo unbefannt war, fo ift für dBih Lohn da.“ Der ©. 3ı5 erwähnte Bramine inspird iſt eine. von Lescalter vers faßte Ueberfegung aus dem Englifchen des Buchhaͤndlers Dods⸗ lv. Nah ©. 342 rief Voltaire, da ihm eine Dame die: beften Stellen aus Haller uͤberſetzte, einmal über das andre aus: „Ah que cela est pitoyable!“ Walhalda (richtis ger: Walhalla) bezeichnet nicht, wie &. 396 gefagt wird, die Hölle der Kelten, fondern den Palaft der im Kampfe gefallenen Helden. Die &. 409g geäuferte Vermuthung, daß der Brief N. XLVI. niche in Klopſtock's Hände gekommen ſeyn werde, wird durd die Im nächfifolgenden vorkommenden Beziehungen auf denfelben unwahrſcheinlich.

- 8b. II. S. 105 erzähle RI. eine fchöne Anekdote von dem Enthufiasmus, womit Hamburg's Bürger den liebenswürdigen König Friedrich V. von Dänemark bey feiner Ankunft in ihrer Stadt. empfingen: „Der König, der von Allen aufrich⸗ tig geliebe wird, die ihn fehn, hat, bey feinem Hierſeyn, von Neuem erfahren, wie füß es ift, fo menfchlich gu ſeyn, als er if. Er kam nah Hamburg, tim die vornehmften Straßen der Stade zu befehn. Die Leute drängten fih fo fehr zu ihm, daß feine Garde mehrentheils Hundert und mehr Schritte von ihm entfernt blieb. Die wenigften von diefen Leuten waren feine Unterthanen ; gleichwohl konnte fein Pferd kaum fort. Er mußte oft völlig ſtillhalten. Sein Läufer, ber fih unter den Hals des Pferdes retiriee Hatte, wurde beynahe erftict. Die Leute faßten das Pferd, faften zuweilen gar den Steigs bügel und die Füße des Königs an; fahen ihn unaufhörlich an, riefen ihm unaufhörlich zu: Water! König! Vivat! Hurrah!

Klopfiod und feine Freunde von Klamer Schmidt, 313

Komm bald wieder, Vater! und taufend andre Sachen wurden immer fort gerufen. Der König, der alles ſah, Allen danfte, uud oft denen verbot, die das Volt abhalten wollten, feste feinen Hut beynahe nicht auf; obgleich ein. flarkes Ges witter mit Regen kam.“ S. 169 macht Gleim anf ein Be duͤrfniß unfrer ſchoͤnen Litteratur aufmerffam, welchem bis jeßt noch nicht abgehelfen if: Unſre Deutfhen Haben einen Ad⸗ difon,, der fie mit der Naſe auf die Schönheiten im Mefflas ſtoͤßt, fo nöthig, als die Engländer. Ich las diefe Tage in Addifon ; und im Lefen dacht" ich, wie viel Schönheiten im Meffias wären, die Klopſtock weit über Milton ſetzten“ ©. 284 äußert ſich Rt. über Pindar’s Oden und Grillo's Verdeutſchung derfelden alſo: „Wi Herr Grillo den gans gen Pindar üderfegen? Mic deucht, er follte nur die ſchoͤn⸗ en Oden wählen. Wenn auch Pindar immer fchön wäre, fo it es doch unmdglih, daß er uns für feine Materien fo ins tereffirt, als wir es gewefen ſeyn würden, wenn wir Griechen wären. Herrn Grillo's Weberfekung gefälle mir von vielen Seiten; von andern aber nicht: Er iſt zu getreu und zu Pins darifch in den Beywoͤrtern; und ich wei nicht, ob er dithy⸗ rambiſche Verſe oder Profa Hat mahen wollen. Ich füge Hrn. Grillo ohne Einfleidung meine Meynung, und das kommt daher, weil ich die Ausführung feines Unternehmens wuͤnſche.“ Die elendeften Romane finden ihre Verleger; Grillo konnte, wie &. 380 bemerkt ift, zu feiner Lieberfegung des Pindar, woran er faft ein ganzes Leben gearbeitet hatte, und von wels her auch Hr. Klamer Schmide mit Beyfall ſpricht, kei nen Verleger finden. Nur die Ueberfegung der eilften Olym⸗ pifhen Ode Hi im Goͤttingiſchen Mufenalmanah 1772. &. 208 abgedrudt. Non Mengs kommen ©. 188 folgende Motizen vor: „Er hat Spanien gar nicht lieb; als lein die anfehnliche Penſion, die fechstaufend Thaler ſchwer Geld beträgt, wobey das Logis frey ift, und ihm Mautthiere auf königliche Koften gehalten werden, die Ausſicht, daß die Hälfte diefer Penfion für feine Frau fortdauern wird, wenn er vor ihr ſtirbt, werden ihn ſowohl, als feine Frau, unges achtet le beyde lieber in Rom oder in Dresden wären, bens noch in Madrid erhalten, und es ift gewiß, daß er nirgends

314 Alopſtock und feine Freunde von Kamer Schmidt.

fo viele Bortheile zuſammen haben wird. Dabey bat er bie Freyheit, nody fonft zu malen, was er etwa malen will, die er. vorher nicht hatte, und die ihm nicht wenig einbringt.“ Die ©. ıdg erwähnte Weberfeßung einiger Fragmente aus Honrer von Klopftoc’s Bruder, von weicher Br. Klas mer Schmidt (BL. ı. ©. XLVIII) fagt, daß er in kei nem feiner Handbuͤcher habe finden können, ob und wo jfie gedruckt fey ? ſteht in Pattzke's Wocenichrift: Der Greis, Th. 9. St. 107. und 114. Zwar ift dort der Ueberſetzer nicht angegeben; aber Degen, in feiner Litteratur der Deurfchen Ueberſetzungen der Sriehen, Bd. ı. S. 385 nenne Klops ſtockes Bruder, und citirt dabey: Allg. Deutfhe Biblio thef, Bd. 3. St. 2. (ohne Zweifel die Berliner Kritik, von welcher der Ueberſetzer, im def oben angeführten Stelle, beſtimmte Nachricht zu erhalten wuͤnſchte). S. ı96 und 197 geven Ki. Aeußeruagen Über Gerftenberg'’s Ugolino und über feine eigne Hermanns Schlacht. „Serfienberg har einen Ugolino gemacht, der trefflich, und , mid daͤucht, nicht zu ſchrecklich iſt. Ich habe das kleine Verdienft dabey, ihn aufgemuntere zu haben. Hermanns Schladt, ein Bardier für die Schaubähne, liege auch zum Drucke fer tig. Weil ich mie Ihnen eben fo Ihwage, fe kann ih Ahnen wohl davon Tagen, daß ich fie ein wenig lieb habe, und daß fie ſehr vaterländiich ift, und weil mir's mit diefem Vaterläns diſchen fehr von Herzen gegangen ift, und ich mich daben wer der auf einen kritiſchen Dreyfuß, noch Vierfuß, hinſetzte, und nach Herausbrinqung des viellehrenden Babes: Ein Mationats gedicht intereffirt die Nation, die es angeht! geſchrieben habe; fo denke ich, daß jenes Vaterlaͤndiſche wieder zu Herzen gehen fol.“ In Sräter’s Bragur, Bd. 6. Abth. 2. ©. 23ı war die Frage aufgeworfen: wie es komme, daß Klopftod in folgender Stelle der 1747 gedichteten Ode, Wingolf:

„Willſt du zu Strophen werden, o Haingefang ? Willſt du geſetzlos, Oſſian's Schwungt gleich, Gleich Ullers Tanz auf Meerkryſtalle,

Grey aus der Seele des Dichterd ſchweben ?“

Dffian’s fhon gedenke, von deffen Hederreften doch erſt

Klopſtock und feine Freunde von Klamer Schmidt. 315

Macpherfon die erfien Proben dem Publicum mitgethetlt habe? Hierauf wurde in der Oberdeutſchen Litteraturgeitung 180g. Pr. 149. geantwortet, daß, da von Kl. Oden die erſte Ausgabe erft 1771 herausgelommen, die Stelle in der 1747 gedichteten Dde, wo Oſſian's Name vorkommt, vermuthlich af nach der Erfheinung dee Macpherfoniihen Samms (ung zugefeßt oder umgearbeitet worden fey. Diefe Bermus thung wird nun durch dasjenige beftätigt, was Ki. S. 198 in einem Driefe an Gleim vom 19. Dec. 1767 ſchreibt: „Und meine Oden, bie Sie fonft fo lieb zu haben pflegten, wers den auch bald entweder gedruckt oder in Manufcript zu Ihnen tommen. Wo Mythologie vorkommt, da ift es celtiiche, oder die Mythologie unfrer Vorfahren. Die lange Ode an meine Freunde ift daher, was die Ausbildung anbetrifft, jetzt gang anders. Sie heißt Wingolf (ift der Tempel der Kreunds haft; Sie Haben doch Mallets Auszug aus der Edda ges lefen? ).“ Daß Kl. erfi duch Macpherfon den Kales doniſchen Sänger kennen lernte, läßt fih darans fchließen, . weil er S. 214 Macpherfon den Nitter des Barden Dfftian nennt. Das Honorar, welches Ki. von Hemmerde

in Halle für feine Meiflade erhicht, mar, nah &. a0g, zwölf -

Thaler in Louisd’or für den Bogen, die Einleitung mitgezählt. Kaifer Joſeph beehrte ihn (S. neo) mit einer goldnen, . mit Brillanten umgebenen Medaille. Von Angelifa Kaufs mann ſchreibt Kl. S. ned fg. „Ich bin feit Kurzem in eine Deutſche Malerin in London, Angelika Kaufmann, beys nahe verliebt. Sie hat einen Briefwechfel mit mir angefangen, und will mir ſchicken einen Kopf Oſſians nach ihrer Phantafie, ihre Portrait und ein Gemälde aus dem Meffias. Außer dem allen will fie mich auch in Kupfer ſtechen. Wie ſtark dieſes junge ſchwarzaͤugige Mädchen in der Kunft ii, werden Sie fehen, wenn ich Ahnen fage, daß ihr die Herren Grofibritans nier funfzig Suineen für ein Portrait bezahlen.“ Eben der Brief, von welhen Kl. (S. 2350) an Gleim ſchreibt: Verbrennen Sie diefen, damit er der Gefahr, verlegt zu werden, fchlechterdings nicht ausgelegt fen,“ kommt jebt, durch die Druderpveffe_ vervielfältige, vor die Augen des ganzen

316 Niopflod und ſeine Freunde von Klamer Schmidt,

Deutſch lefenden Püblicums! Um auch den Aerzten etwas aus dieſer Yrieflammlung zum Beten zu geben, ftehe bier, was

‚Ri. S. 238 ſchreibt: Schlagen Sie doc Pfutſch vor, daß

er ihr viel China gibt. Wenn er es gut finder, fo will ich ihm China, und rechte gute, ſchicken. China können Sie auch einnehmen, liebſter Gleim! anftatt Brunnen und andre Traͤnk⸗ fein zu trinten. Ich habe fie, bey Gelegenheit des Fiebers, fo lieb gewonnen, daß ich ihr audy bey allen andern Veran—⸗ laffungen zuſpreche, und mit gutem Erfolge. Ich bin eben fein Einnehmer; alfo laffen Sie fi meine Empfehlung nur im mer empfohlen feyn. Statt der China manchmal Quaſſia und viel Bewegung: dies ift Alte, worauf ich mid im Abſicht auf die Medicin einlaffe:

„Chinare, Quassiare , ensuita ex spatiare: Et dignus, dignus es intrare | In nostro docto corpore !*

S. 266. Kl. Urtheils uͤber Gleims rothes Buch: „Ihr rothes Buch hat mir keine kleine Freude gemacht. Es hat

ſehr viel Neues in Sache und Ausführung ; nur etliche lyriſche

Wiederholungen wuͤnſchte ich heraus, und hier und da eine Peine Härte.“ Wenn der Hr. Herausgeber diefer Briefſamm— (was Rec. von dem gemüthvollen Manne gern glaubt) durd die Bekanntmachung derfelben Niemand beleidigen wollte, laͤßt fich’s nur als eine derjenigen Erfcheinungen, quas aut incuria fudit , Aut humana paruin cavit natura,

erflären, daß er. gleichwohl &. odı in einem Briefe von Gleim an Kt. die Stelle fiehen lieh: „Claudiys ti Matthias Claudius. Ber jolhen Vorfällen kommt man auf den Gedanken, er zwinge fich zu feinem launigen Charaks

ter. Sagen Sie dem Unhold fein Wort mehr darüber * ©.

315 flieht Kt. Urtheil Über Ffuͤger: „Füger in Wien (er ift aber kein Wiener) Hat mir vortrefflihe Zeichnungen zum Meiflas geſchickt. Er iſt leider! unfer größter Maler ; leider, fage ich, weil er meine fehr geliebte Angelika übertrifft.“ (Nachrichten aus Wien zufolge werden jetzt Fuͤg er's Zeich⸗

Klopſtock und feine Freunde von Alamer Schmidt. 317

nungen zur Mefflade, von Leibold für den Grafen von Gries, umd von John für Meermann’s Hollaͤndiſche Ueberſetzung des unfterblichen Gedichts, in Kupfer geflohen.) S. 396. Ki. Aenßerung Aber Netfon: „Ih babe Nelfou kennen gelernt; er ift ohne alle Anfprüche, oder (da ich von ihm rede, muß ih mich anders ausdrüden) er läßt fih nie gu Anfprüchen herunter. Er hat eine vielleicht fehr ſchwer zu malende Heiterkeit, die zuweilen ein wenig lähelnd wird.“ Gleim gibt unterm 3. Auguft 1801 von der Herſtellung fels nes Geſichts ©. 331 folgende Nachricht: „Da ich, feit einks ger Zeit, nicht mehr recht fehen, und weder lefen, nad, ſchrei⸗ ben konnte, fo habe id mir das eine Auge geflern operirem laſſen, nämlich das linke. Mein Gtoßneffe, dar Prof. Himly in Braunſchweig, hat es mir operirt, fo ſchnell, als ſchonend und gluͤcklich! Ich befinde mich, nad. der Operation, ſehr wohl, und wänfche ſehnſuchtsvoll, meinen Klopfto im neuen Lichte. wieder zu fehn, ehe ich ihn im ewi gen umarme. Ich habe, bey der Operation, nur zweymal geſeufzt. aus Langer⸗ weile. Nichte wahr? das Heiß’ ich einen Preußiſchen Grena— dir = Aber am 13. Dec. deffelben Jahre ſchreibt er (S. 858): „Die Hoffnung ift nicht erfüllt. Das mit einem Spieß durchwuͤhlte Auge ſieht noch nichts, als meine noch immer dummen Wedel, das andre nur fo viel, daß ih im Zimmer auf und nieder gehen kann. Seit der Operation hatt? ich feis nen guten Tag, und hundert und drey und dreyßig fchlaflofe Nächte. Mein Zuftand iſt trauriger, als ein Klopſtock ihr befchreiben könnte. Die Langeweile plagt, mich entfeglih. Ju einer Stadt, in welcher drey Lateinifche Schulen find und ein Schulmeiſter⸗ Seminarium, Hab’ ich einen guten Vorleſer auffinden können.“ Der biedre Sänger verlor. nah. und nad fein Gefihe ganz. Am 18. Febr. 1803, 24 Tage vor feines‘ KRlopkod’s Ende, welchem er noch am 24. Januar hatte ſchreiben laffen: „Ih flerbe, lieber Klopſtock! As ein Sterbender ſag' ih: in: diefem Leben haben wir für und mit einander nicht genug gelebt; in jenem wollen wir's nachholen,“

führte der Genius mit der geſenkten Fackel ihn in bie nr zungen des Lichte hinuͤber.

318 Herda von J. ©. Pahl.

Durch die, unter dem Titel: „Etwas über die Freunde und Freundinnen, von denen bier Briefe vorkommen ,“ dem Briefwechſel vorausgeichickten, meift biographifhen, Notizen. und die zur Erläuterung einzelner Stellen der Briefe beyge: fügten Anmerkungen hat der. Hr. Herausgeber ſich Anfpräche auf den Dank der Lefer erworben. Nur Folgendes finden wir bey leßtern zn bemerken: daß, wie ©. 379 gefagt wird, erfl durh Sam. Gotth. Lange’s odaifhe Verfuche die Deutfchen. mit reimiofen Dichtungen befannt worden feyen, ift nicht ohne Einfhränfung richtig 3 Ichon früher machten v. Seckendorf, Bodmer und Gottſched, ja bereits im fechzehnten Jahr⸗ hunderte Fifhart und Gesner, reimloſe Verſe. Der ©. 381 erwähnte Prediger Alberii ſtarb zu Hamburg. Der eigentliche Titel der S. 389 angeführten Lieder, deren Ertrag Gileim für Michaelis Scweftern beflimmte, if: Bl dichte nach den

Erzaͤhlungen und Benäive aus der teutfchen Vorzeit für Sreunde der vaterländifhen Geſchiche. Bon J. ©. Baht. Zweyter Band. Freyburg und Konfanz, in der Herderſchen Bug handlung. 1812. 320 ©. 8 ( Sortfegung der im Jahrg. 1812 No. 73. befindlichen Recenfion. )

Alle dieſe Vorzuͤge, welche Rec. von dem erften Bande dieſes Werks gerühmt hat, gereichen auch dem zweyten zur Empfehlung. Ee wird alfo genug ſeyn, den Inhalt deffelben Türzlicdy anzugeben, der in folgenden Auffägen beſteht: Die Römer und die Germanen. Die im erftn Bande anı gefangene Erzählung der unanfhörlichen Fehden zwifchen dem „größten und maͤchtigſten aller Reiche, welche die Annalen des “menfchlichen Befchlehts ung nennen, dem Reiche, das in der Zeit feiner Bluͤte alle civilifirten Länder der Welt umfafite; dem an militärifcher Bildung und Stärke vielleicht Feines der frühern und der fpätern glich außer dem es einft nir— gends Eine wiflenfchaftlihe Kultur gab, und in dem alles ſich "vereinigt fand, ‚was Genie und Geſchmack hervorzubringen und zu bilden vermochten, das in der Weltgefchichte ewig

Herda von J. ©, Bahl. 319

als einer der großen Mittelpuncte ſteht, aus dem bie Schick⸗ fale der meiften Voͤlker fid entwickeln, oder in dem fie fi ſchließen, das reiher war, als ſonſt irgend eines an bels denmäthigen, patriotiichen, kraftvollen und felbfifiändigen Mäns nern,“ und den „Horden Germaniens, die Gott aus ihren Wildniſſen Hervorgerufen hatte, auf daß fie ſelbſt, und durch ſie die andern Nationen wiedergebohren würden ‚* ift hier bis zum Untergange des en Reichs der Roͤmer fork geführt.

Wie das Reit und das Baus Karls des Grofs fen unterging. „Es waren fo fchließt dieſer Aufiag in dem Gefchlechte der Karolinger die großen Figenfchaften und die Tugenden der Väter erlofhen ; darum mußte es uns tergeben ; und fo wiederholten die Annalen diefes Geſchlechtes diefelbe Lehre, die Überhaupt das Reſultat aller Geſchichte ift, daß, was Geift und Muth geichaffen, nur fo lange beftehe, als Geift und Muth es erhalten!“ Die Stadt Ulm im Sürftenfriege im Jahre 1552. (Eingefandt.) ©. 188, wo die Quellen dieſer Erzählung angeführte find, hat der Setzer aus Schertling Leben einen Schertltosleben gemacht. Nah ©. 149 ließ K. Kart V. unter andern Gna⸗ dendegeugungen, wodurd er feine Zufriedenheit mit der bes währten Treue der Ulmer zu erkennen geben wollte, den Wais fenfnaben in Ulm eine Mahlzeit und ein Bad zubereiten. Die Wallfahrt nah Hohenftaufen Auh Rec. Hat diefe Wallfahrt gemacht, und erinnert fih mit nie erläfchens dem Vergnügen bes jeden Aisdruck Übertreffenden Genuſſes, weichen fie ihm gewährte. Was Herr Pahl in feiner Near tionalchronif der Deutſchen 1805. ©. 88. und: 1806. St. 15. über den Staufen und über Lorch gefagt hat, iſt Hier weiter ausgeführt. Auf eine mit Kraft und Geiſt gefchriehene Einleitung, worin die Verdienſte der edten Fürs fien, die auf dem Staufen vormals ihren Wohnfis hatten, gefenert werden, folgen eine der Natur durchaus getreue Schil⸗ derung der Anficht diefes intereffanten Berge und feiner Ums- gebungen, Notizen von Gruͤat, KHohenrehberg und Hohen⸗ flaufen, ein trefflich ausgeführees Gcmählde der großen und

3% Herde son J. G. Baht.

x

fhönen Ausſicht, die der Gipfel des Staufen beherrfcht, Nach⸗ sichten von der jegt bis auf eine Fleine Ruine verſchwundenen Kaiferburg, die ‚er trug, vom Wäfcherfchlößlein und: vom Buren, vom Klofter Lorch und von feiner fowohl durch die Grabſtaͤtte und Bildniffe fo vieler Prinzen und Prinzeſſinnen aus dem Staufenihen Haufe, als durch die Woͤllwarr'ſche Todtenhalle merkwürdigen Kirche. Das S. 185 erwähnte Bid des ungluͤcklichen Konradin von Schwaben, nebft der Vorfiellung feiner Hinrichtung, iR auch vor dem. zwey⸗ sen Hefte von Preſcher's Alts Sermanien nachgeſtochen. Sprüche und Anekdoten der Alten. Aus Zind gref’s Iharffinnigen, klugen Sprüchen der Deutſchen (Straß burg 1649.) genommen, woraus Herr Wahl ſchon in feiner Mationalchronit der Deutfchen 1803. St. 4a. mehr vere Proben Altdeutſchen Witzes mitgerheilt hatte. Kato und Täfar fanden ’es ihrer nicht unmwürdig, die Apophthegmen berühmter Nömer zu fammeln. Welcher Deutfche würde eine mit Geſchmack bearbeitete Sammlung Deutfcher Spruͤche, wozu es an Materialien feineswegs fehlt, nicht mit Dank ‚aufnehmen? Rudolf von Habſpurg und Ottokar von Böhmen... Enthält eine Schilderung ihrer, Kämpfe gegen einander, und zugleich den Beweis, wie gut Rudolf die Kunft verftand, Mavors Toben durch Hymenaͤus Bande zu befänftigen. Die Grafen von Babenberg Sn diefem Auflage, einem Anhange zu dem vorigen, wird dag Merfwürdigfte aus. der Geſchichte der fräftigfien Männer des feit 1246 erlojhenen, durch greße Gluͤck⸗ und Ungluͤcksfaͤlle denkwuͤrdigen, und durch einen ununterbrochen ſich forterbens den Heldenmuth verherrlichten Gefchlechts der Baben berge zähle. Blicke auf Lindau. Großentheils aus des Verfaſſers Chronit der Deutſchen 1808. St. 21. ger. ‚nommen, mit sinigen Zufägen. Auf dem Titelkupfer iſt die veigende Lage der Stadt dargeſtellt.

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No.,21. Heidelbersifhe - 4813. Jahrbücher der Litteratur.

à' 42 2bù6t

Les Ruines de Port - Royal.des Champs, en 1809, année sé- culaire de la destruction de ce monastere.. Par M. Gre- goire , ancien Ev£que de Blois, Senateur etc. Nouvelle Edition, considerablement augmenide. A Paris, chez Levacher , ‚Libraire etc. 1809. 175 G. $.

Dir Heine Schrift dat eine mehrfahe Wichtigkeit, theils - al8- Zufammenflellung vieler wichtigen Notizen für die Sa (dichte des Streites zwifchen. den SJanfeniften und Molini⸗— fien, eines Streites, welcher zu vielen Ereigniffen unfrer Zeit in bedeutender noch nicht vollkommen gewuͤrdigter Bezie⸗ hung ſteht, theils als Beytrag zu der Kenntniß der jetzigen Lage und Geſinnung der Janſeniſten, endlich als ein merk⸗ wuͤrdiges Denkmahl des frommen und religioſen Sinnes ihres ehrwuͤrbigen Verfaſſers. Wir duͤrfen wohl annehmen, daß dieſelbe Geſinnung, welche hier ausgeſprochen wird, noch jetzt die Geſinnung des größten Theils der Parthey ſey, zu wel⸗ her der Verf. ſich ohne Hehl bekennt., und welche ſich mmer von ihren Gegnern durch Strenge der Grundſaͤtze und Sitten und Pünktlichkeit in Erfüllung der Pflichten der Religion und Andacht‘ auszeichnete, ‘was auch ſelbſt die Gegner nicht abzus leugnen vermochten,, und daher nur als Heucheley und Phari⸗ ſaͤismus verdächtig zu machen fuchten. Wer hatte aber den SJefuiten die‘ Macht verlichen, die im herzen verborgenen Motive der Handlungen zu erforfchen ?

Die Zerftörung des Bernhardinen s Riofters Ports Royal des Champs, welche. der Verf. in Erinnerung bringt, war allein die Wirkung. des Partheyhaffes ‚der Jeſuiten. Diefed Tonnen: Kiofter im Jahr 1204 in einem. ſchoͤnen Thal, drey Myriameter von Paris, Ein Myriameter von Verſailles und ein halbes Myriameter, von Chevreuſe gegruͤndet, zeichnete ſich zu der Zeit der au des Dass Streits, waͤh⸗

322 Lesruines d. Port-Royal d, Champs p.M. Gregoire.

rend das in der Haupiſtadt, in der Vorſtadt St. Jaques im J. 1605 gegründete Mönnen s Kiofter Ports Royal (im Segenfaß gegen das erftere, Port- Royal de Paris genannt) gu ber foren und bequemen Srundfägen der Franzoͤſiſchen Jeſui⸗ ten fid) bekannte, durch feine Strenge aus. Die gelehrten Männer, welche in einer abgefonderten Wohnung, les Gran- ges genannt, In der Mähe des erſtern Kiofterd wohnten, vom denfelden "Srundfägen der Strenge befeelt, ein Pascal, Sacy, Dufoffe, Hamon, Nicole und andre widmeten ſich in der Zus ruͤckgezogenheit emfig den Studien, und erwarben fih durch ihre Schriften, befonders duch Ihre Buͤcher "für den linters. richt der Jugend, Werdienfte, welche nur Neid und Mißgunſt zu fhmälern wagen können. Die wichtigften und verdichteften Männer Frankreichs, wie ein, Boileau Despreaur und viele andere zählten fich Öffentlich zu ihren Freunden, und der Tras giker Racine ſchrieb ſelbſt die Geſchichte dieſes Kiofters, welche außer ihm von zehn ⸗oder eilf Geſchichtſchreibern, unter ihnen auch von Mademoiſelle Poulain, bearbeitet worden iſt. Dieſes große Anfehn von Ports Royal, verbunden mit der Anhänge

lichkeit der Ports Royaliften an den Lehren des SJanfeniug,

war fchon hinreichend, um die Segenparthey zu fanatifcher Zerftörungsteuch zu reisen. Der Polizey s Eieutenant d'Argen⸗ fon, sifriger Freund der Sefuiten, erhielt den ‚Aufträg , die Nahe an den unglücklichen ſchwachen Nonnen von Port : Royal zu uͤben, welhe, fo lange die Geſchichte nicht verfiummt, das Andenken der Sefuitifchen Parthey jener Zeit verunehren wird.

Mit dreyhundert Mann zog d’Argenfon in der Naht vom SB, auf den 29. Oct. 1709 aus Paris aus, und ſchloß das

Kloſter ein, wo niemand als 29 meiftens alte und gebrechliche

Nonnen fih fanden, nur zur Unterwerfung unter die Gewalt - geruͤſtet. Jene Anſtalten ſollten nur dazu dienen, um bey dem

Publikum dieſe tyranniſche Maßregel durch den Schein einer

Emwoͤrung im Kloſter zu entſchuldigen. Während der Terze,

welche die Monnen unter dem Geber für fih und ihre Werfols

ger feyerten, wurden fle von dem Chor ihrer Kirche, hinweg⸗

geriſſen, indem man ihnen kaum Zeit ließ, das mindefte mie

fi zu nehmen, wiewohl fie ſich ohne Murren in ihr Schickſal

fuͤgten. Getrennt wurden ſie in verſchiedene Städte und Klös

Les ruines d. Port-Royal d.Champs p.M. Gregoire; 323

fter verwiefen, und feldft bis in den Tod von der Wuth ihrer Feinde verfolgt: Der Biſchof Berthier von Blois z. B. vers ſagte der Priorin, welche in feine Stadt verwieſen war, Die Sacramente und das Fatholifche Begraͤbniß, weil fie fih weis gerse durch die Unterſchrift einer Erklärung den Grundſaͤtzen au entfagen, melche ihe Gewiſſen für. die richtigen erkannte, Am folgenden Jahre 1710 wurden die Kloftergebäude mit eis ner Wuth zerftört, die nur gegen eine rebelliſche Stadt oder einen verruchten Ort hätte angewandt werden mögen, und die ncch Borhandenen Einkünfte dem leichtfinnigen Kloſter Port: Royal in Daris geſchenkt. Mit vieler Wärme fchildert der ehrwuͤrdige Verf. die Frömmigkeit der Nonnen und die ächte chriſtliche Sefinnung , fo wie die litteraͤriſchen Verdienſte der Gelehrten von Ports Royal, umd vertheidigt fie gegen ihre Verlaͤumder, doch ohne den heftigen und erbitterten Ton zu billigen, melden auch die Dort» Noyaliften hernach, „Öefonders in den Nouvelles ecclesiastiques, gegen ihre Vaffolger führten. Niemand, zu welcher Parthey er fih auch bekennen möge, wird ohne Ruͤhrung das legte Eapitel lefen, welches: Sentt- ments religieux que doit inspirer l’Annde seculaire de la destruction de Port-Royal des Champs, uͤberſchrieben ift. Es wird feine Wirkung nicht verfehlen, befonders auf die frommen Gemuͤther derer, welche, mie hier erzähle wird, Haus fig nach dem Thal von Ports Royal wallfahrten, um über diefen Trümmern, gleich wie die Kinder Israels Über den Stuinen von Jeruſalem, zu weinen, einige Geſaͤnge an dem Orte, welcher die Wuͤſte genannt wird, zu fingen, und da, wo die Kirche ehemals ſtand, zu beten und ein Mittagsmahl Wir ſetzen den Schluß des Werkes hierher: En adressant des voeux à l’Eternel, qui pourrait oublier les desastres d’une Eglise autrefois le modèle de la chre« tiente! Ont-ils’ donc conjure sa ruine, ces pasteurs qui, sourds à la voix de la piete et de la patrie, perpetuent les divisions ? sont-ils dans les decrets du ciel, les cou- pables instrumens de sa vengeance ?. Un. grand. homme nous avertit que la. religion, voyageuse sur la terre, ne demande que la libert du passage. : Des. contrdes, elle fur’ jadis forissante , sont couvertes actuellement des

324 Primiſer's Denkmaͤhler der Kirche z. b. Kreuz in Innsbr.

tendbres de lerreur et de l’infidelite. Quel que soit le sort que nous reserve la justice olı la misericorde divine, zestons inviolablement unis à cette église catholique, qui,

. travezsant les äges, eleve sa tête radieuse au milieu des

sectes quelle voit successivement s’@lever, s écrouler au- tour d’elle, et qui, appuyee sur les promesses .de son divin fondateur, marche & la consommation des sitcles.“

Denkmaͤhler der Kunſt und des Alterthums in der Kirche zum heiligen Kreuz gu Innsbruck. Innsbruck, in der Wagnerfchen Buchhants ‚lung 1812. X uhd 108 ©. 8. (Mit 26 Kupferſtichen) i Diefe Heine intereffante Schrift, als deren Verfaſſer Herr

Dr. Gottfried Primiſſer zu Innsbruck ( bekannt durch

mehre fleißige Beyträge zu dem Tiroler Summer) ſich unter

der Vorrede m nepnt, ſoll der Anfang einer Befhreibung aller

Denfwärdigkeiten der Stade Innsbruck und ihrer Umgebungen

feyn, melde die Wagnerſche Buchhandlung daſelbſt nad und

nad In der Form von Almanachen herauszugeben denkt. Sie iſt in fünf Abſchnitte getheile, wovon der erfle einen Abriß von der Geſchichte der Kreuzkirche zu Innsbruck gibt, der zweyte und dritte die Beichreibung des Denkmahls von Marimilianl. ' enthalten, der vierte, von andern Merkwürdigkeiten der Kirche Cdem Alterblate von Auerbah von Wien‘, dem Grabmahl der

Graͤfin Honorata Piccolomini u. |. w.), endlich der fünfte von der fildernen Kapelle handelt, welche von dem Erzherzog

Ferdinand, dem zweyten Sohn des Kaiferd_Ferdinand I. er bauet und mit der Kreuzkirche verbunden, ihren Namen von einem filbernen Bilde der Mutter Gottes empfangen bat, und - die. Grabmaͤhler ihres Stifters und feiner Gemahlin, Philips pine Welſer, enthält. Zünf merkwürdige Beylagen find „zuge geben. Das äußert bedeutende Denkmahl Marimilians I. in dee Krenzkirche zu Innsbruck ift den Gelehrten zwar ſchon

durch die Monumenta austriaca bekannt, aber es verdiente . auch der Kenntniß und Aufmerkfamteit des größern Publikums

noch mehr empfohlen zu werden, ale es. dur, die wenigen Reiſenden geſchehen konnte, weiche feiner erwähnen. Die Kirche, jo wie jenes Denkmahl, iſt eine Stiftung des Kaiſers Ferdi

vrimiſſer Denkmaͤhler der Kirche z. p. Krems in Innsbr. 325

nand I. ; diefer erfüllte damit einen Plan feines Worfahren, welcher fich ſelbſt in den letzten Jahren feines Lebens mit der Errichtung feines Grabmahls zu Innsbruck befchäftigte, und mehrere der Statuen gießen ließ, melde jegt das Grabmahl zieren. Sein Leihnam wurde daher nur vorläufig zu Deus ſtadt beygeſetzt, und follte nach feinem Wunſche, fobald das Innsbrucker Grabmahl vollendet wäre, dahin gebracht werden. Diefee Wunſch des Kaifers wurde nicht erfüht, und das ſchoͤne Innsbrucker Grabmahl blieb nur Kenotaphion. Das Monus ment erhebt ſich in der Mitte der Kirche auf drey Stufen von roth und weiß gefprengtem Marmor, 6 Fuß 2 Zoll in ber Höhe, ı3 Fuß in der Länge und 7 Fuß 3 Zoll in der Breite. Die oberſte der -drey Stufen des Podiums oder der Baſis ziert eine Einfafung von Metall, Waffen aller Art und Trophäen darftellend. Die Decke oder der Aufiab des Grabmahls befteht aus drey Abftufungen aus. vieffärbigem Marmor, 2 Fuß 2 Zoll hoch. Oben knieet Marimiltan in betender Stellung und vollem Laiferlichen Ornat. Diefe f[höne Statue von Erz wurde dur) Ludwig dei Duca gegoſſen, welcher für feine Arbeit eine Belohnung von 450 Kronen erhielt. An den vier Eden der mittleen Stufe figen die Senien der vier Carbinaltugenden. Die vier Seiten des Maufoleums werden duch ſechszehn Pfeis ler von feinem ſchwarzen Marmor in Felder getheile, welche in doppelter Neihe, iacht Marmortafein an jeder ſder beyden langen Seiten und vier an jeder der beyden kurzen, zuſammen vier und zwanzig Marmortafeln enthalten. Auf diefen find in halberhobener Arbeit die merkwuͤrdigſten kriegerifhen Thaten, bie erfie Vermählung und die Krönung des Kaiſers Maris milian und verfchtedene andre wichtige Ereigniffe in dem

Defterreichifchen Baufe zur Zeit Maximilians dargeftelt. Merks . '

mirdig find auf diefen Darftellungen die Achnlichkeit der Ges fihtsgüge des Kaifers und. die Bezeichnung der verfhiedenen Abs Rufungen feines Alters. Ein Theil diefer Darſtellungen ift zufolge der Behauptung des Freyherrn Sof. v. Ceschi in feiner hands ſchriftl. Befchreibung von Innsbruck (1776), welche von Heren Pr. benutzt wurde, der Marimilianifchen Ehren s und Triumphpforte nachgebildet, welche von Albrecht Dürer anges fangen und von Hanns Birkmair fortgefcht, niemals vollſtaͤn⸗

326 Brimiſer's Denkmähler der Kirche 3. h. Kreuz in Junsbr.

dig zur Kennmiß des Publikums gekommen if. Es werden im Auhange zu diefer Schrift die Infchriften der Marmortafeln mit den Vorſchriften zu diefen Darftellungen in Lateinifcher Sprache mitgetheitt, in welchen Einmal die porta honoris qus⸗ druͤcklich genannt, viermal darauf mit den Worten: „maneat pictura antiqua,® verwiefen wird. Vier diefer Tafeln find durch die Brüder Bernhard und Arnold Abel, Bild— Baner aus Coͤlln am Rhein, verfertige, die übrigen und vors züglihern duch Alerander Colin von Meheln. Das Sanze wurde nach einer von dem letztern Künftlee eingehaues nen Snfchrift im J. 1566 vollendet. Die beyden erflern Kuͤnſt⸗ ler, welhe vom 3. 1561 bis 1563 zu Innsbruck arbeiteten, erhielten contractmäßig für die Arbeit einer jeden Tafel a4o Pfund Pfenninge oder fo viele Gulden, die Unkoſten für die Herbeyſchaffung des Marmors und alle uͤbrigen Beduͤrfniſſe mußten vom Kaifer beftritien werden. Da dee Marmor des Thales Ridnaun im Landgerichte Sterzing theild wegen der Zarbe, theild wegen der geringern Feinheit des Korus zur Bearbeitung der Tafeln nicht tauglich gefunden wurde, fo reiss sen die Brüder Abel auf Befehl des Kaifers felbft nach) Genua, und holten daher den für alle 24 Tafeln erforderlichen carras rifhen Marmor, wovon die Koften auf 958 Gulden fih bes liefen. Zu allen gröbern Arbeiten, ats Geflmfen, Kapitälen, ‚Stufen u. f. w. wurde aber Sterzinger Marmor genommen, wovon der Wiener Centner etwas mehr als 2o Kreuzer koſtete. Don dem Kuͤnſtler Alerander Eolin, der am ı7. Aug. 1612 ftarb, und feiner Familie, fo wie auch von feinem, Grabmahi zu Innsbruck, wird eing genaue Nachricht gegeben. Die Zeich⸗ nungen zu den Grabbildern wurden durch einen Maler zu - Drag verfertige, über deffen Saͤumigkeit ſich Colin in einem im Anhange mitgetheilten Schreiben an die Landesregierung beklagt. Da der Name dieſes Malers nicht genannt wird, ſo bringt der Verf. in einer Anmerkung in Erinnerung, daß um diefe Seit Jakob Seiſſenegger, K. Ferdinands I. Hofmaler, lebte. Aus dieſem Schreiben, fo wie aus einem andern ebens falls hier mitgetheilten Briefe geht hervor, daß niche Colin allein die Basreliefs ausarbeitete, fondern die Arbeiten großens theils unter feiner Auffihe von Gefellen, welche er anf feine

primiſer's Denfmäher der Kirche 4. 5. Kreut in Inntbr. 327

Koften aus den Niederlanden mitgebracht hatte, verrichten ließ. Eine große Merkwärdigkeit diefes Grabmahls find noch die 28 foloffalen Statuen von Bronze, welhe in zwey Neihen nach der Länge des Schiffs der Kirche das Grab des Kaifers ungeben, und theils Heroen des Mittelalters ( König Artus, König Chlodwig, den Dftgothen Theodorich, Gottfried von Bouillon), meiftens aber Ahnen und Verwandte des Kaifers Maximilian darftellen. Aus einem Verzeichniſſe, weldes uns we Lit. D. im Anhange abgedruckt iſt, erfieht man, daß 37 Statuen das Srabmahl zieren follten. Von den neun fehlens den Statuen wurden fünf gar nicht gegoflen, von einer fcheint es bloß bey der Form geblieben zu feyn, drey andere, welche wirklich vollendet wurden, find verloren oder wieder einges ſchmolzen worden. In eben diefem Entwurfe wird dem Kats fer vorgefchlagen, die Namen eines Theils der Statuen zu Ans dern. So fol 5. ©. Gottfried von Bouillon in Albertum militem Ducem Austrie patruum, Dietrih von Lern in Albertum Ducem Austrie, Propatrui filium umgetauft ivers den, was aber von dem Kaifer Ferdinand nicht genehmigt zu feyn fheint. Auch die vorhandenen Statuen find nicht: gan vollftändig ; denn es fehlen vielen der maͤnnlichen Bilder die Schilder mit den Wappen; den weiblichen die Kerzen. Alles diefes foll nach einer Nachricht des Herrn von Ceschi nebſt eis nigen Piedeſtalen und. Schwertern zuerk in das Franciscaners Kloſter von der Krenzkirche, und nach deffen Aufhebung in das Schloß Amras, wo fie vwielleihe noch fih finden, gebracht worden feyn. Sie find der Sage nad von Gregorn Loͤff⸗ ler gegoffen, nad der Behauptung des Herrn von Kescht - aber gehören einige wenige den Stuͤckgießern Lendenftreich . und. den beyden Brüdern Godl ( Stephan und Melchior) an. Dos. ganze Monument iſt von einem durch einen Bdohmiſchen Schloſſer ſehr fünftlich .gearbeiteten eifernen Gitter umfchloffen, ran welchem, die Wappen alter Reiche und Länder , die Mar in -feinem Titel geführt, an der Zahl 36, fich finden. Richt ohne Verdienft find aud die a3 Kleinen aus Erz gegoffenen Sta⸗ men, welche vorn am Chor der Kirche Über drey Schwibbo⸗ gen oder dem. Hauptgeſimſe in einer Linie ſtehend von der Höhe auf des Katſere Grab herabſe hen, und Heilige maͤnnti⸗

Li

328 Primiffer s Denlmaͤbler d. irche 3. b. Kreun in Junebr.

chen und weiblichen Geſchlechts von koͤniglichem, herzoglichem und graͤflichem Stamm, meiſtens Oeſterreichiſcher Verwandt⸗ ſchaft, darſtellen. Die Nachrichten, welche auch uͤber die oben genannter Gießkuͤnſtter gegeben worden, ſind des Dankes werth. Da die Brüder Godl, Bildgieſer zu Muͤlein, wie es ſcheint,

Fremde waren, ſo ſoll Stephan Godl nach dem Befehl des fuͤr die

-

Fortbildung feiner Untsrthanen in deu Kuͤnſten ernſilich bes dachten K. Ferdinand, damals noch Erzherzog, als ihm im Jahr 1529 fein Dienftgeld um &o fl, gebeffere wird: „vns vnnd fonnfb niemands, mit feiner kunſt und arbait gewertig

ſein, vnnd fein Werkftatt mit gueten knechten vnnd Juͤngern

verſehen, vnnd inſonders Jünger aufnemmen vnnd halten, die vnnſers Lands der Grafſchaft Tirol ſein, vnnd dieſelben das Hanndwerch der Rotſchmiederey trewlich lernen vnnd vnnder

weiſen.“

So ſehr der verdienſtliche Fleiß des Herrn Dr. Primiffer in diefer Beſchreibung gu loben ift, fo vielen Tadel verdienen die ungeſchickten Hände, welche Außerft .fchlecht und elend Die

. bepliegenden Kupfertafeln geägt baden, Wenn uns nicht bie ‚in der Jconologia Austriaca mitgetheilten 17 Figuren von

den erwähnten 24 koloſſalen Statuen und die in der Taphor

graphia Austriaca befindlichen Abbildungen der Basıelifs mit Achtung und Ehrfurcht für das befchriebene Monument erfüllt

hätten, fo würden bie hier gegebenen Abbiltungen die entge gengefegte Wirkung hervorgebracht haben. Die Verlagshand⸗ fung würde beffer chun, den Fortfeßungen keine Abbildungen hinzufügen, ale fie durch ſolche Zerrbilder zu verunftalten.

Bruckſtuͤcke einer Geſchaͤftsreiſe * Schleſien, unternommen in den

Jahren 1810, 11, 12, von .Joh. Guſtav Buͤſching, koͤnigl. Archivar zu Bredfan. . em: Band, mit einem Anhange, morin vermifchte Auffape, Schlefien betreffend. Breslau, bey Wilhelm Gottl. Korn, 1813. (8 ©. Titel, Vorrede u ns haftöverzeichniß. unpaginirt. ) —533 S. 8

Das Werk enthaͤlt vornehmlich die: Refuftate der letzten

Reiſe, welche der Verf. unternahm, um die Bibliotheken und

Archive der aufgehobenen Schleſi ſchen Kloͤſter zu unterſucher,

Bruchtuͤcke · einer Geſchaͤftsreiſe d. Schlefien v. Buͤſchiag. 329

und aus ihnen auszuwaͤhlen, was für die Centralanſtalten im Breslau wichtig und nuͤtzlich ſeyn konnte. Zugleih wurde auch auf die Ueberbleibſel der Kunft NRüdfihte genommen, und 0ds ſchon in keinem Lande die Kunſtwerke durch Brand, Krieg und Fanatismus fo häufige 'vflörung getroffen hat, als in Sälefien, fo wurde gleihwohl, wie der im Anhang mitges theilte zum Theil fchon dur Fr. Schlegeld Deutſches Mufeum befannte Aufſatz uns belehrt, weine nicht unbedeutende Anzahl von alten auf Holz und Goldgrund gemahften Gemälden, eis tige felbft aus dem 14. Jahrhundert, zufammengebracdt ; die meiften vorgefundenen Gemälde waren aber von Willmann, der im J. 1630 zu Königsberg in Preußen geboren, fich nach Rembrandt und Nubens gebildet hatte und nad) dem J. 1660 . fh in Breslau niederließ, oder aus feiner Schule; von Will⸗ mannfchen Gemälden find über 150 zufargmengebracht worden. Wir wänfchen, daß der Verf. die angefangenen Unterfuchuns gen über die Schleſiſche Kunft und Schleſiſche Künftler weiter verfolgen möge. Außerdem enthält diefe Neifebeichreibung nicht bloß Nachrichten von den Bibliothefen und Archiven, von weichen menige eine fehr bedeutende Ausbeute gaben,. fondern außer Befchreibungen von merkwürdigen Gegenden , welche der Derf. bevein’ce, allerley Nachrichten Aber in Schlefien aufbewahrte alte Sagen, Legenden und überhaupt alles, was fich auf die Vorzeit bezieht, wie es fich von dem Kifer des Verf. für das Deutſche Alters thum erwarten laͤßt. Auch einige merkwuͤrdige Urkunden werden mitgetheilt, unter. andern eine Urkunde des Herzogs von Wallen⸗ ſtein mit deffen eigner hier abgebildeter Unterſchrift. Miemand wird ohne Vergnügen die Beſchreibung des Zobtenberges bey Dreslau und das intereffante Journal von der erften Reife des Verf. auf die Echneefoppe und zu den Quellen der Elbe leſen. Ein Auszug aus diefem Werke würde bey den vielen einzelnen . zerſtreuten Motigen, die Wichtigkeit feines Inhaltes nur uns volltommen darftellen, und iſt ohmehin nicht nöthig bey einem Werke, das mir zu weit verbreiteter Kenntnißnahme gu empfehlen wünfhen. Darum möge hier nur noch ‚bemerkt werden, daß in dem Anhange eine fehr forgfältige litteräs riſche und bibliographiſche Nachricht Über die Legenden der heit. Hedwig, beſonders über eine noch unbekannte Deutſche Hands

\

330 Idunna u. Hermode und Odina u. Teutona v. Graͤter.

ſchriſt des Lebens dieſer Heiligen mit Federzeichnungen (von wel⸗ chen ein Theil ganz mit der beruͤhmten Hedwigstafel in der Kirche St. Bernhardi zu Breslau uͤbereinſtimmt), und ein Lobſpruch der weitberuͤhmten kaiſerlichen und koͤniglichen Haupt⸗ ſtadt Breslau in Schleſien von > m ſonſt unbekannten Elias Freudenberg (gefeentem Meiſter des Deutſchen Meiſtergeſanges und Liebhaber der Deutſchen Poeterey), in ndo Verſen, ſich bes finden. Diefer Lobſpruch ift in einem naiven Handwerksbur—

ſchenton, alfo zwar nicht von hohem poetifchen Werth, welchen Hr. ©. ihm auch nicht beymißt, aber doch als Denkmahl feis

ner Zeit merkwürdig. Mon Handfchriften für die Altdeutſche

Litteratue boten die Schleſiſchen Bibliotheken fonft nichts dar,

als eine unvollländige Handichrift des Wilhelm von Defters reich, welche in der Bibliothek der Ritterakademie zu Liegnit an wurde (©. 409).

—— und Hermode. Eine ER Senne von |

D. Graͤter. Erfter Jahrgang, Yredlau, gedruckt und im Derlage der Stadt » und Univerfirätd : Yucdruderep bey Graf und Barth. 1812, 52 Nummern, ohne den aud 23 ‚Nummern beftehenden Anzeiger. Mit Kupfern, Holzſchnitten, Mufi Ebepin gen und zwey Regiftern.

Ddina und Teutona. Ein neued Kiterarifched Magazin der teutfchen und nordifchen Vorzeit. Von 8. D. Bräter. Erſter Band. Bredlau, 1812. bep Carl Friedrich Barth. Mit einer den Chor vorſtellenden Titelvignette.

Auch mit den Titein:

Braga und Hermode loder neues Magazin für die vaterlaͤndiſchen Ap

terthuͤmer der Sprache, Kunſt und Sitten. Heraudgegeben von F. D. Gräter. Sünfter Band. Und

Bragur. Ein literarifched Magazin der Teutfhen und Nordifchen Vor⸗ zeit. Herausgegeben von F. D. Graͤter. Achter Band,

Mach einer von allen Freunden der Deutſchen und Moers difhen Alterthumskunde beklagten Paufe von zehn Jahren kehrt Hr. Rector und Prof. Graͤter, um feine eignen Worte zu brauchen, „in die Gefilde unfrer Götter und Helden, uns feree Ahnen aus der Ritterzeit und den denkwuͤrdigen Jahr⸗

Idunna m. Hermode and Odina n. Tentona v. Graͤter. 331

Hunderten der Erfindung der Buchdruckerkunſt, der Kirchen⸗ verbefferung und der ihr gefolgren mächtigen - Kämpfe“ zuruͤck. Im Sept. ıBıı fündigte er eine eigene Alterthumszeitung an, unter dem Namen Idunna und Hermode, wovon woͤchentlich vor der Hand ein halber Bogen erſcheinen und deren Beſtim⸗ mung fepn follte, nicht allein die auf das Fach der Deutſchen und Mordifchen Vorzeit fich beziehenden Nachrichten und Neuig⸗ keiten, nebft ausführlichen Krititen der in demfelben feit dem ‚Anfange des neungehnten Jahrhunderts erfchienenen Schriften, zu liefern, fondern audy die Anfihten des Hrn. Herausgebers in Betreff des Prachtwerts über die Nordiſche Mythologie, welches er, in Verbindung mie trefflihen Känfttern, erfcheinen zu laffen willens ift, fo mie die Auffoderungen an Känitler, den merkwuͤrdigſten Theil des Briefwechſels mit ihnen, und die Schilderung der gu der Ausführung oder den Umgebungen ihrer Darftellungen erfoderlihen Sitten, Gewohnheits s und Runftalterehämer minutheilen. Kaum waren von bdiefer Zeis tung die erfien Stücde in den Händen des Publitums, ale Hr. Graͤter nod ein zweytes Merk für das Deutiche und Mors diſche Alterthum ankuͤndigte. Eine Fortfeßung feines mit all gemeinem Beyfall aufgenommenen litterarifihen Magazins der Deutſchen und Nordifchen Vorzeit, welches feinen erfien Nas men Bragur in der Folge mit Braga und Hermode vertaufchte, folte , unter dem Titel Ddina und Tentona, nad) einem vers - Anderten Plane 'erfcheinen, und abwechfelnd in Nordiſcher u Altdeutſcher Litteratur theils in noch nicht urbar gemachten Geldern der Vorzeit die erften Schritte in Deutfchland zu ihrer ‚Bearbeitung thun, theils zerſtreut und einzeln gedrudte Auf fäße, die eine gleiche oder ähnliche Abſicht haben, fammeln, in jedem Bande eine zuvor nie gedruckte, und für die Littes ratur und Sprache wichtige Handſchrift zuerſt vollländig bes kannt machen, und zuleßt, wo es Zeit und Raum geſtatten, theils die in Bragur noch nicht vollendeten Aufiäße ergänzen, theils duch antikritifche Nachholungen die Angriffe auf den einen und den andern entiweder abmweifen, oder doch beleuchten. Wir haben nun den vollftändigen erften Jahrgang von Idunna und Kermode und den erfien Band von Ddina und Teutona vor ung liegen, und können nah diefen Proben vers

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a re ggg EEE ———— J

332 ounma u. Hermode und Odin u. Teutona v. Graͤter. ſichern, daß Herr Rector Graͤter ſein gegebenes Wort mit

Ehren gelöj't Hat, Wie reich an intereſſanten Aufſaͤtzen beyde

Werke find, wird eine kurze ueberſi cht der wichtigſten unter

denſelben bewähren.

In Idunna und Hermode rechnen wir gleich anfangs dahin die durch mehrere Stuͤcke fortlaufende Vorleſung des Hrn. Her⸗ ausgebers über die Koͤnigsreiſe der Barden und Skalden, mit den von ihm gedichteten Choͤren der Barden vor der Her—⸗ mannsfchlacht, die an Vegeifterung Klopſtockis Schöpfungen gleichſtehn, an Kunft fie uͤbertreffen. Ein fehr Ihägbarer Arı tikel,, gleihfallg von Hrn. Gr. herrährend, find.der Altdeut⸗

ſche chrifilihe Almanad) auf das Jahr 1819. und der von ihm |

erklärte chriſtliche Runenkalender, fo wie er auf fieben in dem Diaturalienkabinette des Waifenhaufes zu Halle an der Saale -

- aufbewahrten buchenen Stäben eingefchnitten it, indem an

jenen, neben den mancherley Wenennungen der Monate und Wochentage, den Heiligens und chriftlichen Fefttagen und dem Deutſchen Ciſioian, ein mit forgfältiger Mühe zufammenge tragenes Verzeichniß der chriftlihen Volksfeſte und Gebraͤuche, des Deutſchen Volksaberglaubens und der von den Deutſchen

Volksfeſten eines jeden Monats handelnden Schriften und Auft

ſaͤtzen ſich anreiht. Voll intereſſanter Notizen ſind die Send⸗ ſchreiben uͤber die Alterthuͤmlichkeiten der Schleſiſchen Kloͤſter, worin Hr. Heinze, Mitarbeiter an der Centralbibliothek zu Breslau (der naͤmliche, der and) in der Beſorgung dieſer Zeir. tuna Ken. Graͤter fo thätig unterſtuͤtzt), von den alterthämlis chen. Entdeckungen und Merfwürdiafeiten feiner mit Hrn. D.

Buͤſching gemachten Neife durch die aufgehobenen Kiöfter Nie derſchleſiens ausführfihe Kunde gibt, und welche ducch den

'gangen Jahrgang fortlaufen. Die Actenftüde, das Prachtwerk über die Nordiſche Görterichre betreffend, enthalten Hrn. Gr. Aufruf an. die Meifter der bildenden Kunft im Ins und Aus lande, die Mordifche Mythologie in einer Reihe meifterhafter

Darſtellungen der Machwelt zu Überlicfern, mit dem Verzeich⸗

nifje der darzuſtellenden Scenen und Charaktere, und Auszüge

aus dem Briefwechſel Über die Darfiellung der Mordifcen

Sottheit. Eine Probe einer noch unbefannten Deutſchen Webers

ſetzung der Pfalmen. aus dem Karolingifchen Zeitalter, die von

Anna 1. Hermode und Odina u. Tehtona v. Öräter, 333

ber etwa gleichzeitigen Morkerfihen Ueberſetzung und Lmfchreis bung gänzlich verfchieden ift, hat Hr. Prof. v. d. Hagen, dee fie von Hrn. Legationsrath v. Dies in Berlin zur des fonntmahung in dieſer Zeitung erhalten hatte, mitgetheilt Hrn. Sr. Ueberſetzungen des Liedes von dem Zinnifhen Koͤ⸗ nigsfohne Wölunder und des Grotta⸗Sangs erregen zwey—⸗ fohes Intereſſe in einer Periode, in weicher fo viele würdige Gelehrte die Edda zum Gegenſtande ihrer Befchäftigung ers tohren Haben. Hr. Prof, Preicher gibt eine Abbildung und Erflärung der Schrifizeihen an dem alten Roͤtherthurm im Roththale der Srafihaft Limpurg, die er für Etruskiſche hält, und worüber er fih nachher, in’ feinem Altgermanien, 5. 1. ©. 5— 44 noch ausführlicher geäußert hat. Die Supplique der gemeinen Frauen im Tochterhaus zu Nürnberg Anno 1498 beweif’e zwar allerdings, was fie beweifen fol; daß es näms ih auch im alten Deutfchland privilegirte Bordelle gab. ‚Aber auch noch früher und an andern Drten, außer Nürnberg, eriftivten dergleichen. Sie wurden Öfter& fogar zu Lehen ges geben, wie 5. B. von dem Bifchofe von. Wuͤrzburg den ges fürfteten Grafen von Kenneberg, und ſchon 1440: befchwerte fi) der Erzbiſchof Dieterih-von Mainz über die Bürger zu Mainz, daß. fie ihm Abbruch gethan am geiftlichen und welt lichen Rechten an den ehelichen und auch denen gemeis nen Frauen und Töchtern an der Bulerey. Mon fehe Knorre’s rechtl. Abhandlungen und Gutachten, &. 108. Für Sprachforſcher und. Litteratoren find das Frenkisgaz Morgans - Lioth, das auch durch Schönheie und Fülle der Gedanken ſich auszeichnet, die Nachricht von. alten bibliſchen Gloſſarien, v. d. Hagen's Konjectur Über den Verfaſſer des Nibelungen⸗ Liedes und Docen über eine Sammlung alter Gedichte, fo wie für die Sittengefchichte des Mittelalters. der Bund der Trinker, merkwürdig. Auch Haug's gluͤckliche Nahbidungen mehrerer lieblichen Dichtungen des Mittelalters verdienen eine ruͤhmliche Erwähnung. Der Anzeiger, wovon im Jahr 1819 23 Nummern erfchienen find enthält eine Menge intereſſanter Notizen und. Anfragen.

Der erfie Band von Ddina und Tentona gibt, unter den fünf Rubriken; Dichtungen, Unterſuchungen und litterariſche

334 Jdunna u, Hermode und Odina m. Teutona v. Bräter,

- Anfiäße , Sammlung und genauer Wiederabdruck feltener his florifcher und epifher Altdeuticher Volkslieder, Handſchriften

und antifririfche Nachholungen, gleihfalls lauter Artikel, von

denen jeder feines Platzes würdig if. Vorzuͤgliche Aufmerk

ſamkeit verdienen : des Herausgebers Programm über eine von ihm mit Gluͤck verfuchte Griechiſche Nachbildung in Homeriſcher Sprache und Verſen der in.feinen Gedichten, ©. 225 242, erzählten Shirners Fahrt; Moͤller's Preisſchrift über die von der Lniverfität zu Kopenhagen 1800 ausgeſetzte Mreisfrage: Ob die Einführung der Nordifhen Mythologie ſtatt der Griechiſchen für die fchöne Litteratur des Mordens zutraͤglich wäre? welche Frage Möller ſehr richtig dahin bes antwortet, daß die Einführung und der allgemeinere Gebrauch der alten Nordiſchen Mythologie, wegen ihrer Neuheit und wegen bes größern Intereſſe und vaterländifchen Mitgefuͤhls,

welches fie errege, allerdings für die fchöne Litteratur des Mordens fehr nuͤtzlich wäre, dabey aber die Sriechifche keines wege verbannt werden foll, und nur nicht die eine mit der

andern vermifcht werden dürfe; das von dem Ken. Heraus—

geber perfaßte, zur großen Vequemlichkeit der Wefiger der Schöning s Tharlaciihen Ausgabe der Heimskringla gereichende

Verzeichniß aller in den zwey erfien Bänden derfelben vorkoms menden Skalden und Skaldenlieder; ebendeffelben Programm Über das Alter und den Urfprung des Deutfchen Königstitels, der nad dieſen Linterfuchungen zwifchen das fünfte und feste

Jahrhundert zu feßen iſt; Leon’s Ueberſetzungen von zehn

Minneliedern aus der Maneffiihen Sammlung in unfre beu

tige Deutfhe Sprache, nebft einem beherzigenswertken Nor

berichte Über die Foderungen, die an folhe Nachbildungen ju machen find; Helga⸗Quida Haddingia Scata, von Hrn. Gr. nad) einer ihm verflatteten Abichrift aus dem Vidaliniſchen

Eoder der Edda mitgetheilt, und mit einer Lateinifhen Ueber⸗

fegung und Erläuterungen verfehen; und die erfle entdeckte

Handſchrift des Reinecke Fuchs in Flammändifher Sprache,

nebſt einer als Einleitung vorausgeſchickten Geſchichte der Corn⸗

burger Bibliothek, worin dieſe Handſchrift gefunden und ihrer Merkwuͤrdigkeiten.

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D

Narrenbuch von Fe. 9. v. d. Hagen. 335

wii wird: jeder Freund "der Alterthumgkunde ſich mit der Auffoderung vereinigen, die ſchon vor 19 Jahren Fuͤlle⸗ born an den Ken. Herausgeber ergehen ließ:

Laß ferner Rrigws Ruhm den Söhnen Teut's erfchallen , u g, wie in der Walfyren Sang, Me Volk der Wanen und Aögarden, sche "Bor unferm Blick vorübergehn, De Und der vergeffnen Vorwelt Barden Mit ihren Liedern auferfichn!

Rarrenbuch. Herankgegeben durch Frie drich Heinrih von der Hagen. Halle, in der Vengendes Buchhandlung 1811. VI und 541 S. 8.

Bey der gegenwärtigen Lage der Litteratur und des Buch⸗ Handels, da die Geſchaͤfte deſſelben beynahe gänzlich ſtocken, muß es auffallen, daß ein Bud, wie das vorliegende, einen Verleger gefunden, und ein Gelehrter, der ſchon manchen edien Stein aus den Schachten der Deutſchen Vorzeit mit Liebe und Treue zu Tage gefördert hat, demſelben feine Zeit und Mühe zum Opfer bringen mogte. Kr. Prof. v. d. Has gen erklärt in der Vorrede die vier Dichtungen, Die er hier in erneuerter Geſtalt vorführt, für die trefflichfien und ergoͤtze lichſten in ihrer Art, und ſagt zum Schluſſe: „Gelingt es mir, wie ich wuͤnſche und hoffe, dieſen unverwuͤſtlichen alten Volksdichtungen wieder allgemeinen Eingang zu erwerben: ſo wird ein zweytes Bändchen noch einige derſelben nachbringen.“ Wir möoͤchten aber gerne fragen: Was wird damit gewonnen, wenn Schwaͤnke und Poffen (mitunter anch Zoten), die nur vor dreyhundert Jahren das Zwergfell erſchuͤttern konnten, von nneem aufgewaͤrmt werden? wenn man die: niedrige Volksklaſſe, nachdem endlich in unfern Tagen ihr mwenigftens - einiges. Gefühl für das Schickliche beygebracht worden ift, durch Buͤcher, wie das vor uns liegende (welches ſie aber ohnedem ſchwerlich kaufen und leſen wird), wieder auf die Stufe hinunterzudruͤcken ſucht, auf welcher ſie vor einigen Jahrhunderten ſtand? Sicher wuͤrde von allen den Narren,

336 Rarrenbuch von Fe. 8. 5.0. Ca. .

deren facetiad hier zum Beſten gegeben werden, jetst. Feiner um 80000 Athlr. angeichlagen werden, wie folches mir bem Saͤchſiſchen Hofnarren Elaus, den in der Erstheilcag jeder der erbenden Fuͤrſten gern haben wollte, der Hal geweien * fol. Das war aber auf ein Waun, bey welchem, nad) des bekannten Theologen Diet er ich Verſicherung, „die Hochweiſeſten und Verſtaͤndigſten hätten in die Schule gefuͤhrt werden koͤmen.“ Auch Rom hatte im Zuſtande Der Rohheit feine Fescenninen, aber Horaz, der in einem gebildeten Zeits alter tebte, Säfte da, wo er das Bild des Dichters zeichnet, (Epist. II. ı, 190. sqgq.) aud den Zug nicht fehlen : Torquet ab obscoenis jam nunc sermonibus aurem. _

Sollte dem Volksdichter allein erlaubt feyn, das Gegentheil ‚zu thun? Indem wir uns hieräder auf bie Enticheibung eines jeden Linbefangenen berufen, bemerken wir noch, daß im Narrenbriche nachfolgende Stücke erneut find! 1. Ges ſchichte der Schildbürger, ‚oder das Lalenbud. (Die erfte Ausgabe erfhien 1597.) I. Salomon und Markolf. (Dabey if die von Newber zu Nürnberg, wahrſcheinlich um 1560, gedruckte Ausgabe zu Grunde. gelegt; augesogen aber find die aus der Alteften befannten Stellen, die frähern poetiſchen Bearbeitungen und die Lateinifche Urfchrift.) III. Der Pfarrherr vom Kalenberg. (Bey biefer Geſchichte, die fhom im Jahr 1400 vorhanden geweien ſeyn fol, ift die Ausgabe von 1620 benugt,) IV. Peter Leu, oder der andere Kalenberger, duch Achilles Zas fon Widmann von Hall. (Nach den Ausgaben von 1560 und 1620.) |

Dee Anhang gibt ausführfiche Litterarnotizen uͤber de worfichenden Gefchichten , und bewährt von neuem die Graͤnd⸗ lichkeit, womit Hr. Prof. v. d. Hagen bey‘ feinen Forſchun⸗ gen zu Werke geht. Nur Schade, daß mit bdiefem Reid thume von Kenntniſſen din bantunewerigeres Bert SARSSTTA | mocden iſt!

No: 39. Seidelbergiſche 1813. Jahrbuͤcher der Litteratur.

