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EURIPIDES HERAKLES

ERKLÄRT

VON

ULRICH VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF

BAND I

BERLIN WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG 1889

EINLEITUNG

IN DIE

ATTISCHE TRAGÖDIE

VON

‚ULRICH VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF

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ATTENTION PATRON:

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BERLIN WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG 1889

τὰ ἱρὰ ἐόντα πρήγματα ἱροῖσιν ἀνθράποισι δείκννται, βεβήλοισι δ᾽ οὐ ϑέμις, πρὶν τελεσϑέωσιν ὀργίοισιν

ἐπιστήμης. Demokritos.

ALMAE-MATRI

PORTAE

γ- 8- L- M- OYTIAYZOMAITAZXAPITAZ MOTYZAIZEITKATAMEITNTZAALETANZTZITIAN 9 ıx 1867 21 v 1889

VORWORT

Als ich vor 22 jahren das kleine katheder des betsaales bestieg, um abschied von der Pforte zu nehmen, überreichte ich ihr nach alter guter sitte eine valedictionsarbeit, die das motto trug, das ich heute wiederhole. es war und ist ein gelübde für’s leben: den Musen und auch der alten schule werde ich die treue halten. die abhandlung selbst gieng die griechische tragödie an und war natürlich ein geschreibsel, ganz so grün wie ihr verfasser. der würde tief unglücklich geworden sein, hätte er geahnt, wie bald er so urteilen würde; aber im stillen herzen gelobte er sich doch, wenn er ein mann würde, der Pforte ein buch zu widmen, das denselben gegenstand wissenschaftlich behandelte. dies gelöbnis würde er nie ausgesprochen haben, wenn er es nicht zugleich erfüllte. er tut es heut, indem er das drama, aus dem er damals das motto nahm, er- läutert, und ein buch veröffentlicht, das vor allem so grünen aber von den Musen begeisterten jünglingen, wie er damals einer war, das ver- ständnis der tragödie erschliefsen soll.

Denn geplant und begonnen habe ich dieses buch zunächst nicht um neue forschungen vorzutragen, sondern um das verständnis der tra- gödie, das doch gemeinbesitz der wissenschaft ist, zu vermitteln. nun ist freilich etwas ganz anderes herausgekommen, das jenen zweck viel- leicht nicht mehr so gut erfüllt, jedenfalls ein anorganisches gebilde, dem ich zur entschuldigung seine entstehungsgeschichte mit auf den weg geben mufs.

Meine wissenschaftliche arbeit ist von der tragödie ausgegangen, und mich interessirte zu anfang das meiste nur entsprechend dem, wie ich

vn Vorwort.

es für dieses gebiet nutzbar machen konnte. das war freilich nicht wenig, denn mein lehrmeister war Welcker, in dessen werke ich mich mit leidenschaft vertiefte. damit ist gesagt, dafs mich die herrschende tragiker- kritik nur mit widerwillen erfüllen konnte. und doch gehört ein jeg- licher seiner zeit an, und mein erstes buch war stark in den irrtümern der nämlichen methode befangen, gegen die es laut protestirte. ich hatte es zum äufseren zwecke der habilitation in unverzeihlicher eilfertigkeit hingeworfen, und wollte es schleunigst durch etwas reiferes ergänzen. aber ich war noch unreif. zwar widerstand ich der versuchung, die an mich herantrat, meine collationen zu einer Euripidesausgabe zu ver- wenden, auch der, ein buch über das drama zu schreiben. aber ich wähnte doch in kurzer frist eine erklärende ausgabe des Herakles und dann anderer dramen fertig stellen zu können, weil ich den text fleifsig durchgearbeitet hatte, und bot deshalb der Weidmann’schen buchhand- lung 1877 diese ausgabe für die Haupt-Sauppe’sche sammlung an. darin war der gedanke ganz richtig, dafs es nützlicher ist, das was man ver- steht vorzulegen als was man nicht versteht und deshalb ändert, dafs es zunächst gilt zu erklären; aber ich würde meine sache noch nicht ordent- lich gemacht haben, weil ich zu wenig wufste. zum glücke zwang mich das lehramt zum lernen, und als ich 1879 den Herakles ernsthaft wieder angriff, wufste ich wenigstens das drama eingerückt an seinen richtigen platz sowol in der entwickelung der sage wie in der gesammtentwickelung der hellenischen geschichte und cultur zu betrachten. und auch sprache und verskunst hatte ich begonnen geschichtlich zu erfassen. mir selbst war nicht klar, wie gewaltig die veränderung war; aber ich sehe es jetzt, wenn ich die excurse zu Euripides Medea mit den Analecta Euripidea vergleiche. wie ich damals zum Herakles stand, zeigt der text und die übersetzung, welche 1879 als manuscript gedruckt in vieler händen ist. der gröfste teil des commentars und der einleitung war auch ausgearbeitet oder skizzirt, als äufsere verhältnisse mich 1882 zwangen abzubrechen. damals hielt ich mich noch im rahmen der schulausgabe, und vielleicht hätte ich ihn damals inne halten können. weihnachten 1886 habe ich mich denn wieder daran gesetzt, entschlossen um keinen preis abzulassen, bis ich die arbeit von der seele hätte. das habe ich denn freilich er-

Vorwort. X

zwungen. aber das buch ist gänzlich ungefüge geworden. zwar den vorteil wollte ich nicht aufgeben, den strom der erklärung von der wasserpest der kritischen debatten und der polemik rein zu halten: ver- geblich wird der leser moderne eigennamen suchen, die jetzt mode ist womöglich durch gesperrten druck kenntlich gemacht wie fettaugen auf der wissenschaftlichen suppe schwimmen zu lassen. aber die berechtigte forderung, gleichmäßig zu erklären und streng bei dem gegebenen zu bleiben, ist doch verletzt, und es ist wieder ein commentar, der einen index nötig hat. vollends aber die einleitung ist zu einem bande aus- gewachsen, und ich habe mich schliefslich dazu versteben müssen, sie durch einen sondertitel als einleitung in das attische drama zu verselb- ständigen. unmittelbar diesem zwecke dient nur die hälfte, cap. 2—4; auch 5 und 6 fallen nicht ganz heraus, denn wer auf das verhältnis der tragödie zur sage so viel wert legt, dafs er es sogar in ihre definition einbezieht, wird ein beispiel unter allen umständen vorführen wollen, und das kann Heraklessage und Heraklestragödie so gut wie eine andere sein. aber ein γένος Εὐριπέδου ist ganz unberechtigt, wenn die beiden anderen tragiker fehlen, und die wieder können in die einleitung zum Herakles nımmermehr hinein. es ist nicht anders, das buch wie es ist ist keine einheit und hat objectiv keine berechtigung. dies urteil ver- diene ich, fälle ich selbst zuerst, aber ich konnte nicht anders: was ich gemalt hab’ hab’ ich gemalt, und die subjective berechtigung lasse ich mir nicht nehmen. ist denn die wissenschaflliche production eine andere als die dichterische, wo wir doch wissen, dafs der dichter unter dem zwange des geistes schafft, der über ihn kommt? auch unser tun ist ποιεῖν, und auch wir können die poesie nicht commandiren. nur was wir verfeblen, ist unser, und etwa die handwerksarbeit, die jeder kann, wenn er den schweils daran setzt: was uns gelingt, das danken wir der Muse, und soll ihr, nicht uns, danken, wer sich dadurch gefördert fühlt. mir hat sie versagt zu schaffen, was einen reinen eindruck macht; ich bin philologe genug, den mangel einzusehen, aber ich bin nicht poet genug, ihn zu überwinden.

Ich hatte jahre lang meinen zorn damit beschwichtigt, in dieser vorrede einmal gegen die behandlung aufzustehen, die sich die wortführer

x Vorwort,

der s. g. öffentlichen meinung in den recensiranstalten und jahresbe- richten meinen arbeiten gegenüber herausnehmen, immer dreister, weil sie ungestraft bleiben. nun bin ich auch darüber hinaus, und lasse sie ruhig gewähren, sich selbst zum gerichte. jeden ehrlichen jungen, der der wissenschaft noch so verworren zu dienen beginnt, betrachte ich mit freuden als meines gleichen: aber die sphäre, in der das licht von Nicolaus Wecklein leuchtet, liegt hinter mir, in wesenlosem scheine.

Ein buch, an dem so lange geschrieben und gedruckt ist, wird einzelne wiederholungen und selbst widersprüche enthalten müssen, weil der ver- fasser zu lernen fortfährt. so würde des berichtigens und nachtragens kein ende sein. schon die bücher, die mir nach abschlufs des manuscripts be- kannt geworden sind, z.b. Naucks neubearbeitung der tragikerbruchstücke, Ramsay on Phrygian art, Dümmlers Akademika, erfordern eigentlich eine nachträgliche berücksichtigung; noch viel mehr müfste ich neu machen, wollte ich den mahnungen und anregungen meiner freunde G. Kaibel und F. Leo gerecht werden, die mir zu liebe die druckbogen gelesen haben. das würde also endlos sein, und so habe ich mich auf einen nachtrag beschränkt, der die überraschende rechtfertigung klar stellt, welche einem verse der tragödie in seiner überlieferten gestalt durch die neusten funde auf der athenischen burg zu teil geworden ist. schliefs- lich mufs ich mich, wie gewöhnlich, anklagen, die druckfehler schlecht verbessert zu haben. verlagsbuchhandlung und druckerei bedürfen zwar keines lobes; aber ich schulde ihnen um so mehr die öffentliche an- erkennung, dafs sie für dieses buch alles getan haben was ich wünschte, und dafs die mangelhafte correctheit des druckes in allem wesentlichen meine schuld ist.

Göttingen.

U.v.W.-M.

INHALT.

1. Das leben des Euripides. Selte

Beschränkung der aufgabe; vorarbeit des Philochoros . . . 1 Todes- und geburtsjahr;; herkunft; ehe; vermögen; proxenie von Magnesia; stellung zur politik und gesellschaft; auswanderung nach Makedonien . 2 Geistige entwickelung; angebliche jugendneigungen; mansikalische ausbil- dung; sophistische studien, verhältnis zu Sokrates Archelaos Anaxagoras Protagoras u. a.; sonstige studien; mangel an geographisch - geschicht- lichem interesse ; verhältnis zu epikern iyrikern mythographen, zur volks- ae ke inneren IB Nachgelassene werke . . . . EEE |)

2. Was ist eine attische Iragdiet

Stellung der frage als einer geschichtlich bedingten; unzulänglichkeit eines jeden absoluten standpunktes, auch des aristotelischn . . . . 43 Die zuverlässige geschichtliche überlieferung ist zunächst unzureichend; die analogie der komödie hilft nichts; entstehung aus dem dionysischen cultus ist undenkbar; die gewöhnlichen fabeln sind autoschediasmen des Eratosthenes . . 00. 49 Die tragödie ist zunächst. eine art der chorischen Iyrik, ist dithyrambos. entstehung der litteratur in Asien; epos, elegie, iambos, lied. durch den übergang nach Hellas entsteht die chorische Iyrik; Alkman, Stesichoros, Pindaros. der attische bürgerchor und der attische dithyrambos . . . 63 Τραγῳδέα und zeayos, silene und satyra. die bockdämonen sind pelo- ponnesisch ; bockschöre des Arion; übergang nach Athen; zutritt des recitators aus dem iambus; zeaygpdia dasselbe wie satyrspiel; Phrynichos 81 Aischylos schafft das tragische drama durch einführung des dialogs formell, durch den anschlufs an Homer inhaltlich. wesen und geschichte der heldensage . . . . .. Fe ΞΕ 92 Beantwortung der gestellten frage: die mängel der aristotelischen definition; unberechtigte moderne urteile und forderungen . . . » 2 0 2... 107

3. Geschichte des tragikortextem. .

Die tragödie das erste buch . . . 120

Erste periode der textgeschichte bis auf Aristophanes - von Byzanz. schau- spieler; philosophen; die hellenistische zeit; Aristophanes; ausgabe des Pindar, der tragiker, ὑποθέσεις, texigestaltung, verteilung in bände, er- Klärung . . 2. 2 20200. EEE > 7 |

xl Inhalt.

Seite Zweite periode, bis auf die zeit Hadrians, die alexandrinische philologie; die erhaltenen ὑπομνήματα zum Rhesos und Oidipus auf Kolonos; Didy- mos; lexica, scholien, mythographie, florilegien . . . » » 2.2... 153 Dritte periode, bis auf die erhaltenen handschriften. verfali der cultur; schulmäfsige erklärung; scholien zu Aristophanes, Pindar, Apollonios, Theokritos, Nikandros, Aratos, Lykophron, Hesiodos. byzantinische cor- rectoren der leizten zei - . 2 2 2... . 00.0.0. 113 Schulauswahl von tragödien; Sallustius zu Sophokles, Dionysios zu Euri- pides, der erhaltene text des Sophokles, Aischylos, Euripides. reste der gesammtausgabe des Euripides: folgerungen für recensio und emendatio in den tragödien der auswahl und der gesammtausgabe . . . . . . 19

4. Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

Bekanntwerden der iragiker; Musurus, Laskaris, Victorius. die französische philologie im 16. und 17. jahrhundert. die englische von Bentley bis Dobree. Brunck, Valckenaer, Cobet, Reiske, Lessing, Herder, Goethe . 220

Gottfried Hermann und Welcker. der streit um die Eumeniden und seine folgen; verfall der tragikerkritik. die wahren aufgaben . . . . . . 235

b. Der Herakles der sage.

Hellas vor der völkerwanderung; Hellenen und Karer. die einwanderer, in Makedonien, Epirus, Aetolien, Messapien, Elis; Boeoter und Thessaler ; Dorer. besetzung des Peloponneses . . . . . - 256

Herakles ein Dorer; fehlt den Eleern, Aetolern, Makedonen; seine 1e verehrung bei-Italioten, Italikern, Barbaren; Heraklessagen geschichtlichen inhalts 269

Herakles ein gott; grundbedeutung der gestalt, inhalt der ältesten sage . 263

Umformung der sage in Argos; der name, verhältnis zu Hera und Eury- stheus; die thebanische geburtsgeschichte; das argolische gedicht von _ den zwölf kämpfen; dorische volkspoessie . . . 00.0. 292

Umformung der sage durch das ionische epos; die oetäisch - aetolischen

sagen; Kreophylos; die selbstverbrennung; der kindermord 0.0. 312

Die Heraklesreligion seit der archaischen zeit; Hesiodos, Pindaros; Herakles μελαγχολῶν, yılndovos; bei tragikern, sophisten, kynikern; deutungs- versuche in alter und neuer zeit; Buttmann, O. Müller . . . . . . 327

6. Der Herakles des Euripides. Aufführungszeit bestimmt aus kriterien des inhalts und der form. stoff;

überlieferte form der geschichte und neuerungen des dichters . . . . 341 Aufbau des dramas; gehalt desselben . . . 2 2 2 220 νὸν. 86Ὶ Verteilung der schauspieler . . . . » 380

Nachwirkung, in Sophokles Trachinierinnen, in der mythographie; das drama würde sich inhaltlich reconstruiren lassen, auch wenn es ver- loren wäre . > 200 nen. 982

1. DAS LEBEN DES EURIPIDES.

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Wenn diese ausgabe eines euripideischen dramas als erstes capitel der prolegomena eine biographische skizze bringt, so geschieht das im an- schlufs an die weise der antiken philologie. wir lesen in den erhaltenen handschrifien der dichter, wenigstens so weit sie auf gelehrte ausgaben des altertums zurückgehen, einen lebensabrifs, der meistens γένος heilst, weil er mit der herkunft anhebt, auch wol weil den verfassern Blog zu anspruchsvoll klang. denn es lag ihnen fern, von dem wesen und wirken des dichters eine schilderung zu geben, geschweige dafs sie etwas hätten leisten wollen, was wir biographie nennen: dazu hat sich niemand” im altertum erhoben. sie wollten dem leser nur kurz die nachrichten über die äufsern lebensumstände des mannes angeben, dessen werke folgten. durch deren lecture mochte dann jeder sich den rahmen selbst füllen ; zur richtigen beurteilung erhielt er in dem γένος einige orientirende beobachtungen und kunsturteile. diese weise, schon in alexandrinischer zeit geübt, ist praktisch und wird deshalb von den modernen häufig und so auch hier befolgt. eine wirkliche biographie, eine entwickelungs- geschichte des individuums innerhalb der kreise, in die es gestellt war, eine biographie wie Justi’s Winckelmann, können wir von keinem Hellenen schreiben, weil dazu das material für uns fehlt: im altertum würde es 2. ὃ. von Aristoteles und Epikuros möglich gewesen sein, weil deren correspon- denz veröffentlicht war; von einem manne des fünften jahrhunderts würde es auch damals niemand haben leisten können. M. Cicero ist überhaupt der älteste sterbliche, von dem eine solche biographie geschrieben werden kann: das beste zeugnis für die eminente persönliche bedeutung des mannes. aber eine biographie in grofsen zügen, eine mehr erörternde als er- zählende darlegung von eines einzelnen menschen wirken, zunächst in seinem kreise, dann aber weiter für sein volk, für die folgezeit, für uns

und die ewigkeit, eine biographie wie Goethe’s Winckelmann, die liefse νυ, Wilamowliıs I. 1

2 Das leben des Euripides.

sich sehr wol auch von Euripides schreiben, und zwar ist er der zweite Hellene, von dem das möglich ist. der erste ist Pindaros. doch liegt das nur an der zufälligen erhaltung zahlreicher und datirbarer werke. von Aischylos und Sophokles ist es lediglich deshalb nicht möglich. so hohe ziele werden hier nicht verfolgt: auch dies ist nur ein γένος Εὐριπίδου.

Ein solcbes wird zunächst deshalb nötig, weil der moderne forscher die ebrenpflicht hat, das gedächtnis der grofsen personen des altertums von dem schmutze törichter und böswilliger erfindungen zu reinigen, welche die antike philologie zusammenlas und weitergab, weil es ibr zumeist an jeder historischen einsicht gebrach. für Euripides sind wir jedoch, obwohl des schmutzes mehr als genug ist, wesentlich günstiger gestellt. denn kein geringerer als der letzte Athener, Philochoros, hat mit hilfe des damals noch zugänglichen urkundenmaterials und der noch lebendigen mündlichen tradition ein leben des Euripides geschrieben, worin eine anzahl der .schon damals verbreiteten erfindungen abgetan wurden. es genügt also oft auf Philochoros zurückzugreifen, während andererseits angaben, die einen schlicht urkundlichen charakter tragen, als philochoreisch und als wahr gelten dürfen. denn die historische kritik hat wie die diplomatische weder conservativ noch destructiv zu sein: sie hat vielmehr zu ermitteln, was wirklich überliefert ist, und dem ist sie verpflichtet zu glauben, bis es widerlegt ist, andererseits aber un- beglaubigter überlieferung den glauben zu versagen, so lange sie nicht bewiesen ist.')

Tebursjaır. Aristophanes hat seine Frösche unter dem archon Kallias im gamelion aufgeführt (januar 405). damals waren Euripides und Sophokles eben gestorben; Sophokles später, wie ausdrücklich gesagt wird. man braucht sich aber nur die ganze fabel des stückes, das auf ein duell zwischen Aischylos und Euripides angelegt ist, zu überlegen und vollends die dürf- tige und gezwungene weise, wie Sophokles in den Hades eingeführt, für den gang der komödie aber bei seite gestellt wird, zu erwägen, um

1) Das in den handschriften des dichters erhaltene γένος Εὐριπέδον findet man vor den ausgaben von Kirchhoff und Nauck; die überlieferung der handschriften vollständiger in der ausgabe der scholien von E. Schwartz, wo auch der auszug ab- gedruckt ist, welchen Gellius (XV 20) entweder selbst aus dem γένος, wie es damals in den handschriften stand, genommen hat, oder von Varro überkommen, der es dann ebenso gemacht haben mufs. wenigstens eine notiz ist auf diesem umwege zu Gellius gelangt (XVII 4, 3). Nauck hat in seiner praefatio die sonstigen zerstreut überlieferten notizen so gut wie vollständig gesammelt; worauf hiermit verwiesen sei. im folgenden werden nur belege angeführt, wo es aus besonderen gründen an- gezeigt erscheint,

Todes- und geburtsjahr. 3

zu erkennen, dals dies ein vom dichter aus not wider seinen ersten plan eingeführtes nmotiv ist, mit anderen worten, dafs er den plan zu seinem drama entworfen hat, als Sophokles noch lebte. dieser ist also, wie auch die beste chronographische überlieferung angibt, in der ersten hälfte des jahres des Kallies (zweite hälfte von 406) gestorben, Euripides nicht viel früher, unter Antigenes. ' es scheint, dafs wir noch genaueres wissen können. eine zwar nicht ganz 'verbürgte, aber in sich glaub- würdige*) nachricht besagt, dafs Sophokles an einem proagon zu ehren des eben verstorbenen Euripides den chor ohne kränze auftreten ließ: das war also am 8 elaphebolion des Antigenes, ende märz 406, und kurz vorher war die nachricht vom tode des Euripides nach Athen gelangt, aus Makedonien, wo er notorisch gestorben ist, an dem winter 407/6 dürfen wir somit festhalten. andererseits steht urkundlich fest, daß Euripides unter Diokles (408) den Orestes in Athen aufgeführt hat: sein aufenthalt in Makedonien hat also nicht mehr als etwa 1'/a jahre ge- dauert.

Unter Kallias, 455, hat Euripides den ersten chor erhalten: das konnte jeder aus der urkundlichen theaterchronik constatiren. damals konnte er nicht wol jünger als 20 jahre sein, war also bei seinem tode mindestens ein siebziger. so hat Philochoros gerechnet und müssen wir rechnen, ohne zu vergessen, dafs er sebr wol ein par jahre älter gewesen sein mag.’) das wirkliche geburtsjahr eines Atheners des 5. jahrhunderts war für die späteren nicht zu ermitteln‘); noch die des Sokrates Iso- krates Platon sind lediglich durch rechnung gefunden.

2) Glaubwürdig ist die notiz, weil die institution des proagon früh verfallen und aus dem gedächtnisse der gelehrten geraten ist, sie mufs also verhältnismälsig alt sein und wird auf einen der alten peripatetiker zurückgehen. inhaltlich ist sie wahrscheinlich, weil die ehrenbezeugung eine 80 schlichte und im geiste des diony- sischen festspieles gehaltene ist (vgl. zu vers 677). die nachrichten über den tod des Sophokles sind alle geschichtlich unverwendbar.

3) Vielleicht hat sich Philochoros so ausgedrückt, dafs Euripides bei seinem ersten auftreten mindestens ephebe gewesen sein müsse. indem man das als tatsache nahm, konnte man zu der torheit gelangen, dafs Euripides mit 18 jahren die erste tragoedie gegeben hätle: so Gellius. die consequenz, entweder das überlieferte datum 455 oder das allgemein geglaubte 480 aufzugeben, hat man aber nicht gezogen.

4) In anderen gegenden stand es anders, Soran hat in den archiven von Kos gefunden, dafs Hippokrates am 17. Agrianios unter dem monarchen (dem auch ur- kundlich bezengten eponymen beamien von Kos) Habriades geboren war: eine solche angabe blieb jedoch ungenügend, so lange die gleichsetzung der koischen beamten und das verhältnis des koischen jahres zu einem festen chronologischen system unbestimmt war, und so ist es hier. die aufzeichnung war eine folge der

8

4 Das leben des Euripides.

Also nahe an das epochenjahr 480, die schlacht bei Salamis, reichte das geburtsjahr des Euripides sicher; auf Salamis lag das gut seines vaters: da lag es nahe genug, die geburt nach der schlacht zu datiren. das hat die treffliche alexandrinische chronographie getan, selbst Era- tosthenes, und wir dürfen ihr zutrauen, dafs sie sich bewulst war, mit einem approximativen datum zu operiren. ihre absicht war, mit der richtigkeit die bequemlichkeit zu verbinden, und in der antiken jahres- rechnung, die jedem jahre einen individualnamen gab, war das auch dringend nötig. so erzielte man aber auch, dafs Euripides unter einem Kallias geboren ward, unter einem zweiten den ersten chor erhielt, unter einem dritten starb denn um des synchronismus mit Sophokles willen rückte man auch seinen tod ein jahr hinab. auch die pointe hat ja selbst auf Lessing ihre wirkung nicht verfehlt, dafs die tragische Muse ihre drei lieblinge in einer vorbildlichen gradation auf Salamis versammelt hätte, Aischylos zu kämpfen, Sophokles den siegesreigen zu tanzen, Euri- pides geboren zu werden. wenn man sich hütet, das für wirklichkeit zu halten, hat es in der tat eine symbolische wahrheit. für Aischylos ist der freiheitskrieg die lebenserfahrung, die sein ganzes herz erfüllt. Sophokles hat zwar nicht mitgestritten, aber er hat die siegesfreude und begeisterung mit in das leben genommen, und der helle stral, welcher in die jugendliche seele fiel, hat sie für alle zukunft durchleuchtet und erwärmt. Euripides hat die güter, welche 480/79 errungen wurden, von kindesbeinen an als etwas selbstverständlich gegebenes hingenommen. in solcher zeit geht das leben rasch und machen ein par jahre einen gewaltigen unterschied. das alte Athen, das bei Marathon gesiegt. hatte, gieng in dem attischen Reiche auf. die nächste generation schon, der Euripides angehörte, hatte kein verständnis und keine pietät dafür. und der nationale gegensatz gegen die Barbaren, der das Reich gegründet hatte, war für diese so wenig jüngeren Athener nicht mehr vorhanden. Euripides hat gewils, wenn wir auch nichts davon wissen, seiner wehr- pflicht genügt): aber dann hat er wider Aegineten, Boeoter, Peloponnesier

geburtsaristokratie, die in jenen dorischen gegenden herrschte. wir besitzen von dem Kos benachbarten Kalymnos listen, die genau in derselben weise jahr und monat (den tag aber nicht) angeben, selbst für weiber. Bull. de Corr. Hell. VIII 30.

δ) Ob zu fuls, in seiner τάξις, der Kekropis, oder auf der galeere, welche die kleruchen von Salamis zu stellen hatten, ist nicht zu sagen. militärische neigungen hat er nicht, seine schlachtengemälde in Hiketiden und Herakliden streben, wie alle an- deren, nach anschaulichkeit, aber sie erreichen sie nicht. für den sport des reiters, den Sophokles verherrlicht, hat er vollends nichts übrig. der reiche Sophokles hat natürlich bei der cavallerie gedient,

Todes- und geburtsjahr. herkunft, 5

im felde gestanden, und diesen politischen gegensatz hat er denn auch sein leben lang bewahrt. Athen, die hauptstadt von Hellas, das attische Reich berufen zur vormacht aller Hellenen, das ist die voraussetzung seines politischen denkens, wie sie es sein mulste.

Es gibt noch ein anderes geburtsjahr, 484, das sogar in der zeit des Philochoros selbst aufgestellt ist.) aber es hat auch nur symbolische bedeutung. 455, in dem jahre, wo Euripides zuerst auftrat, soll nach allgemeiner vielleicht urkundlich begründeter tradition Aischylos gestorben sein, 484 hat er den ersten sieg errungen: damit schien als viertes glied der gleichung die geburt des Euripides gegeben. symbolisch ist auch das wahr. Euripides folgt auf Aischylos wie der sohn auf den vater; es steht kein dritter zwischen ihnen, aber der eine mufste vom schau- platz abtreten, damit für den anderen raum wurde.

Euripides war der sohn des Mnesarchides oder Mnesarchos von Phiya; patronyme ableitungen wechseln häufig mit dem vollnamen und seinen abkürzungen, so dafs keine differenz vorliegt. die mutter, Kleito, war eine adliche.”) Mnesarchides war aus keinem adlichen aber doch aus einem ansehnlichen hause, welches an dem dienste des Apollon in Phlya anteil hatte. Phiya war ein dorf östlich vom Hymettos, schon in der adels- zeit namhaft. aber der Apollon war nicht der des ionischen adels, dem die Apaturien gelten, sondern der delische, dessen fest die Thargelien sind. wie an diesen eine procession vom Phaleron nach Athen zog, und knaben zweige mit allerhand guten dingen daran trugen, so ist Euripides als knabe im festzuge von cap Zoster nach Phiya gezogen. er hat auch das schenkenamt für eine cultgenossenschaft der “tänzer’ inne gehabt.*) das

6) In der parischen chronik z. 65. 75.

Suid. Χλειτὼ τῶν σφόδρα εὐγενῶν ἐτύγχανεν, ὡς Φιλόχορος. da es nötig war, die persönlichkeit festzustellen, um über die herkunft etwas zu ermitteln, darf man dem namen glauben schenken.

8) Das γένος gibt an γονέσϑαι δ᾽ αὐτὸν καὶ πυρφόρον τοῦ Ζωστηρίου Anol- λωνος. Theophrastos περὶ μέϑης (Athen. X 424b) beruft sich auf ein schriftstück im ϑαφνηφοροῖον von Phlya, aus dem er sich über die culthandlung, die tracht, die herkanft der tänzergilde (τῶν πρώτων ᾿41ϑηναίων) unterrichtet hat: das waren also die statuten der ὀρχησταί. dafs Euripides das schenkenamt geübt, gibt er an; das ist aber nicht auf jene urkunde zurückzuführen. wenn Theophrast den de- lischen Apollon nennt, die vita den von Zoster, jener Euripides schenken, dieser feuerträger sein läfst, so sind das differenzen, welche verschiedene herkunft der notizen beweisen, aber die glaubwürdigkeit nicht berühren; die urquelle sind fasten der oe- χησταί, für das γένος ist man berechtigt an Philochoros zu denken. wer zuerst das tempelarchiv benutzt hat, steht dahin, wie es scheint beide. in betreff der

Herkunft.

6 Das leben des Euripides.

alles: zeugt dafür, dafs des vaters geschlecht ein ansehnliches war, um so mehr als dieser für gewöhnlich nicht in der gemeinde wohnte, der ihn die kleisthenische gemeindeordnung zugeteilt hatte, sondern auf dem landgut, das er auf Salamis erhalten oder erworben, und das der familie erhalten blieb, während von verbindungen des erwachsenen Euripides mit Phlya nichts verlautet. man möchte annehmen, dals der vater und der sohn doch nur der dritten steuerclasse angehörten, die für kleruchien eher in betracht kommt’); wie dem auch sei, so viel ist sicher, dafs Euripides dem alteingesessenen guten bürgerstande angehörte, und zwar dem von landbau nicht von industrie lebenden. diese kreise traten an wolstand zurück, als Athen eine industriestadt ward, obwol sie immer für elwas vornebmer galten. der fabricantensohn aus der vorstadt Sopho- kles war pentakosiomedimne, aber altererbte culte hatte er nicht zu ver- sehen. auf dem salaminischen hofe ist Euripides geboren und hat dort viel gelebt. Philochoros bezeugt es, und auf seine angabe hin dürfen wir uns den dichter in einsamer grotte mit dem blicke auf das meer arbeitend den- ken.'°) allein nicht die erhabene natur spiegelt sich in seiner poesie wieder,

tänzer vergesse man nicht, dafs die älteste attische inschrift, die lange vor Drakon fällt, also lautet: ὃς νῦν ὀρχηστῶν πάντων ἀταλώτατα naltss τοῦ ... (ΟἿΑ IV 4924), der bericht des Theophrast lautet allerdings so, als wäre der sitz der tänzer in Athen gewesen, wo dann der tempel des delischen Apollon das Delphinion wäre. allein da das archiv im δαφνηφορεῖον, also Apollonheiligtum, zu Phlya war, werden die tänzer, wenigstens ursprünglich, auch dorthin gehört haben.

9) Sicher ist das nicht, da man die praxis der perikleischen zeit nicht ohne weiteres auf die peisistratische übertragen darf. der adliche Timodemos von Acharnai. den Pindar als Salaminier besingt (Nem. 2), beweist nach keiner seite; einmal braucht er kein ritter gewesen zu sein, zum andern konnte er als vermögender mann ge- meindeland gepachtet haben: dafs er auch in dem falle auf Salamis zu wohnen ver- pflichtet war, lehrt der volksbeschlufs CIA IV 11, Mnesarchos war kein pächter, da das gut im besitze des sohnes erscheint.

10) Gellius berichtet: PAilochorus refert in insula Salamine speluncam esse taetram et horridam, quam nos vidimus, in qua Euripides tragoedias scriptitavüt. ob den neugierigen zu Gellius’ zeit die echte grolte gezeigt ward, ist um so zweifel- hafter, als er sie graulich findet. das γένος aber lehrt ung φασὶ δὲ αὐτὸν dv Ia- λαμῖνε σπήλαιον κατασκευάσαντα ἀναπνοὴν ὄχον εἰς τὴν ϑάλασσαν ἐκεῖσε διη- μαρεύδειν φεύγοντα τὸν ὄχλον" ὅϑον καὶ ἐκ ϑαλάσσης λαμβάνει τὰς πλείστας τῶν ὁμοιάσεων. hier liegt Philochoros reiner vor: der ort ist durchaus behaglich. die tatsächliche angabe über die metaphern ist wahr und fein. beobachtet; aber der causalnexus ist falsch. nicht aus der natur der see, wie sie dem naturfreunde sich gibt, wählt Euripides seine bilder vorwiegend, sondern aus dem schifler-.und see: fahrerleben. das ist nur in so weit individuell bezeichnend, als Euripides der dichter der attischen seeherrschaft ist.

Hauesstand. 7

für die er vielmehr nicht viel mehr sympathie hat als Sokrates, dem nur im menschengewühle wol war‘), wol aber die einsamkeit und das suchen: der antworten auf die ewigen fragen in der tiefe der eigenen brust. in den jahren, wo der Athener sich seinen hausstand zu gründen pflegte, hat auch Euripides ein weib genommen und drei söhne mit ihr gezeugt. sie hiels wabrscheinlich Melito'*) und war die tochter des Mne- silochos. da dessen name an Mnesarchos anklingt, ist anzunehmen, dafs Euripides der volkssitte gemäfs ein mädchen aus seinem väterlichen ge- schlecht, etwa eine nichte, gebeiratet hat. wenn der thukydideische spruch wahr ist, war Melito eine brave frau: denn wir wissen nicht das mindeste von ihr; ihr vater aber stand dem dichter nahe. von den söhnen wurde der älteste, der nach dem vater des vaters hiefs, kaufmann, der zweite, nach dem möütterlichen grofsvater genannt, schauspieler; von dem jüngsten, Euripides, wissen wir nur eine einzelne tat, aber diese macht ihn uns interessanter als seine brüder. er hat bald nach des vaters tode eine hinterlassene tetralogie desselben auf die bühne gebracht, zu welcher aufser den Bakchen auch die aulische Iphigenie gehört. nun enthält

11) Plat. Phaidr. 230° τὰ χωρία καὶ τὰ δένδρα οὐδόν μ᾽ ἐθέλει διδάσκειν, ol δ᾽ ἐν τῷ ἄστει ἄνϑρωποι. Philine (Wilh. Meist. II 4) “wenn ich nur nichts mehr von natur und naturscenen hören sollte wenn schön wetter ist, geht man spazieren, wie man tanzt, wenn aufgespielt wird der tänzer interessirt uns, nicht die violine, und in ein par schöne schwarze augen zu sehen tut einem par blauen augen gar zu wol. was sollen dagegen quellen und brunuen und alte morsche linden,” die liebenswürdige verdient ihren griechischen namen.

12) Zwei namen sind überliefert; der bericht von zwei ehen ist erst ein con- ciliatorisches autoschediasma, zumal die erfahrungen, die Euripides macht, in beiden ehen dieselben sind. auch sind unsere excerpte selbet im widerspruch darüber, welche frau die erste, welche die tochter des Mnesilochos ist, der als verwandter und freund des dichters durch ältere komiker bezeugt ist. (der κηδεοστῆς der Thes- mophoriazusen kann ihn schon deshalb nicht meinen, weil er 411 kaum noch leben konnte, sicher keine kleinen kinder hatte.) folglich ist ein name falsch, der andere aber mufs als überliefert gelten, da er ja die verdoppelung verschuldet. da die fabel das wesen einer XoseiAn angeht, kann kein verständiger zweifeln, dafs dieser, nicht der harmlose name MeAsto, erfunden ist. nun hat aber Philochoros über metaphorische bedeutung des namens Χοερέλη in dem buche περὲ τραγῳδιῶν gehandelt (schol.Hek. 1): es liegt also sehr nahe, schon ihm die kritik zuzutrauen, welche wir auch ohne ihn sicher vollziehen können. dafs der name Χοερέλη wirklich als eigenname vorkommt, ist eine triviale wahrheit, mit der nur ein geck etwas kann ausrichten wollen. Kurnalas hiefsen auch wirkliche menschen: ist deshalb der name in der Lysistrate minder redend? und der hofmarschall von Kalb in Kabale und Liebe heifst doch wol so wegen seiner dummheit; kritiker, wie sie sich in sachen Choiriles hervorgewagt haben, werden ihn für einen verwandten der Charlotte von Kalb ausgeben.

Hausstand.

U.

8 Das leben des Euripides.

diese, abgesehen von ganz späten interpolationen, z. b. dem schlusse, nicht weniges, was der dichter Euripides unmöglich geschrieben haben kann, z. b. die anapästische scene des prologs, was aber doch zu allen zeiten, schon im 4. jahrhundert, darin gestanden hat. der schlufs ist unabweisbar, dafs Euripides das drama unvollendet hinterlassen hatte, und für die ergänzungen mufs der sohn Euripides die verantwortung vor der nachwelt tragen, wie er sie vor dem archon getragen hat. die verse zeugen von einigem geschick; aber es war doch verständig, dafs der sohn das handwerk des vaters nicht fortgesetzt hat. unsere kunde von der familie des dichters erlischt hier; sie mag aber fortbestanden haben wenigstens bis auf Philochoros zeit und diesem das salaminische gut gezeigt und die weitere auskunft gegeben haben. wenigstens machen die angaben den eindruck der familientradition.