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u 1

: Die bedden aͤlteſten deutſchen Gedichte aus dem achten Jahrhundert: das Lied von Hildebrand und Hadubrand und Dad NWeißenbruns | ner. Geber zum erſtenmal in ihrem Metrum dargeftelt und her» ausgegeben durch die Brüder Grimm. Caſſel bep Thurneifen. e1812. | ——

gibt es fi‘, daß etwa zufällig der Baumkranz an einer Stelle nah der Sonnenfeite auseinandergeht, und ein Lichtſtrahl nun eine weite, lichtbeglängte Ferne in das beſchattete Auge bringt, die ein Schritt aufgethan, und ein Kolgender verdecken wird. Unaufgehalten fheint der Sonnenblick durch unfer Auge in die Seele, und auch ihre Höhen und Tiefen werden Hell beleuchs tet, und. zwey- Sernen, die in Raum und Zeit, find in eine vertraute Nähe auf uns angeruͤckt. Auch dem Wanderer durch die Nacht alter Jahrhunderte werden folche Lichtblicke wohl gegönnt, wenig Töne oder Züge können bisweilen ein Jahr⸗ tauſend ihm bedeuten, ein Pergamentblart in den rechten Brenn⸗ punct Hineingeftellt, faßt das Bild einer ganzen verganges nen Welt oder mehrerer Himmelszeichen. Zweyen folher Spies gel vieler Menfhenalter, wohl früher fchon bekannt, aber angelaufen und geträbt, und wie es mit koſtbaren Inſtrumen⸗ ten auf den Sternwarten zu gehen pflegt, ungebraucht und beftäube bloß als Gegenſtaͤnde der Neugierde aufbewahrt, has ben die Herausgeber Helle und Geſicht wieder gegeben, und funftverftändig den Einen gegen den Himmel, gegen die Erde den Andern aufgerichtet, und nun erſt ift die Koftbarkeit der lichtſtarken tief in die Zeit eindringenden Werkzeuge Mar ges worden vor aller Welt. Die Caßler Handfchrift des Hilde— brand und der Anfang des Weißenbrunner Gebetes find die einzigen Weberrefte der alten einheimifchen Sermanijchen Mythe in einheimifcher Mundart aufgefaßt. Mach grünt wie vor der 22

5 . 4 i R | Bhab⸗ilen, wenn wir im Schatten alter Waͤlder gehen, be⸗ |

338 Die beyden Alt, Deut, Gedichte a. d. 8. Jahrh. v. Grimm,

Miftel auf den Eichen vom goldnen Meſſer unberuͤhrt. aber jener inythiſche Wandervogel mit leuchtendem Gefieder hat länaft den Herchniſchen Maid verlaffen, noch tönt durch die Edda fein Sefang und durch diefe Blätter, aber auch ang dem Norden ift der Vogel längft wieder weggezogen, auf jener Eisinfel zwiſchen Morgen und Mitternaht hat man feiner Schmwungfedern noch gefunden, und damit die alte Heldenfadef aufgefchrieden, und nur die füdliche Nachtigall ift noch in unfern Wäldern laut. Wie in uns, den Nachkommen, noch das’ alte Leben lebt, ob es gleich in andern Formen ausgefchlagen , fo

iſt allerdings im Großen und im Ganzen auch die Maffe der Sjdeen in Poefie, minder in der Myıhe bis auf uns gekom—

men, aber die alten Formen, freyfih das Sterblichfte von Allem, find mit den Zeiten hingegangen. Nur diefe bepden

Greiſe find von allen Seihlechtern, die mit ihnen und zuver

gelebt, bis gu diefem Tage hinaufgefommen; fie haben noch . die Miene, und die Form und das Weien ihrer Zeit, und wie

“jene Sünglinge, die fo viele Jahrhunderte im Berg durch ſchliefen, bis die Münzen, die fie mitgenommen, zu Schau ftüden wurden, das Vaterhaus nicht fanden, und die Sprache der Mitbürger nicht verſtanden und nicht verflanden wurden, fo auch reden diefe Deutſch, das taufend Deutfche nicht ver ftehen, von hochberuͤhmten Helden, die taufend ihrer Ente nicht mehr kennen. Die Herausgeber, indem fie die alten ehr würdigen Geflalten in die neue Welt eingeführt, mußten dar her ihnen zu Dolfmerichern dienen, und die gründliche Treue,

mit der fie ihrem Geſchaͤfte ſich unterzogen, iſt das erſte Der

dienft , das fie um diefe Fremdlinge in der eignen Heymath

ſich erworben. Allerdings haben Eckhard und Reinwald

vecht gute ‚Vorarbeiten geliefert, welche die neuen Bearbeiter

auch dankbar anerkennen, aber das Erfhöpfende, Durch das Beherrihen aller verwandten Sprachformen erft möglich .ger

macht, Haben fie hinzugethan, und das Gute zum Veffern, ja ganz nahe zum Beften bingeführt, das etwa noch duch neuere hiftorifche Urkunden erteicht werden mag. . Wie wiffen

daher zur gegebnen Erklärung des Textes nichts Sonderliches

beysufügen; das Menige, was uns bey genauerer Berrachtung vorgefommen, fügen wir hier mit kurzen Worten bey.

| Die beyden Ält. Deut. Gedichte a. d. 8. Jahrh. v. Grimm, 339

In der erften Zeile „sih urhettun aenon muotin,“ fich vers heifhen, betheuern, geloben nod in der hiefigen Landesmunds art; bey aenon muotin mögten wir doch die alte Erklärung eines Muthes, eines Sinnes vorziehen, die vielfache Zahl läßt fi) allenfalls no in heutiger Sprachform „einmätbiglichen“ geben.. „Untar heriunt.ıeim“ bey Jfidor von Sevilla: „infaene haerduom,“ dux effectus est, alfo Heerthum, Heerfahrt. Bey „Sumu Faterungo* dachten wir zuerft an Edelingon, Frilingon, befanntlid in den Sähfiihen Miundarten Edels geborne, Freygeborne: in Sothifcher Form wird das i zum u, und nun Niflungen, Nebelgeborne, Aumlungon, Amelunger, Aumlas Seborne, die Abkoͤmmlinge des Urftiers, Ulfungon oder Wöifunger, NWolfgeborne ‚Enkel der liftigen Locke u. f. w. Sunu Faterungo würde dann freylich etwas feltfam tautolos giſch, aber doch wohl der alten Sprache nicht zumider ! Sohn Vatergeborner, und die.ganzge Stelle alfo nad) unfrer Anſicht: Die Sage erzählt, daß gelobten eines Sinnes Hiltebracht und Hathubrant Heerfahrt, Sohn Vaters Abkoͤmmling. In der dritten Zeile „garutun“ mit gerben überfegt, if ung zuwider in epifcher Dichtung; gatawıs, garawa, garawomes, gart, garotig gigarotin, gigarwa, find häufig bey Difried vor kommende Formen von derfelben Wurzel gar abgeleitet, wos von gareiten , bereiten, und allerdings aud) gerben, aber doch wohl nur als eigenthümlicher technifcher Ausdruck. Iſidors Ueberfeger dat C. V. 9. 7. „chigarwan zi hinifli,“ reparari ad veniam, wobey an gerben nicht zu denfen, nod weniger in der Stelle am Eingange „Dhuo ir himilo garwida, dhar- war ih“ als er den Himmel bereitete, da war ich. Ubar zinga“ erinnert uns. an die Rhinga, Fuͤrſten, Wornehme des Rhabanus, fo daß die Stelle alsdann gelefen würde „Helden vor den Erften, wenn fie zum Kampfe ritten“ was die allzu kuͤhne Konftruction, welche die andere Lesart fodert, unnöthig machen würde. Darum muß wohl auch der Vers der Helga Quida: „Siss mundu Helgi hringom rada“ nicht mit Sräter „Nimis sero o Helgi annulis imperabis, fondern vielmehr proceribus imperabis überfeßt werden. Bey „fohem uuortum mögte ein Unterfchied eintreten zwiſchen fouum, few, wenig und fokem mwechfelnd, vielfach, manchericy, ſo

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u ‚340 Die beyden äft. Deut. Gedichte a. d. 8. Jahrh. v. Grimm,

bey Otfried: „Fehemio muate -uble jo guate“. variabili ani- mo, malo bonove, Wo das wenig nicht wohl paflen will. Bey „en“ leitet der untere Hacken auf die Wermuthung , daß es auch Ahne heißen könnte; „dreuuer* Dreyfadengewand, will uns nicht wohl zu Binne, wir werfen auf geradewohl die Vermuthung hin, daß es auch driwerbe, vreyfad, beißen Lönnte, fo daß gelefen würde: wenn du mir Einen (oder Ahn) anfageft, ich geb dirs dreymal wieder, oder made dirs zu Gefallen dreymal wett. Das glei Folgende könnte andy verfianden Werden, allem Wolfe, jedem Kind im Königs reich bin ich befannt. „Trote“ Fret im bieflgen Landesdias lect ausdruͤckend eine herbe Kräftigkeit, ferah bep Oifried und fonft meiſt Leben, daher „ferahes frotoro“ eigentlich lebens fräftiger. Daß die Weberfeßung der Herausgeber „arbeo laosa heraet*“ (eruelosan man, König Rother 2907) durdy erbenlos fes Hausgeräthe richtig, und an die Herat dabey miche zu gedenken ift, können wir aus Dietrihs Flucht zu den Hunnen beflätigen. Helche fchlägt. darin dem Vogt von Bern vor, eine Frau aus ihrer Kunne gu fieyen, ihrer Schwefter Kind, Fıau Herrat ginannt, die fhöneft, die num lebendig iſt. Dietrich verfammelt feine Freunde im Rath, und Hildebrandt raͤth ihm eifrig dieſen Worfchlag anfunehmen, aber. nur aus allgemeinen Gründen ,. um die Freundſchaft mit dem Hunnenkoͤnig bauernder zu machen; von eigner Sipp⸗ ſchaft mit der Braut, oder daß er fie gu Haus zurückgelaften, wird nichts darin ermähnt. Die Hochzeit wird wirklich aus gerichtet, und der Berner erhält Siebenbuͤrgen zur Morgens gabe. Daffelde Gedicht veranlaft uns, im gleich Folgenden nicht zu leſen „feit Dietrihs meines Vettern Elend ſich ans hub,“ fondern vielmehr, wie fih weiter unten rechtfertigen wird: „feit Dietrich zu darben begann um meines Waters willen; faterero für Väter, hereron minon, meinen Ber ten, findet ſich öfter bey Otfried. Bey „ummettiri“ mögten - wie doch unmädhtig vorziehen, ee (Dietrich) war fo freunds verlaßner Mann, und Ottakern nicht gewachſen. Mit. dem Folgenden würden wir einen neuen Sinn anheben: „Bis da, wo Dietrich zu darben begann, war er (Hiltebrand) immer an Volkes Spitze.“ Bey „Welaga (Welaganu. Difried) nu wal-

Die beyden Alt. Deut. Gedichte a. d. 8. Zabrh. v. Grimm, 341

tant Got“ wird Mar, daß die feltfame Phraſe im König Rother „dag weiz der waldindiger (anderwärts waldendinger) Got“ falſch gelefen I für: dag weis der waltende ber Got. Sn banın nigifastan, fünnte banun auch han, fan die Ban⸗ ner heißen ‚. die Banner fliegen laffen heiße zum Streite ziehen, das Banner binden, bie Waffen niederlegen. - | Die Unterfuhung über Sprache und Alter der Handfchrift iſt vorerefflich geführt, nur kann leider ſolchen Forfhungen nur allzu wenig fihere hiſtoriſche Grundlage gegeben werden, weil man bey den feltnen nody übrigen Dentmahlen beynahe nichts weiß über Zeit und Ort ihrer Entftehung. Es ift gewiß, daß, fo wie die Deutfhe Nation in drey Hauptſtaͤmme gers fiel, den Gothiſchen, den Suevifhen oder Dberdeutihen und ' den Fräntifchen oder Miederdeutfchen, fo auch allerdings die Sprache in drey Idiome auseinandergehen mußte. Aber gerade- in jener fruͤheren Zeit mußte das Allgemeine des Geſammtbe⸗ griffes noch fehr hinter dem Beſondern einzelner Formirung- zuruͤckbleiben. Denn das ift der Charakter alter Zeit und des früheren Naturlebens, daß die größte Meannigfaltigkeit von Formen fich darin hervorehut, die zwar alle einfady und eins fältig, aber in dieſer einfachen Einfalt mit der fchärfitien Eu genthämlichkeit ausgeprägt find. Erft im Laufe der Zeiten fammelt fi das Nächftverwandte, allmählig auch das Fernere; das Band eines Geſammtbegriffes fängt an wie eine Wahls verwandtfchaft fie zu umfchließen; das Gemeinfame- nimmt zu, und muß immer mehr berwiegend werden, wie das VBelons dere aufgerieben wird; zuletzt, wenn alle Eigenthümlichkeiten ber Grundformen ausgeglichen und mehr oder weniger ausge; fogen find, flehen einige große Maffen oder gar nur Eine da, die in ihrer Kugelsünde alle Typen und Geſtalten bezwungen Hält. So iſt es um die gefellichaftlichen Verhaͤltniſſe in Deutſch⸗ land beichaffen geweſen, und fo find die verſchiednen großen Sprahftämme erwachſen, die jest auf Europäifcher Erde fies hen. Jedes der vielen hundert Völker, die nad) und nah Deutſchland umhegte, waren eben fo viele verfchtebne Perfos nen, jede in gang abgeſchloſſener Eigenthuͤmlichkeit, die als foiche auch vor altem ſich geltend machte. Darum kämpften. und ſtritten fie häufig mit einander, ob fie gleih alle als

Pr

342 Die beyden aͤlt. Deut. Gedichte a; d, 8, Jahrh. 9, Grimm,

Blutsverwandte an der Spr ache ſich erkannten; nur allmaͤhlig arbeitete jene dreyfache Bundsgenoſſenſchoft aus dem Streit der Elemente ſich heraus. So ift es auch mit der Sprache vom Befondern zum Allgemeinen vorgefchritten; im Anfang Hatte gewiß jcdes Wolf feine eigene fcharf beffimmte, von allen Andern abweichende, und doch wieder mit allen Andern zus fammendängende Mundart; ganz Ipät erft Bann man von Obers und Niederdeutſchem Dialect, den aͤußerſten nach Verfchlingung afer andern allein gurückbleibenden Segenfäßen reden. Darum weiche jede der noch Übrigen Urkunden der früheren Sahrhuns derte im Sprachbau und Mörterformen von der Andern ab, wie Ihre geflagt, und darum muß jede fchatf betrachtet wie ‚die Gegenmwärtige aus Dbers und Niederdeutfcher Mundart ges miſcht erfcheinen. Wir find mit den Verfaffern einserfianden, daß die Caſſeler Handſchrift in dem Klofter von Fulda gefchrier ben worden, alle äußern Merkmale fcheinen dahin - übereinzus flimmen, daß fie etwa der. Zeit, wo Rhabanus dort Abt war, angehört. Diefer Präftige, geiftreihe Mann war netit Als cuin, Claudius, Sohannes Scotus, Schüler des ehrwuͤrdigen Beda, und während der Erfte die Franzoͤſiſche Schule in Pas ris, der Andere die Sjralieniiche in Pavia gründete, fliftete er

in jener Abtey die Miederveutfhe, während jene von St. Ballen als die Oberdeutſche angefehen werden kann. In Futda waren 270 Mönche unter feiner Obhut verfammelt ; Philos ſoph, Dichter, Redner, Aſtronom, Chronifi,' der Griechifchen . und Hebräifhen Sprache kundig, hielt er unter Jenen offene Schule, ſelbſt nachdem er ihr Abt geworden; in allen religids fen und weltlihen Wiffenfchaften wurde dort unterrichtet von allen Seiten firömten Lehrlinge Hinzu; gelehrte Pflanzſchulen wurden von. da aus wetteifernd in vielen Klöftern gegründet: die Abtey war eine wahre chriftlihe Druidenſchule, ein heller Lichtpunct in dem damals fehr verwilderten Morden, und ale ſolcher von Völkern und Fürften geehrt. Unter jenem gelehr⸗ ten Vorſtand und feinem Nachfolger Strabus fand die Stifs tung in ihrem höchften Stange, und was an Dentmalen von ihr ausgegangen, wird fo ziemlich ihrem Jahrhundert anger hören, 150 Sahre fpäter waren die Mönche ſchon uͤppig und Viederlih geworden, und der Kayſer Heinrich nahm jhnen

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‚Diebeyden Alt. Dent. Gedichte a. d. 8. Jahrh. u. Grimm. 343

darum. einen Theil ihrer Beflgungen weg, und legte fie Aerme⸗

m zu. Es war aber Otfried der Ueberſetzer der Evangelien

von dieſer Fraͤnkiſchen Schule ausgegangen; wenn wir aber dies fein Merk mit unierem . Fragment vergleichen, feine ges

. fhmeidige Soprache Die. runder, ja oft. zierliche Form, die fcharfe Herrſchaft der darin waltenden Segel im Segenfaße mit der

ungetenten Gliederung, dem vollen aber ungeichmeidigen nicht ſehr muſikaliſchen Ton des Andern, dann müffen wir ung überzeugen, daß Beyde unmöglich zu derſelben Zeit abgefaße ſeyn können, fo viel man-and auf die Gewandheit des Dichs ters und den Umſtand, daß er eine kunſtgerechte Grammatik vor fih hatte, rechnen will. Vielmehr if die Sprache des Gedichtes älter, als irgend sines der bisher befannt gemachten Heineren Fragmente, das alte Vaterunier, das Freber, bers ausgegeben, etwa ausgenommen, das im Sprahbau und im den Mortformen unter allen jenem einzigen Ueberreſte am nächften koͤmmt. War alfo die Handichrift um jene Zeit wirt Ih in Fulda gefchrieben , dann hatte der Schreiber zuverlaͤßig ein älteres Original vor ſich, das er wenig oder gar nicht Ans derte. . Dran vergleiche aher nun mit Dtfrieds Bibel, Motkers zwenhundert Sjahre jüngeren Pſalter, und man mird den Uns terfchied in der Sprahe bey weitem geringer, als die zwifchen dem Erften und unierm Fragmente finden, fo daß die Ans nahme, jenes Driginal fey zwey SJahihunderte älter. ale Rhas . banus feineswegs übertrieben fheint. Aber wir haben Gründe, auch felbft dies ältere Blatt nicht für die Wrfchrift anzuerkens nen. Es ift nämlich die Zabel des Gedichtes eine Gorhifche, die Sprache aber eine der Fränkifchen Mundarten. Nun galt allesdings die Fabel des Heldenbuches auch im Frankenlande, aber fie ging dort keineswegs in Gothifhen Formen um; fie war vielmehr als eine Einheimifche aufgenommeny es Waren Fraͤnkiſche Helden, Fraͤnkiſche Mamen und Fränkifche Thaten, oft gegen den feindlihen Garhifhen Stamm anggeibt, wie jene der Burgundionen, Die dann befungen. wurden. Gang gewiß hatten die Fränfifchen Stämme ihr eigenes Heldenbuch,

‚und das gegenwärtige Gedicht war feineswegs ein Theil von

ihm, es war von einer Sothiſchen Urſchrift Übertragen wor⸗ vn: Da dic Dichtung in (ren Lebensaltern ſich gewoͤhnlich

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344 "Die beyden aͤlt. Deut. Gedichte a. d. 8, Jahrb. v. Grimm,

an die Zeiten glängender Regierungen und eines wohlgegräns

deten allgemeinen Wohlſtandes zu knuͤpfen pflegt, ſo kann man

uͤberhaupt die Zeit Theodorichs als die Sammlung und Aufs faffung jener Gothiſchen Geſaͤnge vielleicht auch zum Theil ihrer Umbildung in die chriftliche Form mit Wahrfcheinfichkeit annehmen. In diefe Sammlung war denn auch das Caſſelet Fragment aufgenommen, nnd wahrſcheinlich in den Runen des Uifilas gefchrieben. Auf diefe Vermutung haben ung die noch vorhandenen Spuren jener Schrift im Text. geleitet. Wie nämlich die Herausgeber im Weiſenbrunner Geter das Runen⸗ hagel gar wohl erkannt, fo finden wir bier außer dem W des

Urfilas noch Thor oder Thus, fo häufig auch in den Mann

feripten” der Edda vorkommen, anfangs durch den Querſtrich durch dag D bezeichnet, tiefer hinein Durch das linfsgeichwängte d, beydes den Lispellaut andeutend. Der Haken abwaͤrts am e in den Worten en, seo, enigeru, lettun findet ſich gleich⸗ falls häufig in der Edda, um ae zu bezeichnen, z. 2. *

reidr, Säreida, und wie hier 0; fo. wird dort se moru

s vada der traurige See mit demfelßen Hafen bezeichnet. Die Eircumflere endlich Über aenon se, erhinal, hewun, alſo alle auf e (deinen das Eir der-Runenfchrift auszudruͤcken und anzudeuten, daß ö, oe und ör gelefen werben müͤſſe.

Ein weiteres großes Verdienſt der Herausgeber iſt die Entdeckung der Aliteration in bepden Fragmenten, und die Machweiſung, wie fie in, gebundner Rede abgefaßt. Der Vo—

cal ift das narärlihe Element der Sprache, der Confonant das

Tehnifhe; jener-mird wie das Leben nicht gelernt, diefer kann in fertiger Ausfprache durch Uebung allein erworben werden. Bey allen rafchen, ruͤhrigen, firebfamen, Briegerifchen Völkern und epifhen Naturen bey Mordländern, Berg: und Wüften

bewohnern ift die Sprache reih an Mitlautern und Lunfkteis

hen Verknüpfungen diefer Elemente in fcharfer Zeichnung ohne fonderlihe Färbung. Bey Andern, die mehr Iyrifh im Leben und im Gefühle fih bewegen, daß der gefpannte Muskel ſich loſ't und in innener Fälle runder, herrſcht aud die Muſik des Wocales vor, es find Bruft s und Herzenſprachen, wie jene Mingerfpragen, Der Nordifchen Kehle aber mußte nun and

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Die benden Alt, Deut. Gedichte a. d. 8. Jahrh. v. Grimm, ' 345

das Nordifche Ohr zugebilder feyn, und am regfien der Hare monte jener ſtark bezeichneten Sprachlaute fih öffnen, fo zu reden mehr dem funftreihen Einklang der Anftrumentalbegieis tung , als. dem inwohnenden Sefange. Das hat ohne Zweifel die Deutfchen und Celtiſchen Voͤlkerſchaften auf die Alliteration geführt, ein Heldengefang in ihr. ift ein Waffentanz, worin die Ringe der Ruͤſtung Elingen, die Langen gegen einander faufen, und "Schwertihtäge von den. Woͤlbungen der Schilder widertönen, während Liebesgirren nur im weichen Lüftchen mils derer Sprachen fih articuliren kann. Affonanz und Eonfonang find wie Naturlaue und Kunſtlaut, jene läuft am Selbſtlauter fort, die andere am Mitlauter, jene ift eben. ſelbſtlautend und die andere mitlautend, indem fie wahrfcheinlih im Vortrage den frey fchweifenden Ton auf eigne Meile band und begraͤnzte. Sür den, der die Dinge ohne Eünftlih gemachte Befangenheit nimme, wie fie fih ihm geben, iſt es fihon zum Voraus ger wiß geweien ; daß eine Erſcheinung, Die fo tief im Geiſte des Volles und der Sprache ihre Wurzeln fchlägt, ‚weder von einem beionderen Stamme ausgegangen ‚. noch auf einen engen Winkel in ihrer Verbreitung fich beſchraͤnkt. Inzwiſchen war es nothwendig fuͤr diejenigen , die in der Geſchichte nichts ohne den bibliſchen Augenschein gelten lafien, ohne dabey zu. gedens fen, daß er dem geträbten Auge doch wieder nur zum Scheine werde, und bey denen felbft Gott fein Dafepn durch gehörige Erweife in logifcher Form legitimiren muß, bier wieder eins mal urkundlich zu beweifen, daß die Geſchichte ihre großen Sefege hat, wie der Kimmelsbau, und daß alles, was aus ihnen auf die vechte Weife bergeleitet wird ,. Dusch die Beob— achtung da wie dort nimmer Lügen geftraft werden kann. Das. . Caſſeler Fragment beweiſ't fchlagend, daß die Alliteration, die bisher für das Angelſaͤchſiſche erwieſen war, über die ganze Niederdeutſch Fränkifhe Poefle, und wenn unfere "Ableitung richtig iſt, Aber die Sothifche ſich verbreitete, und das Weißens Brunner Gebet vollendet diefen Beweis auch für die Oberdeut⸗ ſche oder Sueviſche, der dies Fragment, wie faum zu zweifeln, angehört. Wo an ſeltnen Stellen die Alliteration auszugehen . feine, iſt es wohl durch die Webertragung der Urſchrift in fremde Mundart durch der Sache nicht ſonderlich kundige

346 ° Die benden Akt. Dem. Gedichte a. d. 5. Jahrh. v. Grimm, Mönche eingefhlihen. Die Dichtungen aber nun auf biefe

Weiſe in ihrer urfpränglichen Form wieder hergeſtellt, laſſen

uns einen tiefen Blick in das Weſen der einheimiſchen Poefie thun. Sie reichen nahe in die Zeit von Chilperihs Grab

hinein, und wie das, was man dort gefunden, Bienen, Sie gelringe, Schwert, Meffer, Pferderäftung , Stierbilder und einen plaftifch, anfhautihen Begriff von den Außerlichen For

‚men des damaligen Lebens geben, fo führen uns diefe Ueber⸗

bleibſel recht in die Mitte: des dichtenden Geiſtes jener Zeit Binein, und wenn wir die Töne, die in den Werken des

Mittelalters und des Nordens; fo wie in uns ſelbſt von jener Zeit noch dunkel nachklingen, um die gewichtigen Worte, in denen diefe Nunen Iprechen, fammeln, dann mögen mir den Torſo in unferer Anſchauung mit ziemlicher Sicherheit ergäns gen, und uns ein ganz angemeſſenes Bild von -dem Weſen

jener uralten Dichterſchule machen, etwa wie wir. die Altgrie chiſchen Philoſophenſchulen ja gleichfalls aus wenigen übrigen

Sragmenten und dem Beifte des Ganzen gar wohl zu deuten

vermögen. , Nur über die Vortragsweiſe diefer Werke laͤßt ih |

fchwer aufs Neine kommen, wahrscheinlich gefhah es ſchwebend

gwifchen Sage und Lied in einer Art von Necitatif mit Ber

gleitung irgend eines lautenartigen Inftrumentes, fo daß dit Betonung immer auf die alliterirenden Sylben fiel, eine Art,

wie fie wohl auch die früheren Rhapſoden und die fpäteren

Conteurs verfchieden von den Liederfängern haben mogten. Aber: gewiß iſt, daß auf: fotche Unterlage die ganze fpätere

Moefle gegründet. war. Das Caſſeler und das Weißenbrunner Manuſcript verhaften fich genau gu einander, wie der herois fhe und der. mythiſche Theil der Edda, denn auch wir glauben mit den Herausgebern, daß der Eingang der Lestern einer Art von Deurfcher Voluspa angehört. Die ganze Dichtung des Volles war in einem folhen Mythen⸗ und Heldenbuche niedergelegt; das Wenige, mas wie im Gebete das Chriſten⸗ thum vom Erſten nicht etwa zu ſich hinuͤberziehen mogte, wurde verworfen und ging verloren, auf das Andere aber wurde im Nerfolge die ganze Dichtung des Mittefalters: aufgeſetzt. Wir haben am König Rother noch eine treffliche Urkunde zum Ber lege dieſes Zuſammenhanges der fpäteren Zeit mit jenen frühen

"Die benden Alt. Deut, Gedichte a. d. 8. Jabrb. v. Srimm. 347

Jahrhunderten. Gerade wie das Caſſeler Fragment aufgeldf't aus Altdeutſchem Lied in die Wiltinafage des dreyzehnten Jahr⸗ hunderts eingegangen, und dann durch die verfchlednen Umar⸗ beitungen des KHildebrandliedes His auf ung gekommen, fo findet fi) auch Rother als ein folhes Lied in jener Soge, zugleich aber auch früher nod) als Epos ſchon vom Norden nach Star lien und Griechenland hinadgetragen. Der Oſantrix der Wil: finafage iſt die Nordifchdeutiche Geſtalt des ſuͤdlich Ofigothiſchen Rothers, und Benden liegt gerade ein folches altes Gedicht, wie das Fuldaer zum Grunde, aus dem es fi in allmählige Hortbilänng heraus entwicelt hat. Daß dem fo fey, beweiſen außer den noch da und dort durchbrechenden rieſenmaͤßigen Umriffen der fräheren Zeichnung , die .mancherley alten Works formen, die auch fhon v. d. Hagen aufgefallen, volgodis, tror.nde, sprachan, gesamenot, gecirot und viele Andere, alles große Werkſtuͤcke eines andern Baues in diefen nur vers mauert. Der Versabtheilung muͤſſen wir durchgängig unferen Benfall geben, und ee ift ung intereffant geweien, zu vernehs men, wie die Heransgeber gegen die Brehung der Eddd im Heine Verſe fih erklären, Allerdings läßt ſich wohl Mandıes gu ihrer Rechtfertigung bepbringen. Das Griechiſche vollendete Epos wie dje Mibelungen und auf gleicher Höhe ſtehende Dich⸗ tungen aller Voͤlker gehen allerdings im fenerlihen Schritte mit langem Schteppfleid, aber es ift keineswegs Damit ents fhteden , daß auch die alten Rhapſoden fo feyerlich gefungen. Der Athemzug der Begeifterung iſt tief, aber kurz; wo die Dichtung nod fo nahe und fcheitelreht über dem Leben ficht, eefcheint auch Ausdruck und That in einem runden engerfüllten Augenblicke; erſt wenn das heiße Gewitter voräbergezogen, fehen wir zuerſt das Feuer zucken, und die veflectirende - Dichs tung dann in einem langen Donnerguge nachrollen; ganz zus letzt in zahmer gebildeter Zeit fkehe fie ohne Zuck und Schlag ein bloßes Wetterleuchten am fernen Simmel, und die Wolke laͤßt fich erfühlend das Feuer in langfamen Kellen austropfen! Die alte Sage ift,-fo fcheint es, kurz und eilig wie die Kies toglpphenfprache, fie hat viel zu fagen, und wenig Zeit und Worte, der Stein, die Rede foll fo viel ats moͤglich Gedan⸗ ten in wenig Zügen fallen; fie noch Gefährtin der Heldenzeit

348 Die beyden alt. Deut. Gedichte a. d. s. Jahrb. v. Grimm,

und ſelbſt Keldenjungfrau verhätt ſich zur fpäteren Nacherinne⸗ rung wie fchrotende Schwertesfchärfe zum heilen Stahlſpiegel auf feiner Flähe. Darum iſt wohl Auch Die enge Versabthei⸗ fung, wenn fie ein Irrthum if, ein fehr alter, denn offenbar iſt der mwelfche kurze epifche Vers, von Norden herab, wie ber Alerandriner von Süden heraufgelommen , iaus jenem dadurd ‚hervorgegangen, daß man bie Alliteration bloß mit dem Meime verwechfelte,, und mit dem Sylbenmaße leichter nahm, und gerade das gibt zuruͤckwirkend auf das Vorbild diefem einen fluͤchtigen, leichtfertigen Anſtrich, der fi mit feinem ernſten,

bedentfamen innern Charakter gar nicht wohl vertragen will.

Unter der Rubrik: Zuſammenhang mit dem ganzen Fabel⸗ kreis, haben die Herausgeber vortrefflich nach ihrer Weiſe wie Geologen eine Erzader, fo das Werk in feiner Lagerung in dem großen poetiſchen Gebuͤrgzuge dargeftellt, und fo erſt recht feine große Hiftorifche Wichtigkeit herausgehoben. Wir find im Stande, aus der Vaticaniſchen Handſchrift No. 314. Dies trichs Flucht zu den Hunnen, die Fabel, in die das Fragment eingreift, in etwas zu ergängen. Der alte Amelunch erzeugte mit einer Gattin, aus Kerlingen geboren, drey Söhne wohls

| gethan, worunter der ältefte Diether, dann Ermrich fo der uns

getreueft war, der je von Mutter ward geboren, zuleßt Diets mar. Der Vater theift unter die Söhne fein Land, fo daß

dem Erfigebornen Bifah und Beyerlant, dem Ermrih Puls

len, Galaber und Wernhers Mark, dem Juͤngſten endlich Lamparten alles gar, Roͤmiſch Ere und Ofterlant, Foriul und das Inntal zufaͤllt. Ale drey gewinnen Kinder, Ermrid eis nen Sohn, Friederich genannt, Diether die beyden Harlunge,

die Ermrich fieng und ohn’ Schulde hing. Dietmar endlich,

der Bern gebaut, nahm des Königs Deſau Tochter, und ge wann mit ihr zwey fchöne Kind, Dither und den Bernere, det mit maniger Mannheit- alle die Wunder hat bereit, davon man finget und ſeit; Hildebrand ergog die Soͤhne, die der Water fierbend dem Ermeich befohlen. Diefem aber rathen Sibich und Nibeftein, daß er mit Dietrich ein Gleiches thue, mie mit den Harlungen, während er ihn zu fi Tade, unter dem Vorwand, daß er nad dem heiligen Grabe walle, um

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Die benden aͤlt. Deut, Gedichte a. d. 8. Jahth. v. Grimm, 349

den Tod der beyden Juͤnglinge zu bäfen. Der Lngetrene fendet Randolt von Anton mit dem Auftrage nah Bern, dies fer aber ſtatt ihn in die Schlinge gu ziehen, warnt ihn viels mehr vor der Verräthery. Wie Ermrich feine Tuͤcke entdeckt ſieht, gebieter er eine Heerfahrt, wie größere nicht warb ges fehen auf römifh Erd. Er ruͤckt mit mehr ale Boooo in das Herzogthum zu Spolet und heißt das Land ode legen mit Raub und Brand, bie an Meylan. Aber auch Dietrich hat ſich geräftet, ihn zu empfangen, unter dem Rufe Aht Sche—

velin (oder Echavolin) Berne, Aber volir Berne! (Acht (han wohl in Bern, achtet wohl ihr Berner ?) Überfälle er Nachts den Feind; Ermrihe Sohn, Friedrich, wird mit 1800 gefangen , und 26000 fliegen vom Heere erfchlagen. Mach der Schlacht aber gräme. fih Dietrich fehr, daß er nicht Gutes ges nug beſitze, um feine tapfern Freunde gu belohnen. Da fpricht Bertram von Poten, Herr ihr folle nit Sorge han, ich gieb

end Gutes alfo viel, mit Treuen ich das gerne thun will, _ |

500 Saummere in Polen, da ih zu Daufe bin. Dietrich nimmt das Anerbieten an, und nach dem Golde werben ges fendet Hildeprant, Sigebrant, Wolffhart, Helmſchart, Am⸗ lant von Gart, Sindolt, Ditleip von Steyer und mit ihnen Bertram. Aber ihre Reiſe war alles Ungluͤcks Anfang, wähs rend die Boten hochgemutet flreichen mit dem Gute, legt Erm⸗ zih ihnen einen Hinterhalt, und als man das Gold führen folte gegen Bern herauf, durch Iſterich wird es genommen, und die Ritter werden gefangen vor Ermrich geführte zu Mans tauwen in die Stadt. Und der Ungetreue fpricht zu ihnen: wil Dietrich Idfen euer Leben, er muß mir fürwar geben_als les was er je gewann, Gart und Meylan, Bern und Raben, Polen und Hifterih, Lamparten und roͤmiſch Erde muß er mir alles laffen, alles muß mein eigen weſen, oder: ich laß euch micht geneſen. Der Bernere, wie er die Rede vernimmt, ſpricht: und waren mein alle Reich, die wollt ich ehe alle lan, dann meine getreuen lieben Mann, die Reiche ich eh alle verchur, ehe dann ich fie alfo verfur. Er fender einen Boten an Ermenrich, daß er ihm feinen Entſchluß anfündige, und dieſer ziehe vergnuͤgt mis einem Heere gegen Bern. Mit

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350 Die beuden lt. Deut. Gedichte a. d;6, Jahrh. v. Grium.

Kräften fie lagen, Raubdes fie -pflagen, und ıhaten Schaden Fark allum duch die Mark, das Land fie anzımden ,. fie has men was fie fünden, Rauch ging Über Land, der ſtarke Woſt und Brand, Rauch Über Bern. Hervortreten Jubart, Cie wart, Ekkenat, deren Waren drey und vierzig Mann, die Eur, Weib und Kind ließen um den von Bern. Dietrich geht hinaus mit Geleit vor Ermrih, mir naffen Augen trübe und roth; das Haupt er darnieder bot Ermricd auf die Füße. Er ſpricht: gedenke Better fühe, daB ich bin deines Bruders Kind, daß meine Sinne noch kranke find, nu thu an mir die Ehre, ih will nimmer mehre wider dein Hulde icht begehn, noch deines Zornes abgeſtehn. Lange ſchweigt Ermrich,. zuleßt fpriht er erbarmungslos: gibt man mir heute Bern nidıt, fo glaub mir, daß dir. gefchicht weh von meinen Handen. In allen den Landen, die je Land find genannt, wo dic, Legreifet mein Hand, da wiget nicht dir alles Gold roth, begreiff ih dich fo biſt du todt. Dietrich. bitter zuletzt bloß um Bern, der Ungetreue aber erwiedert, nu laß dir ſeyn von mie gach, oder id heiß dich fangen und auf einen Baum bangen, dennäds ften den ich finde. Zuletzt noch fagt er, um ihn zu kraͤnken, er muͤſſe zu Fuße mit den Seinen abziehen. Wehr als rau fend Frauen aus der Stadt, Fran Ute an ihrer Spiße, achen hinaus ins Lager, und legen Fürbitte um den Fürften ein, fie werden aber zornig angefahren; eylet euch von mir wenden, oder ich Heiß euch fchänden. Hin fährt nun Dietrich gegen Hunnenland mit den Seinen, am 2öten Tage koͤmmt er mit Genoſſen in die Stadt Gran, und kehrt bey einem Kaufmann, des Königs Palaſt gegenäder, ein. Baid hält die Königin Helche ihren Einzug mit Ruͤdiger, und verſchaͤmt birge der Held fih hinter den Linen, Rüdiger aber erkennt und bewils kommt ihn und ſchenkt ihm, als er fein Unalüd erfahren Bon Mark. Auch ben der Königin führe er ihn ein, und auf fie, nachdem fie ihn wohl bemwirthet, verehrt ihm zwölf Saum möre mit Sur. Batd auch koͤmmt der Kunnenfürft mie fer nen Rittern von Epelburg, aud) er nimmt ſich des Geächteten an, und fagt ihm 12000 Mann gu, Nüdiger 12000, ud Andere nach Vermögen. Bald erhält Dietrich auch Nachricht

Die beyden Alt. Deut. Gedichte a.d. 8. Jabrb. v. Seium. Ast

von Amelot, mie er Bern wieder gewonnen durch Ueberfall, und nun zieht er aus gegen römifc Reich mit feinen Mannen. Am zwölften Tage koͤmmt er vor Bern an, Tidas gewinnt ihn Meylan, um ihn fammeln fid wieder feine Freunde. Da made auch Ermrich fih auf, um Meylan zu belagern, Dietrich aber bereitet einen Ueberfall, Wolffhart redet zu feiner Schar: nu freut euh Helden gut, wir follen in Mannes Blut heute waten bis Über die Sporen, mir follen alſo ſchaf⸗ fen, daß Layen und Pfaffen von diefer freyfen Märe fagen. Bie ftoßen bald anf den ſichergemachten Feind, da ward ein Darruden, da hub ſich ein Zucken, die fcharfen Geren mit Handen zufammen fie gerannten, der Dunft aus ihrem Leibe rauch, gleich in dem Gebaren gleid als ob ein Wald wäre gegündet an mit Feuer. Wolffhart fchreie abermals auf: iſt unter ung jemand er fey Kerr oder Fürfte, den von Kerzen dürfte, der leg fi) nieder und trink das Blut, und fecht aber als ein Held gut. Ermrich wird gefchlagen. und in Ravenna eingeichloffen, auf Sibech und Ribeſteins Nat aber entweicht er in der Nacht nady Bolonie. Ravenna wird übergeben, und von Dietrich dem ungetreuen Wittige übergeben, fo mie Meylan dem Tydas, Bern dem Elfan, art: dem Amlolt. Dann. reitet der Vernere mit den Hunnen zu Ebel,. ihm

koͤmmt fein Bruder Diether ın Freude entgegen, Buhurt und, Hochzeit mit der Herat. Bald aber kommen wieder Voten von Amlolt hergeeilt, um zu verfündigen, wie Wittige Nas

ben verrathen, und wie Ermrich alle in der Stadt erfihlagen, tanfend Frauen enthauptet und fechehundere Kind gehentt,

und wie er mit einem. Heere von 2ooooo läge im Herzog⸗

tham von Spolet, denn er hat das Harlunge Gold, davon er noch lange gibt guten Sold. Da gebieter Etzel eine Heers fahre nah Gran über acht Wochen, Frau Heide fendet 48 ©aummäre mit Golde roth voraus nah Bern: Bald fans melt ſich ein Heer von 150000 um Dietrih, und damit fährt er bin dur) Sandes gegen, Yſterich, unterwegs: unterwerfen fi ihm wieder Polere die Heichen, und geben hundert Ka⸗

ſtellan: bey Padaume wird Ermrihs Sohn Friedrich gefchlas

gen, Wolffhart fängt Sibechs Sohn Saben, und er wird

352 Sie binden aͤlt. Deut. Gerichte a. d. 8. Fahr. v. Grimm,

vor deu Manern gehenkt. Das Heer zieht weiter gegen Ru ben, die Frauen werden begraben mit großem Leid, und: es | geht num nad Bolonie, wo Ermrich liege. Am Reine (Peiner

Fluß bey Bologna) lagern beyde Heere, der Feind wird. ums " gangen durch die eine Hälfte des Hunnenheeres, Dietrich felbft macht den Angriff, Fener flog freislidh aus Heimen und < Rähterner War, Ermrihs Heer wird durchbrochen. Am Morgen koͤmmt nod König Günther mit: den flarfen Burgos nismann gegen die Sieger geritten, alle auf floigen Kaſtellan mit Eiien wohl bededet. Erf wird nun ein Seurm gefirktten, der härteft der da je geſchah, als ob taufend Schmiede wären mit Hämmern über Ambos gethan, Dietrih und Günther, Volker von Alzan und Wolffhart kommen zuſammen mit Wehr, Schaar nad Schaar wird aufgerieben, am Mittag gelagen alle Guͤnthersmannen todt bis auf 3a, der König ſelbſt wird flüchtig, Geld, Blumen und Gras, alles rinnt von Blute, man fieht die Guͤſſe hinabgehn, als von dem Re⸗ gen thut ein Bach, wohl eine deutfche Raſte weit alles mie Tod: sen voll lag. Ermrich verlor alle die gar, die er hatt ges bracht in den ©treit, der Seinen lebt niemand mehr wann 1100 Mann; Ribeſtein wird errannt und von Ekkewart ers ſchlagen, nur 200 kommen mit Ermrich, Sibig, Wittige und Heinze nach Bolonie. Es folgt die Klage und das . Begraben der Todten, Ruhe der Streitmuͤden bis zum achtzehnten Tage, dann fähre Dietrich wieder gu den Hunnen nad Ebelburg, und wird freundlich empfangen, Helche klagt in ihrem Muthe, die edeln Recken gute, und wer auf dem Wall verſchied. Hie⸗ mit endet ſich das Lied, das zwar in der alten: Form reichen Stoff zu einer fchönen Quida bot, hier aber in fpäterer meis fierfängerifcher Breite und Berweichtheit nur von ſehr mittels mäßigem poetifchem Verdienſt erſcheint, aber fehr wohl bie hiſtoriſche Compoſition jenes Dichtungskreiſes zu erlaͤutern und aufjzullären dient.

(De BBefhtußg fat.)

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No. 23. Beidelbergifche 4813. Jahrbuͤcher der Litteratur.

Die beyden aͤlteſten deutſchen Gedichte aus dem achten Jahrhundert herausgegeben durch die Brüder Grimm.

1 Befhluß der in No. 22. abgebrocdhenen Reenfion, )

W..⸗ die bey dieſer Gelegenheit von den Verfaſſern ent⸗ wickelten, ſehr wohl begruͤndeten Ideen uͤber Dietrich von Bern, Ermrich, Sibich, bie Wölfinger und verwandte Gegenſtaͤnde betrifft, fo werden wir an einem andern Drte Gelegenheit has ben, uns weiter darüber zu verbreiten; bier bemerken wir nur, - dag ſchon der Abt Conrad von Lichtenau, Werfaffer der Urfpers ger Chronik am Anfange des drengehnten Jahrhunderts, über den Zwiefpalt der Pocfie und Geſchichte in der Dietrichsfage nachgrübelte, und zu einem aͤhnlichen Reſultat wie die Verff. gelangte, wobey ihm aber freplich die wahre Erkenntniß des Weſens der Heldenpoefie nicht angemuthet werden darf. Wir führen die‘ in mancher Beziehung merfwürdige Stelle hier aus feinem Buche, Basler Ausgabe ©. 111 an: „Nah Ers wägung aller diefer Umftände mag jeder, dem irgend einige Ueberlegungstraft beywohnt, enticheiden, was davon gu halten, daß nicht bloß in gemeiner Dichtung und in Volksgeſaͤngen aufgenommen, fondern fogar in einigen Chroniken gefchrieben it, wie Ermenreih zur Zeit Martians Über alle Gothen ges herrſcht, und den Dierrih Dietmars Sohn, feinen Vetter, auf Anftiften des Odoacer, gleihfalls, wie fie fagen, als Wetter ihm verwandt , von Verona vertrieben, und ihn gezwungen, beym Hunnenkoͤnig Attila Zuflucht zu ſuchen, da doch Jornandes ausdrücklich erzähle, Hermenreich, der Gothens tönig , Habe zur Zeit des Valens und Walentinians über viele Könige geherrfcht, und ſey von zwey Brüdern Sarus und Ams mins, bie, wie ich glaube, jene find, die gemeinhin (vulgariter) Sarelo und Hamidiecd genannt werden, verwundet worden, und dann beym erſten Vorbrechen der Hunnen aus ben mäatts

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354 Die benden aͤlt. Deut. Gedichte a. d.5. Jahrh. v. Grimm.

fhen Sümpfen unter Valamber theild an der Wunde, theils eus Verdruß über diefen Einbruch geſtorben, Attila aber habe fiebenzig Sabre fpäter in den Catalauniſchen Feldern geftritten,

und fey unter Martian und Balentinian geftorben. Dann erft

habe unter Leo Theoderih, Dietmars Sohn, den Odoacer Kds nig der Nugier und Turcilinguer in vielen Treffen gefchlagen und die Herrſchaft Italiens erlangt. Darum mag eine aufı merffame Betrahtung diefer Thatfachen wohl entfcheiden,, wie es doch, möglich feun mögte, daß Ermenreih den Theoderich Sohn des Dietmar zum Attila entweihen machen, da er doch

feineswegs fein Zeitgenoffe war. Jornandes hat alſo entweder | falſch berichtet, oder der gemeine Glauben trägt, oder ein ans derer Errhenreich und ein anderer: Theoderich find als Zeitger |

nofien dem Attila beyzulegen, durd welche alddann der Wibders ſpruch ausgeglihen werden mag. Denn jener Ermenreich farb lange vor Attila, Theoderich aber wurde nad feinem Tode, oder um die Zeit defjelben geboren im fünften. Geſchlechte von Vuldulf, Bruder Ermenreihs, beyde Söhne Achiulfs, adı ſtammend, deſſen Enkel Eutharik, indem er die Amalafıenta, Theoderihs Tochter, zur Gattin nahm, beyde Linien wieder miteinander verband. Dietmar feinem Vater aber werden feine anderen Brüder beygelegt als Vualamar und Vintimar, wo— von der Erſte zur Zeit Attilas lebend nach deſſen Tode ſeiner Herrſchaft ſich unterwarf, und ohne Nachkommen ſterbend ſei— nem Bruder Dietmar die Regierung überließ, der andere aber “einen gleichnamigen Sohn hatte, der nad) des Waters Tode

Stalien verließ, und nah Ballien gina.“ Man fieht, dieſe

Chroniken lefen, wenn der Abt recht gefehen, gerade wie dad Caſſeler Fragment, wie es fcheint, anders als die Wilkinaſage, die doch ganz auf den Liedern derfelden Zeit ruht; Dietrich flieht vor Odakers Neid nach Hunnenland, und diefer Odaker iſt nihe Ermenrih, fondern Sibih oder Saben. Alles be weiſ't, wie vielfältige Geſtalten die Fabel durchgelaufen, gleicht zeitig bey vielen Voͤlkern und nacheinander in vielen Zeiten, den Letzten ift alles zulege in ein Bild verwachien, wie ein Baum im den Knospen viel taufend Pflanzen tränt, deren jede verfhieden von der Andern, und die doch eins find in ihrer Natur und in ihrem Mutterſtamme. So auch find all

Die beyden At. Deut. Gedichte a. d. 8. Jahrh. v. Grimm. 355

diefe Helden Dietrich und KHiltebrand und Odaker und Ermens reih und Attila blühende Baͤume, die viele Länder mit ihrem Gezweige Überfchatten, und durch lange Jahrhunderte immer diefelben und immer Andere grünen. Alles das iſt in dee Schrift fehr gut entwickelt, und dabey nody recht fcharffinnig auf die Verknüpfung der Dichtung durch Sibih mit der alten Fuchsfabel nachgewieſen. Was den gleichfalls angedeuteten Zus fammenhang des Hiltebrand mit dem Odyſſeus betrifft, fügen wir nur noch aus der Trojanifhen Geſchichte des Dictis von Creta, die man, mie alle Werke dieſer Art, auch achtlos vers worfen, während fie ein Neugriechiſches Erzeugniß der frühes fien Zeit ohne Zweifel auf alten Sagen und jeßt verlornen Urkunden ruht, daß auch Ulyſſes mit dem eignen ohne Thes lagon, den er mit der Circe erzeugt, in Achaia vor feiner Burg fämpfte, ohngeadhter ihn ein Traum ‚gewarnt, und daf ber Süngling unmwiffend den Vater mit der eignen Lanze, die er auf ihn hingeſchleudert, toͤdtet.

Wir muͤſſen den Bemerkungen ein Ziel ſetzen, welche die intereſſante Schrift in ung geweckt. Wir loben zuletzt noch einmal dag Ganze um die treue Gruͤndlichkeit, um die fchöne Liebe zu der Sadıe, um die durchgängige innere Tüchtigkeit, - um die a darin herrſchende Geiſtigkeit. |

Goͤrres.

Erinnerungen von Friedrich von Matthisson. Erster Band. Zürich, bey. Orell, Fuesli und Comp. 1810. Xx u. 4138. Zw.Bd. 413 ©. gr. 8. (Mit einigen niedi. Vignetten.) Die anziehende Darftellungsart des Perf iſt fhon ans

feinen früher erſchienenen Briefen bekannt. Die Vorzuͤge, welche

jene Sammlung auszeichneten , ein heller Blick im Auffafs' fen der Segenflände, ein guter Beobachtungsgeiſt, weifer

Steihmurh und milder Ton in der Beureheilung, metrifchs '

ſchoͤne Darftellungen und ein fehe gebildeter, biühender Vor⸗

trag zeihnen auch diefe Erinnerungen, und zwar in einem. noch höheren Grade, aus. Mur dürfte der Vortrag hier und. da für Proſa vielleicht zu biumenreich feyn, und manchen Schtis derungen fcheint faſt bloß das Sylbenmaß zu fehlen, um

366 Erinnerungen von Fr. v. Matthifon.

maleriſche Poeſie zu ſeyn. Mehrere der im Jahre 1705, und- ‚im: J. ı8o2 in einer neuen Auflage, erichienenen Briefe des. Herren v. M. find, ihrem weientlihen Inhalte nach, wiewohl in’ einer andern Ordnung, mit den fünf in diefem erflen Bande vorfommenden Auffäßen verwehrt; allein überall Wird man die beiferude und fellende Hand des Verf. gewahr. Manches Minderbedeutende,, desgleichen die Ankündigung der künftigen Erſcheinung von Büchern, die damals, als die Briefe heransı kamen, laͤngſt erfchienen waren, wie Gerſtenbergs Minone, Klopſtocks Tod Hermanns u. a. blieb diesmal weg. Einiges mal werden jedoch auch Hier noch Werke als künftig erfchels nend angekündigt, die wenigſtens zur Zeit der Herausgabe diefer Erinnerungen (1810) allgemein, als längft ers ſchienen, bekannt find. So wird, um nur ein Bepfpiel ans zufuͤhren, & 375 bey Aug. Node bemerft, „wir hätten In Kurzem Anen verdeutſchten Vitruv von ihm gu ermars ten.“ Diefer Vitruv if aber [hen 1796 zu Leipgig in zwey Bänden in 4. erfhienen, und da Hr. v. M. fih nicht fireng an die Zeitfolge bindet, und Erinnerungen aus frühen und

fpäten Jahren an einander reihet, fo hätte dieſe Notiz ente

weder anders geftellt oder doch nicht ohne eine Anmerkung ges geben werden follen. Drey andre Bände werden noch auf diefen erfien folgen, und dieie Sammiung,, die gewiß viele theifnehmende Leer finden wird, befchließen.

Wir gehen zu den einzeinen Anfläßen des erfien Bandes

“über. I. Der große Bernhardsberg S. 1 16. Diefe ſehr anzgiehende Beſchreibung las man fchon mit Ver gnügen in dem erften Theile der Briefe; hier aber find die Materien noch. befler, als dort, geordnet, und die ganze Dars fielung zeigt von der glädlichen Zeile des nach mmer groͤßerer Vollendung ſtrebenden Verfaſſere.

IE. Die Feljentuppe von Mayenne. ©. 17— 30, Auch dieſe fchöne Schilderung kennt man ſchon aus dem 15. Briefe der erſten Auflage. Außer mehreren glädlichen Der defferungen im Ausdrucde und einigen paffenden Auslaffungen, findet man bier auch ein finnvolles Gedicht: Die Alpenı Hirten; wiederum abgedruckt in der: neueften Sammlung der. ei ſchen Gedichte ©. a11.

Erinnerungen von Fr. v. Matthiſſon. 387

HE Darfteliungen aus Frankreich: in drey Abs ſchnitten. ©. 31 154. Merkwärdige Züge aus dem Naties nals Charakter der Franzoſen, Nachrichten von ihrem Theater, Beſchretbungen intereffanter Kunftwerke und Alterthümer, und lebendige Schilderungen reigender Gegenden wechſeln hier aufs angenehmfte mie einander ab. Uebrigens las man die meiflen der bier mitgetheilten . Bemerkungen des Verf. über Lyon, Avignon, Vaucluͤſe, Cette, Niemes, Montpellier u. ſ. w. fhon in feinen Briefen. Aber auch Hier ſtoͤßt man auf manche gluͤckliche Verbeſſerung in der Darftellung. Eine der trefflich⸗ fen Schilderungen, die des Hafens bey Cette möge bier als Probe der Darftellungsart des Verf. fiehen: „Ein feis fher Seewind (heißt es ©. 155) tühlte die Wärme des Abende. Die Matrofen ſchwammen zwiſchen den Schiffen im Hafen, und die Fiſcher fangen in "ihren Barken. Ich flieg hinter der Petersichafize hinab, umd warf mich in die lauen

Fluthen. Mir der Wonne wird vieleicht felten gebadet. Die Geſchwader der Karthager, Syrakuſer und Römer gingen vor meinem Geiſte vorüber; die großen Schatten der Scipionen äber den Waſſern, und Blagende Stimmen der Heldenvoͤlker ſchollen, aus ihren fernen Gruͤften, über die unsrmeßliche Meeeresfläche, welche fie vormale herrfihend ummehnten. Ich ging nachher noch lange auf dem Mols fpagieren. Allmaͤlig verſtummte das Getuͤmmel des Hafens, und man hoͤrte nur noch von Zeit zu Zeit in den Schiffen das dumpfige Laͤuten der Betglocke. Lange fchom hatte die Flamme des Pharus ger lenchtet, als ich in den Gaſthof zuruͤckkehrte. Goldene Bilder ans Athen, Miler und Lesbos wirkten fih in meine Träume‘; die freundlichen Seftiene, unter deren Einftüffen die glücklichen Suͤdlaͤnder, durch überfchwenglihe Fülle des keimenden und fruchtenden Lebens, in ewiger Fruͤhlingsjugend frohlocken, fcheis nen einladend niederzuſchweben, und der entförperte Himmels⸗ chor ihrer feligen Bewohner fang in leiſen Geiftertönen : Hoffe freudig, Hoffe muthvoll, Pſyche, bis zur Morgenröthe‘ der losgebundenen Schwingen! Hoffnung iſt die Bluͤthe des Gluͤcks!:«“

. IV. Beyer des Wiederfeheng ser dem Schlofſe Bodmer. ©. 166 178. Ein Beſuch bey dem Dichter

3585 Erinnerungen von Fr. v. Matthiſſon.

v. Salis, aus dem 8. Briefe des zweyten Theile der Briefe, fon bekannt. Aus einem andern Briefe jener Sammlung

iſt auch ein Beſuch des Kern v. Galis bey Herrn v. Matı -

thiſſon eingeruͤckkt. S. 1659. 160 wird dem edlen Wirich von Hutten ein verdientes Todtenopfer gebracht. Außer einigen

- glücklichen Verbeſſerungen im Ausdrude, ſtoͤßt man in dieſem

Auffaße auch auf einige gelungene neu binzugefommene Stellen.

V. Vaterlaͤndiſche Beſuche. ©. 179 413. Au diefe Nachrichten (a8 man größtentheits (hen ehemals in ben Briefen des Verf. mit Vergnuͤgen; nur mit dem Unterfchiede,

- daß man die aus verfchiedenen Jahren und von verfchiedenen

[)

Reiſen Herrührenden Notizen hier in ein Ganzes concentrirt, und mit manchem angenehmen Zufaße bereichert findet: Mans

ches, was nur die Empfänger der Briefe irtereffiren Fonnte,

ift hier weggeblieben. Die Bemerkungen des Verf. erſtrecken fih über Konſtanz, Mörsburg, Memmingen, Ulm, Stuttgart, Heidelserg, Mannheim, Frankfurt am Main, Marburg u. f. w. Außer der Erwähnung einiger Marburger Gelehrten, fins det man auch eine kurze Beſchreibung des bekannten Monu, mente der heil. Elifaberh in der dafigen gorhifch « prächtigen Elifaberh Kirche. Der trefflichen, über fünf Altäre diefer Kicche befindlichen und. größtentheils von Albreht-DAree berrührende Gemaͤlde und Schnitzarbeiten findet man jedoch nicht erwaͤhnt. Auffallend aber war es ung, Hier ein Urtheil des Verf. wie der abgedruckt gu finden, das uns fchon ehemals, als unkuͤnſt⸗

leriſch, in den Briefen mißfallen hatte, Nachdem naͤmlich

Hr. v. M. das merkwürdige und in feiner Art einzige Mor nument der heil. Eliſabeth deflen auh Hr. Fiorillo in feinen Meinen Schriften, als eines intereffanten Products aus der letzten Hälfte des dreyzehnten Jahrhunderts, erwähnt befchrieben Hat, fügt er folgendes hinzu: „Kein Menſchen, freund wird den frommen Wunſch unterdrücken koͤnnen, dieſe, den Aufſchließer ausgenommen, keinen Sterblichen zu Nutz und Frommen gereichende Gold s und Silbermaſſe, aus dem oͤden Gewölbe befreyt, und, sim Beten wohlthaͤtiger Stiftungen, unter dem Praͤgſtocke der Münze zu fehen; beſonders in eis

. nem Lande, wo fd. viele Wittwen und Waifen, deren verkaufte

Erinnerungen von Fr. v. Matthiſſon | 359

Männer und Väter in Amerika modern, die Igerechteften Ans fprähe auf Entſchaͤdigungen haben, welche nicht allzu tief uns ter ihrem Verluſte find.“ (Kann man wohl gebliebene Gatten und Väter: auf irgend eine Art mit Geld bezahlen?) „Der Geiſt der heiligen Eliſabeth ſelbſt würde ſich dieſer Verwand⸗ lung freuen: denn ſie war eine großherzige Frau, die auf

‚jeden Seufzer lauſchte, um ihn zu ſtillen, und nach jeder

Thraͤne forfchte, um fie zu trocknen.“ Nachher wird dieſes Kunftwert noch einmal, eben fo unkuͤnſtleriſch, eim todter Mammon genannt. Was würde aus dem intereffanteften Kunfts werfen der Vorzeit werden, wenn man faufmännifch nur den größeren Nußen berechnen wollte, ‘den fie, in Geld verwans deit, gewaͤhren würden? Könnte man nicht, eben fo konſe— quent, auch rathen, die trefflichen Aktargemälde und Schnigr arbeiten von Albrecht Dürer, welche diefe Kirche zieren, an die Meiftdietenden zu verkaufen, und von dem gelöf'ten Kapital Allmofen auszurheilen, oder fromme Stiftungen zu gränden ? Ueberdies bedachte Hr. v. M. nicht, wenn er von „Wittwen und Waifen redet, deren verkaufte Männer und MWäter in Amerika moderten,“ daß dem ehemaligen Negenten von Heſſen weder die Elifaberhs Kirche, noch deren Schäße angehörten, fondern ein Eigenthum des erſt feit Kurzem auf; gehobenen Deutfhen Ordens waren. ‚der mit dem Amerikani⸗ ſchen Kriege nichts zu Schaffen hatte! Und gab und gibt es nicht, und wird es nicht in allen künftigen Zeiten Kriege ge, ben, woran auswärtige Kälfstruppen Antheil nehmen müffen, ohne daß der einzelne Bürger oder Krieger fich lebhaft für die Sache interefficen folte, um deswillen er kämpfen, dulden sder fallen muß? Es ift vielmehr . Sache der jebesmaligen Landesregierung, darauf bedacht zu feyn, die Wittwen und Waifen der Gebliebenen und die Kinder der Verſtümmelten, fo wie diefe Ungluͤcklichen felbft, aus der Staatskaſſe zu vers forgen , ohne. deshalb ehrwärdige Kunftdentmale in Elingende Münze zu verwandeln! Uebrigens bat auh Kr. v. M. den Geldwerth des Monuments viel zu "hoch angeſchlagen. Vielleicht findet fi der würdige und unbefangene Verf., nah einer genauern Prüfung unferer Anfiht, bewogen, dieſelbe

„auch zu der feinigen zu mahen. Ueber Göttingen und

"860 Erinnerungen von Fr. v. Mathiſſon.

mehrere dortige Gelehrte ſagt Hr. v. M. viel Intereſſantes. In den Briefen ging er von da gleich nach Hamburg uͤber. Hier aber iſt erſt nöh Manches aus dem 5. Briefe des i. Bds. über Hannover, Herrnhauſen, Marienwerder u. ſ. w. einger ruͤckt. Bey Hamburg iſt wieder in Eins zuſammengeſchmolzen, was Hr. v. M. ehemals im 1. Br. des 1. Bos. und im 16. Br. des 2. Bobs. (nach der erfien Aufl. der Briefe) in den verichiedenen Jahren 1785 und 1794 beobachtet und aufgss ſchrieben hatte. Bohn Klopftioch, dem Schaufpielee Schröder und dem Dichter Claudius komme hier noch mancher inters eilanter Zug vor, wovon die Brief: Sammlıng des Berf. nichts enthielt. Dann geht es über Luͤneburg, Braunſchweig, Krakau bey Magdeburg ( wo eine rührende Szene des Wieders fehens vorkommt), KHalberfladt, mo man auf mehrere anges nehme Zufäge flöße, die Gpiegelberge,. Wernigerode und hierauf folgt eine kurze, gefuͤhivolle Schilderung der herr⸗ lichen Sarten s Anlagen zu Woͤrlitz, mit ein Paar neuen Zw fäßen und Wendungen. &o hieß es 4. B. fonft in den Briefen, Bd. 2. ©. 186: „Du haft die intereffanteften Länder unſers Welttheils geliehen, lieber Bonuſtetten! und befonders in Italien, Frankreich und England, jede dir erreichbare Blume des Schönen, Großen und Nuͤtzlichen gebrochen: aber denne würde, bey det Meife durch das Fuͤrſtenthum Deffan, frohes Erftaunen fih deiner Seele .bemädtigen“ u: ſ. w. In den Erinnerungen, ©. 577, wird dies alles, "mit wenig ver änderten Worten, von Forfter gefagt: - „Frohes Erſtaunen bemaͤchtigte fich der ſchoͤnen und großen Seele Georg For ſters, welcher den Erdball umſeegelt, und in den intereſſan⸗ teſten Ländern unſers Welttheils jede nur-irgend erreichbare Blume des Großen, Schönen und Nuaͤtzlichen gebrochen hatte, bey den reigenden Anfichten des Fuͤrſtenthums Deffau“* u. f. w. Seite 579 fg. kommt ein Zuſatz Über Wörlig vom J. dor vor, worin der Verf. einige Anfihten und Aeußerungen eines Ungenannten in einer Anmerkung zu des Hrn. v. Bonftets ren Aufſatz über die Gartenkunſt inshefondere was den Wohnpalaſt zu Woͤrlitz betrifft berichtige. Bey Weimar verweilt der Werf. mit Liche, und erzählt manches Erfreulich

Erinnerungen von Fr. v. Matthiſſon. 361

vn Wieland, Herder, v. Knebel ua. Bey Herd ep it auch won ber künftigen Herausgabe der (ſchon im J. 1796 erfhienenen ) Deutfhen Bearbeitung der ſchoͤnſten Poeſieen des Jakob Balde die Rede. „Bey Knebel Hingegen heifit es: „er babe vom Properz eine das Urbild ehrende Kopie vols lendet.“ Diefe Weberfegung erichien aber erſt 1798. Indeſſen koͤnnte die Ueberſetzung wirkiih ſchon im J. 1794, wo Sr. v. M. in Weimar war, vollendet geweſen, aber erfi 4 Jahre fpäter erfchienen fen. S. 395 fg. wird Knebels, aus Herders Adraften bekannten, Beſuchs bey dem treffliihen Dichter Joh. Niklas Goͤtz zu Winterburg erwähnte und des gänftigen Urtheils gedacht, welches Friedrich der Große Öber die Maͤdcheninſel diefes Dichters fälle. Mufäus und Bode erhalten ein verdientes Todtenopfr. Daß Albrecht Dürer auch Gchriftfieller war, und ein Buch vom der menſch⸗ lichen Propertion und Porträtmalerey ſchrieb, ift doch fo ums befannt nicht, als Hr. v. M. ©. 411 vermuthet. Mit ber Ankunft -des Den. v. M. in der Gartenwohnung bes Ken. v. Bonftetten, unweit Bern, fchließt dieſer erſte Band der Erinnerungen

Nach diefer ausführlichen Anzeige des erfien Bandes Deus ten wir noch fürzlid den Inhalt des zweyten an, deſſen Inhalt nicht weniger anziehend , als der des erften, if. Wir finden Hier folgende Anfiäße: VI. Seefahrt nach Kopens bagen. 1794 (©. ı 54). Zwar ‚größtentheils ſchon aus dem 2. Bande der Matthiffon’fhen Briefe bekannt, Hier aber _ verbeffert und mit einigen intereffanten, Zufäßen vermehrt. VII. Wanderung nah dem Stocdhome, an J. ©. v. Salis. 1794 (8.5576). Gteihfalls aus dem legten . der Briefe des a. Bandes bekannt, Hier aber verbefiert und vermehrt. Unter andern liefet man die fchöne poetiſche Er⸗ gießung ©. 75 hier zum erfienmale. VII. Die borromäts (hen Snfeln 1795 (8. 77—95). Erfheint bier zum erſtenmale. Leider! aber erfährt man, Einige artige Anekdoten und gefühloolle Aeußerungen uͤber die reizend⸗ fhöne Gegend abgerechnet, nicht viel von, den Inſein und deren Beſchaffen⸗ bei. IX. Reife von Lauſanne nad Aoſta. ıdoı .

362 ‚Erinnerungen von Fr. v. Matthiſſon.