Dagegen halte man nun das zerrbild, das die conventionelle Euri- pideslegende gibt. der vater war ein bankerottirer aus Boeotien und in Atben höker; die mutter handelte mit grünkram und beirog ihre kunden. die frau heifst Choirile und beträgt sich ihrem namen gemäls, buhlt unter anderm mit Kephisophon, dem haussclaven des dichters, der diesem übrigens auch beim dichten hilft wie schwiegervater Mnesilochos auch. Choirile wird ertappt, verstofsen, durch Melito ersetzt, die es aber nicht besser treibt u. dgl. m.

Es ist. nicht nötig den ganzen schmutz zu durchwüblen. das meiste wird jeder halbwegs einsichtige einfach wegwerfen, und den litteratoren ist doch nicht zu helfen, die den historischen kern tauber nüsse suchen, zwar gewissensbedenken tragen, eine angabe zu verwerfen, weil sie bestimmt auftritt, aber den ehrlichen namen eines mannes und die ebre einer frau ohne weiterungen preisgeben; und dann ist die neugier nach dem quark nun einmal unersättlich und unbelehrbar. der herkunft nach zerfallen die schwindeleien in zwei gruppen: einmal sind es gänzlich inhaltsleere autoschediasmen, als z. b.: weshalb heist Euripides Euripides und nicht z. Ὁ. Kephisiades? beides sind gute attische namen, nur dafs natürlich viel mehr Athener nach dem oder den flüssen Kephisos heifsen, die das land durchströmen, als nach dem Euripos, an den Attika kaum mit einer ecke stöfst. vater Mnesarchos wird auch einen grund gehabt haben, seinen jungen Euripides zu nennen, und am letzten ende wird das auch auf den Euripos zurückführen. nur würde man die familiengeschichte kennen müssen, um diese frage zu beantworten. und kennt man sie nicht, so erfindet man: z. b. vater Mnesarchos nannte seinen sohn Euripides, war aber aus dem innern Attika: also hatte er früher am Euripos gewohnt, also

Hausstand. 9

in Boeotien. wie war er nach Phlya gekommen? etwa als bankerotter kaufmann. dafs so erfunden ist, ist keineswegs sicher, im gegenteil, dies ist eine construction im stile jener litteratoren. aber verwerfen müssen wir all dieses gerede, das abenteuerlich, inhaltsleer und weder durch einen verläfslichen autornamen, noch durch irgendwie urkundlichen cha- rakter beachtung fordert. in diesen regionen der litteraturgeschichte Iıat die regel zu gelten: was nicht in einer der angegebenen weisen ge- stützt wird, gilt bis auf weiteres für erfunden.

Von relativem werte dagegen ist die gleichzeitige erfindung, mag sie nun vom hafs oder von der bewunderung eingegeben sein. durch sie wird immer das licht reflectirt, das von einer bedeutenden persönlichkeit ausgeht, wenn auch von so oder so geschliffenem spiegel. spiegel ist für die Euripideslegende einzig die komödie, die ihn, soviel wir sehen, seit dem anfange der peloponnesischen kriege, d. h. seit der zeit, aus der den Alexandrinern zahlreiche dramen vorlagen, mit einstimmigkeit verfolgt hat, während sie Sophokles ziemlich schonte. pietätvolle sage, wie sie diesen verherrlicht, gibt es für Euripides nicht. schon das ist bezeichnend: der eine liebenswürdig, volkstümlich, respectsperson und doch einer, in dem jeder Athener den landsmann grüfste, der dachte wie er. der andere ein schuhu unter den lustigen käuzlein Athenas, allen um so unsympathischer, weil sie seine macht selbst an sich em- pfinden, und immer stärker, je bäufiger sie ihn verfolgen; als sie ihn glücklich verscheucht haben, hat er sie alle in die kreise seiner kunst verstrickt.

Komische erfindung ist vor allem der ganze roman von der hahnrei- schaft des Euripides, und es läfst sich die zeit dieser komödie noch ziemlich fixiren. es liegt auf der hand, dafs Aristophanes ganz anders reden würde, wenn er in den Thesmophoriazusen (411) etwas von den ebelichen erfahrungen des dichters gewufst hätte. in den Fröschen aber spielt er darauf an (1048). der komiker, welcher jene fabel aufbrachte (sicher nicht Aristophanes selbst), hat auf reellen glauben natürlich keinen anspruch gemacht: die angegriffene frau hatte, wenn sie noch lebte, die silberne hochzeit lange hinter sich. sehr witzig war die erfindung nicht und namentlich sticht sie übel ab von den Thesmophoriazusen, die doch vorbildlich gewesen sind. denn herausgesponnen ist die fabel aus der tatsache, dafs Euripides gern probleme des weiblichen liebes- lebens behandelt und von der weiblichen treue recht häufig geringschätzig redet. immerhin ist mehr witz darin, als wenn später feine nasen zu erzählen wissen, der weiberhafs wäre nur theoretisch gewesen, oder auch

——

10 Das leben des Euripides.

das gegenteil, oder auch der weiberhals wäre durch knabenliebe motiviert gewesen") u. 8. w.

Wie der mensch Euripides zu den frauen stand, wäre man freilich verlangend zu erfahren. dals er sie gehafst hätte, ist eine kurzsichtige abstraction daraus, dafs er geneigt ist, allgemeine urteile über das ge- schlecht abzugeben, und dafs diese allerdings von dem cultus und von der galanterie sehr weit abliegen, die wir aus perioden überkommen haben, deren gesittung uns doch viel ferner liegt als die attische cultur. Euripides mag die frauen nicht günstig beurteilt haben: aber er hat sie studiert. für Pindar Sokrates und die meisten Sokratiker existiren sie kaum. nicht blofs dafs die euripideischen dramen eine fülle weiblicher charaktere bieten; mit so feinen unterschieden der charakteristik, dafs die männer dagegen stark abfallen: es mufs geradezu gesagt werden, dafs Euripides das weib und die durch das verhältnis der geschlechter ent- stehenden sittlichen conflicte für die poesie entdeckt hat, und dafs die hellenische poesie nicht viel mehr hat tun können, als von diesem seinem schatze zu zehren. es gibt wenig dichter, denen das weibliche geschlecht so dankbar zu sein grund hat. aber die frauen, die ihm das verständnis des weiblichen herzens eröffnet haben, sind für alle ewigkeit verschollen. wer spielen will, mag annehmen, dafs die mutter, die das nächste anrecht hat, ihm viel gewesen ist. sie hat ja auch für den sohn zu leiden gehabt, wenn auch wol erst im grabe. wir können freilich nicht einmal die frage beantworten, wie sie in ein renommee gekommen ist, das sich auf unsere verhältnisse übertragen etwa so wiedergeben lälst, Kleito hätte als beruf das pilzesammeln gehabt und ihren kunden haferpilze statt champignons aufgeschwatzt. den wilden kerbel (oxavdıE, ne legitima quidem holera Plin. n. h. 22, 18) der mutter giht Aristophanes dem Euripides schon 425 zu hören (Acharn. 478), und zwar als etwas offenbar dem publicum bekanntes. Kleito war damals lange tot. es wäre leicht sich einen anlafs auszudenken, wenn man den breiten weg der litteratur-

13) Sophokles als den vertreter der knabenliebe, Euripides als den der weiber- liebe einander entgegenzustellen hat dem peripatetiker Hieronymos von Rhodos be- liebt, der mehreres über den dichter vorgebracht hat. er hat auch ein ganz albernes epigramm verfertigt, auf des Sophokles namen (Athen. XIll 6044), aber gleich im ersten verse mit einem groben metrischen schnitzer und im zweiten wieder mit einem: denn in χλεαένω ist die erste sylbe bei allen älteren dichtern, wie ihre natur ist, lang, und das iota des dativus singularis zu elidiren ist weder dem Sophokles noch irgend einem sorgsamen dichter des vierten oder angehenden dritten jahrhun- derts zuzutrauen. dafs sich bewunderer dieser sophokleischen elegie gefunden haben, ist minder zu verwundern, als dafs die schnitzer auch sonst nicht gerügt sind.

Lebensführung. 11

geschichiler wandeln wollte. so mufs man sich bescheiden. schlielslich würde unsere minder aristokratische anschauung die gemtisehändlerin weder selhst als bescholten noch als einen schimpf für den sohn ansehen. die liebevolle weise, mit der der sohn sehr häufig die gefühle der mutter zu den kindern und die pietät gerade des erwachsenen sohnes zur mutter geschildert und besprochen hat, legt es nahe, von Kleito nicht gering zu denken.

Seine vermögensverhältnisse haben dem Euripides von jugend auf gestattet ganz den Musen zu leben. im 4. jahrh. war die dramatische poesie dazu angetan, ihren dichter reich zu machen’); damals wurden die dramen aber auch aller orten gegeben. der attische staat zahlte sehr ansehnliche preise’®); aber sie waren sehr stark abgestuft, und Euripides hat im leben nur viermal den ersten erhalten. somit hat er von den gaben der Musen nicht leben können, und jedenfalls haben sich seine söhne eine lebensstellung selbst erwerben müssen. er hat als ein echter gelehrter nur einen schatz hinterlassen, den die motten fressen, seine bibliothek. freilich ist in anschlag zu bringen, dafs sein greisen- alter mit dem unheil zusammenfällt, das nicht nur den staat Athen, sondern jeden einzelnen bürger arm machte. Jiturgien hatte jeder bürger zu leisten, der nur einigen besitz hatte, mochte er auch so fern dem staatsleben sich halten, wie Platon Isokrates Euripides, von denen allen es feststeht. und zwar bat Euripides als bejahrter mann sogar vor gericht gestanden und seine sache geführt, als ihm ein gewisser Hygiainon eine liturgie zuschob (ayr&dwxer'‘). auch muls man sich die weltflucht bei einem sohne der sophistenzeit nicht zu arg denken: wer so das menschliche getriebe zu schildern weils, hat es selbst gesehen, wer das menschenberz so kennt, menschen beobachtet. offenbar durch die zufällige beachtung eines beschriebenen steines hat irgend ein gelehrier des alter- tums entdeckt, dafs Euripides von Magnesia mit atelie und proxenie bedacht worden ist. welche der beiden Magnesia, die beide nicht zum attischen, sondern zum persischen reiche gehörten, gemeint ist, läfst

14) Platon Laches 1834 Staat VIII 568°,

15) Wir kennen die preise der tragiker und die der komiker (Ar. Frö. 367 mit schol.) nicht, wol aber einige der bei den Panathenaeen gezahlten (ΟἿΑ 11 965). für die kitharoden war der erste ein goldener olivenkranz von 1000 dr. und 500 dr. silber, für den zweiten 1200 dr., den dritten 600, den vierten 400, den fünften 300. aber auch das verhältnie dieser preise zu den tragischen läfst sich nicht abschätzen.

16) Aristoteles Rhet. II 15, wol aus mündlicher überlieferung. es ist die älteste erwähnung eines falles von ἀντίδοσεθ, da der zweile Hippolytos vorausgesetzt wird, nach 428. der name Ῥγεαένων ist genugsam belegt.

Leben» führung.

12 Das leben des Euripides.

sich nicht sagen, und der schlufs des γένος, dafs die ehre einen per- sönlichen besuch Magnesias voraussetzte, zeigt nur, dafs wir epigraphische documente richtiger zu verwerten gelernt haben‘). allein eine inhalt- lose ehre ist die proxenie damals noch nicht, sondern sie schliefst, wenn man auch zugeben mag, dafs die Magneten nur den dichter ehren wollten, verpflichtungen ein, die praktisch wenigstens werden konnten. dafs die späteren sich Euripides durchaus nur als einen menschenscheuen und menschenfeindlichen griesgram denken konnten, liegt im wesent- lichen daran, dafs sie die charakteristik des tragikers Alexandros von Pleuron als mafsgebend ansahen

δ᾽ ᾿Αναξαγόρου τρόφιμος χαιοῦ στρυφνὸς μὲν ἔμοιγε προσειπεῖν

xal μισόγελως καὶ τωϑάζειν οὐδὲ παρ᾽ οἴνῳ μεμαϑηκώς.

ἀλλ᾽ τε γράψαι τοῦτ᾽ ἂν μέλιτος καὶ Σειρήνων ἐτετεύχει "ἢ

17) Mit dieser proxenie den zufall zu combiniren, dafs Euripides (Oineus 571) für uns zuerst die αγνῆτες λέϑος erwähnt, wird man sich um so mehr hüten, als keines- wegs fest steht, dafs das bezeichnete metall in Magnesia wirklich vorkam, mag es nun das magneteisen sein, wie der durch die ganze citatengelehrsamkeit sich compromit- tirende verfasser des Ion meint, oder das katzeneilber, das der gewährsmann Diogenians (schol. Pi.Ion. Phot. Hesych) und Butimann verstehen, dessen aufsatz (Mus. f. Alt. wiss. II) die modernen teils nicht kennen, teils nicht würdigen: er hat Soph. fgm. 728 erkannt. die verdorbenen Euripidesverse lauten τὰς βροτῶν γνώμας σκοπῶν ὥστε Μαγνῆτις λέϑος τὴν δόξαν ἕλκει καὶ μεϑίστησιν πάλιν. damit kann erstens nicht der magnet gemeint sein, denn derselbe magnet stöfst dasselbe stück eisen, das er angezogen hat, nicht wieder ab. auch würde dann notwendig statt δόξαν σέδηρον stehen müssen. wie vollends ἐπεισπῶν Elxss καὶ μεϑίστησιν πάλεν (so conjieiren sie) ge- sagt und, wenn gesagt, mit γνώμας und δόξαν verbunden werden sollte, ist gar nicht auszudenken. irgend etwas zieht wie das katzensilber die meinung an und ‘bringt sie wieder in andere lage’ (wie μεϑίστασϑαι φρενῶν), wenn der trug durch- schaut ist, wir fragen, was ist das, und worauf bezieht sich die meinung. das letztere steckt in den verdorbenen worten. sie bezieht sich auf die yvouas βροτῶν, den cha- rakter des menschen, und man verbessert leicht aoxonotsros. also die dem Euripides 80 geläufige klage, dafs die kriterien für den charakter so unsicher sind. nehmen wir z. ἢ. die δὐγένεια : zunächst beurteilen wir den suyewns darauf hin als ἀγαϑός, aber rasch erkennen wir, dafs der adel katzensilber ist. am nächsten aber liegt wirkliches silber, der reichtum: denn dann ist die vergleichung am schlagendsten.

18) Den verfassernamen hat Gellius und der Aristophanesscholiast zu Frö. 839 erhalten, wonach auch die krauthökerin Kleito bei ihm vorkam. im γόνος ist durch leichtes versehen Aristophanes für den verschollenen dichternamen gesetzt, und es ist dort auch s. 5, 21 Schw. ein apophihegma aus den versen gemacht. es ist selt- sam, dafs man die verse dem komiker hat geben wollen, obwol man dann das nicht attische τότευχα und das dorische χαεές ändern mufs. übrigens zeigt das citat aus einem bald vergessenen alexandrinischen dichter, dafs der grundstock des γένος, wie ja a priori anzunehmen war, von einem der alexandrinischen compilatoren der zeit 230—130 herrührt.

Lebensfährung. 13

darüber haben sie ganz vergessen, dafs der dichter sowol für sein vater- land in offciellem auftrag tätig gewesen ist, wie auch in verbindung zu dem staatsmanne gestanden hat, der für sein vaterland verhängnis- voll geworden ist. uns ist das durch die geschichtsschreiber überliefert worden.

In der perikleischen zeit, wo Sophokles in den höchsten slaatsämtern tätig ist, verlautet von Euripides nichts, und seine ältesten dramen zeigen keine starken einwirkungen der zeitgeschichte; was vorkommt, sind nur äufserungen der allgemeinen stimmung). aber längst hat man bemerkt, dafs er gegen ende des archidamischen krieges geradezu tendenzstücke dichtet. davon sind die Hiketiden erhalten, in welchen der rat, frieden mit Sparta, aber anschlufs an Argos zu suchen, kaum minder hervorsticht als die forderung, dafs Athen einen νεανέας στρατηγὸς ἐσϑλός erhalte, wie The- seus es ist (192). damals bewarb sich Alkibiades um diese stellung und nahm bald die führung des staates mit der entschiedenen tendenz in die hand, durch den bund mit Argos Sparta im Peloponnes selbst matt zu setzen. den höhepunkt persönlichen glanzes erreichte derselbe, als er an der feier der neunzigsten olympiade, von der Sparta ausgeschlossen war, mit einer ganzen reihe viergespanne auftrat und preise davontrug. und zu dieser siegesfeier hat Euripides ihm das siegeslied gedichtet, das letzte nach- weisbare beispiel dieser pindarischen weise. damit hatte er partei ge- nommen im angesichte aller Hellenen. der grofsartige Athenerstolz, der in den dichtungen jener jahre lebt, und der auch ein stolz auf die demokratische verfassung ist, zeigt, wie zukunftsfreudig seine stimmung war. ohne zweifel hat er in Alkibiades einen gröfseren Perikles gehofft. aber was er gleichzeitig ersehnte, war der friede, und ausdrücklich ist uns überliefert, dafs ein friedenslied aus dem Erechtheus in aller munde

19) Ins besondere liegt keine spur davon vor, dafs Eur. zu Perikles und seinem kreise beziehungen gehabt oder die perikleische politik in entschiedener weise ver- treten hätte. Böckh hat zwar auf den unlängst vorher erfolgten tod des Perikles das wort bezogen, das Theseus an der leiche des Hippolytos spricht, 1459, κλείν᾽ "4n- νῶν Παλλάδος I’ ὁρίσματα οἵου στερήσεσϑ᾽ ἀνδρός. aber einen aufserhalb des dramas liegenden bezug dürfte man nur hineintragen, wenn die unmittelbare deutung nicht genügte. und die würdigung des Hippolytos ist nur die gerechte (955.1100). übrigens ist der vers verdorben, da ὁρέσματα nicht mit den namen des landes und der göttin verbunden werden kann. gefordert wird, da Theseus in Trozen spricht, eine be- zeichnung dieser stadt, wie 973, 1095, 1159. zu schreiben ist & κλεέν᾽ ᾿4ϑηνῶν Ilslonias 9’ ὁρίσματα, vgl. 373, damit ist die beziehung auf Perikles unmöglich, denn dessen tod als ein unglück für die Peloponnesier hinzustellen, würde eine be- leidigung des toten gewesen sein.

14 Das leben des Euripides.

war, wie er schon im Kresphontes eins gedichtet hatte, das selbst des Aristophanes beifall fand. der friede aber lag nicht in Alkibiades sinne: nacht muls es sein, wo die sterne des tyrannen stralen. und so sehen wir den staatsmann die sicilische expedition vorbereiten, während der dichter seine troische tetralogie damit schliefst, dafs die stolzeste flotte hineihfährt in das sichere verderben. diesmal war er ein prophet gewesen. geglaubt hatte man ihm so wenig wie dem grofsen mathematiker .Meton; aber man erinnerte sich seiner nach der entsetzlichen erfüllung. es ist bezeichnend, dafs 412 die Athener den greisen Sophokles in das neu- gestiftete zehnmännercolleg von probulen wählten: der sollte den peri- kleischen geist zurückrufen; aber er war schwach geworden und gab den oligarchen, obwol er aufrichtiger demokrat war, das heft in die hände. Euripides aber erhielt den auftrag, das epigramm für das riesengrab zu machen, das auf dem staatsfriedhof für das gedächtnis der tausende er- richtet ward, die im fernen westen für das vaterland gestorben waren”). zu handeln traute man ihm nicht zu, wol aber aus der seele seines volkes zu reden. aber es waren nur einzelne momente noch, wo alles, was Athen noch besals, im gemeinsamen vaterlandsgefühle sich zusam- menfand. das entsetzliche, das über allen häuptern schwebte, und die widerstreitenden gefühle, die es erregte, scham und stolz, heroismus und verzweiflung gewannen allzurasch wieder die oberhand in den seelen des nur allzu vollblütigen Athenervolkes. es ist als überkäme sie alle ein bakchischer taumel, dafs sie wider einander, wider alles was grofs im vaterlande ist, wider sich selbst wüten, und schliefslich daran zu grunde gehen. auch die euripideischen dramen dieser zeit sind wie. im fieber geschrieben. zwar die zeitereignisse selbst berührt er höchstens im vorübergehen, wenn ihn schmerz oder zorn einmal übermannt. und das erkennt man wol, dafs ihn ein tiefer abscheu gegen die radicale demokratie erfüllt”), was ihm dann den vorwurf oligarchischer gesinnung eingetragen hat, den Aristophanes, obwol er ihn mehr verdiente, weiter-

20) Plut. Nik. 17. auch Helen. 398 enthält einen zug, den nur dieser katalog der gefallenen verständlich macht, zumal im jahre 412. Menelaos sagt“wir können jetzt die toten zählen und die überlebenden, die die namen der toten nach hause bringen’. also die einen sind verzeichnet, die andern sind ἀριϑμητοὶ ἀπὸ πολλῶν.

21) Dafs die heftige schilderung eines demagogen, Or. 772, dem Kleophon gilt, hat Philochoros wol selbst angemerkt (schol. 371, 772,903). derselbe hatte im Ixion eine beziehung auf den tod des Protagoras gefunden, was wir nicht mehr controlliren können, aber natürlich nicht bezweifeln dürfen. (Diog. Laert. IX 55.) Phoin. 783 schildert das Dionysosfest im belagerten Athen.

Lebensfährung. 15

zugeben nicht unterläfst*). aber das gebiet, auf welchem der dichter die von aufsen an ihn dringenden erschütterungen mit sich und vor dem publicum durchkämpft, ist das poetische. auch er lälst, wie sein volk, nichts unversucht und rüttelt an den gesetzen seiner kunst wie an ketten. jetzt erst wird er der Euripides, den wir im bilde schauen und der als typus im gedächtnis der Hellenen fortlebte, bitter und menschenverachtend, jede leidenschaft aufwühlend, ohne je zur befriedigung zu kommen, und daneben in kalter dialektik den schönen schein zersetzend, unter dem sich die nichtigkeit alles irdischen verbirgt. die zeitgenossen empfanden es, dafs er sie verachtete und doch als geborner lehrer des volkes beherrschte und beberrschen wollte. die meute der komiker stürzte sich wider ihn, und diesen, nicht ihm fielen die siegerkränze zu. er gab auch ihnen mit bittrem worte die antwort”), er trug in der Antiope mit seiner ganzen kraft, der dialektischen wie der pathetischen, das eigenlob des ϑεωρη- zıxög βίος vor: aber dann gab er das spiel selbst verloren, gab auch das vaterland verloren und wanderte aus.

Die götter waren immer freundlich gewesen gegen Sophokles. schön- heit und heiterkeit, genufsfähigkeit und liebenswürdigkeit hatten sie ihm verliehen. ein langes leben hindurch hatte ihn die volle βέου εὔροια getragen. auch das war eine gnade, dafs er nun steinalt war, wenn auch jugendkräftig bei der arbeit, aber lebend mehr in dem reiche seiner ideale als in der traurigen gegenwart, mit sich selbst und seinem volke in harmonie. nun schenkten die götter dem schönen leben gnädig den schönen schlufs: er durfle noch im freien Athen sterben und die feind- lichen vorposten öffneten sich ehrfurchtsvoll dem leichenzuge, der den letzten tänzer des salaminischen siegesfestes an die seite seiner väter trug. fern in Gela ruhte Aischylos, fern an der makedonischen Arethusa war Euripides jüngst gebettet. die beiden waren kurz vor ihrem tode

22) Frö. 952. wir haben kein mittel, festzustellen, wieso man in früher zeit dazu gekommen ist, eine tetralogie des Kritias, die also wahrscheinlich in den letzten lebensjahren des Euripides gegeben ist, diesem zuzuschreiben. wenn die didaskalien ihn nannten, so hatte er dem Kritias einen freundschaftsdienst getan, und das er- weckt dann weitere perspectiven auf die kreise zu denen er sich hielt. aber ebenso- gut können die didaskalien Kritias genannt haben, und nur stil und gedanken und der fluch, der auf dem gedächtnis des tyrannen lag, den irrtum der nächsten gene- ration bewirkt haben. Kritias ist ein so bedeutender mensch, dafs man an sich einen verkehr ganz gern glauben würde.

23) In der zweiten Melanippe 495 μεσῶ yalolovs οἴτενες τήτεε (lies τήτῃ: das fordert τητὰν) σοφῶν azalıy' ἔχουσι στόματα κἀς ἀνδρῶν μὲν οὐ τελοῦσιν ἀρι- ϑμόν, ἐν γέλωτι δ᾽ εὐπρεπεῖς οἰκοῦσεν οἴκους.

16 “Das leben des Euripides.

in die ferne gezogen, aber Aischylos in der höchsten schaffenskraft, nachdem er noch eben sein gröfstes werk unter dem vollen beifalle seines volkes gekrönt gesehen hatte, und dieses volk strebte dem höchsten hoffaungsvoll und kraftvoll zu*‘). Euripides hatte die schwelle der sieb- ziger überschritten, er war ein leben im engsten kreise und in der unab- hängigkeit aber auch der beschränkung des gelehrten gewohnt: jetzt siedelte er an einen halbbarbarischen hof voll soldatischen getöses, in ein fremdes land über, und er schied auf nimmerwiedersehn von der vaterstadt, deren politischer sturz sicher zu erwarten stand, deren ver- ulgung gar nicht unwahrscheinlich war. es war ein schritt der ver- zweiflung.

Am hofe des königs Archelaos fand er freilich eine stattliche reihe geistiger celebritäten ; selbst dem Thukydides wird er hier begegnet sein *), und vor allem mochte ihm der verkehr mit Agathon wol tun, der auch tragiker war und rückhaltlos die consequenzen der euripideischen tragödie und der neuen gorgianischen stilistik zu ziehen versuchte”). rasch entledigte

24) Dafs Aischylos im grolle über die politischen veränderungen aus Athen gewichen sei, ist nicht zu beweisen. die Eumeniden schliefsen mit der vollsten har- monie und nichts verrät, dafs der dichter die macht und den stolz der heimat, wozu auch der Areopag, ἀσυνδέκαστον τοῦτο βουλευτήριον, gehört, für beeinträchtigt oder bedroht gehalten hätte. es ist ganz unmöglich zu sagen, was er mit seiner reise bezweckte. übrigens braucht er nicht älter als 60 jahre gewesen zu sein, und er kann somit mit dem gedanken heimzukehren und von neuem zu siegen fort- gezogen sein.

25) Dafs Thukydides in Makedonien gestorben wäre, durfte freilich nicht für historisch ausgegeben werden, da es nur auf einem dialoge des Praxiphanes beruht. aber seine anwesenheit daselbst, wahrscheinlich an sich, ist schwerlich von Praxi- phanes eıfunden, denn auch die zuerteilung des bekannten grabepigramms auf Euri- pides (Athen. V 1874, auch im yavos) setzt sie voraus, und eben deshalb wird es auch dem Timotheos zugeschrieben, der ja auch in Makedonien gewesen ist. das epigramm dem 4. jahrhundert abzusprechen, ist man nicht veranlalst.

26) Agathon zum ἐρώμενος des Euripides zu machen, lag nahe, und ist an sich nichts als eine ausgestaltung ihres zusammenlebens in Pella. aber bei Aelian steht nicht nur dies (V. H. Xill 4), sondern auch, dafs Euripides ihm zu ehren den Chry- sippos dichtele (V.H.11 21). das kann ja blofs deshalb gesagt sein, weil der Chry- sippos das problem der knabenliebe behandelt. aber es gibt zu denken, dafs der Chrysippos mit den Phoinissen wirklich in den letzten attischen jahren des Euri- pides verfafst ist (etwa 410), und Platons Symposion führt Agathon und Pausanias, auf den auch Xenophon verweist, als typen der knabenliebe ein. es ist sehr zu bedauern, auch für die symposien, dafs wir von der behandlung des Euripides nicht mehr wissen, als dafs er die knabenliebe verwarf, obwohl sich Laios auf die φύσες für sie berief. geurleilt hat Euripides immer so, denn nur sein Kyklop gibt sich solcher neigung hin, während Aischylos und Sophokles arglos der volkssitte folgen.

Lebensführung. 17

er sich auch des auftrags, für den könig ein makedonisches drama zu schreiben und ihm einen ahn zu schaffen, der dem bankert des Perdikkas ein heroisches relief gäbe; er fühlte sich zu neuen geistvollen und sicht- lich mit frischer liebe durchgeführten schöpfungen angeregt, er glaubte endlich den hafen gefunden zu haben. aber er erhielt doch auch proben von der rohheit der gesellschaft, in die er versetzt war”). wir wollen nicht vergessen, dafs der vers βαρβάρων Ἕλληνας ἄρχειν εἶχός (I. A. 1400) in Makedonien gedichtet ist, und es ist pikant, dafs Thrasymachos dieselbe spitze gegen Archelaos wendet”). dieser edle attische baum war zu alt zum verpflanzen in noch so fettes barbarisches erdreich. nach 11/3 jahren starb er, gefeiert von dem könige, und sein grab ist bis in späteste zeit eine merkwürdigkeit der gegend geblieben.

Von seiner todesart hat Aristophanes ein jahr später nichts merk- würdiges gewulst, und dabei haben wir uns selbstverständlich zu beruhigen. aber sehr früh schon ist die fabel entstanden, dals hunde ihn zerrissen hätten, und sie hat im altertum die oberhand behalten: denn selbst ein kategorischer widerspruch”) ist geschichtlich um nichts begründeter als die behauptung. an sich könnte dem dichter ein unfall so gut wie jedem sterblichen sonst zugestofsen sein, und einem nächtlichen wan- derer kann ähnliches in Makedonien auch heute noch passiren. es ist auch eine tendenz, welche zu der fabel geführt hätte, nicht ersichtlich, vielmehr zeigen die mannigfaltigen widersprechenden und sich also auf- hebenden motivirungen, wie Euripides unter die hunde oder die hunde über Euripides gekommen wären, dafs man die pointe derselben schon im altertum vermilste, und bei solchen geschichten ist es eine empfehlung,

27) Ein höfling höhnt Euripides, weil er einen übelriechenden atem hatte: Archelaos liefert ihn dem dichter aus, dafs er ihn durchpeitsche. Aristoteles polit. E 10, wol aus den traditionen, die Aristoteles selbst oder sein vater am hofe ge- sammelt hatte. der üble atem ist dann weiter zu albernen apophthegmen benutzt, die nichts lehren. es liegt eine bittre kritik darin, dafs wir von ganz persönlichem, äufserlichem über Euripides nichts wissen, als dafs er als greis schlecht aus dem munde roch. aber mancher unserer gebildeten hat von Schillers wesen auch nichts behalten, als dafs er eine neigung für faule äpfel hatte.

28) Clemens strom. 746, der Thrasymachos citirt, verweist auf Telephos 717, wo der nämliche gedanke steht. die rede war vermutlich älter als die auffährung der Iphigenie; an eine entlehnung ist nicht za denken.

29) Adaios Anth. Pal. VII 51, es ist eine rettung im stile der von Dioskorides für Lykambes töchter (A. P. VIl 351) und der von Aischrion für Philainis (A. P. VI345). erst der aberwitz eines litterators hat dann aus den hunden weiber gemacht: das ist nicht komikererfindung, sondern auch nur eine λύσις für die aporie: was waren das für hunde, die Euripides zerrissen.

v. Wilamonliz I. 2

Geistige ent- wickelung

U av)

18 Das leben des Euripides.

wenn sie keine pointe haben. aber das schweigen des Aristophanes gibt den ausschlag: wir müssen urteilen, der tod durch die hunde hätte zwar passiren können, aber er ist nicht passirt. Dies der äufsere lebensgang; aber bei dem geistig wirkenden sind die inneren erlebnisse unendlich wichtiger, und vielleicht ist überhaupt an dem einzelnen menschen das merkwürdigste nicht, wie er als vollen- deter erscheint, sondern wie er ward; wie denn selbstbiographien, selbst wenn sie schlecht sind, soweit interessiren, als sie entwickelungsgeschichte darstellen. die entwickelung ist für den animalischen menschen fertig, wenn der körper vollausgereift ist, und bei dem durchschnitt ist dann auch die geistige entwickelung auf ihrem höhepunkt. die bedeutung des menschen aber bemilst sich danach, wie spät er klug wird, und es ist ein zeichen der geistigen kraft unseres deutschesten stammes, dafs er wie die Hellenen dazu 40 jahre brauchen soll. in wahrheit bringen wol nur die allerhöchststehenden sterblichen die entwickelungsperiode zu solcher dauer. bei Goethe und bei Platon macht allerdings das vierzigste jahr epoche: da erst sind sie fertig. aber es ist schon viel, wenn wie bei Dante nel mezz0 del cammin di nostra vita der tag kommt, wo alles was uns zu schaffen auferlegt ist, δυνάμει getan ist, so dafs das weitere leben nur noch mit dem umsetzen in die energie zu tun hat. es liefse sich darüber viel sagen); das γηράσχω αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος hat seine wahrheit, aber der andere spruch auch, dafs der mensch nur lernt was er lernen kann: und der fertige mensch kann nun einmal nur äufser- liches umlernen, er hat vielmehr auszugeben was er in sich trägt, viel- leicht nur als keim, sich selbst kaum bewufst, aber wenn er es nachher von sich gibt und es anderen neu erscheint, so ist es ihm doch ein lang- bekanntes, und wenn die nachwelt ein leben so genau übersehen kann wie wir es mit dem Goethes tun, so kann sie auch beweisen, dafs dem so ist, und dafs die Wanderjahre schon concipirt waren, ehe die Lehrjahre erschienen. wie jämmerlich steht es da nun mit dem was wir von den antiken menschen wissen können! Platons entwickelung zu übersehen würde einen ähnlichen reichtum von psychologischer belehrung bieten wie die Goethes. jetzt sehen wir die widersprüche, die in einer solchen 30) Glücklich, wen die götter wegrufen, wenn er fertig ist, wie Eupolis, wäh- rend Aristophanes bis zu den Ekklesiazusen sinken mulste, wie Catull, wie A. de Musset und Byron; weise, wer sich selbst bescheidet, wenn er nichts mehr zu geben hat, wie Kallimachos (wahrscheinlich), Horaz, Uhland: aber sich selbst zum gericht lebt, wer den alten jugendton immer weiter pfeift, überhört oder durch die schrille

ausgesungene stimme nur verletzend, wie Ovid, wie Klopstock, dessen geistige ent- wickelung über die eines grünen jünglings nicht hinauskam, und H. Heine.

Geistige entwickelung. 19

natur während der gährenden jugendzeit vorhanden sein müssen, in den systemen seiner chronologen widergespiegelt. man weils es wol, dafs nur seine persönlichste entwickelung die reihenfolge der jugendwerke be- stimmt hat: jetzt fehlen die äufseren daten und in das innere kann niemand dringen. die meisten grofsen denker der älteren zeit treten uns nur als die hinter ihrem einen werke verschwindenden verfasser entgegen, als ausgereift, auch wenn sie, wie Anaxagoras, die herausgabe des buches lange überleben. von Sophokles erscheint uns die Antigone fast als jugendwerk, weil er alle andern erhaltenen dramen als greis verfafst hat, und doch war er in den funfzigern als er jene schrieb. und auch von Euripides haben wir nur werke aus reifer zeit: der Phaethon wird wol das älteste kenntliche sein, aber auch das ist nur erschlossen, weil es so stark von den erhaltenen absticht”'). wir können uns ein eigenes urteil über die entwickelungsjahre dieses dichters auch nicht bilden.

Aber einige nachrichten treten ein. da ist vorab eine fabel zu ent- fernen. er soll in gymnastischen kampfspielen gesiegt haben, weil ihn sein vater zum athleten ausbilden wollte, auf grund eines orakels, das ihm siege in agonen verhiefs. die geschichte, gebaut auf den doppelsinn der ἀγῶνες, ist eine wandergeschichte, bestimmt, göttliche vorsehung und menschliche kurzsichtigkeit zu illustriren. Herodot (9, 33) hat sie sich von einem seher als selbsterlebt erzählen lassen, der auch kampf- spiele verstand, wo der goit kämpfe gemeint hatte. als sie auf den unterschied der musischen und gymnischen wettspiele übertragen ward, griff man einfach den berühmtesten scenischen dichter auf und knüpfte sie an seinen namen. denn damit würde man dem erfinder zu viel ehre antun, wenn man meinen wollte, er habe die notorische verachtung der gymnastik, welche Euripides zeigt, aber, wie auch im altertum bemerkt ist, im anschlufs an Xenophanes ausspricht, aus bösen jugenderfahrungen ab- leiten wollen. übrigens ist die geschichte nicht vor dem zweiten jahrhundert erfunden, da sie die der alten zeit fremden Theseen erwähnt). mindestens nicht aus den fingern gesogen, sondern durch ein document belegt und also von einem achtungswerten forscher, wahrscheinlich Philochoros 35)

31) Sehr auffällig ist, dafs die nicht ganz wenigen trimeter der Peliaden, des ersten dramas, weder im versbau, noch in der diclion, noch in den schon sehr sen- (οὐδ und allgemein gehallenen gedanken eine abweichung von der späteren weise des dichters zeigen.

32) In dem berichte des Gellius, der nur vollständiger und reiner, kein anderer ist als der im γέρος und gelegentlichen anführungen.

33) Megara ist 306 und um 264 zerstört worden; es ist unwahrscheinlich, dafs

ein archaischer πίναξ sich länger erhalten hälte. Pausanias weils nichts davon, 9Ὲ

20 Das leben des Euripides.

aufgebracht ist dagegen die merkwürdige angabe, dafs Euripides in der jugend maler gewesen wäre und in Megara eine von ihm bemalte ton- tafel gezeigt würde. solche srivaxeg haben wir jetzt selbst genug, um uns eine vorstellung machen zu können; auch künstlerinschriften tragen sie zuweilen. aber so sicher man annehmen wird, dafs in irgend einem heiligtum Megaras ein solches werk euripideischer zeit vorhanden war mit der künstlerinschrift Εὐριπίδης ’AImyalog ἔγραψε, so unwahr- scheinlich ist es, dafs der vatersname dabei stand, und dann ist die autor- schaft des späteren tragikers sehr unsicher. im allgemeinen jedoch mufs zugestanden werden, dafs der gewaltige aufschwung, den die malerei in Athen während der jugendjahre des Euripides nahm, einen künstlerisch begabten knaben sehr wol reizen konnte. wenn er ihn denn beschritten hat, so hat dieser irrweg, von dem er bald zurückkam, kenntliche spuren in der poesie des Euripides nicht hinterlassen.