(8. 99 204). Ein reichhaltiger intereſſanter Aufſatz! Cu niges iſt zwar auch fchon aus dem 2. Bd. der Briefe bekannt. Man finder aber auch hier manchen erfreufihen Zuſatz. Anı ziehend find unter andern die Nachrichten von Gibbon,

Chandler, Sorani, Alfieri, des Verfaſſers Ä Herzensergießung über feine Freundſchaft mit dem edlen Bon

fetten, u. a. m. X. Acht Tage in Paris. An den Fürkten von Anhalt Deffau, 1805 (S. 207 274). Ein nener Aufſatz. Der Verf.‘ hat feinen kurzen Aufenthalt in ver

merkwuͤrdigen Kaiſerſtadt fehe gut zu denutzen gewußt. XL

Acht Tage in den Alpen. An den Erbprinzen von Med Ienburg ; Strelig. 1804 (S. 277 354). Diefer Auffas if einer- der angiehendften dieſes Bandes; veih an ſchoͤnen Schik derungen: und intereffanten Anekdoten, aber keines Auszugs faͤhig. Eben fo ſchoͤn iſt der XII. Aufſatz: Wallfahrt nad der großen Karthauſe bey Grenoble An J. ©. v. Sulis. 1808 (&. 357 418). Wir können uns nicht -enihakten, folgende Stelle aus diefem letzten Auflage herher zu feßen: ‚Trotz dem feurigen Weine von Aſti, blieb mein Gemuͤth beym Hinblicke nad dem verhängnifvollen Schlachtfelde von Marengo , nur ernſten und duͤſtern Berrady tungen HYirgegeben. Mir war, als fliege, glei) einem Geiſte Oſſians, der Schatten did Biederfien der Heerführer alle Zeitalter und Mationen, des tapfeın Defatr. dem Partheys wuth und Rottengeiſt bis zur Erbitterung verhaßt, Pflichtge⸗ fuͤhl und Ehre bis zur Andetung ‚heilig waren, und welchen

. fogae die Voͤlker am Nilftrome durd den Namen des gerechten

Sultans ehren, hinter den fchirmförmigen Wipfeln der Pinien zuͤrnend empor, und fordern mich auf, fein. lebted, nur me nigen befanntes Heldenwort in das Gedaͤchtniß der ihm Ge rechtigkeit gewährenden Mitwelt zu prägen. Ich verdanke «6 einem edlen Krieger, den ich. im Jahre 18083 von Straßburg nad) Paris: begleitete, und in deffen Armen Defatxr den be neidensmwerthften aller Tode ſtarb. Die ſchoͤne Tirade, melde die Zeitblärter ihm in den Mund itegen, und der nur das

Alexandriniſche Versmaaſi mangelt, um ganz theatraliſch a

ſeyn, gehört auf die Lippen eines Salliihen Roscius; aber fo gefuht und ſtudirt fpriche kein Zeldherr, dem die eifige

8.8. Huber's fämmtl, Werke, 383

‚Hand des Todes ſchon an das Herz greift. Er denke nicht am die-Stimmfammlung der Nahmelt zu feiner Apotheofe, fons dern nur an den entfheidenden Moment der großen Begens wart: „Won neuem kann der Sieg ſchwanken, wird dein Tod ruchtbar vor der Zeit.“ Schnell, wie die Kugel, die ihn traf, ſchlug in feine Seele diefe Vorftellung ein, und ſprach fih, mit erhabenem Lakonismus, in ſeinen letzten aus: „Stille davon!“ (N’en dites rien!)

Auch das Aeußere dieſes Buche tft heſchmackool, ah jes - der Auffaß mit einer niedlihen Vignette geziert. Möge der wärdige Matthiffon ung bald mit den beyden folgenden " Bänden befchenten ! 6;

2%. 5. Huber’& fämtlich: Werke feit dem Jahre 1802. Zweiter Theil. Tübingen 1810. bey Cotta. 484 ©. (Der erſte Theil, welches 1806 erfchien, enthält Hubers Biographie und frühern Briefe.)

Durch den Tod des waderen Huber haben nicht bloß defs fen nähere Freunde einen bedeutenden Verluſt erlitten, fondern auch die ganze gebildete Lefewelt, vermißt durch ihn einen Schriftfteller, der fih durch eine gewiſſe Afthetifche Rechtlich⸗ keit und Geradheit auf eine erfreuliche Weife bemerkbar ges macht hatte. H. ermangelte freylich der eigentlich gelehrten Bildung, fein Geiſt war nicht genaͤhrt durch das Studium der Aiten, nicht mit Sicherheit ausgebildet durch Logik und Philoſpphie, und wir muͤſſen ihm ſogar einen bedeutenden Umfang und Tiefe des Geiſtes abſprechen, doch wenn ſich dieſer Mangel durch irgend etwas erſetzen oder verhuͤllen laͤßt, ſo konnte man in der That bey H. zuweilen in Verſuchung kommen, jene hoͤheren Anſpruͤche zu vergeſſen. Man fand bey ihm ein redliches, durch Leiden geſtaͤrktes, liebevoll klares Ger muͤth, den eigentlihen Boden, auf dem allein die Poeſie fi) erzeugen kann, die nie mit einem unreinen oder fehmächs. lihen Herzen ſich vertragen mag, man erfannte in ihm einen nicht gewöhnlichen combinatorifhen Scharffinn, einige‘ gute leitende Aftherifche Anfichten, einen Styl, der anfangs freylich von einer gemiffen Muͤhſeligkeit erkaͤltet, ſich in den. letzten

364 2. 3. Hnber’s- ſaͤmmtl. Werke,

Sahren zu mehrerer Freyheit hindurch arbeitete u. f. w. Se ift es denn als ein verdienfllihes Werk anzuerkennen, daß man uns. eine Darftellung feines anziehenden Lebens gegeben, und den Anfang gemacht hat, mehrere feiner zerfireuten Schriften nebft denen noch ungedrudten zu fammeln. H. felbft war ein guter aͤſthetiſcher Deconom, und ließ gewöhnlich feine Auffäge und Erzählungen das Publikum zweymal leſen. Wir wollen ihm damit keinen befonderen’ Vorwurf machen, fondern une gern erinnern, daß jede Schrift, die miche werth iſt, mehrere Male gelefen zu werden, auch nicht verdiene, daß man fie ein. einziges Mal durchblättere. Bey den meiften Werken H's

sgritt der erftere Fall wirktih ein.

Ein nicht geringer Theil der vorfiegenden Schrift enthaͤlt Kritiken aus der allg. Lit. Zeit., dem Frepmäthigen u. f. w. (S. 105— 242) Wenn wir erwägen, daß mit Ausnahme einiger wenigen Beſſern, in den achtziger, und hefonders im

Anfange der neunziger Jahre, die aͤſthetiſche Kritik der Deut

fehen gar Praftios und ichläfrig betrieben wurde, indem, damals die faſt ausſchließliche Hinneigung zu einer meiſt oberflächlichen Politik die Fortſchritte in der Kritik dee Kuͤnſte hemmte, fo werden wir mehrere der Huberſchen Recenſionen für ſehr aus gezeichnet erklären muͤſſen. So if 5. B. die Kritik von Goe⸗ thes Schriften (vom Jahre 1792, ebenfalld abgedrudt, in H's vermiſchten Schriften, Berlin 1793.) das fruͤheſte gute, Bar anerkennende Wort Über den trefflichen Schriftfteller. Ihr gegenüber ficht. als entſchieden verfehlt, die Kritik von Klop⸗t

ſtock's Hermann’s Schlacht, in. weiches Wert H. nicht ſonder⸗

Ti) fi zu finden wußte (©. 110— 120).

Noch muͤſſen wir hier der Krititen der Goethiſchen Nar türlichen Tochter, des ehedem gar fehr gepriefenen, von H. aber faſt annihilirten Grafen Donamar u. ſ. w. mit gebuͤh rendem Lobe gedenken; vermißt haben wir die des Schlegel⸗ fhen Achenäums, dee Nomantifhen Dichtungen von Tieck, det £una von Horn, bes Alarcos u. f. w. Trifft H. in bielen

Mecenſionen zumellen auch in das Blaue hinein, fo if denn

doch der Anftand, mit der er die Bade treibt, anziehend, und es tft deshalb zu wuͤnſchen, daß man in dem folgenden Theile forefahre, uns die Kritiken ſaͤmmtlich mitzutheilen, die

2. F. Huber's ſaͤnml. Werke, 366

In den einzelnen Journalen und Zeitungen zerſtreut, fo ſchwer aufzufuchen find. N

Wir erhalten ferner in diefem Bande Briefe,. aus dem Anfange der neunziger Jahre, faft ganz politifhen Inhalts. Wir wollen diefe Briefe nicht recenfiren, da fie jetzt durchaus veraltet find, und eigentlih nie für den Druck veſtimmt was ren; nur das wollen wir bier nit verhehlen: Haͤtte H. den Tacitus gekannt, diefen ewigen Eoder der Adyten Politik, er würde jene Briefe ganz anders gefchrieben haben, und Yon manchen fchmerglihen Täufchungen, die binterher nicht auss bleiben konnten, frey geblieben feyn. i |

Wir erhalten Hier ferner Erzählungen („Das eins fame Todesbere“ und „WWBeltfinn und Frömmigkeit“), benen die legte Hand noch fehlt; doch vermiffen wir diefe lebte Hand nicht ſonderlich, da fie doch nicht die Poefie würde haben bins ein zaubern kaͤnnen, die leider gänzlich mangelt. Leider muͤſſen wir fogar noch hingufügen, daß wir bier auch eine gewiſſe Laxitaͤt in der Anficht des fittlichen Lebens wahrgenommen has ben, die durch einige fchimmernde Halb: Philosophie ſchlecht verhuͤlt worden if. Es ift uns um fo fchmerzliher, dieſen Vorwurf Hier niederlegen zu muͤſſen, dba uns, tie wir durch⸗ aus wicht. verhehlen wollen, Huber als Menſch fehr theuer war, und auch die meiften feiner anderen Schriften von einer aͤhnlichen Vorwurf völlig frey bleiben. : : Endlich erhalten wir hier auch noch Bruchſtuͤcke von Schaus fpielen. H. ſprach ſich ſelbſt oftmals mit beicheidener Selbſt⸗ kenntniß das dramatiſche Talent ab, dennoch trieb ihn oftmals eine unbeſiegliche Neigung dazu hin, und er lieferte dann, was ein geiſtreicher, aber unpoetiſcher Schriftſteller liefern kann. Der bier angefangene ‚Jaäffieri“ ermangelt leider der tragifhen Kraft, der fortgefeßte Deutihe Hausvater (vom. Semmingen) wäre unferes Erachtens nichts Weiter geworden, als ein mittelmäßiges Familiengemaͤlde, wie wir deren ſchon zue Gnuͤge haben. Es if ſehr wahr, daß wir Deutfhen den tiefen und wahrhaft heiligen. Sinn des Familienlebens rein und Präftig in. unferem Kerzen aufbewahren; dech eben fo rein und Präftig dargeftellt habe wir diefen Sinn wenigſtens auf, der Bühne noch niemals. Was dort in diefer Hinſicht gegeben wurde , war meiftens nur. Liebäugetep, oder Weichlichkeit oder engbräftige Werzagtheit. j |

Am meiften dürfte zu bedauern feyn, daß das Fleine ans gefangene Luftipiel „der Rauſch von geftern“ nicht vollendet worden iſt, wir hätten in ihm ein fein gedachtes Diminutios Drama erhalten, das, mit Liebe und Sorgfalt auf der Bühne dargeſtellt, gewiß eine recht erfreuliche Stunde würde gewaͤhrt

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366 F. H. Bothe's antikgemeſſene Gedichte, -

haben. Möge uns H's Andenken ſtets thener bleiben. Was er wirklich erſtrebt hat, ſteht oft tief unter dem Ideal; doch was er wollte, mit ganzer Seele wollte, war rein und groß und herrlich.

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8. 9. Bothe's antifgemeffene Gedichte, eine Achtdeurfche und Stettin, bei Ir. Nicolai 1812. XXIV und 196 ©. l. 8.

„Griechiſche und Lateiniſche Negeln der Wortmeſſung ans zunehmen, iſt nicht partheyiſche Vorliebe für Griechen und Las teiner,, fo verzeihlich die hohe Bildung beyder Nationen auch eine Solche Vorliebe machen würde; es iſt vielmehr die Webers zeugung , daß diefe Regeln nicht fowohl die eines einzelnen Volkes, als der Matur felber find, oder mit andern Morten: daß Hellas, Noms Lehrerin, die in Rebe ftehende Kunft auf ihre erſten Sünde zuräcführte,, die in größerem oder gerins gerem Maaß auf alle Sprachen anmendbar find.“

Nach diefen Worten der Vorrede glaubte Nec. nichts ge⸗ wiſſer, als die Geſetze der Deutſchen —* von Hrn Bothe eben ſo mißkannt zu finden, wie ehemals von Conrad Geß— ner, und fpäterhin von Claius, der in feiner Grammatica : Germanicae Linguae Hexameter gibt, wie:

Ein Vogel hoch ſchwebe, der nicht ai andere febet. ; und Sapphifche Zeilen, wie:

£öbe mit mondin- der ob allen n Himmeln

Did mit Heil ſeret benedeyt, regieret.

in denen die Roͤmiſche Sylbenmeſſung unſerer widerſtrebenden Sprache mit Gewalt aufgedrungen iſt Aber zu feinem Erftaus nen fand er die Verſe in den Gedichten, bie auf einige, die für verunglückt gelten mögen, meift richtig. gemeſſen. Hert Bothe fpieit Uzens unſchuldiges Spiel, nur nicht völlig fo unfchuldig, und gibt ung für antif gemeffene Gedichte, was ächt Deutſch gemeffene find, die nur zufällig mit. der alten Meffung übereinftimmen. 3. DB. A

Malle dahin muthvoll, du in die Ehen;

Welche du four anfhaun und Bändigen! Hörft du den Anruf

Der Drommete? Sie fagt: „Auf, auf, Da die heilige Fahne 0 m Wehr des Vaterlands! auf, du den göttliche Geifter

u

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F. 9. Bothe's antitgemeſſene Gedicht. 367

„Winken hinauf, ſich nach, die erhabene ſonnige Ruhmbahn, „Dem Ahnherrn! Durch Nacht und Sturm und Drachen hinan ſchwebt ae: „Steil der Weg: jedoch oben umher wohnt liebliche Klar⸗ | eit „Emwiger Himmeldfterne.* 9

Wenn wir den Pleinkönfigen Anfang des dritten Verſes aus

nehmen, und den Matthiſſonſchen Unpyrrhichius jedoch, fo ift fein Verstaft, der ſich nicht vertheidigen ließe (denn die

paar trochäifchen, von denen Himmels noch dazu „Sponda’s

fhwebenden Gang“ nahahmt, duldet der Deutihe Hexame⸗ tee), und die’ meiften find fogar vorzäglih fhön. Eben fo verhält es fih durchgängig mit den Elegiihen, Sapphiſchen, Asklepiadifchen und anderen Versmaßen diefer Sammlung. Aus &. XXI der Vorrede fehen wir, daß Hr. Bothe, durch Tiedgens und Bieflers Beyfall, und die Mevaille

des erhabenen Fürften Primas ermuntert, nocd weiter zu-

gehn geſonnen iſt. Hier erheiicht die Recenſentenpflicht, ihm ein warnendes Diſtichon zuzurufen, welches ihm zugleich das Ziel, wohin er gelangen wird, vor Yugen ftellen mag:

\ N Bothe, dein antikes Splbenmaß, dad du fo empfiehlſt Pruͤfe mit Acht deutſchem Geiſte doch und kritiſchem! | D.A E.

PN a"

Archäologie der Kirchendogmen von Joh. Ulrich Röder. Coburg im Meufel. Leſeinſtitut. 1812. VI und 266ind.

Nah der Vorrede hat der Verf. nah 55 Dienſtjahren im 67. Jahre feines Alters, als Director der herzogl. geh. Canzley, Canzler der Negierung und Präies des Confiftoriume zu Coburg, wegen Kränklichkeit feine Dimiffion genommen. Aus alter Liebe für das Studium der Theologie wendete er, bey wiederkehrender Ruhe und Kraft, feine Zeit auf biblifche und claffifhe Philologie, Kirchengefchichte und andere theol. Huͤlfswiſſenſchaften. Gewohnt mit der Feder in der Hand zu tefen, notiete er fich vieles. Einen Auszug dardus, nach den Artikeln der Dogmatik geordnet, gibt er als ein Greis von „2 Sjahren im gegenwärtigen Werke, welches vornehmlich durch, Vergleihung jüdiiher und anderer Volksmeynungen und ‚ges

lehrter Dogmen die Entſtehung mancher chriftliheer Dogmen oder dogmatiſcher Formen freymüthig und. oft fehr richtig be⸗

ieuchtet. Sogleich anfangs werden die hiſtoriſchen Belege angen

Ed

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A

368 Archäslogie‘der Kirchendogmen don J. U. Röder,

geben, daß die erften Chriſten lange Juden blieben, nur "mit dem Unterfchied daß fie an Jeſus, als den gekommenen Meſſias und als Reformasor des Judenthums gegen Phariſaͤis⸗ mus und Sadducäismus, glaubig geworden waren (Apg. 21, 20.), da Jeſus feld, nad feiner göttlichen Lebensflugheit, . nit anders zerftören zu wollen, als durch Aufbauen des Beſſe⸗ ren, nur das Geſetz zu -vervolllommnen,, Matth. 5, 17., nes benbey aber noch Opfer und fogar Säße der Traditionarıer (Matıh. 23, 2. 23. )-zugulaffen geneigte war, „bis alles ges ſchehen ſeyn mwÄrde.“ eu; navra yernca. In der Stelle bey Sueton , wo Tiberius die Auden und similia 'sectantes aus Rom verweift, findet der Verf. die judaizirende Chriſten, . al. Apg. ıB, 2. Wenn Juden ınd Griechen neben einander fliehen, als zum Chriftenthum gerufene, wie Röm. 2, 9. 5,9 a. Cor. ı, 20. 10, 32. , fo verfteht der Verf. unter den legteren nur fogenannte Fromme oder Gottfuͤrchtende Apg. 13, 16. 17, 2. 4. , d.h. jüdifch gewordene. Bon den Griechen feyen viele feit den Roͤmerkriegen mit Perfeus, mie Korinth ꝛc. als Sclas ven verfauft, auch an Juden nach der Erlaubniß Lev. 25. 44 gefommen und Profelyten geworden (Joſeph. ctra Apion. '2,5.), da, nad Cicero und Juvenal, der Hungrige Grieche alles zu thun fähig geweien fey. Unter den Bapßapoıs Röm. 2, 14. verfieht der Verf. Auden zu Rom. Wie hätte Paulus geborne Römer damals Barbaren nennen dürfen? Bis nad der Zerſtoͤrung Jeruſalems feyen alfo meift nur Juden und Judengenoſſen, Weffianer nah Jeſu Lehre ChHriftianer, geworden. ( Doch haben unflreitig auch manche Heyden den Monotheismus aus herzlichen, oder philoſophiſcher Weberzeugung angenommen.) Auf ähnliche Weite hat des Verf. faft bey jes dem Artikel minder gewöhnliche Bemerkungen, welche die Dres fung veigen und gugfeich duch Gedrängtheit angenehm werden. Auch Philo, auch die Kabbala werden benußt, und Schriften, welche nody nicht zu vergeffen find, wie Gruners, Heilmannd Dogmatifen, in neues Andenken gebrachte. Wie felten iſts, daß befonders Männer, welche duch ihre Studien und Ge fhäfte gewöhnt werden koͤnnen, wie vieles andere, eben ſo auch die ethiſche Welt, zu welcher die Theologie gehört, nad dem Typus der Außeren Geſetzgehung, der politifhen Net verträge, der bürgerlihen Straf s und Genugthungstheorie zu betrachten , die reine Neigung in ſich erhalten, wor allem, wo nicht den philofophifhen und pſychologiſchen, doc den hiſtori⸗ ſchen Entfehungsgrund aufzufuchen und anzuerkennen ! | 2. ©. Paulus.

No. 24. Seidelbergiſche 1813. Jahrbuͤcher der Litteratur.

Josephus et Carolus Wehzel de penitiori structura cerebri ho-

minis et brutorum cum quindecim Tabulis dwctis in

aere et totidem linearihus. Tüubingae apud Cottiam.

Dorrede XIV S. 6 Tabellen und. 354 Bogen. l. ur

* > Du (don in einem eigenen Prodromus vor drey Jahren diefem Werke vorahgegangene Anfündigung, der viel vers fprehende Titel und ſelbſt auch das fpiendide mit fo vielen Kupfertafeln ausgerüftete fo voluminoͤſe Werk felbft, berechtigen ig der That zu großen Erwartungen.

Dit diefen Hoffnungen. erfült begann der Rec. die Durchs leſung diefes Werts, und nahdem er ſich mühfam durch dass felbe, wie durch eine fandige Steppe durdigewunden, fol er getreulich erzählen, was er fand, und was er Über das Ganze urtheilt. Die Verf. Heginnen ihr Werk mit der tabels lariſchen Anfiht: Die Vergleichungen der Fänge und Breite det großen und Eleinen Gehirns bey Foetus, Kindern und Er⸗ wachſenen maͤnnlichen und weiblichen Geſchlechts, wobey Rec. vorzüglich aufgefallen iſt, daß das Gehirn eines 115 jährigen Knaben 5 Zol Länge und 4 Zoll 3’ Vreite hatte, das eines fehsjährigen 6’ Länge und 5’ 6’ Breite, und dag eines ausgewachfenen Mannes von 26 Jahren nur 5” 10’ auf 5” Breite maß. Das Meine Gehirn hatte an Kindern und Erwachfenen erftens =’ 6 auf 4 Breite: Sollten: diefe Beobachtungen richtig feyn, woran Nec. jedoh ſehr zwei⸗ felt, fo würde wenigſtens Gall's Meynung dadurch fehe wider lege, welcher naͤmlich behauptet, Laß das Meine Gehirn in den Sahren der entwickelten Manndarkeit fo fehr an Ilmfang ' zunaͤhme. Eine zweyte Tafel enthält die Ausmeffungen der‘ Gehirne verfhiedener Säugthiere und Vögel. Eine dritte Tas fel enthält das Gewicht des ganzen Gehiens und des großen

24 |

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370 Josephus et C. Wenzel de penitiori structura etc.

und Beinen Gehirns an Menfchen: von verfchiedenem Alter. Die vierte Tafel zeige die Gewichte der Gehirne verfchiedener Sängthiere und Vögel. Eine fünfte Tafel die Bunahme bes "Gewichtes in einem Hühnchen vom 6ten Tage der Bebruͤtung des Eyes bis zum 21. Tage nebft der Vergleichung des Ge— wichtes des ganzen Körpers. Die fehste Tafel zeigt endlich

bey DVergleihung der Fänge und Breite des Gehirns die Länge |

und Breite des vierten ( der Verf. fünften ) Ventrikel an den Menſchen und den Thiere.

Im 6. I Handeln die Verf. mit einer läftigen Weit⸗ ſchweifigkeit von den Schleimkoͤrperchen, welche auf der aͤußern Flaͤche der harten Hirnhaut neben dem fangen Blutleiter lie⸗ gen, und die man gewoͤhnlich Pacchioniſche Druͤſen nennt. Auf 17 Folloſeiten erfahren wir weiter nichts, als daß dieſe Koͤrperchen nicht in ungebornen, aber wohl in Kindern vom erſten Alter vorkommen, daß dieſelben ſowohl uͤber als unter der harten Hirnhaut ſich erzeugen, im letzten Fall, wenn ſie

‚größer werden, durch die harte Hirnhaut durchdringen, auf den Venenſtaͤmmen liegen, die an den Blutleiter andringen, gerinnbare Lymphe feyen, die verdickt werde, durch Die Ber wegung des Hirns beym Athmen durch die Fafern der harten Hirnhaut durchgepreßt werde u. fe m. Am Ende folgt das naive Geſtaͤndniß, „finem neque ullum habere neque ha- . bere posse videntur.“ (1) Iſt wohl etwas im Organismus ohne Zweck? | $. II. Vergleichung der allgemeinen Form der Gehirne des Menfchen,, der Säugthiere, Wögel und Fifhe. Aus dem Ganzen iſt nichts zu entnehmen; es herrſcht Äberall nur ein unbeflimmter Ausdruck von lang, breit, rund, länglich u. ſ. w. Die Verf. hätten dabey mehr Achtung gegen das Publicum "zeigen follen, als daß fie Beobachtungen von erweichten und ‚fauten KHirnen beybringen. Wußten fie denn nicht, Daß das Hirn des Stoͤrs immer weich, felbft an lebendigen, und faſt waͤſſerig iſt?

F. III. Weber die Windungen des Gehirns ſehr fur wird diefe wichtige Sache abgethan. Und nur von der Sym⸗ metrie der Gehirnwindungen von dem Nichtdafeyn derſelben an dem Gehirn der Hafen, Mäufe, Kasten, da Doch dergleis

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Jeseghus 'et C. Wenzel de penitiori structura etc. 371

hen Windungen am: feinen Gehirn (Slatterbau) gefunden werden. Des Streites, den Gall veranlaßte, ob die Hirnwin⸗ dungen zuſammengefaltete Hirnmembrane ſeyen, wird gar nicht erwaͤhnt, und uͤber dieſe gewiß ſehr intereſſante Bildung, in welcher der Menſch durch die Groͤßen und Tiefen der Fur⸗ chen ſich ſo ſehr auszeichnet, gar keine Meynung geaͤußert.

§. IV. Mikroskopiſche Unterſuchungen der Hirnſubſtanz. Nach Prochaska und della Torre (die weit wichtigeren Beobachtungen des Felice Fontana Sul Veleno della vipera fcheinen die Verf. nicht gefannt zu haben) und der Verf. eigenen Unterfuchungen; welche alle zum Ueberdruß weitihweifig in 30 Observationi- bus hererzaͤhlt werden, befteht die Hirnſubſtanz aus Kuͤgelchen, weiche von einem gellgewebe ,. das die Form aller Organe if, ' aufgenommen find.

. V. Bon ber Beſchaffenheit des gefrorenen Gehirns. Sennari war befanntlich der erſte, weicher hierüber Verſuche angeftelle hat. Die Verf. ziehen diefes Buch auf 4 Foliofeiten wörtlich aus, dann folgen g einzeln erzählte Beobachtungen, weraus erhellt, daß fie das nämliche fahen, was Gennari ges - fehen har, nämlich Eispiätchen, Riſſe und - Lamellen der Hirnſubſtanz aber dann behaupten fie gegen Gennari, daß derselbe geirrt habe zu jagen, eine folche Blätterform fey der natürliche Bau des Gehirns, fondern fie glauben vielmehr, diefe Seftaltung fey eine Wirkung der Kälte. Es ift wirklich zu bedauern, daß die Verf. hier, wo fie auf Wahrheiten gleiche: fam mit Gewalt gedrängt werden, doch davon ſich wieder abs wenden. Rec. hat viele Beobachtungen an gefrornen Gehirnen gemacht, und fich überzeugt, daß dieſe Blaͤttchen, in welche die Hirnfubftang durchs. Gefrieren zerfpringt, die eigentliche innere. Hirnfaferung ſey, welche wie auch durch das Erhaͤrten des Gehirns in Weingetit und mineralifhen Säuren Bemerfen:: mie dem Unterſchied, daß hier die Zafern. zufammenhangen,: dort aber durch Niffe, die das Eis einnahm, getrennt erfcheinen. VI. Die Frage, 0b die graue Subſtanz des Gehirns. überall zufammenhange, wird mit nein beantivortet, und dies. ſes durch parallele, Horizontale und perpendilulare Schnitte der Hirnmaſſe erwiefen. Merkwuͤrdig ift der Schluß: Vero-. similiter itaque diversas singularum cerebri partium.

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372 Josephuset!C. Wenzel de penitiori 'structura ele.

functiones maxima saltem ex parte a cineres, mutua au⸗ tem singularum partium conjunctio totiusque nexus a medullari cerebii substantia dependet. Gall's Meynung, gegen welche die neueren. Hirnforſchungen die direkteſten Des weife liefern.

$. VII. Die erſte Hirnhöhle in der mittleren Scheide⸗ wand im Menfhen und Säugehiere. Diefer dreyeckige Raum wird, wie die Verf. richtig bemerken, durch die vom Boden dee drephornigen Hirnhoͤhle herabſteigende und von einander etwas entfernte Marklamelle gebildet. Der Kanati, der von den vorderen Gruͤbchen herabgehen foll, bis In den Boden der beitten Hirnhoͤhle und vor der vorderen Commiſſur ſich endis gen ſoll, eriftiet nicht nach des Rec. Unterfuchungen in durch Alkohol erhärteten Gehirnen, und jft gewiß durch die Schweinss : borften, deren die Verf. fih bey ihren Unterſuchungen bedient haben, kuͤnſtlich durchgeſtoßen worden.

$. VIII. Die Verf. handeln“ von dem Markhaͤutchen, weiches die innern Wände der Hirnhoͤhle uͤberzieht, und fehen mit Recht die taenia cerebri den margo intern, collicul. opticor., die fimbria hippocampi für Fortſaͤtze deſſelben an alles bekannt und zu weitläufig vorgetragen, daB die taenia befonders in älteren Subjecten hornartig. erſcheint, das haͤngt nicht von einer verdickten Lymphe ab, wie die Berf. glauben, ſondern von einem höhern Grad der Oxydation des Nervens marks ſelbſt.

$. IX. Vermertungen über eine befondere Eigenſchaft des Gefaͤßnetzes in den BSeitenhöhlen. Diefe Eigenſchaft if, daß dafielbe oben breiter werde, als in der Tiefe der abſtei⸗ genden Hörner der Höhle allein wiffen denn die Nerf. nicht; daß gerade da die Venen aus dem Innern des Hirn— über das Corp. striatum und unter der taenia durchgehen, um ſich in die membr. vasculosam zu verbreiten, wovon. der plexus choroideus nur ein Theil ift, wiſſen fie nicht, daß die vena magna Galeni hier entfieht, die fih unter der hin⸗ teren Wulft des corp. callosi in das torcular verfent ? Die . Bläschen und Anſchwellungen des Gefaͤßnetzes, über weiche die Verf. mehrere bugenlange Werhandlungen auf bewaffnetem

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Josephus et C. Wenzel de penitiori structura etc. 373

und unbewaffnetem Wege anftellten, find nur Blutaderge⸗ fhwäiftchen oder Zellenblaͤschen. (7)

X, Bemerkungen Über Caldani's Beobachtungen nnd Ver— fahe, die jenen Hirntheil betreffen, in welchem die Marffafern vorzägfich fich durchkreugen. Caldani meinte, daß, wenn bey Apoplerien die geftreiften Körper durch eine zerriſſene Vene fitten, alsdann eine Lähmung die entgegengefegte Seite träfe, - und auch umgekehrt, daß man bey einer Lähmung der einen Körperhätfte nach Schlagflüfen allegeit ſchließen könnte: der entgegengefeßte geftreifte Körper fey affizirt. Das erfte geben die Verf. gu das lebte leugnen fie, da auch jeder andere Druck auf das Gehirn eine Lähmung der Art bewirken fann. Die Verf. glauben, die einzige Durchkreuzung der Hirnfafern fey zwifchen den Pyramibdalkörpern des verlängerten Marks, und fie wiffen nidts von der Einrichtung des corporis ‚cal- losı als desſenigen vorzüglihen Theils des Balkenſyſtems, im welchem die Haͤlfte der Pannen yon einer Seite gur andern übergehen.

XI. Ueber die Durchfreuung der Sehnerven. Soͤmmer⸗ ring behauptete im Allgemeinen, daß die Sehnerven an der Vereinigungsſtelle ſich durchkreuzten. Ackermann bewieß aus pathologiſchen Thatſachen, daß dieſe Durchkrouzung der Ner—⸗ venfaſern an der beſagten Stelle nur theilweiſe geſchehe, und daß in Menſchen, welche alle Gegenſtaͤnde mit zwey Augen erreichen, die durchkreuzenden Fibern an Zahl denjenigen gleich ſeyen, welche auf der naͤmlichen Seite fortlaufen, in Thieren aber um ſo mehr Faſern ſich durchkreuzten, je mehr durch die vorſtehende Schnauze die Augen von dem naͤmlichen Geſichtsfeld (horopter) abgeleitet wuͤrden. Die Verf. ſtimmen nun im Ganzen Ackermanns Meynung bey, glauben aber darin ein eigenes Verdienſt zu haben, daß ſie dieſe theilweiſe Durchkreuzung an einigen Sehnerven ſelber durch ihre eigene Augen beobachtet haͤtten. Rec. will ihnen dieſes Verdienſt nicht benehmen, glaubt aber bemerken zu muͤſſen, daß dergleichen Autopſien noch truͤgeriſcher ſind, als die aus pathologiſchen Erſcheinungen gezogenen Schluͤſſe, weil die Faſern der Vereinigungsſtelle nicht buͤndelartig neben eins ander laufen, ſondern, wie dieſes bey allen —— der

Fall if, fh durchweben. |

374 Josephus et C, Wenzel de penitiori structura etc.

. XII. Ueber die Verwachſung der Sehhuͤgel, wo dieſelbe ſich an ihrer inneren in den dritten Ventrikel herabſteizenden Wand berühren. Die Verf. haben gefunden, daß im Mens ſchen eine ſchwache Vereinigung zuweilen da iſt, zuweilen auch fehlt in den Säugthieren haben fie diefe Vereinigung alles zeit und auch flärker gefunden.: - Rec. Hält fie für eine bloße Verwachſung der Lamelle, weiche den Schhügel uͤberzieht. Neil nennt diefelbe die Commissuram cerebri medianam,

$. XII. Der geroflte Wulſt in dem abfleigenden Horn der Seitenhöhle iſt ein grauer Gyrus, der aus der fossa Syl- vii fih in das Hirn heraufwindet, jnd iſt mit der lamina medullaris nah Außen überzogen, welche auch den Saum

dieſes Wulftes bilder alles dem Zergliederer längft bekannte

‚Dinge.

6. XIV. Eine bogenartige runde Erhöhung gegen das hintere Korn des Seitenventrikels haben bie Verf. oft im Menſchen angetroffen, es fchien ihnen auch von einem unten gelegten grauen Gyrus am hintern Hirnlobus zu entflehen. Auch Soͤmmerring fpricht davon Hirnlehre $. 34. | $. XV. Zirbeldruͤfe Sandhaͤufſchen. Die Verf. haben die Zirbeidräfe im Menfchen meifteng weich und rundlich an getroffen, im Thiere härter und länglih, Nur in’neun Zah len von hundert war fie hohl mie Waſſer angefülle, oder fehr groß, wie eine Walnuß, und hart, Rec. hat diefen. Körper einmal in einer Perfon, die an der Mutterwuch ſtarb, ſehr ‚groß, und mit Waſſer angefült angetroffen. Die Größe dei Zirbel richtet ſich nicht nach dem Alter.

Das Sandhäufhen fanden die Verf. zuerſt im ſiebenten

Jahre erſcheinen, vorher fahen fie aber ſchon in neugebornen ‚oder jüngern Kindern einen zähen Schleim an der Zirbeldräle. ‚Die Steinhen werden gewöhnlich an drey Orten angetroffen, entweder auf der Hintern Commiſſur oder zwiſchen den Mark ſchenkelchen der- Zirbel im Gruͤbchen, oder in der Subſtanʒ der Zirbel ſelbſt. In einem Subjecte fanden die Verf. dieſe Steine an allen drey Orten. Unter dem Mikroskop fcheinen die

Steinhen meiftens rand, etwas noros, und vielleicht in eine

feine Zellhaut eingehält. Die Verf. meinen,. daß die Stein hen in der Zirbel erzeugt, und von derſelben auggeworfen

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Ä

i Josephus et C. Wenzel de penitiori structura etc. 375

würden. Das Dafeyn des Sandhäufchen gehört zum natuͤrli⸗ chen Zufland. Es fehlt bey allen unterfuchten Säugthieren. „- 5. XVI. Sräbchen in der fyloifhen Wafferleitung. Im Menſchen haben die Verf. deren viere gefehen, welche conſtant find, und. alfo zum natärlihen Bau gehören. $. XVII, Blaue Stellen im Boden der vierten (der Verf. fünften) Hirnhoͤhle. Diefe entfiehen von Blutgefaͤßen, die, menn man das Markhäucchen leife abzieht, unter dem Mikroskop wie rothe Punkte erfheinen. Die Verf. äußern die Vermuthung, ob nicht hier, wo der KHörnerve entſteht, dieſe Stelle etwas dem ähnliches fey, mas das feine Gefaͤßnetz "an dem Urfprunge ded Riech⸗ und Sehnerven darftelle ? $. XVII. Die Markftreifen in der vierten Hirnhoͤhle. 1) Die Verf. haben die Markſtreifen in Foetus und Neuge— bornen nicht gefunden. 2) Nicht allezeit ſammelten ſich diefe Markfaͤden zum Hoͤrnerven, einige davon ſchienen früher zu verſchwinden. 3) Die Streifen von der einen Seite ſind nicht allezeit von jenen der andern Seite durch die Furche ner trennt; viele gehen. auch in einander über, 4) Diele Markſtrei⸗ fen dringen tiefer in die Subftanz des verlängerten Marks, und ſtellen daher gleihfam Lamellen dar. 5) In den Säugs thieren find fie gar nicht anzutreffen. Die Verf. ſchließen dars aus, daß diefe Streifen nicht, wie Soͤmmerring und viele Anatomen glauben, die Urfprünge der KHörnerven find; was fie aber eigentlich find, fagen die Verf. nicht. (Rec. hält fie für die Commissurae der Hörnerven, weldye jeder Nerve des -- Gehirns hat. Im Foetus iſt diefe Commissura noch nicht auss - gebildet, und in dem Saͤugthiere geht diefelde unter der Brücke wie ein Ring von einem Hörnerven zum andern, und die Pyramidalkoͤrper laufen darüber weg. $. XIX. Die grauen zum Hoͤrnerven gehörigen Leifichen. ‚Die Verf. glauben, daß diefe Leiftchen mit den Mörnerven zus fommenhängen Übrigens findet der Nec. hier fo was neues und iunerhörtes nicht, wie die Verf. meinen „in abstrusa ferimur &tudio novi et inauditorum,“ diefelden find fchon mehreren Zergliederern bekannt gewefen. | $. XX. Einige Zellfäden, die an den plexus choroideus in der vierten. Hirnhoͤhle gehen. Rec. kennt keinen plexus

376. Josephus et C, Wenzel de penitiori structura ete.

ehoroideus in diefer KHirnhöhle Das gefaltete Gefaͤßnetz liegt bloß in den Seitenhöhlen, und fleige in Die herabfieigenden Körner. Daffelde entfteht von der großen Vene, die ſich in den Hintern Blutleiter ergieit, der durch das Tentorjum cer rebelli geht, und fih unter den bintern Wulft der großen Hirn s Commiffur und den intern Schenkeln des fornix und corp. psalloideum durchzieht, den Markſegel, die Vierhuͤgel und die Zirbel Übersicht. Diefe wichtigen Thatſachen haben die Verf. nirgendwo erwähnt.

$. XXL Die vierte Hirnhähle in Saͤngthieren. Diefelde fen größer als am Menfhen („ang natärlih! da es die Höhle des verlängerten Marks ift, welches in den Thieren allen weit ſtaͤrter als im Menſchen if“ ).

- 6 XXII. Bergleihung der Höhlen des Gehirns in Mens (hen, Säugthieren, Vögeln und Fiſchen. Das meifte iſt nur Wiederholung des Sefagten, wubey noch zwey Ventrikel bey Voͤgel und Fiſchen im Sehhuͤgel bemerkt werden.

$. XXI. Bon dem Drte und der Weile, mie die Ur fprünge dee Merven mit ihren Hirnendigungen sufammenkoms men. Die Berf, behaupten zuerft gegen &Sömmerring, daß das Waſſer der allgemeine Eimpfindungsplas und Verbindungs⸗ mittel aller Nerven nicht fey, weil dafjelde nicht allegeit zugegen, und wenn es zugegen fey, aus der nad) erloichener Lebens wärme geſchehenen Verdichtung des Dunfied erzeugt werde dann führen die Verf. eine Lifte auf von alleır den Hientheilen, welche in die Hirnhoͤhle fi endigen, und nun führen fie die Nerven auf, welche ſich mit diefen Hirntheilen verbinden, und machen dann den Schluß, daß, wo nicht unmittelbar, doch mittelbar alle Nerven fih in die Hirnhoͤhle endigen. Und wenn es alfo ein Mittel gebe, welches dort die Hirnenden vereinigen fönnte, fo feye diefes hierdurch als möglich bewies fen. Wirklich eine fonderbare Art des Beweiſes: die Tropen fänder von Amerika hängen mit dem Norden von Aflen- zus ſammen, alfo wachfen die Ananas in. Kamtſchatka (?). XXIV. Bon dem "Hirnanhang. Die Verf. haben alles geit diefen problematifchen Körper aus zwey Lappen beſtehend gefunden, einen größeren herzfoͤrmig eingefchnittenen, und einen kleinen runderen. Daß er in Geiftsstranfheisen Peiner und,

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. | .. Josephus et C. Wenzel de penitiori structura ete. 377

wie dieſelben in einer andern Schrift weitläufig deducire haben, - im Epileptiſchen vereptert fey darin ſtimmen des Rec. Bes Shahrungen nicht mit jenen der Verf. überein, der dieſen Hirnanhang bey Epileptifchen gefund, und weich aufgeldj’t bey ſolchen, in welchen fonft feine auffaliende Spur. von Birns krankheit war, angetroffen hat.

Weber den Trichter des Gehirns haben die Verf. durch Einfprügungen gefärbter Fluͤſſigkeitein 12 experimenta anges ſtellt, die Hier weitläufig mit allen Umſtaͤnden erzählt werden, ' woraus aber nichts weiter hervorgeht, als daß der Trichter und der Hirnanhang zellig ſey .die Sichtung der Zellen aber mehr von unten herauf, als vom Hirn herab gegen den Hirnanhang gingen. Was zu diefem Schluß berechtige, ſieht Rec. nicht ein; da im ganzen Körper die Zellen ſich nach allen Beiten hin öffnen. Im Alter und Krankheiten foll der Kirnanhang an Umfang abnehmen. In den meiften Saͤug⸗ thieren iſt derjelde auch in Ruͤckſicht auf das ‚Din ‚größer als im Menfhen. |

$. XXV, Die Verf, bemerken hier die jahteeiche Menge ber Eleinen Arterien, welche an den Orten des Ansganres der vier erſten Nervenpaare bemerkt merden, nicht in der Gefäße haut, fondern die Markfafern durchbohrend.

$. XXVI. Welche Theile des menſchlichen Gehirns am meiſten vom gewoͤhnlichen Baue abweichen. Die Verf. zaͤhlen hierher die Windungen, den Wulſt am hintern Korn der Seis tenhöhle die Markfireifen im vierten Ventrikel die Commiſſur der Sehhuͤgel und das Sandhäufhen. In Thies ren ſeyen die Hirnwindungen beſtaͤndiger und ſymmetriſcher. Mit Gall glauhen die Verf. auch an den großen Einfluß der Hirnwindungen auf den Charakter der Individuen, welche nicht allein unſtatthafte, ſondern abgeſchmackte Meynung ſchon ſattſam widerlegt worden iſt.

$. XXVII. Allgemeine Bemerkungen über die Seftalt der einzelnen Dirntheile in Menſchen und Thieren In dieſem $. finden fih viele Widerſpruͤche und Unridtigfeiten.

1) fagen fie: erft dann fey das Hirm in allen Theilen vollendee, wenn der Menſch zu empfinden anfange aber im erſten Lebensjahre kämen erft die Markſtreifen an Boden

N

378 Josephus et C. Wenzel de penitieri structura etc.

. des vierten Dentrifels und im fiebenten Lebensjahr erſt das

Sandhaͤufchen zum Vorſchein foll dann der Menſch erſt im fiebenten Jahre empfinden ! | 2) Die Theile, welche im Menfchen evft nach der Geburt entſtehen, ſeyen im Thiere nicht da; „allein die Warkfaͤden, melde die Commiffur des KHörnerven darfiellen, find aller dings in Thieren und weit flärfer da fie ziehen ſich aber nicht von oben durch den "Ventrikel, fondern unten und hinter der Brücke, wie ein Markring herum.“

3) Die Thiere_feyen daher fchon. fruͤher zu ihren Verrich⸗ tungen reif, als der Menſch, weil ihr Gehirn eher vollendet

fey allein der Menſch Hat ja auch alles bis auf den Mark

fireifen, und das Sandhaͤufchen foll denn diefes die Un ſache des menfchlihen Unvermögens in ber Kindheit fen, find

denn die Verf. blind geweſen, als fie das große Ruͤckenmark

der Ihiere und die kleineren Hemisphaͤren ſahen? mußten fir nicht, daß das Ruͤckenmoͤrk das Drgan der willtührlichen Be wegung im Nervenſyſtem fey ? fahen fie richt, daß dieſes die

- Muskeln der Thiere weit früher vollenden und erregen mußte, da

alle Nexventhaͤtigkeit bloß darauf verwendet wird, indem die-ins nern Geelenvermögen zurücbleiben, da hingegen im Menfchen

alles auf die Ausbildung der Sinneshügel, und des in der Hemisphaͤren enthaltenen Schenkel s und Balkenſyſtems vers wendet wird, wodurch die ——— der Organe der Bewe

gung zut uͤckbleibt7 | A) Wie konnten bie Darf. es Hasen; ©. 247 niedergit

ſchreiben: Homo nonnisi sub septimum annum omnes

illas animi facultates possidet, quas quidem imposterum

.

. Identidem prodit, nova autem et essentiali nulla adau-

‚get. IIlo anno cerebrum hominis et quoad totum et

quoad singulas partes absolutum, esse videtur.“ Es wer

alfo ſchon Raphael der große Mahler Mozart der vollendete

Mufiter, Newton der umfaſſendſte Analytiker in feinem fieben ten Sahre? 11

5) Die Drgane der Höheren Serlenvermögen find nad des Verf. Ausſpruch die Markfireifen im vierten Hirnhoͤhlen boden und das. Sandhaͤufchen. Fragt man warum, ‘fo heißt

|

06: „weil diefe Dinge allein der. Menſch und nice hie Tpiere

«

-

—2

Josephus et C. Wenzel de penitiori structura ete. : 379

haben.“ (Allein kennen die Verf. denn den innern- Bau des Gehirns fo genau, daB fie diefes behaupten können ? es erhellt

dieſes wenigſtens aus ihren Unterſuchungen nide, und dann : ÄfE dasjenige, was den Menfchen von den Thieren auszeichnet,

etwas dem Gehirn derſelben abſolut fehlendes? Sind nicht die- Hiınvermägen relativ? Wenn die Thiere mehr Mustels . kkäfte haben, haben fie nicht deswegen auch größere Marks,

ſchenkel und ein bey weitem größeres Rüdentuart dagegen, wenn der Menfh an erfand und Nernunft u. f. mw. weit

über die Thiere hervorſteht beſitzt derfelbe nicht darum auch weit größere Hirnhemisphaͤren? Es iſt unbegreiflih, wie die Verf. folhe Ungereimtheiten aufbringen konnten.

Die XXVII— XXXIT. $$. enthalten nichts als weitlaͤu⸗ fige. Erörterung und Anführungen einzelner Beobachtungen über die. Ausmeffungen nnd Größen des großen und Beinen Ges hirns und verjchiedener Hirntheile in-verfchiedenen Menfchens altern und in verfchiedenen Thieren. Ferner Über das Gewicht

| des großen und Beinen Gehirns, und endlich Aber die allmähs

lige Zunahme .des Gewichtes am ‚bebrüteten Hühnchen, welches alles die von den. Verf. ihrem Hirnwerk vorgeſetzten Ta⸗ bellen nicht im Reſultat, ſondern im Einzelnen ausdruͤcken.

$. XXXIV. Betrachtung des Menfchen: Gehirns in ver⸗ Achiedenen Altern.

a), Die harte Hienhout haͤngt im Foetus und feſt am Schedel, und kann nicht getrennt werden, als durch Zerſtuͤckelung des Knochens; in Aelteren hängt fie oft feſt an. Man findet darin oft Verknoͤcherungen u. ſ. w.

b) Die Schleimhaut des Gehirns iſt in Embryonen allezeit durchſichtig, ſie haͤngt aber mehr mit der Gefaͤßhaut aAuſammen. Bey Erwachſenen kommt fie oft undurchſichtiger und weißlich vor, dann iſt aber alsgelt eymphe in ihre Zellen

“ergojfen.

> c) Die Pacchioniſchen Koͤrperchen werden in Embryonen nicht gefunden, weniger im Neugebornen vor dem ſiebenten

Jahre; haͤufiger in Alten und ſind krankhaften Urſprungs.

d) Blaſenwuͤrmer. Die Verf. fanden in dem waſſerſuͤche tigen Gehirn einer alten Frau in Mayland 45 Waſſerblaſen ſowohl auf. der Oberfläche des Gehirns, als in der Subſtanz

-

380 Josephus et C. Wenzel de penitiori structura ete.

der Höhlen und dem verlängerten Mark. Darunter war ein Blafenwurm. Die Zeichen, welche die Verf. angeben, fiheinen jedoch diefes noch im Zweifel zu laſſen.

e) Die Konfiftenz des Hiens iſt in Kindern wei, und hart in alten Leuten. Der Weingeift verhärtet ed. Den Wein geift und andere chemifche Reagentien haben die Verf. nie, um den innern Bau des Gehirns gu erforfchen, angewendet, ‚obgleich diefe Ark der Unterfuchung, welche in unfern Tagen fo fruchtbar ift, lange fchon bekannt war.

f) Hirnſubſtanz. Unter dem Mikroskop befteht das Hirn des Foetus aus eben fo großen Kügelhen, wie das des Er wachſenen.

. 9 Hirnwindungen, Sie fangen an, ſich zu bilden im Smonatlihen Embryo die Furchen find flächer, je jünger das Subject if. Die Menge der Windungen hänge nicht vom Alter ab Krankheiten diefes Organs find oft die Urſache,

daß fie kleiner merden ober gar verſchwinden. |

h) Graue und Markſubſtanz. In garten Embryonen find diefe 2 Subſtanzen der Farbe. nad) nicht-von einander zu um terfcheiden. In Nengebornen und jüngern Kindern iſt oft die Markſubſtanz roͤthlich; in Alten iſt die äußere Subſtanz gelb lich, die innere blaͤulich.

i) Die große Hirn⸗ Commiſſur ſey im Foetus vor dem ſiebenten Monat geſpalten, wachſe aber nach und nach von vorn nach hinten zuſammen. Die Verf. ſcheinen jedoch in dieſe ihre Beobachtung ſelbſt einen Zweifel zu ſetzen.

Ky Der gerollte Wulſt zeigt in Embryonen im Innern eine Hoͤhle, welche nachher verſchwindet.

J) Die geſtreiften Körper find ſchon groß. in Kindern, und im fiebenten Jahre nur um eine Linte fehmäler als im Erwachſenen. Es fchiene den Verf. , als wenn die geflveiften Körper und Sehhuͤgel im Alter abnähınen.

m) Die Sehhügel find im Foctus grau wie die geftreiften ‚Körper die Commiffur, wodurch fie an ihrer inneren Wand verbunden find, haben die Verf. an einigen Foetus ans getroffen, an anderen nicht. | n) Der Hornftreife hat nur im Alter ein hornenes Ans fehen in Kindern ift er gran oder blau. Mur * Waſſer⸗

Pa " v / .

Josephus et ©. Wenzel de penilieri structura etc. 381

fagten der Hirnhoͤhle bekommt derfeibe öfter ein hornartiges | Anfehen.

0) Die Zirbel if bey Embrponen rund, -Knfenförmig, uns aſchgrau .

p) Dos Sondhäufchen wird in Embryonen und Kindern vor dem fiebenten Lebensjahr nicht gefunden, ob man gleich früher ſchon einen zähen klebrigen Schleim an der Stelle- ans trifft.

g) Die Marffireifen am Boden des vierten Ventrikels ſind im Embryo noch nicht zu ſehn, aber die grauen Leiſtchen fangen ſchon im Smonatlichen Embryo ſichtbar zu werden an.

r) Das Beine Gehirn iſt im Ganzen weicher als das große Gehirn. Der graue Antheit iſt größer in jenem als die Markſubſtanz. Die Windungen. des Beinen Gehirns werden ſchon im Smonatlihen Embryo ſichtbar, und find im 7monat⸗ lichen aufs dentlihfte zu unterfcheiden. Die beyden Hälften des kleinen Gehirns liegen um fo näher an einander, je juͤn⸗ ger die Subjecte find; im Alten fliehen fie weiter aus einander.

8) Der Hirnknoten ift im Smonatlichen Foetus halb fo groß, als im neugebornen Kind, und, in diefim halb fo groß, als in einem Yiährigen Kinde. Auch iſt in jüngeren Supjecs ten mehr graue als Markfubftanz in denfelben. :

Diefem Werke find 15 Kupfertafeln beygefügt, welche verſchiedene Hirnſtuͤcke gezeichhet. darfiellen. Ob nun gleidy diefe Tafeln von Koͤks Meifterhand gezeichnet find, fo erhals ten fie doch darim w:nig Werth, weil die vorgelegten Origi⸗ nalien meiſtens verzerrte, verzogene, bereits erweichte Hirn⸗ ſtuͤcke darſtellten. Es iſt dieſes beſonders bey Tafel IV. V. VII, vorzuͤglich aber bey Taf. VIII. gu ſehen dage⸗ gen find die Tafeln X. XI. XIII. gu loben, wo die ohnehin feftere Gehirnmaſſe des vierten Ventrikels feine weitere Praͤ⸗ paration bedurfte. Die Vereinigungsſtelle der Sehnerven auf Taf. XIV. iſt offenbar durch die ans eittanderweichende Hirnmaſſe in die Breite gezogen, und nicht natürlich. =

Des Rec. Urtheil Über diefes Werk ift Folgendes :

Man kann den ausharrenden und eifernen Fleiß nicht verkennen, welchen die Verf. auf diefes Werk verwendet has ben. Au ſieht man den lobenswerthen Eifer und die große

332 Jesephus‘et C: Wenzel de penitiori structura etc.

Wahrbeitslicbe, nur das und nicht mehr zu fagen, als was fie ſelbſt geiehen haben, oder die ‚Beobachtungen unmittelbar folgern laſſen. Allein auf der andern Seite muf Rec. auch der Wahrheit zue Steuer befennen, daß diefes Hirnwerk, auf welches 33 Jahre verwendet worden find, ganz und gar ohne ordnende Hirnthaͤtigkeit zufammengefchrieben if. Die Sinne und Fin ger haben alles gethan. Der ordnende Verſtand has keinen Antheil an der Ausführung genommen; deswegen erfahren wir hier auch nichts von’ der Innern Hirnbildung, dem Lauf und der Ordnung der Sirnfaferungen, welche dod) lange vor unfern Zeiten von Stenon Ridley, vorzüglich aber von Bilis und Vienffens genauer gekannt waren. Wir hören nur von Ausmeffungen und Gewichte, Hervorragungen, Höhlen, Streit Linien und Diefes alles ohne auh den Aufern organifhen - Zufammenhang zu berüdfichtigen, den doch jeder, aud der feichtefte Hirnlehrer, beobachtet hat; alles, ohne auf ein Re fultat zu kommen, welches für die Phyſiologie oder Pathologie irgend eine Anwendung erlaubte. |

Rec. will ganz davon fchweigen, daß von. den neuern Zergliederern dag Gehirn ſchon weit tiefer unterfuht war, als fie ide Werk herausgaben. Schon im Jahre 1809 und ıdıo | fannte man genau die innere Zaferung des Gehirns, das Balken s und Schenkeliuftem und den beyde vermittelnden Stab franz. Man kannte die Zortfäge des Hörnerven zum Ruͤcken⸗ mark, der Sehnerven gu den Sehhuͤgeln den wahren Ur fprung des. zünften Paares u. ſ. w. Allein von allen diefen einer genaueren Forfchung und gefchicteren innern Präparation erfordernden Tharfachen erfährt man bier nichts. Aber haben die Verf. denn von außen an dem Gehirn etwas mehr gefchen, als die oberflählichftien Profektoren. bisher gewußt haben ? Ih muß auch Hier antworten: nichts von Belang! Was lie hier gefunden haben, find drey Dinge, nämlich einige Gräbs chen in der Spivifhen Wafferleitung, und einige blaue Fleckt chen nnd Zellfäden an der Gefaͤßhaut in der vierten Hirnhoͤhle, wenn man diefe für Entdeckungen will gelten laſſen.

Dafuͤr aber iſt das Bet ganz entſetzlich weittäufig : : ohnehin ermattende Lektüre Über Größe und Gewicht iſt *

Josephus et C. Wenzel de penitiori structura eic. 383

zum Ekel miederhoit , außerdem daß dieſes alled, welches hinreichend geweſen wäre, in Tabellen bengefügt iſt. Haͤtte das Merk daher den beicheidegen Titel‘ an der Stirne de ce- rebri dimersionibus geführt, fo wollten wir es als eine fleifige Arbeit empfehlen, und nur bemerken, daß das Gange auf wes mige Bogen hätte reducirt werden können. Aber den ans maßenden Titel de penitiori cerebri structura fann Rec, keis : neswegs gelten laffen. Hier um fo weniger, da nicht einmal die ganz oberflähliche Hirnſtructur gehörig aufgededt if. Ich bin überzeugt, daß die Älteren: Willis, Vieuſſens, und die neueren Hirnforſcher, Neil und Gall, diefen floigen Titel vers abfcheuen würden, die doc wirklich angefangen haben, in das’ Sinnere des Hirnbaues einzudringen. Aber ob e je in der Folge der Zeiten Zergliederer geben- werde, welche von. der penitiori structura des Gehirns werden feden können, daran zweifele Rec. gar fahr. —’ Rec. weiß wohl, daß die Verf. diefen Titel ihres Werkes an Scarpas Werk: de penitiori ossiumi structura abgefehen haben allein‘ fie Hätten nur bedenten follen, daß man eher in den Ban ber Knochenzellen, als der Innern Hirngebilde eindringen: kann. | Zu der chaotifch durcheinanderliegenden Sache koͤmmt nun auch der langweilige und fchleppende Styl, welder nur in. Burgen abgebrochenen Sägen dafteht. Die Sprache if durchs _ aus fehlerhaft und fehr übelklingend, in lauter Imperfecten: distinguebamus, relinquebamus, dissecabamus n. f. w. endigend. Man fieht es fo ganz deutlich, daß dies Ganze aus dem Deutfchen ins Lateinifhe, und zwar durch mehrere ift Überfeßt worden. Von dem Deuefch s Lateinischen. Text des Werks unterfcheider fih gang befonders die Vorrede, welche in einem unlateinifchen Bombaſt gefchrieben ift, deſſen Sinn Rec. ben aller angewandten Mühe nicht hat endziffern können.

Reifen durch das fübliche Deutfchland und Lie Schmeig in den Jah⸗ ren 1808 und 1809 mit Bemerfungen und Bepträgen jur Ge: ſchichte des Tages von Gottlob Heinr. Heinfe Erſter . Band mit. upfern. Leipzig, 1810. bey Hinrichs. 452 S. in 8.

bung feiner Reifen durch ſolche intereifante Theile von Deutſch⸗

*

384 Reiſen durch das ſaͤdl. Deutſchland ee. von Heinſe. Von dem Verfaſſer erwartete man eine beſſere Beſchrei⸗

land. Was er ung ſagt, iſt zum Theil fo gemeiner Art und noch dazu ſo gemein geſagt, daß mancher Reiſegeſell, dem dieſes Buch in die Hand fällt, denken wird, fo etwas hätte Ich auch ſchrei⸗ ben wollen. Auf Naturfchilderungen vergichtet er ganz, aus dem Grunde, weil er ein kurzes Sefiht babe, als wenit bie Schönheit der Natur und der Eindruck ihrer wunderfamen

- Bildung nur in der Ausſicht niche in der Anfiht zu fuchen

wäre. Dennoch verfpricht et eine Beſchreibung vom Rheinfall. Es bleibt aber auch nur beym Verfprehen: an eine Schilde rung iſt nicht zu denken. Weit mehr fagt das beyliegende Rupfer, fo unmahlerifh auch bier der Nheinfell genommen if. Daß er viele fchöne Gegenden im Mebel ſah, und dürd ungünftige Zeit in der Hoffnung mander Ausſicht getaͤuſcht wurde, ift dem. zufolge nicht fehe gu, bedauern. Er entichädigt dafür durch mandyes Verweilen im Innern worauf Reiſende durch ſo vorzüglich ſchoͤne Gegenden nicht Immer zu achten pflegen. Man - wird mit. Bafel, mit Zofiegen, mit der Hel⸗ vetiſchen Geſellſchaft, mit Augsburg, Nuͤrnberg ꝛc. durch ihn bekannter, als durch andre Reiſende. Selbſt auf dem Poſt—⸗ wagen, in den Safthöfen und Herrbergen wird man endlich

wie zu Haufe dürd feine fehr getreuen und oft ine Einzelne

und individuelle gehende Darftellungen. Er nüst dem Res fenden durch dieſe Detail, und erwirbt fi fogar um Derter

und Gegenden, dutch die er reifete, Dadurch ein Werdienf, daß er das vorhandene und das wuͤnſchenswerthe Gute in

öffentlichen Einrichtungen und Anftalten mit umfchauender Vers gleihung auftellt und vieles auf Diefe Weife zur Betrachtung bringt, was von den hoͤhern Staarebehörden. nicht uͤberſehn u werden verdient. Wir technen darunter feine Bemerkungen ber Wege und Strafien, über den Müngfuß, über Reinlich⸗ Leit im Aeußern der. Stäbdte,. Über Pofwefen und Poſttaxen mit dem —— —— Gedanken ob wohl ein Staat reich werden könne, der das erfte und einzige VBeförderungs mittel des Reichthums, den lebentdigen Vertrieb im mechani⸗ ſchen und geiftigen Verkehr gradehin gu Boden druͤckt und vor allen. feine Gedanken und Vorſchlaͤge, mie dem großen Ungläd der Erdverfhättung an fo manchen gefährlichen Stel⸗ len hoher VBerggegenden durch vernünftige und billige Weg⸗ raͤumung der natürlichen Veranlaſſungen vorzubauen wäre.

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EEE TE ne u ee

No.25. Seidelbergiſche 1813.

Jahrbuͤcher der Litteratur.

—————

I) Predigten von E. C. Walz, großherzogl. Badiſchem Oberhofpre⸗ diger ze. Carlöruße, in der Ch. Fr. Muͤllerſchen Buchhandlung. 1813. * |

2) Botted Verehrungen, gehalten im Betſaal des Peſtalozziſchen Ins ſtituts in Iferten, von 8. 9. Dreift, Eand. der Theol., fin. Preußifchem Eleve und Geſanglehrer zu Herten. Erftes Heft. Nebſt einem Anhange über Veſtalonis Anfichten von der Religion. Zürich, bei Drel, Sußli und Comp. 1812. | u

3) Reden über die chriftliche Religion, von Johann Schulze Halle, bei Schimmelpfennig 1811.

ll. die Geſetze des Inſtituts nicht zu Übertreten, will Rec. die Predigten Ne. 1. bloß anzeigen, ihren Charakter durch einige Stellen bezeichnen, und das Urtheil darüber dem Leſer Äderlaffem Schoͤne, blühende Diktion und Freymuͤthigkeit

machen ihren Haupt: Charakter aus. Der Predigten find a6, -

mehrere Feſtpredigten und mehrere andere, die bey wichtigen Angelegenheiten für das Land -oder bie großhergoglihe Bas milie gehalten werden find. Eine merkwürdige Predigt, nach dem Frieden, den Baden mit Frankreich gefchloffen, und wos duch deffen weile Regierung das Land gerettet hatte; eine am Friedensfeſt, ıBoo; eine bey dem fchnellen Tod des Erbprins gen von Baden; eine Trauerrede bey dem Tod der Pringeffin Märie von Baden, Gemahlin des Herzogs Wilhelm von Braunfhmweig; eine Predigt bey der Geyer der Kurwuͤrde des verſtorbenen Großherzogs und eine bey der Feyer einer Wie dergemefung bdeffelben, und bey der Wermählung des jehigen Großherzogs. Nun einige Stellen, die ſowohl von der Dies tion, als von der religidfen Denkart und von der Freymüthigs keit des Verf. zeunen. In der Predigt am Friedensfeft heißt es: „Nie trauerte die Kirche tiefer, und nie iſt das Chriftens thum mehr herabgewuͤrdigt worden, als in unfern Tagen, mo e5 r

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3856 Predigten von Walz, Dreiſt und Schule,

fo, viele Hände das herrliche Gebäude, das Chriſtus aufgeführt hat, zu gerträmmern ſuchen. So wurde jener Ungluͤckliche am Wege, den ein edelmürhiger Gamariter rettete, nicht mißFe handelt, wie die Religion, deren heilige Quelle immer. mehr getrübt wird. Werwegene und gezwungene Deutungen und » Auslegungen ihrer Lehren, tiefes Schweigen von der hohen Würde Sefu, den man bis zu einem Menſchen herab lobt, und ihm Ehre genug zu erweiien glaube, wenn man von feinem Eifer, Andere zu begiäden, von feiner Leidend: aröße und Freudigkeit im Tode fpricht; ermädendes Gerede von Vollkommenheit und Tugend, - bey dem man den Schwa— chen zu keinem Quell führe, aus dem er ſich zur Tugend ſtaͤr⸗ ken, mit dem man einen fummerbeladenen Sünder beruhigen, Beinen Leidenden aufrichten und feinen Sterbenden auf fein Ende froh machen kann, und dann was leicht begreiflich ift, beweinenswuͤrdige Gleichguͤltigkeit gegen die heilige Schriſt, die für Unzaͤhlige eim verſchloſſenes (verächtliches?) Bud if, and jeder feichten, wolluſtathmenden Lektüre aufgeopfert wir; muthwillige Scherge über die ehrwuͤrdigſten Gegenftände, lee Tempel bey vollen Freudenhäufern, entheiligte Feſte und ver laſſene Altäre, an denen Chrifins die Müden und Heilsbegie rigen erwartet, um fie gu ergreifen; beweiſ't das Alles nid unwiderſprechlich, Daß wir nicht mit Gott find?“ Jn ber Predigt Aber Matıh. 8, 5— 11. Über die Gleichheit de Hohen und Miedrigen, bey ihrer äußeren Ungleichheit, wird unter andern gefagt: „Wollt Ihr zuͤrnen, Mächtige der En den, wenn Ihr an Euren Untergebenen Schwachheiten gewaht werdet? Nahmt Ihr Engel in Eure Dienfte? Und muͤſſet Ihr nicht auch beten: „Herr, wer kann merken, wie oft fehle? verzeih' uns auch die verborgenen Fehleri „Er unumfchränft gebietet, wie leicht kann der zur Herrſchſucht, “wen kaum Einmal im Jahre widerfprohen wird, wie bald kann der zum Eigenfinn, wer mit dienfifertigen, unterthaͤ nigen Sklaven feiner Leidenfchafeen, diefer Peſt der Fin ften, umgeben ift, wie leicht Bann dee zum Stolz verleitt werden.“ Endlich jtehe noch eine Stelle aus der Predigt über das befannte Gleichniß vom verlorenen Sohne hier. Der Verl. bemerkt vorher, daß es auf die Thränen des Wiederkehrenden

Predigten von Walz, Drei und Schulze. 387

niht angefommen ſey, fondern auf das Wiederkehren. „Ger kehrung,“ fährt er nun fort, „ift kein Geſang nah einer unveränderten, - traurigen Melodie, und bey ihre Lönnen bie Gebete und Kämpfe nicht vorgefchrieben werden. Ein Menſch denke und fühle nicht, wie der Andere. Diefer klagt und jam⸗ mert laut; jener Lehre gefaßter und fiiler um. Diefer wirft fi) indem Augenblick, wo ein wohlthätiges Licht ihm anfgeht, det Tugend in die Arme, und bey jenem fließen Stunden und Tage vorüber, bis fein Entſchluß reif wird: ich will mich aufs machen und-zu meinem Water gehen. Diefen made fein Kums mer beredt, und jener verſtummt nach dem kurzen Seufzer: „fey mie Sünder gnädigt“ Dem Einen gelingt es, weinen zu können, und.dem Andern blutet bey trockenem Auge das Herz. . Aber bey Allen muß Aufrichtigkeit und Eenft, Dauer in den Sefinnungen und Empfindungen feyn, bey Allen muͤſſen Thaten für die Befferung zeugen.“ Diefe Stellen nur zur Probe. Man wird ihrer viele von der nämlichen au in der Predigtſammlung finden.