Gelernt mufste auch die poesie werden. noch war sie zu ihrem glücke so schwer, dafs ein dilettant, der nichts als die allgemeine schul- bildung hatte, die finger davon lassen mulste, und ein zweites glück war es, dafs es noch keine handbücher gab”). der jugendunterricht gipfelte allerdings darin, dafs er den schatz der classischen poesie den knaben fest und unverlierbar für das leben einprägte; dabei lernten sie die ihnen ausnahmslos fremden mundarten der poesie und lernten die weisen der grolsen dichter singen und sagen. das befähigte sie dann als erwachsene die tragödien und die dithyramben zu verstehen, und das war nicht wenig. sie mochten wol auch einmal vor liebchens tür oder beim rund- gesang einen vers eigner fabrik auf die alte weise versuchen, auch für

34) Am ende des 5. jahrh. hat es technische schriften über landwirtschaft u. dgl, auch kochbücher gegeben. die medicinische litteratur, die am besten be- kannte, geht, so weit sie nicht ein erzeugnis der sophistik ist, auf kurze regeln zurück, rooyvaloeıs, προρρητικά u. dgl., die nur ein hilfsmittel mündlicher unter- weisung sind. und natürlich besafs jeder der ein handwerk übte seine papiere, die er als einen wertvollen schatz seinem nachfolger vermachte, der koch oder arzt recepte, der seher formulare für sprüche und spruchdeutung (Isokrates 19, 5 τὰς βίβλους τὰς περὶ μαντικῆς). aber buchmälsiger vertrieb bestand für diese dinge nicht und die schriftstellerei der sophistik behandelt eben das technische nicht. das ändert sich erst um und nach 400, wo Simon und Xenophon über pferdezucht, Chares und Apollodoros über landbau, Hippokrates und Polybos über medicin technisch schreiben. und trotzdem redet man noch immer so, als hätte Sophokles eine aesthetische ab- handlung über den chor wider Phrynichos schreiben können (Suid. 8. v.), etwa wie Schiller vor der braut von Messina oder wie Seneca und Pomponius ihren tragödien praefationes gaben. es ist eine fiction wie die technischen schriften uralter bau- meister, von denen Vitruv redet.

Geistige entwickelung. 21

ein weilgeschenk oder einen grabstein ein distichon zu stande bringen: das war noch kein dichten. wir sehen sogar einzelne Athener, die eine volle bildung haben wollen, noch weiteren musikalischen unterricht als beim kitharisten nehmen. den lehrer des Perikles hat Aristoteles verzeichnet; dieser bat sein mündel Alkibiades auch von einem virtuosen im flöten- spiel unterrichten lassen, und Sokrates hat in der mufse des gefängnisses ein προσόδιον an Apollon verfassen können, weil er bei Konnos noch als alter mann die mängel seiner jugendbildung zu ersetzen versucht hatte. dafs die sophistik auch musik und metrik in ihre kreise zog, ist selbst- verständlich und wird durch die erfahrungen des Strepsiades illustrirt®). wie viel mehr bedurfte der angebende dichter eines meisters, der ihm die kunstgriffe und fertigkeiten des handwerks übermittelte. Pindars lehrer kennen wir. Sophokles soll die musik bei Lampros, die tragödie bei Aischylos gelernt haben. über Euripides hören wir nichts. dafs Aischy- los, der sogar die tänze den choreuten selbst beibrachte und das dichter- handwerk seinem sohne und mehreren anderen verwandten hinterliefs, auch andere unterwiesen bat, ist glaublich. aber Sophokles hat jedenfalls nichts bei ihm gelernt. weit eher könnte man es von Euripides glauben, wo die zeit es verbietet. denn Sophokles vertritt im gegensatze zu seinen beiden rivalen eine andere kunstrichtung, und gerade im technischen liegt der gegensatz. offenbar ist Sophokles dem ionischen einflußs hingegeben ; seine rede strotzt von ionismen und versteigt sich nicht selten zu einer künstlichkeit der metaphern, die an Ion von Chios erinnert, und das greift selbst auf das prosodische über: nur Sophokles hat (wenigstens im dialog”) das ionische ἡμέν. sein versbau folgt andern prinzipien’”), sodals er sich nicht scheut am versende zu elidiren, was nur Achaios von Eretria sonst tut, und sehr lax in der verkürzung eines schlielsenden langen vocals vor vocalischem anlaut ist, eine freiheit, die aus dem epos

35) So hat Damon Damonides’ sohn über musik und metrik geschrieben. die scene der Wolken, in der Sokrates den Damon vertritt wie sonst den Apollo- nisten Diogenes, ist der älteste reflex seines buches. die sophistische fiction war eine rede vor dem Areopag, freilich eine fiction (Philodem de mus. 104 K.), aber nicht ärger als wenn Gorgias alle Hellenen in Olympia, oder die trauerversammlung im Kerameikos anredet. und dafs der Areopag wirklich die δὐκοσμία zu überwachen hatte (isokr. 7, 37), zu bezweifeln ist kein grund. das buch Damons ist nach der zeit der alten Peripatetiker verschollen. vgl. Bücheler Rh. M. 40, 309,

36) Im liede scheint es Aisch. Eum. 347 zu haben: doch ist dort ὕμμε» wahr- scheinlicher, da er auch vage hat. Ar. Ach. 556 ist nicht von Eur., darf also ὑμῖν be- halten. bei Eupolis ine.2,3 ist ἡμῖν ὀπέστασ᾽ εὑρών statt ὁ. ἡμὲν zu setzen.

37) Vgl. zu v. 280.

22 Das leben des Euripides.

stammt ἢ). gewils würden wir noch mehr bemerken, wenn nicht Sophokles als greis sehr stark unter dem einflusse des Euripides stünde; auf das umgekehrte verhältnis deutet nichts”).

Dafs Euripides für das musikalisch metrische sehr viel grölsere neigung und erfindsamkeit besals als Sophokles, zeigen die werke. aber auch die alten haben schon hervorgehoben, dafs er mannigfache neue an- regungen in sich aufnahm und nichts unversucht liefs. insbesondere hat er sich seit 420 etwa der neuen musik rückhaltlos angeschlossen, welche die dithyrambiker unter heftiger opposition der komödie aufbrachten. uns ist eine vergleichung versagt, und die klagen über Phrynis lehren, dafs die bewegung selbst schon mehrere jahrzehnte früher begonnen hat, als wir ihre spuren sicher nachweisen können. der niederschlag dieser verhältnisse in der legende ist die persönliche verbindung des Euripides mit Timotheos. von selbst werden wir glauben, dafs der greise tragiker anregungen auch nach musikalischer seite gegeben hat, wie sein stili- stischer einfluls nicht blofs bei tragikern der rhetorischen richtung zu tage liegt, sondern selbst bei dem Sophokles copirenden verfasser des Rhesos.

φιλοσοφία. Aber die lehre, welche er bei seinen zunftgenossen fand, war für die bildung des Euripides keineswegs die wichtigste. er hat die neue weisheitslehre, welche in Athen von den zusammenströmenden gelehrten Ioniens teils verkündet teils fortgebildet ward, mit vollen zügen in sich aufgenommen, und schon den zeitgenossen war das für ihn am meisten bezeichnend, dafs er auch auf der bühne sophist war: σοφός heilst er in spott und in bewunderung. unsere berichterstatter wissen so ziemlich alle namhaften sophisten, die es der zeit nach gewesen sein könnten, als lehrer des Euripides zu nennen. dafs sie über eine wirkliche über- lieferung verfügten, ist kaum glaublich, denn zeitgenössische berichte, wie sie die memoiren des Chiers Ion für die beiden andern tragiker boten, hat es unseres wissens für Euripides nicht gegeben. wol aber haben sie nachweislich mit recht aus den werken des Euripides die ein- wirkung bestimmter personen erschlossen, und nur das ist zweifelhaft

38) Die 7 sophokleischen tragödien zeigen diese erscheinung etwa so oft wie - die 18 euripideischen, und in oft sehr harten fällen. der verfasser des Rhesos folgt hierin wie in der melopoeie ganz dem Sophokles.

39) Auch im altertum hat man bemerkt, dafs Aischylos und Euripides auf der einen, Sophokles auf der andern seite steht. Porphyrio zu Horaz ep. Il 1,55 Pa- cuvius famam docli aufert et consequitur Sophoclis, Accius Aeschyl Euripidisque qui dicendi sunt alti. da die horazische doctrin, welche hier erklärt wird, varro- nisch ist, wird es auch diese erklärung im kerne sein. und wenn wir es nur sti- listisch fassen, ist es wahr. Sophokles künstelt an der sprache.

φιλοσοφία. 28

und mufs es bleiben, in wie weit diese einwirkung auch wirklich eine persönliche gewesen ist. denn der leibliche verkehr ist für die einwirkung, die ein denkender mensch durch fremde gedanken erfährt, häufig selbst da unwesentlich, wo er statt hat, und erschliefsen lälst er sich aus den werken des beeinflulsten nur da, wo entweder persönliches berührt wird, oder aber wo es sich um einen menschen handelt, der vornehm- lich durch die dämonische gewalt seiner person gewirkt hat. dies letztere trifft so stark wie auf kaum einen zweiten sterblichen auf Sokrates zu. aber eben darum würden wir deutliche spuren seines geistes bei Euri- pides antreffen, wenn der immer noch von der gedankenlosigkeit be- hauptete verkehr der beiden grundverschiedenen grofsen Athener statt- gefunden hätte. allerdings hat der gleiche hafs, den sie gegen die beiden verführer der jugend empfanden, einzelne komiker (doch nicht Aristo- phanes*) dazu veranlafst, Sokrates an den unsittlichen dramen mithelfen zu lassen, und wie hätte sich die spätere klatschsucht es entgehen lassen sollen, diesen faden weiter zu spinnen“). indessen hat einer der wenigen kritischen köpfe der griechischen gelehrsamkeit, Panaitios von Rhodos, bereits dieser fabel mit der nötigen entschiedenheit widersprochen, wenn auch nicht ohne selbst bedenkliche hypothesen zuzulassen “ἢ.

Sokrates war etwa 10 jahre jünger als Euripides und begann eine rolle nicht vor 430 zu spielen, als Euripides längst ein innerlich fertiger mann war. und wenn sie sich dann etwa bei Alkibiades begegnet sein sollten, so baben sie sich abstofsen müssen. der menschenjäger liegt

40) Immerhin hat auch bei diesem der unterricht des Sokrates den erfolg, dafs der schüler die grofsen dichter der vergangenheit für stümper erklärt und für die wagnisse der euripideischen frauenbilder schwärmt. von da aus zu der erfindung der beihilfe des Sokrates ist nur ein schritt.

41) Aelian VH. 1113, erzählt dafs Sokrates sonst selten ins theater gieng, aber wenn Euripides καινοῖς τραγῳδοῖς ἠγωνίζετο oder im Peiraieus aufführte, kam er. diese fabel ist auf die verhältnisse seit der demosthenischen zeit zugeschnitten, wo der unterschied der καινοὶ τραγῳδοί und der παλαιά gilt und die Πείραια staalsfest sind; von beidem war zu Euripides zeit keine rede.

42) Panaitios half sich bei stellen wie Frö. 1491, die in wahrheit ganz irre- levant sind, mit der fiction eines doppelgängers, ὅτερος Σωκράτηα τῶν περὶ σκηνὰδ

Ι

φλυάρων. das ist auch in das γένος gekommen. denn 8. 1,10 Schw. steht in der '

zuverlässigsten handschrift (Vat. 1345) Σωκράτης δὲ ἕτερος αὐτῷ δοκεῖ φιλό- σοφος καὶ Μνησίλοχος (συμ)πτεποιηκέναε τινά, da ist der zusatz ὅτεροο φιλόσοφος an verschiedene stellen des textes, dem es übergeschrieben war, hineingeraten. die andern fassungen sind darauf zurückzuführen; in den meisten ist aus ἕτερος ἑταῖρος geworden und dann “Σωκράτης in den genetiv gesetzt. ein zusatz ist auch 2, 5 ya νηϑῆναι δὲ τῇ αὐτῇ ἡμέρᾳ [καὶ Ἑλλάνικον] ἐν ἐνίκων οἱ Ἕλληνες.

24 Das leben des Euripides.

den lieben langen tag im gymnasium, Euripides grübelt in stiller grotte; jenes stolz ist das nichtwissen, dieser steht wie alle sophisten auf seiten der bildung und verachtet die ἀμαϑέα; der philosoph traut auf die kraft des menschlichen willens, der das rechte tun wird, wenn er es nur erkennt: der tragiker sieht das grundübel in der schwäche des fleisches, welche die verwirklichung der guten vorsätze verhindert. flach und modern zu reden, jener ist oplimist, dieser pessimist. zwischen ihnen ist keine vermittelung. dafs aber beide grofse Athener das menschenherz kennen und kündigen, und dafs sie ihren blick mit vorliebe auf sitt- liche probleme richten, besagt nichts anderes, als dafs sie beide auf der höhe derselben geistigen entwickelung stehn und deshalb beide die folge- zeit beherrscht haben. höchstens mag man annehmen, dafs der Milesier ‘Archelaos auf beide ähnlich gewirkt hat, denn er wird beider lehrer ge- nannt und gilt als erster philosoph über ethik; aber wir wissen nichts von ihm, und nach Theophrast ist sein werk verschollen gewesen ®). wenn wir endlich bei den Sokratikern, oder vielmehr bei Platon, über den Eros gedanken finden, welche an Euripides seltsam anklingen, so ist es einleuchtend, dafs Platon eben von diesem anregungen erhalten hat“), die sich mit den sokratischen nur in dem gegensatz gegen die grobe sinnlichkeit decken.

43) Nach Diogenes II 16 soll er das δίκαιον καὶ ἄδικον νόμῳ gelehrt haben. auf die formulirung ist nicht viel zu geben, aber dafs sich der satz mit seiner ent- wickelungslehre (Hippolyt. 19 p. 564 Diels) gut verträgt, ist nicht geeignet, ihn zu discreditiren. die wiederkehr des satzes bei Euripides aber spricht für ihn. ebenso ist man geneigt, dem Aetius starke verwirrung zuzuirauen, wenn er sagt Apxelaos ἀέρα καὶ νοῦν τὸν ϑεόν, οὐ μέντοι κοσμοποιὸν τὸν νοῦν ([ 1 p. 302 Diels): aber auch da gehen Euripides und der falsche Epicharm mit, vgl. über beide unten. viel- leicht hätte ich richtiger getan, alle diese lehren auf Archelaos bestimmt zu be- ziehen, und dann würde noch manches folgen. allein ich zog vor, das bild minder einheitlich zu geben, damit die einzelnen züge schärfer blieben.

44) Die prophezeiung (Med. 830), dafs am Kephisos die Eroten als πάρεδροι der Weisheit walten, ist dadurch in erfüllung gegangen, dafs Platon neben dem gymnasium der Akademie seine schule gegründet hat, und in jener schon zu Euri- pides zeit die jünglinge den sophisten lauschten und der Erosaltar stand. der doppelte Eros ist wol wirklich schon in jenem zeitalter von der speculation viel behandelt. übrigens ist die anregung auf Platon von Euripides stärker als man annimmt, nicht blofs in einzelnen wendungen der conversation wie οὐκ ἐμὸς μῦϑος, oder die ἐσό- Hsos τυραννίς (Tro. 1169 Staat 568). wenn die seele des Odysseus φιλοτιμέας As- Aospnuvia sich den βέος ἀνδρὸς ἰδιώτου ἀπράγμονος aufsucht (Staat 620°), so tut sie das im anschlufs an die worte, welche der euripideische Odysseus im prolog des Philoktet sprach (785) στῶς δ᾽ ἂν φρονοίην, q. παρὴν ἀπραγμόνως dv τοῖσι πολ- λοῖς ἠρεϑμημόνῳ στρατοῦ ἴσον μετασχεῖν τῷ σοφοτάτῳ τύχης, wovon ihn die φι-

φιλοσοφία. 25

Dagegen lafst sich die für uns zufällig zuerst durch Alexandros von Pleuron ausgesprochene tradition nicht wol abweisen, dafs Euripides zu Anaxagoras in persönlichem verkehr gestanden hat, und dieser hat in der tat sehr stark auf ihn gewirkt. der verkehr kann schon in Euri- pides jünglingszeit begonnen und fast ein menschenalter gedauert haben, denn Anaxagoras lebte in Athen friedlich und still seinen studien. dafs Euripides lehrsätze desselben berührt oder auch geradezu citirt, zeugt nur von seinem studium des in weiten kreisen gelesenen buches, auch war Anaxagoras lange tot, als Euripides die berufensten stellen in der Melanippe (488) und im Chrysippos (836) schrieb. aber 438 läfst er den chor der Alkestis (903) von einem manne seiner verwandischaft erzählen, der als greis den tod seines einzigen sohnes gefalst ertragen hätte. damals war Anaxagoras ein greis, von ihm erzählt die legende das ἤδειν ὅτε ϑνητὸν ἐγέννησα, wie freilich von manchem andern: wir dürfen also, wie neuerdings vielfach geschehen ist, die legende als ge- schichte und Euripides als ihren zeugen betrachten. auch das hat man mit recht bemerkt, dafs Euripides dem wegen gotteslästerung nicht sowol als wegen undsouög vertriebenen lehrer ein ehrendenkmal gestiftet hat in den versen (902) ὄλβιος ὅστις τῆς ἱστορίας ἔσχε μάϑησιν, μήτε πολιτῶν ἐπὶ τεημοσύνας μήτ᾽ εἰς ἀδίκους πράξεις ὁρμῶν, ἀλλ᾽ ἀθανάτου χαϑορῶν φύσεως κόσμον ἀγήρω πῇ τὸ συνέσιη χὦϑεν

λοτιμέα abhält (786). ἐμὰ [νῦ»] "ndn καλεῖ", φαίη ἂν ἀνὴρ τραγικός, εἶἷμαρ- μένη sagt Sokrates Phaid. 115°. εἱμαρμένη sagt der tragiker nicht: aber Alkestis ruft 254 Χάρων μ᾽ ἤδη καλεῖ" τί μέλλεις; ἐπείγον, σὺ κατεέργεις. so cilirt die con- versation das erste wort eines allbekannten verses. am meisten aber hat Platon den Bippolytos gelesen. das motiv des Symposions, Ἔρωτα δὲ τὸν τύραννον ἀν- δρῶν οὐ σεβίζομεν stammt aus ihm, 538. in der wunderbaren schilderung des tyrannen (Staat 573) entzückt das bild, wie die umgebung die den werdenden mit nachgiebig- keit (Hipp. 462) und mülsiggang (Danae 324) verdirbt, ihm einen Ἔρως schafft, ὑπό- πτερὸν καὶ μέγαν κηφῆνά τινα. sie treiben es aber schliefslich so weit, dafs diese drohne einen stachel bekommt und nun verderblich wird: deshalb heilst Eros τύραν- vos. das ist eine schilderung, die freilich einer entwirft, der selbst ein dichter ist, aber jenes chorlied des Hippolytos, das den Eros schildert πέρϑοντα καὶ διὰ πάσας ἐόντα συμφορᾶς ϑνατῶν, ὅταν HAI, schliefst mit dem nicht ausgeführten bilde dafs Aphrodite δεινὰ μὲν τὰ πάντ᾽ ἐπιπνεῖ" μέλισσα δ᾽ οἵα τις nenoraras, das man wol versteht, wenn man die definition der liebe ἤϑιστον ταὐτὸν ἀλγεινὸν ἅμα hinzunimmt und andere andeutungen, das aber doch unverstanden geblieben ist: Platon liefert die erklärung, weil der same in seiner seele aufgegangen ist, der Hippolytos, 374 ff., enthält auch die euripideische lehre von des fleisches schwäche, die den willen überwindet; auch diese schärfste formulirung des gegensatzes zur Sokratik hat Platon aufgenommen, natürlich mit schärfster verurteilung als ansicht der πολλοέ Protag. 352°. die stellen sind zu lang zum ausschreiben.

90 Das leben des Euripides.

χὥπως"") τοῖς δὲ τοιούτοις οὐδέποτ᾽ αἰσχρῶν ἔργων μελέδημα προσίέζει, verse, in denen die apologetische absicht zu tage liegt. dals sie auf Anaxagoras gehen, bestätigt sich dadurch, dafs dieser der typus des ϑεωρητικὸς βίος in älterer zeit ist. Eudemos (ethik I 5) lälfst ihn auf die frage τένος Even’ ἄν τις ἕλοιτο γενέσθαι μᾶλλον μὴ γενέσϑαι antworten τοῦ ϑεωρῆσαι τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν περὲ τὸν ὅλον κόσμον τάξιν, was eine seichte paraphrase für τοῦ ϑεωρῆς σαι τὸν κόσμον τοῦ παντός ist, weil der peripatetiker in χόσμος nicht mehr die zadıc hört. derselbe erklärt kurz vorher ein auch von Aristoteles (Eth. Nik. X 9) angeführtes wort des Anaxagoras, ἔσως @Wero τὸν ζῶντα ἀλύπως καὶ καϑαρῶς πρὸς τὸ δίκαιον τινος ϑεωρέας κοινωνοῦντα ϑείας, τοῦτον, ὡς ἄνϑρωπον εἰπεῖν, μακάριον εἶναι. das entspricht ganz den euripideischen versen, und die persönliche sympathie wird man in ihnen um so mehr anerkennen, als der dichter selbst nicht die ruhe hatte, auf den himmel statt auf die menschen zu sehen, freilich auch die friedlosigkeit im eignen busen durch den gegensatz doppelt fühlte, und als Athener nicht vergessen konnte, dafs er auf erden eine heilige heimat hatte. als philosoph ist Euripides keineswegs ein anhänger des Anaxagoras, sondern gibt mit derselben zustimmung auch wider- sprechende lehren anderer wieder. das princip der homoeomerie kommt nicht vor, und der νοῦς steht nach ihm neben dem σώμα in durchaus dualistischem sinne.

Ähnlich wie zu Anaxagoras steht Euripides zu Protagoras. auch ihn hat er nach seinem tode persönlich berücksichtigt, doch wissen wir nicht, ob verteidigt. auch seine tätigkeit fällt zum teil (bevor er nach Thurioi gieng) in Euripides bildsame jahre. auch hier erzählen die alten von persönlicher berührung“), und sie scheint unabweisbar, weil die beeinflussung eine sehr starke ist und nicht die lehre angeht sondern

45) Überliefert ist καὶ ὅπη καὶ ὅπως und die krasis, welche die euripideische metrik herzustellen fordert, ist nur eine orthographische änderung. allein ὅπῃ neben πῇ ist, wie wol zugestanden ist, unmöglich. die leichte und elegante änderung von sn in τές kann kaum richlig sein. man verlangt oios, und die frage nach der qualität wird neben dem aorist συνέστη unbequem. vor allem aber fragt die physik nach der aeyr, und diese frage mufs irgendwo gestanden haben. somit mufs ὅπη weichen, obwol ὅπη καὶ ὅπως passend verbunden wird, noch von den archaisten wieder aufgenommen (Philostrat der jüngere sixowss 16).

46) In das haus des Euripides wird die erste vorlesung von Protagoras gottes- leugnerischer schrift verlegt (Diog. Laert. 9, 54): aber da ist die tendenz klar, den dichter des Bellerophontes mit Protagoras zu verbinden, wie er mit Krilias ver- bunden worden ist,

φιλοσοφία. 27

die methode. den subjectivismus des Protagoras hat Euripides zwar ge- legentlich berücksichtigt (Aiolos 19), aber nicht geteilt, und πάντων χρημάτων μέτρον ἄνϑρωπος nicht in verse gebracht. wol aber hat er die kunst des ἀντιλέγειν so sehr ausgebildet wie nicht einmal ein rhetor, und seine ganze technik ist davon durchdrungen. der leser hat immer damit zu rechnen, dafs in jedem einzelnen spruche nur einer der beiden Aöoyoı zu worte kommt, die es von jeder sache gibt; was der dichter wirklich meint, kann aus einer äufserung nicht abstrahirt werden.

Zu Prodikos sind berührungen nicht nachweisbar: denn die ety- mologischen spiele, an denen Euripides seine freude hat“), und die er wenigstens in seinen letzten 20 jahren mit grölserem ernste vorträgt als die andern dichter, weisen vielmehr auf die ὀρϑοέπεια des Protagoras und auf Heraklit zurück. die synonymik des Prodikos, die Platon im Protagoras persifflirt und Thukydides ernsthaft anwendet, kommt wol nirgends vor. Gorgias trat erst 427 in Athen auf; seine schüler sind Thukydides und Antiphon geworden, Euripides war dazu zu alt. seine speciell rhetorische technik weist vielmehr auf Thrasymachos *). indessen ist an der sophistik ja nicht der einzelne name von bedeutung. was sie im ganzen leistet, die verarbeitung und vermittelung der philoso- phischen und überhaupt wissenschaftlichen gedanken, welche die einzelnen grofsen denker in der einsamkeit gefunden hatten, und die dialektisch rhetorische schulung, welche dem redner wie dem schriftsteller erst die zunge löste, ist nicht an einen einzelnen gebunden. die hippokratische sammlung und die dorischen διαλέξεις lehren das am besten. und so ist Euripides einfach als sophist zu fassen, und nicht nach den etwaigen vermittlern sondern nach den urhebern der gedanken zu fragen, welche er vorträgt. so mag ihm die kenntnis des Herakleitos durch bekenner von dessen lehre zuerst vermittelt sein, die in Athen nicht fehlten: dafs er sein buch selbst gelesen hat, ist ganz unzweifelhaft*). ebenso hat er Xenophanes gekannt‘), allein bezeichnender weise bezieht er sich nur auf dessen polemik gegen die vorstelluüngen und wertschätzungen der menge: die lehre vom ewigen sein und der monotheismus wird nicht berührt, und von einer benutzung des Parmenides oder der sophistischen

47) Vgl. zu v. 155.

48) Vgl. zu v. 336.

49) Vgl. zu v. 101. die fabel hat das schliefslich so weit ausgesponnen, dafs Euripides nach Ephesos reist, die bei der Artemis deponirte schrift des Herakleitos auswendig lernt und einem erwählten kreise mitteilt und erläutert ; Tatian 3.

50) Vgl. zu v. 1346.

28 Das leben des Euripides.

verbreiter der eleatischen lehre, Zenon und Melissos, ist keine spur. die zeitgenössischen philosophen kennt er wenig. auf Empedokles deutet nichts. Diogenes von Apollonia wird nur einmal so berücksichtigt, dafs das schlagwort seines systemes in einer aufzählung von δόξαε erscheint"). Leukippos ist, wie zu erwarten, unbekannt: denn die bei Demokritos allerdings stark hervortretende ansicht von der gewalt des νόμος als des nicht im wesen ruhenden conventionellen hat nichts mit der atomen- lehre zu tun: das kann ebensogut von protagoreischem und auch von elea- tischem standpunkte vertreten werden; wahrscheinlich stammt es von Archelaos. Euripides hat es, wie natürlich, sehr fruchtbar gefunden und bis in die letzten consequenzen verfolgt (Hek. 799). die orphischen poesien waren ein attisches erzeugnis; sie hatten stark auf Pindaros ge- wirkt, einigermalsen auf Aischylos: dafs Euripides sie kannte, ist natür- lich. und er hat zwar an sühnungen und ihren einfluls auf das leben im jenseits nicht geglaubt‘), auch dem widerwillen der menge wider ihr pharisäertum mit wohlgefallen worte geliehen (Hipp. 953), aher in den Kretern ihre doctrinen im feierlichsten ernste behandelt. schon dieses führt auf die Pythagoreer. Euripides redet zwar nicht von der zahl noch von der harmonie, auch nicht vom sündenfall der geister und der seelen- wanderung. aber er hat nicht nur auf einen ethischen ausspruch des Pythagoras so bestimmt verwiesen, dafs er die existenz einer schrift unter Pythagoras namen zu bezeugen scheint®), sondern er hat mehr-

51) Tr. 884 γῆς ὄχημα κἀπὶ yis ἔχων ἔδραν Ζεύς Hippokrat, π. φυσῶν 3 (ἀήρ) γῆς ὄχημα; dies ist eine schöne entdeckung von Diels.

52) Überhaupt an kein leben nach dem tode. τίς oldev εἰ τὸ Liv μὲν ἔστε κατϑανεῖν gehört in die heraklitische lehre; der so ganz modern anmutende spruch Hipp. 194 constatirt nur das ewige rätsel, auf das er nicht mehr antwort gibt als Hamlet.

53) Fgm. 392 (Theseus spricht; drama unbekannt, d. h. Aigeus Theseus Hippo- Iytos I möglich; da der spruch für einen knaben nicht palst, wol der letzte) ἐγὼ δὲ τοῦτο παρὰ σοφοῦ τινὸς μαϑὼν ἐς φροντίδας soiv συμφοράς τ᾽ ἐβαλλόμην φυγάς τ᾽ ἐμαντῷ προστιϑεὶς πάτρας ἐμὴς ϑαιάτους τ᾽ ἀώρους καὶ κακῶν ἄλλας ὁδούς, ἵν᾽, εἴ τε πάσχοιμ᾽ ὧν ἐδόξαζον φρενί, μή μοι νεῶρες προσπεσὸν μᾶλλον δάκνοι. Pogeidonios (auf den das citat bei Cicero, Galen, Ps.-Plutarch an Apollon. zurückgeht) hat in Anaxagoras jenen weisen gesehen, doch ohne anhalt, das richtige hat Cobet entdeckt: Jamblich υἱέ. Pyth. 196 ἦν αὐτοῖς παράγγελμα, ὡς οὐδὲν δεῖ τῶν ἀνθρωπίνων συμπτωμάτων ἀπροσδόκητον elvas παρὰ τοῖς νοῦν ἔχουσι. das steht hier in einer partie, deren herkunft unbekannt ist; wahrscheinlich stammt es von Ari- stoxenos. die benutzung einer Pythagorasschrift durch beide ist nicht abzuweisen. aber es ist auch durchaus verkehrt, diese alle als junge fälschungen zu beirachten. die reste bei Diogenes zeigen ja ionischen dialekt, der zwar dem Samier und dem phi-

φιλοσοφία. 29

fach eines der gedichte berücksichtigt, welche auf den namen des Epi- charmos giengen”‘). seine eigene ansicht von den ἀρχαί, ein dualismus

losophen des 5. jahrhunderts zukommt, aber zu der zeit des Archytas schon un- denkbar wäre: damals war diese ionische pflanze längst für das Dorertum reclamirt. die herstellung des pythagoreischen evangeliums ist eine schöne aufgabe: denn er- sichtlich gehört die älteste schicht der wunder, z. Ὁ. die daunische wölfio, auch in so gute zeit hinauf.

54) Die wichtige sache wird verkannt; es soll kurz der beweis gegeben werden. Epicharm: says καὶ μέμνασ᾽ ἀπιστεῖν" ἄρϑρα ταῦτα τἂν φρενῶν (zuerst von Poly- bios citirt, damals schon fliegendes wort): Eur. Hel. 1650 σώφρονος δ᾽ ἀπιστίας οὐκ ἔστιν οὐδὲν χρησιμώτερον βροτοῖς. Epich. emori nolo: sed me esse morluum nil aestimo (Οἷς. Tusc. I 15, griechisch nicht herzustellen): Eur. Herakl. 1016 ϑανεῖν μὲν οὐ χρήζω" πὼν δ᾽ av οὐδὲν ἀχϑοίμην βίον, wie das vorige als schlufseflect längerer rede. Ep. συνεκρέϑη καὶ διεκρίϑη κἀπῆλθεν ὅϑεν ἦλθεν πάλιν, ya μὲν εἰς γᾶν, πνεῦμα δ᾽ ἀνω" τί τῶνδε χαλεπόν; οὐδὲ Ev. (Consol. ad Apoll. 110°) dasselbe Eur. öfter, z. B. Hik. 533. wo haben diese epicharmischen sprüche gestanden ? komödien hat Eur. nicht citirt und wahrlich auch Xenophon nicht, der Mem. II 1, 20 (vgl. Hell. VI 1 15, damit man das atheliren lasse) epicharmische sprüche anführt. es gab ja aber γνώμαε, welche nach dem durch Apollodor (bei Athen. 6484) er- haltenen urteil des Philochoros von einem gewilsen Agiopistos herrührten. allein ob das siltensprüche waren ist fraglich. Philochoros besprach sie in dem buche über mantik zugleich mit einem κανών, und als traumdeuter nennt Tertulliau de anim. 46 Epicharm neben Philochoros, so dafs man diese schriften eher unter die technischen pseudepigrapha rechnen möchte, die es auch über tierarzneikunst u. dgl. unter Epicharms namen gegeben hat. nun hat aber schon Aristoxenos (wie Apol- lodor am gleichen orte bezeugt) eine Πολετεία unter Epicharms namen gekannt, so dafs der sonst nahe liegende verdacht schweigen mufs, dafs die aus dieser citirten sprüche aus alexandrinischer zeit stammten und ihre verherrlichung des Jeios λόγος, von dem ein teil der menschliche ist (Clem. strom. V 719), stoisch wäre; auch zeigt ein von Clemens zugleich angeführter vers, dafs dieser λόγος oder vielmehr seine betätigung, λογισμός, mit der zahl gleichgesetzt wird, wir also in pythagoreischer gegend sind, wenn auch der einflufs des Anaxagoras kenntlich ist: denn νόος ὁρῇ καὶ νόος axovsı, τάλλα κωφὰ καὶ τυφλά (zuerst citirt von Aristoteles probl. X1 33: nicht von Platon Phaid. 655, der auf einen wol euripideischen tragikervers geht) gehört offenbar eben dahin. nun tritt wieder Euripides ein. Hel. 122 αὐτὸς γὰρ ὄσσοις δἰδόμην, καὶ vous ὁρᾷ. das tilgt man, weil man die beziehung verkennt. die echte Helene fragt den Teukros, ob er ihre doppelgängerin gesehen habe. der sagt “so wie ich dich jetzt mit augen sehe”. sie wirft ein“es kann ein trugbild gewesen sein’. er weist das rund ab. sie “ihr traut also ganz auf die zuverlässigkeit der erscheinung?” (spiel mit δόκησις, vgl. zu v. 287). er “ja ich habe sie mit eignen augen gesehen, und der νοῦς sieht‘, d.h. weil der νοῦς sieht, ist keine δόκησις, ψευδὴς δόξα möglich. Helene verstummt: sie kann nichts ausrichten, wenn die sinneswahr- nehmungen gelten sollen, weil die sinne nicht sehen, sondern die infallible vernunft. aber der dichter widerlegt die misdeutung des epicharmischen wortes durch die tat: Teukros täuscht sich doppelt, sein νοῦς hat die falsche Helene anerkannt, die echte verworfen. allerdings ist die Helenestelle nur durch eine beziehung auf etwas

80 Das leben des Euripides,

von geist gott aetlier und stoff körper erde, ist ein compromils zwischen der philosophie des ostens und der theologie der heimat und des westens. das hauptprincip seiner ethik, die macht der vous, der intellectuellen und moralischen veranlagung des einzelnen, ist wol durch die verschie- denen philosopheme beeinflufst: aber gewonnen hat gerade dieses der menschen beobachtende, leidenschaften nachempfindende dichter. er ist natürlich kein schöpferischer philosoph; aber kein anderer kann uns von dem, was der forschungsdurstige Athener kannte und las, eine vorstellung geben: und φιλέσοφος im echten sinne ist er auch, obwol er auch σοφιστής ist, im echten, wie im üblen sinne.

aufser ihr verständlich, aber wer hat das recht so etwas zu zerstören? Euripides führt noch weiter. er kennt die lehre, welche den νοῦς βροτῶν als gott betrachtet (Tro. 887, fgm. 1007), allerdings subjectiv gewendet, aber der übergang ist leicht, und auch Epicharm sagt (Stob. 37, 16) τρόπος ἀνθρώποισι δαίμων ἀγαϑός, οἷς δὲ καὶ κακός. und es geht noch weiter. den Epicharmus des Ennius als etwas anderes zu denken als eine übersetzung eines griechischen buches ist ganz wunderlich. So- tades Archestratos Euemeros erhalten einfach ihren genossen. und terra corpus est, αἱ mentis ignis est (5) stimmt vollkommen. hier war Ceres als die erde gedeutet (4): Δημήτηρ ϑεά, γῆ δ᾽ ἔστιν, ὄνομα δ᾽ inörepov βοίλῃ κάλει sagt Eur. Bakch. 276. und Juppiter war zwar aer genannt, aber als wind und wolken gedeutet. Eur. fgm. 935 ὁρᾶς τὸν ὑψοῦ τόνδ᾽ ἀπείρον᾽ aidega καὶ γῆν πέρεξ ἔχονθ᾽ ὑγραῖς ἐν ἀγκάλαες. τοῦτον νόμιζε Ζῆνα, τόνδ᾽ ἐγοῦ ϑεὸν. feucht sind seine umarmungen, also ist nicht die feurige lufi gedacht, und die differenz zwischen are und αἰϑήρ ohne belang, wie so häufig und schon von alter zeit her. Ennius nennt die principia mundi aqua terra anima sol (3): Epicharm bei Menander die götler ἀνέμους ὕδωρ γὴν ἥλιον πῦρ ἀστέρας. wahrlich es geht doch alles zusammen, und wir erkennen ein lehrgedicht Epicharms, wie die vita bei Diogenes es auch verlangt. ein äulserliches kriterium tritt hinzu. nach Diogenes hatte sich Epicharm sein autorrecht durch ein akrostichon gesichert. dafs Ennius sich desselben spiels bedient habe, bezeugt Cicero de div. Il 111: wir sehen, woher er die kunst hatte. die form war nach Ennius der traum ins jenseits entrückt zu sein (1). Alkimos, der freund Stilpons führt die schlufsverse an, wie man glauben möchte, worin Epicharm prophezeit “einst wird jemand meinen versen das mafs, das sie nun tragen, ausziehen, ihnen ein purpur- gewand anlegen, es mit schmucken worten ausstaffiren und 80, selbst schwer bezwing- lich, zeigen, wie leicht die andern zu bezwingen sind’. da haben wir in wahrheit die entschuldigung des fälschers. denn er vindicirt dem alten Epicharm die neuen lehren, er wendet fälscherkunststücke an, ihm den ruhm zu sichern, und die priorilät wahrt er ausdrücklich. er zielt hier wol auf einen bestimmten sophisten, den ich nicht zu benennen wage. der verfasser (Chrysogonos αὐλητής nach Aristoxenos, was der zeit nach sehr gut möglich ist, da dieser 408 auf der höhe des ruhmes stand, Athen. XII 5354) hat von Pyihagoras, Anaxagoras, Prodikos gelernt. Euripides kennt sein gedicht seit 430 etwa: nicht viel früher kann es entstanden sein. es ist ein sehr merkwürdiges product; noch manches ist davon zu sagen, doch genüge hier der nachweis seiner benutzung durch Euripides, worin der nachweis des alters liegt.