- Nr. 9. find nur fieben ‚Predigten; aber fie find wichtiger, ale manche große, bändereiche Predigtſammlungen. Beſonders hat fi) Rec, gefreut, wieder einen: jungen Theologen zu trefs fen, der Achte Religioſitaͤt, Wärme dafür, und unverfennbaren Eifer, fie in feinen Zuhörern gu beleben, mit dieſen Nedners talenten verbindet. Seine Freude iſt noch größer, weil dieſe Predigten in einer Zeit erfcheinen, wo der heillofe Geift des Beſpekulirens, Bekritiſirens und Beſkeptiſirens, wenigſtens noch in manchen theologiſchen Zeitſchriften, ſpukt, deſſen Mitter⸗ nachtsſtunde freylich ſehr nahe iſt, weil man aber dafuͤr von einem Geiſt, oder vielmehr von hoch und geheimnißvoll toͤnen⸗ den Worten eines Myſticismus betaͤnbt wird, der, wie Mehl⸗ thau, alle wahre Religiofleät in der Bluͤthe verdirbt. Rei. will einige ſchoͤne Stellen ausheben, auf einige ganz vorzügs liche Predigten verweilen, und dann einige Bemerkungen machen, die, wie er hofft, noch mehr von dem Sintereffe zeus gen werden, womit er die Meine Sammlung gelefen hat. &. 54 trägt er eine große, aber noch fange nicht genug erkannte Wahrheit vor, auf weiche die Beſſerungsmethode des Chriftens thums berechnet iſt. „ES gibt eine falfhe Beſcheidenheit,

338 redigten von Walz, Dreiſt und Schulze.

unter weicher ber heimliche Stolz fi gerne verbirgt, eine krankhafte Muchtofigkeit, weiche die Lebenskraft in fi kaum fühle, oder jene oben erwähnte Ueberſchaͤtzung alles Fremden, Veenachlaͤßigung, Verachtung des eigenen Weſens. Alle dirk find von Sohannes ( dem Täufer) gleich ferne. In ihm if die wahre Harmonie des Selbfigefähls, Much und Dei muth; die Verbindung jener Heyden Gegeniäße, welche in der Natur (7) wie im der Menschheit überall wiederkehren, aus deren Gleichgewicht allein die Ruhe, die Seligkeit und das göttliche Leben (fo wie wahre Sittlihleit) geboren wer den.“ Und gleich &. 56 eine trefflihe Darftellung des kräftl gen jugendlihen Sinnes, und eine Warnung für die Jugend zugleih. „Die Jugend. will fo viel.für fih und aus fid, ‚und um ihrer felb willen. Die Welt ift neu, die Anziehung ſtark, der Wunſch gluͤhend, die Erfahrung ſchwach, Gott und das Leben ein Raͤthſel. Hochgeſpannt find die Ahnungen und die Anſpruͤche, mächtig die Triebe, die Sehnfuht nah Be friedigung. Im Hochgefaͤhl der Kraft glaubt der jugendliche, Mensch fih beduͤrfnißlos, glaubt, daß in ihm fey die Macht zu walten und zu vollbringen, Alles aufs herrlichſte hinaus ‚zuführen. Was Natur, Wiffenfhaft, Kunft, Liebe, Freund ſchaft darbieten, der jugendliche Menſch möchte es alles ergreis fen, in fi giehen, und dann ein König unter den Leider und Seiftern, die mißrachene Geſtalt der Welt um geflalten.“ (Sf es doch, als fähe man einen Pädagogen aus der neueften Schule vor ſich, oder als habe man eim neue Schrift von Miederer gelefen!) Er beginnt den Kampf; aber das Leben bekämpft ihn mächtiger. Es demis thigt, fodere hohe Entſagung, und gewährt ihm im Reinſten, wo er Alles fodern zu können glaubt, in der Förderung feiner ſittlichſten, menfchenfeeundlichften Unternehmungen, im Erfor⸗ hen der Wahrheit u. f. m. keine Befriedigung. Auf dielem Standpunct fühlt dee Menih, daß er ſelbſt nichts if, mob vermag ;. daß Gott der mächtige Herr der Welt. ift, und. def der Menſch nichts kann und foll, als ihm dienen, feinen Be gen nachſpuͤren und nachwandeln. Hier knuͤpft füh dad neue Band, das Bond der Wiederfehr.des Menfchen zu Gott. Religio, religatur homo Deo. (Gott gebe, daß and died

*

Bredigten von Walz, Dreiit und Gchulje. 389 |

die Sefchichte unferer anmaßenden, Allwiſſenheit und Allmacht ttäumenden Sünglinge werden möge!) Ein fehr ſchoͤnes Bes kenntniß it ©. 100 ausgefprohen, über das, was man in der feinen Gemeinde des Inſtituts zu Sferten nicht fuche und wolle, was man aber fuche und wolle. Was der Verf. in den Worten zu ©. 106 fagt, wuͤnſcht Rec. von ihm pfus chologiſch und bibliſch ausgeführt. Mac den Winken, die er bier gibt, wäre er.befonders dazu geſchickt, und es wäre ein Wort geredet zu feiner Zeit. Ueberhaupt ift faft Alles aus der Geele des Rec. gefchrieben, was Kerr Dr. über die religiäfen Vildungsmittel in jedem Stand und in jeder Lage bemerkt, und wie es von ihm auf die Erzieher angewendet wird. Die dritte Predigt, über Johannes den Täufer, iſt faſt gang muftermäßig; auch dit vierte und fünfte hat viel Hochs Religidfes. Nur Hätte der Verf. bey dem Überreihen Gebet Jeſu, Joh. 17., bleiben und nicht noch den Anfang der Leis densgefchichte hinzufügen follen. Die fech ste iſt die trefflichfte, und wäre ganz zweckmaͤßig, wenn fie bios vor den Lehrern, und für fie wäre gehalten. worden, wovon aber Rec. am Schluß leider! das Gegentheil fieht. Rec. wuͤnſcht fehr, daß bald eine Fortfegung dief:r Predigten erſcheinen möge.

Nach dem in ihnen herrſchenden religiäfen, alfo befcheides nen und ?indlihen Sinn, ift Nec. überzeugt, daß es der Verf. nihe mißverftehen werde, wenn er ihm auch einige mißbillis gende Bemerkungen macht; am mwenigften, wenn er weiß, daß Rec. in den verfchiedenften und gemifchteften Gemeinden viele Jahre fange Prediger, daß es ihm Ernſt war, das Innere einer Zuhörer gu treffen, und daß er mancherley, auch mißs rathene Verſuche gemacht hat.

Außer einigen, jedoch nur ganz wenigen unfchickfichen Biltern, neben ‚einer fehr fchönen, kräftigen Sprache, z. ©. : Sort iſt tiefer als die Hölle, breiter ald das Meer (©: 24), ie Schöpfung gähnt; raftlos waltot der Schöpfer (©. 61), merkt Rec. nur, daß das, was ©. 66 gefagt wird: „Fürs ton, die fih Götter glauben, und Prinzen, die wie Thiere eben, fühlen in deinem Genuffe ( Natur) wieder den Seegen hrer Menichheit,“ dem widerfprehe, was &. 64 mit Recht eſagt wurde: „Es ift wunderbar, wie wenig fie (die Matur)

390 Predigten von Walz, Dreift umd Säule

ik der ihrer unwerth, durch Leidenſchaft hingeriſſen, in Unnatur verſunken, von Wahn und Duͤnkel -geblender, den Sinn, die Liebe für das Ganze verloren hat. . Es iſt, al geäte fie verfhmähend vor ihm zuräd, u. f. mw.“ Beſonders möchte aber Rec. auf zweyerley aufmerkſam machen, was in unferer Zeit befonders wichtig ift, und wofür fih Kefonders jeder junge Prediger zu huͤten bat.

Bekanntlich. werden in einer gewiffen theologiſchen Schule Die Bibelausdräde, Sort Vater, Sohn, heiliger Geiſt, Ver föhnung, Wiedergeburt, ja fogar der nicht biblifche, fondern bloß kirchliche: Dreyeinigkeit und die allverftändiichen: Leben und Tod, auch gebraucht, aber in einem ganz andern Binn, als fie Jeſus, Paulus, Sjohannes gebraudht haben. : Das möhte immer ſeyn, wenn man fern Syſtem oder feine Hypo shefen mit diefen Worten auszudruͤcken, für gut fände. Aber wenn man infinuirt, oder geradezu behauptet, die Bibel verſtehe unter diefen Ansdräden das, was man in jenen Ru . ligionephitofophieen darnnter verſteht: fo gibt dies eine Ber wirrung, noch ärger ale bey Kants moralifher Interpreta sion, bey der man dod wußte, daß es nur: moralifhe Am wendung ſeyn follte. Der Verf. bat fih vor diefem Mißbrauch biblifcher Ausdruͤcke ſehr gehüter, und die von ihm vorgetrw genen Lehren find faft alle ächte, auf Geſchichte ſich gruͤndende Chriftenehumsiehren. Nur in der Erften Predige, von der Wiedergeburt und Erneuerung im heiligen Geift, über Joh 85. 3—5. if er in diefen Modefehler gefallen. Offenbar ſpricht doch Jeſus in dieſer Stelle von etwas, was der Menſch felik zu feiner Umfchaffung thun kann (Waffer, Johannes Taufı, alfo Benugung der göttlichen Anftalten zu unferer Beſſerung): aber auch von etwas, was er nicht thun, fih ſelbſt nicht geben kann. (Geiſt.) Wenn ein Menſch nicht einmal ver ſteht, wie der Geiſt auf ihn wirkte (V. 8.), fo kann er wohl noch weit weniger, felbft und allein das wirken, was er feldft nicht begreift. In der angeführten Stelle: Ezech. 36, 26. 27. wird auch nicht geſagt: verſchaffet End ein. neues Herz und einen neuen Geiftt fondern: „ich wi Euch ein neues Herz und einen neuen Geift geben.“ Ohnehin Tann man ja, beſonders nad) der. Beiftesausgießung, niet

Predigten von Walz, Dreit und Schulze. 391

mehr im Zweifel ſeyn, was Jeſus und feine Apoſtel unter Geiſt verfiehen, nämlich eine von Gott gegebene Kraft, das auszuführen, was man ausführen fol. And doc fagt der Verf. S. &.: „Aus eigener Anftrengung foll der Meufch das Menfhlihe erlangen.“ Das if freylich an ſich wahr. Aber er ſetzt hinzu:“‘ „Dies Menichliche aber gewinnt der Menſch, wenn er im wahren und vollen Sinn ein Chrift wird, sein duch das Thriftenehum, durch die Taufe. Und das fol auch das Wort fagen: „Es fey denn, daß jemand von Neuem geboren werde ꝛc.“ Mein, es foll weit mehr fagen! Sefus unterfheidet ja Watfer (die Taufe) von dem Seift! Das Leste war keine Waffers fondern eine Feuers tanfe, die auch der Täufer Johannes genau unterfcheidet. (Luk. 5, 16.) Wird denn au der. Menſch duch die Taufe, durch das Chriſtenthum, alfo durch bloßes Annehmen des Chris ſtenthums ſchon rein? Aber was verficht der Verf. unter dem Geiſt des Chriftenthums, der feurige Liebe zu Gott, und hohe Berleugnung des Irdiſchen hervorbringen foll? Das thut doch wohl die Taufe allein nicht? Weit richtiger druͤckt fih der Verf. S. 35 Über diefen Geiſt aus, es fen „ein fortgefeßtes, ewiges (?) Wirken der Gottheit in der Menfchheie“ (wenig⸗ ſtens in einzelnen Menfchen )* eine.edle, heilige, durch ihn erregte amd erhaltene Sefinnung.“ Bey diefer richtigen, biblifhen Anſicht moͤge er bleiben, und nicht übergehen zu der unrichtigen, unbiblifhen- von Niederer, in der Lengburger » Rede, der Geiſt Gottes ſey „die in dem Menichen inwohs nende göttlihe Idee, durch die er Bild Gottes und aller Res figion einzig und allein empfänglih wird ,“ die alſo in allen Menfchen ift, alfo nicht von Jeſus gefendert, am Pfingfts tag ausgegoffen und Menfhen verfprohen gu wer: den brauchte, weil man ihnen fonft Menſchheit gefender, in fie ergoffen und verfproden hätte

Das Zwepte, worauf Rec. den Verf. aufmerkfam machen möchte, iſt die in einem gemifchten Auditorium fo nöthine und ſreylich ſchwer zu erreihende Popularität. Er fagt in der Vorrede, es ſeyen zwey Drittel: Kinder, gegen Ein Drittel Erwwachfener in der Verfammiung Da nun Predigten bloß für Kinder nicht möglich feyen, fo habe er fi insbeſondere

392 Predigten von Walz, Dreifi und Schulze.

und vorherrichend an die Lehrer gewendet, die Kinder aber auch niche vernachläßigen wollen. Zugegeben für den Augens blick, daß Predigten bloß für Kinder unmöglich feyen; ſo Hätte, wie der Rec. glaubt, .. der Verf. gerade das Gegentheil hun, er hätte fih vorzlalih an die Schwäderen, an bie Kinder halten, freylih aber die Lehrer nicht vernachläßtgen fpllen. Bey Lehrern an einem Erziehungsinftitut, wie beſon ders das Peſtalozziſche ift, Test man immer voraus, daß fie mis den Neligionsiehren fchon bekannt find, daß nur erinnert, aufgefrifhe, neu belebt zu werden braudht, was fchon in dem Gemuͤth liege. Gab ihnen der Redner hin und wieder etwas zum Nachdenken, eine neue Anliht, ein Wort, eine Sentenz, die fo traf: fo war es ſchon genug, und die Kinder verloren nichts dabey. Die Kinder aber mußte er in unaufhoͤrlicher Beichäftigung erhalten. Haben fie einmal die Aufmerkfamteit verloren ; fo feſſelt man fie nicht leicht wieder. Sie langweilen fi), und miches iſt verderblicher für Neligiofität, alſo unp& Basogifcher, als wenn man Kinder fhon frühe durch Religions vorträge langweilt; die ganze Sache wird ihnen dann zumider. Eden darum wuͤrde aud) Rec., wie Salgmann that, die Vorträge duch Geſang unterbrechen laffen, was der Verf. . noch beffer konnte, weil er zugleich Geſanglehrer if. Dee lebendige Knabe und Juͤngling may nicht gerne eine Stunde unthätig zuhören, fo wenig, wie das Boll. Er will dabıy auch thätig feun. Iſt ja doch darauf die Peſtalozziſche Mer thode berechnet, und mit Recht! Bey den ©ottesverehrungen kann ee aber nichts Anders thun, ale fingen, durch Gefang fortfeßen , tiefer eindräcen, was ber Religionsiehrer gejagt Hat. Dies wirkt gewiß gut. Man finge nicht bloß für Ans dere, fondern auch für ſich, ſingt nicht bloß etwas aus fig heraus, fondern auch etwas in fih hinein. Die Ps dige über Johannes den Täufer und die lebte, vor der Ifener Gemeinde gehalten, zeigen Übrigens, daß der Verf. wohl por pulär reden koͤnne, obgleich die legte, für eine fo gemſſchte Verſammlung, wegen des: Anfangs und der darin herrfchmden, freylih ſchoͤnen Buͤcherſprache noch nicht populär genug iſt. Die Stellen uͤber Religion, ans Peſtalozzi's Schriften, find in Deutſchland meift bekannt, fo wie Peſtalozzi's Gchriften;

Predigten von Walz, Dreiit und Schulze, 393

und Nec. weiß nicht, warum Kr. D. das Gegentheil behaups tet. Indeß ift es gut, den Theil des Publikums, der etwa diefe Schriften nicht Bennt, oder noch an Peftalogzi'g religidien Sefinnungen zweifelt, durch folche Stellen davon zu Äbergeus gen. Mur muß Rec. um diefes Zwecks willen wänfchen, daß Auszüge aus Niederer wesgelaffen oder mit forgfältiger Auswahl gebrauht würden, weil Manches darin eher eine ents gegengefegte Wirkung thun möchte. Wie kann z. ©. Nieder ter behaupten, Seins habe „fein Werk auf die ganze volls fländige Entwickelung des menichlihen Geiftes und Herzens gegrändet. (S. ı80) War denn wohl Geift und Herz bey‘ den Zifhern und Zöllnern, feinen Schälern, volliftändig entwidele? Hein; er entwidelte es erſt durch feine Lehre und fein Beyſpiel. Uebrigens iſt es empoͤrend und ekelhaft, wenn N. auf ſeine gewoͤhnliche, abſprechende Art behauptet, „bey allem bisherigen Kätehismusunterriht müffe es uns vermeidlich dahin kommen, daß fih das Kind unter Gott etwas denke, yon Ihm etwas hoffe, fodere, erwarte, was der Wirklichkeit oder Möglichkeit widerfpreche, und daß es dadurch in Zweifel oder practifchen Unglauben fiürgen muͤſſe.“ Als 06 N., der fo wenig ſah, allen Katehismusunterricht fennte ! Als ob durch keinen Katechismusunterricht, ächte chriftliche Religiofitär gewirkt worden wäre! Rec. weiß viele hundert Beyſpiele vom Gegentheil. Solche, einen unleidlis hen pädagogifhen Papismus athmende Stellen lafie Hr. D. nur in Zußunft weg, wenn er Vorurtheile gegen den veligiöfen Geiſt im Peſtal. Inſtitut verbannen will.

Auch Ne. 3. tft nur eine Meine, aus gehn Predigten bes fiehende Sammlung ; aber merfwärdig, wie die vorher anges zeigte, obgleich in einem andern Sinne So viel Gehalt und fo viel hochtoͤnende Phrafen ohne Gehalt, fo viel Plare, warme, fräftige, und fo viel unverftändlihe, kalte, matte Stellen freymäthig herausgeſagt fo viel Sinn und Uns finn Hat Rec. nicht leicht in einem großen Buche gefunden, als in biefem kleinen Büchlein. ind es ift, als 06 fi mit jeder Predigt das Verftändlihe, Warme, Kräftige, der Sinn verminderte und das Unverftändliche, Kalte, Matte vermehrte, Es war dem Rec., als ob er in Geſellſchaft eines fenrigen,'

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394 Predigten von Walz, Dreiſt und Schulze.

geiſtvollen Juͤnglings wäre, wo über das Heiligſte geſprochen und zugleih Wein getrunken würde. Anfangs ſpraͤche der Süngling mit vielem Leben und vieler Wärme über Religion. Mit jedem Glaſe, das er weiter tränfe, würde er. exaltirter; es käme fchon manchmal etwas Unverftändliches, Wibderfinnis ges, bis er endlich betrunfen wuͤrde und Unfinn ſpraͤche. Sin den erften Predigten find wirklich ausgezeichnet fchöne, räftig ausgedräd:e Stellen. &. 148 wird eine Seite des Zeitgeifts ſehr gut bezeichnet. S. 157 werden die Worzäge des Chriſtenthums, in foferne es die Weiber wieder in ihre

natürliche Menfchenrechte einfegt, kräftig dargeſtellt. Trefflich

it es, was der Verf. &. 167 von der Mutterempfindung und Mutterfeligkeit ſagt. „Durch das Kind offenbart fich ihr die Fülle der Sortheit, und des Himmels Klarheit umſtrahlt ihr heiteres Angefiht. Mit dem Muttergefuͤhl endet 'die Einfeitig Leit des Geſchlechts; der wahre Beziehungspunct alles (ihres) Denkens und Handelns ift gefunden. Das Weib tritt aus ihrem früheren, befchränkten Kreife in die große Verkettung der Dinge, und wird eine Priefterin der Matur, mit dieſer durch füße, unauflöslihe Bande auf ewig verbunden. Mütter bewahren das große Geheimniß der Liebe in ihrem keuſchen Buſen. Denn in Worten darftellen können und duͤr⸗ fen fie nicht die Seligkeit, die fie durchgluͤht, das Unendliche, was fie bewegt, und wenn fi ihnen aud die Zunge löoͤſ'te, würden fie Allen denen Wahnſinn zu fprechen fcheinen, bie nicht, wie fie, das hohe Gtäd berühren, ein Ewiges zu er— zeugen (zu gebären ), und durch diefes den Kranz der Un— fterblichkeit zu erringen.“ - Sin der ganzen Predigt fuhrt er Maria als die Sonne der Frauen bdarzuftellen, und er fagt unter Andern von ihr (8. 179. 175): „Waria lebte nur in ihrem Kinde, und. ihre Tage feheinen ihr nur geſchenkt, um fie diefem zu weihen. Ihre Mutterwärme erlaubte ihr feinen eigenfüchtigen Gedanken an ſich felbft, ſondern unbe tümmert um ihr eigenes Schickſal, begleitete fie mit treue, immer wacer Sorgfalt den geliebten Sohn, von der Wiege bis ans Stab (?). Ohne Zaudern verließ fie ihre Heimath, ihre Freundinnen, alles: Theure und Liebe, und zog in einſa— mer, gefahrvoller Flucht Über Berg und Thal durch wuͤſte,

Predigten von Walz, Drei und Schuhe 395

traurige Steppen in ein fernes, unfreundliches Sand, um vor der mörderifchen Verfolgung eines biutdärftigen, feigen, Boͤſe⸗ wichts, das Leben ihres Kindes zu fihern. Und als der Lieb⸗ ling ihrer Seele, von feinen Juͤngern verleugnet, von feinen Freunden verlaffen,, fein großes Leben verbiutete, fürchtete fie weder dies herzzerſchmetternde Schaufpiel, noch den unaus— bleiblichen Haß feiner Henker, fondern ftand mis dem Jünger, den er lieb hatte, unter feinem Kreuz, um auch im Tode nicht von dem zu weichen, ohne weichen ihr das Leben gleichgäftig war. Denn die Dutterwärme-hat eine wunderbar s flärkende Sewalt und ſtaͤhlt mie Muth und Tapferkeit, felbit die, vers "möge ihrer Natur, furdtfamen Frauen, fo daß fle troßdietend allen Qualen, unerfchröcden dem Tod ins Auge fehen, wenn es das Wohl. oder Wehe ihrer Lieblinge gilt. Daher vergeffen "auch edle Frauen flets fih ſelbſt, und ihe Leben wird eine Folge von: den Freudenflängen ‚und den Trauertönen, in wels chen fi das Herz ihrer Lieben bewegt. Und weil die Mutters wärme: fi nur duch großmärhige Entfagung auf eigenen (ollen eigenen) Genuß, durch gänzlihe Entäußerung ihrer felöft genügt, und weil fle-flets in ihrem Kinde nicht bloß Diefes, fondern vielmehr die ganze Menſchheit liebt; fo gedeihe auch durch fie in einem folhen Kerzen, am gläcdlichften, ver Erde fhönfte Blüte, die Religion.“ Rec. müßte faft die ganze Predigt adfchreiden, wenn er alle gemüthliche, gelungene und treffende Stellen darin bier bemerklich machen wollte. Maria wird darin als die Sonne (das Mufter) der Frauen (befons Ders der Mütter ) dargeftellt. Mur begreift man nicht, warum er fie manchmal eine ewige Mutter nennt, und woher er weiß, daß fie bald nad) Jeſus gen Himmel gefahren fey. Die Bibel ſagt fein Wort davon. Die dritte Predige ift eine fchöne Anwendung des Muts terfinns, den alle Kirchen wenigfiens ‚haben follten. Die fünfte dagegen tft bloß eine Deklamation Nec möchte faſt fagen, eine Capuzinade gegen das Srdifche, Rergänglihe, das Leben. Das ganze Leben’ ift ein Trauers fpiel, das Irdiſche ein graufamer, liſtiger Feind, den wir in unferem Körper tragen. Der leere Schein wird flatt des Wer fens, die Schale ſtatt des Kerns: geliebt (©. 144). Man

396 Predigten von Walz, Drei und Schulze.

Bat darin den Schein der Wirklichkeit nur gelogen (S. 146). Das Leben ift eine, an Schmerzen und Qualen unerſchoͤpfliche Krankheit ; Haß und Feindſchaft begrüßt den Neugebornen!!! ©: 145 (aud die Mütter?) Das Dafeyn if eine La (&. 165). Man bemühe fih aber nicht, diefe Paraborieen zu widerlegen ; denn fie find fo arg nicht gemeint. Wer die Mut terfeligkeie fo ‚befchreibe, wie es der Verf. ganz wahr &. 178. 373 thut, wer mit ſolchem Jubel redet, von der „Hand der ewigen Freundſchaft, und von der heitern, flilen Seligkeit, weiche hervorkeimt aus dem ruhigen Anfchauen und Plaren Ertennen eines fhönen, eigenthümlihen Weſens, ale eints verwandten Gemächs“ ( &. aıB); wer die „Schöne des Das feyns“ nennt, die felöft Jeſus freundlich angeblickt Haben fol ( S. 146), dem iſt das Leben nicht fo fehr zuwider, wie er es, um fein Thema auszuführen, manchmal behauptet. Aber das fcheint dem Verf. voller Ernft gu fepn, Daß ber Menſch ſich felbft eridfen märe, und daß. es die Bibel auch in dieſem Sinne nehme. Er erlöfer fih, nah ©. 228. 229, wenn das Gute in ihm, das Boͤſe (oder, was dem Verf. ‚Eine, der Geift den Körper ) uͤberwindet, wenn er ‚einen Set renden belehrt, einen Klagenden tröftet, kurz: eine Handlung der Wohlthaͤtigkeit ausuͤbt; ja fogar, wenn er „in den Stun den der ‚heiligen Begeifterung, an dem Bufen. eines Tiebends geliebten Weſens, den Triumph über die Erde (doch fehr im diſch) feyert. (Eine ſolche Selbſterloͤſung mag wohl nicht viel Weberwindung koſten! Hierher paßte die Erzählung in ber £ucinde: „Ich umarmte fie mit eben fo viel Wolluſt als Religion.“ Hat bier auch der Geiſt den Körper überwuns den? Oder begehrt er ihn nur zu überwinden? Iſt hier auch eine Sclaht gegen das Irdiſche, mit klirrenden, eifernen Ketten verfehene Heer, das den Gegner (den Geiſt) gu bes zwingen droht?) Mag man dies in irgend einer Philofophie Erloͤſung nennen; das, was die Bibel’ ſo nennt, iſt es nicht. Mach ihr kann fi der Menſch nicht ſelbſt erloͤſen; fie fchreibt überall diefe Erloſung allein Sefu zu. Was brauchte es auch der ganzen Anflale durch Jefus, wenn fid) der Menſch ſelbſt erloͤſen koͤnnte? Mein; „wir werden ohne Verdienft ge recht durch die Eridfung, Die duch Jeſus Chriſtus gefchehen

‚Predigten von Walz, Drei und Schulte. 397

iſte (Noͤm 3, 24.); und es heißt mit Worten fpielen, oder Bidelworte in einem gang andern, widerfprehenden &inne nehmen , wenn man von. Selbfterlöfung dur Handlungen der Wohlthaͤtigkeit, oder durch Freundfchaftsgenuß redet; es Heißt Bibelworte profaniren, wenn man uns verfihert, daß man fi) am Buſen eines tiebend s geliebten Weſens erloͤſen koͤnne. Unrichtig iſt es auch, daß die Erlöfung nah der Bibel fietig (anhaltend) fortfchreite, und fi bis zum Tod wieders hole. Verſichert ja der Verf. ſelbſt, &. 201, da Jeſus gefage Habe: es ift vollbracht, da ſey „die Schlacht entichieden, und der alte Feind der Erde niedergefchmettert worden.“ nd Paulus ſagt (Ebr. 10, 14.), Jeſus habe mit Einem Opfer ‚für die Ewigkeit vollendet, Alle Die geheiligt oder erloͤſet werden follten. Endlich ift es eben fo unbiblifh und unrichs tg, daß Jeſus das Erloͤſungswerk zuerſt an ſich ſelbſt voll⸗ bracht Habe. Freylich hat Er ſich ſelbſt uͤberwunden, eine Menge wohlthaͤtiger Handlungen verrichtet u. ſ. w., aber das heiße in der Bibel nicht: Erloͤſung. Jeſus, der nie füns digte, bedurfte feiner Erlöfung von Sünden; und nur davon fol der Menſch erlöfer werden, nicht vom Irdiſchen, in das ihn Sort, aus weifen Abfichten,, gelegt hat, aus dem ihn auch Sort allein, und nicht er ſich ſelbſt, wegnehmen darf. Freylich, in diefem Sinne ift es leicht, zu beweifen, was bie - achte Predigt beweifen foll, daß das Chriſtenthum ewig dauren werde; denn immer werden wohlthätige Handlungen verrichtet, Zreundfchaft genofien werden; immer werden gute Menſchen ſich ſelbſt zu uͤberwinden ſuchen.

Noch manche andere Verwirrungen der Begriffe und Wis ‚derfprühe finden ih, 3. B. S. 138, daß das, was. einen Anfang gehabt, auch verfinfen oder ein Ende haben müffe ; ohne den Tod müfe das Ewige in dem Menſchen aufhören zu ſeyn. (Als 06 es nun keinen Anfang gehabt Hätte, weil der Tod dazwifdhen kam!) Der Tod fplle alles Perſoͤnliche von den Worten und Werfen der Menfchen trennen, ©. 143. (Wären es dann noch) die Worte und Werke des Individuums ? Und find fie es nicht, wie können fie ihm gugerechnet wers den 7) Wie ift die Behauptung mit dem zu vereinigen, was eine ‚Seite vorher gefags wird: „der Tod has ihn (den Ger

398 SBredigten von Walz, Dreifl und Schulte.

lieben, Liebenswuͤrdigen) nicht Euch, und Euch nicht ihm ent eiffen, fondern nur die Scheidewand aufgehoben, fo daß Ihr jeßt einander näher treten und Euch mit ungeftörter,. inniger Liebe für die Ewigkeit umarmen koͤnnt.“ Mad dem Hauptſat dee zwepten: Predigt, fol das Chriſtenthum die Meligion bes endlofen. Kampf ſeyn, und doch fagt der Verf. am Ente in den Werfen, die zu einem Krieg für das heilige Grab ein⸗ zuladen feinen :

Zieht ins Feld zum fihren Siege Eurer Sahne nad. rn Daß er das Auffallende Liebe, zeigt fih beſonders am Ende dieſer Predigt, die mit den Worten ſchließt: Kauft ein Sqhwerdt.

und am Ende der fiebenten, die ſtatt: Amen, Beer m Wehe! ruft. i Doch, das find nur aleinigkeiten gegen die ——

die in der Predigt vom Abendmahl ausgeſprochen werden. „Der Weltenvater hat menſchliche Bildung angenommen, in dem Sohne, damit diefer alle Jahrtauſende hindurch fey und bleibe der jungfräufihsreine Leib, worin das innere Element des Weltalls, der Vater, wohnt, (8.207) „der Stein regt fihb und möhte Blume werden; die Pflanze möchte, fich losreißend von ihrem mötterlichen Boden, ſich zu der höheren Ausbildungsfiufe der Thiere ers Heben“ u. |. w. (S. 290) Wenn man den Wein im Abends mahl getrunfen hat, foll man von feiner Bänglichkeit, feinem Irrthum mehr wiffen; es foll keine Sünde, keinen Zwiefpalt, Pein Verderben mehr geben. „Die teifeften AhnungendesBdfen follen verfhwinden; man fol verfnäpft werden mit allen hohen edlen Seelen früherer Jahe⸗ hunderte, und ihr gerechtes Zärnen über das Gemeine fol und ergreifen; wir follen das Bürgerrecht in der Natur und Geſchichte erhalten; (mas das wohl feyn mag, das wie noch nicht hätten?) das Abendmahl foll eine wahrhafte, ewige, unauflöslihe Ehe mit der Natur feyn,“ ©. 300-—306) and wie die Phrafen weiter lauten. Und auf wen es ‚nid fo wirkt, der ift ein unwuͤrdiger Saft, Iebendigstodt, wahn⸗

Predigten von Walz, Dreiſt und Schulze, 399

finnig x. (S. 308—3ı0). Ob wohl die Apoftel wärbige Säfte waren ? frey von Irrthuͤmern waren fie wenigſtens nicht. Was fagen endlich die Lefer zu folgender. Stelle (©. 294): „Ihr umarmet in jedem Menichen : Leib die fleifch s gewors dene Gottheit, und Eure giäubige Seele empfinde in jes dem Kuß von geliebten Lippen die Gnade des Erläfere. Endiich fend Ihr wärdig, aud in der einfamen Umarmung eines liebenden Weſens, das heiligfte Wunder der Natur durch und an Euch ſelbſt zu erfahren, und knuͤpfend das hochzeitlihe Band, in der hoͤchſten und folgereihften That, Euch als Achte Priefter der Marur zu bewähren, die dee Genuß des gefegneten Brods fo reinigte und verflärte, daß Ihr verdienet, die Natur auch in der tieffien Mitte ihres Senne zu erfaflen, und mit der Fülle der edelſten Lebenskraft aufs neue zu feyern das Sakrament der unendlihen Liebe.“ So etwas wurde im neuns zehnten Jahrhundert, in Weimar, Öffentlich von der Kanzel, vor einer vermifchten Verſammlung von SJünglingen, Mäns nern, Jungfrauen und Weibern gepredigt, und follte für Chris ſtenthumslehre gelten!! Kaum glaublih, wenn man e6 nicht gedruckt laͤſe! Schwerlich kann es ein ſchrecklicher mars nendes Beyſpiel geben, wie. der Mißbrauch der ſogenannten Naturphiloſophie, und ihr Einmiſchen in das einfache Bibel⸗ Chriſtenthum, auch treffliche Koͤpfe zu Unſinn verleiten koͤnne, fo daß das Wort Paulus, Roͤm. ı, 2a., an ihnen auf eine, jedem Menfchenverftand einleuchtende, Art erfüllt wird. Daß es eine folhe Warnungstafel werden möge, das war die Ur⸗ ſache, warum Dec. fi) mit dieſer Heinen Sammlung fo lange beſchaͤftigt hat. J

Ueber dad Alter. In Briefen an einen Freund. Nach dem Franzoͤſi⸗ fen des Herrn J. H. Meifter bearbeitet von dem Verf. von Eugenia’d Briefen. Winterthur, in der Eteinerfchen Buchhand⸗ fung. 1810.

Dieſe dem alten würdigen Salomon Hirzel von dem deuts fhen Ueberſetzer, Heinrich Hirzel, Profeffor und Chorherrn -am großen Muͤnſter zu Zurich geweihte Schrift it ein wuͤrdiges Dentmahl der Achtung und Liebe eines jüngern Freundes, der dem Altern fih daducch gefällig zeigen will, "daß er ihm dos

400 cher das Alter von dem Berk. von Eugenia’s Briefen.

Alter feld von einer intereffanten Seite darſtelt. Dem Berf. diefer leſenswerthen Schrift, der dem Ueberſetzer einige Briefe handſchriftlich mittheilte, die Ab im Franzoͤſiſchen Originale nicht befinden, gereicht es zur Ehre, zu geſtehen, daß er die bekannte Abhandiung des Cicero über den nämlihen Gegens fland nicht eher, als nah Wollendung feiner Arbeit nachges fehen und durchgeleſen habe. Nur auf diefe Weile if es möglich, neue Anfihten einer Sache zu gewinnen, die der Betrachtung um fo märdiger ift, als fie fhon das Nachdenken vieler dens kenden Menichen vor uns befchäftiget hat. In der That ers bielten wir auf diefe Weile einige Kapitel in dem vorliegenden ‚Werke, die weder von Cicero, noch von andern find berührt worden, und das Ganze hat fi dadurch in der Behandlung zu einem Originale vollfommen geeignet. Wahr iſt es aber auch auf der andern ©eite, was der Verf. befcheiden zugibt, daß, wenn man nach dieler Lectüre den alten Nömer wieder zur Hand nimmt, man ſich trotz der weitern Umfaſſung des neuen Schriftſtellers, und der unfern Anfihten und Beduͤrf⸗ niffen weit angemefinern. Behandlung des Gegenſtandes, doch weit beruhigter fühle nah dem Lefen des Kicero, der auf der “einen Seite die Schlagfchatten, die dem fchönen Helldunkel zur Unterflägung dienen, welches einige dem Lichte abgewen⸗ deren Theile des Bildes verlieblichen foll, weite befier zu bes -Handeln verfleht und z. B. uus auf feine Weife zu bereden fucht, im Alter habe es mit dem Sterben feine Gefahr, oder: Geiſt und Kraft in feiner lebengreichen Erfcheinung , fogar im Geleite der Einbildungstraft, könne fih zumeilen in den ipäs teften Jahren, wo nicht lebendiger und flärfer,, doch eben fo lebhaft als in der Jugend erwieifen. Auf der andern Seite aber auch wieder gefliffentlih eine Menge von Vorforglichkeiten und Verwahrungsmittein gegen die wahrfcheinlichen Unbequems lichkeiten des Alters eben darum nicht berührt, weil grade in diefer Zuräftung alle mißtrauiſchen Bedenklichkeiten liegen, die, wenn man einen beruhigen und tröftlihen Blick aufs Alter werfen will, weit von uns entfernt bleiben muͤſſen. Es mag in diefer Hinfihe wohl wahr fern, was ein entfernter und doch naher Geiftesverwandte in feinem Buche über. practifche Lebensweisheit ung zu bedenken gibt: Nichts iſt mißlicher im Leben, als bey feinen beflimmten Berdhäftigungen auf einen noch entfernten Punct 'hinarbeiten, den man immer im Auge behalten will, um nachher nicht zu bereuen, daß man feinen Vorbedacht darauf genommen habe. Thue in jedem Augens Blicke, was recht tft, fo. wirft du auch für den Fall, der kanftig einmal eintreten kann, das vechtegethan haben.

EEE TREEESTEEBEnen

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No. 96. Heidelbergiſche 1813. Jahrbuͤcher der Litteratur.

D. nein Joſeph Horſch, Großherzogl. Würd. Medizinal⸗ rath, öffentl. ordentl. Lehrer der allgemeinen Therapie, Heilmit⸗ tellehre und Klinik an der Julius-Univerſitaͤt ?c. Handbuch der allgemeinen Therapie als Leitfaden zu ſeinen Vorleſungen. Wuͤrz⸗ burg, bep Joſeph Stahel. 1811, VIII und 414 ©. 8. |

VWarpotosie und Therapie,* ſagt der Verf. diefed Handbu⸗ ches in der Worrede, „können in ihrer wiſſenſchaftlichen Vervoll⸗ fommnung nicht weiter fortfchreiten, als durch Anatomie und Phyſiologie vorgearbeitet if. Sollen bloße Meynungen aus der Therapie verbannt, und foll fie vollftändig und der Idee des Lebens entfprechend dargeftellt werden, fo muß fie fi le diglih an die Gefege des Organismus halten, indem fie aus diefem die Weife deducirt, wie die durch das pathiologifche Geſetz degebenen Veränderungen zur Normalität zurückzuführen ſeyen. Ueber diefen Gegenſtand habe er fih vor einigen. Jahren im erften Hefte feiner kliniſchen Annalen ausfuͤhrlich erklärt, und bier habe er den Verſuch gemacht, die Therapie nach dieſen Anfidyten zu bearbeiten.“ Nimmt man nun zugleich auf jene Erklärung in den kliniſchen Annalen Ruͤckſicht, wo unter ans deren (S. 19) gefagt wird, daß die Organonomie bisher der Therapie ganz fremd geblieben ſey, oder nicht mehr als einen bloß mehanifhen Einfluß, d. h. (mie der Verf. jagt) für den Mechanismus mander Erflärungen, gehabt habe, daß die Therapie, befonders die. allgemeine, als die eigentlich s Ärztliche Theerie, ganz vernachläßiget ftehe, und daß die Indikation für den Gebrauch diefer oder jener Methode aufzuftellen nichts heiße, als die Therapie fchädlichen Schulbegriffen aufopfern, fo koͤnnte man hier eine gänzliche Reform der Therapie erwarten, und zu nicht geringen Forderungen an den Verf. ſich berechtigt hal⸗ sen, wenn man nicht an vielen unferer neueren Aerzte eine ſolche Sene und auch Verkennung deſſen, was 26

2 P. % Horſch Handbuch der allgem. Therapie, von den, ihnen freylich oft wenig bekannten Vorgängern ger

leiſtet worden iſt, ſchon gewohnt waͤre. Mit wie viel mehr

Einfiht fowohl als Billigkeit Hat fih nicht der um die allger meine Therapie wie um andere Theile der Medictn fo hoch⸗

verdiente Hufelamd in der Vorrede zu feiner allgemeinen

Therapeutif ausgedrädkt, indem er fage: „Bon jeher war «4 das Beſtreben ſelbſtdenkender Aerzte, die Medicin, als Unter— ſuchung und Bearbeitung des lebenden Weſens, den Gefegen des Lebens zu unterwerfen, ihre Negeln aus dieſen Geſetzen abzuleiten, und fie fo, getrennt von den rein chemifchen und mechaniſchen Naturwiffenichaften, als eine eigenehümliche ors ganifhe oder Lebenswifjenfchaft darzuſtellen. Unverkennbar, ame in verfchiedenen Formen ausgedrüdt, blickt dieſe Tendenz aus den Schriften eines Baglivi, Stahl, Boerhaave, 5. Hoffmann, Gaubius, Haller, Zimmermann, Eulen x. hervor, und wer die Worte von den Gacın, den Geiſt von der Form zu unterfcheiden weiß, wird ſchon is

ihnen die Keime und Grundzüge unfrer jeßigen verbeſſerten

Theorie finden" u. f. w.

So gerne wir aber wirkliche Fortichritte der Wiſſenſchaſt |

anerfennen und anzeigen würden, fo Haben wir doch bey forgı

fältigee Prüfung diefer Schrift und Vergleichung derfelden mit ihren Vorgängern durchaus nicht finden können, daß der Verf,

die Therapie durch Anfftellung neuer und wichtiger Grundfäge

bereichert oder eine reelle Verbeſſerung der bisherigen Curme⸗ thoden mitgetheilt Habe, Jeder mie der Litterarue der allen meinen Therapie gehörig Vertraute wird hier die bekannten . therapeutifhen Saͤtze, nur oft in die neuere Schulſprache eis geBleidet und unter die jest bey vielen gewöhnlichen Rubriken der Reproduction, Irritabilitaͤt und Senfibilität (wiewohl nidt felten auf eine gezwungene Arc) vertheile finden. Wenn de Verf. aber auch nicht die Abſicht gehabt Hätte, der Wiſſen⸗ ſchaft eine neue und verbefierte Geftalt au geben, fondern wenn er blaß das Bekannte in einem guten Kompendium hätte dat fielen wollen (was indeffen nach feiner obigen Erklärung nicht anzunehmen ift ), muͤſſen wir wieder offen geflehen, daß wir ihm aüch in dieſer KHinficht eine befonderen Vorzüge einräumen tönnen , Indem in Anfehung der Anordnung und Ausführung

\

8. 3. Horſch Handbuch der allgem. Therapie. 403

der einzelnen Gegenſtaͤnde fe Manches gu erinnern iſt, weren wir nur Folgendes hier ausheben wollen.

Ein Hauptfehler diefer Schrift, in fofern fie «in Com— pendinm ſeyn fol, ift nach unferer Ueberzeugung der, daß He _ feine auagewählte Litteratur enthält. Es find (S. 1-4) nur die allgemeinen Schriften über Therapie angeführt werden, dagegen die Litteratur der einzelnen therapeutifhen Materien durchans fehlt. Aber felbft jene-allgemeine Litserame iſt ſehr dürftig und fehlerhaft angegeben. So nennt der VWerf. unter den Alten wur den Hippokrates, Salenus md Aleramder von Tralles. Lebterer gehört aber cher zur fpesieflen Therapie, und es mußten dagegen hier wenigſtens noch Celſus, Caelius, Aurelianus und andere We thodifer genannt werden. Auch Hätten flatt mehrerer Alterer Compendien, die in einem Werke, was keine vollſtaͤndige Lits teratur enthalten foll, nicht angeführt zu werden brauchen, noch manche. Werke, welche eigne Syſteme enthalten, als die von Daracelfus, von v. Helmont rc. angeführt werden muͤſſen. Außerdem fällt- es befonders auf, daß der Verf. währ rend fo manche unbedeutende Schriften von ihm genannt wor⸗ den find, die ſchaͤtzbaren Werke von Johann Zunder (Conspect. therap. general.), Hebenftreit (Palaeologia therapiae), Adermann und Ploucquet gan Abergan⸗ gen nn

Die $. 5. vorkommenden phyſiologiſchen Vorbegriffe haͤt⸗ ten —— kuͤrzer angegeben und groͤßtentheils, wie z. B. das hier unnoͤthige Detail von der Inſalivation, Deglutition, Chymification ꝛc., als aus der Phyſiologie bekannt vorausge⸗ ſetzt werden koͤnnen. Uebrigens folge der Verf. bier ganz denen Phnfiologen (Walther zc.), welche als Grundfunctio⸗ nen Meproduction, Irritabilitaͤt und Genfibilität annehmen, einge mit dieien die Reſpiration und thierifche Wärme unter die Verrichtungen der Irritahilitaͤt, und gibt hiernach auch Die son ihm fogenannte arterielle Stimmung (welche dem ents zuͤndlichen Zuftande oder der Synocha entipricht) für eine Veränderung der irritablen Organe aus, fo wie er auch die . krankhaften Veränderungen der Temperatur unter die der Ir—⸗ ritabilitaͤt bezieht. Ob indeſſen die Reſpiration mit Mecht bloß

44 P. 3. Horſch Handbuch der allgem. Therapie,

umter die Verrichtungen der Irritabilitat gebracht wird, moͤchtt fehr zu bezweifeln ſeyn. Es können wenisfkens die dabey Btatt findenden Aeußerungen der Irritabilitaͤt die Nichtigkeit jener Saffiication nicht beweifen, indem die Irritabilitaͤts⸗Aeuße⸗ rungen aud in anderen ohne Zweifel zur Reproductien bes flimmten Drganen, z. B. dem Darmcanale, vorkommen (wie denn and) der Berf. ( $. 115.) ſelbſt ſagt, daß diefe Function ͤberall mit den Übrigen verfchlungen fey). Und wenn mas den Einfluß der Nefpiration auf die Blutbereitung berädfihı tigt, und wenn das Blutſyſtem ohne Zweifel ein Hauptipkem der Reproduction ift, muß jene Claſſification um fo einfeitiger orſcheinen. Sehr willkuͤhrlich iſt es auch, die thieriſche Wärme ats eine Werrichtung der Sjrritabilitäe anzufehen. Biel ange meſſener haben überhaupt andere neuere Phpfiologen die Ber richtungen in Verrichtungen ‚des vegetativen und Werrichtungen des fenforiellen Lebens eingetheilt, wobey man dann die bey den einzeinen Verrichtungen hervorfichenden Aeußerungen de Irritabilitaͤt 2c. doch wohl unterfcheiden kann. Aus allem bier fem erhellet nun aber auch), wie wenig es für fih hat, wenn die fogenannte arterielle Stimmung (der entzündliche Zuſtand oder die Synocha), die Fieber und Entzündungen bloß fr Krankheiten der Srritabilität erklärt werden. Der erſte Abſchnitt handelt von der Diagnoſe und Prognofe. Bey der Lehre von der letzteren wird 6. 250 fg. behauptet, daß es keine Heilungen gebe, wo bloß die natürlihe Kraft des Organismus die Krankheit beſiege, ohne daß zugleich äußere Einflüe einwirkten, weil der Menſch flets und nothwendig äußeren Einflüffen ausgefegt ſey. Frey ih if dee Menich immer Äußeren Einfläffen, und oft auf ſolchen, die auf feine Krankheit einen günftigen Einfluß haben, ausgefeßt. Es ift aber laͤngſt von Anderen mit Recht bemerft worden, daß die Heilung durdy die Natur allerdings auch in hoͤchſt fchlimmen Fällen bewirkt worden ift, wo die aͤußeren Einfläffe wenigſtens fo wenig günflig waren, daß man ihnen feinesweges die Heilung: zufchreiben konnte. Bey der Mei taftaje foll nad $. 262. keine Wanderung eines Stoffes anym nehmen feyn, weil fie felbfi bey Krankheiten Start finden könne, bey nun die Mifchungsveränderungen fecundär oder

V. 3. Horfch Handbuch der allgem. Therapie. 405

von der Art feyen, daß fie nicht in die Wahrnehmung fallen. Altein dies beweiſſt bloß, daB nicht jede Metaſtaſe materiell iR, wie freylich tängft Andere gezeigte haben. Die wichtigſten für ‚die materiellen Metaftafen angeführten Beobachtungen und. Strände hat aber der Verf. gar nicht beruͤckſichtigt. Nenn er insbefondere $. 266. fragt: Warum hat nicht das beftehende Zußgeichwär ein antagoniflifches Organ zur Krankheit hervors gerufen und warum das zugeheilte ? und wenn er dabey meint, daß Hier bloß auf die Unterdrückung einer Prankhaften Ser und Excretion zu fehen fen, fo fcheint er die von den glaubs würdigften Beobachtern angeführten Fälle nicht gekannt zu haben, wo bey Fußgeſchwuͤren oder Geſchwuͤren der Arme ıc. Auswurf von Eiter aus den fonft durchaus nicht verlehten Lun⸗ gen erfolgte, nach Befeitigung der Duelle des Liter durch Imputation ꝛc. aber alsbald aufhoͤrte, u. f. w.

Der zweyte Abſchnitt iſt uͤberſchrieben: Theorie der Heilkunſt, und handelt von der Heilung uͤberhaupt, dem Heilplane, den Curregeln, Gruͤnden der Curregeln, Cur⸗ methoden und Heilmitteln, und der Verpflegung der Kranken.

In dem dritten Abſchnitte, welcher die Ueberſchrift: Theorie der Heilung hat, und auch eine allgemeine Ueberſchrift der Curmethoden und Heilmethoden enthält (wobey wohl Manches kürzer gu faſſen und unter einfachere Geſichts— punste zu ſtellen, Manches, zum Theil nachher nocd näher zu berübrende, zu berichtigen wäre), behauptet der Verf. mit Recht, daß die von vielen Naturphilofophen angegebene Ab⸗ theilung der Heilmittel nad den letzten Stoffen, auf welde die Chemie zurücdgehen kann, nod für bloß hypothetiſch zu Halten und vor der Hand noch nicht in die Therapie einzufuͤh⸗ ren fey. Dagegen möchte bey ſeiner Eintheilung der Mittel ($. 462 465.) auh Manches noch für unerwiefen und hoͤchſt hypothetiſch zu haften jeyn. Wodurch iſt e8 5. B. erwieſen ader nur mwahrfcheinlich gemacht, daß die Metallkalke bloß die Neforbtion anfprehen? Aendern "die Neutral⸗ und Mittels falge, fo wie die Metallfalge nur die Serretion um? Iſt die antiphlogiftifhe Kraft des Salpeters ꝛc. Hierdurch erklaͤrt? (Nach $. Bra. follen die Salze freylich auch die Thaͤtigkeit der Arterien umftimmen und den Faferftoff im Blute umändern,

506 8. %. Horſch Handbuch der allge. Therapie,

woran der Verf. indeffen bey jener früheren Elaffificatten nit gedacht zu haben fheint.) Können die adfiringirenden Mittel umd das Eifen, welche effenbar auch einen vorzäglichen Einfluß auf irritabfe Organe haben, bloß als folde ‚tetrachtet werden, welche die Affimilation umändern ? u. f. w.

An dem vierten Abſchnitte, wo von ber Entfer nung Der Hinderniffe der Heilung gehandelt wird, Hat der Verf. ſich felbft auf das Detail des Ausziehens frems der Körper aus dem Speiſecanale, der Luftröhre ꝛc. der Be handlung der Brüche, Knochenbruͤche, Eiterung, Geſchwuͤre x. eingelaffen. Ob died hier nöchig und am vechten Orte war, möchten wir ſehr bezweifeln. Wollte man hier irgend auf führlih und gruͤndlich ſeyn, fo würde ein großer Theil der Chirurgie und fpeciellen Therapie hierher gezogen werden maͤſ⸗ fen. Auch find offenbar viele von diefen Gegenftänden nicht ale bioße Hinderniſſe der Heilung, fondern als wirkliche Keankheit:n gu betrachten und ſchon um deswillen an anderen Orten abzuhandeln.

Bey dem fünften Abſchnitte, wo die augle'erchbe Methode nah der gemöhnlihen Ordnung abgehandelt wird, ‚bemerken wir unter andern Folgendes. Daß das kuͤnſtliche Erbrechen bey dem Keichhuften gang contraindicire fen, -wie 6. 561. gefagt wird, möchte doch zu bezweifeln feyn,. wem auch dies Mittel von Manchen zu allgemein. bey diefer Krank: heit ernpfohlen worden if. 6. 568. iſt die Efelcne mit wirkliches Erbrechen erregenden Mitteln nicht ſchicklich zuſam⸗ mengeftelet worden. Ben der Lehre von dem Blutentziechen Hat der Verf. ($. 617.) mit Recht bemerkt, daß fehr viel von der Stelle abhänge, an welcher die Aderlaß vorgenommen werde, aber dabey vergeffen , ſich näher darüber auszulaſſen, wie es doch die Wichtigkeit diefes Gegenſtandes erforderte,

Der fehste Abſchnitt hat die Ueberſchrift: Umäns derungen in den erften Wegen und den Säften,. und es werden darin abgehandelt die Segengifte, Adforbtion und Einhällung fremder Stoffe, die auflöfende, anfeuchtende, verbünnende,, erweichende und austrodnende Methode, die Umänderung der Reforbtion und Gecretion und die allgemeine Umänderung des Blutes und der Säfte. Daß aber jene Ueber⸗

V. J. Horſch Handbuch der augem. Therapie. 407

ſchrift niche paſſend ſey, indem manche diefer Methoden fich befannttich nicht bloß auf die erfien Wege und die Gäfte bes jiehen , bedarf kaum bemerkt gu werden. -

Der fiebente Abſchnitt handelt von der Umändes rung der irritablen und fenfiblen Organe Es iR darin befonders die fo wichtige antiphlogiſtiſche Methode ($. 812.). gu dürftig dargeſtellt, und es iſt mancher dazu ges höriger wichtiger Mittel, als der Pflangenfäuren, des Sauer⸗ honig-3 2c., der erfchlaffenden oder erweichenden Mittel, hier gar nicht gedacht, audy nicht die nach dem verichiebenen Grade des entzündlichen Zuftandes erforderliche Kinrichtung jener Mes thode angegeben worden, welches Letztere doch für Anfänger fehr wichtig if. Die antagonififche Methode wird auch niche ſchicklich bloß unter der Rubreit: Umänderung der irri⸗ tablen und ſenſiblen Organe, abgehandelt, da ſie ſich auch auf andere Theile bezieht, wie der Verf. (6. 871.) ſelbſt bemerkt, und eben ſo fragt es ſich, ob es bloß bey dieſer Methode der ſchickliche Ort war, von dem thieriſchen Magnetismus, ber Electricität und dem Galvanismus zu handeln, da diefe doc) wohl nicht bloß oder vorzugsweiſe antagoniftifch wirken. Uebri⸗ gens kann auch das Nähere von der Anwendung dieſer und anderer Hier abgehandelter Mittel der Argneymittellehre, wenn man diefe nicht Überhaupt mit ber Therapie verbinden will, überlaffen werden.

Am achten Abfhniite wird noch von der Reguli⸗ rung der gewähnlihen Lebenscinftäffe. gehandelt. Hier vermiffen wir unter andern befonders bey dem über bie Nahrungsmittel Sefagten eine genaue Beruͤckſichtigung des Sinftinctes oder befonderen Verlangens der Kranken zu gewiſſen Dingen, $. 926. aber, wo von zweckmaͤßigen Bewegungen die Nede ift, die Beruͤckſichtigung des Hochathmens, auf defs fen Wichtigkeit in neueren Zeiten befonder von Densier anfmerffam gemacht worden iſt.

Webrigens ift der Druck diefer Schrift durch eine große Menge von Fehlern entſtellt worden.

Eonradi.

408 Enchiridion Hermeneuticae auct. Jahn.

Enschiridion Hermeneuticae generalis tabularum veteris et novi. . Foederis. Authore (auctore) Jahanne Jahn, Philos. et Theol. Doct. Eccles. metropol. ad S. Stephanum Viennae Canon. capit. Afchiepisc. consistori consiliar. olim L. L. O. O. Archaeol, bibl. introd. in V. T: et dogm. Prof Caes, Reg. P. et O. Viennae 1812. In liıbraria Camesina. VIIL 188 ©. in 8.

Bereits vor at Jahren ( 1805) hatte Hr. ». Jahn, ats er noch Profeffor der Orientaliſchen Sprachen u. ſ. w. an der Univerſitaͤt zu Wien war, ein Lehrbuch der allgemeinen Hermeneutik des A. und N. Zeflaments völlig zum Drude ausgearbeitet, und dte nahe Erfcheinung deſſelben öffentlich ans gekuͤndigt. Indeſſen waren Umflände eingetreten, welche die Herausgabe deſſelben verhinderten, wozu noch kam, daß Hr. D. Zahn im Jahr 1806 feine Lehrftelle an der Univerſitaͤt . mit einer andern Beſtimmung vertauſchte. Er änderte daher fein Vorhaben, die Hermeneutik herauszugeben, nnd legte das Manufcript davon in feinen Pult zuruͤck, um es hier feinem Schickſale zu Überlaffen. Allein es gelangten der Ans forderungen und Aufmunterungen, die Hermeneutik in den Drud zu geben, fo viele und -fo bedeutende an ihn, daß er denielben nicht glaubte länger widerfiehen gu dürfen. Er nahm das Manuſcript wieder vor, fand aber bey Durchles fing defielben, daß er es in derjenigen Geſtalt, die er ihm ehemals gegeben hatte, nicht mehr könne erfheinen Laffen. Dies bewog ihn, das Buch ganz umzuarbeiten, und daffelbe, da es vorher bloß zum Leitfaden bey Morlefungen dienen foßte, jebt fo einzurichten , daß es auch zum Privatgebrauche nuͤtzlich wäre. Und bierauf bezieht. fih der Titel deſſelben: Enchiri- dion. Um Wiederholungen zu vermeiden, faßte er darin die allgemeinen Regeln der Hermeneutik, welche ſowohl auf das N. als auf das N. Teſtament anwendbar find, zuſammen, und erläuterte fie, um das Verſtehen derielben gu erleichtern, mis zweckmaͤßigen Beyſpielen, jedoeh mehr aus. dem U. alß aus dem N. Teſtamente. Auch einige auf die dogmatiſche

Theologie ſich beziehende Beyſpiele nahm er auf, um zu geb gen, wie wichtig die Hermeneutik für die‘ theologiſchen en fen. .

Enchiridion Hermeneuticae auct, Jahn. 409

Die Einleitung, welche unter der Ueberſchrift: Praelimi- naria Hermeneuticae, vorangefchickt ift, beſtimmt zuerſt ($. 1.),

was es heiße: einen Sceiftfieller verfiehen, und was alles -

zum Verftändniffe deffelben erforderte werde, mit befonderer Ruͤckſicht auf Schriften aus dem Alterchume, und unter diefen vorzüglich auf die heilige Schrift, wobey zugleich fehr richtig die Urfachen angegeben find, warum Schriftfieller aus dem Alterthume ichwerer gu verftehen find, als neuere Schriftſteller. Der Zweyte $. handelt vom Auslegen ( interpretari ), wels bes nah Hrn. D. Jahn zerfällt in das Weberfeßen ( ver- tere), und in das Erflären (enarrare ), und von den Er— forderniffen einer guten Ueberſetzung und Erklärung, wovon die letztere nah Hrn. Jahn feyn muß 1) grammatifch;

8) hiſtoriſch; 3) Hifkorifch : eheologifh. Dagegen wird ſowohl |

die mythiſche, als auch die pinchologifche und moralifche Auss fegung der Bibel in einer diefem $. angehängten Anmerkung verworfen. Weber bie erflere wird folgendes Urtheil gefällt:

interpretatio mythica, quae veritatem historicam facto» _

rum extraordinariorum V, et N. F. tollit, superstruitur

analogiae aliarum gentium, quarum antiquior historia est

mythologica, acsi Hebraicae genti nihil esset privum, cum tamen nemo non. videat, ei etiam 'alia quam plu- rima. esse peculiaria. Allein ein Volt kann mehreres ihm Eigenthuͤmliches haben, wie denn wirklich faſt jedes Wolf feine Eigenthuͤmlichkeiten hat, und dabey doch darin mit andern Völkern übereinfommen, daß feine frühere Gefchichte in Diys then gehälls iſt, woraus es oft ſchwer ift, die eigentlichen His ſtoriſchen Facta, die dabey zum Grunde kiegen, herauszufinden. Es laͤßt ſich vielmehr fragen, Sobald man fih nicht an bie Dogmatik binder:. da die Wrgefchichte aller alten Voͤlker mys thiſch iſt, warum follte allein die Lrgefchichte des Hebraͤiſchen Volkes nicht mythiſch feyn, von dem dies wegen feines hohen Alterthumes um fo mehr zu vermuchen if? Herrn Jahns Urtheil Über die pſychologiſche Erklaͤrungsart uͤberlaſſen wir den Leſern ſeiner Hermeneutik ſelbſt nachzuſchen. Der Ste und 4te $. handeln von der Natur, dem Nutzen und der Mothwendigkeit einer bibliſchen Hermeneutik, die in der Ans merkung zu $. 4. beſonders gegen diejenigen Lehrer der katho⸗

410 Enchiridion Hermenenticae auct. Jahn.

liſchen Kiche in Schutz "genommen wird, welche behanpten, man möffe ſich wegen der vielen mit einander fireitenden &xs Härungen der Bibel an die Tradition halten, woben die rich⸗ tige Bemerkung gemacht wird, wenn dies gefchehen foHe, fo bedürfe es, um auszumitteln, ‚welches eigentlich aͤchte Tradis tion ſey, einer neuen patriftifchen Hermeneutik, da die Kirchens väter, die Aufbewahrer der Tradition, oft eben. fo fchwer und Öfters noch fchwerer zu verfichen ſeyen, als die Bibel ſelbſt, und dann möchte es noch mehrere verfchiedene Meynungen hierbey geben, als bey der Erklärung der Bibel. Bey der 6. 5. gelieferten Geſchichte und Litteratur der biblifchen Kers menentit vermißte Rec. ungern Morus Acroases academicae super Hermeneutica N. T., herausgegeben von Eihftädt, und Keils vorzügliches Lehrbuch der Hermeneutik des NR. T. (Leipzig 1810.) nebft der nachher davon erfhienenen Lateinis

ſchen Ueberſetzung. Bon den fieden auf diefe Einleitung fols

genden Kapiteln handelt das erfte von $. 6—ıd. de sensu.

Herr D. Zahn unterfdheidet $. 6. notio, Begriff, und

sensus, ®inn; jener fomme einzelnen Wörtern zu, dieſer gehe aus ganzen Saͤtzen hervor, und fey das gegenfeitige Verhälmiß der Begriffe, welche ein Schriftftellee mit Worten bezeichnete. Einen Unterſchied zwiſchen sensus literae und sensus literalis e:tennt Hr. D. Jahn nicht an, da nad der Natur der Lareiniihen Sprache beyde Ausdräde ſpnonym feyen. Eben fo wird die Annahme von mehr ats Einem buch—⸗ fäblihen Sinne in ber Heil. Schrift $. g. mit Recht beftrits ten, nur bey Weiffagungen wird ein doppelter Sinn zugegeben, ein fubjectiver und dunkler, der dem Geiſte des Weiſſa⸗ genden vorfhwebte, und ein objectiver, den die Gottheit Bey ihrer Offenbarung durch Weiffagungen zum Zwede Hatte, und der erſt in der Folge durch die Erfüllung der Weiſſagun⸗ gen vollkändig eingefehen wArde (qui a Deo revelante in- tendebatur, et demum complemento historiae pandelsatur).

- Richtig wird $. 10. bemerkt, daß die ercgetiihe Wahrheit

eines Sinnes nicht mit defien reelle und objectiver Wahrheit verwechfele werden dürfe. In Beziehung auf diefe Bemerkung werden nun $. ı2. gute Norfchriften über das Verhalten des Eregeten bey Stellen, deren Sinn exegetiſch wahr und richtig, aber fonft Schwierigkeiten unterworfen if, gegeben, fo wie das, was $. 7. und 8, über den Sprachgebrauch als ein Mit⸗ tel, den wahren Sinn zu finden, geſagt ift, viel Belchrendes enthält. Im 6. 14., welcher von dem mittelbaren oder ſym⸗ bolifhen ( myſtiſchen, typiſchen) Sinne handelt, wird die Eintheitang defielden in einen allegorifhen, anagogis ſchen und tropologiſchen als unbibliſch und unlogiſch

Enchiridien Hermeneuticae auct. Jahn. 411

verwerfen, jedoch wird $. 25. ein unmtttelbarer Sinn zuge⸗ geben, und aus Stellen der Heil. Schrift erwieſen, und die Kennzeichen deſſelben $. 16. angegeben, Accommobdationen in egegetifcher Hinficht werden $. 17. zugeftanden,, aber auch' nur in dieier, wicht in dogmatiſcher Hinſicht. Dies veranlaßte Heren Zahn noch einmal auf die von Kant porgefchlagerre - morafifehe Erflärung der heil. Schrift zuruͤck zu kommen über die er ſich $. 18. auf folgende Art Außert: per vagam, ar. bitrariam et violentam tractationem hanc s. scripturae, quae nüllis regulis coercetur, quaecunque imaginationis somnia et portenta sacris libris adfıngi possent, et ip eorum auctoritas in gravissimum diserimen adduceretur. Doh geſtattet Hr. Jahn dem practiihen Neligionsiehrer, an folhe Stellen der heil. Schrift, welde an .fih nicht mos raliſchen Inhaltes find, einen moralifhen Sinn anzufnäpfen. Dies ſey immer geichehen, und könne auch nicht eigentlich Erfiärung genannt werden. Das zweyte Kapitel, weiches de contextu orationis, substrata materia, consilio authoris (fo fhreibt Hr. Jahn immer flatt auctoris), aliisque ad- functis handelt, enthält: nicht weniger näßlihe Belehrungen über dieſe Gegenflände. Zuerfi wird 6. 29. der contextus eingetheilt in einen proximus, remotus und remotior, und eine jede diefer Arten von Zufammenhang der Rebe erklärt. Dann wird $. ao. die Beweiskraft des Contextes auseinander⸗ gefeßt, und 6. 2ı. die befländige Vergleihung deſſelben ems pfohlen. Hierauf werden $. oa. Borfchriften gegeben in Bes ziehung auf den Zuſammenhang zweydeutiger umd wichtigerer Sibelſtellen, und von: 6. 23. bie a6. wird gezeigt, welche Ruͤckſicht der Erflärer auf den Zwei des Scriftfiellees, auf die Veranlaffung zu feiner Schrift, auf den Gegenſtand, wor mit er fi beichäftigt, umd auf die Übrigen Umflände zu nehmen habe, weiche biebey in Betrachtung kommen. Das dritte Ras pitel gibt von $. a7. bie 3a. Anmeifung über den Gebrauch und die Benutzung dee Parallelftellen bey der Erklärung der heit. Schrift, wie dieſelben aufzufinden, welche Vorſicht bey Vergleichung derfelben anzuwenden, und welche Fehler befons ders bey Wergleihung von Parallelſtellen aus andern Schrift⸗ fleflern zu vermeiden fenn. Dann wird unterfuht, was es mit den in dem N. T. angeführten Stellen des A. T. für eine Bewandtniß habe, und in wiefern die Analogie des Glau⸗ bens und der Lehre zur Erklärung der heil. Schrift zu benutzen ſey. In Vegiehung auf Stellen ans Profanſchriftſtellern, weihe Häufig zur Erklärung bibliſcher Stellen angeführe wers den, fagt Ar. Jahn 6. 50.: phrases alierum linguarum, quae prorsus nullam habent cum linguis Biblicis et cum

412. EEinchiridion Hermenenticae Jahn.

rebus in Bibliis commemoratis connexionem, sensum s#4« crae $cripturae nequaquam probare, sed duntaxat inter- dum aliquatenus illustrare possunt. Rec. feßt hinzu: de Häufig die nämlichen Wörter und Phrafes in den Profans fhriftftelleen eine ganz andere Bedeutung und einen ganz ans dern Sinn haben, als in den Schriften des A. und N. Zeftamentes, fo bat fi der Bibelerklärer um fo mehr zu hüs ten, ſich duch dergleichen aͤhnlich oder gleichlautende, aber etwas ganz anders amdeutende Wörter und Phrafes nicht irres führen zu laffen, ein Fall, in dem. fih Häufig die Verfaſſer von fogenannten animadversionibus ex auctoribus profanis ad illustrandos libros sacros befanden. Was die aus dem 4A. T. in dem N. T. citirten Stellen betrifft, fo gibt Herr Jahn in $. 3r. im Allgemeinen die Regel, sola ılla V. F. loca, in N. F. allegata, censeri proprie explicata, I. ex quibus argumentum positivum. et absolutum ad compro- bandam omnibus lectoribus vel auditoribus veritatem du- citur, et II. quorum sensus in contextu orationis A. F. ex legibus interpretationis prorsus idem, etsi. fortasse minus sublimis, esse comperitur. Als eigentliche Parallels fielen läßt er jedoch keine aus dem A. T. in dem MN. T. angeführten Stellen, und zwar mit Recht, gelten. Es kann aus ihrer Anführung höchftens erkannt werden, wie man fie zu den Zeiten des N. T. verfiand, und welden Sinn mar ihnen beylegte, jund das nicht einmal immer, da fo Häufig

telien des A. T. in dem N. T. auf gang andere Gegens flände angewandt werden , als diejenigen waren, von melden fie eigentlich handeln. Daher auh Kr. Jahn alle die in dem N. T. angeführten alttefiamentlichen Stellen, melde

nicht unter den von ihm durch die eben angeführte Negel

genauer beflimmten altteftamentlihen Stellen begriffen find, zu den exegetifhen Accommobdationen zählte. Wenn noch außen

‚dem 6. 39. der Analogie des Glaubens und Ider Lehre, wie

diefe im Ganzen in der heil. Schrift und in den erfien kirch⸗ lichen Schriftftellern nach den Apoſteln und Evangeliften ent

halten ift, nebft den Paralleifiellen, ein befonderes Gewicht beygelegt wird, fo geichieht dies keineswegs in der Abſicht,

die Lehrfäge ider Kirche und der Dogmatik zur Regel ımd Richtſchnur der Erflärung der heil. Schrift zu machen, fon dern Hloß in fofern fie der Erklärung dogmatifcher Stellen zur

‚Beftätigung dient. Longe absumus, fagt in diefer Nüdfiht

Kr. Jahn, ut ad authoritatem ecclesiae catholicae,(de qua, ubi Hermeneuticam tractamus, sermo esse nequit, pro vocemus, sed testimonium duntaxat antiquissimorum ec clesiae doctorum de sensu locorum dogmaticorum urgemuß.