ἑστορία. 81

.Es ist jedoch eine bedeutende einschränkung nötig. denn eine ἱστορία. seite der zeitgenössischen geistesarbeit hat Euripides so gut wie ganz vernachlässigt, die iorogin ins weite. fremder völker sitten, fremder länder wunder kennen zu lernen ist er nicht beflissen ; mit geographischen namen zu prunken verschmäht er”); kaum eine spur deutet darauf, dafs er die geographische und die mit ihr meist zusammenfallende histo- rische litteratur der lonier gelesen hätte”). er hält es auch hierin wie Sokrates, nicht wie Sophokles, der freund des Herodotos’”). Aischylos

55) Bei Eur. wundert man sich schon, wenn er einmal in der weise die Pindar geläufig ist statt der grenzen der welt Atlas und Pontos (zu v. 234) oder Phasis und Nil (Andr. 650) nennt. wo es eine besondere wirkung macht, erscheint natär- lich auch solches wissen. die vorzügliche schilderung Messeniens im Kresphontes (1068) hat eine politische spitze; Sparta besitzt die schönste landschaft widerrecht- lich, und die Messenier fordern ihre zurückführung. dafs Iphigeneia am baumlosen gestade, in der südrussischen steppe, sich nach den hellenischen gärten und hainen sehnt (134, 229), ist durch die localfarbe sogar dem suchen Griechenlands im schatten des dichtbelaubten haines überlegen. die sicilische expedition macht die dortigen maulesel (Tr. 222 öers, auch Soph. OK. 313 Altvala πῶλος) und das ϑαυμάσιον des thurischen Krathis (Tr. 227) interessant. der hain von Knosos in den Kretern mit dem uralten blockhaustempel hat gewifs auch localen bezug, aber auch besondere bedeutung. einen starken irrtum über die lage von Kelainai rügt Strabon (XII 616. fgm. 1070), beziehung unbekannt. zwar schwerlich den magneten, aber doch einen stein von Magnesia hat Eur. in einem gleichnis erwähnt: sicher den magneten Sophokles (oben 8, 12). auffällig ist in den Troerinnen 1075 der phry- gische Zeuscult auf dem Ida; doch hängt dies mit dem vorhergehenden zusammen, wo der Ida der ort heifst, den die sonne zuerst bescheint: in der tat haben astronomen den sonnenaufgang dort beobachtet (Diodor XVII 7, Lucrez V 663), offenbar gelegent- lich des phrygischen höhendienstes. auffällig ist auch in den Bakchen die sehnsucht nach Kypros, wobei die rieselfelder von Paphos geschildert werden (406). man möchte denken, dafs der dichter sich hier als Athener aus dem versinkenden Reiche fortwünscht in irgend einen winkel, den das kriegsgetöse nicht erreicht, wo dann Kypros und Makedonien nahe lagen. er ist nach dem letzteren gegangen, Ando- kides z. b. nach beiden.

56) Strabon (XI 520) sagt, er wolle noch ein par berufene νόμεμα βαρβαρικά erwähnen, z. b. dafs ein volk bei sich als sitte übe τὸ Evgmnidsov 'Tov φύντα ϑρηνεῖν u. s. w. (Kresphont. 452). moderne haben das umgedreht und lassen Euri- pides aus Herodot Υ 4 schöpfen. das würde berechtigt sein, wenn er sich auf irgendwo existirende sitte beriefe: so stellt er sich nur in schroffsten gegensatz zur heimischen. für den gedanken aber bedurfte er keiner anregung von aufsen: an yivar κράτιστον, τὸ ζῆν κατθανεῖν legie den schlufs nahe genug.

57) Abgesehen von den bekannten beziehungen auf Herodotos, unter denen die Intaphernesgeschichte nur eine ist (geschrieben nicht um Herodot zu huldigen, an den niemand denken sollte, sondern weil Sophokles die geschichte hübsch fand), wirft Sophokles mit geographischen namen fast wie ein Römer um sich. Phasis und

98. Das leben des Euripides.

hatte sein volk durch ganze geographische excurse, wie die fahrten der lo und des Herakles, unterhalten; besonders lebhaft aber gab er die eignen eindrücke wieder, die der weilgereiste empfangen hatte, so vom feuer- speienden berge und den thrakischen pfahlbauten (Pers. 870). auch das fehlt bei Euripides, der wol nicht weit herum gekommen ist). die nach- bargegenden, zumal die cultstätten Delos Delphoi, Trozen Argos Theben, schildert er mit besonderen localen beziehungen und bezeichnungen, sicher verstanden zu werden. von Korinth mochte man 431 wol nichts hören: die Medeia könnte ebensogut vor jedem schlosse spielen. aber auch Pherai®*) und Pharsalos®), die Chersones, die doch kleruchenland war, und gar der Aetna°') sind eigentlich gar nicht gezeichnet. die Helene spielt in Aegypten, aber nicht das mindeste localcolorit ist aufge- tragen), während Sophokles die gelegenheit bei den haren herbeizieht,

Istros treten auf als typen für einen grofsen strom (OT 1227), indisches gold und sardisches elektron als typen orientalischen reichtums (Ant. 1037), der wein von Italien (Ant. 1119, dies vielleicht wegen Thurioi), das gold vom Paktolos (Phil. 391), das menschenopfer an Bal (Andromeda 622), der byzantische tunfisch mit seinem localen namen (fgm. 460). ein ϑαυμάσιον aus Euboia wird in vielen versen be- schrieben (Thyest. 235). die κλητικοὶ ὕμνοι putzen sich vollends mit diesem billigen zierrat, Ai. 693 soll Pan von Kyllene kommen, nysische knosische tänze zu lehren, Apollon über Ikaros von Delos. Ant. 1115 der Thebaner Dionysos nach Theben, er der herrscher in Eleusis und Italien, in der korykischen grotte über der Kastalia und in Nysa. der Triptolemos gab eine ganze periegese der olxovauson im stile der aischy- leischen, aber noch viel umfassender.

68) Ein gewifser Eparchides hatte in einer specialschrift über Ikaros (Athen. ll 61) ein epigramm mitgeteilt, das Euripides bei einem gelegentlichen besuche auf der insel gemacht haben sollte. es ist ein recht schlechtes gedicht, denn es nennt die namen der toten nicht und auch nicht die todesart. Eparchides wufste aber zu sagen, dafs es einer frau galt, die mit drei kindern an dem genusse von giftigen pilzen gestorben war. auf einem grabe kann es neben den namen allenfalls ge- standen haben. in diesem falle hätte Eparchides eine ciceronefabel aufgezeichnet, für die sowol das sujet wie der berühmte dichtername trefflich passen. wir wissen aber gar nicht, ob nicht Eparchides selbst schwindelte. Euripides steht als ver- fertiger von epigrammen so gut wie sonst Homer, Sappho, Archilochos: ernsthaft ist all das nicht zu nehmen.

59) Die localfarbe der Alkestis, soweit sie da ist, gehört der quelle, Hesiods Eoee von Asklepios, an. dafs v. 835 eine strafse von Pherai nach Larisa erwähnt wird, heifst gar nichts. eine bestimmte angabe mufste gemacht werden; ob Larisa oder Pharsalos oder Krannon genannt ward, war einerlei.

60) Das Θετίδειον ist zwar eine wirkliche örtlichkeit und wird genau bezeichnet, weil es dem publicum fremd war. aber das war von der sage, wenn auch nicht der Andromachesage gegeben, denn es stand bei Pherekydes, schol. 18.

61) Vgl. zu v. 639.

62) Die Περσέως σκοπιαέ 169 sind zwar an der aegyptischen küste localisirt,

ἑστορία. 33

ein aegyptisches νόμεμον aus seinem Herodot anzubringen (OK 337). nur die neue makedonische umgebung hat dem greisen dichter nicht nur besondere localschilderungen eingegeben, sondern hat ihn auch empfänglich gemacht für den zauber der freien natur mit wald und wasser und wild, den ja am meisten der von der friedlosen civilisation und dem getriebe der grofsstadt abgehetzte empfindet). in dieser hatte Euripides sich sein langes leben bewegt, hier hatte er beobachtet, ohne sich in ihren strudel selbst zu stürzen, dennoch ganz in ihren kreis gebannt, und gewohnt mit seinen gedanken in die tiefe zu dringen, nicht in die weite zu schweifen. am gastlichen tische des Ion in Chios, gar als feldherrn mit diplomatischem auftrage, könnte man sich ihn so wenig denken wie den Sophokles mit Protagoras im Herakleitos lesend. aber auch mit Perikles und Anaxagoras ein physisches problem erörternd ist er nicht zu denken: alle die physikalischen einzelfragen interessiren ihn nicht im mindesten, selbst die μετέωρα nicht, wenn er auch einmal die sonne eine χρυσέα βῶλος nach Anaxagoras nennt (Phaeth. 777 0r.983). und wenn er im Phaethon einen lieblichen sternmythos dramati- sirt, so vermenschlicht er ihn ganz: selbst für die wunder des gestirnten himmels, die den Hellenen so besonders religiös stimmen, hat er nicht enifernt die innige liebe wie seine landsleute Sophokles und Platon, geschweige wie die sternliebenden Aioler*).

(Herod. 11 95), werden hier aber wegen der unmittelbar vorher gegebenen tragödie Andromeda erwähnt.

63) Diese stimmung weht zwar durch die ganzen Bakchen, deren chor eben deshalb gewählt ist, besonders aber in dem ausgeführten bilde 866: das reh, das dem jäger entronnen ist, springt fröhlich in der waldeinsamkeit über die wiese. Pieriens natur schildert er 409, 565, die ströme von Pella 571, in leider heillos ver- dorbenen versen. er scheint gegen B 850 zu polemisiren. denn dort heilst der Axios der strom mit dem schönsten wasser, hier wird der "“ξεὸς ὠκνρόας genannt, aber unmittelbar darauf dem Ludias das schönste wasser zugeschrieben wena nicht noch ein dritter fluls genannt war, denn nach der ganz ähnlichen stelle Hekab. 454 erwartet man den Apidanos.

64) Er bringt es selten über ein bild, das schön aber herkömmlich ist, wie Ἕω λευκὸν ὄμμα, oder Hik. 990, Andromeda 114, Ion 82. etwas selteneres ist der vergleich mit einer sternschnuppe fgm. 961. sternbilder auf schildern oder tapeten, eine geschichte, wie die umkehr des sonnenwagens bei den thyesteischen greueln (Or. 1000) beweisen nichts für das naturgefühl des dichters. und wenn er einen geblendeten sich sehnen läfst hinaufzufahren zu den hellen lichtern von Orion und Seirios (Hekab. 1100), so ist das wundervoll aus der seele dessen, der ewige nacht schaut, empfunden, aber keine περὲ τὰ μετέωρα πολυπραγμοσύνη. sehr verkehrt haben also die antiken verteidiger des Rhesos sich darauf berufen, dafs hier aller- dings 531 eine seltsame constellation geschildert wird, und Iph. Aul. 5 ist eben

v. Wilamowltz 1. 3

84 Das leben des Euripides.

Historische studien in gewissem sinne forderte von dem tragiker sein beruf. denn er behandelte ja einen ὧν λόγος; nur schöpfte er die nötige kenntnis in erster linie bei seines gleichen. es versteht sich von selbst, dafs Euripides das epos, Homer und Hesiod, in der weise studirt, wirklich studirt hat, wie man es damals konnte, an der hand der da- maligen Homerphilologen, der rhapsoden. die spuren dieser studien sind schon. bei Aischylos in seinem eignen wortgebrauche nachweisbar, und so bei allen spätern dichtern. der anschlufs an bestimmte einzelne Homer- verse ist aber bei Euripides seltener als bei den andern tragikern. auch hat er nur im satyrspiel Kyklops eine einfache dramatisirung einer homerischen geschichte geliefert, was Aischylos mit dem kernstück der Ilias IT—2, Sophokles wahrscheinlich mit teilen der Kyprien, der kleinen Ilias und Odyssee getan hatte. die Troerinnen vereinen zwar eine anzahl scenen der Πέρσις in der art der Vivenziovase, allein der reiz liegt hier in der vollkommen verschiedenen beleuchtung, die bei Euripides eine troische ist. übrigens ist für uns die vergleichung des dramatischen stoffes mit dem epischen nur in den seltensten fällen möglich, da wir die sage nur in der fassung zu kennen pflegen, die herrschend ward, und das ist die dramatische oder gar eine jüngere, so dafs wir das epos erst durch das drama einigermafsen kennen lernen. nakte facta, wie sie 2. b. die hypothesen bei Proklos liefern, sind‘. für solche vergleichungen unergiebig. dafs aber bei Euripides die epischen stoffe, selbst wenn man die kühn umgestalteten mitzählt‘*), zurücktreten, lehrt ein blick auf Welckers tragödien.

Die nächsten vorgänger der tragiker waren eigentlich gar nicht die epiker, sondern die chorischen Iyriker, und von deren compositionen waren viele, wie die nachbildungen der komödie zeigen, allbekannt,

auch nicht von dem dichter Euripides. dafs wir an unserm himmel die personen der Euripideischen Andromeda sehen, hat er allerdings bewirkt, aber nur dadurch, dafs er eine vorhandene geschichte dramatisirte, deren herkunft unbekannt ist und die über- haupt singulär ist und wenig hellenisch aussieht. gegenüber Euripides sehe man wie Sophokles das überkühne wagnis begelıt, die aufzuckenden stralen der morgenröte “die wimper des tages’ zu nennen (Ant. 102) und vom wechselnden monde (fgm. 786), der ewig kreisenden bärin (Tr. 130) ein gleichnis nimmt.

65) Vgl. was unten über Phoinix beigebracht wird. am klarsten ist die geniale freiheit des dichters im Aiolos. die Odyssee erzählt dafs der könig der winde, der auf einsamer insel lebt, seinen söhnen seine töchler zu frauen gegeben hat, ganz unschuldig, wie Adam das auch getan hat. das greift Euripides auf und hängt das ganz moderne problem daran, die geschwisterliebe, die blutschande, das problem das Byron und seine zeit so tief beschäftigt hat, ein problem von ewiger bedeutung.

ἑστορία. 8ὅ

hatten auch in der schule eingang gefunden. natürlich kannten sie die tragiker um so besser. allein weder im stofflichen noch (was aber wol an unserer kenntnis oder erkenntnis liegen wird) im formellen findet sich aufser ganz vereinzeltem und gelegentlichem eine beziehung zu Pin- dar®) Simonides Bakchylides. wir kennen ja nur Pindar, können daraus aber den grund wol abnehmen. Pindar neuerte nicht viel, wo er es tat, selten glücklich, aufserdem ist er durch seine engen zwecke bestimmt, dafs aber mit der ganzen sagenwelt, in der er lebte, die Athener sich nicht stark berühren, liegt in dem politischen, landschaftlichen, noch mehr dem gesellschaftlichen gegensatze. für Simonides trifft dies nur beschränkt zu; aber von ihm wissen wir gar zu wenig.

Ganz anders stehen die Chalkidier, Ibykos") und zumal Stesichoros.

66) Die Asmagas A49avaı des pindarischen diihyrambus waren fliegendes wort. wie Aristophanes (Ritt. 1329) hat sie auch Eur. öfter, schon Alk. 452 und noch J. Τ. 1130. das wort Assagöos war aus dem hohen stile geschwunden, Soph. hat es nie, Eur. nur im satyrespiel. eine mythische beziehung hat ein gescheidter gram- matiker zu Androm. 796 aufgedeckt. Eur. läfst dort seinen chor zu Peleus sagen ‘jetzt glaube ich, dafs du in Troia mit Herakles und auf der Argo gewesen bist’. das letztere ist eine gewöhnliche sage, das erstere war eigentlich notwendige folge von der durch die Aegineten aufgebrachten beteiligung Telamons an dem troischen zuge des Herakles. aber es findet sich sonst nicht ausdrücklich erwähnt. da bringt nun der scholiast eine Pindarstelle bei, welche auch beide züge vereinigt, und da Eur. den chor ausdrücklich seine zustimmung zu der ihm also vorher bedenklichen geschichte aussprechen läfst, ist die vermutung wol richtig. die Rhesosfabel hat Pindar so behandelt, dafs eine gewisse verwandtschaft mit dem stofle der tragödie nicht zu verkennen ist (schol. X 435), aber das sind gemeinsame sagenzüge: der ver- fasser des Rhesos hat Pindar nicht benutzt; wie viel verständiger würde sein stück geworden sein, wenn Rhesos wirklich, wie bei Pindar, einen tag lang die Achaeer besiegt hätte, statt blofs zu renommiren. dagegen hat der schauspieler, der den zweiten falschen prolog verfertigt hat, seine personen, Hera und Athena, von Pindar entlehnt, was recht interessant zu wissen ist.

67) Die scholien irren zwar, wenn sie in dem geschicke der Helene und der Polyxene bei Euripides einflufs des Ibykos (ἔχηι. 35. 36) sehen, denn das ist schon epische sage; aber eine sehr merkwürdige anregung ist kenntlich, Apollonios Ill 158 schildert den abstieg vom Olymp auf die erde. es ist ein platz vor dem tore, neben dem garten der götter: von da schwingt sich Eros wider Medeia herab. der scho- liast bemerkt dazu, es wäre eine nachbildung eines liedes von Ibykos an Gorgias, worin zuerst der raub des Ganymedes und dann der des Tithonos vorkomme. also Ibykos verglich die schönheit des von ihm oder seinem auftraggeber geliebten Gorgias mit den beiden Troerknaben, welche himmlische liebe in den Olymp entführt hat. Eur. Tr. 820 klagen die Troerinnen ihr leid dem Ganymedes, der in heiterer schön- heit neben Zeus blüht, während sein vaterland verwüstet wird. dann wendet sich das lied an Eros, der die himmlischen zu den Dardaniden herabgeführt hat, τὸ μὲν οἷν Διὸς οὐκέτ᾽ ὄνειδος ἐρῶ, aber auch Tithonos ist von Eos in einem sternenwagen

8

90 Das leben des Euripides.

der dichter, welchem die tragiker die Atreidengreuel, Euripides eine 80 gewaltlätig neuernde sagenform wie die seiner Helene verdankt, hat ohne zweifel noch viel häufiger bestimmend eingewirkt. aber die ver- suche genauerer nachweisungen sind nicht nur bisher wenig glücklich gewesen, sondern auch kaum von der zukunft zu erwarten, da keine vermehrung des materiales in aussicht steht.

Elegie und iambos wurden in den schulen gelesen, waren äulserst populär, es finden sich auch einzelne bezüge auf sie bei den tragikern ἢ), aber eine tiefere anregung war hier nicht möglich. die lieder der Lesbier und Anakreons standen ähnlich, wenn auch von jenen wie von Alkman wol nur einzelne lieder populär waren®). mythisches konnten sie wenig geben, und die künstliche metrik wird nur noch hie und da eine an- regung aus ihren einfachen weisen geschöpft haben, während allerdings Aischylos bei Anakreon nachweislich gelernt hat. vielleicht wird sich aus geschichtlicher betrachtung der metrik noch mehr ergeben.

Stoffliche ausbeute würde den tragikern die mythographische litte- ratur in reicher fülle geboten baben. denn ohne zweifel hat es davon viel mehr gegeben, als auf die nachwelt kam. ist doch die schriftstellerei des Akusilaos und des in Athen lebenden Leriers Pherekydes”), von geringern wie Anaximandros abgesehen, nur so verständlich wie die der nordischen prosaischen sagenbücher, als auflösung des epos. deshalb

entführt, und nan ist doch die liebe der götter zu Troia verflogen. da sind die beiden mythen auch in erotischer wendung vereinigt: das mag man zufall nennen, mag auch dem Evripides die hübschen züge selbst zuschreiben, des Ganymedes γυμνάσια καὶ λουτρά (Phoen. 371, Phaeth. 782), und den sternenwagen, obwol letzterer sehr von der attischen weise abweicht, die wir von den vasenbildern her kennen, und ersteres dem dichter der knabenliebe wol ansteht. entscheidend ist die figur der praeteritio, die auf die vorige strophe nicht gehen kann, in der der raub nicht erzählt und Zeus nicht gescholten ist. ein quaerere distuli weist immer auf eine art polemik.

68) Mimnermos vgl. zu v. 637. bemerkenswert ist, dafs Or. 1546 ein spruch des Semonides wiedergegeben wird (fgm. 1, 1).

69) Auf Alkaios nimmt Aischylos Sieb. 387 nach den scholien bezug. er war sonst nicht populär in Athen. das einzige von einem Attiker berücksichtigte alk- manische lied (Ar. Vög. 250) ist in der form nicht lakonisch. als Aristophanes aber Lakoner einführte, im schlusse der Lysistrate, griff er nach dem lakonischen poeten. an seine rhythmen gemahnt nur Sophokles öfter, und das wird zufall sein.

10) Die lebenszeit des mannes und alles was seine person angeht ist freilich nur aus dem urteil über sein werk abzuleiten, da jede verläfsliche angabe fehlt. der versuch ihn zu einem Athener zu machen wird hoffentlich keine verwirrung an- richten. wenn die grammaliker einzeln die benutzung der mythographen durch Euri- pides annehmen (schol. Or. 1654 Phoen. 71), so hat das keine beweiskraft.

ἱστορία. 87

wird aber die vermittelung zwischen epos und tragödie durch diese bücher schwer nachweisbar, glücklicherweise aber auch wenig bedeutend. so viel sich bisher die immer noch nicht recht erfalste schriftstellerei des Pherekydes übersehen läfst, ist mit zuversicht zu verneinen, dals er die tragödie benutzt hat, nirgend zu erweisen, dafs die tragiker ihn gelesen haben und nicht seine quellen. Hekataios ward durch seinen rationalis- mus unverwendbar in dem was er eigenes gab, und so wird man sich auch auf etwa hervortretende übereinstimmungen nicht verlassen ”'). Euripides speciell hat die historiker sonst so sehr verschmäht, dafs man nicht geneigt sein kann ihm die lecture der bücber zuzutrauen, die erst wir als mythographische von den historischen scheiden. und doch gibt es ein gebiet, wo er irgend eine solche quelle aufgesucht haben mufs, die altpeloponnesischer traditionen von den Herakleiden, die in Kresphontes Temenos Temeniden, vielleicht nach Likymnios behandelt sind. für uns ist Euripides der älteste zeuge selbst für die namen. die nächste tradition, bei Isokrates und Ephoros, berührt sich einzeln mit ihm, ohne sich doch zu decken; manches ist auch ganz verschollen. Es wäre eben so töricht wie geschmacklos, wenn man für jeden tragischen stoff eine schriftliche quelle suchen wollte. natürlich haben die dichter sehr viel aus der mündlichen sage, und natürlich steht die heimische in erster reihe. die dürftigen attischen vorber kaum irgend wo berück- sichtigten localüberlieferungen haben ja erst die tragiker geadelt und selbst sie doch nur zum teil allgemein beliebt gemacht. die maratho- nische Herakleidensage, die eleusinische von der bestattung der Sieben hat Euripides von Aischylos geformt überkommen, die Alopesage war es auch schon. aber die eigentliche königssage, Aigeus Theseus Hippo- Iytos Ion, und vor allen Erechtbeus hat er erst bearbeitet und festge- stellt. Sophokles folgte ihm hierin zum teil, wie er ihm ja selbst die anregung dazu verdankt seinen eignen demos zu verherrlichen. aber Prokris und Prokne hat Sophokles populär gemacht. auch die kleruchien haben die heimatssage etwas bereichert. die geschichte des Polymestor stammt von der Chersones, und auch der altepische Protesilaos ist unter einwirkung des cultes von Elaius umgestaltet. Lemnos hat auf Philoktet und Hypsipyle gewirkt, Skyros den ganz neuen stoff der Skyrier geliefert, Achilleus und Deidameia, Syleus ist ohne die besetzung von Amphipolis

11) Die Augesage haben Euripides und Hekataios ähnlich erzählt, aber wir kennen die epischen bearbeitungen derselben nicht. dafs Euripides in der Helene Hekataios und Herodotos nicht berücksichtigt hat, ist eine tatsache, die schwerer wiegt als alle solche möglichkeiten.

88 Das leben des Euripides.

nicht denkbar””). auch von Sophokles sind mindestens Phineus und Tereus durch die nordischen kleruchien in der färbung bestimmt. die sagen der übrigen Reichsstädie treten dagegen ganz auffallend zurück”): man be- denke, Chios Samos Miletos Kolophon Kos Rhodos Naxos Keos Euboia, jeder ort hatte mindestens so viel zum teil altberühmte sagen zu bieten wie Athen. aber die Athener hören lieber von Theben Argos Korinth $parta; lonien sollte in Athen aufgehen, das Reich nur die empfindungen seines hauptes mit und nachfühlen. von den ruhmvolleren gegnern nahm man vorab ihren alten stolzen sagenschatz: der politische anschlufs sollte folgen.

Mit dem stoffe ist dem dichter oft recht wenig gegeben, und oft be- währt er sich an ihm als dichter schon ehe die ausgestaltung beginnt. manches mal wird vorgekommen sein, was wir dank dem sonst wenig erfreulichen peripatetiker Hieronymos von dem euripideischen. Phoinix wissen, dafs ein fruchtbares motiv irgendwo in unscheinbarer localsage auf- gegrifien aber auf einen alıberühmten heroischen namen übertragen ward”*). dem steht nahe, dafs der dichter um einer dürftigen fabel fülle zu geben,

12) Es ist die erwerbung der landschaft Phyllis am untern Strymon durch Herakles. die sage selbst ist aber schwerlich dort gewachsen, da Συλεύς ein redender name ist, der neben dem bruder Aixasos in einer thessalischen sage (Konon 17) wiederkehrt ; der inhalt aber ist derselbe in dem volksliede der schnitter vom Lyder Lityerses. Herakles zeigt, dafs Athener die Sylenssage nicht gebildet haben; vor ihnen waren ja auch Nesioten in jener gegend, und die bewohner der Chalki- dike und der insel Thasos verehren Herakles als gründer ihrer cultur; in Amphi- polis wohnten sehr viele Akanthier. die attische sage, die nachher die Syleussage verdrängt hat, ist die vou der eponymen heroine Phyllis und einem Theseus- sohn. sie ist aber erst im 4, jahrhundert nachweisbar, gehört also der zweiten besetzung von Amphipolis an. die Syleussage tritt gleichzeitig mit dem euripidei- schen drama in der vasenmalerei auf (Annali 1878C): sollte sie im 6. jahrhundert schon dargestellt sein, so erhöhte das bedeutend die bedeutung der damaligen ver- bindung von Athen mit Thrakien (Jahrbuch des Arch. Inst. II 229). es leuchtet ein, dafs Euripides nach dem verlust von Amphipoiis 424 den Syleus nicht mehr schreiben konnte, und lange vor der gründung (438) ist es mindestens recht unwahrscheinlich. so haben wir für ein satyrspiel ein annäherndes datum,

13) Aischylos mag die Europa aus Milet, Sophokles den Kedalion aus Chios haben. die Perseussage, die auf Seriphos spielt, ist alles andere eher als seriphisch. denn für sie ist die insel das gottverlassene elende felseneiland, das sie, wie die tributlisten lehren, zur zeit des Reiches nicht war. in dem rufe stand sie freilich auch damals (Kratinos Seriphier, Aristoph. Ach. 542. Plat. Staat 330°), aber das war aus der alten sage geerbt; schon 479 ist Seriphos trotz seines gerechten an- spruches (Herod. VIlI 46) nicht in den Hellenenbund aufgenommen.

14) Die stellen bei Hiller in der satura Sauppiana 73. ganz sicher ist es nicht, dafs Hieronymos die sache richtig aufgefalst hat, aber wahrscheinlich.

ἑστορέα. nachlafs. 89

motive aus einer anderen herübernimmt”°), und das beruhrt sich wieder mit dem ausmalen von situationen oder charakteren nach dem vorbilde einer älteren eigenen schöpfung, wofür die schwesternpare in Sophokles Antigone und Elektra das bekannteste beispiel sind. allein das greift schon über in die künstlerische analyse der werke, die hier nicht berührt werden soll das stoffliche läfst sich für menschen die überhaupt geschichtliche fragen begreifen nicht selten überzeugend dartun: aber vielfach gilt schon von ihm und noch weit mehr von der beurteilung des poetischen, dafs erst eine reife kenntnis des dichters die dinge überhaupt sieht, und dafs sie auch für ähnlich gereifte allein einen beweis führen kann.

Was hier in betreff des stoffes gegeben ist, ist eine dürftige skizze. erst wenn nicht blofs die einzelnen tragüdien alle genau durchgearbeitet sind, sondern überhaupt die heldensage eine erneuerung erfahren haben wird, kann es gelingen dem einigermafsen gerecht zu werden, was eigent- lich die vorbedingung des aesthetischen urteils sein mufs, was schon die peripatetiker angestrebt haben: das verhältnis des dichters zu seinem stoffe klar zu stellen. was die alten so viel behandelt haben, zumeist freilich von einseitig rhetorischem standpunkte aus, die charakteristik von stil und sprache, erfordert, ehe sie wirklich geliefert werden kann, auch noch eine fülle von beobachtungen untersuchungen und namentlich vergleichungen, die heut zu tage nur für die geschmacklosigkeit und den stumpfsinn der gesunkenen latinität angestellt werden, denen es aller- dings leichter ist congenial zu sein. die erklärung des einzelnen dramas gibt aber auf schritt und tritt gelegenheit zu einschlagenden bemerkungen ; bei denen mag es sein bewenden haben.

Über den poetischen nachlafs des Euripides sind wir auffallend gut unterrichtet. verfafst soll er 92 dramen haben: das sind 28 »« 4 (γένος); oder 22 mal aufgeführt (Suid.). also war eine tetralogie bestritten; und wirklich werden in der summe der erhaltenen 3 unächte tragödien, ein unächtes satyrspiel aufgeführt. da für die tragödie Peirithoos und das

75) So war es offenbar etwas ganz. dürfliges, was Euripides als Kresphontes- sage überkam. er fügle hinzu, dafs der tyrann den rechtmälsigen erben für vogelfrei erklärt hat und dieser der bote seines eignen lodes ist; dies aus der Orestessage; dals der tyrann ein ohnmächtiges weib zur ehe zwingen will, aber durch die zwischen- kunft des sohnes daran gehindert wird; dies aus der Danaesage, wenigstens wie er sie wenige jahre zuvor im Diktys gestaltet hatte. seinen Archelaos soll er nach der Temenossage gemacht haben, Agatharchides bei Phot, bibl. 444 29. die gefangene Melanippe hat motive aus den sagen von Ino, Antiope, Meleagros verbunden: eigen- tüämlich scheinen nur die namen; doch sind wir über die heimat der sage nicht unterrichtet.

Nachlals,

40; Das leben des Euripides.

salyrspiel Sisyphos’®) auch Kritias als verfasser angegeben wird, ist der schlufs geboten, dafs diese ganze tetralogie zwischen den beiden dichtern schwankte, in wahrheit dem minder berühmten gehörte. die gesammt- summe 92 oder vielmehr 88 ist nun allerdings vorschnell fixirt. erstens ist fraglich, ob nicht lenäische agone darunter waren, an welchen viel- leicht weniger stücke gegeben wurden; zweitens hat der Archelaos sicher- lich nicht in den 22 didaskalien gestanden, und von der Andromache ist dasselbe ausdrücklich überliefert. somit ist der schlufs auf die gesammt- zahl der verfafsten stücke unzulässig, und der verlust von dramen noch höher anzusetzen, als die Alexandriner getan haben.

Praktisch kommt nun auf die sofort vergessenen stücke nichts an, die zum teil wol gar nicht veröffentlicht waren”). um so erfreulicher ist, dafs wir über das was nach Alexandreia kam sicherheit erzielen können. es waren 67 tragödien, 7 satyrspiele”). die letzte zahl ist auffallend gering. dals Euripides einzeln statt eines satyrspiels eine tragödie gab, wie die Alkestis, erklärt das misverhältnis nicht genügend. wir kennen auch noch 3 satyrspiele, die verloren waren”). ofienbar hatte Euripides für das komische weder neigung noch begabung. selbst von den 7 ist eines so wenig gelesen worden, dafs wir nicht einmal den namen ken- nen”). und in den 6 kenntlichen war dasselbe motiv, die überwindung der barbarischen vis consili expers durch die hellenische rite nutrita indoles, viermal angewandt (Buseiris, Kyklops, Skiron, Syleus); zweimal war der held ein listiger betrüger, Autolykos Sisyphos, denen Odysseus nahe steht; dreimal trat Herakles auf (Eurystheus Syleus Buseiris), einmal sein pendant Theseus (Skiron). die erfindsamkeit war also sehr gering.

16) Ein satyrspiel Sisyphos hat Euripides nach ausweis der didaskalie der Troerinnen 415 gegeben. das war verloren, ward mit dem Sisyphos des Kritias verwechselt und gab mit veranlassung zu der irrtümlichen zuteilung der ganzen tetra- logie, in welcher auch ein Sisyphos stand.

77) Anaxandrides verkaufte das manuscript einer durchgefallenen komödie sofort als maculatur. Chamaileon bei Ath, IX 374.

18) Die angaben sind trotz aller verwirrung durchsichtig. wenn man die un- ächtheit des Sisyphos bestritt, wozu dieselbe veranlassung vorlag wie beim Rhesos, so war die gesammtsumme 75: diese gibt Varro (Gellius XVII 4 3) und Suidas. rech- neie man die ganze bestrittene tetralogie zu, so waren es 18: so das γένος, und das wird in den σωζόμενα 0&’ bei Suidas auch stecken.

19) Θερισταί" οὐ σῴζονται in der didaskalie der Medeia, καὶ ... σῴξεταε in der der Phoenissen, deren ergänzung in diesem teile sicher ist. endlich der Sisypbos.

80) Unsichere vermutungen Anal. Eur. 161. die beziehung auf die Marsyas- sage läfst sich nicht mehr aufrecht erhalten,

Nachlafs, 41

Von verlornen tragödien kennen wir nur den Rhesos. denn dafs das erhaltene den Sophokles nachahmende drama unter die werke des Euripides geraten ist, liegt lediglich daran, dafs aus den didaskalien die existenz eines jugendldramas Rhesos von Euripides fest stand”). die den Alexandrinern bekannten 67 kennen wir aber alle, doch eines, Epeios, nur durch eine erwähnung in einem kataloge, nicht durch ein citat, und von dem unächten Tennes ist nur ein unsicheres citat erhalten. die irrtümer, welche diese zahl zu vermehren schienen, sind alle mit sicher- beit erledigt”). doppeltitel hat es nicht gegeben; doppelbearbeitungen

81) Das erhaltene stück fordert vier schauspieler wie der Oidipus auf Kolonos und hebt mit einer anapästischen scene an, wie der jüngere Euripides eine vor die aulische Iphigenie gesetzt hat. man möchte es also zeitlich diesen nahe rücken, andererseits ist überall das bestreben deutlich in verston sprache und metrik die weise zu vermeiden, welche in ihren letzten jahren von Euripides und Sophokles beliebt war, und von der rhetorischen tragödie, z. ἢ. Agathon Karkinos fortgebildet ward. so möchte man etwas weiter herabgehen. unsere kenntnis des dramas im 4. jahrhundert ist aber zu gering, als dafs man auf diese formalen kriterien viel bauen könnte. der inhalt setzt indessen ein lebhafles interesse für die thrakischen gegenden voraus, in denen Athen erst im zweiten seebund wieder festen fuls fafste auf etwa zwanzig jahre. in diese wird man den Rhesos am ehesten rücken dürfen. Dikaiarchos hat ihn schon von den schauspielern erweitert gelesen. die nachahmung des Sophokles ist in den motiven und der stilisirung der personen nicht minder greifbar als in der diction und namentlich der metrik.

82) Ein auch der form nach unmöglich euripideisches fragment wird in den in trostloser verwahrlosung erhaltenen sog. Probusscholien zu Vergil dem Kadmos des Euripides zugeschrieben (fgm. 451). wie der irrtum entstanden ist oder ob gar fälschung vorliegt, ist fraglich. ein aegyptischer schulknabe hat in der zeit Aristarchs anter andern stücken auch 44 trimeler abschreiben müssen, die die überschrift Zugs- πέδου tragen und die noch ungedeutete unterschrift Eigsnidns σμοδρεγατης. die verse imitiren die weise des Euripides, aber ganz erbärmlich. sie begehen den me- trischen fehler ἐγδίδως νῦν πλουσίῳ (20) als versausgang, elidiren as (44), setzen wider die weise des Euripides ἑαντῆς (11), wider die des 5. jahrhunderts καέτοιγε (10). οὐσία bedeutet das vermögen (30), τυχὸν ἔσως heifst vielleicht, wie in spätattischer prosa (9), ἴδιος ἐμαυτῆς vertritt, wie in dieser, das possessiv (23), es steht, wie im peri- patelischen traktat λοιπόν ἐστιν ἴσως ἐμὲ λέγειν (4), ἀπορεῖν bedeutet “arm sein’, daneben wird aber auch ἀπορεῖσϑαε gebraucht (26), ἁρμόττει (man ändert ἀρμόξει) in- transitiv (2) ist nicht euripideisch, φελάνϑρωπος steht in dem gemeinen sinne der späten decrete: im 5. jahrhundert können nur götter oder tiere gılarFgwros sein. das perfect ist in der weise der κοινή gesetzt, wo es nicht hin gehört 6, 19; ein gebrauch des artikels wie πρὸς τῆς Ἑστίας, ἐμαυτῆς τὸν ἴδιον βίον, gehört nicht in die tragödie. es kommt aber noch hübscher μέχρε πόσου τὴν τῆς τύχης πάτηρ δὲ λήψει πεῖραν (31): darin ist falsch μόέχρε, denn das sagt die tragödie nicht, μόχρε πόσον, denn das ist höchstens ganz plebejisch für “wie lange’, ganz unzulässig der artikel bei τύχην, ganz unmöglich in jeder rede die stellung des ds. da hat man denn auch wenigstens

42 Das leben des Euripides.

auch nicht*), aufser dafs die Aristophaneserklärer von solchen fabeln, wenn sie ein citat nicht verificiren können.

Ein viertel der werke des Euripides ist erhalten; die summe der einzeln sonst überlieferten verse füllt nahezu weitere anderthalb tragödien und von einem zweiten viertel sind wir so weit unterrichtet, dafs wir selbst die behandlung einigermafsen übersehen können; den stoff im allgemeinen kennen wir nur von ganz wenigen nicht. notorisch steht die spätere litteratur sehr stark unter euripideischem einflusse: dafs die forschung also unsere kenntnis des verlornen noch sehr stark bereichern kann, ist klar. neue citate von einzelnen versen tröpfeln sacht aus der grammatischen litteratur nach, die erst allmählich erschlossen wird; die aegyptischen funde haben einen fetzen auch aus einem verlornen drama, freilich einem recht schwachen, der zweiten Melanippe, ergeben. also auch von dieser seite ist bereicherung zu hoffen. aber nicht nur expansiv, vor allem intensiv mufs unsere kenntnis wachsen. denn Euripides ist zwar keiner von den dichtern, die die menschheit nicht entbehren kann ohne in die bestialität hinabzusinken: aber er ist doch einer, der noch so frisch ist, dals man liebe und hafs zu ihm empfindet, und die poesie jeder zeit, wenn sie eine ist, sich mindestens mit ihm auseinandersetzen mufs: er fordert und verdient ein individuelles verständnis. die über- lieferung gibt die möglichkeit dazu zu gelangen: möge man über ein menschenalter die dürftigkeit dieser skizze belächeln können.

corrigirt. aber welcher stil ist hier überhaupt? in 44 versen 19 formen des pro- nomens erster person, und der anfang πάτερ ἐχρῆν μὲν ovs ἐγὼ λέγω λόγους, τούτους λέγειν σέ, καὶ γὰρ ἁρμόττει φρονεῖν σὲ μᾶλλον 1 ᾽μὲ καὶ λέγειν ὅπου τε δεῖ, viermal λέγειν: das ist so der stil bei den correspondenten des magister Ortvinus Gratius. es ist ein zeichen der zeit, dafs dieses zeug dem Euripides zugeschrieben wird: offenbar palst es nur für Sgodgeyarns. der es verfertigt hat, hat übrigens keine tragödie geschrieben, denn es fehlt jede individuelle beziehung. doch genug davon; hoffentlich für immer.

83) Et. Florentinum citirt fgm. 824 aus dem zweiten Phrixos und aus demselben eine verwirrte notiz der Aristophanesscholien fgm. 816. mitgezählt ist das drama sicher nicht; aber es ist nicht undenkbar, dafs neben der echten fassung eine von schauspielern zugestutzte bestand. tatsächlich haben zwei solche fassungen der Herakleiden wirklich bestanden, aber davon erzählen uns die grammatiker nichts. dafs der erhaltene Hippolytos eine umarbeitung des ersten gewesen wäre, wie wir sie von Götz und Carlos haben, ist eine eitele erfindung der modernen um ihre fal- schen athetesen zu stützen. es ist überliefert und ganz sicher zu erkennen, dafs es vielmehr eine völlig neue bearbeitung desselben stoffes war. wie es mit den gleichnamigen dramen des Sophokles stand, welche durch ziffern unterschieden werden ist unbekannt; wahrscheinlich aber gerade so.

2. WAS IST EINE ATTISCHE TRAGÖDIE?

Wenn man ein attisches drama in die hand nimmt, so pflegt man nu.g der daran zu gehen in der vorausselzung, es sei ein gedicht derselben gattung wie Sakuntala, Leben ein Traum, Polyeucte, Macbeth, Wallenstein. dem- gemäls bringt man bestimmte anforderungen mit, die in dem wesen dieser gattung liegen sollen; man erwarlet eine aesthetische wirkung, welche zu erzielen der zweck der tragüdie sein soll, und das urteil über das gelesene gedicht wird sich danach bemessen, in wie weit es seine aufgabe erfüllt und die erwartungen befriedigt hat. nun wird zwar ein jeder in jedem drama manchıerlei gewahr, was ihm störend ist, was der dichter aber mit absicht so gemacht hat, also entweder als vorzug oder doch als etwas unerläfsliches angesehen hat. im attischen drama ist ein chor gegenwärtig, der oft dem interesse der handlung widerstrebt; bei Calderon ermüdet das endlose a parte reden der personen und die eben so end- losen schilderungen; im Cinna wird die einheit des ortes abgeschmackt, bei Shakespeare die clowns, bei Schiller die liebespare. der leser ist zwar in den meisten fällen schon zuvor davon unterrichtet, was er finden wird; er ist also nicht mehr so stark befremdet, drückt ein auge zu, über- schlägt auch wohl eine überflüssige partie, und findet sich schliefslich mit dem störenden als einer berechtigten eigentümlichkeit ab. es ist aber bekanntlich eine berechtigte eigentümlichkeit etwas, das allenfalls entschuldigt werden mag, zumal sich’s leider nicht ändern lälst, das aber eigentlich durchaus unberechtigt ist. und die ehrlichkeit fordert das eingeständnis, dafs zwar die dichter durch diese dinge ihre aufgabe haben erfüllen wollen, sie aber in wahrheit höchstens trotz denselben erfüllen. sie haben also ihre aufgabe schlechter verstanden als wir; was denn schlielslich eine schmeichelhafte bestätigung für das hochgefühl ist, wie herrlich weit wir es gebracht haben.

44 Was ist eine attische tragödie?

Für das attische drama stellt sich die sache noch besonders ungünstig, weil es die geltung als classisch, d. h. unbedingt mustergiltig, viele jahrhunderte hindurch behauptet hat, und durch den jugendunterricht der glaube immer neue nahrung erhält, als würde dieser vorrang auch heute noch ernsthaft behauptet. der leser glaubt sich deshalb zur anlegung eines absoluten malsstabes doppelt berechtigt, und jeden einwand, den er bei eigenem lesen wider die classicität mit [Ὁ und recht erhebt, richtet er gegen die alten dichter, gleich als ob sie die ungehörigen an- sprüche selbst erhöben. so haben diese für die traditionelle schätzung zu büfsen und scheinen mit dieser zugleich auch ihren eigentümlichen wert zu verlieren.

Es soll eine solche betrachtungsweise nicht ganz verdammt werden. es mufs einen mafsstab geben, der sich an jede poesie jeder zeit anlegen läfst ohne irgend jemand unrecht zu lun, wenn anders wir den glauben an die realität und ewigkeit des schönen nicht verlieren wollen. vor allem aber wird und soll sich keine zeit ihr recht verkümmern lassen, an ihrer eigenen empfindung die werke der vergangenheit zu messen. allein diese beiden malsstäbe wird zwar ein jeder zunächst für identisch halten: in wahrheit ist jener ideale mafsstab dort wo die idee des schönen ist; was aber wir menschen uns an seiner statt machen, das ist selbst dem wechsel unterworfen, war etwas anderes als es ist und wird etwas anderes sein. wir mögen gelrost mit dem messen was uns absolut erscheint, denn der lebende hat recht. aber der lebende hat auch recht gehabt zu seiner zeit, und ihm zu seinem rechte zu verhelfen ist die bescheidenere aber ungleich schwerere aufgabe der geschichtlichen wissenschaft. diese darf gar keine andern voraussetzungen machen als das individuum und die zeit, welcher das betrachtete werk angehört. aus sich und den bedingungen seines wesens und werdens hat sie es zu erklären. sie ver- zichtet mit nichten auf ein urteil, aber sie rechnet mit dem wollen und können des volkes, der zeit, des einzelnen menschen. sie sucht zu ver- stehen, nicht um zu verzeihen, sondern um gerecht zu richten.

Diese aufgabe, das verständnis als grundlage der χρίσις zu er- schliefsen, hat die philologie gegenüber dem drama in arger weise ver- absäumt. es ist dahin gekommen, dafs aulserhalb der zünftigen kreise die abschreckendste trivialität und die nakteste ignoranz sich unbehelligt an den edelsten werken der hellenischen poesie versündigen kann, und in den zünftigen kreisen die sehenden bei seite treten, die einäugigen oder gar blinden die führung sich anmalfsen. allein auch diese versäumnis will geschichtlich begriffen werden; sie darf nicht nur gescholten, son-

Stellung der frage. moderne acsthetik. 45

dern mufs erklärt werden. die entwickelung der philologie, wie sie im vierten capitel dargestellt ist, gibt die erklärung.

Dafs die hellenische poesie aus dem staube der folianten an das tageslicht trat, ist wenig über ein jahrhundert her. es geschah zu einer zeit, deren richtung durchaus philosophisch war. wenn Lessing auf das antike drama hinwies, so geschah das so, dafs er diesem die geltung als classisch liefs, um das französische von der gleich hohen stellung zu stürzen. zu dem zwecke hat auch Diderot die antike tragödie herange- zogen'). vollends die aristotelische poetik ward als kanonisch anerkannt, um so lieber, als sie einen absoluten mafsstab gab, der für alle zeiten anwendbar schien. Herder erhob sich zwar zu geschichtlicher betrach- tung, aber nicht durch ein voraussetzungsloses studium der vergangen- heit, sondern durch die philosophie der geschichte. auch lenkte er das nachdenken und die arbeit der forscher vornehmlich auf die anfänge und die ersten stadien der culturentwickelung, so dafs das drama, die letzte und vollkommenste blüte der hellenischen poesie, eine geringere beachtung fand, zumal seine kunstvoll durchgebildete form dem volks- tümlichen ferner liegt als in den meisten andern litteraturen. dieser umstand hat noch lange fortgewirkt. als aus den kreisen der Roman- tiker oder doch unter dem impulse, der von ihrer schule ausgieng, wieder- holt der versuch gemacht ward, eine geschichte der griechischen litteratur zu schreiben, gelangten die wenigsten auch nur bis an das drama heran, und dann giengen sie darauf aus, es irgendwie mit der volkspoesie zu verknüpfen.

Als dem deutschen volke eine anzahl dramen von seinen grofsen dichtern beschert wurden, die den antiken ebenbürtig waren, da waren diese unabhängig von der antiken praxis und theorie entstanden; wo der anschlufs ein bewulfster gewesen war, da ward die wirkung zum mindesten dadurch beeinträchtigt. der erfolg konnte nicht ausbleiben, dafs man die antiken werke unwillkürlich mit den modernen verglich, von ihnen forderte, was die modernen leisteten, und die form, die man

1) Es ist sehr bezeichnend, dafs er schon in den bijoux indiscrets, welche zuerst Lessing diese schwerlich von ihm dort gesuchte anregung gegeben haben (Hamb, Dramat. 84 stück), den Philoktet des Sophokles als musterstück wählt: ein auf das einfachst moralische reducirter, des mythischen fast ganz entkleideter stoff, daneben die feinste charakteristik und die stärkste abweichung von der Versailler decenz. so erscheint denn der Philoktet auch im Laokoon. für die verehrer der comedie larmoyante war Philoktet das rechte: aber die Iphigenie mit ihm zu verbinden war ein herzlich abgeschmackter einfall. da wirkt das mythische, echt tragische, und hat die Elektra gevatter gestanden.

Moderne aosshetik,

46 Was ist eine atlische ἱγαςδάϊε

in der braut von Messina mit recht anstöfsig fand, auch im Oedipus beanstandete. über die iheorie des dramas hatten Goethe und Schiller tief nachgedacht, auch sie im unmittelbaren anschluls an Aristoteles, weshalb sie auch das drama im gegensatz zum epos auffalsten; hätten sie aber auch die antiken gedichte im originale wirklich verstehen können, als dichter würden sie dennoch nicht die bedingungen und ziele fremden schaffens, sondern anregung und förderung für eigenes schaffen in ihnen gesucht haben. ganz besonders aber ward für die theorie des antiken dramas gerade so wie für die bald verlachte praxis der nachahmer ver- hängnisvoll, dafs Schiller, der bekenner der Kantischen freiheitslehre, den begriff des grofsen gigantischen schicksals, welches den menschen erhebt, wenn es den menschen zermalmt, als leitstern der tragischen sittlich- keit aufstellte.

Die grundlinien der anschauung, welche bis auf den heutigen tag die verbreitete ist, gab A. W. Schlegel in den vorlesungen über drama- tische kunst und litteratur. es war in der tat ein versuch, die dichtungen der verschiedenen völker, welche Schlegel aus wirklicher eigener kenntnis beurteilte, geschichtlich zu würdigen. aber dieser versuch ward mit einer bestimmten praktischen tendenz gemacht. er predigte das evangelium einer einigen reinen hohen kunst, und er glaubte mit recht, dafs er für dieses ideal anı besten dadurch propaganda machen könnte, wenn er zu gunsten des allertreffllichsten all das auf das schärfste verurteilte und herabsetzte, auf das sich der herrschende ungeschmack zu berufen pflegte, welchen er eben brechen wollte”). im innersten grunde der seele endlich betrachtete sich Schlegel als propheten des grofsen romantischen tragikers, der nach der geschichtsphilosophie kommen sollte, um den bau der deutschen poesie zu krönen. ob er die täuschung der genossen mitge- macht und den heiland in L. Tieck gesehen hat, mag zweifelhaft sein; ausgeblieben ist der heiland jedenfalls, die romantiker waren eine viel zu reflectirte, geistreiche, ironische, angekränkelte gesellschaft, als dals sie die unmittelbare kraft einer grofsen tragischen wirkung hätten erzeugen können; die meisten waren für eine solche überhaupt gar nicht empfäng- lich, und selbst wenn sie die gröfsten tragiker bewundern und erläutern wollen, so tun sie die auffälligsten irrgänge. es soll Tieck unvergessen

2) Schlegel gesteht (1 133) halb und halb ein, dafs er Euripides nur schlug, weil er lffland und Kotzebue meinte. das mochte ein geschickter streich sein, wenn Schiller ganz dasselbe in Shakespeares schatten auch unvergleichlich wahrer schöner und edler erreicht hatte; es durfte dann aber nicht als eine objective beurteilung auf- genommen und weitergegeben werden.

Moderne aesthetik, 47

sein, dafs er die hetze gegen Euripides nicht mitgemacht hat, aber wenn er seine gedichte ‘von dem morgenrot einer ahndungsvollen romantik übergossen’ nennt, wobei er ‘vornehmlich an die wundersame Helene denkt’, wenn er die taurische Iphigenie und die Elektra ‘seltsam von wald- gefühl und einsamkeit erfrischt” findet (bei F. v. Raumer Vorlesungen über alte Geschichte II 544), so gibt er selbst die seltsamsten proben ahndungsvoller romantik. er hat sich bekanntlich in der beurteilung Ophelias eben so vergriffen, wo es minder verzeihlich war, da Wilhelm Meister vorlag. bei andern romantikern, die wol eher die fähigkeit des geschichtlichen nachempfindens besessen hätten, fehlte es am besten. F. Schlegel würde wol die euripideischen frauen in den irrgängen ihrer seelenkrankbeit haben verfolgen können, und er hatte für den grolsen zug der entwickelung, der die griechische poesie von stufe zu stufe bis auf den gipfel aischyleischer erhabenheit trägt, einen helleren blick als sein bruder. aber er war ein zu verkommener selbstling ohne religion und ohne ehrgefühl?): wie sollte er nicht schaudern vor der unerbitt- lichen sittlichkeit dieser poesie, die sein ganzes treiben verurteilte; hat er doch Schiller aus demselben grunde so glühend gehalst, auch die weltumfassende philosophie gieng aus der romantik hervor, die es sich zutraute, wissenschaft leben und kunst (ϑεωρεῖν πράττειν ποιεῖν) mit ihren gedanken zu umspannen und alle scheinbaren widersprüche zu lösen. sie fand auch für das drama eine formel, und man soll nicht bestreiten, dafs viele und tiefe wahrheit in ihr lag. aber selbst die Antigone mufs arg misdeutet werden, um als musterstück den Oedipus zu ersetzen und darzutun, wie sich aus dem conflicte zweier einseitig berechtigter bestrebungen die höhere harmonie, wenn auch um den preis des unter- ganges der individuen, ergibt.

Es könnte scheinen, als hätte es geringe bedeutung, auf diese be- strebungen hinzuweisen, da doch die herrschaft der romantik und der hegel- schen philosophie nicht mehr besteht. allein das philosophische denken der folgezeit hat an die erkenntnis des antiken dramas wenig arbeit gewandt‘),

3) komo longe omnium pessimus nennt ihn G. Hermann an Volkmann 1. August 1796. da war Schlegel an den rechten gekommen.

4) Fr. Vischer hat daran ganz recht getan, dafs er Shakespeare in den mittel- punkt gestellt hat. seine individualität zog ihn von Athen fort: wer Pandora nicht zu würdigen weils, wird auch Prometheus nicht würdigen. es ist doch eine arge verirrung, die vnodsasss von Iragödien in epische erzählungen umzusetzen, wie es Vischer gar mit dem Oidipus auf Kolonos getan hat: und doch zeigt sich hier, dafs auf den kernmenschen, den σαρκασμοπιτυοκάμπτης, der kern des dramas am mäch- tigsten gewirkt hat, die sage.

Aristoteles.

48 Was ist eine atlische tragödie?

was durchaus berechtigt: ist, und jedenfalls wenig auf das studium des- selben eingewirkt. die philologie aber wandte sich unter dem drucke der stimmung, welche der streit zwischen Hermann und Welcker Otfried Müller erzeugte, von diesem felde ab. die bedeutenden gelehrten ver- achteten was ihnen unfruchtbares spiel schien. in der breiten masse aber wirken zu allen zeiten gedanken noch lange nach, wenn sie auch in wahrheit überwunden sind. was so im allgemeinen über die attische tragödie geglaubt, den knaben gepredigt und von diesen ins leben mit- genommen wird, sind im wesentlichen reflexe dessen was Lessing und Schiller, die romantiker und ihre philosophischen nachfolger ausgesprochen haben. das letzte halbe jahrhundert hat wenig davon noch dazu getan. wir hören ja freilich alle tage, dals die geisteswissenschaften abgewirt- schaftet haben, wenn sie nicht die exacte methode der königin natur- wissenschaft einigermafsen nachmachen. und es ist auch von einer zukunftspoetik die rede, welche empirisch psychologisch, empirisch an- thropologisch die rechte grundlage sucht. es scheint aber für sie wich- tiger zu sein, die Botokuden und Kamtschadalen zu verhören als die Hel- lenen. wenn dem Mepbistopheles schon in der classischen Walpurgisnacht ungemütlich wird, was sollen die proktophantasmisten machen, die sich längst von geistern und von geist curirt haben? wem die Orestie und die poetik des Aristoteles griechisch sind, wie dem Casca Ciceros rede, der mufs es sich schon gefallen lassen, dafs seine rede dem Hellenisten böhmisch ist. welchen wert hätte es auch, ein system durch ein anderes zu ersetzen, das doch auch nur beurteilen, nicht verstehen lehrt? Verstehen gelernt hat freilich erst die letzte generation vor uns ein bauptbuch, die aristotelische poetik, und der grofse meister hat über- haupt erst jetzt die dominirende stellung in der griechischen wissenschaft erhalten, die ihm gebürt, ja, seine macht wird noch steigen. allein darum ist unser verhältnis zu ihm nur ein freieres geworden. es ist nicht mehr erlaubt, mögen auch die naiven nicht aussterben, das was man für wahr halt, in den Aristoteles hineinzulesen; deshalb ist aber auch das eigene urteil des Aristoteles und seine aesthetische theorie nicht mehr für uns malsgebend. was er uns als geschichtliche tatsache übermittelt, das sind wir verpflichtet als solche gelten zu lassen, so lange sich nicht der irrtum beweisen läfst: die beurteilung der tatsachen und die daraus abgezogenen allgemeinen gesetze haben nicht die geringste verbindlichkeit. Aristoteles ist unser vorzüglichster zeuge für die tatsachen der attischen verlassungs- geschichte; aber nicht leicht wird jemand seine beurteilung ihres ganges und des wertes der leitenden personen sich zu eigen machen: auf alle fälle

Aristoteles. 49

ist die politische theorie des Aristoteles und seine construction des besten staates für die geschichtliche und rechtliche auffassung der concreten erscheinungen der griechischen geschichte von geringer bedeutung. es ist zeit, dals wir in der poesie nicht mehr anders vorgehen. nicht mehr Aristoteles der aesthetiker, sondern Aristoteles der historiker ist der ausgangspunkt unserer betrachtung. wenn wir uns zu dem geschicht- lichen verständnis der attischen dramen durchgearbeitet haben, dann können wir fragen, ob die aesihetische theorie des Aristoteles für sie das richtige getroffen hat, und in wie weit seine ansicht von dem wesen der kunst absolut richtig ist. um die wirkung der tragödie auf Aristo- teles oder gar auf uns haben wir uns zunächst nicht im mindesten zu kümmern, sondern um die absicht ihrer dichter. es kann uns also auch die vergleichung mit irgend welcher anderen dramatischen poesie nichts helfen, ganz abgesehen davon, dafs doch alle und jede dramatische poesie von den Athenern abstammt°). wir wollen ja weder eine tragödie schreiben noch schreiben lehren, sondern die welche wir besitzen ver- stehen. dazu ist denn freilich nötig zu wissen, welche aufgabe die dichter lösen wollten, was ihr volk von ihnen erwartete, und weit genug wird uns der weg führen, ehe wir dieses ziel erreichen: aber aus seiner ver- gangenbeit, nicht aus seiner zukunft erklären wir das atlische drama. Wenn es uns verstattet wäre, überall bis zu den quellen vorzudringen, Fundamen- so würden wir auch bei dieser historischen forschung von Aristoteles ab- sachen. sehen. aber uns sind nur trümmer überliefert, so dafs wir längst nicht alles mehr mit eignen augen übersehen und prüfen können, sondern auf die zeugnisse anderer angewiesen sind. und hier ist es, wo Aristo- teles mit voller autorität eintritt; nur wenige zeugnisse, die wir anders- woher auflesen, die aber auch zumeist auf seine schule zurückgehen, treten hinzu; erst nach peinlichster prüfung reihen wir sie ein, und für die hauptsache würden wir sie auch entbehren können. unser fundament

5) In betreff der indischen ist die entscheidung dadurch erschwert, dafs sie erst jahrhunderte nach dem erlöschen der griechischen spiele zur blüte kommt; deshalb ist die unmittelbare vergleichung (Windisch Abhdig. des 5. orientalistencongresses) wenig überzeugend, und ein stricter historischer beweis wird erst möglich sein, wenn auf indischem gebiete die forschung jahrhunderte vordringen kann. aber dafs in den zeiten der griechischen vormacht im osten auch die techniten ihre höchste blüte gehabt haben, steht fest, und man kann gar nicht bezweifeln, dafs an den höfen der helle- - nischen fürsten Indiens im 2. jahrhundert scenische spiele gewesen sind, wenn sich gar die Parther im 1. jahrhundert die Bakchen vorspielen lassen. und dafs die hellenische civilisation auf die Arier ganz intensiv gewirkt hat, zeigt am besten die sculptur (Curtius Arch. Zeit. 1876, 90).

v. Wilamowitz 1. 4

50 Was ist eine atlische tragödie?

ist und bleibt was in der poetik steht. die tragödie stammt ab von den sängern des dithyrambos; sie ist zuerst satyrspiel gewesen in leb- haften tanzrhythmen und lustiger sprache; den zweiten schauspieler hat erst Aischylos eingeführt und den chor von der protagonistenstelle zurück- gedrängt; der dritte schauspieler stammt erst von Sophokles. mit diesen allbekannten notizen hat zu allen zeiten jeder gerechnet; der fortschritt aber liegt darin, dals wir erstens jede spätere überlieferung zunächst fern halten, zweitens eine vorstellung davon haben, woher Aristoteles seine kenntnis hat, was er überhaupt wissen konnte. ob er ein drama aus dem sechsten jahrhundert gelesen hat, ist fraglich; die spätere zeit besafs keins mehr®), und Thespis z. b. war schon für Aristoteles nur ein name. immerhin konnte er incunabeln genug lesen, um sich über den charakter des ältesten spieles zu unterrichten. das wichtigste aber war, dafs in den archiven des mit der ausrichtung der spiele betrauten beamten sich das reiche und zuverlässige material befand, um die aufführungszeit jeder einzelnen tragödie und die äufsere einrichtung der schauspiele kennen zu lernen, und die über die heiliglümer der stadt verstreuten weihgeschenke, die freilich nur ausnahmsweise über die persische invasion hinaufreichen konnten, brachten erwünschte controlle und erweiterung; sie sind nachweislich von Aristoteles benutzt”). das so gesammelte mate-

6) Von Choirilos ist eine mythographische angabe und ein als tropus ange- führter vers auf ung gekommen. die grammatiker kennen ihn nicht mehr. jene er- wähnungen können sehr wol auf schriftsteller aristotelischer zeit zurückgehen. die Iyrischen fragmente des Pratinas stammen alle aus einem musikgeschichtlichen werke, da sie sich auf musik beziehen; von einer tragödie ist ein wort aus zoologischem interesse gerettet, wol aus einem schriftsteller wie Speusippos oder Phainias. mehr gibt es von Phrynichos, nicht blofs bei mythographen, sondern auch bei gramma- tikern. allein dafs die von ihm erhaltenen tragödien nicht aus der zeit des Aischylos gewesen wären, ist weder erweislich noch wahrscheinlich. im gröfseren publicum ist in den vorchristlichen jahrhunderten noch hier und da etwas von einem andern dichter als den dreien gelesen und gespielt worden: nach Christus ist nur die kenntnis des Ion bei Plutarch nachweislich und auch sonst glaublich, da noch commentare geschrieben werden. die jüngeren tragiker las man längst nicht mehr; dafs sich ein- zelne verse in die florilegien gerettet haben, beweist nur, wie alt deren grund- stock ist.

7) Er führt ein gemälde, weihgeschenk wegen komischen sieges, an, Polit. @ 6. die früher meist vorgetragene ansicht, dafs die didaskalien auf diese weihgeschenke allein zurückgiengen, ist ganz verkehrt. sie enthalten viel mehr; denn die namen der stücke, der unterlegenen concurrenten und deren stücke waren nimmermehr auf steinen zu lesen. also sind archivalische studien unzweifelhaft. dort stand aber ver- mutlich noch sehr viel mehr, und z. b. was wir über costumveränderungen er- fahren, wird daher stammen. man könnte noch mehr vermuten, wenn nicht ganz

Fundamentale tatsachen. 51

rial hat er selbst oder seine schule dem publicum in mehreren bänden vorgelegt, und die tüchtigsten gelehrten der nächsten generationen haben es viel benutzt; dann ist es wie die meisten ähnlichen stoffsammlungen verschollen. übrigens hat der attische staat, wahrscheinlich gelegentlich der erbauung des steinernen theaters (vollendet 330), auch eine solche festchronik und ähnliche verzeichnisse in stein gehauen im heiligen be- zirke aufstellen lassen, vielleicht beeinflulst von dem aristotelischen geiste. teste davon sind uns erhalten sowol im original wie in copien römischer zeit®); auch vereinzelte inschriften von siegesdenkmälern besitzen wir. dieser ganze strom der überlieferung ist also ein einheitlicher. was dazu gehört, ist auch leicht kenntlich, wenn es bei späten compilatoren er- halten ist, und wir dürfen uns mit besonderer zuversicht auf diese angaben verlassen. danach also reihen wir ein, dafs die erste tragödie von Thespis an den grofsen Dionysien 534 aufgeführt ist, 508 der erste dithyrambos durch Hypodikos von Chalkis, dafs eine neuorganisation der schauspiele um 465 stattgefunden hat, bei welcher sicher die erste komödie gespielt ward, wahrscheinlich auch die tragödie durch die einführung des dritten schauspielers ihre definitive gestalt erhielt). das ist unser fundament, mit eiserner strenge muls alles verworfen werden, was sich mit diesen grundtatsachen nicht verträgt; an ihnen darf nichts verrückt noch ver- schoben werden. es liegt aber auf der hand, dafs sie nicht ausreichen, um wirklich einen aufrifs von dem alten gebäude zu errichten, wir müssen mehr material suchen.

Das wird manchen weg und umweg kosten; es scheint sogar geraten, zunächst einen holzweg einzuschlagen, weil in der litteraturgeschichte die holzwege die betretensten zu sein pflegen. die komödie ist viel verständlicher als die tragödie: fangen wir mit ihr an. das muls dem modernen doch sehr aussichtsvoll erscheinen. denn wir sehen mit recht

unklar bliebe, wo die grenze zwischen den pflichten der beamten und der choregen war. da einzelne angaben auch aus der zeit vor 480. erhalten sind, mufs man an- nehmen, dafs die archive vor den Persern gerettet waren, was ja auch nur nalür- lich ist. aber sie werden für die alte zeit längst nicht so reich gewesen sein. dramentitel von Thespis z. b. hatten sich sicherlich nicht erhalten, da man deren früh erfunden hat, und es dürfte ähnlich mit Choirilos u. a. stehen. auch dichter- namen für die tragödie sind auffällig wenig erhalten und nur solche, von denen sich auch vereinzelte werke bis auf die Peripatetiker gerettet hatten.

8) Zu den altbekannten stücken dieser classe CIG. 229, 230 ist jüngst ein neues bruchstück getreten (Notizie degli scavi 1888, 190), auf dem aber nur so viel kenntlich ist dafs es hierher gehört.

9) Näheres Hermes 21 “die bühne des Aischylos’.

4*

δ2 Was. ist eine attische tragödie?

trauerspiel und lustspiel nur als zwei arten derselben gattung, der dra- matischen poesie, an. darin sind uns die peripatetiker vorangegangen, und logisch ist eg gewifs. nur hat es für Athen keinen sinn. dort konnte zwar der gröfste philosoph, zugleich der gröfste dichter, auf den gedanken dieser einheit kommen, aber selbst er liefs es nur in der vorgerücktesten weinlaune aussprechen. in der praxis waren komödie und tragödie zwei so grundverschiedene dichtungsgattungen, dals es gleich ungeheuerlich erschien, Aristophanes eine tragödie, Agathon eine komödie dichtend zu denken; woran nichts geändert wird, auch wenn in den zeiten des verfalls geringere leute diesen versuch gemacht haben, wie z. b. von Timokles feststeht. für Athen ist das dramatische etwas accessorisches sowol in der komödie wie in der tragödie. die übergeordnete gattung könnte nur dionysisches festspiel heilsen, wo dann aber sofort der dithyrambos als dritte gleichberechtigte art hinzutreten und diesen versuch einer definition unbrauchbar machen würde. für uns ist das dramatische entscheidend, ist aber auch die sonderung in tragödie und komödie eine inhaltsleere concession an die antike, welche nur zu der annahme von bastard- gattungen wie des 8. g. schauspieles oder dramas führt. wir wissen also im voraus, dafs wir zum ziele über die komödie nicht kommen können; aber bei wege dürfte doch manche wichtige belehrung abfallen. Komödie. Die komödie hat sich an zwei orten Griechenlands aus verschiedenen aber allerdings gleichermalsen dem breiten volksleben angehörigen wurzeln zu einer litterarischen blüte entwickelt. in Sicilien zu der zeit, wo diese insel unter dem regimente hochstrebender und hochstehender gewaltherren ihre schönste aber allzu kurze blütezeit erlebte, und in Athen zwanzig jahre später, als dort die demokratie ihr reich vollendete. in Sicilien waren die vorstufen die burlesken spiele der spafsmacher, die wie die ganze zunft der fahrenden leute in den üppigen städten Neugriechenlands fort- dauernd am besten gediehen, und auf märkten oder in den hallen der reichen teils pantomimisch, teils mit einfachem gesange, teils in meist wol improvisirter prosaischer rede ein zerrbild des lebens darstellten, das treiben des festtags und des werkeltags, der alter und geschlechter, der stände und berufe in derber charakteristik wiedergebend. in Syrakus gestaltete der Megarer Epicharmos dieses spiel zu einer dramatischen poesie aus!®), für welche er jedoch die formen von der attischen tragödie

10) Die tendenz, den Megarern von Nisaia eine komödie zu vindiciren, hat daran keinen anhalt, dafs Epicharmos aus dem hybläischen war. und was die alten von einem “dorf’gesange fabeln könnte die attischen κα μος nicht erzeugt haben, auch wenn es mehr wäre als ein aus dem namen schlecht gefertigtes autoschediasma.

Komödie. 58

nahm, deren begründer Phrynichos und Aischylos der könig Hieron an seinen hof gezogen hatte. doch fehlte der chor, mochte auch hie und da getanzt und gesungen werden’'). es hätte sich hieraus das moderne lustspiel entwickeln können; allein die künstliche blüte verfiel, die posse ward aus einem dramatischen gedichte wieder ein prosaischer mimus, und nur dem interesse, welches Platon, der über vorurteile erhaben war, an der realistischen kraft dieser volksspäfse nahm, als er um 390 in Syrakus war, danken wir es, dafs die mimen des Sophron nach Athen und damit auf die nachwelt kamen, wie ja auch das athenische litteraturgeschicht- liche mehr als litterarische interesse den Epicharmos einzig erhalten hat. die spätern Griechen fanden den Sophron nicht selbst geniefsbar, sondern nur so wie ihn das theokritische raffinement salonfähig aufgestutzt hatte. wir bewundern in den kümmerlichen resten eine unmittelbare lebens- wahrheit oder besser wirklichkeit, wie man sie bei Hellenen sonst ver- geblich sucht (denn sie stilisiren alle), aber wol bei den besten Italikern findet. an Petron erinnert Sophron. es hat das seinen geschichtlichen grund. denn späfse wie sie in Grolsgriechenland gäng und gebe waren, haben zwar auch bei einigen stämmen dorischer abkunft oder doch cultur im mutterlande analogien, aber nirgend ist auch nur ein ansatz zu künst- lerischer ausbildung gemacht. dagegen war und ist die italische nation geboren dazu das charakterische und namentlich das lächerliche scharf und wahr aufzufassen und wiederzugeben. auf italischem untergrund ist der mimus und seine künstlerische blüte, die epicharmische posse, er- wachsen; ebenso später die rhinthonische. man kann nur dazwischen schwanken, ob die mischung mit italischem blute die Grofsgriechen so veranlagt hat, oder ob nicht vielmehr, was ungleich wahrscheinlicher ist, die Italiker schon damals die commedia dell’ arte besafsen und also auf

aber eine tradition von alten volksspäfsen und einem possenreifser Susarion haben die Megarer wirklich besessen, und das verdient um so mehr glauben, als ähnliche späfse sich ja auch in andern dorischen orten, z. b. Sparta, finden. nur hat das selbst nach der angabe der Megarerfreundlichen tradition nichts mit Dionysos, also nichts mit den attischen κῶμος zu tun. die attischen komiker des 5. jahrhunderts wenden Meyagıxöv gona, Μεγαρικὴ κωμῳδία, σκῶμμα Μεγαρόϑεν κεκλεμμένον durchaus nur metaphorisch an: so wie wir noch heute “boeotisch’ und “attisch’ als gegensätze brauchen (auch sie einzeln boeotisch, Kratin. inc. 152).

11) Pollux IX 41 bezeugt dafs χοραγός im sinne von διδάσκαλος vorkam. Hephaestion 8, 3 nennt eine komödie Xogsvortss, welche ganz in anapaesien ge- dichtet war. das gibt sich selbst als ausnahme. Iyrische mafse fehlen in den bruchstücken ganz, wenn man von gänzlich ungewissen absieht. die Musen in dem gleichnamigen stücke sind als chor in attischem sinne undenkbar.

54 Was ist eine attische tragödie?

diesem gebiete die lehrmeister derer geworden sind, denen sie wie wir alle andere cultur verdanken.

Wir wissen nicht, wie Epicharmos seine gedichte genannt hat; xw- μῳδίέαε sicher nicht, da sie das nicht waren. erst in Athen hat man dieses wort sehr bald nach zgaywdi« gebildet, als bezeichnung für die lieder, welche bei den χῶμοε gesungen wurden, die man um 465 dem Dionysos von staatswegen darzubringen beschlofs. denn so bezeichnet die offizielle chronik die einführung der komödie. Aristoteles läfst uns noch etwas mehr erkennen, und die reste der späteren komödie (denn erhalten hatte sich wol nichts aus den ersten zwanzig jahren ihres bestehens'?) gestatten sichere rückschlüsse. das volk ordnete und legitimirte nur einen tat- sächlich bestehenden brauch. es war nämlich aufgekommen, dafs an dem feste des Dionysos eine oder auch mehrere scharen von männern sich zusammentaten, sich vermummten, zunächst nur um unerkannt zu bleiben, und im festzuge mit fötenmusik in den heiligen bezirk zogen, dem gotte ein phalloslied sangen und das volk, das zu der religiösen feier und zur tragödie versammelt war, mit einer auf die interessen der bürger- schaft und des tages bezüglichen scheltrede haranguirten. dann zog der lustige κῶμος wieder ab. ähnliche züge, nur ohne den festlichen charakter, tobten an manchem abend durch die gassen, aber der phalloszug war ein notwendiger bestandteil der religiösen feier, weshalb denn auch das lied (67) welches der “nachrede’ (ἐπέρρημα) vorausgeht, noch bei Aristo- phanes meist einen religiösen charakter trägt. es ist sehr wol möglich, dafs schon in der zeit der freiwilligen aufführungen ein oder zwei einzelredner aufgetreten sind und die gesänge durch eine lustige scene unterbrochen haben. geschah es aber, so war dafür das vorbild der tragödie mafs- gebend, nach welchem dann, als die komödie staatlich geordnet ward, die ganze anlage des spieles sich richtete. es dauerte noch eine weile, bis man statt einzelner zusammenhangsloser scenen eine einzige handlung durchzuführen versuchte. erst am anfange des archidamischen krieges gestalteten zwei blutjunge talentvolle dichter, Eupolis und Aristophanes, die komödie die wir kennen; zuerst sehen wir sie wenigstens den komos und die ansprache sammt religiösem liede festhalten. dann schwindet das;

12) Wenigstens bietet weder ein titel noch ein bruchstück einen anhalt, der über die dreifsiger jahre hinaufzugehen veranlafste. es kommen aufser ein par resten des Ekphantides, wenn auf sie verlafs ist, und einer komödie des Lysippos nur die des Krates und Kratinos in betracht. und dafs bei diesem nichts verläfs- liches auf die so vielbewegten vierziger jahre deutet, während so sehr viele komö- dien erst in den archidamischen krieg passen, ist schwerlich zufall.