Enchiridion Hermeneuticae auct. Jahn. 413

Daß übrigens die Art und Welle, wie dogmatifche Stellen von den erſten Kirchenlehrern verflanden wurden, allein fiir den Eregeten kein Grund ſeyn dürfe, fie eben fo zu verfiehen, wird gewiß jeder Lnbefangene gerne zugeben. Kr. Jahn felöft deutet darauf hin, wenn er. den 6. von der Analogie des Glaubens mit folgenden Worten fchließt: In usu her- meneutico analogiae doctrinae duo extrema, utpote vitia aequalia, vitanda sunt: primum quidem, ne locis sacrae scripturae tribuatur sensus illi analogiae doctrinae oppo- situs; dein ne e contrario verbis sacrae scripturae, ut ‚huic analogiae conformentur, vis inferatur, .quod esset sacris. libris inferre sensum, qui ex ipsis efferendus fuis- set. Mach diefen genauern Beflimmungen des Gebrauches der Analogie des Glaubens bey der Erklärung der heit. Schrift wird fich denfelben auch der Proteflant gerne gefallen laſſen, und nichts Erhebliches dagegen einzuwenden haben, wenn er ihm auch gleich niche das Gewicht beylegen follte, den ihm die katholiſche Kirche beyzulegen pflegt. Er wird menigftens von ihm. keine Beſchraͤnkung der nöthigen Freyheit bey Unterfuchung und Feſtſetzung des Sinnes bibliſcher Stellen färdten, noch fih durch ihn verleiten laffen, von den übrigen Mitteln zur Erklärung der heil. Schrift nicht den gehörigen Gebrauch zu machen. Regeln über die Erkennung und eregetifhe Behands lung der Tropen in der Bibel, wohin auch die Allegorien, Bilder, Gleichniſſe und Fabeln gehören, gibt das vierte Kas pitel von $. 535. 40. In dem fünften Kapitel, welches von $. 41. bis 46. von den Emphafen handelt, find die Kenngeis hen, wodurch fih wahre Emphafen von Frdichteten untericeis den, vorzüglich gut angegeben ($. 44. und 45.). Das fechste Kapitel befchäftige fi mit den in der Bibel vortommenden anfcheinenden Widerfprühen, und der Art und Weiſe, fie zu heben (von $. 46. bi8 55.) Da Herr Zahn von dem Srundfage ausgeht, daß die Bibel ein göttlich infpirietes Buch ſed, To ift es natürlich, daß er auch keine wirklichen Widers ſpruͤche darin darf Statt finden faffen. Er zeigte daher, wie Die Widerfprühe in den bibliſchen Schriften mit Huͤlfe der Kritik oder der Hermenentit zu heben feyen. Ungeachtet bey einem minder fireng dogmatifchen Begriffe von der Inſpiration Der heil. Schrift daran gezweifelt werden kann, daß fie fich ‚auch auf die Vermeidung aller Widerfprüche in der Bibel ers ſtreckt habe, wenigſtens ſolcher, von welchen fein wefentlicher Theil der Religion abhängt, fo iſt es gleichwohl die Pflicht des Eregeten , zu verfuchen, die wirklichen oder anfcheinenden Widerfprähe zu heben, und des Hermeneuten, zu geigen,, wie dies am beſten geichehen könne. Die Anweifungen, welche Hr.

!

dia, Eichiniken Hermenentioas-auct; Tahn-

Hahn dazu gibt, wird daher jeder eben fo nothwendig afs zweckmaͤßig finden. In dem fiebensen und lebten Kapitel, welches von $. 54—7ı. de audiendis et legendis interpre- tibus et de exercitatione hermeneutica handelt, werden zuerſt Borichriften über die von dem angehenden Eregeten ans zufiellenden Uebungen in der Erklärung der Heil. Schrift ertheilt; dann folgt eine kurze Ueberſicht der vorzuͤglichſten jüdifchen und chriſtlichen Erklärer der Bibel aus der Altern und neuen Zeit, mit treffenden Bemerkungen über ihre Vorzüge und Mängel, Hierauf wird gezeigt, welcher Gebrauch von den vorhandenen Kommentaren und Erklärungen. der Bibel zu machen fey. Ends lich werden angehenden. Exegeten. eigeue Uebungen im Inte pretiren, ſowohl iin Leberfegen, als auch im Erklären und Paraphraſiren und Analyſiren bibliiher Schriften als vorgägs lich nüßlich empfohlen, um fich gu guten Eregeten zu bilden. MMach diefer Inhaltsanzeige des wor uns. liegenden wen. Handbuches der biblifchen Hermeneutik halten wir es für üben fluͤffig, moch etwas zum Lobe und zur Empfehlung defielben hinzuzufügen. Kerr Jahn, ber ſchon durch mehrere Schi ten feine grändlihe Gelehrſamkeit bewährte, und um das Bibelſtudium fi) vorzügiiche Verdienſte erwarb, hat ſich un Kreitig dur die Herausgabe jenes Handbuches ein neues Ber dienft erworben. Es ift eine erfreutihe Erfcheinung, wenn Maͤnner, wie Hr. Jahn in Wien und Hr. Hug in Fre Burg, mit einander in der Vefdrderung grümdlicher theologiſcher Keuntniſſe unter Katholiten und Proteftanten wetteifern. Wenn aud die Jahniſche Hermeneutik nichts enthält, was nicht ſchon in mehrern von Prdteflanten verfaßten Hermeneutiken, wor hin die. Hermeneutiten von Bauer, Meyer, Seiler und andern für das A. und N. Teſtament, und die von Ernefi, Bed und Keil für das N. T. gehören, vorgetragen mordes wäre, ſo ift doch unter den von Katholiken bisher verfaßten Lehrbüchern der Hermeneutik keines demfelben gleich zu feßen, und ſelbſt der Proteſtant wird darin viele nüßliche NWorfhrifi ten und treffende Winke finden. Es if daher gewiß für uw fere Lefer keine unangenehme Nachricht, wenn wir ihnen dr baldige Erfcheinung der fhon vor mehrern Jahren von Hr. Sahn verfprochenen eregetifchen Abhandlungen. über. dogmati⸗ fche Hauptitellen der Bibel, verbunden mit Erklärungen der im 4. T. befindfichen Meiffagungen auf den Meffias, ankän digen, wozu er am Schluffe feines hermeneutiihen Handbuches die. gewiffe Hoffnung macht, fo wie es, ungeachtet des treffls shen Hebraͤtſchen Wörterbuches von Geſenius, das wir nut beſitzen, zu bedauern ift, daß Hr. Jahn die Ausarbeitung

Ueber Spittier von Bland, Heeren und Hugo. 415

Ines aͤhnlichen, früher fchon v bräi⸗ fen ea ante een Hat. ihm angefangenen He r

Le

1) Ueber Spittler als Hiſtoriker. Bon Dr. ©. J. Planck. , Göttingen ‚bey Er und Ruprecht. ı811. = & 8.

3) Spitrtler. Bon Heeren nnd Hugo, nebk einigen _Anmere”

kungen eined Ungenannten. Aus dem Baterländifhen Muſeum, Dem civiliftifden Magazine und dem Morgenblarte zufammen abs gedrudt. Nebſt einem Gac Simile. Berlin, bey Auguſt Moplius. 1812. ©. 8. | =

Haben gleih an Spittler's Grabe nicht fo viele Stims men fidy zur Feyer feines Andentens erhoben, wie bey dem Tode des ihm um kurze Zeit vorangegangenen Johannes vor Müller, an deffen Kenotaph Heyne, Wachler, Rommel, Shüg, Windiſchmann, Heeren und Roth ihre Kraͤnze tranrend hefte⸗ ten: ſo hat doch ein ſehr ehrenwerthes Kleeblatt in Goͤttingen den Manen des vormaligen Kollegen und vieljaͤhrigen Freundes, durch die vor uns liegenden Aufſaͤtze, ein ſchoͤnes Todtenopfer gebracht.

An Nr. 1. ſchildert die Hand eines Meiſters in ber hiſto⸗ eifhen Kunft, was Spittler als Hiſtoriker war, und wie er es geworden. Das Wefentlihe diefer Darftellung beftehe in folgenden Zügen: Sp. fey der Hiftoriker, der er war, das durch geworden, daß er, bey fehr vortrefflichen natürlichen Ans lagen, einem hoͤchſt fcharfen geifligen Auge, einem eben fo feis nen Gefühle, und einem eben fo leichten Faſſungs⸗ als gefuns den Beurtheilungsvermoͤgen, zuerft mit dem gelehrten Forfchen und Sammeln in dem weiten Gebiete der Geſchichte angefans gen, und zu gleicher Zeit einen großen Theil der Kraft feines Geiſtes auf ein eifriges Studium der Philofophie in ihren ältern und neuern Formen verwendet habe. In allen feinen größern Werken finde der ſachkundige Beurtheiler nichts mehr gu bewundern, als das gluͤckliche Treffen, oder vielmehr die verfiändige Auswahl des Stoffs, den er fih zur Bearbeitung heraushob, und die fehle Enthaltſamkeit, womit er auf bie Bearbeitung von diefem fi beichräntte. Ihm fey es vielleicht zuerſt ganz Par geworden, daß die Gefchichte eines Staates . noch etwas anders ſey, als die Geſchichte feiner Negenten. Den jeder biftorifchen Arbeit habe er es fih zum Gelege ges mache, fich zuerft in den Befiß des ganzen Stoffe zu feßen, der dabey zu bearbeiten war. An feinem frühen Entſchluſſe, fih zum gelehrten Hiftoriker zu bilden, Habe wahrſcheinlich theils das damals In Stuttgart rege gewefene Intereſſe an Fors fhungen über die vaͤterlaͤndiſche Geſchichte, theils der Umgang

416 Ueber Spiütler von Planck, Heeren und Hugo.

und das Beyſpiel feines Lehrers Vol z großen Antheil gehabt. Bey der Theologie habe er damit angefangen, daß er fie his ſtoriſch ſtudirte, woven fih auch die Wirkung fon in den erfien Proben feiner Schriftſtellerey auf eine auszeichnende

Weiſe gezeigt habe. In jeder feiner hiftorifchen Arbeiten fehe man den Gelehrten, dem kein Theil feiner Wiſſenſchaft, oder feine Provinz ihres unermehlichen Zeldes ganz fremd und ums befannt war. in Styl und feine Sprache habe bisweilen Anfloß erregt, wenn man mehrmals darin auf Ausdruͤcke oder Deywörter, die man nicht erwartet hatte, gefloßen, oder von Wendungen, auf die man nicht vorbereitet war, überrafcht worden fey ; aber für den unterrichteten Leier habe fie dadurch defio mehe Belchrendes und Anziehendes erhalten, woben kem Gedanke an Affecrtation bey ihm habe auftommen koͤnnen, da er aus fo vielen andern Zeihen gewahr worden fey, daB Sp. eher zu forelos, als zu befümmert für feinen Styl geweſen. Da er meiftens forafältiger, als nöthig, und auc, vielleicht forgfältiger, als zuweilen gut geweien, jeden Schein eines bloßen Auslegens von Litterarue und Gelehrſamkeit vermieden habe, fo finde man in mehreren feiner Schriften faft feine Citate, fondern meiften« nur die hiſtoriſchen Sauptquellen für den behandelten Segenftand, und für jeden Zeitraum, durch welche feine Gefchichte durchgeführt werden mußte, in Befons derm angegeben. Doc davon fep er in fpätern Jahren etwas zuruͤckgekommen, und feine Vorrede zu einer ſpaͤtern Ausgabe feiner Kirchengefchichte laſſe Ichließen, daß er jetzt wenigſtens feinen angehenden Hiſtoriker von der Verpflichtung, feine Quellen und Autoritäten anzugeben, mehr dispenfire, ja ſich felbft als erprobten Seihichtforfeber nicht mehr davon dispen⸗ firt haben würde, wenn er noch eine der Acheiten, zu denen er die Plane ſchon Tängft entworfen gehabt, hätte vollenden tönnen. Den größten Netz habe für ihn das Entdecken und neuer Quellen für die Sefchichte gehabt.

In Nr. 2. Hat Hr. Prof. Hugo die Auffäge, wodurch Hr. Prof. Heeren und er, theils im vaterländifchen Mw feum, theils im civiliſtiſchen Magazin, Spittler’s Andenfen gefeyert haben, nebſt den Anmerkungen eines Ungenannten ‚dem im Morgenbiat 1311. Nr. go. gı. 95 95. befindlichen Abdeude des größten Theils der obgenahten Pland’ichen Schrift Aber Spittler als Hiſtoriker, zuſammendrucken lafı fen, und dadurch das Publikum mit einer ſchaͤtzbaren Samm⸗ lung von mancherley intereſſanten Notizen uͤber Spittler und ſeine vielſeitige Wirkſamkeit beſchenkt, die nicht unterhält, fondern auch rnit

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No. 27. Seidelbergifce 1813. Jahrbuͤcher der Litteratur.

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Rechtsfaͤlle zur Erlaͤuterung der Gerichtsverfaſſung und Prozeßord⸗ nungen Weſtphalens. Herausgegeben von Dr. B. W. Pfeiffer, Subflitut ded koͤnigl. Generalprocureur's am Appellatiöndhofe zu Caſſel. Erfter Band, drittes Stüdf. Hannover, bey den Ger bruͤdern Hahn. XVI. ©. 201— 516. Anhang S. 83— 126,

We beeilen uns, dieſe intereſſante und —— lung, deren frühere Hefte bereits in unſern Jahrbuͤchern (Jahrg. 1811. ©. 241 a60) mit verdientem Lobe angezeigt worden find, dem juriſtiſchen Publicum zur Kenntniß gu bringen. Auch das vorliegende dritte Heft, welches: den erſten Band bes fhließt, ſteht den früheren in feines Hinfiht an Intereſſe nach, ja wie find geneigt, ihm einen eigenthümlichen Werth in fos - fern gugufchreiben , ‚als. fi einige Abhandiungen deſſelben (nämlid, die 20. und 21.) nicht bloß auf die Unterſuchung und Entwickelung einzelner abgefondert aufgegriffener proceffuas liſchen Puncte beziehen, fondern ‚vielmehr die ſyſtematiſche Darftellung und Erklärung ganzer Nechtsmaterien zum Gegens fand haben, daher es denn auch kommt, daß diefes Heft, obwohl es ftärker ausgefallen iſt, wie die beyden vorhergehens. den zuſammengenommen, döh nur 7 Abhandlungen enthält, wogegen die beyden früheren Hefte zufammen 125 Aohandlungen - darbieten. Jene 7 Abhandlungen find von 18 Nechtsfällen begleitet, morunter jedoch die zahlreichen Ansziige, die der Verf. aus den Urtheilen der Kranzdfifchen ſowohl, wie Weſt—⸗ phälifchen Höheren Gerichtshoͤfen mittheilt, nicht an ‚begriffen

find. / - Die erfte Abhandlung ( die i6te der ——

von ©. 201 232) führt den Grundſatz aus daß der Fremde, wegen Werbindlichkeiten, die er gegen einen Meftphalen übers nommen bat, vor den Gerichten des Königreichs belangt wers den kann, wenn er gleich kein Bermögen im Lande beſitzt, und

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448 Nechtefaͤlle von B. W. Pfeiffer.

wenn gkleich die Verbindlichkeit noch vor Einführung des Geſetz⸗ buche Napoleons eingegangen wurde. Die Übrigen Zragen, zu denen der hier in Frage kommende Artikel 14. des €. ©. wohl Veranlaffung gegeben hat, namentlich in wiefern perfdns liche Gegenwart des Fremden im Lande erfordert werde, oder in wiefern auch andere als vertragsmäßige Verbindlichkeiten unter die Dispofition des vorangezsogenen Artikels begrifen feyen, ‚berührt der Verf. mit Mecht nur vorübergehend, weil ruͤckſichtlich ihrer die Stimmen jebt wohl nicht weiter Igetheilt foyn dürften. Auch die erſte der Bier eigentlich im Unterfw hung kommenden Fragen, bie der Verf. aus der Eigenthuͤm lichkeit der Franzoͤſiſchen und ‚Weitphätiichen Serichtsverfanung fehr richtig bejaht, und bie, wie der Verf. nachweiſſt, umter den Franzoͤſiſchen Rechtsgelehrten im Grunde nie als firdtig angeicher. worden if, duͤrfte jetzt felbit unter den Deutichen Juriſten als entfchieden angenommen werden. - Der Caſſel

Appellationsgerichtshof hat zwar in Sem vom Verf. mitgetheil⸗ ten abten Mechesfalle die entgegengeſetzte Meynung amgensmt men, allein die hier aufgeführten Gründe dürften wohl ſchwerlich jemanden Überzeugen, und es ift auch diefes Erkenneniß bereit duch den Weftphälifchen Staatsrarh caflirt worden. Die zweyte oben ermähnte Frage wird vom Verf. gleichfalls bejaht, und wir nehmen Bein Bedenken, ihm hierin volllommen beyzm „yflichten, zwar nicht. aus dem Grunde ( worauf auch der Verſ. ſelbſt nicht fein Hauptgewicht legt), weil die Competenz ſich jedesmal nad) dem Zeitpuncte richte, wo der Nechtsftreit bey dem Gerichte anhängig gemacht werde Edenn hätte der Ge— feßgeber wirklich. Beym Ast. 14. die Anfiht gehabt, weihe, wie der Verf, zeigt, die Franzoͤſ. Zuriften damit zu verbinden pflegen, fo würde eben dadurch der obige. Grundſatz vom Gt ‚feßgeber feldft in diefer Hinficht eine Modification erlitten

Haben), wohl dber wegen der ſtaatsrechtlichen Ruͤckſichten, dit

diefem Art. ganz unbezweifele zum Grunde liegen. Wir ms ben hierbey zugleih auf die mufterhafte Ausführung dieſer Trage in dem vom Verf. mitgerheilten Erkenntniffe des Di ſtrictstribunals zu Rinteln aufmerkfam, welches zwar durch das bereits erwähnss Erfenntniß des auch hierin die entgegen

geſetzte Meynung adoptirenden Appellatiouehofes zu Caſſel aufı

= Sechisfälle von B. W. Bier. 4419 gehoben wurde, indeſſen durch ein caffirendes Erkenntnift des Weſtphaͤli ſchen Staatsrathes ruͤckſichtlich dee ihm flatuirten Hrincipes wieder hergeſtellt worden iſt; aus der Franzoſiſchen Praxis theilt der Verf. ein Erkenntniß des Appellationshofes ja Trier mit, worin beyde Fragen gleichfälls bejahend entſchie⸗ den worden find. Die Abhandlung unter Nr. XVII. (G.

232 264) betrifft die ſehr fchwierige Frage, nad) welchen Seundfägen ſich die Tompetenz der Weltphätifhen Gerichte Über Magen zwiſchen Ausländern richte? Nachdem der Verf. bie verſchiedenen Anfihten der Franzöfifhen und Deutſchen Rechtsgelehrten Über diefe Frage durchgegangen hat, fo pflich⸗ tet ee dee Grolmanſchen oder vielmehr Locrefhen Ans ſicht bey, ‘zufolge welcher zn die: verfchiedene Eigenschaft des Geſetzes, vom welchem die Entfcheidung des in Frage fiehenden Rechtsſtreites abhängt, den Ausichlag gibt. Der Verf. zeige fehr deutlich, daß fih die gange Sache lediglich anf die Frage reducire, welchen Gefegen Aberhaupt ein Indi— viduum unterworfen fey (ein Geſichtspunct, den wir ſchon in der erſten Ausgabe des Zahariäfhen Compendiums ange beutet gefunden haben), daß hierüber der Art. 3. des C. N. ausdruͤckliche Beſtimmungen aufftelle, und daß ruͤckſichtlich der perſoͤnlichen Verbindlichkeiten der allgemeine Grundſatz, welcher den Kläger an den Gerichtsſtand des Wohnſitzes verweiſe, ent⸗ ſcheide ( wofür in dem unter Nr. 28. mitgetheilten NMechtsfalle ein Erkenntniß des Appellationshofes zu Paris und des kaiſerl. Caſſationshofes fpricht), jedoch mit Beräciichtigung der in den Art. 11. und 13. enthaltenen Modificationen (von denen bie leßtere in dem. unter Nr. 27. mitgetheilten Rechtsfalle zur Sprache fam, und von dem Appellationshofe gu Paris anges wendet wurde). Die Klagen auf Privarfatisfaction wegen peinlicher oder poligeplicher Vergehungen beurtheilt der Verf., wie uns ſcheint, gang richtig nach dem $. 1. Art. 8., ohne zu unterfcheiden, ob diejelben zugleich mit der —— oder erſt nach derſelben angebracht ſind, ſo wie auch die dinglichen Klagen wegen beweglicher Sachen ganz im Geiſt der Franzoͤ⸗ fiihen Legislation unter den 6. 3. des Art. 3. rangirt werden. Dagegen verwirft er für Weftphalen die Anwendbarkeit der Ausnahme, welche die Franzoͤſiſchen Suriften Hinfichelich der

7 vr Rechtefaͤlle von 8%. W. Pfeiffer.

zwiſchen Ausländern anf Meſſen und Märkten eingegangenen Verbindlichkeiten von den bisher ausgeführten - Grundſaͤtzen mas chen, weil diefe Ausnahme in Frankreich felber nicht auf dem €. N., fondern. auf einer in feiner KHinficht in jenem anges deuteten , von jeher befolgten practifchen Anficht beruhe. Der gogte won dem Appellationshofe zu Taffel entichiedene Rechtsfall enthält eine Anwendung: des in Anfehung der Klagen auf Pris vatſotisfaction aus Poligey +», oder peinlihen Vergehen ausger . führten Grundſatzes, doch bemerken wir, daß der Gerichtshof in dem vierten Entfheidungsgrunde fih auch ausdruͤcklich mit darauf flüge, daß die hier angeftellte Klage, wenn fie gleich nur bewegliche Sachen zum Gegenſtand habe, dennoch nach der Beſtimmung des $. 2. Art. 5. zu beurtheilen fey, weichem, wie wir gezeigt haben, die Anficht des Verf. widerſtreitet. In der Abhandlung XVIII. (©. 265— 277) unterſucht der Verf. die Frage, ob eine caflationsfähige Ueberſchreitung der richterlichen Gewalt auch darin liege, daß ein Sericht nad Willkuͤhr und ohne durdy ein Geſetz dazu ermächtigt zu fenn, eine Verurtheilung ausiprehe? Diefe Unterfuhung ſcheint durch den zu ihr gehörenden So. Nechtsfall veranlaßt . worden zu ſeyn, worin der Weſtphaͤliſche Staatsrath ein friedensrichs terlihes Erkenntniß aus dem Grunde caffitte, weil es eine Verurtheilung ohne ein dazu ermäcdhtigendes Geſetz enthalte, mithin eine förmliche Weberfchreitung der. richterlihen Gemalt involvire. Der Verf. bemerkt, daß in dem königl. Decrete vom 20. May 1809 die Weberfchreitung der richterlichen Ge walt und das Erkennen wider eine ausdruͤckliche geſetzliche Vorſchrift als verfchtedene Kaffationsarände aufgeführt feyen, welches in fofern wichtig fey, als das Rechtsmittel der Caſſa⸗ tion nur aus dem erfteren Grunde gegen friedensgerichtliche Erfenntniffe Statt finde. Hieraus deducirt denn der Verf., daß, da das Erkennen wider ein ausdruͤckliches Geſetz keine -Weberfchreitung der richterlichen Gewalt enthalte, Biefes im Ganzen noch viel weniger von dem Falle behauptet werden fönne, wenn ohne alle gefeßlihe Beftimmung erkannt fey. Das erwähnte Staatsraths-Erkennuniß fey daher nur auf den Fall zu beichränken, wenn eine Verurtheitung ohne alle geſetz⸗ liche Beſtimmung ausgefprochen ſey, weit hier. freplich nichts

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Mechtöfälle von B. W. Pfeiffer. 421

anders als richterliche Willkuͤhr zum Grunde liege; aber uns ſcheint, daß, wenn der Verf. dies als richterliche Willtähe anfehen will, diefe gewiß in einem noch höheren Grade da vorhanden fey, wo der Richter mit Hintanſetzung eines aus⸗ druͤcklichen Geſetzes etwas anderes erkennt.

XIX. (S. 278 501) Muß der, welcher gegen eine Ehefrau klagt, ſelbſt dafuͤr ſorgen, daß dieſelbe von ihrem Ehemanne autoriſirt werde, oder kann er, wenn bies unters bleibt, ein Sontumacial + Urfheil gegen fie auswirken ? Die hier in Unterfuhung gezogene Frage ift bey dem gänglichen Mangel beftimmter gefeßlicher Dispofittonen um fo intereffans tr, als die Fälle, welche die Entſcheidung derfelben nothwens dig machen, ‚der Natur der Sache nach nicht felten feyn innen. Der Verf. geht zuvoͤrderſt mehrere der bisher verſuch⸗ ten Beantwertungen durch, und zeigt, daß diefelben theils dem beabſichtigten Zweck nicht entſprechen, theils nicht aus geſetzli⸗ chen Verfuͤgungen gerechtfertigt werden koͤnnen. Dies fuͤhrt ihn auf den Grundfatz, daß die Entſcheidung hier nun theils aus den mittelbaren Quellen des neuen Rechts, d. h. den ſtatt⸗ gehabten oͤffentlichen Verhandlungen, theils aus der uͤber dieſen Gegenſtand bereits fixirten Franzoͤſiſchen jurisprudence herge⸗ nommen werden koͤnne, und fo tritt er denn Der durch bey— nahe alle Franzoͤſiſche Rechtsgelehrten vertheidigten, durch die Franzoͤſiſche Praris fanctionirten und auch bereits durch die geſchaͤtzteſten Deutihen Bearbeiter des neuen Prozeſſes adops tirten Meynung bey, daß es nämlich lediglich die Sache des Kiägers fen, für die Erfüllung derjenigen Bedingungen zu forgen , unter denen eine Ehefrau allein ſich rechtlich gu vers theidigen im Stande ift, daß. dieier mithin den Ehemann zur Ertheitung der Autorifation auffordern müffe, dieſe aber als ine bloße Formalitaͤt im Weigerungsfalle des Chemannes vom Seriche fofort zu fuppliren fey. Zur Erläuterung der in tiefer Y.-Bandlung aufeftellten Grundſaͤtze hat der Verf. fünf Rechts⸗ öle mitgetheilt, wovon drey (Nr. 31. 33. 34.) aus der franzoöſiſchen jurisprudence entlehnt find, die beyden übrigen ingegen (Mr. &e. 35.) Erfenntniffe des Appellattonshofes zu ‚affel enthalten, von ‚denen beionders das letztere eine auffak nde Abweichung von den hier vorgetragenen Grundſaͤtzen

in

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ſchriften bey Strafe der Michtigkeit zu beobachten feyen, die bie Act. 7. und 8. der Prozeßordnung für die Inſinuation der

es dem Verf. gefallen hätte, die !verneinende Beantwortung

ſich mis den äußeren Formalitäten des. Inſinuationsactes bes ſgqaͤſtigt, vielleicht weit man eben annahm, dieſen Punct ein

422 Rechtsfaͤlle von B. W. Pfeiffer.

enthält, indem es von dem Geſichtspuncte ausgeht, daß es lediglich die Pflicht der verklagten Ehefrau ſey, für die Er theilung der ihr nöthigen Autorifation Sorge zu tragen. XX. (S. 301 442) Ucber die gejeglihen Erforderniſſe der Appellationseinwendung und deren bey Strafe der Nichtig⸗

keit zu beobachtende Foͤrmlichkeiten. Der Verf. liefert ung hier

eine ausführliche, aus dem Geiſte der Geſetze gefchöpfte und

‚mir den Entfcheidungen der oberften Gerichtshöfe verglihene

Darſtellung der angedeuteten Materie, für weiche muͤhſame 2. das juriſtiſche Publicum dem Verf. deflo mehr Dank wiſſen muß , je einflußreicher und fchädlicher alle Mißgriffe in dieiem Puncte zu feyn pflegen, und je nüglicher daher in je der Hinfihe die Kenntniß einer fläten und fichern Praxis ſeyn muß. Der Verf. hat diefe Abhandlung in zwey Abfchnitte eingetheil. Die erfte, Die von der gefeglihen Friſt der Apı pellationseinwendung handelt, beſchaͤftigt ſich vorzäglich mit folgenden vier Fragen: 1) von der Dauer der Appellationss friſt im "Allgemeinen ; 2) von der Begründung ‚des Laufes ber Appellationsfrift durch die Inſinuation des Erfenntniffes erfter Inſtanz. Hier folgt nun die ganze Lehre -von den Erforder⸗ niffen, deren‘ Beobachtung die Gültigkeit diefer Appellationgfrifl vorausſetzt. Der Verf. kommt Hier natürlich auch auf bis Brage, 06 bey diefer Inſinuation auch alle diejenigen Bon

Vorladungen vorfchreiben? Wir hätten gern gewuͤnſcht, daß

diefer Frage etwas ausführlicher gu rechtfertigen, als es durch die mitgetheilten zwey Auszüge aus Erkenntniſſen des Caffeler Appellationshofes gefchehen konnte. Denn wenn, wie leicht gezeigt werden. kann, die Beflimmungen der Art. 7 und & unmittelbar aus dem Zweck der Anfinuation felber hergenome men find, fa möchte es in der That ſchwer feyn, Gründe auf⸗ zufinden, welche eine folhe Verfhiedenheit in dem einen und in dem andern Falle rechtfertigen koͤnnten, zumal da es in der Lehre von der Appellation keinen einzigen Artikel gibt, Der

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Rechtsfaͤlle von B. W. Pfeiffer. 423

für allemal in den Art. 7 und B. erledige gu haben. : $) Von der Berechnung der Appellationsfrift. Hier befchäftige ſich der Verf. vorzüglich mit der Frage, ob die Bellimmung des Art. 965., daß im Fall der Entfernung der Parthey der Frift für jede 5 Mpriameter ein Tag hHinzugefäge werden folle, auch auf die Appellationsfrift anwendbar fen, und der Derf. vers neint fie, weil der Art. 993. nur ben Fall vor Augen habe, wo eine Parthey die andere vorlade oder zu etwas auffordere. SR es aber auf der andern Seite nike merkwürdig, daß die duch den ‚Aufenthalt außerhalb des Königreichs verurfachte Entfernung nad ausdruͤcklicher Beſtimmung des Art. 547. die Appellationsfrift verlängert? Dieier Artikel war freylich noth⸗ wendig, weil ohne ausdruͤckliche Dispofition die Ausdehnung des Art 25. anf bie Appellationsfiit in keiner Hinſicht zu rechtfertigen geweien wäre; für die Anwendung des Art. 953. bedurfte es aber Peiner ſolchen ausdruͤcklichen Beſtimmung, weil dieſer ganz am Ende der Proz. Ordn. unter der Rubrik allgemeine Verfügungen enthalten iſt, alſo ſchon durch feine Stellung den weiten Umfang feiner Anwandbarkeit an⸗ deutet. Auch ift es nicht zu leugnen, daß dieſer Artikel nicht bloß von dem delai genEral fixd pour lesajourne- mens etc., fondern Üverhaupt aud von allen autres actes faits à personne ou domicile redet. Wir würden es daher gern gefehen haben, wenn fih der Verf. fpeciell mie der Frage befchäftige hätte, mie die Appellationseinwendumg gefihehen muͤſſe, und wann diefelde für interpomire gu halten fey ? kann dies nur in dem, dem Appellaten Ju infinuirenden, Acte gefchehen, und muß diefe Inſinuation nothwendig inners halb der vorgefchriebenen. Appellationgfrift erfolgen, fo if 08 - augenfälig, daß der Entfernte nicht der naͤmlichen Friſt ges nießt, wie derjenige, bey dem diefe Entfernung nicht eintritt, und bat man diefer Entfernung, wenn fie dur Aufenthalt außerhalb dis Königreichs veranlaßt iſt, Einfluß auf die Aps pellationsfriſt gegeben, fo ift niche abzufehen, warum dies nicht bey der Entfernung im Königreich gleichfalls der Fall ſeyn fol, da doc dieſelbe nach Art. 953. Tonft allgemein vom Ber feßgeber auch berüdfichtiger ifl. Webrigens wendet man ja den Art. 935. auch in Anfehung der Ausſchließung des Inſinua⸗

42% Rechtsfaͤle von B. W. Pfeiſter.

tionstages auf die Appellationsfriſt an, und gegen die. Bemer⸗ fung des Verf., daß dies in der Matur der Sache liege, und ſich auch ohne gefeßlihe Dispofition fhon von, felbft verfiche, Käße fi immer wieder fragen, wozu denn jene ſpecielle Des flimmung , wenn dies auch wirklich Die Anficht des Gefetzgebers gewefen wäre ?. daher wir auch die Entiheidung des Appella⸗

tionshofes von. Turin in dem vom Verf. angeführten Urtheile,

wornach der Art. 1033. (963.) aud in Hinficht des Infinuas tionstages nicht auf die Appellationsfrif: anwendbar ſeyn ſoll, nicht anders als fireng confequent finden koͤnnen. Indeſſen ift die Praris der Frangöfiihen fowohl, wie der Weftphäliichen

Gerichtshoͤfe in dieſer Hinſicht einmal entichieden, ein Um⸗ ſtand, wodurd man fich vielleicht von einer. theoretifhen Um terfuchung der Frage ‚dispenfirt. glaubte... Mur bemeiten wir

noch, daß die Strände des Appellationshofes von Turin ung |

unter diefen Umftänden mehr Gewicht zu verdienen fcheinen, ols der Verf. ihnen einräumen will. 4) Bon der Eigenfcaft der Appellationgfrift als abfofutes fatale, oder in wiefern die Defertion von Amtswegen berücfichtigt werden könne? Der Merf. beziehe ih mie Recht in Hinſicht der ausführlicheren Erdrterung diefer ſehr wichtigen und außerordentlich beftrittenen Frage auf die gründlichen Ausführungen der Herren Hager mann und v. Strombecd; er felber tritt der verneinenden Meynung des letzteren NRechtsgelehrten bey, indem er fehr rich - gig zeigt, Daß der Hauptgrund des Hrn. Hagemann, wor nach diefer die ganze Sache auf den Geſichtspunct der us competeng zurückzuführen fucht, hier nicht zugreifen kann, ohne die bisher mit diefem Ausdru verbundenen Begriffe gaͤnzlich zu verwwirren. Die Praxis des Caſſelſchen Appellationshofes über dieſe Frage hat fih noch nicht firiet, indem zufolge der von dem Verf, mitgetheilten Auszüge ans den Erkenntniſſen diefes Gerichtshofes fogar eine und die nämliche Section dei felben in verfchiedenen Fällen verfchieden erfannt hat. Der zweyte Abſchnitt diefer Abhandlung beſchaͤftigt fi nun mit den Foͤrmlichkeiten der Appellationsangeige im Einzelnen, und vor allen Dingen erörtert der Verf. Hier die allgemeine Frage, ob bloß der Art. 356. oder auch der Art. 6. der Pros. Ordn. als Duelle der Vorſchriften anzufehen fey, die bey Strafe der

N

Kechtsfälle von B. W. Pfeiffer. 425

Nichtigkeit bey der Appellationdeinwendung beobachtet: werben müffen. Der Verf. enticheider für das erflere, weil, wenn gleich der Art. 368, die für die Untergerichte vorgeichriebenen Negein auch für. anwendbar in der Appellationsinſtanz erkläre, dies denno.h durch den Zufab im übrigen ausdrüdlid nur. anf diejenigen Segenftände beſchraͤnkt werde, woruͤber die Lehre von dem Appellationsverfagren nicht eigene Regeln aufftelle, wohin aber die Appellationsanzgeige gehöre, als deren Erforder⸗ niffe der Art. 356. einzeln aufzähle. Allein es ift ja natuͤrlich, daß die Appellationsangeige, wovon im erſten Verfahren gar _ wicht die Rede ſeyn konnte, vermöge ihrer. eigenthümlichen Natur befondere Beflimmungen nöthig machte, die erſt hier, aufgeführt werden mußten; außer diefen follen denn aber Die übrigen (les autres r&gles, wie fi vieleicht ber Franzoͤſiſche Text Deutlicher ausdruͤckt) für die Untergerichte vorgefchriebenen Negeln in der Anpellationsinftan; zur Anwens dung fommen. Wäre der Art. 368. dem Art. 356. unmittels. bar als Nahfag angehängt, fo würde die Sache noch weniger zweifelhaft feyn; dies konnte num freylich nicht gefchehen, weil man nidye nur die Anwendbarkeit der für die Klage vorgefchries benen Regeln, fondern auch aller. Übrigen. Vorfchriften des untergerichtlihen Verfahrens, die nicht fchon durch wideripres. ende Beflimmungen für das Apprllationsverfahren von felber - als unanwendbar dargeftelle find, auf die Appellationsinftang damit ausdräden wollte; allein es fheint ung, als ob dieſer Artikel ruͤckſichtlich jedes einzelnen Acts ald Anhang des dens. felben betreffenden Artikels angefehen werden muͤſſe. Aud) führt die der Erklärung des Verf. zum Grunde liegende Ans - fiht etwas zu weit, wie er felder $. 19. bey ‚der Frage von der Deichaffenheit der Sinfinuation und der Form ihrer Bes werkſtelligung anzuerfennen ſcheint. Der Verf. folgert, feiner Anſicht gemäß, daß die Angabe des Patents, die Unterſchrift den Anwalds zweyter Inſtanz und die Bezeichnung des Das tums mit Buchſtaben nicht nöchig feyen. Die Praxis des Appellafionshofes zu Caſſel war anfangs Aber diefe Frage ger theilt, indem die erfie Section nach der Anfiht des Werf., die dritte aber für die entgegengefeßte Meynung entfchied; indeſſen Af die letztere in fpäteren Erkenntniffen auch, der Mey⸗

426 Nechtsfälle von B. B. Pfeifer.

nung des Berf. bengetreten. Ben ber hierauf folgenden Unter⸗ fahung , 05 naͤmlich die im Art. 356. vorgefchriebenen Erfot⸗ derniffe bey Strafe der Nichtigkeit zu beobachten jenen, ‚erkennt der Berf. es felder an, dab die in diefem Artikel angedrohte Drullicät nur die Form der Infinuation zum Gegenkand Habe, Dennoch erfahren wir, daß der Caſſeler Appellationshof von jeher unbedenklich angenommen babe, daß die ſaͤmmtlichen Erfordernifie diefes Artikels bey Strafe der Nichtigkeit zu bes obachten feyen; ein Verfahren, welches der Verf. zwar durch die nachtheiligen Folgen, weiche dis entgegengefekte Erklärung Baben würde , zu rechtfertigen fucht, dag wir aber mit der bey den fräheren Fragen vom Gerichtshof beobachteten Scrupulo⸗ ſitaͤt nicht zu vereinigen wien, und vielleicht dürfte das ber Natur dere Sache nah flets ſchwankende Princip der Zweck⸗ miäßigfeit, wornacd der Verf. alle ditjenigen Puncte, worüber der Art. 356. nichts Specielles beſtimmt, beurtheilt wiſſen will, nicht weniger nachtheilige Folgen haben, als vom Verf. vorher angegeven worden find. Der Verf. nimmt hierauf in ‘den. $$. 9— 56. die einzelnen im Art. 856. aufgeftellten re- quisita mit feiner gewohnten Gruͤndlichkeit und Scharffinn Buch, und belegt alle Grundfäge mit Auszügen aus Erfennt nifien fowohl der Franzoͤſiſchen, ale der Weftphälischen oberften Gerichtshoͤſe. Es würde zu meitläuftig werden, dem »Berf. in diefer feiner Entwickelung zu folgen; wir beichränfen uns daher uur auf dasjenige, worüber uns befondere Bemerkungen aufgeftoßen find. In diefer KHinficht find wir freylich völlig mit dem Verf. einverſtanden, wenn er bey der Unterſuchung der Frage, ob die für die Appellationsangeige vorgefchriebene Vor⸗ ladung bloß im Allgem-inen die gefeßliche Frift andeuten dürfe, oder die Dauer derielben Tpeciell angeben müffe, fih gegen die allgemeine Praxis des Caſſeler Appellationd: Gerichtshofes für Die letztere erfiärt, and wir glauben, daß In bem unter Nr. 36. mitgetheilten Urcheite des Turiner Anpellationg : Gerichtshofes dieſer fich durch die Gruͤndlichkeit feiner Entfheidungen durch⸗ gehends fo fehr auszeichnende Gerichtshof alles erichöpft habe, was für diefe letztere Meynung gefagt werden kann; allein unferer Meynung nad fireiten biefe Gründe auch fo fehr gegen die vom Kaffeler Appellations, Gerichtshofe ig Anjehung der

mo.

* Mechisfälle von B. W. Pfeiffer. 427

geſetzlich vorgeſchriebenen Bezeichnung des Gerichtshofes, vor welchen die Vorladung geſchieht, angenommene Praxis, daß

wir uns wundern, wie dies dem Verf. hot entgehen moͤgen,

jamal da dieſe Anwendung in dem erwähnten Turiner Erkennt

niffe ausdruͤcklich hervorgehoben wird. Eben fo wenig können

wir mit dem Verf. Üdereinflimmen, wenn er $. 2o. G. 3go

behaupten will, daB wefentlihe Mängel der Abſchrift der Ap⸗

pelletionsangeige nicht in Betrachtung kommen können, wenn

fie fih nur im Original ˖ nicht befinden ; fein Grund, daß der Art. 8. die Strafe der Nichtigkeit auf die unterbliebene woͤrt⸗

lihe Webereinftimmng nicht feftfege, laͤßt ſich leicht duch die

Bemerkung befeitigen, daß der Artikel die Zuſtellung der Abs

fhrift der zu infinuirenden Schrift bey Strafe der Nichtigkeit vorſchreibt, daß aber dieſe Korderung für erfuͤllt nicht anges

ſehen werden faun, wenn die infinuirte Schrift in den weſente lichen Puncten von der zurücdbehaftenen abweicht; fie hört bier enf, dem Begriff einer Aöfcheift zu entſprechen, die doc für den Appellaten immer Original ſeyn fol, und hinſichtlich wel⸗ her auch der ganze Zweck, warum das urfprängliche Original beym Appellanten zuruͤck bleibt, nur in fofern erreicht werben kann, als es mit der infinuieten Abfchrift treu Abereinftimmt. zu ‚einer Vergleichung der Abſchrift mit dem Original bey ber Sinfinuation ift aber deu Appellat niche verbunden, weil er ſich auf die gefeglihe Vorſchrift, daß ihm eine Abſchrift zugeſtellt werden folle, berufen kann Die $$. 21 27. enthalten die Entwickelung des Grundfages, daß die Inſinuation m den Appellaten in Perſon oder an feinem Wohnſitze geichehen muͤſſe, und im 6. 27. wird dann ein kurzes resume der ſaͤmmt⸗ ithen bey der Appellationsangeige theils mwefentlichen, theils entbehrlichen Förmlichkeiten gegeben. Die Folgen der 65. 28. bis 53. enthalten die Entwickelung einiger allgemeinen Grund⸗ fäße, die fi auf folgende drey Hauptpuncte reduciren laſſen. - 2) Weber den Einfluß der Nichtigfprehung einer Appellationse anzeige auf die Befugniß ju appelliven; der Verf. verweiße bier mit Recht auf die unter Mr. IL. dieſer Sammlung entr haltene Unterfuhung diefer Frage... 2) Weber die Fälle, im denen auf wirklich vorhandene Nichtigkeiten dennod nicht er⸗ kannt werden kann. Der Verf. ſtellt als Princip den Grundſat

*

42 Dtechiöfälle von B. W. Pfeiffer.

auf, daß dies nur unter der Vorausſetzung geſchehen koͤnne, daß von Geiten des Appellaten eine ausdeüdliche oder ſtill⸗ fhmeigende Entfagung angenommen werden könne; und hierauf geht er denn Die einzelnen Handlungen durch, in denen eine folche ſtillſchweigende Entfagung enthalten fer. Dahin rechnet er mit Recht die unterlaffene Rüge. der Nichtigkeit, eine ger hoͤrig begründete contumacia, und alle Handlungen, die der Appsllat zufolge der nichtigen “Appellationsangeige vornimmt, fofern darin eine nothwendige Anerkennung der mit Nichtigkeit betroffenen Handlung enthalten iſt, 3. E. die Sinfinuation. der Anwatdsbeftellung nicht an den Aprpellanten in Perſon, fon dern an feinen auf eine nichtige Weiſe beflellten Anwald.

Sehr gegwungen fcheint es uns aber, wenn der Verf. .$. 30.

auch den Fall mit unser die Eategorie der Entfagung zu trans gıren ſucht, wenn der Appellat feine Behauptung der Nichtig⸗ keit der Appellationsangeige weder mit fpeciellen Thatamftänden Belege, noch auch der Beweis derielven vorzulegen im Stande äft; denn hier iſt wenigftens redhtlih genommen der bier in Unterſuchung flehende Fall, daß auf eine in der That vorhans dene Nichtigkeit dennoch nicht erkannt wird gar nicht vorhans Den. 3) Ueber die Anwendbarkeit der geieglichen Foͤrmlichkeiten Der Apvellationsanzeige auf die in der Appellationdinflang ans gebrachte Bitte um ein Verbot der vorläufigen Vollſtreckung und auf die Sincıdentappellation. In Hinſicht der letzteren wird diefe Anwendbarkeit mit Necht vom Verf. geleugnet, weil gerade der eigenehämtihe Charakter der Sncidentappellation

darin befiche, daß fie kein ſelbſtſtaͤndiges Rechtsmittel bilde.

Ruͤckſichtlich der Bitte um ein Verbot der vorlaͤufigen Woll—⸗ ſtreckung entwickelt der Verf. zuvoͤrderſt den bier zwiſchen dem Appellaten und Appellanten Statt findenden Unterſchied, und zeigt hieraus, daß die Frage eigentlich nur in Beziehung auf Den letzteren zur Sprache kommen könne; indeſſen leuanet er auch hier die fragliche Anwendbarkeit, weil der Art. 869. nur eine Vorladung und die Mittheilung des Gefuhs an den Aps pellaten vorfchreibe, man alfo nichts mehreres und am wenig fien bey Strafe der Michtigkeit fordern dürfe.

XXI. (S. 447— 510.) Das Verfahren in Eheſcheidungs⸗ fahen ıft ganz unabhängig von den Vorfchriften der bürgerlichen

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Nechtsfälle von B. W. Pfeiffer, 49

Progeßorbnung, und erhält durch die Verfügungen bes Geſetz⸗ buhs Mpoleons feine umabänderlihe Beſtimmung. Diefe Ueberfchrift zeigt Den Gegenſtand und den Zweck diefer Abhands fung deutlich an. Der Verf. geht dabey von der Grundanſicht ans, daß das gerichtlihe Verfahren ben Ehefheidungen gar fein proceffualifhes Verfahren. gehannt werden könne, fondern dem Merfahren bey Adoptionen und Sinterdictionen gu vergleis den fey, daß es aljo gewiffermaßen als eine weſentlich noth⸗ wendige Form erfheine, deren Beobachtung zur rechtlichen Begründung einer Ehefcheidung eben fo nothwendig ſey, wie zus giftigen Exiſtenz einer Schenkung oder hypothecariſchen Schuld ver ſchreibung die gefeglihe Witwirfung von Motarien. Daher denn auch jeder Schritt fireng zu beobachten fey, indem feine Hintanſetzung die Nichtigkeit des ganzen Verfahrens zur Folge Habe. Der Verf. geht Hierauf den Gang des Eheſchei⸗ dangsverfahrens, in fofern aus beflimmiten Urfachen geklagt wird., in feinen Hauptmomenten duch, und zeige Schritt für: Schritt duch ein ſtetes Ruͤckblicken auf den gewöhnlichen pros ceffualifhen Gang die Eigenthämlichkeiten des erfteren, z. €. daß die unterlaffene Mitwirkung des ministere publique Hier nicht etwa nah Art. 425. Nr. 8. der Prog. Ordn. die re- qu&te civile begründen, fondern Überhaupt das ganze Verfah⸗ ren- nichtig machen mürde, daß die Nothwendigkeit der Anwälde hier nicht eintrete, daß ein Erkenntniß über die Zulaͤſſigkeit der Ehefcheidungstlage immer weientlich fen, wenn es yleich nach allgemeinen proceffualifchen Beflimmungen nur in fofern erfordert werde, ale Einreden gegen die Zuläffigkeit vorgebracht feyen, daB Ferner das Erkenntniß in der Hauptſache unmittels bar auf diefes Admiffionserfenntniß folgen müffe, ohne Zwis fhenraum aud nur eines einzigen Tages, daß gegen das in der Hauptſache erfolgende interlocutorifhe Erkenntniß feine "Berufung Statt finde, daß der in Gemaͤßheit deffelben unters nommene Zeugenbeweis überall nicht an die Vorſchriften der Proz. Ordn. gebunden fey, daß eine Entfagung auf die ges ſetzlich zuſtehenden Rechtsmittel von keiner Wirkung fey, daB - das Rechtsmittel ber Oppofition ſich nur auf die. in der Appels lationsinflang ergangenen Contumatialerkenntniſſe beſchraͤnke ıc. Alle dieſe Grundſatze ſind mit Ausſpruͤchen der Franzoͤſiſchen

4320 Rechtsfälle von B. W. Breiter,

Ger ichtohoͤfe belegt worden, wovon: ber Verf. unter Nr. 57. bis 43. incl. mehrere in extenso mitgetheilt Bat. |

XXI. (8. 510 816) Die gegenfeitige Aufhesung ( Tompenfation ) der Progeßfoften gwifchen Ehegatten: und Bers wandten ift nicht fireng verboten, fondern der richterlichen Bes urtheilung üderloffen. Diefe Abhandlung enthält bloß eine Rechtfertigung dee. Deutfchen Ueberſetzung des Art. 87. der Proz Ordn., indem ber Verf. zeigt, daß fie, wie der Frans zöffhe Tert, die Compenfation nicht unbedinge fendern nur facultativ. mache.

Der Anhang enthält sub nr. Ir. (©. 85 86) eis Scchreiben des. Herrn Juſtizminiſters über- die Unanwendbarkeit dar buͤrgerlichen Proz. Ordn. im Eheſcheidungsverfahren, und sub nr. III. (B7— 1518) gibt ber MWerf: nach einer gewiſſen Materienordnung Auszüge aus Erkenntnifien des koͤnigl. Staates rathes und des Caſſeler Appellationg : Serichtehofes: über vers. mifchte proceffualifche Rechtsfragen. Den m. Band beſchließt ein smectmäßiges Sachregiſter. =

Handbuch zum fofematifchen Studium deb neuften vömifchen Privat rechts nach den Grundſaͤtzen des Herrn Oberappellationsraths Guͤnther, von D. Ehriſtian Friedrich Gluͤck, Hofrath und oͤffentlichem ordentlichem Lehrer der Rechte auf der Friedrich⸗ Alexanders-Univerſitaͤt in Erlangen. Erfter Theil, welcher die Einleitung und die Litteratur des Juſtinianeiſchen Rechts enthält. Erlangen, bey 3. 9. Palm. 1812. Ku 370 S. gr. % (1 Rthlr. 20 gr. )

Auch unter dem Titel:

Einleitung in dad Studium des Römifchen Privatrechts zur Beriat⸗

gung und Ergänzung des erſten Theils des Pandeeten = SEM tare.

Diefes Handbuch enthält den Anfang eines Commentars üder die Sünther’fhen principia juris romani, weiche der Wurf. in feinen, jetzt ſyſtematiſchen, Vorlejungen über die Pandecten erläutert. Es geht Über die vier erfien Bogen des Guͤnth er'ſchen Lehrbuchs, und handelt alio von den Quellen des Rechts im Allgemeinen, "denen des Romiſchen und dene

Handß. fottem. Gtudium d. n. R. Privatrechts v. Gluͤck. 40

des heutigen Roͤmiſchen Privatrechte. Zugleich gibt es, und Guͤnther“s Beyſpiel, ein ſehr reichhaltiges Verzeichniß der Ausgaben der Quellen und juriſtiſchen Schriftſteller.

Nach der Abſicht des Werf. ſoll dieſes Buch der Aufang eines Commentars ſeyn, der vorzuͤglich beſtimmt iſt, feines Zuhörern die Stelle eines nachzuſchreibenden Hefts zu vertre⸗ in. ‚Betrachtet man daſſelbe ans dieſem Geſichtspuncte, ſo laſſen ſich, unſerer Meynung nah, gar manche nicht. unge⸗ gruͤndete Erinnerungen dagegen machen. Gchan bie Nuͤtzlich⸗ keit foichee gedruckten Hefte an fich iſt ſehr problematiſch da fe, ohne den muͤndlichen Vortrag zu erfehen oder überfläffig zu machen, fo leichte bey den Studierenden Unfleiß und Mas gel an Aufmerffamfeit erzeugen‘, und vielleicht laſſen fie ſich nur für die Inſtitutionen vertheibigen, wo Re dem Anfänger die, ihm fo nöthige Vorbereitung zur Vorleſung erft möglich mas den oder doch wefenslich erleichtern, und auch Hier nur, wenn fie nicht, wie die bisher erfchienenen,, zugleich auf den untew richteten Leſer, fondern allein anf die Beduͤrfniſſe des Schuͤ⸗ lers berechnet find. Wil man aber auch folhe Commentare für die. Pandecten gelten laſſen, fo fcheine dem Mec. denn doch dieſer nicht hinlänglich auf feine Beſtimmung berechuet, und fonach nicht gung zweckmäßig gu ſeyn. Gar Manches if darin aufgenommen, was in feine Vorleſung gehört, mie Die ganze Litteratur (S. 809 370); gar Manches, weitjäufig ausgeführte, was in Pandecten s Vorlefungen, wenn es nicht ganz Übergangen werden foll, doch hoͤchſtens nur berührt wer⸗ den Tann, wie die äußere Rechtsgeſchichte, welche einen fd großen Theil des. Buches füllt. - Andere Dinge find. viel gu weitläufig abgehandelt, als daß dies für irgend eine Vorleſung zweckmaͤßig ſeyn koͤnnte, 3. die Novellen: dagegen iſt Maus des auch für diefen Zweck nicht Hinlänglich erörtert, wie die. Lehre von der Interpretation.

Außer. dem eben angegebenen Zwecke hat der Verf. noch den Nebenzweck, ſeinen Commentar uͤber Hellfeld in den hier abgehandelten Lehren zu ergängen und gu berichtigen. Es iſt gewiß ein Beweis von großer Unbefangenheit und fchöner Wahrheitsliebe, wenn ein Scriftteller feine Degehungs s und Unterlaffangsfünden wieder gut macht: und eben fo ficher iſt

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432 Handb. 3. follem. Studiums d. n. R. Privatrechts v. Gluͤck

dies ſehr intereſſant und nuͤtzlich, wenn es, wie hier, von einem gelehrten und viel geleſenen Schriftſteller geſchieht. Deſſen ungeachtet koͤnnen wie auch dieſer Beſtimmung des. Hier angefangenen Commentars weder unſern Beyfall geben, noch in dieſer Ruͤckſicht feine Fortſetzung wuͤnſchen, und dies um ſo weniger, als dadurch das ſchleunige Fortſchreiten des ſchaͤtzbaren Commentars Über Hellfeld (der ſchon lange zu feir nem: Bortheile die Eigenichaft als gedrucktes Heft verlohren Hat) nothwendig erfchwert werden muß. Eine neue Darſtel⸗ lung deffelden Stoffes, bey welcher, wie dies hier gewöhnlich geſchieht, fogar nur ſtillſchweigend gebeffert wird, gibt Feine Ueberſicht der geänderten Saͤtze und neuen Ausführungen, weiche man kaum durch forgfältiges Leien und Wergleichimg Beyder Werke ertennen kann; wobey man denn mit Zeitvers duft ganz daffelde oft zweymal zu leſen ‚gendthigt wird. Ein sswel:intereffanteres Geſchenk würde ung der Verf. fiher mas chen; wenn er fih entſchließen könnte, die Nefultate - feiner neuern Studien unter der- form von ———— und ZW fügen uns mitzutheilen. * Mach dem Bisherigen ſcheint alſo das vorliegende Merk feiner eigentlichen Beſtimmung nach feinen vorzuͤglichen Beyfall zu verdienen. Betrachtet man es nur an ſich, ohne dieſe (pe ciellen Beziehungen, fv muß man dagegen fehr viel vortheifs Hafter davon urtheilen. Es hat nicht allein alle Vorzuͤge der Stüädihen Werke (die wohl als befannt hier vorausgefeßt werden können), ſondern zeichner fih auch vor dieſen, befons ders da, wo der Verf. ſich auf pofitivem Grund und Boden befindet, noch fehr zu feinem Vortheile aus. “Unrichtigkeiten und Uebereilungen finden fid) dabey freylih auh (4. B. ©. . 030 vergl. mit S. 274): wir tragen jedoch billig Bedenken, durch Aufzählung derfelben diefe Anzeige zu vergrößern, um fo mehr, als dieſelbe im Allaemeinen gegen den Plan des Verf. gerichtet iſt, und wir nicht gerne den ungegründeten Bers dacht auf uns laden möchten, daß es .unfere Abſicht fen, Die DVerdienfte des Werf,, oder den m des Buches an fi herabzuwuͤrdigen.

No.28. Seidelbergiſche 1813. Jahrbuͤcher der Litteratur.

DT N 7 7 7 0 ©

Carl Caspar Creve, Dr., grosherz, Frankf. geh. Rath, Pro- fessor der Zoonomie und besonderen Heilkunde an der medicinisch - chirurgischen Specialschule etc. Ueber den Chemismus der Respiration. Frankfurt 1812. 68 &. in 4.

Mine Schrift zeichnet ſich nicht durch neue, aber doc durch fonderbar zufammengefeste ältere ‚Anfichten aus. Der Verf. hätt zwar das Athemholen für einen Proceß der Verbrennung, aber einen folhen , bey welchem fih das Licht nicht entwickelt, weil der Sauerftoff hier nicht an den Waſſerſtoff, der allein nad ihm einen Lichtgehale hat, fondern an den Kohlenftoff fih bindet.

Der Berf. behauptet ferner, fih auf die Verſuche von Berthollee und Allen und Pepys ſtuͤtzend: das eingeathmete Sauerftoffgas zerſetze fih in den Lungen, umd hange dem Kohlenftoff an. So werde nur Kohlenjäure erzeugt, aber es dringe ein Sauerfloffgas in das Blut, die Roͤthe des Blutes Bange allo von dem Mangel an Kohlenftoff ab; fo wie die Reizkraft des Blutes ihm urfpränglich zufomme, und durch bie Anhäufung des Kohlenftoffs vermindert werde, wenn ihm der Sauerftoff den Kohlenftoff entziehe, fo werde es wieder reizfaͤhig. Endlich behauptet er, daß beym Achemholen auch die Stickluft zerſetzt und ein Theil davon zur MWerediung des TIhierfloffes dem Blute anhinge. Was nun das erſte hier zu erörternde Phänomen angeht, nämlih ob Sauerſtoffgas nur mit dem Kohlenftoff eine dunkle Verbrennung untergehe, fo Breitet diejes gegen die Erfahrung. Denn ı) verbrennen bie Metalle und ſelbſt das Waſſerſtoffgas, ohne Licht zu erzeugen, venn die Verbrennung langfam und nad und nach geichieht, vie wir diefes felbft an den Drathen der Voltaiſchen Säule eben, wenn diefe nur mie wenig Plattenpaaren geichloffen Bird und wie es bey jedem ſich in der Luft orydirenden Metall nd dem Ranzigwerden der Dele und des Fettes offenbar wird,

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434 Weber den Ehemidmns der Reipiration von Ereve. -

welches alles eine Merbindung des Sauerftoffes mit dem Waſ—⸗ feeftoff und dem Metalle ift, welche als langfame Verbrennung Bein Licht entwickelt. 2) Dagegen verbrennen die nämlis hen Stoffe mir dem grelleften Lichte, wenn diefeiben unter einer mit Sauerſtoffgas gefüllten Glocke ſich entzünden und fchnell verbrennen.

Wir lernen aus dieſen Verſuchen zugleih, daß es das Sauerftoffgas. ift, welches das Licht hergibt, weswegen ich auch diejen als den wahren Lichtträger bezeichnet habe. Die Holzkohle, die Wachs- und Talglichter, die Stahlfeder, vers brennen und. fchmelzen hier mit dem hellſten Lichte.

Es folge daraus, daß alio, 06 ein Körper heil oder dun⸗ fel verbrenne, bloß allein davon abhange, ob er ſchnell ober langſam fich mir der Baſis des Sauerftoffes verbinde und 06 bey dieſer Verbindung mehr oder weniger Lichtſtoff frep werde. Denn verdunftet er in materieller Hülle, fo erzeugt er nur Wärme, wird er gänzlich mit dichteren Stoffen vers bunden, oder was man fagt latent, wird auch dieje nicht eins mal am Thermometer gefpärt.

- Die wichtige Frage, ob Sauerſtoffgas bey dem Procef des Athemholens ins Blut dringe, beantwortet der Verf. vors züglih nad den VBerfuhen von Allen und Pepys mit Nein er glaubt daher, daß bag Sauerftofigas nur dazu diene, dem Blute feinen Kohlenftoff abzunehmen , und zwar in den Puns gen, und daß diefes fofort feine NRöthe und reizende Eigen⸗ fhaft wieder annehme, welche es durch den Kohlenftoff verloren gehabt Hat, Allein diefe Annahme wird gar nicht durch dieſe Verſuche erzwungen,, denn biefe befagen weiter nichts, als daß bey jedem Achemzug ungefähr fo viel Sauerfloffgas weggehe, als fohlenfaures Gas der eingeathmeten Luft wieder benge miſcht werde ob aber dieſes fohlenfaure Gas in den Lungenzels len gebilder werde, oder 05 es aus dem Blute feldft in die eins geathmete Luft Übergehe, und dafür: eben fo viel Cubikzoll Sauerfioffgae an das Blut übergehen und fih demfelben Hey mifchen, iſt Dadurch keineswegs ausgemacht.

Wenn ısir alfo darchun können, daß diefes letztere ger (hehe, nämlich daß in den Lungen wirklich nicht Kohlenſtoff an den Sauerſtoff des Sauerfioffgajes trete, fondern wirklich

Ueber den Chemismus der Meipiration von Eräve. 435

foßlenfaure Lymphe an die auszuhauchende Luftmaffe übergehe, wenn wir ferner ermeifen können, daß das Bauerfloffgas wirklich noch in dem Zufland der Erpanfion eines Theils feines Waͤrmeſtoffs beraubt ins Blut uͤbertritt, fo fliehen die Vers ſuche des Berthollet, des Allen und Pepys richtig da, und doch ift es falih, daß die Kohlenfäure in den Lungen erzenge wird. Daß aber in der Lymphe des Venenbluts und auch des flagnirenden Arteriendiutes nur kohlenfaure Lymphe feye, und nit bloß kohlenſtoffhaltige; dieſes zeige ſich augenſcheinlich durch die chemiſche Analyſis, welche uns bey gelinderem Waͤrme⸗ grad in dem Retortenhals eine große Menge kohlenſauren Ammoniak zeigt, und bey ſtaͤrkerem Feuer Kohlenſaͤure und gekohltes Waſſerſtoffgas entwickelt. Ferner, daß das Sauer⸗ ſtoffgas ſelbſt aber in die Lungenzellen ins Blut tritt, dieſes zeigen offenbdar die muͤhſamen Verſuche, welche ich über das Blut angeſtellt, und die ich in meiner Antritts-Diſſertation pro loco in facultate obtinendo in Jena vertheidigt habe. In den Adern der lebendigen Thiere, vorzüglich in den durchs fihtigen Adern des Netzes und des Gekroͤſes fieht man die Beinen Luftbläschen unter der Form von Kügelhen, melde durch das Kochen als Luft entweichen, das nämliche geſchieht, wenn das Blut gefchlagen wird. Die unter dem Recipienten der Luftpumpe gelammelte Luft verhält fi mit dem Phosphors Endiometer geprüft als wahres. Sauerfloffgag, woben alle Blutkuͤgelchen großentheils verfhwinden, und das Blut feine Coagulabilitaͤt verliert, welche allein von der Figirung dee Bauerftoffgasbafis an den Eymeisftoff herkommt, und alfo hier um fo weniger ftatt finden kann, als die Sauerftoffluft durch das Kochen, Peitſchen, Schütteln zc. wieder ausgetrieben wird.