Komödie. 55

immer mehr wird die komödie zum lustspiel. nach dem abblühen der tragödie fällt ihr ein teil des erbes zu, ein ersatz für den verlust dessen, was eigentlich die komödie erzeugt und belebt hatte. hundert jahre später vollendet sich, nicht ohne beihilfe der peripatetischen kunstlehre, die echte erbin der euripideischen tragödie, aber nicht der aristophanischen komödie, das menandrische lustspiel. das erst ist wirklich mit dem modernen drama vergleichbar, weil es lediglich künstlerische zwecke hat, weder für einen bestimmten tag noch auf ein bestimmtes publicum berechnet ist, und weil seine stoffe rein menschlich und wirklich dem tagesleben entnommen sind: sie ist μέμησις βίου, κάτοπρον Öuıklas, ὁμοίωμα ἀληϑείας "5.

Für die tragödie ergeben sich aus der vergleichung des jüngeren spieles zwei schlüsse. erstens dafs es für sie, deren entstehung viel älter ist und die der komödie Siciliens und Athens gerade für die dra- matischen teile die formen geliefert hat, noch viel weniger als für die dichtung des Kratinos erlaubt sein kann, die aesthetischen abstractionen, zu welchen allenfalls ihre letzte ausgebildete gestalt veranlassung geben mag, als voraussetzungen ihres werdens oder auch nur als malsstab ihres

wertes zu verwenden. zweitens dals sie unmöglich aus volkstümlichen '

tänzen, die am Dionysosfeste stattgefunden hätten, entstanden sein kann, weder sie noch ihre vorstufe, der dithyrambos, der neben ihr und neben der komödie bleibt. denn aus den volkstümlichen tänzen geht die komödie hervor, und sobald sie da ist, verschwindet diese vorstufe '‘). eben die-

13) Dies die originale, die in Ciceros übersetzung (de re p. IV 11) durchschim- mern. er sagt imitalionem vilae, speculum consueludinis, imaginem veritatis. die doctrin ist, auch wenn sie Cicero durch stoische 'vermitielung empfangen haben sollte, peripatetisch. das τέλος aller poesie ist ψυχαγωγέα, was er mit voluptas wiedergegeben zu haben scheint (zepwss bei Aristides Quintilian ist schlechte rück- übersetzung). die Alexandriner folgen in der kunstlehre den peripatetikern. die ψυχα- γωγέα bekennt Eratosthenes, und Aristophanes dichtet von Menander Μένανδρα καὶ Ale, πότερος ἄρ᾽ ὑμῶν πότερον ansusunoaro. Theophrasts kunstiehre erlaubt und erfordert eine zusammenhängende behandlung; die Römer, Sueton zumal, sind am ergiebigsten. -

14) Am bezeichnendsten ist, dafs die spiele der freiwilligen sofort wieder auf- kamen, als der staat den vergeblichen versuch machte, die komödie zu unterdrücken, weil ihre zügellosen angriffe politisch bedenklich geworden wareu (440—38 schol. Ar. Ach. 67). Kratinos erhielt keinen chor: da führte er seine Rinderhirten mit freiwilligen als einen dithyrambos auf. dasselbe scheint er mit seiner “Odysseus- komödie’ getan zu haben. denn dies bedeutet Ὀδυσσῆς, wie AInwas und Φίλεπστοι die stadt der Athena und des Philipp, Alıvas und Kausxoi (wie die titel überliefert sind, wenn man genauer zusieht) die tragödien von Aitna und Kamikos. wahr- scheinlich ist der plural früher noch öfter verwandt worden; namentlich in komödien-

Dionysos- dienst.

56 Was ist eine attische tragödie?

selbe konnte also nicht zwei menschenalter vorher die tragödie oder noch viel früher den dithyrambos erzeugt und doch neben diesen ausge- bildeten formen fortbestanden haben. wir können sogar noch weiter gehen: auch der dithyrambos, aus dem die tragödie hervorgegangen ist, kann nicht eben der dithyrambos gewesen sein, der neben ihr fortbe- stand; da mufs etwas anderes stecken. die modernen haben sich nun aber so sehr daran gewöhnt, die tragödie aus volkstümlichen improvi- satorischen spielen des faschings hervorgehen zu lassen, dafs es notwendig ist, einen zweiten umweg durch diese regionen zu machen, um nicht blofs diese vermutung abzulehnen, sondern ihre unmöglichkeit positiv darzutun.

Der Dionysosdienst und neben ihm der Demeterdienst unterscheidet sich, wenn auch schwerlich von anfang an, so doch in der gestalt, welche allein genauer bekannt und für die tragödie bedingend ist, von den diensten der olympischen götter dadurch, dafs die gemeinde eine active bedeutung erhält. Dionysos hat selbst auf erden gewandelt, hat nicht nur seine gaben verteilt, sondern auch seine feiern, die zwei- jährigen auszüge in berg und wald, oder was an stelle derselben tritt, eingesetzt, er hat mit den ungläubigen harte kämpfe bestanden, er fordert also von jedem einzelnen die anerkennung seiner göttlichkeit und eine persönliche betätigung des glaubens. das ist mehr als was in den alten culten geschiebt. da vollzieht die heiligen handlungen der durch geburt und erbrecht oder durch staatlichen auftrag dazu berufene, im eigenen hause der herr oder die frau, in den staatstempeln der könig oder sein rechtsnachfolger, in sehr vielen culten, die sich aus geschlechts- culten zu allgemeiner anerkennung erhoben haben, der durch ererbtes recht dazu berufene. die menge steht dabei, schweigend, oder an festen punkten der heiligen handlung festbestimmte rufe erbebend (εὐφημεῖν "), ganz selten eine symbolische handlung in festen grenzen mit vollziehend. die ἱερουργέαε verstehen die οἷς narpıov ἔστιν: die ὄργια gehen jeder-

titeln schwankt die überlieferung sehr oft zwischen ihm und dem singular, und nur bei Kratinos ist noch Ὀδυσσῆς Κλεοβουλῖναι ᾿Αρχίλοχοε ganz fest. noch Wolken- kukukshein heifst auch Νιεφελοκοχκκυγέαι. Πλάταια und Μυκήνη und Θήβη sind die älteren ortsnamen; als man aber die eponymen nymphen lebhafter persönlich

empfand, drangen die pluralbildungen durch.

15) So stand auch der daduche bei den Lenaeen, rief xalsire ϑεόν, und die ge- meinde respondirte Seusirss Ἴακχε πλουτοδότα, schol. Ar. Fr. 479. die einmischung des lakchos und des eleusinischen priesters ia den altattischen cult zeigt, dafs dies nichts ursprüngliches war. verse in diesen und ähnlichen hier und zu Fried. 968 angeführten worten zu sehen, ist willkür. sie steben bei Bergk unter deu volks- liedern, ΄

Dionysosdienst. 67

mann an, der an den gott glaubt’*). damit ist der entfaltung der indi- vidualität das tor geöffnet. spöttereien und unflätige reden, namentlich der weiber, sind an den Demeterfesten ein notwendiger teil der feier. ihn zu motiviren sind die heiligen geschichten von Baubo und lambe ersonnen. diese reden haben sich in volkstümliche verse gekleidet; be- deutende dichter haben die gelegenheit ergriffen, ihren hafs gegen einzelne und auch allgemeinere gedanken vor die Öffentlichkeit zu bringen. so ist der iambos des Archilochos und Semonides entstanden: bei ersterem noch deutlich in verbindung mit dem Demeterdienste'”), wenn auch schon weit über die anfänge und anlässe hinaus gehoben. auch die entstehung der elegie auf ähnliche weiberspäfse zu beziehen, ist verlockend, aber die combination hält nicht stich'®). sie gehört vielmehr zum epos, aus

16) öeysaves sind darum die genossen eines religiösen vereines, an dem sie aus freiem willen teil haben; so schon in dem solonischen genossenschaftsgesetze, auf welches sich die richtige erklärung des Seleukos bezieht (Harp. Phot. s. v.), und dieser gebrauch des wortes dauert. verwirrung ist nur dadurch gestiftet, dafs die von der kleisthenischen geseizgebung erzwungene cultgemeinschaft der alten und neuen bürger, weil sie nicht auf blutsbruderschaft, sondern nur auf milchbruder- schaft beruhte (daher ogoyakaxras), wie sie zwischen hoch und niedrig gewöhnlich ist, an sich nicht den charakter eines geschlechtscultes von ἀπάτορες oder γεννῆται trug, sondern eine durch freien willen geschaflene, als ὄργεα, erschien. im fortgang der demokratie ersetzten nun diese ὄργια die geschlechtsculte, und so haben Aristo- teles und Philochoros die ὁμογάλακτες im widerspruche zu dem wortsinne als bluts- verwandte angesehen, weil sie sich von dem kleisthenischen staate nicht losmachen konnten.

17) Auch das weibergedicht des Semonides, eine predigt über ein hesiodisches thema, welche an sich ohne rechten zweck erscheint, erhält als replik auf die spöt- tereien der weiber am Demeterfeste sinn und salz. dazu braucht sie gar nicht einmal wirklich dabei vorgetragen zu sein, sondern nur als ἔαριβος zu den spälsen der Iambe in beziehung zu stehen und so empfunden zu werden.

18) Usener Altgr. Versb. 113 hat dafür angeführt, dafs ’Eisyn eine der manns- tollen töchter des Proitos heifst (Aelian V.H.11142; die bessere mythographische über- lieferung hat andere namen), und eine mannstolle tochter des Neleus ’EiAsynis. diese namen sind ohne zweifel gegeben, weil man ἐλεγαένεεν als ἀκολασταίνειν verstand, wie denn auch überliefert ist. und nun soll Theokles von Naxos im wahnsinn #isyalvo», die elegie erfunden haben, die davon benannt sei. auch mir hatte diese combination eingeleuchtet, als ich in Et. M. ἀσελγαίνω, ἐλεγαίνω (dies auch Suid), ’ZAsynic las. aber die combination hält die kritik nicht aus. erstens ist die grammatische verbindung von ἐλέγη und ἀσολγής, an welcher Usener festhält, unmöglich. das anlautende 8, das vor ἐλόγη fortgefallen sein müfste, konnte sich nicht im anlaute von σαλαγεῖν (das Usener trotz σαλάσσω σάλος ζάλη heranzieht) und im inlaute ἀσδλγής halten: also gehen diese worte sich nichts an. das e von ἐλέγη u. 8. w. ist vielmehr ein bedeutungs- loser vorschlag, nicht anders als in ἐλεύϑερος ἐλαφρός. wirklich belegt Epaphroditos,

58 Was ist eine attische tragödie?

welchem ihr versmafs entwickelt ist, und ist wie dieses ein kunstmäfsiges, kein volkstümliches gedicht geblieben. im Dionysosdienste ist der aufzug des phallos ein notwendiger teil der feier. dafs die männer, welche ihn tragen, die gelegenheit nicht vorüberlassen, von diesem gewaltigen ein kräftiges wort zu sagen, versteht man leicht. man könnte aus mittel- alterlicher und auch späterer litteratur und aus recht hohen gesellschafts- schichten analogien beibringen. so tat es Dikaiopolis zu hause, so taten es die phallophoren vieler orten, und aus späterer zeit fehlt es nicht an belegen”). in Athen giengen sie einen schritt weiter, παρέβησαν

auf den die ganze etymologie zurückgeht, Asyas δὲ γυναῖκες aus Archilochos (174) im sinne von ἀκόλαστος. davon kommt #isyaivsıw und kommen die weibernamen; aber davon führt keine brücke zur elegie. auf obscöne gesten und lieder führt nur die sicherlich alte (Lykophr. 1385) geschichte der Neleustochter: aber gerade hier ist der redende name "Eisynis schwerlich der ursprüngliche, denn er hat an dem echten Nelidennamen Πηρώ (im Et. M. fälschlich Πεερώ) einen concurrenten und vor allem hat der, welcher die Pero zu einer 'ZAeynis machte, nur an ihre unanständigkeit, nicht an die elegie gedacht, denn sie redet in hexametern. (sie spricht in Athen ἐπικροτοῦσα τὸ ἐπείσιον “δίζεο δίζεό σοι μάλα δὴ μέγαν avde ἀπ᾽ Adıvor' ἐς Μέλητόν σε κατάξω πήματα Καρσίν. 50 etwa mag es gelautet haben. im Et. Ν. ist überliefert d. δι δὴ μέγαν ἄνδρα ᾿41ϑηναῖον, ὃς σ᾽ ἐπὶ M. κατάξει σε. K. in den Lyk. schol. d. σ᾽ εὖ μάλα ἐς (oder εὖ Tzetz.) ϑαλερὸν πόσιν ἐς ᾿4ϑήνας ἐς Μίλητον κατάξω π. K. es kommt der Pero auf den ἀνήρ, nicht auf den πόσις an). dafs Theokles, der führer der chalkidischen besiedler Siciliens, die elegie er- funden haben soll, ist eine merkwürdige für mich nicht deutbare notiz: aber sein wahnsinn ist denn doch nur ein hebel für die etymologie. nun kann man allenfalls ἄλεγος, den wilden klagegesang, von Asyös ableiten: aber dann sitzen wir wieder vor dem alten rätsel: wie vermittelt sich die bedeutung der elegie mit dem klage- gesang. Didymos freilich (Et. M. ἐλεγεῖα und vollständiger schol. Dionys. Thr. 750 Bek.) oder vielmehr seine vorgänger, wol sicherlich alte peripatetiker, griffen das auf und giengen von den elegischen ἐπεκήδεια aus. deshalb war Archilochos der erfinder: denn man bedenke, dafs dessen elegie auf Perikles tod diese ganze lehre bestimmt hat, als die berühmteste elegie des berühmtesten dichters. nur ist das für uns nicht beweiskräftig mehr. besser ist freilich die ableitung #Asyos von Asyos als die nur kindlicher grammatik genügende von #Asye, die gar zu dem urkolon geführt hat λέγ᾽ EE λέγε. eine hypostase δλογος von λέγε ist an sich möglich: ist doch ovAos als liedname aus dem imperativ οὖλα salve geworden. aber wie hätte man in λέγε den imperativ je vergessen sollen? wer von δ ausgeht, der mag den zweiten teil für so irrelevant halten wie den von indsuos, ai-Aıwos vgl. zu v. 378. HAeyos aus dem armenischen zu holen ist so viel wert wie αἴλενος aus dem phoenikischen. das Κοίου ἐλεγεῖον kann im δλεγος vorgekommen und daher benannt sein: nur weils niemand, ob dem so ist, also verzichten wir auf die etymologie und die praehisto- rische elegie: sein wir froh, die historische verstehen zu können.

19) Die lieder, welche Semos der Delier (bei Athen. 622) erhalten hat, sind wirkliche cultlieder, die zu seiner zeit (um 180 v. Chr.) in gebrauch waren. aber

Dionysosdienst. 69

πρὸς τὸν δῆμον, und das ward der kern der komödie. aber damit ist es auch zu ende. es ist sehr bemerkenswert, dafs der Dionysosdienst ein ganz vorwiegend weiblicher ist. aus frauen besteht in Elis, in Del- phoi, in Athen das collegium seiner priester. die königin von Athen ist als priesterliche würdenträgerin um dieses dienstes willen erhalten worden. das gefolge des gottes selbst ist bei Euripides durchaus weiblich; die männer dienen ihm auch, aber sie handeln nicht und sind eigentlich nur in der theorie vorhanden. so ist es auch in der bildenden kunst. Dio- nysos unter weibern ist seit alter zeit eine gewöhnliche darstellung; wir nennen sie mänaden und bezeichnen sie damit als sterbliche, wie sie denn in der tat die scharen der weiber darstellen, die zu den trieterides hinausgezogen sind. männliche begleiter der art gibt es nicht. sie würden sogar in dem festzuge fehlen, wenn nicht die phallagogie diesen einen dienst von ihnen forderte. wenn Heraklit das Anvaileıy schilt, gilt das eben diesem anstölsigen acte, dem ὕμνεῖν ᾷματα αἰδοίοισιν ἀναιδέσ- ara. es fehlt also für den tragischen chor im cultus jede anknüpfung. wenn wir in später zerfahrener zeit von einem carneval hören, wo sich die männer als satyrn, die weiber als nymphen u. dgl. costumiren, die ganze bürgersehaft einer stadt sich in den späteren thiasos des gottes umsetzt”), so ist es anachronismus, etwas ähnliches für das 6. jahrhundert zu glauben.

Noch viel weniger ist mit der modernen anschauung anzufangen, dafs die taten und leiden des gottes gegenstände mimjscher tänze und spiele gewesen wären”). leiden zunächst gibt es nicht; es sei denn allenfalls der von Hera gesandte wahnsinn, von dem wir sehr wenig

sie tragen keine spur des archaischen an sich und können somit für den gebrauch der alten zeit nicht zeugen. überhaupt sind die s. g. griechischen volkslieder nicht altertümlicher als die zeit, welche sie aufzeichnet, was meist durch die peripatetiker geschehen ist. nur die attischen skolien und einzelnes was früh durch einen be- rühmten dichternamen geschützt ward, reicht in das 5. und 6. jahrhundert. wenn rituelle lieder der kaiserzeil auftreten, sind sie in sprache und versmals auch jung.

20) Dionysios arch. VII 72 p. 1491. Philostrat. vit. Apoll. IV 2, 21. die »s0s Aiyvoos, Antonius (Plut. Ant. 24), von den Ptolemäern nicht blofs der, der den beinamen annahm, sondern schon Φιλοπάτωρ, am letzten ende Alexander selbst haben diese orgien erzeugt: aber dadurch, dafs ein Dionysos leibhaft wieder auf erden weilend gedacht ward. '

21) Was die modernen unbewufst oder bewulst beherrscht, ist schliefslich doch nichts als die analogie der christlichen weihnachts- und passionsspiele. sie können sich nicht daran gewöhnen, dafs es eine religion ohne heilige geschichte und ein heiliges buch geben kann. die consequenz, dafs Dionysos dann wirklich auf erden gewandelt sein mülste, sehen sie nicht ein: oder wird sie vielleicht jemand ziehen ?

TE re

60 Was ist eine attische tragödie?

wissen. der überfall der Titanen, die zerfleischung des Zagreus ist eine orphische dichtung, die man sich hüten mufs über das pisistratische zeitalter hinauf zu datiren, und in den cultus hat sie nicht einmal zu Eleusis zu irgend wie berücksichtigenswerter zeit eingang gefunden. ver- wendbare überlieferungen von mimischer darstellung der Dionysostaten gibt es nicht. das genügt eigentlich. aber es konnte auch nicht anders sein. der gegensatz des Dionysosdienstes zu dem der olympischen götter, der die beteiligung der gemeinde herbeiführte, schliefst solche vorstellungen aus. gewils haben in manchen culten bestimmte personen durch bestimmte handlungen ein abbild einer heiligen geschichte geliefert. allein diese mimischen darstellungen haben nicht an sich wert, sondern nur als sym- bole, als ein augenfälliger ausdruck desselben gedankens oder derselben empfindung, welche auch in der heiligen geschichte niedergelegt sind. das Öewsuevov und der λόγος bedingen sich nicht gegenseitig, sondern sie stammen aus derselben wurzel, der religiösen empfindung. der mensch, der sich zu der hohen culturstufe des ackersmanns erhoben hat, empfindet eine innere scheu, den stier, seinen arbeitsgenossen, zu schlachten und zu essen, den er doch als jäger und hirte ohne anstand getötet hatte, und er kann und will doch den genufs des rindfleisches nicht entbehren. wir mögen nur daran denken, dafs wir unsere näherstehenden gefährten, rofs und hund, auch nicht essen mögen, und auch ein rind, das uns als individuum wert geworden ist, schwerlich für unsern tisch schlachten lassen möchten. aus diesem widerstreit der empfindungen entsteht der ritus der Buphonien, die symbolische ceremonie, entsteht die geschichte vom ersten rinderschlächter Thaulon, auf den die befleckung des mordes

' abgewälzt wird. das erste ergibt allerdings ein dramatisches, wenn auch

stummes spiel, das andere eine legende. die legende kann sich nun freilich von dem αἴτεον loslösen; sie kann als geschichte einen stofl- lichen wert erhalten, die phantasie des volkes und der dichter kann sich ihrer bemächtigen, sie weiterbilden, schliefslich so umgestalten, dafs die erinnerung an ehemalige symbolische bedeutung völlig verloren geht. aber die symbolische handlung ist nicht entwickelungsfähig; wenn sie nicht heilig ist, wird sie absurd. sie kann sich wol gemäls den wand- lungen des religiösen empfindens umformen, wie es das opferritual getan hat; allein der spielraum für diese entwickelung ist ein sehr beschränkter. sie wird sich als eine leere form durch die macht des herkommens lange zeiten behaupten. das ende aber ist in beiden fällen, dafs einmal der augenblick kommt, wo man sich eingesteht, dafs eine leere schale nur noch zum wegwerfen taugt. die geschichten von Heras eifersucht und

Dionysosdienst. Eratosthenes. 61

versöhnung leben in mannigfachen umgestaltungen fort: die spiele mit den puppen (δαέδαλα) auf dem Kithairon haben bestanden, als sie längst läppisch geworden waren: aber zu machen war aus ihnen nichts. sollte sich etwa aus solchen fratzen die tragödie entwickeln; d. h. sollte man einmal statt Zeus und Hera lason und Medeia spielen? nirgends ist das mimische im cultus weiter getrieben als in dem drachenkampf des pythischen Apollon. die musik hat das dankbare motiv aufgegriffen und in immer neuen variationen mit immer reicherer instrumentirung durch- geführt. aber ein ausgangspunkt für dramatisches spiel ist es nicht ge- worden und konnte es nicht werden. da nun im attischen Dionysos- dienste auch nicht einmal eine ähnliche ceremonie existirt hat (oder wollte man mit dem beilager des gottes und der βασέλεννα rechnen ?), und nicht mehr existiren konnte, seit die gemeinde der gläubigen statt der wenigen berufenen den gottesdienst betrieb, so ist diese herleitung des dramas eine unmöglichkeit; wie sie denn auch den alten ganz fern gelegen hat; wenigstens im ernste.

Allerdings hat Eratosthenes in der Erigone gedichtet, dals Dionysos Eratosthe- die tragödie gewissermalsen selbst gestiftet hätte. als er nämlich den Ika- rios den weinbau lehrte, frafs ein bock die junge rebe an; zur‘strafe' ward er geschlachtet, und die. Ikarier zogen ihm das fell ab, bliesen es auf und machten sich den spafs, zu versuchen wer auf dem aufgeblasenen schlauche tanzen könnte; die meisten fielen ab und der sieger erhielt den schlauch voll wein. daraus ist das attische kannenfest geworden, das der schlufs der Acharner so deutlich darstellt. den braten aber erhielten die tänzer, welche um ihn einen reigen zu ehren des gottes aufführten: diesen reigen nannte man “bocksgesang’, und daraus ist die tragödie entstanden, welche ein Ika- rier Thespis viele hundert jahre später in Attika verbreitet hat, auf dem lande herumziehend, wie sein ahn Ikarios, der den weinbau verbreitete, das gesicht mit hefe beschmiert, woraus das “hefespiel’ geworden ist, die sev- γῳδία, wie man in alter zeit die komödie genannt hat*). da Eratosthenes nur in zweiter linie dichter war, in seinem bedeutenden werke re}

22) Ob Eratosthenes diese etymologie von τρύξ befolgt hat, die in den ein- leitungen und scholien zu Aristophanes häuflg ist, oder die von revyn, weinlese (Athen. II 40), kann zweifelhaft scheinen. allein τρύγη für τρυγητός ist kein alt- bezeugtes wort und dafs die tradition in der komikererklärung auf den meister zu- rückgeht, vorwiegend wahrscheinlich. übrigens ist das wort zwar von rev& wirk- lich abzuleiten, aber es ist nicht verständlich. wer es erklären will, mufs auch die “hefetenfel’ zgvyodasuovas'Ar. Wolk. 296 erklären. die reconstruction der Erigone hat Maafs Philol. Unters. VI Herm. 18 geliefert; so weit sie hier in betracht kommt, ist sie sicher. eine bearbeitung von Eratosthenes need κωμῳδίας ist dringend nötig.

62 Was ist eine atlische tragödie?

xwumölag aber die ursprünge des dramas behandeln mulste, so ist aller- dings zu glauben, dafs er seine dichterischen bilder nicht ohne rücksicht auf seine wissenschaftlichen vermutungen gestaltet haben wird. manches darin macht auch den eindruck, als wäre es von ihm schon übernommen, wie denn die Erigonefabel in ihren grundzügen so wenig seine erfindung sein kann wie die Hekale erfindung des Kallimachos. aber als tatsachen hat der sehr besonnene forscher die fremden oder eigenen autoschediasmen gewils nicht gegeben; auf alle fälle sind sie nichts weiter. denn die ein- kehr bei Ikarios ist zwar eine echte attische dorfsage; nur ist Dionysos auf seinem erdenwallen vielfach eingekehrt, bei Pegasos in Eleutherai, bei Semachos in dem dorfe, das nach ihm heifst, bei könig Amphiktion in der stadt. und die tragödie geht die einkehr nichts an. das andere sind spielend ersonene airıa für die ἀλῆτις, für den ἀσκωλιασμός und das wetitrinken an den Choen, für die rätselhaften namen τρυγῳδία und τραγῳδία; das herumfahren könnte nur die zrounr; angehen, ist für den Dionysoscult nicht charakteristisch, würde auch nur zur komödie führen: das lehren die dem Demetercult angehörigen spottreden ἀφ᾽ auang”); der frevel des bockes endlich soll das tieropfer überhaupt motiviren und hat viele analogien in den δρώμενα, 2. b. der Buphonien, und in peripate- tischen und pyihagoreischen speculationen*). nicht an sich haben also diese dinge wert. aber Eratosthenes hatte sowol als forscher wie als dichter einen ganz ungemessenen einfluls; so bestimmte er die folgezeit, und was uns von kind auf aus Horaz und Vergil geläufig ist, geht schliels- lich eben so gut auf ihn zurück wie die gelehrte doctrio Varros, deren niederschläge neben den dichtern Roms auch die antiquare, vor allem Sueton, uns übermitteln. von diesen vorstellungen müssen wir uns losmachen. und das gelingt am sichersten, wenn wir einsehen, wo sie eigentlich herstammen und wie sie sich gebildet haben. es sind con-

23) Ich kann berichtigend hier noch das attische vasenbild nachtragen, welches Dümmler Rh. M. 45, 355 veröffentlicht: Dionysos zwischen zwei satyro auf einem schiffe auf rädern. es ist eine wichtige überraschung: der Thespiskarren oder eigent- lich der des Ikarios, ist eine fiction, entnommen dem currus navalis des faschings, der somit ein ableger der Dionysien ist. für die Dionysosreligion ist das überaus wichtig; ich habe keinen raum mehr, das in verbindung mit dem Διόνυσος πελάγιος (Maals Herm. 22) und dem homerischen hymnus zu erläutern. aber für das drama lehrt es nichts. doch verfehle ich nicht hervorzuheben, dafs Dümmler die probleme richtig erfalst hat, welche unten gelöst sind.

24) Vgl. Robert Eratosth. 7. Graf de aureae actatis fabulis Leipzig 1883. Schmekel de Ovid. Pythag. Greifswald 1883. au Papirius Fabianus als quelle Ovids kann ich freilich nicht glauben.

Eratosthenes. dithyrambos. 63

structionen, keine überlieferung. sie müfsten schon deshalb fallen, weil das aristotelische zeugnis mit ihnen unvereinbar ist, nach welchem die tragödie aus dem dithyrambos stammt. um so wichtiger wird dieser, nachdem wir aus inneren gründen das ganze gebäude des Eratosthenes umgestürzt haben.

Die tragödie stammt von den sängern des dithyrambos. das scheint zunächst wenig zu helfen, da ein wenig bekanntes ding durch ein ganz unbekanntes erklärt werde. wir wissen ja wol so viel mit sicherheit, dafs der dithyrambos dem wortsinne nach nur einen göttlichen ἃ, ἢ. besonders schönen oder erfreulichen ϑύραμβος bedeutet; ϑύραμβος oder auch ϑρέαμβος ist der appellativname eines gesanges oder tanzes, den wir so wenig zu deuten vermögen wie ἔϑυμβος oder iaußoc*). in ältester zeit ist der dithyrambos ein lied, das der zecher anstimmt, wenn er des gottes voll ist“). mit ziemlicher sicherheit läfst sich als heimat des dithyrambos die insel Naxos ansehen, das centrum des Dionysos- dienstes auf den inseln”). wir wissen ferner, dafs Arion von Methymna, einer stadt mit lebendigem Dionysoscult und keinesweges ausschliefslich aeolischer bevölkerung”), am hofe des Periandros dieses weinlied des einzelnen weinseligen zechers zu einem chorgesange umgestaltet hat,

25) διϑύραμβος formell wie dınoksa Δισωτήριον Δικέτας (ἃ. ἢ. Διιεκέκας) ; der metaplastische accusaliv διϑύραμβα Pind. fgm. 86 lehrt nichts; der bedeutung nach wie Διὸς ἐγκέφαλος, Διὸς βάλανος iuglans. triumpe im Arvallied kann man nicht leicht als entlehnt ansehen. eher dürfte es interjection sein, wie τήνελλα, und das ursprüngliche enthalten.- aus ihr mag sich der name entwickelt haben, wie eine Οὗπις aus den οὔπιγγες auf Delos, Οἰτόλενος u. a. vgl. zu der zweiten gesang- nummer die einleitung.

26) Philochoros bei Atben. ΧΙΥ͂ 628 οὗ παλαιοὶ οὐκ ἀεὶ διϑυραμβοῦσιν ἀλλ᾽ ὅταν σπένδωσιν (beim symposion), τὸν Διόνυσον ἐν οἴνῳ καὶ μέϑη, τὸν δ᾽ ᾿4πόλ- λωνα μεϑ᾽ ἡσυχίας καὶ τάξεως μέλποντες. ᾿Αἰρχέλοχος γοῦν φησί (11) ws Δεω- ψύσου ἄνακτος καλὸν ἐξάρξαι μέλος οἶδα διϑύραμβον, οἴνῳ συγκεραννωϑεὶς φρένας. καὶ ᾿Επέχαρμιος δ᾽ ἐν Φιλοκτήτῃ ἔφη ᾿οὐκ ἔστε διϑύραμβος ὅκχ᾽ ὕδωρ πίῃς. also auch in Syrakus ist es noch ein einzellied. es wird dahin aus dem sicilischen Naxos importirt sein, welches den satyr auf den münzen führt. der zusammenhang, in dem Philochoros auf diese dinge zu sprechen kam, ergibt sich durch die vergleichung mit Phanodemos Ath. XI 465: es sind die allen cerimonien der attischen Lenäen.

27) Das sagt Pindar (fgm. 71) einmal geradezu, und die concurrenten, Theben und Korinth, fallen von selbst weg. Paros, die heimat des Archilochos, das sicilische Naxos, Methymna, weisen alle in dieselbe richtung: der gott des dithyrambos, der nesiotische Dionysos, ist der σπδλάγιος. dies wird durch Dümmlers vase bestätigt.

28) Dies letztere haben die steine gelehrt. die tausendschaflen, in welche die bürgerschaft Methymnas zerfiel, hiefsen, so weit wir bisher wissen, Πρωτεῖς, Φωκεῖε, Zevdgaioı, «κύριοι.

ditbyram- μοι.

θ4 Was ist eine attische tragödie?

und dafs die Korinther auf diese bei ihnen, wenn auch nicht durch sie, entstandene gattung besonders stolz waren”), wie denn auch in der tat der dithyrambos zunächst nur in benachbarten gegenden in aufnahme kam. aber das hilft uns wenig; denn nicht nur wir besitzen keine proben mehr von jenen poesieen, sondern schon unsere antiken berichterstatter kannten die dithyramben des 6. jabrhunderts nur von hürensagen: er- halten hatte sich nichts”). somit sind wir und waren jene im wesent- lichen auch auf die dithyramben des Pindaros und seiner zeitgenossen angewiesen, und diese unterscheiden sich in nichts aufser einer gewissen metrischen freiheit von den übrigen chorliedern. damals bestand nun die tragödie bereits selbständig neben dem dithyrambos, und so viel liegt

29) Herodot 1 23 4eiova διϑύραμβον πρῶτον ἀνθρώπων τῶν ἡμεῖς ἴδμεν ποιήσαντα καὶ οὐνομάσαντα καὶ διδάξαντα dv Καρίνϑῳ. Pindar Ol. 13, 18 ταὲ Διωνύσου πόϑεν ἐξέφανεν σὺν βοηλάτᾳ Χάριτες διϑυράμβῳ' d. ἢ. die reize der dionysischen poesie traten zu Korinth in verbindung mit dem dithyrambos auf; der ausdruck ist aber in pindarischer weise persönlich gewandt. Dithyrambos als person ist in atlischer weise leicht zu denken, vgl. die vase Welcker A. Ὁ. ΠΠ 125: er ist silen, so gut wie öfter τραγῳδία eine mänade. aber was Pindar sich gedacht hat, kann niemand sagen, weil der “stiertreiber’ unbekannt ist. die scholien fabeln von einem stier als siegerpreis: aber der Dorer kennt keine solchen agone. Simonides scheint in demselben sinne Bovposos gesagt zu haben (Chamaileon bei Athen. X 456°); aber auch das bleibt dunkel. der irrtum, Lasos zum erfinder des dithyrambos zu machen, ist schon im allertum zurückgewiesen, schol. Ar. Vög. 1403. vermutlich glaubte Euphronios, der ihn begieng, gedichte von Lasos zu besitzen, die dann frei- lich die ältesten erhaltenen gewesen wären.

30) Von gedichten des Arion weils kein grammatiker. das bei Aelian erhal- tene gedicht ist in den ausgearteten daktyloepitriten verfalst, welche für den dithy- rambos des 4. jahrhunderts charakteristisch sind, und diesem steht die ethopoeie auch ohne fälscherabsicht wol an. von Lasos glaubten Klearch und Herakleides noch etwas zu haben (Athen. X 455 XIV 624), aber Aristophanes von Byzanz (bei Ael. H. A. VII 47) eitirt ihn mit dem ausdruck des zweifels; dann ist er verschollen. Xenokritos von Lokroi blieb im gedächtnis der musikgeschichte, aber nicht einmal seine zeit stand fest, und wenn man ihm dithyramben zuschrieb, weil seine gedichte heroischen inhalt gehabt hätten (s. Plutarch de musica 10, unsicherer herkunft), so hat da der späte dithyramb verwirrung gestiftet. Kleomenes von Rhegion (Ath. IX 402b) sieht vollends nach fälschung aus, dürfte zudem derselbe sein mit einem rhap- soden Kleomenes aus dem 5. jahrhundert (Diog. Laert. VIII 63). selbst von Simonides, der doch wenigstens in Keos und Athen dithyramben aufgeführt hat, ist kein sicher auf sie bezüglicher rest erhalten. was bei Strabon 728 steht ταφῆναι δὲ Adysras Μέμνων περὶ Πάλτον τᾶς Συρίας παρὰ Badav ποταμόν, ὡς εἴρηκε Σιμωνίδης ἐν Μέμνονι διϑυράμβῳ τῶν Δηλιακῶν ist nicht nur unverständlich, sondern un- heilbar verdorben. weder konnte Simonides das berichten, noch ist in dem schlufs- worte überhaupt ein sinn: also auch auf den heroischen titel des dithyrambos kein

verlals.

dithyrambos. bildung der hellenischen nation in Asien. 65

auf der hand, dafs sie gerade jene bezeichnende metrische freiheit nicht besitzt, vielmehr mit den andern chorliedern gegen den dithyrambos steht. das aber ist allerdings eben so offenkundig, dals die tragödie in metrik und sprache, soweit sie chorlied ist, mit den andern chorliedern zusammengeht. hier also bietet sich ein angriflspunkt. wenn wir die art nicht mehr kennen, an die uns Aristoteles weist, so wenden wir uns an die gattung. weit mufs ausgeholt werden; es ist wol auch ein umweg: aber ein holzweg ist es nicht.

Die völkerwanderung hatte die in der cultur vorgeschrittenen stämme Bildung der teils unterjocht, teils aus dem lande getrieben. die zurückgebliebenen "hen nation waren hörige häusler untertanen geworden; eine selbständige entwickelung war für sie unmöglich. ihre noch fast ganz barbarischen herren hatten gleichwol viel bei ihnen zu lernen, so viel, dafs es zu einer reinen ent- faltung ihres eigenen wesens auch nicht kam. jahrhunderte waren nötig, damit überhaupt die widerstrebenden elemente zu einem neuen volkstum verschmolzen; und damit war doch nicht viel mehr erreicht, als dafs der boden für die aus dem osten zurückflutende cultur empfänglich gemacht war, und auch das war nur in einem kleinen teile von Hellas der fall: die ganze westküste ist der cultur so gut wie verloren geblieben. die wenigen gegenden aber in welchen sich die alte bevölkerung behauptet hatte, Euboia, Attika, die dryopische und saronische küste der Argolis, waren einstmals die etappen für die auswanderung gewesen und jetzt wieder die berufenen träger der vermittelung. hier nur konnte sich eine stätte finden, wo sich alle lebensfähigen culturelemente zusammen- finden und zu einer höheren wahrhaft nationalen cultur vereinigen und steigern mochten.