Was das wirkliche Eintreten des Sauerftoffgafes ins Blut noch mehr beftätige, ift die Vereitung eines kuͤnſtlichen Bluts, welche ung ſchon Lavoifter gelehrt hat, und weldies barin befteht,, daB man etwas Eyweis mit Waſſer mifht, und dazu einige Srane phosphorfaures Eifen binzufent, und das Ges mifch in einer. Glasroͤhre ſchuͤttelt, wobey Sauerftoffgas abfors bire wird, und die Fluͤſſigkeit ſich roͤhhet. Das Sauerſtoffgas wird hier in dem Zuftand des Gas oxygene naissant, Wie

N 436 neber den Chemiſsenns der Nefpiration von Ereve.

es Fourcroy nennt, der Fluͤſſigkeit bepgemifcht, umd es ent ſteht dadurch Lad phosphate de fer suroxygené avec exchs de sa base, welches die Urſache der rohen Bintfarbe ift. Das nämliche geihieht au am Oxygenpol einer Voltaiſchen Säule; hier tritt da8 Gas .oxygene naissant an die Lymphe und röthet fie, wie diefes ſchon mehrere Naturforſcher beob⸗ achtet haben.

Es gibt wohl keine Thatfache der neueren Chemie und Phyſiologie, welche weniger beftreitbar wäre als Diele, und es wundert den Rec. um fo mehr, warum Hr. ER. Ereve die Stände für diefe Wahrheit, welche er in feiner phyſiſchen Darftellung der Lebensträfte fhon vor 16 Jahren dem gelchrs ten PDublicum vorgelegt bat, fo wenig geachtet hat, daß er deren nicht einmal in feiner Schrift Erwähnung gethan Bat. Es ift diefes überhaupt der Sinn des Zeitalters, und leider die verwerflihe Sitte der Deutihen Gelehrten, daß fie die Erfindungen ihrer Landsleute entweder zu verläugnen oder hers . abzufesen fuhen, und dagegen fremder Nationen Männer ers heben, und als ihre Meifter anzuftaunen fih nicht fchämen, die weit unter ihnen ſtehen.

Diefe Verläugnung meiner Entdedung fällt Hrn. Kreve vorzüglich zur Laſt, da er mein Buch bey einem Entftchen gelefen,, und als Augendfreund in den Jahren, in welchen «6 erfchien, öfters mit mir über phyfiologifhe Gegenſtaͤnde fi unterhalten bat. Ich habe kieber einen offenbaren Widerfprud als ſolche Verlaͤugnung, es liege darin eine gewilfe Verachtung gegen den Verf., welhen man gegen andere große Wänner des Auslandes nicht einmal nennen mag !

Sch ſchweige darum auch hier, und fage nichts ſowohl von jenem allgemeinen Geſetz, vermöge welchem jener Träger des Lichtes der Sauerftoff fih mit allen Stoffen der Erde vers bindet, als von jenen folgereihen Wirkungen, welche das mit Bauerftoff verfehene Blut auf das Gefäß und Mervenfpftem hervorbringt, und wovon auch jene Stockung des Blutes her geleitet werden muß, welche in den Lungen entfleht, wenn die Aeſte des paris vagi find verlegt oder durdfchnitten worden. Unerflärbar find demjenigen die Erfcheinungen, welche bey dies fen Verfichen von Dupuytren und Emmert vorfallen, welche

Ueber den Chemismus der Nefpiration von Ereve, 437

die Wechſelwirkung des Blutes auf diefen Nerven des Keinen Gehirns und umgekehrt nicht einfehen und verfiehen kann.

.. Der Verf. kommt endlich auf die Behauptung, daß auch der Salpeterfloff der atmosphärifchen Luft fih aus dem Stick⸗ gas entbinde, und bey dem Athemholen ins Blut übergehe allein da derfelbe für dieje feine Behauptung in dem Experi⸗ mente keinen Beweis findet, weil die Reſultate der hieruͤber angeftellten Verſuche meiftens auf keine Abforbtion des Setick gaſes hindeuten, fo will er aus anderen Gründen, nämlich das durch, daß die Thiere eine fo große Menge Stickgas gebrauchen, um die thierifhe Materie daraus zu bilden, und daß nice umfonft bey weiten der größte Theil der atmosphärifchen Lufe Stickgas ſey, den Beweis hernehmen, daß diefe Aufnahme durdy bie Runge gefchehen muͤſſe.

Allein der Verf. flieht nicht ein, "wie fehr er hier gegen die erfien Srundfäge einer wiſſenſchaftlichen Phyſiologie vers ſtoͤßt denn e6 find zwey polarifh einander entgegengefeßte Spfteme, welche das Leben begründen; das eine dieſer Sy⸗ ſteme ift das Pneumatiſche, wodurch das Licht unter der des potenzirten Geſtalt des Sauerftoffgafes in den Koͤrper eingeführte wird ; das find die Lungen. Das andere iſt das Splandnis (he Syſtem, modurd die Erdefloffe duch das ihnen beywoh⸗ nende latente Licht veredelt zugebracht werden. Nun ift aber der Salpeterftoff das eigentliche wahrhaft thieriiche Erdprincip, es kann daflelbe alfo eben fo wenig durch die Punge eingehen, als die Luft durd, die Eingeweide der Verdauung in den Körs per gebracht werden fann. Wir können alfo eben fo wenig Stiefgas im Athmen verzehren, ats wir Sauerſtoffgas effen Pönnen. Dieſes muß durch die Lunge, jenes durch den Darmı tanat beyfommen. | |

Fragt man nun aber, wie bey Thieren, die aus lauter Pflanzenſtoffen ſich naͤhren, der Stickſtoff werde, ſo antworte ich durch eine viel wahrſcheinlichere Hypotheſe, daß dieſes durch eine Veredelung des Kohlenſtoffs geſchehe, welcher den einheimiſchen Stoffen des Thierkoͤrpers, vorzüglich den Speichel Magen s und Darmiäften beygemiicht, das Lichtprincip dieſen raube und mit fich vereinige. So entfteht der Kohlenftoff durch die Vegetation aus dem Hydrogen, welches in verfchiedenem Grade

438 Weber den Chemismus der Nefpiration von Créve.

der Verdichtung und Austreibung des Lichtpeineips die Stoffe des Mineralreihs darftelle, von den kaliſchen Salzen und Er den an bis zum dichteften Metalle, welcher Verwandlung die Desorydation der Laugenſalze und Davys wichtige Entdeckung des Dotaffium auf eine auffallende Weiſe Beftätigung gibt. Nehr men wir noch hinzu, daß diefer ehierifche Stoff (Salpeterſtoff) bey feiner Verbrennung in Kohlenfäure und Waſſer zerfällt, wie diefes die Procefie des Ausachmens und dee Hautdunſtung zeigen, nehmen wir ferner, daß die ftärkeren chemifchen Heagentien durch Trennung und Wiederverbindung alle Stoffe des Pflanzen » und Mineralreihs liefern, indem fie in ihre unteren Siuffen zerfallen, und Kalien, Kalkerde, Talkerde, Kiefelerde, Ammontum, Effigfäure, Benzoefäure, Zuckerſaͤure etc. phosphorfaure Deie Schwefel, Harze, ja Eifen liefern, fo iſt wohl die hier vorgetragene Theorie, daß dag Azot eine Veredelung des Erdftoffes zur Thierſubſtanz fen keineswegs mehr eine Hypotheſe zu nennen und der Verf. hätte wohl beffer gethan, ftatt dem Prunk undeftimmter Franzoͤſiſcher und Eng ländifcher Verſuche feinen alten Deutfchen Freund niche zu vers läugnen. Ackermann.

Bruchſtuͤcke zur Menſchen⸗ und Erziehungskunde religioſen Inhalts Zweptes Heft. Frankfurt a. M. in der Andreaͤiſchen Buchhand- | fung ı8gıı. XXIV und 299 S. Drittes Heft. Ebendaſ. 1812. 247 ©. Viertes Heft. Ebendaf. 1813. 352 ©.

Die bepden letztern Hefte haben noch den befondern Titel: Die Lehre von Gott. Ein Bruchſtuͤck zur Vereinigung der bepden Spfteme , ded Glaubens ohne Wiffenfchaft, und des Willens ohne Glauben.

"Bir kennen fhon aus dem erften Hefte diefer Bruchſtuͤcke den Verf. als einen redlihen Wahrheitsforfcher und religisfen Selbſtdender. Seinem Charakter getreu fucht er in dieſen bey den Heften überall auf jenen tieferen Punct binzuführen, von dem alle Religion und ale Beruhigung ausgeht, auf den Glauben. Das zweyte Heft Hat befonders die religidfe Bildung der Jw gend zum Zwei. Er legt den Katechtsmus der chrif:

Bruchſtuͤcke zur Menfchen- m. Erziehungsk. rel. Inhalts. 439

liden Lehre von Hoffmann in Schmiedebderg (defs fen. Werth auch in unfern Jahrb. 1810. ates A. 40. aners fannt worden ) zum Grunde, und empfiehlt den Vorſchlag deſſelben, die religsöfen Lehren mehr, als es in der letzteren Zeit gefchehen, zur Sache. des Gedaͤchtniſſes zn machen. Er, preiße der bisherigen Vernachlaͤßigung gegenüber mit guten Gruͤnden die Cultur dieſes Seelenvermoͤgens an (mir erinnern uns hierbey an die trefflichen Lehren in Herbarts Pädagos git Über den Einfluß des Gedaͤchtniſſes auf den Charakter ). „Die Unſchuld,“ fagt er ©. 7, „hat an dem Gedaͤchtniß einen Wächter, einen. Stellvertreter, einen Beyſtand; der Gedaͤchtnißſtarke verliert nie jo oft Gott aus den Augen, die Lehren der Wahrheit find ihm tmmer gegenwärtig, und wenn fein Wiffen auch das Auffommen ‚firäfliher Gedanken und Seläfte nicht zu hindern im Stande ift, fo tritt es doch ihren Forticheitten in den Weg.“ Der Einwurf, daß es thöricht fey, Kinder Dinge auswendig lernen zu laffen, die ihr Ders ftand nicht begreift, wird dadurch widerlegt, daß die finnvols len Sprüche der Weifen doc etwas haben, was das kindliche Herz gar wohl verſtehe: auch merde das, was in den jahren der Kindheit nicht verſtaͤndlich ſey, es oft plößlich bey fpäteren Anlaͤſſen. Was unier Verf. aus Hoffmann anführt, und ſelbſt ſagt, fol man billig gu Herzen nehmen. Auch if das fehr zu loben, daß er nadydrüclic gegen das Aufblähen des vers meintlichen Wiffens redet. Was nun über alles dieſes gefagt iſt, trägt allerdings zur Loͤſung der wichtigen Aufgabe bey, die Neligionslehren fo zu übergeben, daß fie mit dem gangen Gemuͤthe empfangen und in einem feinen guten Kerzen bes wahrt werden : : aber uns fheint doch noch mehr dazu nöthig zu ſeyn, namentlid ein folcher flufenmeifer Unterrihe, worin fein Wort vorkommen darf, das nicht von dem kindlichen Sinne verflanden wird.

In dem Hoffmanunſchen Katehismus find die Religions— lehren auf ein ganzes Jahr in 5a Wochen vertheilt. Linfer Verf. folge diefem Gange und trägt die Glaubens s.und Sits tenlehren durch religidfe Betrachtungen vielfeitig und erbaulich vor. Der evangelifche Geiſt befeelt ihn. Er verweiſet überafl auf Selbſterkenntniß, Demuth und Ergreifung der hoͤhern

440 Bruchftuͤcke zur Menfchen. m. Erziehuugtk. rel. Inhalts.

Kraft. Der Stufengang in biefen Betrachtungen iſt eine gute Spee, die Ausführung ift nur nicht methodifh genug, da fhon bey den erflen tiefere Neflerionen vorfommen, und bie leßteren grade nicht weiter eindringen, da auch überhaupt nicht pſychologiſch genug die zugleich erwachfende Erkenntniß Gottes und Erfenneniß unfrer ſelbſt entwicelt wird. Man lieſet oͤf⸗ ters fromme und fchöne Gedanken, mie etwa folgender if (©. 184): „Das Gebet foll den Wünfhen Abbruch thun, den Durft des Herzens ftillen, nicht ihn vermehren erfens nen follen wir, daß Bott Alles wohlgemacht, feinen Ruhm vers tünden , nicht Klage führen.“ Mit den Gedanken eines Aus guſtinus hat ſich der Verf. befonders befreundet. Im Gebraude der Bibelſtellen wäre einiges zu tadeln. ©. 170 werden bie - Worte Jeſu Joh. 13, 27. (dur einen Druckfehler, deren ſich auch mande in den Namen finden, ſteht Joh. 1, 27.) in einem ganz andern Sinne angeführt, als fie Jeſus ge braucht; und 1. Joh. 4, 19% iſt auch nicht im richtigen Sinne angewandt. ü

Das dritte Heft enthält Selbſtbetrachtungen. Die Gründe und Anfichten des Theismus und Naturalismus find da mit vieler Beleſenheit und nad) den neueften Bewegungen in der Philoſophie zufammengeftellt; es fpricht da weniger ein ſchul⸗ gerechter Syſtematiker als ein gläubiges Gemuͤth, das aber noch Befeftigung in feinem Glauben ſucht. Wer das Gemwirre müde ift, das dur die Sophifterenen alter und neuer Zeit ausgefponnen worden, den mögen diefe Monologen anfpres den und mit manchem glädlichen Gedanken flärten. Sie (ehren jene Wifferey des Duͤnkels verachten, und weifen hin auf das Eine, was Moch tft; fie wiederholen in vielfacher Beziehung die heilige Wahrheit, daß jene Wiſſenſchaft fih nur zu fehr zeigt als Kind des menihlihen Stolges, und alſo nur Unruhe mit fih bringt, daß dagegen der kindliche Sinn dahin führt, wo nur allein Wahrheit if, zu Got. Warum haſchen wir nach den herumflatternden Meynungen wie nad Schmetterlingen (nah dem Gleichniß S. 6), da wir das Ewige nahe genug finden können, und es bey uns ficht, am das feftzuhalten, was unerfchätterlihe Nube gewährte? Gewiß liegt dieſes in der religidfen Bildung. Die jebige Generation

Bruchſtuͤkke zur Menfchen- u. Erziehungsk. rei. Inhalts. Adi

muß durch die Abterung ihrer Lehrer von dem Ewigwahren hart buͤßen; und man will durch ein ſolches Ängftliches Haſchen nach Lehrmeynungen das Verlohrne wieder finden! Umſonſt! Der wuͤrdige Verf. verdient Dank, daß er ſo mit ganzer Seele feinen Zeitgenoſſen ſagt, das einzige Rettungsmittel fuͤr ſie und ihre Kinder ſey die Religion.

In dem vierten Hefte werden die philoſophiſchen Betrach⸗ tungen über den Theismus und Naturalismus fortgeſetzt; ebens fals weniger logifch als gemächlih. Wenn der Def. 1. B. fagt: „Vernunft und Darenn find nicht ohne Bewußtſeyn denkbar Bewußtſeyn, Daſeyn und Vernunft find Eins. Alles, was der Vernunft ermangelt, iſt ſo gut als nicht da;* fo könnte man ihn eines argen Idealismus beſchuldigen, wos von er indeffen weit entfernt ift; er will hier nicht reden, wie in einem firengen Syftem, fondern zum Herzen. Und diefes gewinnt uͤberall auch in diefen Selbſtbetrachtungen, deren Ziel⸗ punct zuweilen in einem Sag bündig ausgeſprochen wird, wie z. B.: „So wie die Demuth von dem Menichen ſcheidet, der Knecht dem Herrn glei ſeyn will, ift fein guter Geiſt von ihm gewichen.“ Es find über den Glauben und die Gnade Stellen in diefem Buche, die zu ihrem Lobe Auguftinifch heißen mögen, und würde von Glaube, Liebe und Hoffnung nut noch etwas mehr aus ihrem innern Weſen gefprohen,, das Heißt freyer von den Neflerionen und der Sprache unferer Zeit "und mehr in ungeträßtem Zuftande der Andacht, ſo würden wir das Buch manchen Schriften des Auguftinus unbedenklich) gleich ſetzen. A

Die zweyte Abtheilung des vierten Hefte handelt von dem Naturalismus, und ſucht denfelben mit dem Theismus zu vers. einigen. Aber weder die Angabe des Unterfchieds von beyden, z. B.: „daß der Maturalift Gott in, der Theiſt Sort über die Natur ſetzt,“ noch die Identificirung, daß beyde doch daſſelbe meinten, wird die metaphyſiſche Speculution befriedi⸗ gen. Der hoͤchſte Begriff, worin ſich alles einigen ſoll, der vom Seyn, iſt zwar in. vielen Beziehungen aufgeftelle, und zwar oft parador,, aber zum Verwundern äbereinftimmend mit. Yusfprüchen mancher alten Theofogen und Scholaſtiker: allein follte die Sache auf diefem metaphyſiſchen Wege ausgefuͤhrt

443 Bruchftüde zur Menſchen⸗ u. Ersichungsf. tel. Inhalts.

werden, ſo war eine durchgaͤngig logiſche und ſchulgerechte Behandlung noͤthig. Daß Gott erſt durch die Welt Daſeyn hat, aber die Welt durch Gott ihr Seyn, kann, ſo wie es hier vorgetragen wird, weder dem Glauben, noch dem Wiſſen ganz genuͤgen. Ueberhaupt ſcheint uns grade darin eine In⸗ conſequenz zu liegen, daß durch das Begreifen der Glaube begruͤndet und empfohlen werden ſoll. Denn wer das Heil im Wiſſen ſucht, dem iſt und bleibt doch einmal der Begriff das Erſte, und wer es im Glauben ſucht, der kann nicht mehr die jen Glauben begründen wollen, ſondern er hat nur die . darin gefundene unmittelbare Gewißheit in einzelnen Lehren zu exponiren und Mar zu machen. Er ann fchlechterdings keine Vereinigung beyder Syſteme erwarten; nur eine Kritik der Vernunft fann beyden gemein bieiben. Sonach finden wir die veligidfe Seite des Buches als die beffere, und freuen uns, daß berfelbe Geiſt diefe Betrachtungen vom Anfang bis zu Ende unterhält. Es ift in der That erbaulich, in ein gots tesglaubiges Gemuͤth zu blicken, das von Zweifeln und Ders irrungen des Zeitgeiftes angefloßen, mit Ernft und redlichem Denken Wahrheit fucht, und am Ende in feinem Glauben fih geſtaͤrkt fühle.

D. Car. Aug. Theoph. Keilii, Theol. dogın. in academia Lipsiensi Prof. P. O. Eccles. cathedr. Misenens. Capitu- laris, Consistorii regii Lips. Assess. Elementa Hermeneu- tices Novi Testamenti latine reddita a Christ. Aug. Godofr. Emmerling, Past. apud Probstheyd. substit. societ. philolog. Lips. sodal. Lipsiae MDCCCXI. impensis Fried. Chr. Guil. Vogelii. XXVI und 205 ©. gr. 8.

Wir dürfen diefe Schrift bereits als bekannt vorausſetzen, denn fie ift bloß eine Weberfeßung des fihäßbaren 1809 ev fhienenen Keilſchen Lehrbuchs der Hermeneutik des N. T. Warum aber diefe Anderthalb Jahre fräher in Deutfcher Sprache erihienene Schrift jetzt Fateinifch erfheint, dan über ertheilt die jeßt neu hinzugefommene Zueignungsfchrift an D. Johann van Voorft, Profeflor der Theologie zu Leyden, einigen Aufſchluß. Es bezeugte nämiih Herr van Voorſt dem Verf. bald nah Erſcheinung feines Deutſchen

D. Keilii Elementa Hermeneut. N. T. 443

Lehrbuchs den Wunſch, daß er daffelbe, da es in einigen Puncten

viel reihhaltiger ſey, als Ernefli Interpres N. T., und andre

Puncte genauer und den gegenwärtigen Beduͤrfniſſen anger

meſſener abhandle, gern bey feinen hermeneutifchen Vorleſun⸗

gen zum Grunde legen möhte, welches aber nad) Hollaͤndiſcher

Bitte nicht gefhehen könnte, wenn nicht eine Lateinische Vers

fion des Buchs eriftirte. Er fragte daher bey Hrn. D. Keil an, ob diefer feldft eine Lateinifche Verſion veranflalten, oder

ihm oder irgend einem andern Gelehrten die Veranſtaltung

einer ſolchen Verſion überlaffen wollte. Der Verf., geneigt,

jenen Gründen Gehör zu geben, und zugleich die größere Vers breitung und Nußbarkeit feines Lehrbuchs zu befördern, konnte‘ ſich ſelbſt nicht zu einer Lateinifchen Weberfeßung eines Buchs entſchließen, das er, vorzüglich in Hinſicht auf den Deutſchen Buchhandel, Deutſch abgefaßt hatte; aber eben fo wenig mochte er unbedingt diefe Arbeit einem Andern uͤberlaſſen. Er hielt es alfo für das Beſte, einem jungen Gelehrten, Herrn Emmerling, der fih fchon durdy mehrere Beweiſe von Kenntniſſen und Fleiß ruͤhmlichſt empfohlen hatte, dieſe Arbeit fo, daß fie unter feiner eignen Leitung vorgenommen würde, gu übertragen ; worauf fie zu feiner Befriedigung vollendet ward. Billig Hiele er es nun, diefe Schrift in ihrer neuen Geſtalt demjeni⸗ gen Gelehrten zu dediciren, der ihm auctor suasorque biefer Ueberfegung gewefen war. Bey diejer Gelegenheit bemerft Hr. K. noch, wie fehr ihn, befonders um einer Urſache willen, van Voorſt's günftiges Urtheil uͤber fein hermeneutifches Lehrbuch erfreut habe. Da er nämlich gleich zu Anfang diefer Schrift erklärte, daß fie ganz nach den Grundſaͤtzen der grammatifchs hiftorifchen Sinterpretation abgefaße fey, und fie dennoch von Senem mie Bepfall aufgenommen ward: fo fehließt er mit Recht, daß der Holländifche Gelehrte von diefer grammatiſch⸗ hiflorifchen Interpretation des N. T. nicht weiter für die heis ligen Bücher oder für die Religion ſelbſt Gefahr befürchte, wie er doc) fräher, als er fih über Erneftt's Verdienft um die Auslegung des N. T. vernehmen ließ, zu befürchten ſchien, indem er glaubte: es werde dadurch die Meynung derer be⸗ guͤnſtigt, welche annehmen, daß Jeſus und ſeine Apoſtel ſich zu den Volksmeynungen ihrer Zeitgenoſſen accommodirt haben.

ik D. Reilii Elementa Hermeneut. N. T.

Diefe Anerfennung der Vorzuͤglichkeit und Unverdaͤchtigkeit ber Bier empfohlenen grammatiſch : hiftorifdyen Interpretationsme—⸗ thode erfreute den Hrn. Verf. um fo viel mehr, je beflimmter er darauf dringt, daß durch diefe Methode nicht etwa ein bloß möglicher Sinn, den eine Stelle der Schrift Haben fänne, folle aufgefunden , fondern folle vielmehr gelehrt und erwielen wers den, daß dieſer Sinn, den man angebe, wegen aller Hiftoris fhen Argumente, die in Betrachtung kommen, der Stelle nothwendig eigen ſeyn müffe, und daß ein Schriftfteller, der fih fo ausdruͤckte, keinen andern, als diefen Sinn feinen Les fern habe mittheilen wollen , je .entfchledener cr aber auch zus gleich erflärt, daß es auf diefe Bekimmung : welches der Sinn der vorliegenden Schrift fey und feyn muͤſſe? ganz allein ans komme; dagegen die Frage, wie wahr oder falih, gefällig oder mißfällig, das DVorgetragene fey, den Ausleger als folchen nicht befümmere. Zugleich aber bemerkt Hr. K., dab bey dies fer Ausdehnung defien, was die hiflorifche interpretation zu leiften Habe, dem Wunſch derjenigen Beurtheiler diefes Lehrs buche zu wenig habe Genuͤge geleitet werden können, weldye ‚glaubten, daß alles, was zur hifterifhen ‚Interpretation gehört, lieber in Einem Kapitel zufammengefaßt, als in mehreren Abſchnitten zerfireut feyn dürfte; Dagegen Er vielmehr in allen einzelnen Abfchnitten diefer Anmeifung auf diefe hiftorifche Sins terpretation babe Rädfihe nehmen müffen. Vurch diefe Ber merkung führe uns der Verf. zum Hauptinhalt feines Werts und zur Anordnung des Ganzen; welches wir aber übergehen, da diefe wohlgerathene Heberfeßung, einzelner Hinzugefommener Motigen Aber die allerneufte Litteratur der beyden legten Jahre abgerechnet, aufs genauefte mit dem ſchon befannten früher erſchie⸗ nenen in dieſen Jahrbuͤchern, Jahrgang ı8ı0. Stück ı0, ©. 145, von einem andern Necenfenten angepeigten Deut: fhen Lehrbud gufammenfiimmmt : und ba in andern dfi fentlihen Beurtheilungen deffelben bereits Erinnerungen über die Anordnung der einzelnen Parthieen diefes Werks gemacht find, wogegen fih Hr. K. in der vorhin gedachten Bemerkung vertheidige. Lieber heben wir, um den Geift dieſes trefflichen, durch bündige Srundfäge, treffende Beyſpiele und reiche Litte⸗ ratur ausgezeichneten Lehrbuchs zu charakterifiren, Einiges von dem aus, was Die Kauptfache bey diefer Anweiſung ausmacht, naͤmlich, was die von unferm Verf. fo dringend empfohlene grammatiich hiſtoriſche interpretation betrifft.

Gleich zu Anfang des erften Hauptabſchnitts de recta cognitione sensus librorum N. T. p. 11. wird auf gehörige Beſtimmung und Auseinanderfesung des Weſens diefer grams matifch s biftorifchen Sinterpretation vorbereitet. Es heiße näms lich: da den Sinn einer Rede oder Schrift erfennen nichts

een ae

D. Keilii Elementa Hermeneut. N. T. 445

anders ſey, als eben dasjenige dabey denken, was der Redner oder Schriftſteller dabey gedacht hat, und dabey hat gedacht wiſſen wollen, und in welchem Fall man den richtigen Sinn derſelben gefaßt habe: ſo ſey die Erforſchung des Sinnes einer Rede oder Schrift offenbar eine hiſtoriſche Unterſuchung, in welcher Ruͤckſicht die Erklaͤrung eines Schriftſtellers, namentlich auch der Buͤcher des N. T., eine hiſtoriſche genannt werden konne. Da aber dieſer Sinn der Buͤcher des N. T., welcher nur ein einziger feyn könne, zunaͤchſt nothwendig aus den von ihren Verfaſſern jedesmal gebrauchten Worten erkannt werben muͤſſe, indem diefe das Huͤlfsmittel eines Schriftftellers zur Bezeichnung feiner Begriffe und Vorftellungen ſeyn: fo werde in fofeen die Erflärung diefer Bücher eben fo, wie die jedes andern Schrififtellets, eine grammatifche ſeyn müffen. Aber freylich fey dieſe grammatifche Erklärung von jener hiſtoriſchen keineswegs verichieden, und Bönne daher auf keine Weife von ihr getrennt oder ihr entgegengefeßt werden; vielmehr feyen

beyde aufs genauefle mit einander verbunden. Die biftorifhe

koͤnne und dürfe nie eine andre als grammarifche ſeyn; Dages gen aber folle und muͤſſe auch die grammatifche immer eine hiftorifhe feyn. (Merichieden find beyde doch gemwiffermaßen, fofeen die Hiftorifhe einen größern Umfang hat, als die grams matifche ; denn die feßtere befchäftige fih mit den Worten, des ren Form, Bedeutung, Mobdification und der Beziehung der verfchiedenen Wörter, die einen Satz, und der verfchiedenen Säge, die ein Ganzes bilden, zu einander. Die Exftere fucht den ganzen Ideenkreis des Schriftftellers nach allen feinen los calen, temporellen, individuellen Ruͤckſichten und Beziehungen ins Auge zu faffen, mozu die grammatifhhen Operationen nur den Weg bahnen mußten. Daher Rec. in feinen hermeneutis ſchen Vortraͤgen am liebften die grammatifche Snterpretation als die erfie, die hiſtoriſche als die zwente Stufe der Achten ungertvennlich verbundenen grammatifch s hiftorifhen Auslegung dargeftelle Hat. Aberfreylich laͤßt fih auch fchon der Sinn mans ches einzelnen Worts, z. B. nioris, dıxaootyr, bıög Isoo, ayıaseıy u. dal. nicht ganz beſtimmt auffaffen, ohne daß man hiſtoriſch tiefer in die damaligen Ideen und Beziehungen eins zugehen fuhrt; und in fofern ift fchon die grammatifche Erdrtes rung eines einzelnen Worts eine hiftorifhe Unterfuhung; und die grammatifche und Hiftorifhe interpretation fliehen in der ensften Werbindung, ja laufen in eins zufammen.) Hierauf wird ©. 14 jur Vorzgeichnung des ganzen Planes diefer Theorie hinzugefügt: weil aber der Sinn einer Schrift nicht immer einzig und allein aus den darin gebraudten Worten erkannt werden koͤnne, fondern aud) noch mehrere andre Umftände das

446 | D.Keilii Elementa Hermeneut. N. T,

bey in Betrachtung kommen: fo werde bey vollfländiger Er⸗ Märung eines Schriftftellers auf folgende fünf Städe zu fehen fepn: daß man ı) die Bedeutung und den Sinn aller einzelr nen in einer Schrift vorfommenden Worte und Redensarten fenne ; 2) den Zufammenhang mehrerer mit einander verbuns denen Worte und Saͤtze, fo wie alle größern oder kleinern Theile der vorliegenden Schrift genau erforfhe: 3) den Sinn folder Stellen, in denen eine bildlihe oder anderweitige bes fondere Art des Vortrags herrſcht, richtig auffaſſe; 4) auch alle die Nevenumftände kenne, weiche auf die Beflimmung und ges nauere Erfenntniß des Sinnes einen Einfluß haben: und ends lich 5) alles, was der Schrififieller fagt und vorträgt, nad denjenigen Vorftiellungen, die er nad dem jedesmaligen Ges genftand feiner Rede Hatte, richtig zu beflimmen fuche. Es würde uns zu weit ‚führen, dieſe einzelnen Puncte, welche Hr. 8. mit Recht in feiner nun folgenden Anweifung zur volltändigen Erforfhung des Sinnes der Bücher des N. T. näher beleuchtet, weiter zu verfolgen. Wir können bloß darauf hinweifen, wie er theils jeden eingelnen der gedachten Puncte eben fo .gelehre, als bündig und einleuchtend, wenn gleich überall, dem Zweck diefes Lehrbuchs gemäß, in einem fehr ges drängten Vortrage abzuhandelu fucht, und befonders über Die Erfenntniß der Bedeutungen einzelner Worte und Redensarten in befondern zu ertlärenden Stellen des N. T. und die Bes flimmung ihres jedesmaligen Umfange und Sinnes, wie über die richtige Erfenntniß des Zufammenhangs mehrerer mit eins ander verbundenen Worte und Säße in den Büchern des N. T., fomwohl des grammatifhen, als des topiihen Zufammens Hangs, ein gang etgenthämliches Licht verbreitet; theils ſchon bey Bemerkung der Vorkenntniſſe, die ein Ausleger des N. T. zur Erklärung deffelden mitbringen muß, auf forafältige Bes obachtung und Unterfcheidung der Neligionsmeynungen der Suden, der eigenthümlichen chriſtlichen Neligionsiehren, und endlich der Religionsmepnungen der von der apoftoliihen Lehre fhon früh abweichenden und dem Chriſtenthum ſich Widerfegens den Partheyen, aufs beftimmtefte dringt; vorzüglich aber um den für die hiftoriiche interpretation erheblichiien Punct, die Erläuterung des jedeemaligen Inhalts einer Stelle nad) den. Vorftellungen des zu erklärenden Schriftftellers und feiner ers fien Lefer betreffend, fih ein ausgezeichnetes Verdienft erworben hat Man muß fih, wird hier $. 94. ©. 157 mit Recht ges fordert, von allen in der vorliegenden Schrift erwähnten oder auch nur berübrten , ſowohl finnlihen als intellectuellen, Ges genftänden eben diejelben Worftellungen zu verfchaffen fuchen, die der Schrififteller davon hatte, und die feiner Seele bey

D. Keilii Elementa Hermeneut. N. T. AUT

Abfaffung der zu erflärenden Schrift vorichwebten. Um aber dies mie gluͤcklichem Erfolg zu können, muß der Ausleger nicht nur mit den Vorftellungen von den abgehandelten oder auch bloß beruͤhrten Segenfländen, ſich vermittelft der dienlichen Huͤlfsmittel Hinlänglidh bekannt gemacht haben, fondern nun auch dieſe Kenntniß auf die dahin einfchlagenden Gegenflände richtig anwenden. Wie diefe Regel nun zu befolgen ſey, ı) in Anfehung der Vorftellungen von finnlihen und der Erfahrung unterworfenen Dingen, 3. B. oriyn, xoaßBaros Mark. IIL,4, mögen nun ſolche ausdrädlich erwähnt, oder mag bloß auf fie angeipielt feyn, =) in Anſehung der Worftellungen von intels tectuellen Dingen. und vorzüglich Religionsmepnungen, 3. ©. dıaßoAos, oaravas, fowohl in Stellen, wo nad folchen Meynungen geredet und gefhrieben wird, als bey Stellen, in denen ſolche Meynungen beftritten und widerlegt werden : ſucht unfer Verf. fo beſtinmt, als es bey ſolchen fchmwierigen Fragen möglich if, gu lehren. So wird ©. 144 f. wegen ber richtis gen Auffaffang der Borftellungen jener Zeit von intellectuellen Segenftänden , vorzüglich von Religionsmepnnungen, der Grund⸗ fab aufgeſtellt: fobald es einmal hiſtoriſch gewiß oder auch nur wahrfcheintich ſey, daß der zu erflärende Schriftftellee von eis ner Sache dieſe oder jene Vorftellung gehabt habe, ſo muͤſſe dieſelbe billig in allen auf dieſelbe fih beziehenden Stellen (verſteht ſich: deffeiben Schriftſtellers!) zum Grunde gelegt, und das, was er fage, darnach beſtimmt werden, befonders wenn die Stelle dadurch volllommen deutlich werde, und das in demfelden Geſagte auch mit anderweitigen Aeußerungen des Schriftſt ellers Äbereinflimme und in der genaueften Verbindung damit fiehe, oder ſich wenigftens nirgends Etwas finde, das der Annahme dieler Vorftellung widerfpräche. Wenn hiernaͤchſt als ein ſehr ſchaͤtzbares Huͤlfemittel, den Sinn einer Stelle nach den Worftellungen des Schriftftellere zu beftimmen, fowohl die Vergleihung anderer Parallelftellen deſſelben Schriftftellere, als die Vergleichung der Paralleiftellen der übrigen Scrifts fieller des N. T. empfohlen wird, fo wird zugleich, um jeden Mißbrauch diefer letztern, nad) der fonft angenommenen ana- logia scripturae, gu begegnen, ©. ı50 erinnert: Die Erwaͤ⸗ gung deffen, was den anderweitig befannten Srundfägen und Meynungen der N. T. Schriftfteller gemäß oder nicht gemäß iſt, könne bloß dazu angewandt werden, zu zeigen, daß dies oder jenes der Sinn einer Stelle nicht ſeyn könne; keineswegs aber möge fie dazu dienen, den Sinn einer Stelle felbft vers mittelft derfelben zu erkennen, weil daraus, daß ein Schrifts ſteller dieſes oder jenes gefage Haben koͤnnte, moch nicht folge, daß er es auch wirklich gefagt Habe. Auch werden noch über

445 D.Keiliı Elementa Hermeneut. N.T.

wirfliche oder fcheinbare Widerfpräde in den Büchern bes N. T. und das Berhalten des Auslegens in Anſehung derſelben bedeutende Winke hinzugefügt. Doc ik mit allen dieſen Bes merfungen und Örundiägen, weiche Hr. 8. im erfien Haupt theil feiner Theorie de recta cognitione sensus librorum N. T. beygebracht hat, das Ganze, was zur Thestie der his ſtoriſchen Suterpretation gehört, noch wicht vollendet, fondern es muß auch ans dem zweyten Saupttheil de ratione, sensum librorum N. T. recte cognitum alios docendi ned Einiges hieher gezogen und hier ins Andenken gebracht werden. Wie besnägen uns jedoch damit, bloß auf dasjenige, was der Verf. von 6. 115. an über die Ruͤckſicht des Auslegers auf Stellen hiſtoriſchen Inhalts, befonders anf E:zählungen von wunder baren Brgebeuheiten,, ferner auf Gtellen dogmatifchen und meoraliihen Inhalts erinnert, aufmerffam zu madhen, und fos wohl auf die große Behütſamkeit, als auf die Liberalität der Principien unſers Verf. hinzuweiſen, wenn er ben Stellen hiſtoriſchen Inhalts nicht bloß Auffaffung der Erzählungen nach ihrem urfpränglidhen Sinn, fondern aucd Würdigung Derfelben und ihrer Beſchaffenheit, und feltfi eine Erforſchung ihrer Quellen empfiehlt ; wie dies vornehmlich bey Erzählungen wuns derbarer Begebenheiten der Fall ift, wobey möglichfle Befcheis denheit und Borfiht in den Erflärungsverfuhen darüber mit Mehr gefodert wird; und wenn er bey Stellen‘ Dogmatifchen und moralifhen Inhalts nicht bloß lehrt, fie im Geiſt jenes Zeitalters aufzufaffen, fondern aud auf Beachtung ihrer gan⸗ gen Sefchaffenheit, ihrer Quellen und ihrer Tendenz, recht ernftlih dringt, damit man lerne, das Allgemeingältige vom Localen, Temporellen und Sjndividnellen gehörig zu fondern. - Wir fließen mit dem aufrichtigen Wunſch, daß diefe treffliche

Theorie zur Leitung angehender nicht allein, fondern auch fchon geübter Schriftforfher auf Pie rechte Hahn der gründlichen und beicheidenen aͤcht hiftorifhen Forfhung, wobey man der Willkuͤhr ſelbſterwaͤhlter Deutungen einzelner GSchriftftellen im neuen und neuften Geſchmack am fiherften entgeht, recht wirke fam ſeyn möge; und wir flimmen volllommen in den Aus ſpruch des würdigen Verf. &. XIII der Zueignungsichrife mit ein: Certissime mihi persuasum habeo, tum demum Ii- Prorum sacrorum interpretationi melius, quam hucusque factum est, consultum iri, ubi grammatico - historicae illius interpretandi rationis praecepta, quae equidem hoc libello enarrare atque commendare studur, ab omnibus non modo probata fuerint, huicque rei unice apte judi- cata, sed in ipsis etiam libris illis interpretandis diligen- ter observata.

r.

—22222020

No. 29. Heldelbergifäe 1812. Jahrbücher der Litteratun

Verſuch aus der harten und weichen Tonart jeder Stufe ber Diatonifch bhromarifhen Tonleiter vermittelfſt des enharmoniſchen Tonwech⸗ ſels in die Dur und Moll Tonart der uͤbrigen Stufen auszuwei⸗ den. Von H. Eh. Koch. Rudolſt. Hof⸗Buch⸗ und Kunfle handlung. 1812. 16 Bogen Querquart.

Eu. Sammlung und fehr ausführliche Mufterfarte von ens barmonifchen Ausweihungsformeln, aus jedem Ton in jeden andern (die ganz gewöhnliche Ausweihung in die Dominante und Unserbominante ausgenommen), näßlich für den Minders geösten, um fih im Fall des Beduͤrfniſſes darans Raths er⸗ holen, und das zu feinem Zwecke paſſende Muſter copiren zu koͤnnen. *

Die Ausweichungsformeln, ſaͤmmtlich in Notenbeyſpielen von 2 bis 4 Tacten vierſtimmig anf zwey Notenlinien im G und F Schläffel ausgefchrieben, find unter folgenden Rubriken geordnet:

1. Abſchnitt. Ausweichung aus den harten Tonarten in andee Dur Tonarten. De Ne

2. Abſchn. Ausweichung aus den harten T. A. in die Moll s Tonarten.

3. Abſchn. Ausweihung aus den weichen T. A. in Dav Tonarten. J > eh

4. Abſchn. Ausweihung aus den weichen T. A. in Mol Tonarten.

5. Anhang. |

Der Berf. beanägt ſich aber nicht, von der Ausweichung aus-der Tonart Einer Stufe (5. ©. den gewöhnlichen Nor⸗ mal; Tonarten C dur und A moll) nad) allen ondern Durs und Mel : Tonarten, Muſter zu geben, fondern gibt Ausweis chungsmuſter aus allen Tonarten in ae andern, und über manchen diefer vielen Specialfaͤlle finden fi fogar nach zwey

29

450 Verſuch aus ˖ der harten u. weichen. Tonart ıc. von Koch,

verfchiedenartige gemein angegeben, im Ganzen wohl: über . zbo Formelin!

Daß diefe große fo weit getriebene Ausführlichleit, wie der Verf. in der Vorrede behauptet, ihren eignen Nutzen habe, will Rec. nicht widersprechen: allein er ift Üübergengt, daß das Werk dennody an Brauhbarfeit und Faßlichkeit gewonnen has ben wuͤrde, wären die verfchiednen Formeln anders geo:dnet, und fämmelich auf Ausweichungen aus zwey Normal s Tonarten reducirt worden.

Sucht man z. ©. die verſchiednen unter vierzehn Rubris ten des Werks zerftreuten Formeln zum Webergang aus einer harten Tonart in die harte der zunächfl darüber liegenden Taſte auf, fo finder man: @ Formeln von C nad Cis, 2 von G Des, ı von Cis—D. ı von Des nad D, 2 son D nad Es, ı von Es. nad E, 1 von E nah F, ı von F nach Fis (warum feine nah Ges?), ı von Fis nah G, ı von G nad) As, ı von As nad) A, 2 von A nah B, 2 von B na H, e von H nad) C.

Alſo 20 Formeln für ı4 im Grunde doch gleichartige Faͤlle, welche ſich ſaͤmmtlich unter Eine Rubrik Hätten ſubſumiren laſ⸗ ſen: denn offenbar koͤnnte doch eine Ausweichungsformel von C nah Cis als Mufter des Uebergangs von F nad) Fis, von Des nad D, von Es nad E u. f. w. gelten. Es ift überall derfelbe Fall, nur auf eine andre Stufe transponirt, nnd im der That find-denn aud) jene 2o Formeln bloße Tramspofitios nen von den vier erften Blattfeiten; fo ift der Mebergang von F nad) Fis, ©. 8, eine bloße Trangpofition des gleichen Fals les von C nad Cis, S. ı, und der von G nad As S. 11 eine pure Transpoſition des Falls von C nad) Des.

a, die Ausweihungsformel um eine Meine halbe Stufe aufwärts von C nad Cis, koͤnnte gar füglih auch auf die ‚Fälle der Ausweihungen um einen großen halben. Ton aufs wärts dienen, und es wäre nicht einmal fehr nöthig geweſen, eine eigne Formel von C nad Cis und eine eigue von C ned Des auszuſchreiben, indem jeder auch nur irgend Geuͤbte gar leicht diere in jene umichreiben wird, und umgekehrt. Denn ganz lo wie der Verf. S. ı von C nad Cis dur geht, even jo kann man mittelft bloßem Wmfchreibens nach

Verſuch aus ber harten u. weichen Tonart ꝛe. von Koch. Ası

Des dur gehen, und umgekehrt iſt der ©. ı befindliche Ueber⸗ Yang von C nad) Des dur.

7 6 b7

5 A b5 b5 6 hb7 3 5 3 2 | 53 b3 b4 b5 | b3 G

C, A,*G, bA | bG, bE, bA, bA | bD (eigentlich ; 6

bb5

b5

C, A, *6, bA | bG nf.) leicht umzuſchreiben in einem Uebergange von C näch Des dur: 7 ei 5 a6 *5 *7 *6 *5 #5 a 3 51*83 *5 *4 *3 *3 C, A, *G,*G | F, *D, *G, *G | *C.

Ja ſogar die Mebergangsformel aus Cis dur nad Es duss ©. 2: | 7216 6 *5 1 *55 *65 by *3 *5 *3 58 b4 *+G | *C, *C, *H, C | bH; bH

(eigentlich: 7 6 | *5 #5 *5 b5 ı 6 #3 %3 *53 55 db4 *G |*C, *C, *H, C | bH, u. ſ. w.) laͤßt ſich auf die hoͤchſt einfache Formel aus C nad D: ‚6 *6 7 3 8 3 by 5 4 *3 | GI C, C,H, bBH | A;A— reduciren, und hätte ſich leicht aus ihr deriviren laffen; und eben fo die Formel von Cis nad) As, ©. 3;

452 Werſuch aus der harten m. weichen Tonart ıc. von Kol. |

*6. 6⸗ b7 5 5 4 5 6 h «3 0 3 *%2 25 b3 ba 27 56 *C, *C, *D, bE | bD, PH, bE, bE | bA.

ei entlich: —— 266

5 bb5 h5 +3: b5

*C, *C, *D, bE | bD, u. ſ. w.)

(wo der enharmonifde Webergang von Cis dur nad) Des dur ſchon beym Schritte vom Sten zum 4ten Akkord duch bloße ° Ruͤckung geichehen iſt, und dann erft eine ate Wendung von Des nad As dur gefchteht) auf die ganz gewöhnliche Auswei⸗ Yung in die Dominante: 6 5 679 3 —- 3 37 4 *3 C, C, D, D|cC, A,D, D| G. Das bisher Geſagte zeigt, wie manchfacher Abkürzung die Tabelle der Ausweichungen aus harten Tonarten nach ander Tonarten empfänglich geweien wäre. J Aber nicht größere Kürze allein wuͤrde der Gewinn einer derartigen Anordnung geweſen feyn. Wie vieles würde dad ohnehin ſchon fo brauchbare und gemeinnüßige Werk noch 98 wonnen haben, wenn die verſchiednen unter verſchiednen Spe⸗ cial: Rubriken zerſtreuten, aber zu einem und demſelben Zwecke dienenden Formeln alle in Eine Tabelle zuſammengeſtellt wis ven und zuſammen uͤberſchaut werden koͤnnten. Go}. d beftehen die vom Verf. gegebenen Formeln zu Vebergängen in die Tonert der naͤchſten halben oder Meinen Stufe aufmärtd (die bloßen Transpofitionen nicht mitgezähle), ans den vier folgenden: |

* 6 6 *6 *6

3 5 *3 *4 * | &, G | «E, *F, *6, *G | *0.

8 *6 %*5 5 6 *6 N 53 7 5 3 %*3 *4 *5 *5 2. C, A, *G, *G|*F, *D, *G, xG | *&ı

Verſuch aus der harten und weichen Tonart ıe. vom Koch, 453

by R b5 b5 6 br 83835 „m ea b5 135 b4 b5 96 3. G|C, A, *G, bA|bG,bE, bA, bA|bD.

bb b7 3517 2e 35 15° 35 55 4 G|C, H, bC, bh, bg|bD, bA, bD,

Diele, zu Erleihterung der Anwendung auf andere Fälle, aus Tonarten mit Kreugen aud noch verwandelt und umge⸗ fohrieben in Tonarten mit Veen, und umgekehrt

6 bh5 bb6 5 6 b7 , 5— 7 b3 b2 23 24 b5 b6 5. C,C, G, bbA|bG, bG, bA, bBA|bD.

6

bb5 b5 bMä 6 by 3 3 55 353 3 ba b5 b5 6..C, A, *G, bA|bG, bE, bA, bA|bD. * 6 In *7 5 *5 55 6 *65 *5 353 3. 9 3 *5 *5 *4 *5 *5 7 G|C, A, *6G, *G|*F, *D, #G, *G | *C. * 6 *

| *4 *6 +5 *5 *5

3 547535 *5 *3 *3 *5

8 G|C, H, H, *a, *t|*C, *G, C.,

würden (allenfalls in der Ordnung: ı, 2, 7, B, 3, 4, 9.6) eine niche nur vollftändige Tabelle der Ausmeihungsformeln für alle ähnliche Fälle geben, woher fih dann leicht dur bloße Transpofition Ausweihungen von C nad) Des, von Cis nah D, von Des nah D, von D nad) Es, von Es nad E; von E nad) F, von F nad) Fis oder Ges, von Fis oder Ges nah G, von G nad) Gis oder. As, von Gis oder As nah A, ‚von. .A.nady B, von B nach H oder Ces, von da nah C, nnd nach Belieben auch in noch fremdartigere

\ 454 Verſuch aus der harten u. weichen Zonart ze. von Koch.

Tonarten, 3. ©. von D nad) Dis m. f. w. nachbilden ließen, fondern es wärbe durch Zufammenftellung, aller zu Gebote fe henden Formeln auf einem Plage dem Anfänger noch oben drein Die weitere Ueberſicht gewährt, daß .er, um mach bee Tonart der naͤchſt obern Tafte auszuweichen, unter den bey fammenftehenden Formeln die Wahl Habe, und daß er Aber Dies diefe Art von Modulationen nach Belieben in die Form entweder von Ausweichungen, um einen großen oder um einen Meinen halben Ton, ausführen und fchreiben könne, je nadı dem die eine oder andre Form etwa eine allguungemöhnlide Bezeichnung ‚erfordern würde, oder je nachdem die eine oder andre den demnädhft folgenden Harmonieen am fchicklichften zufagt.

Und wollte man dann, wie denn der Verf. gethan dat, und aud) wirklih von reellem Nutzen ift, diefe Formeln in Beziehung auf weiche Tonarten alle auch noch einmal befonders ausichreiden, fo wäre gewiß alles gethan, was Ausfuͤhrlichkeit | mit Anfchaulichkeit und Wollftändigkeit verbunden, Leiten füns nen, und dabey koͤnnte das Werk doc noch allenfalls durd größere Manchfaltigkeit von Formeln, 5. B. (tum immer bp den oben ausgehobenen Fällen der Ausweichungen in die nähft höhere Tafte zu bleiben ) |

54 #5 8 *7 *5

7 p6 b5 6 5 *2 *5 b4 b3 bb 3 C, bH, A, bA|G, bA, bA, bAl u. dgl. bereichert werden. |

Uebrigens ift der Sag überall rein und korrekt ( Kleinig keiten, wie 5. B. ©. 61 fünftes Beyſpiel, können ja uͤberſehen werden!) das Aeußere der Auflage beweiſ't die Aufmerk ſamkeit, welche die Verlagshandlung. dem Werke des geſchaͤh⸗ sen Schriftſtellers fchuldig zu ſeyn geglaubt: doch iſt das Heine

Tatchenb. f. Forſt⸗ u. Kaghfrenunde von R.v. Wildungen. 455

Erraten s Bergeihnig nicht vollſtaͤndig. Merst ©. 61 Vierte: Formel. . Dannheim. Gottfried Weber.

Taſchenbuch für Fort = und Jagdfreunde, für die Jahre 1809 1832 von £. C. E. F. Ritter von Wildungen, Eonial. Weſtphaͤli⸗ ſchem Confervateur der Forſte und Gewaͤſſer des Werra: Depars temente u. ſ. w.

Der Berf. befchließt Hiermit ſehr ehrenvoll die Herausgabe feines allgemein beliebten Taſchenbuchs, deffen Fortſetzung bes kanntlich die Herren Laurop und Fiicher ‚übernommen haben, doch können wir dem Lefer zum Troſte fagen, daß Herr von Wildungen auch ferner thätig dafür feyn wird.

Die Vorderſeite des Umſchlags ziert eine Abbildung des Geweihes des bekannten Schsundfechzigers, die KHinterfeite des Umſchlags ein mißgeſtaltetes Geweih, nach Ruͤdinger, eben fo. ſtellt das Tirellupfer die Mißgeſtalt eines Hirſches, fo wie die Vignette einen Rehbockskopf mit unfoͤrmlichem Haupt⸗ ſchmuck vor. So lange umire Sjagdfreunde noh nicht einmal die Thiere Deutichlande kennen, möchte es wohl zweckmaͤßiger feyn, ſtatt der pathologifchen Gegenftände, die ins Unendliche gehen , feltene Thiere abbilden zu laffen. Aus denfelben Grüns den koͤnnen wir auch nicht die Abbildung des Bläßhirfches bils ligen, von dem der Herausgeber in der erften Abhandlung Nach⸗ richt gibt, da ſolche Spielarten leicht befchrieben werden können. II. Das Murmelthier, von Herrn Hofrath Blumenbach, nebſt Abbildung. Here Blumenbach liefert in dieſer gehaltvollen Abhandlung erft einen Auszug aus Stumpfs Werk, und trägt dann das noch Fehlende nah. Rec., der lange Zeit mehrere diefer Thiere lebend beſaß, kann als Nachtrag noch bemerken, daß die Wurmelthiere wirkliche Naubthiere find, fie verfolgen und morden Thiere, die ihnen an Größe nicht viel nachſtehen, und zehren fie auf; auch Fiſche freffen fie gern, fie fangen immer am Kopfe derfelben an, und laſſen nichts mie die Fiofs fen uͤbrig. Sie erwachen wie die Fledermäufe, wenn firenge Kälte auf fie wirken kann, und Saufen herum; bemühen ſich

456 Taſchenb. f. Forſt⸗ u. Jagtfreunde von R. v. Bidengen.

aber dann einen wärnıeren Aufenthaltsort zu finden. Time Erfheinung , die bey beyden noch micht befriedigend erklärt if,

Gert Olumenbad Gemerkt, Die Berderzähne ber Durmeiihien

hätten die mertwärdige Eigenfchaft, daß fie, wenn fie abgehracen wärden, in SKurgem wieder zur gchörigen Länge nachwüchfen,

Dies Haben wir bey andern Thieren, 5. ©. bep den Marten

auch bemerft, deren Zähue wir mit einer ſcharfen Zange ab⸗ fprengten , und die demungeachtet ihre gehörige Größe und

Form wieder erhielten. III. Der bärtige Atpengeyeradier, vom Herausgeber, mit zwey Abbildungen, welche den alten nd jungen Bogel barfieflen. Eine ſehr gute Zuſammenſtellung des

Belaunten aus der Narurgeichichte Diefes miertwärdigen Boyeld.

Die Abbildung des jungen Vogels iſt ſehr ſchön, es iR dm | Copie aus dem Meyerifchen Taſchenbuch; die des alten Bed

it aber nicht fo gut ausgefallen, auch if fie von einem ſchlecht ‚ausgefiopften Exemplare genommen. IV. Der große Brad vogel, von Herrn Hofrath Merrem in Marburg, mit ent fhönen Abbildung. Eine fchr intereffante Abhandlung. Ga den Lnterfcheidungstennzeichen der Gartungen Scolopax ud Numenius find Lage, Form und Ränder der Naſenloͤcher ww gefien, die bey beyden Sartungen fehr werfchieden find. And möchten wir Herrn Merrem mit darin beyftimmen, da Scolopax suborynata, pygmaea und alpina zu den Strand Käufern gehörten. Die Tringa alpina hat den Schrifſtellern fon viele Mähe gemacht, noch in dem neueften Werke di Herrn Bechſteins kommt fie doppelt als Numenius variabils und als Tringa alpina vor; Buffons Abbildung pi. enl. 852 Bat zu diefen Verwirrungen Gelegenheit gegeben, indem de bier im Herbſtkleide abgebildete junge Wogel mit einem Hal geraden Schnabel begabt tft, ein Fall, der bey dem junge Vogel diefer Art leicht eintritt, wern man ihm beym Ausſtopfen den Schnabel in der Mitte zufammenbinder. Der Numeniws

variabilis, oder die Tringa alpina, welches derfelbe Verl

iR, hat einen fehr deutlich bogenförmig nad unten gekruͤmm ten Schnabel, und gehört dennoch nicht zu den Strandlänfemn. Kern Bechſteins Numenius pygmaeus ıft Beine eigne Art,

fondern der junge Vogel von N:umenius suborynata; deſſen

Numenius pusillus iſt aber gleichfalls ein wirklicher Grat

Takcbenb. f. Jorſt⸗ u. Zandfrenude vom R. v. Wildungen. 457

vogel. V. Der Goldregenpfeifer,, mit einer Abbildung, von Herrn Hofrat) Merrem. Der Goldregenpfeifer gehört zu dem Vögeln, die zwenmal im Jahre maufern, und deren Sommers Heid fehr von dem verfchieden ift, das fie im Winter tragenz bier ik ein im Mauſern begriffener Vogel abgebildet. Beſſer würde es wohl geweien feyn, wenn man einen ſolchen Vogel, der bereits fein Hochzeitliches Kleid erhalten, gewählt hätte, denn wenn wir Vögel darftellen wollen, die ſich im Webers gange aus einem Kleide ins andere befinden, fo können wir jo. viel verſchiedene Abbildungen liefern, als es Individuen gibt. Die Abbildung dieſes Negenpfeifers tft niche fo gut wie bie übrigen gerathen, befonders fcheint der Schnabel cher einem Naben, als einem Choradrius anzugehören. Wenn der Kr. Verf. fagt: gewöhnlich Hat ee nur drey Zehen, doch hat Kr. Mrofeffoe Schneider zu Frankfurt an der Dder eine kurze Hin⸗ tergehe mit einem Nagel bemerkt; fo mülfen wir dagegen ers innern, daß dann Herr Prof. Schneider einen jungen Vogel von Vanellus melansgastes vor fi gehabt habe, aber feinen Sofdregenpfeifer , auch können wir Herren Merrem nicht darin beuffimmen, daß die Kiebige und Regenpfeifer zu vereinigen feyen, ob wir ihm gleich einräumen muͤſſen, daß der Vanel- lus melanogastes ein wahrer Regenpfeifer ift; wenn au gleich alle neueren Schriftfteller ihn zu den Kiebizen zählen. VI. Beyträge zur Forſt- und Sagdchronit, vom Herausgeber. VII. Verſuch einer Anleitung zum Aufiuchen und Erkennen der Zorfipflangen und der bey uns einheimifchen wilden Thiere nach den befannteften Eintheilungsmerhoden für Anfänger , die ſich fetoft unterrichten wellen, von ©. F. D. aus dem Winkel. Für den Anfänger eine nüßliche Anleitung, die ſich beſonders durch die Wärme empfiehlt, die der Verf. für feinen Gegens flan empfindet, und durch das Öftere Hinweiſen auf das nie ‚genug zu -empfehlende Studium der Natur ſelbſt. Nur ſtellt der Verf. das Beſtimmen der Naturkörper feinen Schülern

etwas zu leicht vor, denn ſelbſt bey dem Beyſpiel, das der Verf. von der gemeinen gelben Bachftelze anführt, würde ſich manche. Schwierigkeit gezeigt‘ haben, wenn ed eine gelbe Bachs ſtelze im Jugendkleide geweſen wäre, die beſtimmt hätte werden folen. Denn da wir in der Drnithologie die Artkennzeichen

458 Taſchenb. f. Forſt u. Yaabfreumde von. v. Wildungen,

faſt durchaus von dem Farbenkleide zu nehmen gezwungen find, und dies nah Alter, Geſchlecht und Jahrszeit bey vielen Voͤ— geln abändert, fo möchte ein richtiges ornithologiſches Syſtem wohl noch fange zu den frommen Wünfchen gehören, und das um fo mehr, da unfre Schriftſteller dieſen Mangel noch nit einmal gu fühlen fcheinen. VIII. Die Wolfsjagd, vom Ken ansgeber. Bon Bauern wird ein Wolf getrieben und erlegt, worüber fih der Verf. komiſch beklagt. IX. Etwas über die Flintenfleine, vom Heren Prof, Wurzer in Marburg. Eine mit vieler Laune gefchriebene intereffante Abhandlung. X. Aus zug aus einer feltenen alten CThronik, Sjagdbegebenheiten be treffend. XL Warum wird das Holz noch immer nicht wohl feiler, vom Herausgeber. Enthält fehr zu beherzigende. Wahr heiten. Der Hauptgrumd liege wohl darin, daß das Holz nicht wie die Krebsſcheeren nachwaͤchſt. XII. Noch etwas uͤber fuͤrſtliche Jagdluſt der Vorzeit, vom Herausgeber. XIII. Das mittlere Waldhuhn, vom Herausgeber. Wie Recht erklärt aud der Berf., der dieſes MWaldhuhn in der Sammlung des Heren Hofrath Meyer zu Offenbach fahe, ſolches für eine . eigne Art; wir flimmen ihm nicht nur darin bey, ſondern find auch Übergeugt, daß jeder Naturforſcher, der dieſen Vogel in der Natur fiehe, ihm die Artrechte zugeſtehen werde. XIV. Unverdienter Bannfluh. XV. Naturhiſtoriſche Bericht tigung. Es fenen nicht Leoparden, ſondern Unzen gewelen, deren fih Kaifer Leopold der Erfte ben der Jagd - bediente. XVI. Der Genickfang. XVII Nachlefe zur Zorfts und Jagdı litteratur der letzteren Jahre. XVII. ‚Neues Bedenken de eigentlichen Brunfizeit der Mehe. Der Herausgeber nimmt mie Recht Anſtand einer nicht hinlaͤnglich verbärgten That fahe, die gegen gründliche Beobachtungen. reitet, Glauben beyzumeſſen. Wenn in der Naturgefchichte folhe Beobachtum gen, welche allen Verdacht einer Täufhung tragen, für Er fahrungen gelten follten,, fo würden wir nie aufs Meine darin fommen. XIX. Zirbeindß sErndte. XX. Anekdoten. XXL Auszug aus einem Brief einer Ruffiihen Dame. XXI. Cu dichte. Das Yägerlied vom Herausgeber, und Morgenieufet einer gärtlihen Jaͤgergattin, von Sun, zeichnen ſich vo züglich aus.

Geognoſtiſche Fragmente von R. v. Raumer. 459

Bir wünfhen, daß die nachfolgenden Jagdkalender fi als wuͤrdige Brüder an dieſen letztgebornen anreihen möchten. -

;

Geognoſtiſche Fragmente von Karl von Raumer. Mit einer Karte, Nürnberg, bei 3. R. Schraag. 1811. VE und 78 ©. gr. 8. (54 fr.)

Herr von Raumer bildete ih, wie wir aus dem Vor⸗ berichte zu diefem Buͤchlein ſehen, in der trefflidhen Schule des großen Werners zum Gebirgsforfcher, und legt ung in dies ſen Sragmenten die Exfilinge feines kitterariichen Wirkens dar. Es find Beobachtungen, welche er uns als die Reſultate viers jähriger Arbeiten Bennen lehrt, und die von ihm in Gemein, fhaft mie den Herren v. Engelhardt und v. Prayftas nomwsti angeftelle wurden. Die zum Theil neuen Anfichten des Verf. und die aus diefen entlehnten Schlußfolgen verdies nen, ungeachtet wir nränchen einen bloßen hupothetifchen Werth beyzumeſſen vermögen, die Aufmerkſamkeit des geognoftiichen Publikums. Wenn wir nun zwar, und dies, wie der Erfolg darthun wird, nicht ohne Grund, mit den Anfichten des Hrn. v. N. keineswegs gang uͤbereinzuſtimmen vermögen, fo find wir doch weit entfernt, den Kenntniffen und den Talenten dieſes jungen Schriftftellers nicht Gerechtigkeit widerfahren zu laffen, mir alauben vielmehr, daß fih die Wiſſenſchaft noch mancher gelungenen Arbeiten von ihm zu erfreuen haben wird, zumal wenn er es fi) angelegen feyn läßt, eine mehr plane und Mare Darfiellung zu gewinnen.

Nach diefen vorläufigen Bemerkungen wenden wir ung wieder zu den vorliegenden geognoftifchen Fragmenten. Zuerft, als ‚allgemeine Ueberfiht, eine Anzeige des Inhaltes.

Ueber. die Spenitformation, nad) Beobachtungen im Saͤch⸗ ſiſchen Erzgebirge. Zuerft beſtimmt der Verf. den beobachteten gandfirih, und handelt nun von dem Suͤdoͤſtlichen Theil defs felben,, namentlich von der Gegend zwifchen Königftein, Gott; landen, Lungwis und Kauſche, fodann von dem mittleren Theile, insbefondere von der Gegend zwiſchen Lungwitz, Srund, Lotzen und Kaufhe, und endlich von dem nordwefts lihen Theile, nämlich von der Gegend zwiſchen Grund, Doͤ⸗

460 Besgnofifche Gragmente von K. v. Raumer.

bein. Landen und Logen. Hierauf folgen Betrachtungen über Die Berbreitung des Syenits und Über das Verhaältniß der Openirformation zur zweyten Porphyrformation nnd dieſer Zormation zur Gchieferformation der Urzeit, Üben das Ber Halmif des Syenits zum Uebergangsgebirge mund über ähnliche Berhälmiffe in andern Gebirgen, weiche denen im öflidhen Erzgebirge analog icheinen, fo am Harze, im Thäringer Wald⸗ gebirge und im Gebirge an der Bergſtraße. Als beſonderer Abſchnitt erfcheinen die Fragmente eines Aufſatzes über dis Zıöggevirge. Hier ifl die Rede vom rohen Todes Liegenden, von Heims Zwifchenlagern, nom Mandelſtein und von der Bildung der Konglomerate. Erlänternde Anmerkungen, weldt als Noten gleich unter dem Terte, auf den fie füch beziehen, ihren ‘Pias hätten finden follen, befchließen das Ganze. Der beichräntte Raum diefer Blätter erlaube uns nicht, die Beobadytungen des Hrn. v. R. im Detail zu verfolgen,

nur bey zwehen, von demielben -aufgeftellten Hypotheſen se

fatten wir uns, ihrer vorzuͤglichen Wichtigkeit halber, zu ven weılen. Die eine betrifft feine Anſicht Über die Uebergange Furmation, die andere macht uns mit feiner Meynung übe die Natur des Sranites bekannt, welcher den Brocken bilde. Im oͤſtlichen Theile des Saͤchſiſchen Erzgebirges fand de Verf. mannigfaltige Verfchiedenheiten von Thonfchiefer , mit Lagern von Alaun » und Kiefelfchiefer, einem grauwacen ähnlichen Sefleine, Kalkſtein, Porphyr und einer gneus artigen Gebirgsare, an den, unmittelbar auf den Granit folgenden Gneus gleichfärmig gelagert. An diefe reiht ſich mit jüngerem Granite und manchen anderen untergeordneten &u gern. (Gneus, Porphyr u. f. w.) verſchiedentlich abwechſelnd Syenit. Auch hier bemerkt man gleihförmige Lagerung. Diele ‚Erfheinung war für uns, ungeachtet fie mir manchen frühere Beobachtungen, auf welche man eine von obiger ganz verſchit dene Anficht des Lagerungs : Verhältniffes der “Syenit : und Morphyr : Formation zu denen bes älteren Urgebirges begruͤnbet hatte, dennoch nicht fehr befremdend, wohl aber erfaunten wir Über die Nefultate, die Hr. v. R. darans ziehen wih, indem er &. fagt: „Wir fanden die Uebergangs-Ge— birgsarten nirgends in abweichender.oder abweichender

Geognoſtiſche Fragmente von K. v. Naumer. Abt

md Äbergreifender Lagerung auf den’ Urgebirgsarten, vielmehr Ääberall, wo wir das gegenfeitige Verhaͤltniß beyder ‚beobachten Tonnten , fahen wir jene in gleichförmiger Lagerung

auf diefe folgen. Da nun die gleichförmige Lagerung mehrerer.

Sebirgsarten auf einander, nach den Srundfägen der Werneris fhen Seoguofle , die ununterbrochene Folge der Momente ihrer Bildung beweif’t, fo flreiten diefe Beobachtungen gegen ' die Trennung des Uebergangs ; Gebirges vom Urgebirge, und ges gen die Annahme zweyer befonderer Epochen ihrer Bildung.“ Wir hätten folglich, nah des Verf. Behanptung, eine Zors mation weniger, indem die Ur- umd Uebergangs » Gebirge einer und derſelben Bildungs: Periode angehören follen. Ges gen diefe Anficht reitet indeſſen fo viel, Fine Fi uns unmögs (ih mit derfelben vereinigen können. betrachtet die zwiſchen dem Gneuſe älterer und dem 2. jüngerer Bil⸗ dung, und dem Syenite vorfommenden Lager als den aners tannten Lebergangs ; Gebirgslagern durchaus analog. - Allein diefer Sag ſcheint uns keineswegs erwiefen. Weder der LKalkſtein noch die Grauwacke tragen dies fuͤr die Gebirge der Ueber⸗ gangs Periode ſonſt fo bezeichnende Merkmal Verſteinerun⸗ gen. Es iſt keine Rede von ähter Grauwacke, die ſich hier "findet, fondern nur. von einem grauwadenähntlihen Seftein. Der Kiefel s und der Alaunichtefer können feinen evidenten Beweis führen, denn wir treffen bepde im Urgebirge, als ‚untergeordnete Lager des Lirtbonfchiefers, und unter aͤhn⸗ lichen Verhaͤltniſſen im Webergangsgebirge. Die beobachteten Lager s und gneusartigen Gefleine, welche fih, nad allen bie ber bekannt gewordenen Thatſachen, nicht mit dem Begriffe

vom tiebergangsgebirge vereinigen laffen, fcheinen uns, nebſt

dem. Sranite fpäterer Formation und dem Syenit, weit cher jüngfte Bildungen des Urgebirges zu ſeyn. In keinem Fafle aber, angenommen ſelbſt, daß der Verf. richtig gefehen und git.igere hätte, koͤnnen wir auf das einzelne und lofale Vor⸗ kommen eine allgemeine Regel begiänden. Im $ 8., wo von den Verhaͤltniſſen anderer Gegenden, welche denen im öftlichen Erzgebirge beobachteten analog fcheinen, die Nede if, ſagt Ar. v. R., man habe bisher angenommen, das Webers gangsgebirge liege manteiförmig um den Granit des Wrodens

462 Geognoſtiſche Fragmente von K. v. Raumer.

herum. Dieſer Annahme aber ſtehe das Fallen der GSebirgt— ſchichten entgegen , welche nicht, wie dies ſeyn mäÄßte, wäre jener Satz gegruͤndet, in W. weſtlich, in &. ſaͤdlich und in D. Sftlih, fondern, den von Lafino angeftellen Berbach tungen zu Folge, wenige Fälle ausgenommen, allegett nad) ©. und ©. D. fih fenten. Das Webergangs s C Schiefer: ) du Dirge bilder demnach keinen umlaufenden Schichtenmantel um den Brocken, alsum ein herausragendis Grundgebirge, der Granit beſtimmt das Fallen nicht, wie dies fen mäßte, wenn er dad Grundgebirge wäre, der Thonfchiefer fälle im Gegentheile im DM. W. vom Granite wieder zu, und ſonach bleibt, nad Hen. v. R. Dafürbatten, . mir die Alternative: den Granit des Brockens fänichr mächtige Lager in den Schiefern any feden, oder als Übergreifend und abweichend auf dem Schie fergebirge. Uns iſt nun. zwar bis jegt Leine Stelle am Hark bekannt geworden, wo ein volltommen deutliches Zw falten des Thonfchiefers und der Grauwacke gefänden wor den wäre; allein geſetzt auch, daß dies gefchehen ſeye, fh wird man doch wohl zu Folgerungen der Art, wie Kr. v. 8. fi erlaubte, nicht eher fich berschtigt glauben, als bis zugleich mie Gewißheit das Anfgelagertfeyn des Granites anf’ dem Schiefer dargethan ti. Ein weiterer Grund, welchen de Derf. für feine Hypotheſe aufführe, ift die Gleichfoͤrmigkei der Richtung der Schichten: Abfonderungen des Granites mit jenen der Grauwacke und des Thonfchiefers. Gegen bieft Behauptung Rreiten indeffen gleichfalls bewaͤhrte Beobachtun gen, welche wohl eine Abtheilung des Granits in Bänke, aber durchaus feine Steihförmigkeit der Richtungen der Schichten wahrnehmen ließen. Mithin können wir auch den Satz, daß der Sranit des Brodens ein mädhtiges Lay! im Thonfhiefers Gebirge ſey, nicht für erwieſen I trachten.

L. C. S.

Memorabilien der Heilkunde, Staatsarzneiwiſſenſchaft und Thierhei⸗ | funk. Herausgegeben von 3. 3. Ka uſch, Doctor der Arne Funk, - Magifter der Weltweißheit, Resierungs s und Medirinl:

Memorabflien der Hellfimbde ır. von J. J. Kauſch. 463

rathe bei der königl. preußiihen Zignigifhen Regierung von Schleſien, gractifchem Arzte zu Lignig, Mitgliede der gelehrten Geſellſchaften zu Erlangen , Erfurt und Bredlau. Erfted Bänd- chen. Mit ı Kupfer. Zuͤllichau, in der Darnmannifden Buch handlung. 1813. XXVI und 250 ©. in 8.

Der ſchon duch mehrere Werke ruͤhmlichſt befannte Kr, Verf. eröffnet mir diefem erſten Bande eine in zwangloſen Heften nach und nach erfheinende Bekanntmachung merkwuͤr⸗ diger, aus dem geſammten Gebiete der practiihen Heilkunde berfiammender Beobachtungen und Erfahrungen, zu deren Sammlung ihm fein Amt als Regierungs » und Medicinats rath der koͤniglich Preußischen Lignitziſchen Megierung von Schlefien die trefflichſte Gelegenheit darbieter. Alles Merk wärdige nämlich, was in den ſechzehn Kreifen des Lignisifchen Regierungs s Departements bey einer Menſchenzahl von mehr als ſechsmal handerttauſend Seelen in allen Zweigen des Me dicinalwelens aus den Händen von mehr als fiebenzig Aerzten und einigen hundert Wundaͤrzten entweder durdy die angeords neten Ganitätsverichte, oder aud auf andern Wegen zum Vorſchein kommt, gelange zu feiner Wiffenihaft, und feet ihn auf foiche Weile bey dem ungemeinen Reichthum und der vietverfprehenden Ergiebigkeit dieſer Quelle in den Stand, uns von Zeit zu Zeit eine Auswahl jener für unfere Kunft fo viel veriprechenden Schäße mitzutheilen, die dann bey der befannten Sachkenntniß des Herrn Verfaffers uns eine reiche Herndte an neuen und fhäßbaren Kenntniffen verfpricht, welche nah dem Verſprechen des Herrn Verf. noch durch anderweitige Anfiäße Über Gegenflände der anf dem Titel genannten Faͤchet vermehrt werden foll.

Der Herr Verf. iſt einer von den Maͤnnern, welche zum Beſten der guten Sache dem in unſern Tagen einerſeits durch den roheſten Emptrismus, andrerſeits durch ſublime Specular tion und ſinnloſen Myſticismus ſo ſehr beleidigten Geiſte aͤcht rationeller Empirie, als dem einzig ſichern Wege aller Heil—⸗ kunde, mit feſtem Character treu geblieben ſind, und dieſer Geiſt iſt von ihm auf fein Werk übergegangen, weichem fos mit reine Erfahrung und Beobachtung zum Grunde gelegt ift,

t

Abk Memorabiiien der Heiltuebe ıc. von J. J. Kauſch.

von weichem. alle bloß im die theoretifche Heilkunde einfhla

genden Gegenſtaͤnde ausgeichloffen find, und weiches mithin vorzugsweiſe für den practifhen Heilkuͤnſtler geeigner iſt, die fem aber wegen der Wichtigkeit der darin enthaltenen Aufı

fäge und der edeln prunklofen deutlihen Einfachheit der Schreib

art in jeder Nückfihe empfohlen werden kann.

Der vorliegende erfie Theil enchält Folgende Auffäge: |

ı) Ein für unheildar erflärter Beinfraß mit hectiſchem Zieber, ben welchem die Operation des Gliedes als einziger Ausweg

erklärt worden, gluͤcklich ohne dieſelbe geheilt. a) Ein fa

allgemeiner Beinfraß bey einem Mädchen, bey welchem dus eine carioͤſe Schläflelbein ausgefhworen und von der Nalur wieder erfegt worden. 5) Gefchichte und Heilung eines Dpi fihotonus. 4) Heilung einer Fractura cranii ohne Teepanas tion. und ohne Wegnahme des abgebrochenen Knochenſtuͤck. 5) Erfahrangen über den Gebrauch des Arſeniks gegen Wehr feiieber. 6) Weber die Wirkſamkeit der Flinsberger Mineralt quelle in Schleſien. 7) Weber die vorzägliche Wirkſamkeit ‚der Arnicablumen bey einer Brufterfchätterung. 8) Eine Gradi pperation. 9) Leber eine Pfeudoorganifation des Darmkanalt 30) Geſchichte der Rinderpeſt im Herbſte 1311. im Lignitzi ſchen Regierungsdepartement. 11) Leber die Schaͤdlichkeit des Waſfſers Der kupfernen Ofentoͤpſe. 11) Krankengeſchichte eins Wahnſinnigen, welcher zweymal durch Mercurialpraͤparate ge heilt wurde. 13) Gutachten Über einen gewiſſen Gemuͤther zuſtand bey einem Manne. 14) Ein Todesfall auf eine ſehr geringe Veranlaffung. 15) Weber Frühlingsturen und einige herrfchende Fehler und Worurtheile bey Brunnen und Bade anftalten. 16) Aeußerſt merfwärdiger Verlauf einer Milzbrand⸗

agizootie. 17) Ueber die Urſache und Maskirung rheumatiſcher |

Krankheiten.

An diefe größern Aufläge ſchließt ſich noch eine kleine '

Sammlung practifcher Miscellen von nicht minderer Wichtig keit an.

EEE EEE

No. 30. Heidelbergifhe 4813. Jahrbuͤcher der Litteratur.

IST RT TS LE IR

1) Handbuch ‚der Mineralogie von C. U. ©. Hoffmann. Erſter Bond. XXIV und 685 &. Zweyten Banded erfte Abtheilung. 382 ©. Sreiberg, bei Eraz und Gerlach. 1811 und 1812. 8.

2) Dad Minerafreid. Ein Handbuch für die Hörer (I? !!) der BHilofophie. Von Reginald Kneifl aus den frommen Schu⸗ fen, Profeffor der Zoologie und Mineralogie an der K. K. Thes refianifhen NRitterafademie. Erfter Band. IV und 362. 3m. Band 327 ©. Wien, bei Geiftinger. ıgır. 8.

3) Handbuch der Mineralogie. Bon Dr. I. W. Blanf, Großher⸗ zoglichem geiſtlichem Rathe und Profeffor der Philofophie und Narurgefchichte. Würzburg, bei Nitribir. 1811. 596 ©. 8.

4) Lehrbuch der Mineralogie mit Beziehung auf Technologie und Epos graphie (,) für Schulen und den Brivatunterriht, von I. & ©: Meinede. Halle, bei Hemmerde und Schwetſchke. 1808. xIV ud 286 8 Ka

5) Erkenntnißlehre der anorganifhen Naturförper. Mit Hinficht auf die neueſten Entdeckungen und Berichtigungen und mit fleter Ans wendung auf dad ‚bürgerliche Leben. Kür den Seibſtunterricht bearbeitet (,) nebft einem Verſuche zu einer vergleichenden Mis nerafogie (,) von Dr. 3%. ©. Lenz, Bergrath und Profeffor der Mineralogie. Erfter Band und zweyten Bandes erfter Abs ſchnitt. XII und 534 S. Zmepter Band, zwepter bis neunter Abſchnitt. 606 S. Gießen in Heflen, bei G. Muͤller. 1813.

6) Lehrbuch der Mineralogie in kurzem Auszug der neueren minera⸗ logiſchen Spſteme, zum Gebrauch akademiſcher Vorleſungen und Errichtung mineralogiſcher Sammlungen (,) von E. J. Ch. Es⸗ per. Erlangen bei Palm. 1810. VIII und 510 S. 8.

N. Ausbeute der letzteren Meſſen an mineralogifhen Hand⸗ und Lehrbuͤchern war fo bedeutend, daß wir, bey dem bes: ſchraͤnkten Raume, dieſer Blätter, uns veranlaßt finden, die Anzeige mehrerer derfelben mit einander -zu verbinden.

Unter den vorliegenden Schriften verdient ohne Zweifel Fr. 1. die meifte Aufmerkſamkeit. Hr. Hoffmann, Inſpec⸗ tor bey der Freyberger Mineralien s Niederlage, und befannt 30

466 Mineralogifche Handbücher von Hoffmann ır.

durch das feit 1803 eingegangene Bergmaͤnniſche Journal, deffen. Mitherausgeber er war, wermißte bey der zahlreichen Drenge mineralogficher Lehrblicher eines, in weichen des vers dienftoollen Werners Methode in Ihrer ganzen Reinheit Dargeftellt würde, das keine Zufäße und Angaben aus anderen Werken (auf die der Verf. im Allgemeinen keinen, oder nur einen ſehr geringen Werch gu legen für gut findet) ent hält, aus welchem alle ſchwankende, nur nah einem flüchs tigen Ueberblicke obenhin entworfene Beſtimmungen mit Sorgs fele werbanne wären. Er übernahm das gewiß verbienftliche Berk, diefe Aufgabe zu Idfen, eine Sache, die, im Vorbey⸗ gehen geſagt, für ihn mit weniger Schwierigkeiten verknäpft war, als für jeden andern Schriftfieller, da wir vorausfegen dürfen, daß der Verf. dem mittheilenden Berner, deſſen Dictate er benußte, feine zuſammengetragenen Materialien ftets zur präfenden Durchfiht vorgelegt haben wird. Unter ſolchen Aufpicien leidet es durchaus feinen Zweifel, daß Kr. H. etwas Selungenes liefern konnte. Auch verfihert er, daß er mit der angefirengteften Mühe geftrebt habe, um Wer: ners Angsben und Bellimmungen welche flets den Stempel

der hoͤchſten Conſequenz und Genauigkeit tragen, und auf wies derholte forgfältige Beobachtungen ſich gründen, rein und ger

fihter von allen fremdartigen Zufägen zu erhalten, von deren Nichtigkeit er nicht vollkommen uͤberzeugt war, alles neu Hims zugekammene mit der firengfien Kritik gu pröfen, und fid immer duch Autopfie von der Wahrheit aller von ihm aufge führten Beflimmungen zu verfihern und nichts aufzunehmen, was nur in irgend einer Hinſicht zweifelhaft fchien. Mit der leßteren Behauptung fleht freylich Die unmittelbar darauf fols gende Aeuferung in einigem Widerfpruche, indem Hr. H. es bedauert, daß er bey jenem Geſchaͤft fehr den Befig einer eigenen Sammlung vermißt habe und gendthiget gewefen fey, ſich theils mit feinen früheren Beobachtungen (alfo aus der Erinnerung ), theils mit dem nichts weniger als volfländigen akademiſchen Eabinette zu begnügen. Dabey rühme er jedoch

zugleich die Willfährigkeie der Beſitzer der verfchiedenen Frey⸗ berger Privatſammlungen, welche ihm den Gebrauch derſelben verſtattet. Sehr auffallend war es uns, daß Kr. H. gar

Mineralogiſche Handbücher yon Hoffmaun &. 467

nichts uͤber Werner's trefflihe Sammlung ſagt. Gollte ihm ber Gebrauch derſelben (zumal zu dieſem Zwecke, welcher doch nethwendig für den grofen Mann Intereſſe haben mußte, da von richtiger Verbreitung feiner Anfichten die Rede if) nicht frey geftanden haben? Hier mäÄßten ſich dem Verf. die beften, ja mitunter vielleicht einzigen Mittel gu neuen Beobachtungen dargeboten haben. Außer dem erwähnten Zwecke hatte der Verf. zugleich Die Abfihe, dem größern Publikum ein brauche bares Hälfsmittel zum Selbſtſtudium der Mineralogie «in die Hände zu liefern. Was das letztere betrifft, fo möchten wie faft zweifeln, daß, bey dem theuern Preife, den das Bud ‚wegen ber vielen noch folgenden Bände erhalten muß, daffelde in viele Hände kommen werde.

Der erfie Band des Hoffmannfhen Handbuches ums faßt übrigens, nad) einer allgemeinen Einteitung, die Kennzei⸗ hen s Lehre und die Grundſaͤtze der oryktognoſtiſchen Eiaffificas tion und Nomenclatur der Foſſilien. Bey dem Abfchnitte von den regelmäßigen äußeren Geſtalten finder fi) ein Anhang über die Methode Hauͤh's, über deſſen Vezeichnungsart und Nomenclatur der Kruftalle u. f. w.

Was den applicativen Theil der Oryktognoſie betrifft, fo hat Hr. H. die Gattungen fo auf einander folgen lafien, wie fothe von Arn. Werner in dem neuefteften Entwurfe feines Syſtems geordnet worden. Wir werden, mit Rüdiiht auf das 1805 bey Mayr in Salzburg erfchienene und darauf in Leonhard’s Taſchenbuch für die Mineralogie 5. Band ©, 861 u. f. mit den damals neueften Veränderungen befannt ges machte Werner'ſche Syſtem, eine gebrängte Weberfiht der wichtigften Aenderungen ausheben.

Nach dem Augit folgs der Diopfid als Gattung, dann tommen Beluvian, Sroffular, Leuzit u. f. w. Der Automolit it nach dem Pirop eingeordnet, an diefen reihen fih Zeilanit, Spinell u. f. w. Auf den Demanthipath folgen Topas, Jo— lich, Euklas u. f. w. Der Beril und der fchörlartige Beril find nicht mehr Arten einer Gattung, ſondern jeder macht eine eigene Gattung aus. Der Piftazie, welcher vordem feine Stelle zwifhen dem Augit und Veſuvian einnahm, erfcheint jege nach dem Schörl, dann kommen Zoiſit, Authophyllit (in

465 RNincralogiſche Handbücher von Hoffmann ıc.

zwey Arten, firabliger und Slätteriger U. abgerheilt), Ask nie n. fe w. Da dem Zeuerfleine finden wir Krifopras, Plasma, Heliotrop, Kalzeden n. {. w. Die Gattung des Menitits iR in zwey Arten, brauner und grauer Denilit, ads gerheilt. Der Fettſtein ſicht zwifchen Opatjespie und Katzen⸗ auge, anf biefen folgt eine neue Gattung, Baferfiefel, nad Berner ein inniges Gemenge von Auarz und asbeſtartigem Tremolithe, welches Ach durch Farbe, Bruch, Bruchſtücke, Grad der Duschicheinenheit und den katzenaugenartigen Schein, fo wie dur die Schwere ganz vorzüglich charakterifirt. Hier⸗ auf Obfidian m. f. w. Mach dem Lazulie folge Blauſpath, dann Andalufit, Feldſpath ( unter den Arten deſſelben bemers ten wir auch den glafigen Feldſpath). Der Bariolit macht sine Unterart des dichten Zeldfpathes aus. Ferner Spodumen, Skapolith (in zwey Arten grauer und rother getheile), Ich⸗ thyophthalen ( Apophyllite), Majonit, Mephelin und Eis ſpath. Als Nachtrag folgen am Schluſſe der erſten Abtheilung des zweyten Bandes ſo weit iſt das Werk bis jetzt erſchie⸗ nen einige neue Gattungen des Kieſelgeſchlechtes, Pyreneit (zwifchen Leuzit und Melanit), Kolophonit (zwiſchen Allo⸗ chroit und Granat) und Lievrit (Yenit, zwiſchen Schoͤrl und Piſtazit), welche von Werner in feinem letzten oryktognoſti⸗ ſchen Lehrkurſe 18148312 vorgetragen und in das Syſtem aufı genommen wurden. |

KHinfihtlih der genauen Einrichtung des appiicativen Theis les ſelbſt bemerfen wir, daß bey jeder Gattung zuerſt die Erpmologie der Benennung entwicdelt ift, auf diefe folge dis ausführlichere äußere Charakteriſtik, an deren Schluſſe flet# eine fehr zweckmaͤßig verfaßte, gedrängte fummariiche Leber ſicht der weſentlichſten und unterjcheidendften Kennzeichen jeder Gattung und Art zu finden if, dann die phyſikaliſchen nad chemifhen Merkmale, zuletzt allgemeine Bemerkungen über die geognoftifchen Verhaͤltniſſe der Foſſilien. Die geograzhis fhen Notizen und die litterärifchen Nachweiſungen find, im Ganzen. ziemlich fpärlich auegefallen. Dagegen hat der Berf., was ung, bey einem Handbuche, deſſen Hauptzwed if, Wer⸗ ner’s Wethode in ihrer ganzen Reinheit darzuftellen, durds aus unzweckmaͤßig ſcheint, die Lehre von dem Gebrauche ber

Mineralogifche Handbücher von Hoffmann ꝛc. 469

Zofflien mit seiner großen Ausführlichkeit behandelt. Ueber⸗ haupt Tann, nad, unferem Dafürbelten, bey einer wahrhaft ſyſtematiſchen Abtheilung der Weineralogie, die oͤkonomiſche Mineralogie eben jo wenig eine Stelle finden, als z. ©. die Gaͤrtnerey in einem Lehrbuche der Botanik abgehandelt werden darf. Die Lehre von dem Gebrauche der Foffilien gehört aus⸗ fhließlih in das Gebiet der Technotegie und Dekonomie, und es fiehe wahrhaft poifierlih aus, wenn man, wie z. ©. in dem vorliegenden Werke ©. 49 Il. Bandes, einen tabellaris ſchen (7) Gebrauchszettel vom Quarze finder! Auch willen wie nicht, wie die Aeußerung des Hrn. H. (Vorr. ©. XIX), daß außer Völker's Handbuch der Hkonomifch s technifchen Mineralogie kein anderes Werk eriftire, welches, diefen Gegen» fand mit einiger Ausführlichleit behandle, zu deuten iſt. Aus welhem Grunde übergeht er Schmieder's Lirhursil. Ein. Bud, welches eben fo gut, wo nict beſſer, als Voͤlker's Handbuch ift, und in jedem Zalle exiſtirt, denn es ift befannts lich im Jahre 1803 bey Cruſtus in Leipzig gedruckt ‚worden, Fuͤr Unkenntniß der mineralogifchen Litteratur dürfen wir jene Arußerung wohl niche gelten laſſen, fie muß alfe Animofität gegen Sch mieder feinen.

So weit unfere Anficht über Mr. ı., dem mir übrigens ein gefchmackvolleres Aeußere wuͤnſchten.

Wir kommen nun zu den Abrigen Schriften, ben. wie wir weniger zu verweilen gefonnen find.

Was Nr. 2. betrifft, fo ift dies eine erbärmliche, auf Loͤſchpapier abgedruckte Kompilation, vor deren Ankauf wir jeden Freund der mineralogifchen Litteratur hiermit beſtens ges warnt haben wollen. Um nur Erwas zum Beleg des Geſag⸗ ten anzuführen, denn es wäre eine Verſchwendung von Tinte und Vapier, wollten wir über das Ganze ausführlich Handeln, entlehnen mir folgende Stelle aus der fehr dürftigen Vorrede. „Allein bey diefem Verſuche,“ ſagt der Hr. Prof. Kneifl, „befonders da er zum Schulunterricht beftimme iſt, kommt es uf ein feſt gegründetes Syſtem an, welches wir bisher vers nißten (man denke!) und defien Mangel dlieſes Stu— yium nicht wenig erfchwerte. Diefes Syſtem fann meines Erachtens fo wie bey der Zoologie (?TT!!).— nur .auf

470 Mineralogifche Handbücher von Hoffmann ıc.

auf immeren alfo auch Bier bey Unorganiſchen nut auf chemifchen Srundfägen berufen.“ Welche herrliche Foriſchritte muͤſſen die Hörer der Philoſophie umter Her Kneifis einſichtsvoller Leitung in der Mineralogie machen!

Nr. 3. und 4. find, ihrer Mittelmaͤßigkeit umgeachtet, doch zum Unterricht in Schulen, zumal wenn der Lehrer gu hoͤrig abs und zuzugeben weiß, nicht gang unbrauchbar. Nr.b. it, wie wir auch aus der Vorrede erfahren, nichts als ein Auszug aus der ſyſtematiſchen Weberfiht der Herren Leon hard, Merz und Kopp.

Beffer als die vorhergehenden und nad Nr. 1. unter den oben angeführten Lehrbüchern das vorzuͤglichſte, ift Nr. 5. die Erkenntnißlehre der anorganifchen Naturkoͤrper. Hr, Lenz, der, Seit einer Neihe von Jahren fchon, mit warmem Eifer und einer lobenswerchen Regſamkeit für die Verbreitung ded minerafogifhen Wiſſens wirkt, und namentlich durch die Srin dung der Societaͤt zu Siena ſich ein bleibendes Verdienſt en worden hat, beſtimmt dies Werk zunächft für feine Lehrſtunden. Dos Wernerifche Syſtem liegt dabey zum Grunde, und das. Ganze ſoll aus fünf Bänden beſtehen, wovon’ der erf nad) einer kurzen Einleitung den präparativen Theil, oder dad Syſtem der äußeren. Kennzeichen, die Zirkon s und Kiel Drdnung umfaßt. Im wweyten Bande finden -mir die übrigen Erb s und Steinarten, nebft den Salzen und Inflammabilien abgehandelt und zugleich ein Regiſter Aber die beyden Bände, weiches wohl zweckmaͤßiger den Beſchluß des ganzen Werke gemacht hätte, da die Eintichtung, welche der Verf. wählt, Bingegen zu zweyhfachem Nachſchlagen in vielen Faͤtken Anlaß geben muß. Fuͤr den dritten Band find die Metalle, fir en vierten «die vergleichende Mineratogte und für dem fünften die Gebirgsarten beflimmt. Wir werden feiner Zeit darauf juräd fommen. L. C. S.

Denkwuͤrdigkeiten, Charakterzuͤge und Anekdoten aus dem Leben det vorzuͤglichſten deutſchen Dichter und Proſaiſten. Herausgegeben von Karl Heinrich Joͤrdens Erſter Band. XVI und

Dentwärdigkeiten rc. von K. H. Jordens. 471

364 S. Zweiter Band. VIII und 380 S. Leipzig, bei Kummer.

1812. 8

Hr. 3. fah fih „bey der Bearbeitung des Lexikons Deuts fher Dichter und Profaiften genoͤthigt, alles, was nur über diefe Schriftfteller in biographifcher oder Litterarifcher Ruͤckſicht gefchrieden und ihm zugänglich mar, durchzulefen. Da konnte es, wie er fortfähre, nicht fehlen, Daß ihm auf diefem Wege manche intereffante Merkwuͤrdigkeit, mancher treffliche Charaks terug, manche angenehme und wißige Anekdote aus dem Les ben derfelben entgegen kam, deren Wiedererzählung ſich indeffen nicht für das Lexikon eignete; obwohl er auch da’ ſchon, um die Trockenheit der Lexikons-Lectuͤre aufzuheitern, fih hin und wieder einiges davon eingumifchen erlaubte. Es fchien ihm aber eine befondre Sammlung folder Denkwuͤrdigkeiten, Charakterzuͤge und Anekdoten für das gebildetere Publikum nicht ohne Unterhaltung und Nutzen zu feyn.“

.. Wir Haben einigemal des Lexikons Deutfcher Dichter und Profaiften in unfern. Jahrbüchern nach Werdienft erwähnt, bes dauern jedoch, Hier offenherzig geftehen zu müffen, daß wir mit dem Plane und der Ausführung diefer Denkwuͤrdigkeiten ıc. nicht fonderlich zufrieden feyn können. Kr. J. fänat immer mehr an, zu fehr den bloßen Sammler ohne beftimmiten Plan zu machen. Mas ihm von einem nur einigermaßen befannten Manne in die Hände fällt, wird fogleich der einen oder ans dern Sammlung einverleibt, bald darauf findet er noch etwas anders, und dies gibt denn fogleich wieder Nachtraͤge, und fd ift niche eher ein Ende diefer Sammlungen abzufehen, als bie der Verleger es feinem Intereſſe angemeffener finder, fie zu - fchließen. Ein Werk, welches nur die trefflichiten Deutfchen Dichter und Profaiften aufftellte, ihre Hauptlebensumſtaͤnde erzählte, ihren Charakter fcharf auffaßte und ihre Schriften mit Genauigkeit verzeichnete, und das fih auf eine kleinere Anzahl von Bänden befchränfte, wuͤrde ung weit willfommener ſeyn, als diefe ganz ins Unbeſtimmte gehende Doppelreihe von Bänden, wo des Unbedentenden fo viel vorfommt und Mies derholungen gang unvermeidlich find. Beym Schluß des gans zen Werkes möchte denn immer ein Supplementband folgen,

ia

472 Denulwuͤrdigkeiten ic. von R. H. ZFördent.

der fih aber nur auf wichtige and bedeutende Nachtraͤge ers firecden und alles gu fehr ans Kieinliche gränzende entfernen mößte. Wenn aud von einem folhen Werke nur alle zw oder drey Jahre ein Band erichiene, fo würden die Lefer an Inhalt gewinnen, was fie allenfalls an Umfang einbüßten. Diefer Erinnerungen ungeachtet, leugnen wir nicht, daß auch das vorliegende Wert manchen interzffanten Charakterzug,

manchen finn s und geiftvollen Gedanken eines achtungswerrhen

Mannes aufbewahrt habe: nur kommt des Minderbedeutenden zu viel dagwifchen vor. Was Hrn. J. in Gedaͤchtnißſchriften, Journalen, Anekdoten: Sammlungen u. f. w. von einem be fannt gewordenen Manne aufitieß, wird bier mitgerheilt, und aud) einige ZÄge verdankt er fchriftlichen Deittheitungen. Schon die Namen der hier aufgeführten Perfonen laſſen vermuthen, daß man auf manche intereffante Züge floßen werde, und fohat es Rec. auch wirklich gefunden. Im erſten Bande kommen folgende Artikel vor: Jod. Jak. Engel.. Unter mehreren Anekdoten mag bier folgende ſtehen: „Engel war einft ba dem verfiorbenen Fuͤrſten S. zur Tafel geladen. Bey Tiſche kam unter andern auch die Nede anf den berühmten Belt umfegler Cook, und daß er bey feinen Entdeckungsreiſen fein Leben habe einbäßen muͤſſen. Engel führte darüber haupt fählih das Wort. Auf einmal fragte ihn der Zärft um doch auch fich mie in den Discours zu mifhen „kam Cost auf feiner erften Meife um’s Leben, Kerr Profeffor?“ „Ich glaube, ja!“ erwiederte Engel, „doch machte er ſich nicht viel daraus, und trat bald die zweyte an.“ Salomoun Geßner. Hier kommen einige nicht unintereffante Zäge vor, die Geßners feinen Take für das Läcerliche und fein vor züglihes Talent zu komiſch-⸗ grotester Darftellung bewaͤhren, wovon er in jüngern Jahren und im gefchloffenen Zirkeln bis weiten Gebrauch machte. Joh. Sam Papke Abt Gotth. Käftner. Gottl. Wild. Bürmann. Von dis fem armen, aber immer frohen Dichter werden ein Paar Ge dichte in extenso eingerädt. Joh. Ehre. Rof. Job Peter Uz. Gottl. Wilh. Rabener. Hier eine Mein Ane:dote von ihm. „NR. hatte jemanden den Titel Hoc⸗ wohlgeborner araeben, und befam Wohledier juruͤd;

Denlwuͤrdigkeiten ze. von K. 9. Zördens. 473

er gab ihm Hierauf Wohlgeborner, und befam Edler dafuͤr; auf fein nunmehriges Geborner follte er verflage werden, wußte aber feinen Eorreipondenten zu bedeuten, daß ein Geborner einen Mann von Geburt anzeige, und ihn eben dadurcd von allen unedlen Geſchoͤpfen, die nicht geboren, fondern geheckt, geworfen, gefafelt, geſetzt, gebracht oder ges ſchuͤttelt würden, unterfheide.* Martin Lurcher. Wenn . gleich die meiften der hier aufgeftellten Züge von Eucher ſchon befannt find, fo gewährte doch deren Zufammenftelung viel Vergnägen, und man lerne Luthern daraus auch als Mens fhen Hochihägen. Sehr intereffanet find auch des großen Res formator8 Aeußerungen Über den Geift einer aͤchten Bibel⸗ Ueberfeßung, 8. 149.180. Man fließt daraus, daß Luther ängfiliche Spibenzählerey und ſtlaviſche Wörter s Liebertragung von aͤchter Dolmetſchung und Auffeffung des Geiftes gar wohl zu unterfcheiden wußte. Hier ehe nur eine kräftige Stelle: „Wenn Chriſtus fprihe: Ex -abundantia cordis etc. und ich fol dolmetſchen: Aus dem Weberfluß des Herzens redet der Mund ; fage mir, ift das Deutſch geredet? So wenig, als Ueberfluß des Kachelofens, fondern alfo redet die Mutter im Haufe und der gemeine Mann auf dem Markte, dem du auf das Maut fehen fol: Web das Herz voll iſt x. Stem, da der Engel Marien größer, Waria voll Gnaden; wo redet der der Deutſche Mann fo? Er muß denken an ein Faß vol Bier, oder Beutel voll Geldes. Darum hab’ ichs verdeutſcht: Dun Holdfelige! Und Hätte ich das befte Deutſch follen nehmen, fo hätt ich alſo verdeutſchen muͤſſen: Gott grüße dich, du liebe Maria! Denn fo viel will der Engel fagen, und fo würde er geredee haben, wenn er hätte wollen fie Deutſch grüßen“ u. f. w. Ulrih von Hutten. Nur ein Maar fcherzhafte Anekdoten von diefem großen Manne! Joh. Wild. Ludwig Gleim. Hier finder man viele intereffante Sharafterzäge zuſammengeſtellt. Doch möchte man bie und da mehr Ordnung in der Zufammenftellung wuͤnſchen. Nachdem ſchon Gleims Leben ats Hauslehrer, Gecretär, feine vers traute Freundſchaft mie Kleift u. f. w. erwähnt worden iſt, folgen einige Züge aus feinem Univerfitätsieben. Aune Louiſe Karſchin. Ihe Leben wird, nad den vorhandenen Water

474 Denkwuͤrdigkeiten ꝛc. von K. H. Joͤrdens.

rialien, ausfuͤhrlich erzaͤhlt. Ewald Chriſtian v. Kleiſt. Wenn gleich das Meiſte von dem hier Geſagten ſchon bekannt war, fo liefet man es doch immer wieder mit neuer Theil nahme. Konrad Arnoid Schmid. Nur ein Paar Züge von Shmids Gutmuͤthigkeit. Ludw. Heinrich Chrph. Hoͤlty. Hier tft, wie billig, Voſſens trefflihe Biographie von Hölty auf das treulichfte benußt worden. Gottfried Auguft Bürger. Die wichtigften Lebensumftänte und Char raftergüge von diefem, von dem Rec. gelannten und geliebten herrlichen Balladen » Dichter find aus den bekannten Quellen recht gut zuſammengeſtellt, auch ift die legte, unglüͤckliche His rathsgefchichte deſſelben ausführlich erzählt worden. Joh. Matth. Dreyer. Ein Paar Anekdoten von diefem nidt unmwichtigen Kopfe. Paul Meliffus. Nur ein Paar Wort Aber diefen, 1600 als Bibliothekar zu Heidelberg geftorbenen Dieter, der eigentlih Schede oder Schedius hieß, und ein, nah den Marthiffonfhen Veränderungen abgedruck tes Gedicht deffelden. Da es hier darum zu thun mar, den Dichter in feiner ganzen Eigenthuͤmlichkeit kennen zu lernen, fo hätte fchieflicher der unveränderte Originaltext dieſes füßen Liedes, den man in der Sammlung der Zürcherifchen Streit ſchriften zur Verbefferung des Deutfchen Geſchmacks wider die Gottſchediſche Schufe 3. Bd. g. St. finder, mitgerheift werben follen. | | Im zweyten Bande kommen folgende Artikel vor: Gott; hohd Ephraim Leffing. Man finder Hier alleriey, zum Theil vecht intereffante Nachrichten Über Leſſing aneinander ge reiht. Manchmal fehle jedoch der innere Zufammenhang; auf Widerſpruͤche finden fih. So heißt es S. 8: „Leidenihaft war feine Spielfucht gewiß nicht.“ (Der Ausdruc tft auch nicht gut gewählt.) „Dan kann bloß-fagen, daf er fi) ohne rehtn Spielgeift zuweilen in ein zu hohes Spiel einließ.“ Dagegen heißt e8 ©. 25: „Sein liebſtes Spiel war Farao, das ei nen ganzen Reiz vom ‚hohen Gewinn zu haben fcheint, und & fpielte es mit ſtarker Leidenfhaft.“ „Reffing felhft ſagte, Daß er nicht mit dem Spiel fpiele, fondern mit dem Spiel Beinen Scherz treibe.“ Mofes Mendeldfohn. Neues fand Rec. hier-nicht, aber alle hier gefammelten Charakterzuͤge ſtellen

Denkwuͤrdigkeiten 1. von K. H. Joͤrdens. 475

den lichenswürdigen Weiſen in einem vortheilhaften Lichte dar. Smmanuel Kant. Der 9. fand hier viele Vorarbeit. Was er Hier aus den verichiedenen Nachrichten zufammen reihte, macht uns den tiefen Denker auch als edlen Menfhen, wisis den Ropf und geiftreihen Geſellſchaſter achtungsmwerth. Daß Kant, der fo hohen Sinn für Poeſie Hatte, auch ſelbſt Verfe gemacht babe, ift nicht fo allgemein befannt. Wir rücen dar her das von Hrn. J. &. 119 mitgetheilte, von Kant auf den im J. 1780 in Königsberg verflorbenen Kriegsrath und Profeffov der R. D. 2’ Eſtocq verfertigte Epigramm hier ein:

Der Weltlauf fchildert fich fo jedem Auge ab,

Wie ihn der Spiegel malt, den die Natur ihm gab.

Dem fcheintd ein Baufelfpiel zum Lachen, dem zum Weinen, Der lebt nur zum Genuß , der andre nur zum Gcheinen, Gleich blinde Thorheit gaft einander fpörtifch an.

Wird eine Regel nur dem Herzen nicht entriffen:: | Sep menſchlich, redlich, treu und ſchuldfrey im Gemiffen! (So lautet L Eſtoc q's Lob!) das andre ift nur Spiel: Denn Menſch und weile ſeyn, it Sterblichen zu viel!

Sriedrih Gedike. Den größten Theil diefes Auflages nehmen Briefe Gedike's an feine Geliebte ein, die nyr nad) vielen überwundenen Hinderniſſen feine Gattin wurde. Chris ſtian Sriedrih Daniel Schubart. Manches von dem hier Meitgetheilten hat ung Herr J. ſchon mit denfelben Worten in feinem Leriton Deutfcher Dichter und Proſaiſten zum Beſten gegeben. Solche Wiederholungen waren bey dem nicht ganz feſten Plane des Verf. unvermeidlich. Georg Chriſtoph Lichtenberg. Auch in dieſen nicht uninters eſſanten Zuſammenſtellungen fehlt es nicht an einzelnen Wieders holungen aus dem früheren Werke des Hrn. 3. : Die drey Wisipiele mit Wäitz und ſpitz findet man auch ‚hier wieder abgedruckt. Aber was der ganze wörtliche Abdruck des Gedichte auf die. ſchwimmenden Batterien im J. 1782 in dieſer Thas rakteriſtik fol, fehen wir nicht ein. Manche wisige Einfälle Lichtenbergs find dagegen ihrer Stelle würdig. Johann Karl Auguft Mufäus. Ueber diefen wackern Mann möhte man gerne noch mehr leien, als man hier finder. Ein ihwas ches Urtheil des Hrn. J. finde ih S. 283: „Wenn wir auh der Phyfiognomtif des fchwärmeriihen Lavater fonft nicht viel verdanken, fo ift das Verdienſt doch groß ges mug, die phyftognomifhen Reiſen (von Mufäus) verartlafit zu haben.“ Kenner haben über Lavaters Wert kangft ein ganz anderes Urtheil gefällt! Schön und herzlich fiud Herders Worte bey Mufäus Tode, ©. 2d8— 292.

484 ‚Bugabe. su den-Werken dets Wandebecker Veten.

and wenn dies eine Eigenheit aller guten Humoriſten if, fi gebährt ihm gewiß vorzhglich das Lab dee Ungeſuchten um des Gehaltvollen feines duschbligenden Ernſtes. Beine har moniſche Decke. ſcheint manchmal Klänge ans höheren Gphärs ya vernehmen, und will fie nachfingen in wehmuthereicha Liedern, wie in dem bekannten bey dem Grabe feines Bat (.Friede fey um diefen Srabftein her“ ), einem der zärtlich ſten und zaͤrteſten, die in irgend einer Sprache gedichte fa: und mird bamm, wieder zerriffen von dem Schariwari di Außenwelt, den’ Re zur Entſchaͤdigung und jedermänniglidm Beſſerung in Pofſen nachwirbelt. Als Repräfentant der Den ‚ben Nawetät gefällt er ſich befonders in der Kinderſtube, I findlihen Feſten denn er ift ſelbſt ein fehr lichenswärdign, ſehr kluges Rind, ein großer Unmandiger im Thun m Treiben des ehrlichen Landmanns, den er auch wohl wii lich idealiſirt, ums ſalſche ‚Größe: Beifer zu befchämen, und U ‚Beichnung aller Charaktere, die zu den. Söhnen und Tuͤchten Bei Unſchuld und Natur gehören. Ueber dieſem Allen adtt ſqhwebt der Geiſt Der Religion, oder vielmehr des Chriſtenthum and er auf: deffen Firigen. In ihm findet er den eigentlichs Erſatz für jedes: Kleine and Große, was die Welt ihm mel uud nicht gewähren kann. Won dieſem Punct gehen ſem ‚Gefühle; feine Betrachtungen aus, und kehren jedesmal dal zuruͤck. Er iſt der Mittelpunct feiner Gelehrſamkeit und DW tojophie, und der Prüfftein, woran er die Lehren feiner ZW genuffen anterſucht. An ihm hält er unerſchuͤtterlich; und ve die Zeit fi) neben ihm davon entfernt, fo eilt er im enine® geſetzter Michtung inniger in deſſen Tiefen hinein ; wie fe## :geiftfiher wird, fo wird er geiftlicher und erleuchteter. : Aäyelt‘ er Aber die Wermweisheit der Wernunfe, zachtigt P dann mit feharfer Setßel, und je gutherziger er iſt, ‚deko we niger kann er die Bitterkeit Über die Mißleitung des Zeitalt unterdrüädden. Denn er if Menſchenfreund im höhern Gi and begehrt nicht ſowohl der Menſchheit finntiche Zufriedenhen als ihr unfterbliches Heil. Als er ſich aber mehr und vereinyelt fieht in feinen Meynungen, und das Alter ihm da Muthwillen gedämpft hat, ſieht er noch da ats ein ſtilen rehrwurdiger Wahrheitsprieſter, der: Deffen, was er denkt UM

Zugabe zu den Werken des Wandebecker Wien. 49

nicht dar, daß man nicht mehr jung if, wenn man alt if. Was aber den Inhalt anlangt, der doch ben einer Schrift die Hauptſache if, da mieine ich Wort gehalten zu haben. Und wenn einige Lefer etwas Anders erwartet haben, fo tft der Bote unichuidig daran, ift auch unverlegen darüber. Ihn ges tenet feine Ueberzeugung miche, und er weiß, auch am (Grabe, für ſich und feine Lefer nichts Beſſers* m. f. wm. Was nen Wort und Weile anlangt, fo mÄffen wie bezeugen, daß anfer der größern Ernfthaftigkeit, auf die ja ein Jeder zuruͤckkom⸗ men muß, und die dem. Verf. innerlich nie fremd war, wie fein Alter , d. t. Altersihwäde, an ihm wahrnehmen fonnten. Auch feine Poeſie hat ihren Jugendreiz bey weitem nicht eins gebuͤßt. Wir wänfchen ihm daher Gluͤck zu einer Erfcheinung, die bey Männern feiner Art zwar nicht gu den feltenen, aber doch überall zu den erfreulichen gehört. Den Inhalt betreffend, fo verzeichnen wie ihn Hier mit einigen Bemerfungen. ı) Das heilige Abendmahl. Diefer Auffab ſchließt fih eigentlich an den 7. Brief an Andres im VI. Bande an. Der Berf. ſucht zu zeigen, daß es kein bloßes Gedaͤchenißmahl, ſondern ein geheimnißvollee Genuß fey, durch weichen das verlorene Leben des inwendigen Menſchen wieder entzändet, die Freyheit des Willens wiedergebraht und der Sünde Geſetz in den Gliedern getödter werden folle; als wozu afle Religionen und Philoſophieen nur Projecte, Vorfchläge und Wege feyen. Er belegt feine Lehre mit Schriftſtellen, die er entwidelt, und zeigt ihre Uebereinſtimmung mit der der Kirchenvaͤter und Lus thers. So viel Belkanntes hierin liegen mag, fo leiht die Hand des Verf. der Darfellung ihr eigenes Verdienſt; und denjenigen Lefern, deren Urtheil die Sache vorgelegte zu wers den vornehmlich beftimme if, möchte er and) manches Neue gefagt haben. Zum Schluß gibt er eine Stelle aus Luthers E:mahnung an den chriflihen Adel Deutſcher Nation, bie dem DBerf. gleihfam zus Sachbefähigung dient, und wo «6 am Ende heißt: „Einen Doctor. der heiligen Schrift wird dir Niemand mahen, denn allein der heilige Geiſt im Him⸗ mel; und der frage nicht nach rothen oder braunen Pareten, noch was des Prangens ift, auch nicht ob einer jung oder alt, Lay oder Pfaff, Mönch oder weltlich ſey.“ Wir Haben

Zugabe zu den Werken des Wandsbecker Boten. 496 denen -ded) nur eins das rechte feyn kann. Iſt Rec. „par theyiſch,“ ſo iſt er es nicht für den Mann, - den er nie. ges fehen , mit dem er nie Briefe oder Gruͤße getaufche hat, ſondern für eine Sache, ohne die er fo wenig als Asmus und Ans dres rathen kann. And zwar nachdem er fie mit allen. ews fordetlichen Mitteln unparthepifch gepräft hat, und täglich zw prüfen im Stande ift.

Benn Vieles untergegangen iſt, fo Bee die Verdienſte eines Claudius bleiben; und wenn er. nicht mehr hier-ifb, fo wird er fih nicht ſchaͤmen, sHefchrieben zu haben. Dafür bat er den Pfortner Hinzuftellen gleich Anfangs nicht geichent. Und wenn du denn, frommer Greis, dieſes Urtheil für ein anftändiges Kränzlein halten kannſt, fo nimm es von unbes fannter Hand freundlich hin, und haͤng es an dein Stusens fenfter , damit, ‘wenn: dein leßter Erdentag hereinfcheint, er es anicheine, und verfläre, und das vergängliche Laub, oder vielmehr den beſſern Kranz, den du dir felber gewunden haſt, verwandle in. eine MINELIBEIHLAGE Krone der Gerechtigkeit.

‚1IMO, : —— Abentheuer auf einer Reiſe in die andere Welt, von Heinrich Fiel⸗ ding, Esq. Aus dem Engliſchen. Leipzig, in Kommiſſion bei

Cnobloch. 1812. VIII und 255 S. Nebſt einem Anbange⸗ XLVI S. in 8.

Wenn gleich Fieldings Journey from this world to the next, wovon vorliegende Schrift eine mohlgerarhene Weberfegung gibt, den übrigen Geiſteswerken des berühmten Verf. nicht gang gleich kommt, den feineren Geſchmack bißs weiten nicht befriedigt, und manche einzelne Gerichten zu weit

ausfpinnt, fo fehlt es doch auch diefer Schrift nicht an Zügen aAIcchter Laune und Satire, und fie kann einige Stunden recht angenehm unterhalten. Gleich der Anfang der Zufland des Verf. in den erften Augenblicden nah feinem Tode zeugt Yon Wis und Laune. Leſenswerth iſt die Befchreibung vom Palafte des Todes, intereffant und mit Acht; fatirifchen Zügen durchwebt die Schilderung des Gerichts, welches Minos über die Seelen Hält, die nah Einfium verlangen. Die Abentheuer, die dem Verf. in dem Haine der Seligen ber gegnen, find zum Theil von ſeltſamer Art. Orphens fpielte

No. 33. Bvetrelvergiſche | 1813. Jabrbacher der gitteratun

1) Neue Aufſchkaͤſſe über die Natur und Heilung des Scharlachftebers, von :Gottfried Ehrikian Neid, ver AR. Dr. und Pros feſſor zu Berlin. Halle und Berlin, im. Wenlsge. Dit: che ſes. 1810. XXVIII und 276 G. in dt. 8. ze

a) Geichicher des Scherlachfiebers feiner Epidensieen :und Heilmee⸗ der, mit Ruͤckſicht auf die neuerdings vorgeſchlagene Anwendung der Abfuͤhrmittel in demſelben, bearbeitet von Traygott Wilh Suft. Benedict, der AW. Dr. und praft. Arzt und Augen»

arzt zu Cheinnit in Sachſen Cjegt Profeſſor zu DER Leip⸗

zig, bei Nettam. 1810. XXIV und 212

Das EUER und feine Rur befchäftigt feit einigen Jahren die Deutſchen Aerzte mehr als jemals, und wird jetzt faſt ein ſtehrndet Artikel in unſerer neueſten practiſchen Litte⸗ ratur. In der Thai iſt die groͤßere Aufmerkſamkeit, welche unſere Aerzte ſeit dem letzten Decennium dieſer nicht nur an ſich noch fehr unaufgeklaͤrten, ſondern ohne Widerrede in den neueſten Zeiten immer mehr von ihrem ehemaligen einfacheren ‚und fpecifiich eigenthuͤmlicheren Charakter abweichenden Krantı heit widmen, nicht ohne Grund. Dürfte man auch jetzt ſchon ‚mit Gewißheit' fagen mas ſich nur erſt hoffen und wänfchen ‚läßt, fie ift auch nicht ohne Erfolg! Die Scharlachkrank⸗ ‚heit, weiche noch. in der letzten Haͤlfte des vorigen Jahrhun⸗ derts in dere Negel und in der Mehrzahl ihrer, Epidemieen für eine Jiemlich leichte und gefahrlofe Krankheit gelten tonnte, ‚und einen gutartigen Charakter hatte, insbefondre wenn fie ‚nicht mit weißem und rothem Frieſel verbunden war (was noch jIn jener Zeit in der Regel nicht der Fall war), ericheint num feit etwa 2o Jahren und darüber (und befonders auffallend in ‚den legten ı0 Sahren) in der Regel als eine gefahrpofle Krank heit, die in vielen Fällen, ja in mehreren der neueften Epides ‚mieen in den meiften Fällen einen bösartigen, inſidieuſen. |

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N. Aufſchluͤſſe u. Geſch. d. Scharlachf; v. Reich u. Benediet. AOL

folglich von dieſer abhaͤngig iſt, ſo kann ſie nicht zugleich et⸗ was Unabhaͤngiges ſeyn, was ſie doch ſeyn muͤßte, wenn ſie die letzte Urſache der Materie waͤre. Es winde demnach ein Irrthum ſeyn, in der Kraft das ſuchen zu wollen, was die Materie hervorgebracht hat, weil dieſe durch Raum und zeit beſchraͤnkt, der Hypotheſe gemäß, die Kraft emehält, dee das Höhere diefer Karegorien nicht untermorfen ſeyn follte.* &.58 fo. „Die Kraft ift bloß etwas Hypothetiſches, Eins gebildetes; die Materie muß daher ale der Punct betrachtet werden, von welchem ale unfere Unterfuchungen. über die Ars fahen der Phänomene anheben muͤſſen (!)., Gebraucht man alfo den Ausdruck Kraft, fo darf man nicht vergeflen, daß derfelde bloß unfere Unwiſſenheit über den leuten Grund der Dinge verbirgt, und daß er nur einen imaginären Werth befißer, den der Verſtand ihm leihet. Der Glaube an «ine befondere Lebenskraft, als Princıp der Vitalitaͤt betrachtet, hat daher Leinen gröfern Werth, als der Glaube an die Kraft der Materie Überhaupt. Diefe Lebenskraft, dieſes Nichts in meinem Kopfe, diefe Form des Vorfellungsı vermögens meines Geiftes ( o weh!) kann unmöglich. alle Wirkungen der objectiven Materie beſtimmen, woraus der Or⸗ ganismus gufammengefeßt ift. Die diefes behauptenden Phyſio⸗ logen verwechfeln das angeführte Nichts mit dem Weſen, das dieſer bloß fubjectiven geiftigen Fähigkeit (nämlich) dem Vor⸗ ftelungsvermögen ihres Gehirnes) die objectiven Materialien zukommen läßt, woraus fie fubjectiv eine allgemeine dee ab⸗ leiten, die donn den Namen Vitalitaͤt oder Lebenskraft bes tommı*“ ©. 60 fa. (Ob fih wohl der Verf. unser jenem „Weſen, das der bloß fubjectiven geiftigen Fähigkeit, das fol ſeyn dem DVorftellungsvermögen felbft, die objectiven Materias lien zukommen läßt,“ etwas nur halb Klares und Sinnhabens des denken kann?) „Der erfte Schritt zu dem Zwecke der Kenneniß des lebenden Organismus ift geſchehen, wenn mas ser herkoͤmmlichen Linserfcheidung der Körper in belebte und anbelebte die richtige Bedeutung gibt, dis fie als bloß formel⸗ ler Unterſchied der ſchon porhandenen Materie bekommen muß.“ 8. 62. Doc genug pon diefen Verirrungen eines rohen Materialismus, zu dem man fich in diefer Art nur mit kaum

R. Aufſchluͤſe u. Geſch. d. Scharlachf. v. Reich u. Genedtet, 503 in welchen die Oberhaut zu dem menfchlichen Körper und zu der Äußern Atmosphäre ſteht, oder in welchem fie als Vermitt⸗ lerin zwifchen beyden wirkt, iſt ihm das ber Wärmeleitung ; zu diefem komme noch ein zweytes, dem erſten fubordinirtes, nämlich das der Verdunſtung; und die wefentlichfie Beſtim⸗ mung der Oberhaut iſt alfo nah Hrn. R. in ihrem natärlis hen Zuftand die, freyen Wärmeftoff und Ausdänftungsmaterie an bie freye Luft abzugeben. Beyde Verrichtungen der Dbers haut erfolgen aber, nah Hrn. R., nad beftimmten, allgemein phyſiſchen Geſetzen, welhe der m. Organismus ganz mit der äußern Natur gemein habe, und von welchen das erfte und oberſte (auf welches Hr. R. ein befonders großes Gewicht legt, und es zum hoͤchſten und allgemeinften Geſetz für die Körpers (edre, und fomit zum oderfien Princip der Naturforfhung ers heben will) Bas Geſetz der Temperatur und das andere, aus diefem abgeleitete, das Geſetz der Verdunſtung heißt. Die nähere Beſtimmung und Anwendung des Temperaturgefeßes unternimmt der Verf. auf folgende Weile. (Wir mäffen diefe Deduction des Verf. aus mehreren fehr zerfirene und getrennt von einander daliegenden Sägen zuſammenleſen, fo wie übers haupt logifche Anordnung und Zufammenreihung der Haupfſaͤtze und ihrer Beweiſe in dem theoretifhen Theil diefes Werkes ſehr vermiße wird.) „Die Temperatur jedes phyſiſchen Körs vers wird entweder durd die Entbindung oder das Freywerden des in der Subſtanz eines jeden gebunden geweſenen Waͤrme⸗ floffes, oder durch die Aufnahme des ihm von Außen her mits getheiften , geleiteten, ‚oder veflectirten Waͤrmeſtoffs beftimmt. Findet alſo irgend eine conflante Differenz gwifhen der Tems peratur des lebenden Menfhen und der Teniperatur irgend eines unbeiehten Körpers ſtatt, fo kann fich dieſe Differenz doch nue auf die Quelle der verfchiedenen Temperaturen ber ziehen (S. 48). Der lebende Menſch, wie die atmosphärifche Luft, find als phufiihe Weſen dem allgemeinen Temperaturs geſetz glei unbedingt unterworfen. Diefem Geſetz zufolge möffen von zwey mit einander in Berührung fehenden Koͤr⸗ pern der: wärmere dem Bältern feinen Ueberftuß an freyem | Warmeſtoff fo lange mittheifen, bis nach einem andern Natur⸗ geſetze (7), nämlich dem der Dichtigkeit ihrer Subſtanz, ihre

504 Kutſchitte n. Geſch. d. Schatlachl. v⸗Rtich m Bad

Temperatur gleich iſt. Wenn alſo die Temperatur des lebenden

Menſchen und der atmosphaͤriſchen Luft von einander abhwei—

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hen, fo muß der eine von ihnen dem andern fo viel von fir

‚nem Uebermaaß an freyem Wärmeftoff mittheilen,, als dieſet

aufnehmen kann. Nun iſt aber die Temperatur der frepen atmosphärifchen Luft an allen Orten des Erdbodens niemalt

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höher , fondern immer niedriger, als die des (ebenden Mer fchen, (Diefes ift eine offenbare und durch die bekannteſtn Thatfachen nachzumeifende. Unrichtigkeit, wie Jeder wiſſen muß,

dem. bie genauen thermometrifchen Beobachtungen mehrere Meifeniden ꝛc. in den Sandmwäften Lybiens und Nigritiens, auf den Maldiviſchen Inſeln, in Java. und andern gleichartigen Klimaten befannt find. Der Verf. will fih zwar gegen di Kraft dieſer Einwuͤrfe dadurch retten, daß er auf den Unter ſchied zwiſchen der geleiteten, der zuruͤckgeworfenen, und der ſtrahlenden Waͤrme, und zwiſchen dem wahren Maaß der ab zuosphärifhen Wärme provocirt, und daraus folgert, daß in allen den Fällen, wo die Luftwärme größer, als die des Min Shen gefunden wird, das Thermometer die wahre Temperattt der freyen Luft gar nicht anzeigen koͤnne. Allein, wenn auf jme Verhaͤltniſſe der Leitung, der Reflerion und der Strahlung allerdings.-für die temporaͤre und locale Erhöhung der atmos phaͤriſchen Temperatur ‚mit in Betracht kommen, befindet ſich denn der menſchliche Körper nicht von diefer Luft mit die fer, fein Waͤrmemaaß oft um mehrere Grade uͤberſteigenden, Temperatur umgeben ?_ Iſt es dann nicht einerley, aus wi hen Urfachen die den Menfchen umgebende atmogphaͤriſche Euf wirklich wärmer it, als der menfchlihe Körper ? And fon dann, wenn und weil dadurch jene Behauptung deg Verf. WM zichtet wird, auch feine Folgerung gültig feyn?) „Es ik M her, fhließt unfer Verf. dennoch friſchweg, abfolut nochwendi daß der immer wärmere menfchliche Körper der immer kaͤlteren ‚atmosphärifchen Luft fo viel von feinem Ueberſchuß an fregen Waͤrmeſtoff mittheilt, als dieſer davon aufnehmen kann.“ Odet, wie ed ©. 69 heißt, „die Luft, als der kaͤltere Körper, mus ‚dem Menſchen immer einen Antheil von dem Prinsip di ‚Wärme pder dem Woͤrmeſtoff entziehen, wodurch feine eigen thuͤmliche Temperatur beſtimmt wird,“ Wenn indeſſen, hrt

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3. Huftchtäte u-Drfch.d. Schanfarhf, v. Meich.n. Vencdiet. #05.

der Verf. fort, Diefe Entziehung der Wärme aus dem mens lichen Körper durch die Aufiere Puft, ber Erfahrung zufolge, doch nicht bis zu dem Grade der nölligen Ausgieihung der beyderfeitigen Temperaturen geſchleht, wenn im Gegentheil der lebende menſchliche Körper beſtaͤndig dieſelbe Temperatur / von + 28 30 Graden Reaum, behält, fo rähre Diefes bloß (1) davon her, daß durch die Verdauung dem lebenden Menſchen die Menge des freyen Waͤrmeſtoffes wiedergegeben wird, welche die Armosphäre ihm bFftändig entzieht. Das Athemhalen hat an dieſer Erhaltung der conſtanten Temperatur des Menſchen gar keinen Antheil. (So verſichert der Verf., ja er kann ſich von ſeinem Erſtaunen gar nicht erholen, daß Phyſtologen und Aerzte vom erſten Rang eine aller Vernunft und Erfahrung ſo widerſprechende Meynung haben unterſchreiben koͤnnen. Wir, unſererſeits, finden es unbegreiflich, wie ein Arzt von Scharf⸗ ſinn und Kenntniſſen glauben kann, daß die drey hier dagegen angefuͤhrten, durchaus unhaltbaren Argumente auch nur einiges Gewicht haben koͤnnen.) „Weit gefehlt alſo (7), daß der Nutzen des Athemholens in der Erzeugung und Vermehrung der thieriſchen Waͤrme beſtehen koͤnne, beſteht er im Gegen⸗ theil offenbar in der beſtaͤndigen Verminderung dieſer Waͤrme. (Wir werden dem Verf. fuͤr dieſe wichtige Entdeckung und Bereicherung unſerer Phyſiologie großen Dank ſchuldig blei⸗ ben!) Die Oberhaut iſt dazu beſtimmt, der umgebenden immer kuͤhleren Luft einen Theil des freyen Waͤrmeſtoffs mit⸗ zutheilen, der ſich im Innern des Koͤrpers entwickelt, oder, wie es S. 77 heißt, durch ihre Subſtanz hindurch den Waͤrme⸗ ſtoff entweichen zu laſſen. (Warum und wodurch die Oberhaut dieſe Beſtimmung habe, ob etwa durch eine befondere Organi⸗ fation, und ob es eines befondern organifirten Weberzuges bes dürfe, um die Wärme aus dem Innern des Körpers durch ihn entweichen zu laſſen? ob und aus welchen Gründen die Wärme nicht eben fo leicht aus einem ‚Körper oder Theil ohne Ober⸗ haut, als aus einem mit Oberhaut, ob ſie nicht eben ſo leicht aus einer dicken Oberhaut als aus einer duͤnnen entweichen koͤnne? darüber geht der Verf. gang ſtillſchweigend weg. Und doch hätte er gerade dieſe Puncte am genaueſten eruiren müfs ſen, weil ſie die eigentlichen Wendepuncte ſeiner Theorie vom

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N. Aufſchlaͤſſe u. Geſch. d. Scharlachf. n Neich u. Benedici. 50

Aufnahme von gewiſſen Beſtanbtheilen der Atmosphäre, es fey Sauerſtoff oder Stickſtoff ꝛc., in die Lunge beym Athemhoͤlen; als etwas Ungereimtes, zu Felde zieht, ohne‘ uͤbrigens einen andern. Grund dagegen anjuführen, als: „es ſey eine abſolure Unmoͤglichkeit, daß der Körper gleichzeitig (?) anf demielden Weg etwäs verliere, auf welchem er etwas embfange!); ‚und 66 insbejondere die Nord s und Nordoſtwinde eine eigens tchaͤmlich beffimmenden Einfluß auf die Ergengung des Scharlach⸗ flebers Babe, wie er ſelbſt Anfangs gemeint habe. Er verneint aber in Bolge fpäterer Erfahrungen dieſe Frage, wiewohl er den Einſtuß von rauhen und fhneidenden Winden auf das Afterben der Oberhaut nicht geradezu laͤugnen wii. Daß aber von diefem allein oder audj nur zunaͤchſt die Erjeugurig dei Scharlachfiebers herruͤhren folle, könne deshalb nicht-angenoms men werden, weil ſich erftlich. nicht würde begreifen laſſen, warum did Menfhen das Scharlachfieber in der Hegel nur einmal bekommen, weil ferner victe Menfchen troß der Eins wirtung der kalten Winde auf fie das Scharlachfieber doch nie befommen, und weil Diele vom Gcharlachfieber Jahre tang verihont bleiben, die doch an Drten wohnen, wo alle Sahre die ſchneidendſten Nord⸗ und Norboſtwinde wehen. Der Verf. findet es daher weit narärliher , das Scharlachfieber als eine - Metamorphofe der Oberhaut zu betrachten, melde derjenigen ganz analog fey, die ſich gewöhnlich gu gewiſſen Jahrszeiten bey allen (7) tebenden Organismen ereigne, nämlich‘ als eine Art Mauſcen oder Miebern, dem das Haͤren bey den Säugr thieren, und ein analoges Metamorphofiren der Auffern Hille bey den Ampfisien, den Inſecten und Würmern (wirklich auch ber allen Thierarten diefer letzten beyden Maffen ?: auch bey den wur ein Jahr und kürzer febenden? das Verpuppen fol auch wohl Bieruntee gehören?) entfprehe. Der Menſch fey diefen Veränderungen fo, wie jedes andere: Thter,‘ ‚unters worfen, wenn fie fchon bey’ ihm weniger in die Augen Iprins gen ; denn jedes Jahr fchäle er ſich nah und nad über die ganze Oberfläche ab. (Und warum befommt denn nun der Menſch nicht jedes Jahr das Scharlachfieber ? fühlte der Vers’

faffer, wie fehr er feine Hypotheſe ſelbſt im Augenblick des |

Aufbauend untergeäßt? und daß Alles folgende; mas er aber

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10 RiAelſolste ei Seh: 1. Mein. Be

das Periodiſche in den Meränderungen am Körper, als etwat nicht weiter zu. Ergründendeg,, fagt, gar nicht geeignet ift, fie zu vetten, oder nur einigermaßen gu flügen ?) Hier abermals, als vermeinte ‚Folge der bisherigen Auseinanderfekung (?), die Behauptung, daß das Scharlachfieber von keinem eigen thuͤmlichen Gift in der Luft herruͤhre, und daraus zugleich dad Reſultat, daß das Scharlachfieber auch nicht auſteckend ſeyn tönne ‚eben weil kein eigenes Scharlachgift exiſtire, und feine Erifteng auch nie werde beiviefen werden können. Anflekung tönne nur. durch unmittelbare Berührung des Anftetungefofet, oder durch. Einathmen der mit dem Anſteckungsſtoffe gefhwäns gerten Luft im eingefchloffenen Raume erfolgen. (Der WVerf., der zwifchen Anftecfung im engern Sinne, durch wirkliches Contagium, und zwifchen epidemifch s atmosphärifcher Infection durch atmosphärifch verbreitete Miiasmen. zu wenig.- unterihel det, beruft fih hier auf einige Beobachtungen von Mictam. ſteckung des Scharlachfiebers in Familien, wo die Geſchwiſter mit ‚dem: Scharlachkranken im genaueften Umgang blieben. Jedem Argte werden dergleichen Fälle vorgelommen ſeyn. Aber glaubt der Verf., mit diefen Fällen, die gar nicht zu den pa⸗ thologifhen Problemen gehören, ‚wirklich die, zahllofen Fälle von unzweifelhafter Anftefung des Scharlachfiebers widerlegen: zu können? ).

Der Berf. berührt jet die Frage, warum die Menſchen gewöhnlich nur einmal in ihrem Lebeh vom Scharlachfieber befallen werden. Das hic Rhodus, hic salta, mochte der Verf. wohl gefuͤhlt haben, denn an der Loͤſung dieſer Frage mußte ſich der Gehalt ſeiner Theorie wie an einem Probierſtein zeigen.» Allein zum größten Befremden des Lefers bleibt der Verf. bloß dabey fiehen, fie aufgeworfen zu haben, und mad auch nicht einen Verſuch, fie zu beantworten. Er ſchluͤpft übe fie weg, ald wenn gar nicht viel an ihr gelegen: wäre. Sum Leſer mönen ſelbſt zuſehen, wie fie mit dem Maufern fertig werden, und wie fie die jährliche Wiederholung, deffelden mit dem einmaligen Erkrankten am Scharlachfieber reimen mögen! Heißt dies eine Theorie motiviren, durch die, man eine anden auf fiheren Thatfahen ruhende in den Staub. treten will? Die nicht felten vorfommende Bermehrung der, Kantansbir?