In den durch harte kämpfe erworbenen neuen sitzen an der herr- lichen asiatischen küste verwuchsen zunächst die hinübergeworfenen splitter von stämmen und völkern zu neuen gröfseren stammesgenossenschaften, hier auch empfand man durch den gegensatz der barbaren zuerst die verwandtschaft auch der ferneren glieder des gemeinsamen volkes, erhob man sich ganz allmählich zu der erfassung des begriffes eines einigen Hellenentums in race und cultur. zu der zeit, von welcher es zuerst möglich ist, sich einigermafsen ein bild zu machen, etwa vom achten jahrhundert ab, ist der vorwaltende stamm der ionische, von seinen sitzen an der mysischen Iydischen karischen küste nicht nur nach norden und süden übergreifend, sondern bereits die Propontis und fernere gestade mit pflanzstädten besetzend. die süddorischen inseln haben die inner-

liche ionisirung bereits begonnen, vorbildlich für das mutterland; aber v. Wilamowitz 1. 5

Das ioni-

66 Was ist eine attische tragödie?

auch die Aeoler sind schon im niedergange, verlieren manche küsten- plätze’) und sind in der cultur nunmehr die empfangenden. dennoch erkennen wir dafs es einst umgekehrt gewesen war. eben das epos, welches doch der lebendige ausdruck der ionischen suprematie ist, trägt die deutlichen spuren in form und inhalt davon, dafs es aus aeolischer wurzel stammt. aber freilich, die lIonier haben es aus ihrem geiste neu geboren; nur dem bewaffneten auge des forschers erscheinen die ein- zelnen fremden züge. und erst als ein ionisches, als Homers werk, hat das epos die culturmission übernommen, das mutterland wieder für das Hellenentum zu gewinnen. ist doch selbst Aeolien in den zauberbann des ionischen epos getreten. Hesiodos (wol um 700), der aus einer aeoli- schen familie stammte, und als hintersasse in dem boeotischen Askra zum dichter ward, hängt vollkommen von dem homerischen epos ab, seine stolzeste erinnerung ist, dals er bei den leichenspielen eines fürsten in dem ionischen Chalkis den preis erhalten hat: und um 600 ist seine diehtung in Mytilene populär.

Das ionische epos befand sich in den händen von berufsmäfsigen

andern sängern oder besser sprechern. wie alle griechische kunst, war auch eilas ein.

der bomerische stil das ergebnis langer handwerksmäfsiger übung, und nur wer ihn gelernt hatte, vermochte ihn zu üben. dichten und vortragen waren keine geschiedenen berufe. der stoff aber war volksmäfsig. denn auch die von den Aeolern entlehnten elemente waren es längst geworden. allein nach dem mutterlande trugen die sänger den Homer als etwas inhaltlich und formell neues, höchstens durch die von mund zu mund gehende sage ein wenig vorbereitetes. das epos kam übers meer wie

31) Man hat auf grund der mundart vermutet, dafs auch Chios ursprünglich aeolisch gewesen wäre. aber dafür liegt weder in der geschichte noch in der sage ein anhalt vor. und der schlufs aus der sprache beruht auf einer verkennung des ge- schichtlichen vorganges. die neuen stämme waren ja niemals vorher da gewesen, sowol Aeoler wie lonier bilden sich erst allmählich unter dem drucke besonderer geschichtlicher factoren. zunächst war das mischungsverhältnis der bevölkerung aller- orten verschieden, die geschichtlichen factloren waren verschieden und so ergaben sich zunächst ganz verschiedene volks- und sprachtypen. eine sprachgrenze von aeolisch und ionisch gab es also auch noch nicht; diese ward erst gezogen, als der zusammen- schlufs der staatenbünde bestimmte kreise zog. gewils haben in Lesbos und Chios mehr verwandte familien sich angesiedelt als in Lesbos und Milet, und hat auch in Lesbos nicht nur eine unter sich verwandte bevölkerung gesessen: das spürt man dann in den mundarten. die Chier würden unter der herrschaft der Mytilenaeer oder in staatlicher gemeinschaft mit ihnen Aeoler haben werden können: in der panionischen gemeinschaft sind sie lonier geworden. aber hier liegt kein gewaltact vor, sondern ein stilles organisches wachstum,

Das ionische epos wandert in Hellas ein. 67

andere ionische ware auch; die rhapsoden, die zuwanderten, verdienten sich mit seinem vertriebe ihr brot. sehr früh mufs dieser verkehr be- gonnen haben, lange ehe ein bauernsohn in Askra aus eignem drange sich dem dichterberufe in den fremden formen hingeben konnte. und die empfänglichkeit der hörer muls eine grofse gewesen sein, da sie sich diese fremde dichtung nicht nur angeeignet haben, sondern ihre ganze eigne dichtung auf ihr aufgebaut. die neuen völkerschaften, die sich im mutterlande aus der mischung von eingewanderten herrn und alteingesessenen untertanen und knechten gebildet hatten, besafsen zwar einen reichen schatz von nationaler überlieferung, aber sie hatten noch keine lebenskräftige poesie. der gehalt war da: das gefäfs fehlte. nun kam ein solches völlig fertig aus Ionien, und es kostete verhältnismäfsig wenig mühe, den neuen wein der festländischen sage hineinzugielsen. die sagen, welche den inhalt des importirten epos ausgemacht hatten, wurden freilich auch übernommen, wirkten als kräftigstes ferment auch für die ausgestaltung der neuen epik mit, mufsten sich aber dafür mannig- fache umformungen gefallen lassen. die kunstform, versmals, sprache, stil, blieb; was sich darin änderte, geschah unwillkürlich und den ändern- den unbewulst. so erlebt denn das homerische epos im mutterlande während der jahrbunderte 750—550 eine neue blüte, mochte es in seiner heimat gleichzeitig auch immer mehr zurücktreten. auch die sage der Peloponnesier und der amphiktionischen völkergruppe schlug sich noch in epischer form nieder; nur in die westlichen colonien ist das epos nicht mehr gelangt. es sind wesentlich die culturkreise von Chalkis Del- phoi Korinth Argos, welche sich seiner pflege widmen. übrigens bleibt die dichtkunst durchaus in den händen der handwerksmälsigen sänger. noch viel stärker als der lonier mulste der Peloponnesier empfinden, dafs er sich eine fremde mundart und ausdrucksweise aneignen sollte, um die taten seiner vorlahren und die idealbilder seiner eignen phantasie den landsleuten vorzuführen. und für uns büfst, wer immer es versucht, so ziemlich seine heimische nationalität zu gunsten der internationalen homerischen oder hesiodischen weise ein: erscheint doch Hesiodos selbst beinahe als ein Homeride. dieser umstand hat vielleicht ein wenig dazu mitgewirkt, dafs die herrschende gesellschaft, die dorischen oder chalkidi- schen ritter, selbst an der pflege des epos nicht hand anlegen. aber das ward noch durch etwas viel eingreifenderes gehindert, durch das standes- gefübl. zwischen dem adlichen burgherrn und dem fahrenden spielmann, den er sich dang, dafs er in der halle eine schöne mär sagte, von llios

oder Theben, lieber noch eine von Herakles und Kyknos, oder von Medeias 5.8

lambos und legi

elegie.

68 Was ist eine attische tragödie?

heimholung, oder des Aigimios ritterspiegel, war die kluft allzugrofs: weder konnte der spielmann ritterbürtig werden, noch der herr mehr für die dichtung tun, als dafs er etwa dem dichter die geschichten von seinen und seines volkes ahnen erzählte und gute bezahlung gab, damit jener sie in homerische verse setzte und etwa eine Mekionike in die reihe der er- habenen götterfrauen aufnähme, die aus himmlischem samen die ahnherrn der erlauchten häuser geboren hatten. das epos hat im mutterlande un- endlich viel für die erhaltung des stoffes gewirkt. aber es hat nur den boden für eine wirklich nationale poesie vorbereitet: selbst ist es immer etwas halbfremdes und ich möchte sagen halbfreies geblieben.

In Ionien vollzog sich nun aber in eben den jahrhunderten 7 und 6 eine gewaltige verschiebung aller schichten der gesellschaft und der cultur. hier gieng das rittertum zu grunde durch das bürgertum der grofsen handelsstädte. zwar behauptete sich, auch wenn der name demokratie war, durchweg ein bevorrechteter stand, welcher den gröfsten besitz mit der höchsten bildung verband; allein es stieg fortwährend frisches blut von unten empor in die bevorrechteten kreise. jedes geistige schaffen aber nahmen diese selbst in die hand; die handwerksmäfsige pflege der homerischen poesie blieb, aber immer weniger productiv und immer weniger geachtet. es wehte ein scharfer wind. weithin übers meer zogen die schiffe, weiterhin ins ungemessene die gedanken. aus der tiefe des arbeitenden volkes stiegen rücksichtslose wagemutige männer auf, die durch die kraft der eignen faust und des eignen kopfes sich eine stellung schufen, die herrschenden gewalten bezwangen und ihr volk befreiten bevormundeten bedrückten. aus den tiefen des menschen- herzens stiegen die ewigen gefühle, des menschenherzens unendlichkeiten in wonne und weh, des menschengeistes qualen in antwortlosem fragen nach den ewigen rätseln der welt auf die lippen empor. der mann, der im rat und auf dem markte der erste war, trat vor das volk oder den vertrauten kreis in der halle des marktes, auf den stufen des gotteshauses, im saale des festgelages, und sprach sie an aus eigner seele in eignem namen. er erzählte nicht von Giganten und längst vermoderten abn- herrn, sondern von der gegenwart, schalt der bürger lässigkeit, warnte vor der gefahr, schleuderte dem gegner den schimpf entgegen, oder auch er sagte, was ihn das eigne denken gelehrt, wie die welt geworden, was des lebens wert sei, und tausend weise sprüche. die form war bald die aus dem ältesten urbesitze des volkes emporgeholte und durchaus volks- tümliche des iambos, oder die kunstmälsig aus dem epos abgeleitete ele- gische strophe. aber auch in dieser bemeisterie die gegenwärtige sprache

lambos und elegie. 69

das fremdartig altertümliche. um 550 tat man dann den letzten not- wendigen schritt, und streifte als letzte aller bande die gebundene rede ab.

Was der elegiker oder iambograph in seinem kreise vorgetragen hatte, trug der rhapsode bald ebenso wie das epos weiter, und so gelangte auch diese poesie in das mutterland. aber hier war der boden noch nicht reif für die entfaltung dieser subjectivität, und nur in dem stamm- verwandten Athen bemächtigte sich der gründer der verfassung der pocsie als einer waffe um die stimmung seines volkes zu beeinflussen. was der handelsmann Solon konnte, der in vielen ländern mit vielerlei volk ver- kehrt hatte, dazu war der ritter auf seiner burg oder am gemeinsamen tische unter seinen zeltgenossen nicht fähig. wol nahm die politische hauptstadt des Peloponnes, nunmehr Sparta, die elegie auf, weil der adel mit der bunten homerischen bildlichkeit nie viel hatte anfangen mögen, dagegen gefallen daran fand, sich einen spiegel der tugenden, zu denen ihn der zwang seiner standesehre erzog, in den gefälligen formen der verständigen und verständlichen ionischen elegie vorhalten zu lassen. aber dabei gieng eben das verloren, was den fortschritt der elegie über das epos gebildet hatte, das individuelle. der herrschenden überlieferung nach -war der einzige dichter ein zugewanderter lonier. mag diese tradition wahr oder falsch sein”), sie beweist, dafs man den Lakonen einen solchen dichter nicht zutraute. und wirklich spricht aus den meisten gedichten, die auf Tyrtaios namen giengen, nicht ein einzelner mensch, sondern ein

32) Wir kommen über das dilemma nicht hinweg, das Apollodor (Strab. 362) richtig formulirt. wenn Tyrtaios ein Athener war, so kann er die Eunomia nicht ge- dichtet haben, und wenn er die gedichtet hat, so war er ein Lakone. denn der ausweg, ihm das bürgerrecht erteilen zu lassen, zu dem schon Platon greift (Ges. 6295), reicht gegenüber dem stolze auf die herkunft aus der dorischen tetrapolis nicht hin. und der dichter der Eunomia ist heerführer wider die Messenier gewesen: das stand in den elegien. nicht leicht wird man das einem fremden zutrauen. hier haben wir also sicher eine bedeutende persönlichkeit: aber dieser alle die ganz allgemein gehaltenen mahnungen zur tapferkeit zuzuschreiben, ist eine vertrauensseligkeit, vor der die namen Homer Hesiod Orpheus Theognis und selbst Sappho und Anakreon warnen sollten. auf den berühmten namen gieng die lakonische elegie wie sie war. die tradition, dafs Tyrtaios ein Athener war, ist älter als die bekannte ausgeschmückte fabel von dem lahmen schulmeister, eine parodie des kimonischen hilfszuges, wie man jetzt ja wol zugesteht. daneben erscheint Milet als heimat (Suid. 8, v.), was sich gar nicht discutiren läfst, da der gewährsmann unbekannt ist. der name klingt nicht attisch, gehört doch wol zu Tverauos; allein in vereinzelten wörtern hat sich auch in Athen t vor u gehalten: Tupusidas ist ein demos, war zweifellos ein geschlecht, und neben συρβηνέων χορός steht τύρβη und τυρβάξειν. so bleiben die probabilitäten in der schwebe.

Das lied.

70 Was ist eine atlische tragödie?

stand. der culturkreis von Korinth und Argos, Theben und Chalkis ver- schliefst sich dieser poesie. auch nach dem westen kommt sie so wenig wie das epos. denn als Theognis in den beiden Megara dichtet, ist bereits Athen mehr mafsgebend als Korinth. der iambos vollends, der volkstüm- lichere kräftigere bruder der elegie, ist auf Athen beschränkt geblieben: dafs Solon ihn dort eingebürgert hat, sollte allerdings die ungeahntesten früclte tragen.

Das lied, das nicht der dumpfen menge ertönt, das der dichter nicht singt die menschen zu bessern und zu bekehren, noch sie zu er- götzen und zu unterhalten, das er nur der Muse oder etwa der geliebten singt, das echte lied ertönt von Lesbos und nur von Lesbos; es ertönt als der schwanensang der sterbenden aeolischen cultur. Sappho steht einzig da in der ganzen stolzen geschichte des griechischen geistes: und wenn sie nicht so ganz natur wäre, würde man sie für unbegreiflich halten. für die eigentliche Iyrık gilt in noch höherem malse als für die poesie überhaupt, dafs nur das allerbeste lebensfähig ist. wol täuscht sich die gegenwart über den wert des sanges, der von allen lippen tönt, besonders stark; aber die nachwelt ist dafür um so grausamer. deshalb erkennt man die übergänge schwer. man wird ja nicht bezweifeln, dafs trotz dem schweigen der überlieferung neben der lesbischen nachtigall auch in Ionien mancherlei vöglein gezwitschert und gepfiffen haben, ein jegliches bewundert in seinem haine. und gesungen hat das lokrische und peloponnesische mädchen bei der spindel und beim wassertragen ohne zweifel auch: aber das alles ist spurlos in die winde verhallt. weder hier noch dort war für das lied im 7. und 6. jahrhundert eine stätte. das gebun- dene wesen der ritterschaftlichen cultur liefs die knospen des herzens noch nicht springen. in den sich immer mehr demokratisirenden städten Asiens webten die frühlingsstürme, die den boden befruchten, schols die heifse sonne einer arbeitsfrohen geschäftigkeit ihre raschreifenden stralen: da begehrte man keine frühlingsblumen und träumte nicht am bachesrand. die tieferen geister grübelten über gott und welt, die menge jagte nach macht und gold; sie verschmähte wie alle guten dinge auclı das lied nicht, aber ihre Iyrık war nur die der begierde und des genusses. Anakreon mochte im kreise der zechbrüder am üppigen hofe des Polykrates von wein und liebchen singen, mit vollendeter grazie, aber ohne dafs selbst in den knabenliedern das herz stärker mitspräche. einem ernsten manne würde diese poesie zuwider werden müssen, wenn nicht der dichter sich als ein wirklicher bewiese, νήφων κἀν βαχχεύυμασιν, immer seinem stoffe überlegen, das ganze treiben und sich selbst leise ironisirend. aber

Das lied. Alkman. 71

selbst für Athen war dies lied eine exotische pflanze und hat nur durch die form nachhaltig gewirkt. noch viel weniger hätten Dorer, z. b. die uns aus Pindar so wolbekannte aeginetische gesellschaft damit anfangen können. unter den festlandsgriechen üben nur einige weiblein das lied, die so oder so, als vaterlandsverteidigerin wie Telesilla, oder als hetäre”) wie Praxilla, aus den schranken ihres geschlechtes treten. Korinna ist ein braves mühmchen, und erzählt in ihren sehr kunstlosen aeolischen rhythmen den Tanagraerinnen ihre mährlein (γέροια) ; sie ist allerdings eine art Sappho, nur eine boeotische. das alles stieg nicht in die leitenden kreise der gesellschaft.

Und doch war schon im 7. jahrhundert ein kräftiger bach aeolischer liederpoesie nach dem mutterlande herübergekommen, der immer stärker anschwellend schliefslich das stolze schiff der aischyleischen tragödie flott gemacht hat.

Schon früh im siebenten jahrhundert sind fahrende sänger aus Lesbos im Peloponnes aufgetreten und der name des Terpandros zumal steht an der spitze der musikgeschichte. in wie weit die tbeoriker der aristo- telischen zeit, welche uns davon erzählen, eine zuverlässige kunde von seinen musikalischen leistungen besafsen, sind wir aulser stande zu con- trolliren, worin nicht liegt, dafs wir darauf fest bauen dürften. dichtungen aus dem siebenten jahrhundert waren nicht erhalten”). dennoch reichen die reste Alkmans hin, um von dem litterärgeschichtlichen zusammen- hange eine deutliche vorstellung zu gewinnen. er wendet die formen der lesbischen poesie an, zwar nicht die ausgebildeten des Alkaios oder gar der Sappho, aber ersichtlich ihre vorstufen, die Terpandros einge- führt hatte. er beherrscht aufserdem eine ganze reihe der ionischen versmafse (iamben, trochaeen, paeone, ioniker), und hat begonnen nach dieser analogie einzelnes epichorische auszubilden (anapaeste). seine sprache ist das getreue abbild dieser mischung der formen, denn das lesbische,

33) Ein weib, das trinklieder dichtet, ist man berechtigt als eine solche zu betrachten.

34) Die gute grammatikertradition hat die gedichte verworfen, welche auf Ter- pandros namen giengen, Strab. Xlll 618. und wenn wir τετράγηρυν mit kurzer erster sylbe und ὄργων mit vocalischem anlaute finden, so sieht das wenig nach dem siebenten jahrhundert aus, bei einem Aeoler in Sparta zumal. dafs in der musikalischen praxis sich lieder fanden, die man ihm zuschrieb, ist sehr begreiflich: sehen wir doch dafs die neuern geschäftig sind ihm adespota zuzuweisen, und nicht einmal daran an- stofsen, wenn Zeus als die ἀρχή des alls bezeichnet wird, und der dichter ihm seiner- seits deshalb die ἀρχὲ ὕμνων sendet. als ob dies weltprincip und dieser wortwitz überhaupt in der archaischen zeit zu denken wäre.

Alkman.

79 Was ist eine attische tragödie?

epische, lakonische steht auch in ihr nebeneinander. aber eins ist neu bei Alkman: er ist chordichter. zwar hat auch Sappho für ihre mädchen und in den hochzeitsliedern auch für jünglinge lieder gedichtet zu ge- meinsamem gesange. und in vielen culten wurden processionslieder, wiederum vorwiegend für mädchen, gebraucht. dafs bei den volkstüm- lichen reigen allerorten auch gesungen worden ist, ist selbstverständlich. und doch ist bei Alkman etwas völlig neues da. wenn er auch bei manchen feierlichen gelegenheiten das eigne ich zurückgehalten haben wird, so ist doch zumeist der chor für ihn nur ein instrument, dem er so gut seine eignen empfindungen leiht wie der laute. von sich, seinem namen, seiner herkunft, seinem hunger und seinen versen redet er oder läfst er vielmehr die mädchen singen. ja, sie müssen uns von seinen liebeleien unterhalten. die kärglichen und schwer zu deutenden reste gewähren kein volles bild von dem dörflichen dichter, den man vielleicht am ehesten mit Neidhard von Reuental vergleichen kann. aber gerade das formelle, auf das es für die entwickelung ankommt, ist sonnenklar: der chorgesang und daneben doch die äufserung der individualität des dichters ist erreicht.

Sıesichoros. Alkman und sein bäschen Agido gehören nicht zur ritterbürtigen gesellschaft, die sich gleichzeitig etwa an der Eunomie des Tyrtaios erbaute. die chorpoesie ist die der perioeken. so dringt denn auch die vornehne heldensage nicht stärker ein, als der allgemeine lakonische patriotismus und die auch hier gewaltige macht Homers mit sich bringt. die helden- sage als inhalt und die höchste gesellschaft als publicum erobert für die chorische Iyrik erst Stesichoros. Sparta und Himera liegen weit von einander, und niemand wird sich vermessen, etwa weil Stesichoros in der tat specifisch lakonische sagen kennt, einen directen zusammenhang anzu- nehmen. die etappen der allgemeinen entwickelung beobachten wir nur an vereinzelten punkten, und dafs sich ein scheinbarer zusammenhang ergibt, ist der erfolg der gleichartigkeit, welche über weite räume hin die kunst beherrscht. in der zweiten hälfte des 6. jahrhunderts sind dichter aus Chalkis und seiner nachbarschaft die bedeutendsten ; ein chal- kidisches volkslied zeigt die charakteristischen formen der Stesichoreischen daktyloepitriten®): was wunders dafs in einer chalkidischen enkelstadt

35) Aristoteles bei Plut, amator. 7

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Bergk (carm. pop. 44) hat das richtige gesehen, wenn auch nicht festgehalten.

Stesichoros, die chorische Iyrik. 73

um 580 der ordner dieser gattung auftritt? und dals gerade in Sicilien, wo das epos fehlte, die chorische Iyrik das gefäls der sage ward, ist vollends begreiflich. wir wissen nun leider nicht, zu welchen heiligen oder profanen zwecken Stesichoros seine chorlieder verfalst hat, wenn auch die novelle darin ein richtiges bild zweifellos von ihm bewahrt hat, dafs er in den höchsten kreisen der nation eine stellung wie Simo- nides hat. wir sehen aber, dals er bald so objectiv erzählt wie Homer, bald so subjectiv wie Alkman (denn nur so ist die palinodie verständ- lich): und wir werden nicht fehl gehen, wenn wir die späteren verhält- nisse so ziemlich auch auf ihn übertragen. dafs er es vor allen gewesen ist, der den späteren dichtern ihr instrument, den chor, hergerichtet hat, und dals er als die aufgabe der lyrik erkannt hat das epos zu ersetzen, ist deutlich und ist die hauptsache.

Sımonides und Pindaros lassen uns die verhältnisse, wie sie seit Die Ge der zweiten hälfte des 6. jahrhunderts lagen, mit vollkommener deutlich- keit übersehen. bei allen möglichen gelegenheiten, zu ehren der götter oder der menschen, an den tagen, deren feier von der allgemeinen sitte geboten ist, ebenso wie ohne solchen äulsern anlafs, wenn nur stimmung und möglichkeit vorhanden sind, treten chöre auf, von männern oder jünglingen, was nicht gesondert wird, im götterdienste einzeln auch von jungfrauen. sie singen zum tanze oder auch zum marsche ein lied eigens zu diesem behufe gedichtet. dies lied ist immer das wort des dichters; er redet durch den chor in eigener person. er erfindet jedesmal ein neues mafs; aber fast ausschliefslich aus ganz wenigen bestimmten rhythmen- geschlechtern. auch den inhalt gestaltet er frei; aber trotz aller mannig- faltigkeit der anlässe und also auch der aufgaben ist die behandlungsart und der ton durch ein festes herkommen gebunden. die sprache ist ein künstliches gebilde; noch immer zeigt sie, wenn auch in anderem mischungsverhältnis*), die drei ingredientien wie bei Alkman; aber die

36) Das aeolische grundelement ist zurückgetreten, der einflufs der epischen sprache wiegt stark vor. das dorische element hat mit grofser feinhörigkeit alles abzustreifen gewufst, was nicht aller orten galt; specifisch Lakonisches, Korinthisches, Boeotisches ist gänzlich ausgetilgt. es ist verkehrt dies grundelement landschaftlich benennen zu wollen. dafs sich der geborne Boeoter etwas anders benimmt als der geborne Chalkidier ist natürlich: das geschieht unwillkürlich. diese differenzen innerhalb der gleichen sprache finden sich nicht blofs im epos ähnlich: sie gibt es auch in der prosa, gibt es zu allen zeiten. Lessing Goethe Schiller schreiben die- selbe sprache, schreiben deutsch; aber den Lausitzer Franken Schwaben verleugnen sie nicht. nicht stärker ist die differenz zwischen Hesiod und asiatischen epikern,- Mimnermos Solon Tyrtaios Theognis, Stesichoros Pindaros Simonides. und genau

74 Was ist eine atlische ἱγαρδάϊοῦ

willkürlich einmal gegebenen gesetze werden jetzt streng befolgt. sie ist international wie die des epos, weil sie nirgend national ist. wie im epos ist auch der stil ein conventioneller, fest gefügter. all das ist nur erklärlich durch die arbeit von generationen und die kunstmäßige, wenn man will handwerksmäfsige, schulung der dichter. diese stehen also nicht wesentlich anders da als die epiker. der rhapsode war freilich zugleich dichter und ausübender künstler; auch Alkman war es noch bis zu einem gewissen grade gewesen. das war jetzt anders. aber die handwerks- mälsige ausbildung war nun für die sänger nicht minder nötig, als für die dichter. denn diese ziehen nicht nur durch alle gauen und setzen voraus, ihr instrument überall vorzufinden, sie senden auch ein werk in ferne lande hinüber, und können sicher sein, dafs es zur aufführung kommen kann. das ist ohne einen stand von berufsmäfsigen sängern und musikern nicht möglich, wenn auch vieler orten die dilettanten so weit geschult sein mochten, um selbst ausübend aufzutreten. dieses und noch viel- mehr dafs solche gedichte auf leidenschaftlichen beifall und auf verständnis rechnen konnten, zeugt auf das nachdrücklichste von einer durchgehenden gleichartigen bildung, einem keinesweges verächtlichen niveau der cultur durch die ganze gesellschaft hin, für welche diese poesie gilt. allerdings ist es nur eine oberste schicht, ein geschlossener kreis des adels, mit dem dieselbe überhaupt rechnet. so weit dieser adel reicht, reicht sie, über viele lande hin, aber nirgends tief in das volk hinunter, d. b. genau soweit wie die ideale des dorischen adels gelten, die sie ja zum ausdruck bringt. es ist das ganze Griechentum, mit ausschlufs des eigentlichen Ioniens; doch auch die Inseln und das nicht ionische Asien nimmt nur vereinzelt daran teil. allerdings lag in der gemeinsamkeit des standes- gefühles, der cultur und der ideale alles das was diese zeit an nationaler einheit besals. es war nicht wenig: es hat der einheit des volkes mächtig vorgearbeitet. allein wir sehen am besten daraus, dafs in den nicht do- rischen landschaften Euboia und Attika eben die bevorrechteten classen, welche als ständisch gleichberechtigt an dieser cultur teilnahmen, gestürzt werden mulfsten, damit der nationale staat entstünde und die cultur das hellenische volk als ganzes durchdränge, wie unmöglich es war, auf diesem boden die einigung durchzuführen. Athen hat auf allen gebieten den kampf mit dieser gesellschaft aufgenommen; die cultur hat es über-

wie diese haben die ältesten attischen tragiker ihre chöre gedichtet: erst die weilere rein attische entwickelung hat die sprache der chöre immer mehr attisch gemacht, aber niemals die fremde herkunft derselben ganz verwischt. genau wie in den tragi- schen ist es in den lyrischen liedern der Athener, den dithyramben, gegangen.

Die chorische Iyrik. 75

wunden, und zuerst ist diese poesie untergegangen. dafs es die mate- rielle kraft nicht gewann, auch die politische herrschaft durchzuführen, daran ist nicht blofs Athen sondern ist Hellas zu grunde gegangen. weil für jene ganze cultur das Dorertum führend und mafsgebend ist (obwol das schon versteinernde Sparta an der poesie gar keinen anteil mehr hat), nennt man nicht ohne grund auch die poesie dorisch, und hat es schon damals getan: festzuhalten aber ist, dafs die Dorer kaum einen dichter gestellt haben, und dafs es schon eine bewunderte und bewun- dernswerte ausnahme war, als ein boeotischer adlicher, aus einem ge- schlechte das noch über die einwanderung zurückreichen wollte, das hand- werk ergriff, das sonst ein Dryoper, l,asos, ein Lesbier, Arion, ein Keer, Simonides, ein Chalkidier aus Rhegion, Ibykos, übten.”) erst Pindaros, und auch er nur mit einsetzung seiner ganzen persönlichkeit, hat die dichtung aus den händen der bezahlten fahrenden genommen. der adel hörte zu, sang wol auch mit; aber er hielt das dichten doch nicht für ganz standesgemäls. Archilochos, “zugleich ein sänger und ein held”, war ihm widerwärtig.

Die antiken philologen haben sich abgemüht die chorischen gedichte in classen zu sondern. der zweck war zunächst ein rein äulserlicher, nämlich für die erst von ihnen in gesammtausgaben vereinigten gedichte eine ordnung zu finden, die man nach einigem schwanken in solchen classen fand, wie hymnen paeane dithyramben u. s. w. da die über- lieferung über diese äulserlichkeiten zufällig eine ziemlich reiche ist (weil die uns erhaltenen grammatiker ein buch des Didymos eifrig ausge- schrieben haben), so haben sich die modernen zu dem irrtum ver- leiten lassen, als käme auf die gattungen etwas besonderes an. das wichtige ist vielmehr, dafs die gedichte selbst, alle wie sie da sind, die individuellen äufserungen des dichters sind. der anlafs wird ihn ver- schieden stimmen; er wird einen andern ton anschlagen beim festmal als an der bahre, vor dem delischen Apollon als vor dem libyschen Am- mon, aber das verhältnis zwischen ihm und dem gegenstande seines ge- dichtes, dem chore der es singt, dem publicum das es hört, ist in allen fällen dasselbe. einmal und überall sind der dichter und das publicum höchst concrete personen, und ist der chor gar keine person. selbst was die form angeht, ist der unterschied nur für eine gattung hervor- stechend, allerdings die welche uns hier vorzüglich angeht, den dithyrambos.

37) Pratinas von Phleius im hyporchem τὰν ἐμὰν Δώριον χορείαν: er ist

der einzige Dorer, aber er ist in Athen zugewandert, wo auch sein sohn bleibt. die musiker sind oft Argeier.'

76 Was ist eine attische tragödie?

allein auch dieser unterschied ist ganz äufserlich : die gliederung in strophe und antistrophe fällt weg, und daraus folgt eine viel bewegtere, für uns oft nicht mehr ganz verständliche metrik, und ohne zweifel eine ganz andere art des tanzes, von dem wir wie überhaupt so auch hier weder etwas wissen noch wissen können. und nicht einmal das ist ‘dem dithy- rambos ausschliefslich eigen, sondern fand sich auch in andern liedern als denen, welche für den Dionysosdienst verfalst waren ; die grammatiker haben sie, weil sie keinen bezeichnenden namen hatten, als tanzlieder (ὑπορχήματα) bezeichnet und in besondere bücher geordnet.”) es ist ein schlechter name; denn tanzlieder sind sie ja alle. und vollends der dichter äufsert sich in den nichtstrophischen gedichten just so subjectiv wie in allen andern. Pindar erzählt den Athenern in einem dithyrambos, das wäre das zweite mal, das er für sie dichte (fgm. 75, 8), und seinen Thebanern führt er gar olıne jeden äufseren anlals ein tanzlied vor, um nach einem fürchterlichen vorzeichen (107) oder in einer politischen krisis seine meinung zu äufsern (109 110). im gleichen falle dichtete Solon eine elegie, Archilochos einen iambos: Isokrates und Demosthenes schrieben eine rede.

Der attische Eine änderung hatte freilich die demokratie für den chor gebracht:

bürgerchor.

Pindaros wird in Theben geschulte berufsmäfsige sänger verwandt haben; in Athen sang ein bürgerchor seinen dithyrambos. diesen wichtigen umschwung hatten die neuen ordnungen sofort herbeigeführt, als das volk sich mit hilfe der Lakedaemonier und des delphischen gottes erst von den tyrannen und dann mit der eignen kraft um den preis des eintritts in den peloponnesischen bund von den lLakedaemoniern frei gemacht hatte, seine wehrhaftigkeit aber durch die überwältigung seiner nördlichen nachbarn bewiesen hatte. wie die gesammtleitung seiner angelegenheiten, nahm es auch den gottesdienst und die öffentlichen spiele in die eigne hand. es wollte durchaus nicht auf die pflege der höhern cultur ver- zichten, welche es den ionischen verbindungen seiner fürsten verdankte, aber es wollte auch darin die eigene kraft beweisen; die kunst sollte nicht mehr das vergnügen einer bevorzugten classe sein, sondern das des volkes, das selbst turnen und tanzen wollte. während also vorher die athleten und sänger in gilden sich zusammengetan hatten, und eine inter-

38) Von dem was die modernen hyporchema nennen und z. ἢ. in den tragikern so bezeichnen, ist nichts weder überliefert noch an sich berechtigt. die moderne metrische kabbala ist ganz unerträglich, aber auch das altertum hat unleidlich viel mit worten gekramt, die freilich sehr bequem sind das mangelnde verständnis zu verhüllen.

Der attische bürgerchor. 77

nationale stellung einnahmen, so dafs wir die pindarischen sänger von ort zu ort wandern sehen und sehr oft das lob des ringlehrers vernehmen, wurden diese gilden in Athen aufgehoben, die ringschulen verstaatlicht und der zutritt jedem bürger kostenlos gewährt”). die herkömmlichen wettkämpfe blieben zwar bestehen und der zutritt stand ausländern frei, aber die wertschätzung sank und keinerlei gunst ist diesen aristokra- tischen vergnügungen zu teil geworden. die bauern und ruderer hatten nicht die geschmeidigen glieder und weder zeit noch lust sich dem training zu unterwerfen. dafür bildete man die volksbelustigung des fackellaufes zu einer staatlichen einrichtung aus, für welche die gymnasiarchie ge- stiftet ward, und liefs die militärische parade das wettturnen ersetzen. auch die gilden der sänger und tänzer wurden geschlossen. für die musik brauchte man freilich fremde, zumal die argivischen und boeotischen pfeifer, weil auch dafür eine ausbildung nötig war, zu der die bürger nicht zeit hatten; aber die chöre stellten sie selbst. die reichen wirkten mit als choregen, die unbemittelten als choreuten: es war beides eine frohnde, ein munus, ganz wie die verpflichtung als offizier oder gemeiner zu dienen. und auch die regellosigkeit der musikalischen aufführung ward beseitigt. wol verwehrte man dem einzelnen nicht, sich zu seinem ver-

39) Wer aus den institutionen, wie sie bestanden und uns in der praxis be- merklich sind, den schlufs auf das recht, den leitenden gedanken, machen kann, der braucht hierfür kein zeugnis. es fehlt aber nicht. der aristokrat, der die ro- λιτεία Adnvalov geschrieben hat, empfand das charakteristische der festordnung sehr wol, wenn er sie auch gehässig darstellte. er sagt 1, 13 τοὺς δὲ γυμναζομέ- νους αὐτόϑιε καὶ τοὺς μουσικὴν ἐπιτηδεύοντας καταλέλυκεν δῆμος, νομίζων τοῦτο οὐ καλὸν εἶναι γνοὺς ὅτι [οὐ] δυνατὰ ταῦτ᾽ ἐστὶν ἐπιτηδεύειν ἐν ταῖς χορηγέαις" αὐ(τοὶ γὰρ σφίσιν αὐτοῖς ἀγαϑὸν ἐνεῖναι ἐν ταῖς xopnylass) καὶ γυμνασιαρχίαις καὶ τριηραρχίαις γιγνώσκουσιν, ὅτε χορηγοῦσε μὲν οἱ πλούσιοι, χορηγεῖται δὲ δῆμος, (καὶ τριηραρχοῦσε μὲν) καὶ γυμνασιαρχοῦσιν οἱ πλούσιοι, δὲ δῆμος τριη- ραρχεῖται καὶ γυμνασιαρχεῖται" ἀξιοῖ γοῦν ἀργύριον λαμβάνειν 0 δῆμος καὶ ἄδων καὶ τρέχων καὶ ὀρχούμενος καὶ πλέων ἐν ταῖς ναυσίν, ἵνα αὐτός τὸ ἔχῃ καὶ οἱ πλούσιοι πενέστεροι γίγνωνται. die erste lücke habe ich angesetzt und ausgefüllt, auch οὐ gestrichen. die sehr gewaltsame gewöhnliche behandlung verfehlt den sinn: sie läfst den demos, der die dramen spielt, sich eingestehn, dafs er nichts von musik verstände, und macht γεγνώσκουσι völlig unverständlich. der demos hält die gilde für verwerflich, weil er erkennt, dafs sich dasselbe in der form der choregie erreichen läfst, die ihm doch um des profites willen so sehr am herzen liegt. vgl. Hermes 20, 67; dem gleichzeitig geäufserten bedenken Büchelers Rh. M, 40, 312 wird so genüge geleistet. die opposition der gilden, von welcher das erhaltene hypor- chem des Pratinas ein so beredtes zeugnis ablegt, war damals schon gänzlich ver- stummt. die choregie hatte die probe längst glänzend bestanden; in der ersten zeit wird freilich das selbstgefühl der geschulten sänger berechtigt gewesen sein.