N Acfiblühe m. Seſch. d. Shallochſ. u. eich m Benin, 514

Rung im Anfang des Scharlqche, bis zu ſtarken Schweißen, löugnet der Verf. nicht, aber er weiß fie auf eine neue Weife gu erllären, und mit feiner Theorie, der fie freylich ſtark zu widerſprechen ſcheint, in Einklang zu bringen. Da, ſagt er, die Erzeugung der neuen Oberhaut nicht auf einmal und gleich⸗ maͤßig vor ſich geht, und da bey warmer Temperatur der Zim⸗ merluft der beichleunigte Umiauf und die Verfluͤchtigung (ohne Wärmeentweihung?) der Saͤfte Folgen der durch bie ‚Äußere Wärme verminderten oder. unterdrücken Eptweichung der freyen thieriſchen Wärme ſeyn muͤſſen, fo practditiren ſich die vers, fluͤchtigten Saͤfte auf der verhaͤltnißmaͤßig kuͤhleren Oberflaͤche des Körpers in Geſtalt von Schweißtroͤpfchen, weil der damit verbundene Waͤrmeſtoff ſchneller entweicht, indem er ſich den umgebenden- kühleren, mehr oder minder dichteren Körpern mittheilt. (Alfo auch In derfelben warmen Zimmertemperatur, welche die Entweihung des Wärmeftoffs verhindert ? und auch unter der warmen und fo fdhlecht mwärmeleitenden Federbetts decke? Melde vortrefflihe Conſequenz bier wie Im Folgenden!) Daher fcheinen alle bedeckten Theile immer ‚mehr zu fshwigen, als die unbedeckten (fcheinen fie nur diefes?); daher ſchwitzt man auch im der falten Luft bey ſtarker Bewegung bloß an den bedeckten Theilen. Von der befondern Beſchaffenheit der Oberhaut in einzelnen Individuen haͤngt großentheils die Verſchiedenheit der Erſcheinungen und des Verlaufes des Schars lachs ab. Derfonen. mit dirderer und fefterer Oberhaut erfrans fen deshalb (7) ftärker, als. zärtere und fchmächlichere Wiens. fhen mit feinerer Oberhaut, weil bey jenen verbältnißmäßig nicht fo piel Wärme und Ausdüänftungmaterie entweichen kann. Dis Heftigleit oder Gelindigkeit der Zufälle richtet fih nach der Jahrszeit, und nach dem Verhalten, dem der Kranke uns terworfen wird. Se kälter die atmosphärifche Luft oder Wit⸗ terung überhaupt iſt, defto unbedeutender muß auch die Kranks heit ſeyn. Diefes ift zwar, wie der Verf. ſelbſt ald Einwurf, den man ihm machen würde, anführt, der täglichen Erfahrung

gerade zuwider, indem diefer zufolge das Scharlachfieber im Wins

ter und Frühjahr weit gefährlicher und. tödtlicher iſt, als im Herbſt; allein er iſt demohngeachtet von der Nichtigkeit feiner. Behauptung Äberzeuge, und Hält die Erfahrung in diefem Fall nur

No. 33. Heidelbergiſche 1813. Jahrbuͤcher der Litteratur.

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1) Neue Aufſchluͤſſe über Die Natur und Heilung des Schartachficbers, von Gottfried Chriſtian Reich 2) Geſchichte des Scharlachfiebers, von zeige ®. ©. Benebich C Beſchluß der in No. 32. abgebrocdenen Necenflon.. )

Da. boͤsartige Scharlachfieber iſt, nach dem Verf., keines⸗ wegs Folge einer angeblichen Bbsartigkeit des vermeintlichen Scharlachgiftes. Er behaͤlt jene Unterſcheidung bloß aus Nachs giebigkeie ben, indem er vollkommen übergeuge iſt, daß es nue eine einzige Art: von Scharlachfieber gibt. Alle heftigeren und gefahrvelleren Zufälle in diefem nur einftweilen von ihm zus gegebenen bösartigen Gcharlachfieber werden auf Rechnung des im Körper zurädgehaltenen Wärmefloffes gefchrieben; wobey

die übermäßig geheizten Zimmer, deren Temperatur in Nord⸗

deutfchland,, wenn des Verf. Verfiherung gegründet wäre abep⸗

nahe 34 Jahre lang derjenigen einer Ruſſiſchen Bad s —*

| 3 r

2* a u 7. 8

Schwitzſtube nahe fommen müfite, befonders übel wegfommen.

Der Berf. geht hierauf zu der Betrachtung der Nachkrank⸗

heiten über, unter welcher Rubrik er aber auch folhe Symptome mit aufzaͤhlt, welche an ſich eigenthümliche und conflante Bes gleiter des Scharlachfiebers ſelbſt find, und nur bedingterweife au als Nachkrankheiten nach geendigter Aöfchuppung fich wies der erneuern koͤnnen, nämlich die Bräune, und das Sieber, über weiche beyde Erfcheinungen und ihr Verhaͤltniß zum Schars lahausichlag jedoch der Verf. allzukurz weggeht. Beſonders haͤtte die ſo haͤufig bey Scharlachepidemieen beobachtete Braͤune ohne Scharlachausſchlag, uͤbrigens aber mit allen Symptomen der epidemiſchen Fieberkrankheit, Inähere Erwägung verdient. Die Übrigen von ihm unter diefer Tategorie betrachteten Zus fälle find: Geſchwulſt und chronifhes Anfchwellen der KHalsı

" und Ohrendeäfen, Entzündung und Wereiterung derfelben;

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(Hier lefen wie die merkwürdige Aeußerung des Verf.: „feits dem er die Marimen befoige habe, die fi er den phyſiſch⸗

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544 N. Aufſchluͤfe m. Geſch. d. Scharlachf. v. Reich u. Benakt, |

chemiſchen Verhaͤltniſſen des Menichen zur Außenwelt ergeben, ſen es ihm Mar geworden, daß ale Entzündungen pur leide | Uebel find, die fih binnen wenigen Tagen, oft binnen weni gen ‚Stunden heben laffen, ohne des. großen antiphlagiftifcen Apparate zu bedürfen, zu welchem man gewöhnlich greift“) waͤſſerige Geſchwulſt und Waſſerſucht (welche gerade durh fortgeietes warmes Verhalten entſtehen fol, . indem dadurch Yufleden und endlichen Verwachſen der alten und ueuen Ober haut, fomit: Anhänfens der Ausduͤnſtungsmaterie in dem Zell gewebe unter, der neuen Oberhaut bewirkt werde. Die gar nicht feltıne Wahrnehmung der ſtaͤrkſten Waſſergeſchwuͤlſte nah der ſtaͤrkſten Abſchuppung iſt der Verf. geneigt, für eine Tin fang zu halten. ); Hautausſchlaͤge, Nervenbeſchwerden (die niemals als Kolge von Erkältung und einer von dieſer herge (eiteten Unterdrückung der Bautausdänftung ſeyn follen, Inden durch die Kälte die Hautausdunſtung vielmehr übermäßig vet mehrt werde; wovon aber diefe Nervenbeſchwerden herruͤhren, fagt uns der Verf. nicht.); trockener und feuchter Hufen, Ausflug aus den Ohren und andere Geſchwuͤre. Man kam fi denken, daß der Verf. an diefen wie an den Übrigen Rad Brantheiten kein Scharlachgife einen Theil haben laͤßt. Die Mrognofe muß natürlih unter den Anfihten des Verf. eine andere Geſtalt gewinnen, als fie bey den übrigen Scheiftfel fern bisher gehabt hat. Der Verf. verweilt insbefondere bey) Cappel's prognoftiichen Beobachtungen und Lehrfägen übt das Scharlachfieber und ber die Umftände, nad denen die Gefahr deffelden richtet; wobey begreiflicher Weiſe Mt Verf. jede andere Gefahr beym Scarlachfieber, als die von gu warmen Verhalten entfiehen fol, und fo auch jede I ſpuͤnglich gefährlihere und maligne Art von Scharlachfieber verwirft. Hier erfahren wir zuerfi vom Verf. , welche Anfiät er von dem ppretologifchen Werhältniß des Scharlachs habe. » Das Abfterben der Oberhaut, fagt er, erſchwert die Functie‘ nen der Haut, macht alfo, daß mehr Wärmeftoff und Aut duͤnſtungsmaterie im Rörper zuruͤckbleibe, als gefchehen folk, und bringt fo ein Fieber zuwege, das dem intenfiven Grad diefer Störungen angemeffen ift, und dem Scharlachuͤbel not‘ wendig und durchgehende (!) den Tharakter der Synode auf

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BtS- 9% Mufkhfüffen, Geſch. d. Scharlachf. v. Reich n. Betr.

kung der Nachkrankheiten findet ex nichts: zu erinnern. noͤthig, weil diefe nur Folgen des ſchlechten Verhaltens feyen. Der Merf. ſchließt dieſe Abhandlung mit einer kurzen relapituliren den Zufammenftellung deſſen, was auf die von der Vlieſſinger Geſellſchaft der. Wiſſ. vorgelegten Preisfragen (gu deren Ge antwortung eigentlich der Verf. diefe Schrift ausgearbeitit Hatte) Bezug hat, und mit einem alphabetiſchen Verjeichniß der Schriftſteller über das Scharlachſieber.

: Wie haben es für Pflicht gehalten, bey der Anjeige dieſet Keich’fchen Schrift fo ausfuͤhrlich zu ſeyn, weil die Tendenn derſelben keine geringere ift, als die bisher allgemein ange wommene Lehre von eimem befondern der Scharlachkrankheit jt Stunde liegenden atmosphaͤriſchen, bald mehr bald weniger contagiöfen Miasma ganz zu vernichten, und die bicher im Gangen. herrſchend geweiene Therapie diefer Krankheit voͤlig 1 reformiren. Es .bedarf maferer Erinnerung nicht, daß dieſe brab ſichtigte Reſorm ſich nicht auf die längft von allen guten Jerzten verlaſſene heiße und erhitzende Behandlung der Schar lachkranken, fondern nur anf die jeßt ziemlich allgemeine Gt folgung eines gemäßigt warmen Verhaltens und eines mehr oder weniger antiphlogiftifch s Diaphoretifchen Kurplans (IM einfahen Scharlach) beziehen: kann. Diefem iſt freylich d4 Verf. kalte, ja bis unter dem Gefrierpunct erfältende Hehandı lung diefer Krankheit und feine Entfernung aller übrigen im neren Kurmittel immer noch ſehr entgegengefeßt. ; Wenn Wit aber auch zugeben wollen, daß diefe Methode des Hrn. R. in den Fällen eines gelinden und gutartigen Scharlachs, NM bey Übrigene gefunder und kraftvoller Konftitution der Indivi buen, öfters ohne allen Macheheil angewendet, ja daß fie m ter beſtimmten Umftänden von Nuten für die Abkürzung di Krankheitsverlaufes ſeyn kann, fo werden wir darum de& nicht glauben, daß diefe Methode audy in den Fällen des Bl artigen und gleich vom Anfang an mit dem Charakter ein Synochus, oder aber eines Typhus, oder wentgſtens mit fa ſcher Tendenz zu diefem, eintretenden Scharlachs nügtich me angezeigt ſeyn werde. Wir werden fie vielmehr in diefen Säl len, und überall, wo das zuverläffig exiſtirende und © dem Verf. nichts weniger als widerlegte Scharlachmiad

524 Minceralogiſche Studien von Leonhard und Gelb,

Gattung, welche Hr. 2. wegen ihrer täufchenden Aehnlichkeit mit. Baft fo benannt hat, finder fih zu Offenheim in de Wetterau, und foll, wenigftens zum Theil, von der Erle (alnus glutinosa ) und zwar von der Rinde herruͤhren. Rec, Der die baflartige Braunkohle aus Autopfie kenne, muß gefle hen, daß fie ſich ſehr als neue Art charakterifir. IV. Mir neralogifhe Notizen von Leonhard. Nicht minde reichhaltig. Sphene ale Einfhluß im Bergkryſtall aus dem Chalomcher Gebirge der Dauphinde und einige Bemerkungen über dieſes Mineral, wichtig für die Charakteriſtik deſſelben. Analzim aus Foſſe. Vorkommen in einem bafaltifchen Mans delſteine, mit Zeolith ꝛc. Melanit und Leuzit in Deutſch land entdeckt (am Kaiſerſtuhl im Breisgau in einer etwa aufgelösten gränfteinartigen Gebirgsart). Neue Kryſtal⸗ form des Gediegen⸗Wismuths ( fechsfeitige Säule mir dry Flaͤchen zugeipißt). Anatafe vom St. Gotthard. Koh⸗ Ienfaurer Strontian von Bräunsdorf bey Freyberg (— dielet Foſſil wurde von manchen Naturforfchern für Arragon gehal ven). Unbekanntes Mineral in der Gegend von Schem— nis gefunden. V. Mineralogifhe Motigen von Selb. Intereſſant. Frequenz bes Angits am Kaiferkufl im Breisgau. Webergänge des Baſalts in Klingfleinpen phyr. Kepftallformen des Gediegen » Wismuchs anf det Grube Sophia (Tetraeder, vierfeitige Tafel, Oktaeder, , drep feittige Doppelppramide ), : : Ueber den Silbergehalt 4 Wismurh Silbererzes und deſſen Kryſtallgeſtalt. Tafıl Förmige Kryflalle von Bleyglanz. VI. Weber das it Unsarn entdecdte phosphorfaure Rupfer. Bor Leonhard. Der Fundort dieſes in vierfeitigen Doppelppte miden phosphorfauren Kupfers iſt Libethen bey Neuſoif. Al Anhang einige chemiſche Notizen von Buchholz, welche du Angaben des Verf. durch die Analyſe rechtfertigen. Vi : Defhreibung einer Suite von Öebirgsantenan | der Auvergne, von Leonhard. Als Einieltung lm fehrreiche Bemerfungen von Dolomiten und Bud Alt | Vulkane der Auvergne, aus dem Journal des mines und 8 | Buch's Reife entlehnt. Nun folgen die mit wieler Grändid! Beit entworfenen Bejchreibungen der Gebirgsarten, devam 32 fih auf 71 belauft. Die Sammlung bietet eine jiemlih ml ' fländige Suite der Gebirgsarten diefes merkwürdigen Lanl dar. Im Allgemeinen find Bejchreibungen von Gebirgdaie) ohne daß man Gelegenheit hat, die Exemplare feldft mil * | Texte vergleichen gu fönnen, von feinem befondern J die vorliegenden machen indeß bier eine Ausnahme, indem Mt | als interejfante Belege beym Nachleſen der Schriften, weißt

546 Exfahe. u. Vb. 2. Axantb. d.mei. Geſchlecht v. Roezele.

der kuͤrzeſten Zeit zur möglihft gründlichen Einſicht gelang. Die erfie Beraniafung zu diefer Arbeit gab ihm (©. 7) ein vor fünf Jahren erhaltener obrigkeitliher Auftrag, Vorſchlaͤge zur Berbefierung des Geburtshätfeweiens zu machen ; und da ihm die grändlidde Verbeſſerung diefes Zweiges der Med. Ber faffang von einer gwedimäßigern Einrichtung des Unterrichtes and der Bilbungsanftalten ausgehen zu müfen ſchien, fo wew dete er hierauf vorerfi feine vorzäsliche Aufmerffamkeit. Die Arbeit wuchs ihm unter den Händen zu einem Umfange heran, Die mit in feinem urfprünglichen Vornehmen lag, und er glaubte durch die Öffentliche Mitteilung derſelben nägtich few ga Eöunen, beſonders duch Nebeneinanderſtellung feiner Auf; sen mit der treflichen Nolde ſchen Kritik, indem er vorzägfih auf diejenigen Puncte Rückſicht nahm, wo er verfchiedeng Meynaung mit demfelben war.

Da, wo von dem Umfange umb Inhalt der Einfeitung die Rede if, beißt es: unter Geburtshälfe feye dem Ginm des Wortes nad offenbar nichts anderes zu verſtehen, als dis Kälfe, die beym Gebaͤren geleitet wird, und unter Seburs⸗ dälfeunft, von andern unridtig Entbindungsfunk genannt, die Kunſt, jene Hülfe zweckmaͤßig zu teilen; in den Lehrvor⸗ trag der Geburtshuͤlfekunſt dürfe nichte aufgenommen werden, als die Regeln and Vorſchriſten, welche fih auf den Beyſtand, und die Hälfeleiftung bey der Geburt Beziehen, und ae Saͤtze, auf welche fi jene Regeln zunaͤchſt Rügen 3 es few daher eben ſo unrecht, Krankheiten der Wödnerinnen und Neugebornen in den Lehrvortrag der Gehurishälfe aufzunch⸗ men, als den propaͤdentiſchen Unterricht zu weit ausgubehmen, and den Vortrag and auf Unvorbereitete berechnen zu mols fen, wodurch, mie der Verf. richtig zeiat, die Möglichkeit einer ſyſtematiſchen und gründlihen Darftellung aufgehoben wird. Ihrer Natur nach zerfallen aljo die Gegenflände bei Lehrvortrages der Geburtshülfekunſt in die eigenelihb u Burtshälflihen, und die (näheren) propädbeutifchen. Du aber das obftetrigiihe Verfahren feinem Zwecke und Mefen nad verſchieden ift mach der Befchaffenheit der Geburt, je nadhbım dieje entweder A. Geſundheit gemäß vor fih geht, oder B. bu Normalität diefer Fuuction geftört, aufgehoben If: fo zerfah

Erfahr. u. Abh. d. Kraulh. d. weibl. Geſchiechts v. Naegele. 849

Hierauf kommt der Verf. für die zweyte Abtheilung, auf das Verhalten ſowohl der Gebaͤrenden als der bey der mE Gegenwärtigen für die normale Geburt zu fprechen.

In der erſten Abtheilung des zweyten Haupttheiles ( wi pathologifch s therapeutiſchen Theiles ) follen die Abnormitaͤten der Geburt nad) ihren Hauptverſchiedenheiten, oder die allge meinen Formen von Störung diefer Verrichtung noſologiſch abs gehandelt, Die Vorgänge, anf denen die Ruͤckkehr oder möglichfie Annäherung zur Normalität beruhet, ausgemittelt, hiernach die allgemeinen Regeln für das Turverfahren befkimmt, nnd endlich die vorzuͤglichern der Geburtshuͤlfe eigenchämlichen Bes

handlungsarten ( methodus curandi obstetricia generalis ): die Application der Geburtszangen, die känkliche Veraͤnderung ber Fruchtlage, die känftlihe Entbindung vermittelſt bloßer Hände, die Entbindung auf freemdem Wege (Sectio csesarea) und die Perforation und Embryotomie ausfährlich exponirt werden. S. 2od. „Mit disfen Operationsarten, ihrer Name ° Beſtimmung, Wirkungsart und der Art, fie zu verrichten, muß bier der Schäler bekannt gemacht werden, wie auch mit ihres allgemeinen Anzeigen. Die VBefonderheiten derſelben, ihre Modificationen,, in fpeciellen Fällen, und ihre befendern Ar geigen find Gegenftände der- fpeciellen Therapie, und koͤnnen durchaus nur da gründlich und deutlich abgehandelt werben. „Hier foll der practiſche Unterricht, oder die Uebungen am Fantome, an Leichen u. f. w. beginnen, und neben dem ea retiſchen Unterrichte fortgeießt werden.

In der andern Abtheilung des zwepten Haupttheiles, weiche die fpecielle Pathologie und Therapie der Geburt enthält, ſol⸗ len die befondern Formen von Abnormität der Geburt mebfl Ihren wichtigen und häufigern Complisationen, nach ihren

Zeichen, Unterfcheidungsmerkmaten, Urſachen, Wirkungen, Aus— gaͤngen und Folgen dargeſtellt, die Curregeln beßimmt und die Behandlungsarten angegeben werden, anf bie in. der Übrigen Heilkunde allgemein angenommene Weiſe.

S. 1095 116 if ausführlich gezeigt, daß die Normalis

tät Der Geburt nicht allein anf der gegenfeitigen Proportion swiichen den beyden Dauptmomenten des Mechanismus ber Geburt, nämlich dem artiven und paffisen Dioment (den aus⸗

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5580 :..Erfahr. 0. Abh. d. Kranky:d, weibl. @efchlechts n.acyle.. |

treibenden Kräften und der Frucht und den zum Durchgang derſelden beſtimmten Wegen) beruhet, fondern auch (da ale Normalitaͤt des Mechanismus irgend einer Function immer eine relative iſt) auf dem Verhaͤltniſſe dieſer Proportion N den organifchen Functionen, die von dem Gehärungsacte im fluirt werden, und zu der Stimmung der Vitalitaͤt bes Abel gen individuellen Organismus uͤberhaupt. Dieſemnach ergebm ſich zwey Hauptgattungen von Abnormität ber Geburt, je nachdem das eine, oder das andere der eben erwähnten Ver hältniffe ich von dem Mormalzuftande entfernen : naͤmlich M⸗ naormitaͤten der Geburt wegen fehlerhafter Beſchaffenheit det ihren Mechanismus bedingenden Momente, und Abnormitaͤten ber Geburt wegen normwidrigen Zuftandes des übrigen Orgw memus, inwiefern er von der Geburt influire wird. Bat die weitere Eintheilung der erfien Hauptgattung von Abnormi täten beteiffe, fo möffen wir une hier befchränfen , anzugeben, daß des Verf. Hauptaugenmerk darauf gerichtet war, die Ein theilung auf die weſentlichen Verſchiedenheiten zu gründen, di einzelnen. Abnormitäten unter möglihft allgemeine Geficht: puncte zu bringen, und ‚jene nad) jeder andern Eintheilunge— weiſe unausweichlichen , zahlreichen Unterabtheilungen zu wi meiden, welche die Ueberſicht erichweren, den Schüler auftt Stand ſetzen, dem Lehrer zu folgen und ihn verwirren, md weiche fih zue Bearbeitung. zum Zwede einer fpeciellen Pather logie und Iherapie der Geburt durchaus nicht eignen. Au ‚der Neflerion auf die Wirkungsart die Fehler Der , einzelnen Momente, vwoelche jene Hauptmomente des Mechanismus con ſtituiren, ergibt fih aber offenbar, daß ihr Einfluß auf den Berlauf der Geburt ſich darin vereinigt: denſelben entwedt zu erſchweren, ober in höherem Grade der Abnormitaͤt gaͤnjlich gu unterbrechen, unmöglich zu machen (eine bloße gradualt Verſchiedenheit) oder. ihn übermäßig zu. beichleunigen. Hier— Durch iſt unter den Störungen der Mechanik der Geburt ein in Hinſicht auf Ihre Urfache und ihren Einfluß weſentlich Hauptverſchiedenheit gefegt. Diele beyden Gattungen von A nermität find aber für.fich verſchieden, je nachdem ihr Grund entweder im. einem Fehler der austreibenden Kräfte, ober dei dieſen entgegenfichenden Objectes liegt, und. im letzteren Zeh

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Erfahr. u. Abh. d. Krankh. d. weibl. Gefchlechts v. Naegele. ST

parates dieſer Art, fuͤr deſſen mitgetheilte genaue und deutliche Schilderung der Verf. den Dank ſeiner Berufsgenoſſen ver⸗ dient. Der Fall iſt kaͤrzlich folgender: Anna Chröſtin ä Dienftähler, die Frau eines Zimmermanns zu Dhäne Int Sroßherzogthum Berg, 36 Jahre alt, feit 15 Jahren verhey⸗ ‚Bather, befand fiih in dem erften 6 Jahren ihres Eheflantes volfommen wohl, war von gefunden blühenden Ausfehen und gerade und wohlgebaut, einige Brönathe nach ihrer vor-5 Jahr ten erfolgten , "fünften, glaͤcklichen Miederfunft fing fle an, ar ehesmatifcher und gichtifcher Affertion,, ale Zolge einer Verkaͤl⸗ fung, ‚zu leiden. Unter dfterem Wechſel mit VBeflerbefinden nahm das Hebel zu, und machte ihr das Gehen aͤußerſt der ſchwerlich. 2 Jahre nachher gebar fie ein todtes Kind. Die Geburt war fchwierig, wurde jedoeh duch die Naturkraͤfte vollendet; und die Hebamme, welche ihr beygeſtanden, eine alte erfahrene Frau, verfiherte beſtimmt, daß die Barten Ger burtstheile von allee Mißſtaltung freu geweſen feyen. Hierauf nahm ihre Krankheit, die gichtiſche Affection, wieder fo gu, daß fie nur mie vieler Mühe, und nicht ohne Stock gehen konnte, endlich fat ein halbes Fahr zu Bette zubringen mußte; und, ale fie wieder anfing zu gehen, ſchien das rechte Bein wie gelähmt zu feyn, und bey einiger Anftrengung fühlte fie in demfelben, fo wie in dem rechten Huͤftgelenke Heftige Schmers gen. Im Anfange ihrer fiebenten und lebten Schwangers ſchaft, weicher in den Frähling ‚fiel, ungefaͤhr 5 Vierteljahr nach der vorewähnten Niederkunft, fhienen ihre Kräfte und ihre Gefandhelt wieder zu kehren. Zum Erftaunen ihrer Bes kannten fing fie wieder an, ihre Gartenarbeiten felbft zu vers richten, gu pflanzen, gu graben, und befand fi fernerhin wohl, wie dies auch ihre Befichtsfarbe zeigte; obfchon der cons tracte Zuftand ihres Körpers auch aͤußerlich fihtbar war. Der Ruͤckgrath war gefrümmt. Die Hebamme, welche fle unters ſucht Hatte, verficherte, daß es außer dem Kaiferfchnitte Leif Mittel gebe, fie von ihrem Kinde zu befreyen. Daſſelbe fand der zur Niederkunftszeit herzugerufene Geburtshelfer. Er vers tichtete die Operation gang nach den Regeln der Kunſt. Das Kind gab_ keine Zeichen des Lebens von fih; es hatte an beys den Seitenwandbeinen einen tiefen Eindruck. Während der

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SO Wise. Neperterium der Mineralögie von Leonhard. Welches nebft den drey Lendenwirdeln nur B "Ungen und 5 Quentchen wiegt. Mit als eigentlih Hierher. gehorend, fondern feiner aͤußerſten Seltenheit wegen, fügt ber Verf. noch die ihm von Baudelocque in einem Briefe mitgerheilte Beſchreibung eines hoͤchſt mißſtalteten Skelettes bey, deſſen Becken dieſer im erſten Bande feiner Anleitung zur Entbdin⸗ dungskunſt tm Vorbeygehen erwähnt hat. Am Schlaufe legt er dem Urtheile der Sachkundigen eine Bemerkung vor, km durch die Erfahrungen anderer entweder beftätigt oder wis berlegt gun werden. Er fand naͤmlich an ben bey weitem mei⸗ ſten, ihm gu Geſicht gekommenen, durch vorhergegangene mehte oder weniger gleichmaͤßige Knochenerweichung deform geworde⸗ nen Becken, die Verengerung des Beckeneinganges an der linten Seite in ſtaärkerem Maße, als an der rechten. Schon vor fünf umd miehrern Jahren theilte er dieſe Bemer—⸗ fang mehreren berühmten Anatomen und Geburtshelfern mit, md erhielt durchgehende Beſtaͤtigung derfelden. Zum Belege führt er außer den Becken aus feiner eigenen Sammfung eine bedeutende Anzaht von andern befchriebener deformen Becken an, und theilt aledann feine Meynung über die Urſache diefer Eriheinung aus Gründen mit, deren Beherzigung wir des Intereſſe wegen, welches diefe Bemerkung in practiicher Hin fiht hat, den Sahlundigen empfehlen, uns aber ſowohl hier | über, als Über den Werth dieſes ganzen, an Gegenſtaͤnden reichhaltigen Werkes, des Urcheiles nach den Gefegen umferes Sinftitutes begeben. J. Fries.

Allgemeines Repertorium der Mineralogie. Von C.C. Leon | hard, der W. W. Dr. grofsherzogl. Frankfurtischem General - Inspektor der Domänen etc. Erstes Quinquen- nium. Jahre 1606 1811. Frankfurt a. M. 1311. Inder J,

C. Hermann’schen Buchhandlung. Vill und 212 S. in.

(2 fl. 30 fr.)

Diele Nachweiſung alles Miffenswärdigen in dem Gebiete der Mineralogie während der genannten Periode fchließe ſich an das rähmlıchhtt befannte Taſchenbuch des Verfaffers an, E— find der Abichnitte gehen. Die Bearbeitung ift mit Fleiß und Sorgfalt ausgeführt, und wir empfehlen dieſes Werk dem wiffenjchaftlihen Mineralogen als jehr gutes Huͤlfsmittel.

Domitii .Ulpiani. fragmentä. 673

‚Anfiht: das werf. die Wiſſenſchaft gefördert und mit Reſultaten J oder J

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Domikii Ulpidni fragmenta libri regularum singularis, uti videtur, vulgo XXIX tituli ex corpore Ulpiank‘ Denuo revensuit Gustavns Hugo, . Mylii un, VI um 52 S. 8. u:

Da berahente hat auch durch dieſe Arbeit

feine vielen .‚Merdienfte ums neichrtes und wiſſenſchaftliches Stu⸗

Dinm. den Roͤmiſchen Rechts vermehrt. Schon das iſt danfenst

werth, daß er, nachdem ſetne frühere Ausgabe‘ (von 1788 )

vergriffen war, abermals Selegenheit gab, dieſes ſchaͤtzbare

Buͤchlein fuͤr einen ſolchen geringen Preis anzuſchaffen, daß

son der. Seite fein Hinderniß den darüber zu haltenden Vor⸗

jefungen ‚und eiguem Studium, welche den größten Nutzen gewähren muͤſſen, im Wege ſteht. Aber :wie fih vom Her⸗ ausgeber, ber bey jeder Ausgabe einer eignen Schrift faſt ein neues Buch liefert, nicht anders erwarten: ließ auch das denuo recensyit ſteht nicht muͤſſtig auf dein Titel, und fo darf ſich auch die Kritik Ulpians Vortheile von dieſer Arbeit verſprechen. Worin das in dieſer Beziehung Geleiſtete beſtehe/ gitze Die kurze Vorrede (die ausfuͤhrlichere der erſten Ausgabe iſt wessebhieben ) im Algemeimen an, und Me ae lee näher: darzulegen.

‚Ulpians Worte felbk leſen wie bier mehr. * ſon fraͤher gedruckt waren, als in der Ausgabe von 1788, in wel⸗ ger: manche Conjecturen Andrer und eigne etwas zu raſch auf⸗ genommen ſind. (Manche der: damaligen Lesarten vel incuris £uzlerat, vel:nimium fere |gtammaticae studiung' erkenda« vorat Heißt. ed in der Vorrede.) .Hierher gehörige Aenderun⸗ gen bemerkte: Dec. in. den. erſten 16 Titeln, die er "genauer ohngefaͤhr eben fe viele größtentheits beyfallswerthe.

So if z. B. t. a. $. 6. anflatt des von Schulting vorgeſchla⸗ genen, der, genauen. consequutio temporum angemeffenere nolit wieder das. in den Handſchriften vorfommende nollet geſetzt, ohnſtreitig weil Ulpian in dieſen Seinheiten Age ſo

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Frauendienſ von 8. Tied. 683

einer aften Handfchrift bearbeitet und peraußgegeben von Ludwig Tieck. Stuttzart und Tübingen, in der 9. ©. Cottaiſchen

Buchhandlung 1812.

Man hat in England und anderwaͤrts an alten Bildern verſchiedner Jahrhunderte die Bemerkung gemacht, wie Fami⸗ lien, Städte, Nationen in der Phyfionomie der Außeren For⸗— men zu allen Zeiten im Ganzen fich gleich geblieben, fo daß es fcheint, als 06 der herrſchende Grundton jeglihen Volkes im Derlaufe feiner Entwicklung nur durch alle die mitklingens den Töne umlaufe, und fo die Harmonie des Beyeinander⸗ feuns fih in die fließende Aufeinanderfolge ausbreite. Dieſe Seelenwanderung ift befonders und vor allem in der Kunſt gu bemerken, die Funken, die bey. ihrem. erften Aufbligen jes der Nation zu Theil geworden, laufen mit dem Leben an den Seichlehtern wie an goldnen Ketten fort, auffnifternd bey jedem Ringe, obgleich in vielen Farben fpielend, doc, immer daſſelbe Feuer. Was daher je recht eigentlich in einem Wolke gelegen und aus ihm hervorgedrungen, welche dichterifche Ader je in ihm gefchlagen, und geblutet, die kann nimmermehr gang in ihm verfiegen, fie hat ihre Fülle vielleicht duch Einwins ‚dung in ein anderes Gefäß entladen, aber. Nerv und Muskel treiben in ihr fort, und es wird derfelbe Lebensgeift abgefchies den. immer braust auf gleiche Weile der. Waſſerſturz ſchaͤu— mend durch die Lüfte, immer fliehen an ihm diefelden Zarbens bogen, obgleich Luft und Licht und Waffertropfen immer andere und andere vorübereilen, und einzig der Fels unten immer derſelbe ſteht. So ift denn auch die Minnepoefle in three Weile fo nationell, wie der Pfalter der Hebräcr, keineswegs aus dem Volk entwichen, das fie fo viele Jahrhunderte ger pflegt, während die ganze Lyrik des neueren Romanes auf ihr , bat fie ſelbſt in threr alten Einfalt in den Herzen eine Stätte fi) bewahrt, umd immer einen Mund gefunden, der das Wort für ſie gethan. Man kann Tiec® gang eigentlich im ſeinen Beftrebungen und dem, mas er geleifter, als den Mins nefänger dieſer Zeit erkennen, ats den, über weichen jene ſchneeweißs Taube fenkrecht ihren Stahl herabgeſendet, daß er unter allen Sprachen am geläufigften jene alte Kerzen ſprache ſpricht. Sein ganzes Weſen neigt jüh gegen jene Zeit,

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554 Frauendienſt von 2. Tieck.

in die er feine Wurzeln gefchlagen, und die wie eine Seife |

flimme aus ihm herausgefprochen ; gern und freudig wärden jene zwölf alten Meifter, die ten Geſang gegründet, thn- als den Ihrigen erfennen, und den befreundeten. &eift in Liebe . verehren. Sa man möchte fügen, er bat unter der Genoſſen fhaft gefeffen,, und ift der Leßte von dem fchönen Bunde noch geblieben, wie alle Chroniken von Johann de Mehun bericı ten, daß er Carl den Großen und nah ibm noch vierthalß Jahrhunderte vor feinem Tod gefehen: Eben jener teichte Spott, der luftige Wis und das milde Laͤcheln, das fo haͤu fig feinen redenden Mund zu oft nur das Auge umfpielt, mie das Alles ihn nebſt jener Richtung fo ganz eigenthuͤmlich bu zeichnet, zeigt, wie der Minne Kind in ihn erwachſen, vid zeit und Menſchenthun gefehen, und feine Strahlenpfeile ſchei telrecht durch den unter ihm fichenden Frühling ſchießt. hm fam es daher vor Allem gu, die alte vieltönige, laͤngſt ven ſtummte Laute von neuem zu beſaiten und den ſchlafenden Bis derhall in ihr zu wecken. Bodmer hatte die alten Lieder in ihrem Werthe zuerſt erkannt, und ſie in die Welt geworfen, die damals mit wichtigeren Dingen beſchaͤftigt, ihrer nicht ach⸗ tete. Da führte der ihnen fo nahe befreundete Dichter die Vergeßnen von neuem in unfere Mitte ein, und wußte ihnen bie Aufmerkfamkeit zu gewinnen. Mit treuer Liebe hat er ihrer fid) angenommen, bis fie mit Fertigkeit die Sprache der Zeit geredet; alles hat er an ihnen gethan, was man einem erften Berfuche ind Große Hin immer anmuthen mag. Nun fie Luft und Piebe zur fautern Quelle feibft erregt, tauchen fie freudig in ihren Maren Wellen wieder unter. Sind die Deut fchen einmal erſt bey einer Meverrafhung in ben rechten Ge— fihtspunct gebracht, und zur ruhigen Befinnung gefommen, dann fann man bie Fortbildung ruhig ihrem freyen ins

firebenden Sinne überlaffen. Seit jenem Anftoße ift die Minne⸗ poefie in ihrer ganzen Wurde anerkannt und geachtet worden, wie ein ungebundener verwaister Reim hatte fie trauernd in der Nation geftanden, nun aber if plößlich im vieler Bruf der Anklang erwacht, der fie bindet, und fie zieht nun wie freudig in die Hetzen ein. Eine fchöne Jungfrau wandell biefe Kunſt durch Blumen und den Klee fieben Erpfallen

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Frauendient von 8. Tieck. ses

Bälle und mehr, jeder in eigner Farbe den Gonnenfchein bre⸗ hend, fängt fie mit gewandter zarter Hand, und wirft fie tunftreih, daß bald diefer, bald jener auf und mniederfteigt, und fie bald paarweis, bald zu drey und drey umd vier und vier einander fi) begegnen, und bald diefes, batd jenes mit dem andern fi) im Farbenſcheine gattet, und der leichte Tanz in immer andern und andern Figuren fi verſchlingt. Eng umfchrieben iſt der Kreis diefer Lyrik, aber in diefen Kreis find alle erfinnlichen Formen eingeichrieben, gerade wie die Natur in wenige Elementen fo viele Kryſtalle und das Leben feine Blätter und Gebilde wirft. Die reine oft fehnende, oft jauchzende Luft ift die Poefie in diefer Kunft, das reine aͤther⸗ helle Waſſer diefes Diamanten wird eben nur durch den äußern Schnitt in jenes fpielende Zarbenmeer zerſetzt. Eines fehlte noch bisher, feit man dies erkannt, die Faffung zu dem Edel— ftein, das Leben zu dem Liede. Leber Berg und Aue zieht hin das luſtige Voll, an Kreugwegen und Madonnenbildern führt es feine Tänze auf; wir hören die Weife und den Ges ſang, aber wir möchten auch die Neife kennen, und was bie Eingebung des einen Augenblickes mit der des Folgenden vers knüuͤpft. Das iſt uns hier im Frauendienft gegeben, es find die Dentwärdig/e.ten aus dem Leben eines Minneſaͤngers der guten ‚Zeit, die uns hier aufgezeichnet find; was von eptfcher . Handlung feine Iprifchen Begeiſterungen zufammenhielt, hat er uns erllärt, und damit erft iſt das ganze Gemälde dieſer poetiſchen Weltanihauung vor uns ausgebreitet. Gar wohl ſchickt ſichs zu diefem Zwecke, daß der Herausgeber die zwi⸗ ſchen den Liedern durchlaufende Poeſie in Profa aufgelöst, die ungebundne Rede gibt fo den Goldgrund, der die Farben des Lieds entzündet, daß fie wie fchöne, grüne Inſeln aus dem in Lichewellen fchlagenden Meere heraufbluͤhen. Zugleich wird dadurd dag langmeilige, breite glücklich vermieden, das die erzählenden Gedichte einer Zeit, die an dem kuͤhlen, friichen, aber farb » und geruchtofen Quellwaſſer heiteren Lebensgefühles fih ergößte, für eine fpätere haben muß, die aus allen ©les menten fih ihre Labfal miſcht. Haͤufig murmeln die Worte biefer Erzählungen in unerihönflicher Geſpraͤchigkeit wie Wald⸗ baͤche ohne fonderlihen Gedankenaufwand dahin, aber die Zus

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886 Frauendienſt von £, Tieck.

hörer fpiegeiten fi, wie es fcheint, fo vergnuͤgt, wie Gras, Kraut und Baum und Stern in ihrem Silber, und waren nicht zu ermuͤden, denn ihre Liebe ſprach fie Daraus an. Jetzt Reht die elegante Welt wohl aud hinaus zu ihnen, um eins mai wieder die rechte Landluſt zu genießen, ſie trinkt in der Eurzeit das Waller aus Bechern zur Stärkung der fchlaffen Fiber und lobt den Trunk gar fehr gegen jedermänniglich, folte fie aber ihres Herzens Gedanken recht unummunden kund geben, fie könnte nicht anders, als «es für ein abominables Geſoͤff, eine fade Brühe erklären, die ihr Neißen in den Dar⸗ men macht, zu welchem offenherzigen Geſtaͤndniß ſie denn auch die Sudelkoͤche, die ihr Thees Effenzen und Kaffe⸗Surrogate ihrer Fabrik unaufhoͤrlich anruͤhmen, aufs Belle animiren. Dieſe Wellen find nun hier gluͤcklich zur Conſiſtenz eines In— bepps verdickt, und auch fo mag er Vielen weit ‚weniger als . Bett Webers Kraftbrühen munden, die auffchlagen wie Queckſilber im Magen, und den herrlichen Nachgeſchmack zurüctaffen. Jene aber, die in ihrer und aller Zeit nur auf Die Laute des großen Sylbengeſpraͤches horchen, das tief im barmenden Tumulte der Geſchichte die Geifter diefer Zeiten halten, ohne zu merfen auf das Saufen und Raſcheln der lee⸗ sen Spreu, die der Wind umtreibt, werden gar wohl willen, was fie daran haben, ein Blatt aus der Weltgefhichte des Herzens, wie deren in jedem Jahrhunderte nur eines umge fhlagen wird. Seit Ulrich von Lichtenftein, hat die Erdaxe Saum dem Aftronomen merklich in ihrer Stellung fih geändert, das Leben aber und die Menfchenwele hat eine gängliche ms wälzung erfahren, kehrte er ſelbſt zuräd, er würde wohl bie Dreugierde der Stümpffien regen. Statt deffen bat er eim Buch aus feinem Sarg gereicht, in dem es treulich aufgefchries ben, wie ihm zu Muth gewefen, und wie ihm feine Zeit ev ſchienen; wir follten denken, daß es uns merkwuͤrdiger ſeyn mäßte, als eines der fechs und dreyßig Paviangefchlechrer zu beſchauen. Sein Gewerb ift Nitterehum im Minnedienft, von feüHefter jugend bat er fih ihm ergeben, alte einfach kompo⸗ nirte Bilder gehen an uns ‚vorüber, ein rumder voller Tenor fingt daraus in kunftlofer Modulation hervor, anfangs nue in einzelnen Accorden fih verjuchend, dann zu eine yufamıman

588 Frauendienſt von 8. Tieck.

konnte der Ueberfluß ſich gar wohl anhaͤufen, und mitunte eine ans Orientaliſche graͤnzende Pracht ausgelegt werden. Un indeſſen nicht ungerecht die Zeiten zu beurtheilen, müßte man genauer den Zuftand des Landmanns in jenen Jahrhunderten fennen. Wir ſollten denken, der Aderbau fey etwas fo fe tige, fich ſtets gleichbleibendes, daß der Zuftand feiner Pflege

in allen Perioden fo ziemlich derfelde geweſen; bey dem Bl

felverhältniß von Stadt und Land muͤßte die Bluͤthe jenm auch größeren Wohlftand der Bauern nach ſich ziehen. Vieler Hudel war noch nicht erfunden, ‚unter dem Drucke litten nır Einzelne, die Mehrzahl war nach dem treuherzigen,, fo wenig abgefeinten Charakter der Zeit gewiß billig, Ulrich ſelbſt aͤußert darüber durchaus rechtlihe Sefinnungen, und daß man anfyu ſchrieben, wie die Bauern eines Orts in Lothringen allnaͤchtlich die Fröfche im Sumpfe zum Stillſchweigen ſchrecken mußten,

damit fie den Schlaf des Abtes im benachbarten Kloſter nidt

ſtoren möchten, beweist, daß man den Vorgang für Fol eines uͤppigen, frechen Uebermuths genommen. Aber geficer! war die Ruhe und die Freude nit auf Erden, wie fie d denn am wenigften nody in heutiger Stunde iſt; nur wenn das Gethier ſchlaͤft, wagen die Scherze und das Schöne fih auf kurze Zeit hervor, bald aber hoͤrt man wieder unten Im Stalle wiehern. und ſtampfen und heulen mit Gebruͤll durdı fhofen,, und alles flieht eilig von dannen, wenn bie gute Geiſterſtunde ausgefhlagen. So folgt denn auch hier auf di Freude bittres Leid, Klee und Gebluͤme wird zu Heu gemäß, und die fprudelnden Lebenswaͤſſer werden in enge Banden fih geichlagen. : Gerade wie der Franzoͤſiſche Troubadur, Huge Brunet, Mage auch Ulrich, ich habe ſchoͤne gluͤckliche Ze ten der reinen Minne gefehen, aber fie find verfchwunden, aber alles ift verloren und dahin: fo muß alles Leben und aled Epos in die Klage enden, und der Erdgeift wird die Menid heit Magen, ift ihre wahnfinnige Geſchichte einft geſchloſſen. Was weiter dies Buch ſehr ſchaͤtzbar macht und andrerieitd auch wieder beweist, wie das darin befchriebene Leben wirklich gelebt worden, ift der Umſtand, daß wir darin die vollſtindigt Liederfommlung eines Lyrikers beflgen, von dem erflen Anfan gen herauf, wo er nicht ſchreiben gekonnt, bis er allein v8

. 592 Bibliotheque francaise par J. B. Engelmann.

dieſe, deren Originale wir nice kennen, uns doch durchaus fehr wohl angefprohen, und wir nirgendwo Anftoß gefunden Haben, während wir und mit Widerwillen von den meifteh -geugefottenen Minneliedern neuerer Kunſtdrechsler abwenden, die aus den abgefallenen Spänen in der Werkftätte zur Abs wehsiung einmal ein gothiſches Mücenhäuschen zuſammenleü men , in das fie die weggefangenen Ideen eines alten Oaͤngert einfperren und gu Tod ſich zoppeln laflen. Nicht wie dieſe bat Tieck gethan, der Dichter konnte nice in beffere Haͤnde fallen, und wir mäffen ihm Dank wiflen, daß er fo wohl und treu an ihm gehandelt.

J. Goͤrres.

Bibliotheque francaise pour la jeunesse.

Auch unter dem Titel: Choix de lectures instructives et amusantes pour la jeunesse par J. B. Engelmann, Tome I. II. Heidelberg et Franc- fort. 1813. 322 ©. :

Wir zeigen dem pädagogifhen Publicum mit Vergnuͤgen diefes Wert an, weil wir die Beduͤrfniſſe einer ſolchen Lee türe kennen, und das hier finden, was man in vielen fol hen Sammlungen vergeblich ſucht. Die Kenner der Franzi ſiſchen Litteratur und Sprache halten die Aufiäge groͤßtentheils zur Bildung in dieſer Sprache geeignet, und haben nur hier und da einiges zu tadeln, z. B. in mehreren Aufſaͤtzen einen etwas gezierten Vortrag, was der Frangofe ampoule& nennt. Der Paͤdagog erfreut fi auch der guten Auswahl: 3. B.

das Leben Düvals wird hier der Jugend wieder erzähle, an deſſen erhebdenden Einfluß wir uns noch immer erinnern.. Au iſt für Mannigfaltigkeit geforgt.

©.

Alrich von Hutten gegen Defd. Crakantd. . 597

Eine Parthey nichts als Unruhen, Zwiſte and Schimpfs wörter, die Andere nichts ats Cenſuren, Bullen und Scheiterhaufen hat?“ Iſt es aber nicht ſonderbar unb faft undegreiflih, wie Erasmns glauben konnte, Daß in Luthers Bade uur von bdifputablen Schulfeagen die Rede ſey, ba er ſelbſt in der erfien obigen Aufzählung fo vieler Mißhräuce, . welche mancher brave Gelehrte nebſt Luther abgeſtellt wmänfche ee, fo manchen wichtigen Bunct angefuͤhrt hate, an dem weit mehr Schaden oder Befſerung bangen. mußte, als an dem größten Theil des Symbolum Athansfianem. lad. ges rade diefe Puncte waren doc Luthers Hauptbeſchwerden gegen den Römifchen Stuhl! Erasmus ſcheint wirklich alles dieſes Nothwendige, worin er mir Luther Abereiakam, nur Deswegen von Luthers. Sache abzufondern, weil‘ er feld und fo mancher Redliche, auch ohne Bucher, es für hoͤchſt noͤhig hielt umd ger halten hatte. Aber war darum chem das, was Ergenns als die Sache (nice Luthers, fondern) des Evangelinume anfah und fo benanmte, weniger auch in Luthers ganzer . Un⸗ ternehmung das Wefentlihe 7. Sin der That kannte Erasmus and, von dein, was er zu. ben bleßden Gehulfsagen rochnen wollte, mauches nur deswegen für fo unbabensend anfchen, weit es bloß die Säge an ſich, nicht aber die Grundſaͤtze davon in’ Betrachtung zog. Man mochte rubig digpmticen, ; 06. die Yuctoritht des paͤbſtl. Stuhle von Chriſto, ober. nem der Kirche ſey, wenn, nur nicht in beyden Fällen bie Idee poſtuliet warde, daß jene Auctorität menſchlicher Kirchenvor⸗ ſteher in jedem Fall ein Recht enthalte, irrefragable Vorſchrif⸗ ten fuͤr Lehre und Leben der .Chriften im Namen Sein, der Apoſtel und der „Anfallibien“ Kirche zu geben, Disfes Prins, cip iſt es, worauf ale Differenz ruht: und ein ſolches Princip, anf weiches fi die pPaͤbſtliche Machtvoll⸗ kommenheit viele taufendmale ale auf ein ihr vom Himmet verliehenes apoftofisches Morrscht berufen hat, um für ihre Beftimmungen in dev Kirche immer, im Staate aber aud), fo oft es thunlich ſchien, unbedingten Gehorſam gu fordern, konnte Erasmus nie unter die bloße Schulftage zählen. Wer an jes nem Princip nicht feit hieit, konnte: vielmehr nicht Roͤmiſch⸗ katholiſch heißen. Das irrefragabte: Feſthalten aller Mike braͤuche, die Erasmus ſelbſt rüge, woher anders entftand es,

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498 nid. vom Sa

anf Religion bezogen zu daß er deu mie Ihm- in nicht zum Tode verurthei Prinrip bereits, feinen i Kern in den: Bann geth Erasmus war alſo von als von Luther ſelbſt, in Iſt es Henn etwas Groß Bin: ſterben wärde, noch bdelehrenund überz Nicht einmal das macht man ihn zum Mider wird es anders: ansiegen ; roth, als gebraten werden a!) Sm runde | des Eradinuis.eigentiich d Sucher weſentlich beabfid uAbereinſimnte, daß ce "ei geugung: hatte umb fie ni weil und dies war of Ser Diehatmonio ! han datf ſagen, Luther dung mit dern, was in war, im entſchiedenſten oben beruͤhrte Bedruͤckung Neberzengungaefreyheit, je penſationen und Indulger Achkeit u. dgl. m; waren wider‘, weil der Geſchma auch die Sittlichkeit dadaı gidſen Luther war eben Gfaubendeifer,, fein‘ Defi fein Gefaͤhl für prackifd Tonnte. Daraus entfiund Der keiner Darchey ;

Nirich von Hatzen genen Dei. rind. 639

elle (©. 0,5), am wenigſtan ermwagen keunte, eine zum Partheymachen, auch zu einfeltigen Behauptungen feicht. vogs leitende Heftigkeit. Was konnte Lucher dagegen, : daß er ‚aß ‚Augufkiner s Eremite moͤnchiſch ergogen war ? daß er nur durch ‚Die heftigſten Anſtrengungen, wo ein gewalkfam erregtes Wahr⸗ Heitsgefüht den Eraftwolen Geiſt drängt, ſich aus dem Tiefften mporarbeiten mußte? daß er- die. milde Bildung. Buch Dem Maren -Sinn ‚der TClaſſiker nicht genoſſen? nicht Durch jen⸗ ‚Uebungen im Interpretiren, die Vielſeitigkeit der menschlichen Wegriffe leicht zu verſtehen und zu ertragen gelernt hatte 7 Es her,“ fagt Er, dagegen. ©. 953 recht aus ſe ine m Herzen har⸗ ms ‚könnte dreymal und viermal mein. Bruder ſeyn, mad: ip koͤnnte feine ganze Lehre billigen; darum müßte ich- aber dag immer ſeinen ungehenren Starrfiun im Behaupten und fein heftiges -Schmähen, wegu er immer bereit IR, ger ſehr mige billigen (non. possem non vehementer.improhsze tantam an asseverando pervivaciam, tam arerbam uhi- 'Que’paratam maledicentiam). Anch kann ih mich immer noch nicht Adergeugen, daß ber Get Cheiſti, workhee an Milde nichts: geht, in einem Herzen wohne, anf dam-(p wie Bitterkeit herausſtroͤmt. Moͤchte mich dad meins Wars muthung Hier täufhen! =. Achnlihe Zweifel. Ahern dep Geiſt Chriſti, ob er in dem nie ‚heftig Bewegen, alſo nie begeiſtart ſcheinenden ‚Erasmus mohne, hatte Luther auch wider Er, ger Aaßert. Warum alio-Erasamıs von Luthar diffentiste, dies Sag meift in der Derfbntichkeie, nicht in dem Meſentlichen der Umternchmung Luthers. Dagegen. charakterifist Die Peorföns lLach keit des Erasmas in Hinſicht anf dieſe Sache fi ſelbſt chenfalls fo, daß. gewiß. nicht Luther lallein, fondern wohl : jeder Menſchenbeobachter und Geſchichtkenner mit derſelben mie ‚gafammentveffen möchte. Wie dort bie Heftigkeit, fo führte hier Idie Milde auf ein: Extrem. Wer kann ohne Laͤcheln uͤberden⸗ zken, was ©. 278 als der: legte Vorſchlag der Erasmiſchen Gutmaͤthigkeit ? oder Klugheit 7 ausgeſprochen iſt: Was na e Mebergeugung des gelehrreren Theils der Freunde des Evange⸗ Stums gar allgemeinen Wohlfahrt des Chrikens oil and zur Ehre Chrikt etmas beytragen kans, das «merbeän geheimen Brisfen dam Pobpe und dem

Wach’ von Hutlen gegen Deid. Eradiuuh PL Au ihr, fe Hat die Kirche in der Geueinfhaft der Srommien ihren Sitz. (So barmonirte Er. auch. mit Piss tbers Idee von der unfihtbaren Kirche, als Gemein; ſchaft der. Heiligen/) Diefer Kirche wird H. aber auch’ einen Biſchof geben; er wird erlauben, daß er Metropefltan: wehrte Habe, da es fd viele Erzbiſchoͤſe in diefen Gegenden Deutfſchlands ıc.) gibt, die nie einen Apoftel gefehen haben und Nom den Petrus und Paulus fah, die ohne Widerſpruch die größten Apoſtel waren. Was liegt nun Ungerelmites darin, wenn man Anter den Metropolitanbifchdfen den "von Nom den ' erfien Rang (primum: löcum ) einräumt.‘ Denn: daß ich ie ungeheure Gewalt, welde fich die Päsfte (dur apoſtol: Jurisbietion aͤber Die ganze Kirche und durch eine Gottes Stelle vertretende Registarion!) ſeit einigen Jahrhunderten ans maßten, vertheidige, wird niemand von mir gehört Haben. Soch, Hatten kann einen heillvſen Pabſt nicht vertragen ? Bir wauͤnſchen aber alle, daß der Pabſt ein Mann ſey, ber verdiene, auf Petri Stuhl' zu figen. „Und. wenn er. es Nicht verdiene?“ Do ſetze man ihn ab. ben fo ſollte man auch alle Biſchoͤfe abſetzen, die nicht ihre Pflicht thun! „Uber. die aͤrgſte Peſtilenz für die Weie kain ſeit "vielen Jah ven von Rom her!“ Wollte Sort, man fönnte dies täughen. Inzwiſchen haben wir jet einen’ Pabſt (Hadrian VE), der, wie ich glanbe, aus allen Kräften daran arbeiter, Siefon" Stuhl. und diefen Hof von feinem Schmutze gu reinigen.“ Ss offen: erklärte fich der nad) "Temperament und Bildung daßerft humane Erasmus. Ein wahrer Vortheil War es auch Far ihn, daß er:feine Sponpia ‘gerade unter Hadrian VI, zu gebrauchen hatte: Bedaͤchtlich ſetzt er dann aber doch hinzu: „Und detie Liebe iſte nach Paulus, weiche Alles hofft.“ Den 1.Sept 268628. erklaͤrte Hadrian VI. in feinem erſten Conſiſterium zu Wem ‘feine Vorſatze zur Reform der paͤbſti. Curie? den 14. Sept. ſtarb der das Beſſere wollende Nicht⸗Italiaͤner ünter dem Achfelgusten: feiner welttlugen neuen Umgebungen. Wie (hlimm;, "wenn Reformen nur von der vorübergehensen Per⸗ Ä ſonlichkeit· abhangen und dabey die Seundmeynungen gegen fie x tet Bleiben tollen. _ Eben ſo offen und wahr aber ſagt Erasmus Hard der. andern Parchey „Men wir. unaufhorlich

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85: Einige Bert kb. d. Bere.2. Yastsmit u. 5.5.0 Gescher.

‚Beine irrigen Bogriffe verbinde), im dem erfien Ormaben der. Demmiratien einiges Algemeime über , Dänte, iusten, Gefaße, Nerven ıc. vorzuiragen, und bie werkhies dene Texiur friſche Städe umd beſenders verfertigte Pra⸗ parate zu verſtanlichen; fo wie es wohl nachher yiemicch vom | der Willlähr des Lehrers oder dem Zufluffe der Cadever abs. hängen dürfe, in weicher Ordnung bie Berträge auf einander folgen ſollen, womit es ſich aber bey Schriften über Anatomie anders verbalte m. |. w. , Mac biefen voransgefchidten Bemerkungen über bie Gefie Art des Borteags der Anatomie anf lniverktätn, wodurch | Vieles Gındinm dem Phyfiologen wie dem Chirurgen gleich angenehm , faßlich umd leicht gemacht werben könne, eheitt und der Berfaſſer die Beichreibung zwther verſchiedenen Durch⸗

mit den als Netze und Gekroͤſe bekamten Zertfeguugen

die Bildung und Entſtehung dieſer Sortfekungen und ber Id, forung der verſchiedenen Blaͤtter derſelben, fo wie das Bes

der Netze, als Fortſaße des Bauhfells, verſachten Präparationen erleichtern allerdinge die Löfung. der Aufgabe: der Demonftration des Bauchfells, und eigenen ih dazu, dem Anfänger fhneller und ficherer eine !lare Vorſtelung von eines Membran zu verfchaffen, die bald die Wände der Bauchhͤhle Aberzieht, bald die ın der Höhle eingeichloffenen Eingeweide umfleider, bald diefe als eine Bräde verbindet, bald wieder frey flottirende Anhängiel bildet, und dach einen Überall gu ſchioſſenen Sack ausmacht. Die bepden Abbildungen, We. son. die eine die Fläche eines Querdurchſchnittes Des Unterleibet (deſſen einichligßende und eingefchlofiene Theile zu der beabſih⸗ tigen Darftellung befonders präparirt worden Kuh), Die ander die Flaͤche eines Durhichnittes der Länge mad darſtelt, ui ſprechen, wenn fie chen der Verf. für flähtig entmerfen gibt; ihrem Zwecke. ——— Dieſe Darſtellungen wuͤrden nicht weniger, als jene Bewcere tungen Aber den beym Vortrage der Anatomie eirzuſchlagenden Bes das ruͤhmliche Strehen des Berf.: den Unterrvicht zu ven beffern und gemeinnäßiger zu machen, beurfunden, wenn dies nicht ein Verdienft wäre, welches er fi, außer andern Arbei⸗ ‚sen ähnlicher Art, vorgügfich durch fein, ver —— | fo vortheilhaft ſich auszeichnendes, Lehrbuch der ſchon erworben hat.

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610 Ueber d. Bereinig, d. beuden pr. Rischenparthenen u. Sad,

Beth von Hofmann, (von Alpen, patrissiidher Aufruf zur ellgemeintn Brisiniguna, Bert. &. XVII. XVII. ) „arbeite ten mist aller Anfirensung au biefer Bereinigung, und ale fanfte, friedtiehende Männer, Erasmus, Melauchihen, Delolampad, Bacer, Hedio, Eaffander, Gefomdes | aber Auge Grotins in einer eigenen Schriſt: Wunfc fr dem kirchlichen Erieden.“ Au if es befannt, daß diefer Ga genſtand (aber eine allgemeine kirchliche Bereinigung) auf dem Aeichetas zu Regensburg, 1641. zu Speier, 2d44,

Berms, 1545, und zu Augsburg, 1848, in Vetradkeumg ge⸗ zogen worden il. Die Bereinigung wäre and, wenisfiens umter den Protefianten, chen Damals füher zu Gtanbe gekom men, wenn Zwinglis und Delolampans Briefe wit eben im Druck erfhienen wären, und wenn niit Bucer eine Vorrede dazu gemacht hätte, in melher er Deklolamı pad feinen Vater und Lehrer nannte, und Zwingli wegen einiger freyen Ausdrüde über das Abendmahl ( Plant 3.%. 3. Th. ©. 585) vertheidigte; wenn nicht die Amsdorfe dan Ehurfärften fo gereizt hätten, dab er Luthern fehrieb, er mös den Öteasburgern in keinem Punct nachgeben, nnd wenn nick Luther fo märrifch nnd reigbar werden wäre, daß ſelbſt feine SBertrautefien nicht mit ihm zurecht tommen konnten (Plant, 4.9. ©. 30, Note). Das geihah in einer Zeit, we mas Die Vorfiellungsarten noch für weit: wichtiger hielt, we bi Lutheraner noch ein großes Gewicht auf ihre Anficht won der Gegenwart Jeſu im Abendmahl, und die Neformirtew. auf ihre Philofophumenen von der Praͤdeſtination legten. Date wie mehr follte man es jebt erwarten, da die meiſten Ichetifdgen und reformirten Theologen dieſe Borfiellungserten - faft gan aufgegeben haben, und Alle indem. übereinfiimmen, was der würdige Sad in feiner Vorrede ( &. IX) jagt: -„ Wer von einer befondern Worfiellungsart: in Religionsiaden bebanptet, fie berreffe nicht das Weſentliche des chriftlichen Glaubens um rechtfertige nicht die Verſagung kirchlicher Gemeinſchaft, Ber ift noch Peineswegs ein Sndifferentift, dem Wahrheit und Jrer thum einen gleihen Werth ober Unwerth haben.“ WBorflek lungsartch und Wahrheit find ſehr verichieden. Die Wehrheꝛ kaun bey vielerley Vorſtellungsarten heſtehen.

aber d.WBerciuig. d. beyden pr. Hischenparthegen v. ad. 611

Sack bringt nun diefen Segenftand der Vereinigung ber beyden proteftantifhen Kirchen wieder zur Sprache. Er ers zaͤhlt zuerſt, was Preußens Negenten fett 150 jahren gethan Haben, um den Kirhenfrieden zu erhalten und zu fördern. Mertwürdig ift in dieſer Hinfiht das, von 27 Perfonen uns terfchriebene, ganz den Geiſt des trefflichen Alphons Turres tin, ihres Haupts, arhmende Schreiben der Genfer Theologen, an Friedrich J., worin fie diefe Wereinigung „une sainte rdunion“ nennen, „qui est si juste en elle même, si con- förme’aux. maximes de PEvangile, si utile pour Vinterdt oommun de la religion protestante, si necessaire, pour sous garentir des entreprises' (nicht des wahren Catholi⸗ cismus, fonden:) du papisme, qui ne cherche qu'à nous perdre les uns et les autres, enfin qui est souhaitde avec tant d’ardeur par tous les.gens de bien, .et qui ne sauroit manquer, si elle est une fois conclue, de contri- buer infiniment, à &tendre les bornes de notre sainte reformation“ (S. 905), und worauf der König untworter: Ganz ındbefendre aber erfreut ed mich, daß gerade Eure Kirche in diefem Betracht fih mir anfchließt, da fie durch das große, ehrenvolle Anfehen, deſſen fie unter allen Evangeli⸗ ſchen genießt, dieſem wichtigen Geſchaͤft ein fo bedewtendes Gewicht mehr verleihen wird; und in der That, was könnte

wohl für Euch ſelbſt würdigeres, und: der Stelle, die Ihr in Ber reformirten Kırde einnehmet, irgend angemefleneres ges fiheben ‚sale daß Ihr, "die Ihr vormals mit der Fackel des Slaubens der evangeltfchen Kirche voran ginge, ihr nun auch ein leuchtendes Beyſpiel chriftlichen Eifers und chriftlicher Milde vor Augen ſtellet.“ Sack redet von den Bemühungen : des geoßen Leibniz und des erften KHofpredigers Jablonsky, mit dem Abt Molanus, um die Wereinigung der beyden . &enfeflionen, wozu :der König durch mancherley Veranſtaltun⸗ | gen mitwirkte, und von den gleichen Grundſaͤtzen, die fein - Nachfolger, Friedrich Wilhelm J., befolgte. Wie Religidſitat ı unter Friedrich II. verfiel, und unter Friedrich Wilhelm II. Wach) verkehrte Mittel wieder gehoben werden follte, wird kurz und ‚mit vieler Klugheit berührt. Nun zeigt er, was die jegige Degierung zum Näherbringen der beyden proteftantifchen” Kirs

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22 MWnfangtgr. der Häpern Wnalafis von Vodnenderger.

niffes hieß, die erfie abgeleitete Function, ber Erw nent des zweyten Differentialverhälsniffes aber die zwepte abgeleitete. Function genannt wird. Daher müflen wir - 08 billigen, daß der Verf. gleih zu Anfange feiner Schrift fhon den Begriff der Grengverhältniffe zum“ Grunde gelegt Bat, mit welhem diejenigen, welche die Schriften Yon Atı himedes und Euclides ſtudirt Haben, fchon früher befannt geworden find. ee Nach diefen nöthigen Vorbemerkungen theilen wir eine kurze Inhalts » Anzeige mit. Die Einleitung handelt S. ı— 46 den binomifhen Lehrfas und die erſten Varbereitungs gründe der Differentiatrechnung in zwey Capiteln befriedigender, als. gewöhnlid, ab. In der Diffewentiafrechnung felbft werden ©. 47— ade in acht Capiteln die Differentiale der einfachen und gufammengefeßten Functionen einer veränderlichen Größe; Die Anwendungen des Tapylorifchen Gases. auf Functionen mehrerer veränderliher Größen; die größten und Tleinften Werthe gegebener Zunctionen ; die Tangenten frummer Linien, Die Krümmungskreife und Evoluten; die Quabdraturen und Mectificationen krummer Linien, nebſt Berechnungen der Oben Mähen und des Inhaltes runder Körper; endlich die Beſtim⸗ mungen der Tangenten und Krümmungss Halbmeffer krummer Linien, ihre Quadratur, Angabe der DOberflähe und des In—⸗ balts runder Körper, wenn die Ordinaten von einem Puncte - ausgeben, mit vieler Ausführlichleit gruͤndlich und faßtich dan geftelt. Es war. ung hierbey ſehr erfreulich zu ‚bemerken, daß der Verf. hierin fchon Anwendungen auf Quadraturen, Wectis ficationen und. Cubaturen. vorgetragen hat, da dies dem Ans fänger die aufgeftellten Säße der Theorie fehr erläutern und fein Much durch dergleichen lehrreiche Anwendangen, wenn er durch den Kampf mit fchwierigern. Lehren gefchwächrt ſeyn ſolte wieder geftärkt und erhoben wird. Die Integralreds nung lehrt. mit. gleichee Gruͤndlichkeit in: fliehen. Kepttein ©. 253 352 die integration rationaler- und irratisnaler Bunctionen einer veränderlihen Größe; die Integration der Rreis s und logarichmifchen,, wie auch erponentiellen Functio⸗ nen; die Sintegration durd Annäherung und jene der Göhern Integrale; endlich die integration der: Differentiaigteichungen der erfien Ordnung mit zwey veränderlichen Größen und jene der Differentialgleihungen der zweyten Ordnung. nd ndem wir dieies Werk jedem Freunde der hoͤhern Anas lyſis beftens empfehlen, möchten wir den würdigen Berf. aufs fodern, zum Behufe der allererfien Anfänger «ine turye Anleitung zu diefem wichtigen Studium audguarbeiten und bes kannt zu machen, welche als erſter Curſus bey deze ‚Kim