78 Was. ist eine attische tragödie?

gnügen lustbarkeiten bei sich anzustellen wann und wie er mochte, und so gab es noch lieder für die feste der vornehmen. Pindaros hat für die Alkmeoniden, Euripides für Alkibiades gedichtet. aber das tritt gänz- lich in den hintergrund vor den vom staate übernommenen und dem festen jährlichen gottesdienste eingeordneten gelegenheiten, bei welchen musische wettkämpfe angeordnet wurden, nur zum teil im anschlusse an die bisherige übung. der staat brauchte alljährlich eine bestimmte recht hohe zahl neuer gedichte, dramen und dithyramben: das volk, das noch keinen bedeutenden eigenen dichter besafs, traute sich zu, sie zu er- zeugen. und es hat auch darin die höchsten erwartungen von der eignen leistungsfähigkeit übertroffen.

Ein instrument des dichters war auch dieser chor, aber es ist doch etwas anderes, ob man gedungene musikanten unter sich hat, oder die vertreter des souveränen volkes. und der dichter wird ja auch selbst anders dastehen, wenn er für irgend einen anlafs auf bestellung oder wunsch eines anderen oder auch aus eignem triebe schafft, als wenn er zu bestimmten höchsten festen seines eigenen volkes für bestimmte ver- treter desselben in einer halbamtlichen eigenschaft seine kunst übt. er wird mehr mit der seele dabei sein als Simonides es wol je war, aber minder aus eigner person zu reden wagen als es Pindar immer tat. der staat und sein souverän, oder besser sein lebendiger leib, das volk, ist in Athen die oberste macht. der dichter ist ein glied desselben, der chor auch, beide ordnen sich ihm unter, der chor auch dem dichter, aber dieser mufßs sich wie Perikles stets gegenwärtig halten, "4Invalw» ἄρχεις. selbst die tragödie zeigt von diesem verhältnisse die deutlichsten spuren. der chor ist auch in ihr vertreter des volkes am religiösen feste: er geht nicht ganz in seiner maske auf. der dichter ist dagegen der erbe der pin- darischen persönlichen lehrer- und predigerstellung: auch er verschwindet nicht ganz hinter seinen personen. dies verhältnis war in dem ursprunge der ganzen gattung begründet; es hat sich wol verloren, aber nicht im laufe des 5. jahrhunderts. die abstracte betrachtung mag sich dazu stellen wie sie will: die geschichtliche hat mit dieser besonderheit durchgehends zu rechnen ®).

ΑΝ Die chöre, die man stellte, unterschied man in chöre von τραγῳδοί und einfach von männern und knaben. diese nannte man auch wol die “rundtänze’ (κύκλεοε χοροί), nicht weil die tänzer hier in einem rund geordnet waren, in der tragödie aber in einem viereck, wie wol gramma-

40) Der Herakles selbst gibt für die wichtigkeit der sache hinreichende belege, die ihres ortes genauer erläutert sind.

Attische dithyramben. 79

tiker gemeint haben, sondern weil die tänze auf dem runden tanzplatz in die runde giengen, während im drama eine bude (σχηνή) daneben stand, die dem schauplatz eine front und einen hintergrund gab. die gedichte hatten zunächst nicht mehr einen eigenen gatiungsnamen, als ihn vorher die der pindarischen Iyrik gehabt hatten. und man wird für die an den Thargelien wol oft παεάν, für die der Panathenaeen ὕμνος gesagt haben: für die dionysischen festlieder vielleicht von vornherein δεϑύραμβος ; Pin- dars zweites attisches gedicht (75) war tatsächlich auch in der form dithy- rambisch. der Dionysosfeste, die der staat begieng, waren mehr als sonst einem gotte gefeiert wurden; so mochte der name dithyrambos durch verallgemeinerung die ganze gattung allmählich begreifen. immerhin ist das officiell nie durchgedrungen und in der gewöhnlichen rede erst seit- dem bedeutende männer diese Iyrische poesie, die um 500—430 zurück- tritt, gewaltig erhoben, so dafs sie zuerst die noclı berühmtere tragische schwester beeinflufst, dann, als deren meister tot sind, die erste stelle im interesse der nation erorbert und auf lange hinaus behauptet. dieser neue dithyrambos, wesentlich durch Philoxenos und Timotheos geschaffen, zwar nicht durch Athener, aber doch ein ganz atlisches gewächs, wirkt wesentlich durch die musik; und wenn wir auch selbst kein urteil, weder über die musik noch über die poesie der neuen dichter haben können, so zeugt die leidenschaftliche polemik der komödie und der reactionären musiktheoretiker von ihrer bedeutung. dafs sie metrisch die ganze frei- heit des alten dithyrambos aufgriffen und bis in das ungemessene stei- gerten, können auch wir noch sehen. und ebenso zeigen einzelne proben, dafs ein sehr starkes mimisches element aus dem drama hinübergezogen ist, während in andern, wie im Diner des Philoxenos, die person des dichters so frei sich äufsert, wie in der alten zeit. und in der tat hat diese neue chorpoesie völlig die stelle wieder inne, welche zu Simo- nides zeiten die alte eingenommen hatte; eben deshalb gerät diese im 4. jahrhundert fast ganz in vergessenheit, wird aber gerade in dorischen gegenden der neue dithyrambos volkstümlich, wie nur je eine ältere gattung: selbst in den tälern von Kreta, wohin nicht einmal das epos gedrungen war, und in Arkadien. mit Dionysos haben die einzelnen lieder vielleicht zumeist gar nichts zu tun, aber durch das 5. jahrhundert ist dieser gott der schirmherr jeder chorischen poesie geworden, und so befremdet es nicht im mindesten, dafs der name dithyrambos für das ganze gilt“). dieser dithyrambos ist gemeint, wenn Aristoteles den namen

41) Aristoteles braucht διϑύραμβος mit seinen ableitungen in der erweiterten bedeutung, welcher alle lyrische chorpoesie umfalst, häufig. im eingange der poetik

80 | Was ist eine atlische tragödie?

im gegensatz zu epog und drama braucht; sein eigner hymnus auf die tugend ist solch ein dithyrambos. und wie er in seiner geltung der chor- poesie pindarischer zeit gleich geworden ist, so auch in der art der auf- führung durch geschulte musiker und tänzer, die, überall und nirgends zu hause, sich in gilden zusammenschlossen, oft vermischt mit den schau- spielern, die das gleiche nun auch anstrebten und bald erreichten *). So ist der bürgerchor ein intermezzo: er gehört nur in die erhabene zeit des grofsen Athens, mit dessen Reiche er verschwindet. tragödie aber und dithyrambos stehen, was die aufführungsart anlangt, stets parallel. vor Kleisthenes kann man sich’s nicht anders denken, als dafs dieselben leute in beiden auftraten, und am ποία Hierons werden dieselben leute die pindarischen gedichte und die tragischen lieder des Phrynichos und Aischylos aufgeführt haben. überhaupt ist die wechselwirkung der beiden dionysischen schwesterarten handgreiflich. es sind geschwister, kinder der- selben mutter, des alten chorgesanges, aber unmöglich kann die tragödie von diesem dithyrambos stammen. als attisches festlied ist er notorisch jünger; was aber der pindarische dithyrambos mit der tragödie gemein- sam hat, das liegt alles im gattungsbegriff; das was ihn zu einer beson- deren art macht, die absonderlichen rhythmen und der mangel der respon- sion, fehlt gerade der ältesten tragödie. endlich mufs, wie eben bei der komödie, der schlufs auch hier gelten, dals die tragödie aus dem dithy- rambos Athens nicht stammen kann, weil er neben ihr kräftig weiter besteht. so kann es scheinen, dafs Aristoteles uns doch auf einen holzweg geführt habe. die herleitung aus dem dithyrambos beifst entweder gar

gesellt er ihm die νόμοε zu, nennt aber als dichter für beides Timotheos und Phi- loxenos. in den problemen (XIX 15) sagt er, die νόμοε allein wären nicht antistro- phisch: wodurch sie die alten dithyramben und 2. b. auch das 4Δεῖπνον des Philoxenos umfassen. nun ist νόμος “weise” ein ganz indifferentes wort, und man mag sich denken, dafs man den weisen, die unter keine bestimmte art fielen, den namen der gallung gelassen hat. indessen ist das ersichtlich nicht consequent geschehen und für uns überhaupt keine unterscheidung möglich. da der charakter der poesie auf jeden fall identisch ist, kommt auch nichts darauf an.

42) Im dritten jahrhundert fällt in der tat, wie die inschriften namentlich der ionischen techniten lehren, dithyrambos komödie tragödie derselben gilde zu, und auch dieselben leute treten in verschiedenen gattungen auf. doch war dies schon im 4. jahrhundert wenigstens für komödie und tragödie regel, Aristot, polit. ['3. es ist bedauerlich, dafs wir nicht angeben können, wann statt aushebung aus der phyle anwerbung durch den choregen getreten ist, mit andern worten, wann statt der analogie des landdienstes die der flotte für die tragischen chöre begonnen hat. die grammatiker wufsten nur das allgemeine wie wir: schol. Hom. N 637 ἕως τενὸς ὠρχοῦντο οἱ εὐγενεῖς νέοι dv ταῖς τραγῳδίαις.

Attische dithyramben. die böcke, 81

nichts, als dafs die tragödie aus dem Iyrischen chorgesang des 6. jahr- hunderts stammt: dazu brauchen wir nicht erst das zeugnis des Aristo- teles; oder es müuls eine charakteristische form des dithyrambos gemeint sein, welche sowol der pindarische dithyrambos als auch der attische tragische chor gemeinsam voraussetzen. ja, wir können noch einen schritt weiter gehen. an der chorlyrik, aller und jeder im 6. jahrhundert, ist das charakteristische, dafs der chor als solcher verschwindet, der dichter hervortritt. im drama verschwindet der dichter, redet nicht nur durch fremden mund, sondern auch aus fremder person heraus. das ist ein gegensatz, und alle gleichheit der form hilft nicht darüber hinweg, dafs ein drama ohne μέμησις δρώντων, ohne die vornahme einer maske vor das antlitz des dichters eben kein δρᾶμα ist. also wenn Aristoteles eine vorstufe der tragödie suchte, mulste er sie bei irgendwie mimetischer poesie suchen. wir postuliren also, dafs der dithyrambos, von welchem cr als der vorstufe der tragödie redet, ein mimischer gewesen ist. aber wo den finden?

Aristoteles selbst hilft weiter: er sagt ja dafs die tragödie aus dem die böcke. satyrspiele stammt, und wenn er es nicht sagte, so mülfsten wir doch dieses sonst rätselhafte und in den zeiten der blühenden tragödie ver- kümmerte spiel herbeiziehen, zumal die τραγῳδοί in ihrem namen die- selbe auskunft geben, wie Aristoteles. sie sind bockssänger. und dals unter den böcken satyrn verstanden sind, lehrt sicherer als die verdäch- tige nachricht, dafs die Dorer den bock σάτυρος und τέτυρος genannt haben sollen *), der eine aischyleische vers (Prometh. πυρχαδύς 202), in welchem der satyr des satyrspieles wirklich bock, τράγος, angeredet wird. darin also hat der fortschritt von dem chorgesange, zur tragödie bestanden, dafs an die stelle gänzlich indifferenter sänger dämonische wesen, böcke, getreten sind. aber wo und wie ist das geschehen ?

43) σάτυρος und zirveos sind gleiche hypokoristische bildungen, aber der stamm muls verschieden sein, da beide wörter dorisch sind. auch werden sie in der besten behandlung der frage, durch Apollodor am schlufs von Strab. X, ge- sondert. σάτυρος kann natürlich weder mit σαένω noch mit σαέρω noch mit satur etwas zu tun haben; es wäre zu wünschen, dafs es bock bedeutet hätte. von τέτυρος wird das behauptet, und hat es wol Theokrit geglaubt, als er einen ziegenhirten so nannte. doch wird auch das nur metaphorisch sein. denn die τέτυροι dürften sich nur in der ableitungssylbe von den τετᾶνος unterscheiden, und auch diese gelten wie die 4ygsos für obscoene daemonen, sind auch vorwiegend peloponnesisch. da mau nun Τιτυός, den erdensohn der der Leto gewalt antut, und den riesen Tiranos von ihnen nicht wird sondern wollen, so dürfte die urbedeutung die sein, welche Bücheler (Wölfflins Archiv II 119. 508) in Titus aufgezeigt hat: es sind alles ὀρϑάνναι.

v. Wilamowlız I. 6

89 Was ist eine attische tragödie?

Hier greift ein bedeutendes ergebnis der monumentalen forschung ein *), das auf den ersten anblick freilich nur einen vollkommenen wider- spruch zu constatiren scheint. der satyr, den Aischylos einen bock ge- nannt hat, ist in seiner äufseren erscheinung keiner gewesen. die aus der spätgriechischen und römischen kunst uns so sehr geläufigen satyrn, die in der bildung der ohren, des halses, oft auch der nase, und durch das schwänzchen ihre bocksnatur offenbaren, hat das alte Athen nicht gekannt. und doch hat jeder, der die attischen gemälde des 6. und 5. jahrhunderts auch nur flüchtig kennt, die phantasie voll von dem köstlich frechen treiben der attischen satyrn, die das gefolge des Dionysos bilden. wir besitzen ja jetzt sogar die reste des giebelfeldes von einem attischen Dionysostempel, auf welchen diese gesellen dargestellt sind.) das stammt zwar nicht von dem uralten heiligtume am kelterplatz, in welchem das beilager der Basilinna mit dem gotte vollzogen ward, sondern von dem des Dionysos Eleuthereus am südostfulse der burg: es ist aber immerhin etwa aus solonischer zeit und älter als das satyrspiel. alle diese attischen satyrn haben mit den böcken nicht das mindeste zu schaffen; sie sind zwar auch halbtiere, aber das tierische in ihnen stammt vom pferde. es ist auch ganz klar, dafs diese conception der volksphantasie ionisch ist, und auf den inseln und in Asien (wo die vermehrung des materials zu wünschen und sicher zu erwarten ist) ebenso gegolten hat. und der name dieser wesen ist ebenfalls unzweifelhaft, es sind Σεληνοί: ein unterschied zwischen σεληνοί und σάτυροι ist für die alte kunst derselben gegend nicht vorhanden. also die ionischen waldteufel stammen vom gaule; es sind die ϑῆρες, vettern der φῆρες, der aeolischen, thessalischen wald- teufel, die auch in alle poesie gedrungen sind, wie die aeolische metrik und sprache. auch diese stammen vom gaule, die K&vyravpor, und sind kinder desselben geistes.. so haben wir also ein spiel, das bocksspiel heilst, aber von halbgäulen aufgeführt wird. mit andern worten, hier hat eine übertragung stattgefunden. nur der name und das bocksfell, welches der pferdedämoır trägt“), erinnert an die alte bocksnatur; es ist

44) Furtwängler in den Annali dell’ Instituto 1877 und im Berliner Winkel- mannsprogramm 1880 “satyr aus Pergamon’.

45) Mitteilungen des arch. Inst. Athen. XI 78.

46) Im Kyklops 80 klagt der chor, dafs er bei dem scheusal ausharren muls σὺν τᾷδε τράγου χλαίνᾳ μολέᾳ: so wenig war dem dichter die bedeutung der con- ventionellen tracht gegenwärtig, dafs er sie als etwas besonderes molivirte. auf der bühne ist der alte satyr der vater der andern, und er kann nicht aus dem chor- führer hervorgegangen sein, denn ein chorführer ist ja neben ihm vorhanden. er heifst Σατύρων γεραίτατος 100, wird meist nur γέρων genannt, Σιληνό aber auch

die böcke. bockschöre. 83

begreiflich, dafs man da des ursprungs rasch vergals. wir aber müssen die heimat des satyrspiels da suchen, wo die böcke zu hause sind.

Auch diese antwort ist aus den monumenten bereits gegeben. im Peloponnes, dessen künstlerischer vorort Korinth ist, gibt es keine satyrn in pferdegestalt. freilich bisher auch keine böcke: aber es steht doch die tatsache fest, dafs dieser typus um 500 auf einen peloponnesischen gott übertragen worden ist, der in seiner heimat und seiner echten be- deutung nach ein weit vornehmerer herr war, aber als er aus dem un- civilisirten hirtenlande in die städte der hochentwickelten cultur hinabstieg, die gestalt und bald auch die geltung eines vertreters der ungesitteten und unverkünstelten elementargewaltigen bergeswildnis annahm: Pan, der ein bock geblieben ist.”) es bleibt der archaeologie die schöne aufgabe, zu zeigen, wie eine spätere zeit die künstlerische bildung der satyrn vom bocke aus doch noch versucht und wunderbar geleistet hat, so dafs die ältere pferdegestalt in den hintergrund trat: es liegt auf der hand, dafs den anstols Peloponnesier gegeben haben müssen. geschehen ist das erst, als das satyrdrama zu gunsten der tragödie verkümmert war, und diese eine spur ihrer herkunft von den böcken nur noch in dem namen trug, den man nicht mehr verstand.

Das führt zu dem postulate, dafs es im Peloponnes einen bockschor gegeben habe. und wirklich, einen bockschor nennt uns Herodot (V 64) in Sikyon zur zeit des Kleisthenes; wir lernen dabei dafs derselbe keines- weges blofs zu ehren des Dionysos auftreten konnte, dafs aber dem be- richterstatter des Herodotos dies als eine anomalie erschien, die er sich nur als willkür eines tyrannen zu denken vermochte. wir werden anders urteilen, denn dals die böcke des Peloponnes ihrer natur nach lediglich ein gefolge des Dionysos bildeten, ist weder erweislich noch glaublich. wir haben eben alles was die ionischen wesen, die pferdewesen, angeht von ihnen fern zu halten; Pan ist später auch ein genosse des thiasos geworden, aber von ihm wissen wir sehr genau, dafs er das weder seiner natur nach war, noch in den jahrhunderten 6—3, wo sein cultus sich

einmal angeredet 539, gleich als ob das sein eigenname wäre. sein aussehen lehrt die Neapler vase mit dem siegesfest eines satyrchors, er hat noch nichts von der späteren schweinenalur des papposilens.

47) In der im kerne hochaltertümlichen argolischen sage, die ursprünglich dem eponymen Argos, nicht dem πανόπτης gehörte, Apollod. 2, 1, 2, erschlägt Argos den arkadischen stier, die Echidna und den Satyros, der die herden der Arkader raubte: das ist erfunden, ehe Argos dorisch war, wenn auch in nachbildung des dorischen Herakles. stier und hydra, tochter Echidnas, sind deutlich: Σάτυρος entspricht den Kentauren.

6*

84 Was ist eine altische tragödie?

ausbreitete, dafür galt. wir wissen freilich von den satyrn äAufserst wenig, aber das einzige alte zeugnis, verse eines der hesiodeischen gedichte, rechnet sie mit den bergnymphen und Kureten zu der descendenz einer Phoroneustochter®): sie sind also jünger als der anfang des menschen- geschlechtes und haben mit Dionysos von haus aus nichts zu tun. äufserst belehrend ist ihre zusammenstellung mit den Kureten, welche zwar in der folge zu einem ihiasos des Zeuskindes und seiner mutter geworden sind, durch Rhea auch in bezug zu Dionysos treten, aber einen ganz anderen ursprung haben. die “geschorenen’ (xoveng ὡς γυμνής) sind ein priestercollegium in Ephesos geblieben bis in späte zeit), etwa wie die ἐμρεγοὶ und salii in Rom. es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, dafs dies das ursprüngliche ist, und mit dem stanıme, welchen das Meleager- gedicht der Ilias neben den Aetolern nennt, entweder nur namensgleich- heit obwaltet, oder ein verhältnis wie zwischen ἱμρεγοὶ Fabiani und der gens Fabia. der mythische thiasos aber ist ein abbild des im festen cultus gegebenen, wie ja auch die Korybantentänze nicht die pyrrhiche her- vorrufen, sondern mythische pyrrhichisten sind.) es geht nicht an über die satyrn etwas bestimmtes zu vermuten: aber die möglichkeiten muls man eröffnen, damit man aufhöre die erst auf grund der über- tragung der bockstänze nach Athen eingetretene dionysische natur als voraussetzung zu behandeln. vor allem aber lehren die Kureten am besten, wie man aus solchen böcken einen chor bilden konnte, und dafs es ver- wegen wäre, darin bereits ein dramatisches spiel zu sehen, wenn einmal statt des gewöhnlichen menschenchores satyrn auftreten. daraus war wol das drama leicht zu schaffen: aber zu schaffen war es immer noch, und es war mehr als ein schritt nötig.

48) Strab. X 471 Ἡσίοδος μὲν γὰρ Ἑἕκατέρῳ καὶ τῇ Φορωνέως ϑυγατρὶ πέντε γενέσϑαι ϑυγατέρας φησὶν ἐξ ὧν ὄρειαε νύμφαι ϑεαὶ ἐγένοντο καὶ γένος οὐτι- δανῶν Σατύρων καὶ ἀμηχανοεργῶν Κουρῆτές τε ϑεοὶ φιλοπαίγμονες ὀρχηστῆρες. so überliefert (über 3 vgl. Roellig de codd. Strab. Halle 1886 p. 333). nur ist bei dem trostlosen zustande dieser Strabonbücher weder der name des vaters noch die namenlosigkeit der mutter zu glauben oder zu beseitigen. die stelle der verse in Hesiods werken ist ganz unsicher, auch der erste vers nicht ohne weiteres als (ἐξ ὧν) οὕρεεαε ν. ϑ. ἐξεγ. zu accepliren. leider führt Strabon danach nur für die Kureten das zeugnis der Phoronis an. die hesiodeische tradition steht ganz vereinzelt, gehört aber in die sehr wichtige, leider sehr früh verblafste argolische theo- und an- thropogonie, die mit Phoroneus und Zeus-Niobe aufängt. sie ist mit Deukalion Hellen (also den Katalogen) kaum vereinbar. jene ist asiatischer herkuuft, diese echt peloponnesisch.

49) Z. b. auf dem steine Dittenberger syll. 134 und auf anderen.

50) In Erythrai gab es mehrere collegien von Korybantiasten, Dittenberger syli. 120.

Arion. Satyrspiel und tragödie. 85

In Korinth hat Arion den ersten ditbyrambischen chor eingeübt. diese tatsache wird jetzt in ihrer bedeutung verständlich. Arion wählte sich statt der gewöhnlichen choreuten die peloponnesischen böcke und liefs sie das besonders orgiastische dionysische festlied singen. eine späte notiz, die wir nun wol einreihen dürfen, drückt das ganz scharf so aus, dafs er die dithyramben im τρόπος τραγικὸς verfalst hätte"), nur mufe man dabei nicht an etwas tragisches denken.’”) damit haben wir wirklich das grundelement, aus welchem der pindarische und in seinem gefolge der spätere attische dithyrambos stammen: Pindaros liefs die böcke fort zu gunsten der herkömmlichen choreuten, behielt aber die metrische freiheit bei. andererseits ist aus dem bockschore die τραγῳδέα geworden, die zuerst satyrspiel war. sie ward in Athen dramatisch, und das empfand man so sehr als das charakteristische, dafs der name blieb, als die böcke auch hier weichen mufsten. wie lange sich in seiner heimat der dithy- rambos des Arion gehalten hat, ist uns leider ganz unbekannt; kennt- lichen einflufs hat er nicht weiter geübt.

Schon dem Aristoteles war offenbar durch litterarische behandlung bekannt, dafs die Peloponnesier auf die erfindung der tragödie anspruch machten. das tritt auch später noch oft auf; speciell Phleius, die dio- nysische stadt, und Sikyon, wo wir die ältesten τραγεκοὶ χοροί kennen, werden genannt. es ist das in übler weise durch erfindungen und über- treibungen entstellt worden. es ist eine lächerlichkeit, ebenso wie bei der komödie, wenn es sich um das wesentliche, die welt beherrschende

Arlon.

handelt: aber wir erkennen nunmehr, dafs es doch in gewissem sinne |

wahr ist. allerdings, der bocksgesang ist peloponnesische erfindung: aber die tragödie gehört Athen.

Nach Athen kamen die bockstänze wie die übrigen kunstmäfsigen reigen und so viele erzeugnisse der korinthischen cultur, als Peisi- stratos seine herrschaft befestigt hatte und dank der solonischen ver- fassung und der tüchtigkeit des fürsten Athen aufblühte, während rings

51) Suid. 8. v. Seiov. was die modernen von tragischen dithyramben, Iyri- scher tragödie und komödie zusammengefabelt haben, die späten grammatiker von tragödien Pindars und anderer Iyriker erzählen, ist ein gebräu von unkritik und con- fusion. die sache ist längst abgetan und jedes wort darum verloren. wer so etwas glaubt, den soll man nicht stören.

52) Hephaestion citirt 22 einen hexameter aus einem dithyrambos “4x«Alsus von der Sikyonierin Praxilla. und die dortigen τραγεκοὶ χοροί galten dem Adrastos. leider bleibt das ganz unklar, zumal der älteste attische dithyrambos auch unkennt- lich ist. aber hier ist das mittelglied zwischen dem pindarischen und philoxenischen dithyrambos verborgen,

Satyrapiel un tragödie.

86 Was ist eine attische tragödie?

die adelsstaaten und demokratieen herunterkamen. durch die aufnahme in die gewerbsmäfsige tanzlyrik hatte Arion den bockstanz den kreisen des volkes entrückt; für Athen war das ganze fremd, denn die böcke kannte man nicht, und die form des dorischen liedes war sprachlich und metrisch dem ionischen überhaupt entfremdet. aber hier ward das spiel volkstümlich, indem die peloponnesischen satyrn den attischen silenen ihren namen gaben, aber ihr wesen an sie verloren. der wandel vollzog sich leicht: lustig und unanständig waren sie beide, springen mag das füllen wie der bock. und hier ward, wenn es nicht schon in Sikyon und Phleius erreicht war, das satyrspiel fest an den dionysischen cult geknüpft und erhielt so eine gesteigerte weihe. der Dionysosdienst war bei den loniern seit alter zeit als ein ganz besonders heiliger empfunden. er ward in feierlichen formen von der königin und ihrer adlichen um- gebung begangen. er hatte mit seiner ekstase die ganze masse des weib- lichen geschlechtes ergriffen. die zeit war jetzt einer neuen religiösen stimmung hingegeben, welche vom himmel neue wunder, vom sterb- lichen individuelle seelische regungen und stimmungen verlangte. und ganz äufserlich verlangte man neue prächtige feste. Peisistratos wulste seiner zeit genug zu tun und stiftete ein neues fest mitten im vollsten frühling, um den vollmond des Elaphebolion, die grofsen Dionysien: für sie wurden auch die satyrtänze eingeführt. wie sie sich auch entwickelt baben, den charakter des dionysischen frühlingsspieles haben sie nimmer eingebüfst; auch damit hat trotz allen aesthetischen theorien die erklärung immer zu rechnen.

Und nun tat Thespis im jahre 534 den nächsten schritt: denn name und jahr darf geglaubt werden. er fügte den ersten schauspieler hinzu, oder richtiger, er trat als sprecher zu seinem chore. dieser schritt konnte nur in einer ionischen stadt geschehen, da aber lag es nahe genug, denn der sprecher war als solcher vorhanden: der recitator des ionischen iambos. man darf auch hier in dem schritte auf das mimische zu nicht zu grofses sehen. denn wenn ein rhapsode eine archilochische fabel wie ἐρέω zıy’ ὑμὶν αἶνον, Κηρυκίδη, ἀχνυμένη σκυτάλη, Tecilirte, so mochte er allenfalls noch ziemlich so hinter seinem stoffe verschwinden, wie wenn er ein homerisches gedicht vortrug. aber wenn er πάτερ Auxduße ποῖον Epeaow τόδε vortrug, so sprach er als Archilochos, und vollends ob μοι τὰ Γύγεω τοῦ πολυχρύσου μέλει waren worte des zimmer- manns Charon, die eine vollkommene ethopoeie forderten: der schlufs mulste ebenso drastisch wie in der horazischen nachbildung wirken, oder vielmehr um so viel drastischer, als Archilochos an frischer keckheit

Satyrspiel und tragödie. 87

den Horaz übertrifft. es war also zunächst vielleicht ein ganz leichter übergang, dafs der sprecher das bockskleid nahm; jedenfalls verhielt er sich zu dem rhapsoden der iamben genau wie der bockschor zum ge- wöhnlichen dithyrambischen chore. dafs der sprecher auch bock war, folgt aus der tatsache, dafs das satyrspiel noch bei Euripides einen salyr neben dem chore als schauspieler hat, und dieser vater der satyrn über- haupt eine ebenso feste person desselben blieb wie der satyrchor.

So hatte sich die vereinigung der ionischen und dorischen poesie vollzogen, vollzogen an einem dritten orte, wo für beides empfänglichkeit vorhanden war, wo aber beides sicht zu hause war. und beides trat als

etwas fertiges neben einander; ganz verschmolzen hat es sich nie. so '

lange es eine tragödie gegeben hat, hat der dichter für die gesprochenen verse in der einen, für die gesungenen in der andern mundart dichten müssen; und beide waren nicht die seiner heimat noch seiner sänger noch seiner hörer. das ihnen allen gemeinsame attisch hat wol allmählich immer slärkeren einflufs auf alle teile der tragödie gewonnen, hat also den gegensatz verringert ; wie denn die von den Athenern übernommenen mund- arten selbst schon nicht mehr rein waren; aber ganz verschwunden sind die unterschiede nie, oder vielmehr erst in der neuen komödie, welche dafür auch den chor und damit den religiös festlichen charakter eingebülst hat.

Erst in der neuen komödie hat auch das dramatische gesiegt. im sechsten jahrhundert wird davon kaum eine spur gewesen sein, und Thespis hat sich von der tragweite seiner erfindung nichts träumen lassen. aber der stein war im rollen; schrittweise gieng es vorwärts, bald sprung- weise; vierzig jahre etwa hat es gedauert, für das was zu leisten war, eine kurze frist. man hatte also den satyrchor, und “wenn noch einer dazu kam’, so hatte man ein ἐπεισόδιον. dals dem chore eine “vor- rede’, σπερόλογος, in iamben vorhergieng, ist erst etwas späteres; in den siebziger jahren des 5. jahrhunderts kommt es neben der andern weise vor, aber es stand vollkommen fest, als die komödie ihre formen bildete. der sprecher brachte zunächst nichts dramatisches mit; er brauchte ja nur zu erzählen oder an den chor eine rede zu richten, die diesem zu neuen tänzen und gesängen anlals gab. aber es fand sich bald die nötigung, den chor auch in gesprochener rede erwidern zu lassen, und da er das in voller menge nicht konnte, so sonderte sich von ihm der chorführer ab. nun sprach einer für alle; zu einer persönlichkeit unter- schieden vom chor hat es dieser sprecher aber nie gebracht. seine stellung hat nie gewechselt, besteht aber überall, so weit wir denkmäler haben. nun war es wahrlich keine sehr kübne tat, entweder den sprecher einmal

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88 Was ist eine atlische tragödie?

auch als etwas anderes kommen zu lassen denn als satyr, oder auch den chor in ein anderes kleid zu stecken. es ist nicht zu entscheiden, welchen schritt man zuerst tat, ja man mag vermuten, dafs noch ein zwischen- stadium eintrat, in welchem die herkömmlichen figuren nur der abwech- selung halber in einer ihrem eigentlichen wesen widerstrebenden oder doch fremden beschäftigung auftraten, etwa wie in der Atellane Maccus als kneipwirt, jungfrau, soldat. darauf deuten titel wie xnguxsg, ἰχνευ- ταί, παλαισταέ σάτυροι, wol auch ϑεωροέ und manches andere. aber wenn wir uns an die peloponnesischen verhältnisse erinnern, so mülsten z. b. Kureten sich von selbst als ersatz für ihre brüder dargeboten haben, und wenn der Phleiasier Pratinas dymanische tänzerinnen am feste der Artemis in Karyai eingeführt hat, so braucht man nur dessen eingedenk zu sein, dafs die bukolische poesie, die eigentlich mehr eine aipolische ist, an die Karyatiden angeknüpft wird, um der leichtigkeit eines solchen tausches inne zu werden. und auch in späterer zeit ist es eben kein grofser abstand von der ältesten weise, wenn die geschichte vom Thraker Lykurgos so von Aischylos zur darstellung gebracht wird, dafs der chor erst als Edonen, dann als thrakische maenaden, dann blofs als jünglinge und endlich als satyrn auftritt. daran hat man freilich noch lange und im princip immer festgehalten, dafs die satyrn als solche auch erscheinen müfsten, wol minder weil das dionysische fest die diener des gottes er- heischte, als weil das volk seinen spafs haben wollte; wenigstens ward der lustige charakter des schlufsstückes nicht zugleich mit dem satyrchor aufgegeben ; dafür ist Euripides Alkestis (438) der älteste, aber nicht der einzige beleg“). noch viel näher als für den satyrchor lag es, für den

53) Von Euripides ist keine andere tragödie erweislich an stelle des satyrspiels gegeben; wahrscheinlich ist es von der Auge. aber von Sophokles ist ein beispiel ganz sicher, der Inachos, wol aus dem ende des archidamischen krieges, denn seitdem ist es eines seiner populärsten stücke. es gilt für ein satyrdrama, aber es ist un- erlaubt, in fast 30 anführungen, wo diese bezeichnung fehlt, zufall anzunehmen. und es ist arg, die anapäste 249. 50 einem satyrchor zu geben. andererseits ist die anmutige fabel wahrlich keine tragödie. die hypothesis war folgende. in Argos herrschte könig Inachos, der gott des fiusses, dessen gewässer vom fernen Pindos stammen, und so weit reichte denn auch des königs herrschaft (auch die des Pelasgos in den Hiketiden). er hatte eine schöne tochter lo, in die sich Zeus verliebte. sein diener Hermes erschien in Argos, und unterhielt könig und volk, während der herr mit lo koste; Plutos selbst sollte eingezogen sein. das wasser des Inachos schwoll, befruchtete die ebene, sie trug hundertfältige frucht, alle scheuern füllten sich, jedes haus bot jedem gedeckten tisch. es war eitel herrlichkeit wie im schlaraffenland. aber die eigentliche landesherrin Hera ward mit zorn der bösen dinge inue, die ihr gatte trieb; sie sandte ihre dienerin Iris, die die eindringlinge vertrieb, und es kam

Satyrspiel und tragödie. 89

sprecher eine andere person zu wählen, da er ja seiner herkunft nach indifferent war, und so gut wie eins konnte man mehrere epeisodia zu- lassen; den sprecher hinausgehen und sich umkleiden zu lassen war ja ungleich leichter. die aischyleische poesie hält in älterer zeit noch völlig daran fest, dafs sich das einzelne stück durch die einführung einer neuen person in ἐπεισόδια gliedert, wie dieser name fordert; die zahl ist nicht festgestellt. dagegen muls sich schon früh die vierzahl für den costum- wechsel des chores festgesetzt haben, eine weit wichtigere aber quali- tativ ganz analoge erscheinung. dadurch gliederte sich also die aufführung in vier stücke. ob diese für sich ein jedes oder alle zusammen erst eine einheit im dichterischen sinne bilden, hängt lediglich von dem können und wollen des dichters ab. nachweislich ist von Aischylos beides neben einander geübt worden, doch so, dafs schon bei ihm die tendenz mächtig war, die einzelnen chöre oder “stücke’ immer selbständiger zu gestalten, was später feststehende regel ist, auch wenn zwischen ihnen ein bezug waltet. aufserdem gilt es bereits, dafs der satyrchor an letzter stelle stehen mufs, und seine verbindung mit den andern dramen ist eine losere, auch wenn sie inhaltlich vorhanden ist’). wie es zu diesen regeln gekommen ist und durch wen, ist gar nicht möglich zu vermuten. die jüngeren dichter überkommen die institution als eine durchaus feste,

eine schlimme zeit. die belebenden gewässer blieben aus; die felder verdorrten, Inachos selbst ward fast zu einer trocknen mumie, spinneweben füllten die leeren scheuern. Io ward zur kuh und ein schauerlicher wächter safs neben ihr und blies die schalmei, während die menschen mit wehmütligen gesängen die gute alte zeit feierten. 80 weit die reste, die man nachlese. dafs ein glückliches ende kam, indem Argos durch Hermes erschlagen ward und Hera sich versöhnte, ist selbstverständlich. ra τοῦ δρά- ματος πρόσωπα: χορὸς ᾿Αργείων, Ἴναχος ᾿Ιώ “Apyos Ἑρμῆς Ἶριο. die beiden himm- lischen diener ersetzen die herren, die zu vornehm für solch ein spiel sind. die diener waren beide auf der bühne, schol. Ar. Vög. 1203 == fgm. 251 Eouns ἄγγελος ὧν (d.h. τῆς Διὸς ὡς Πλούτου ἐπεισόδου) παρὰ 2. ἐν ’I. ἐπὶ τῆς Ἴριδος (so Rav. nach Martin) “γυνὴ τίς ἤδε᾽ κυκλὰς ᾿Αρκάδος κυνῆς;". denn so hat Toup richtig verbessert 7 da συληνᾶς A. κυνῆ R. V.), wie für κυνῆς andere cilate, für den sinn die aristophanische copie zeigt. merkwürdig ist, wie unter den liebenswärdigen scherzen sich die symbolik der das δέψιον “4ργος angehenden fabel nicht verloren hat.

54) Die Amymone der Danais und der Lykurgos der Lykurgie mögen die ge- schichte fortgeführt haben. die Sphinx der Thebais aber hätte zeitlich zwischen Lsios und Oidipus gehört, der Proteus der Orestie zwischen Choephoren und Eume- niden. auf ihn deutet im eingsngsstück nicht blofs die lediglich dadurch motivirte frage nach Menelaos (Ag. 617), sondern auch die erwähnung des Odysseus (841): denn der inhalt des Proteus war ja dem d entnommen. die verbindung mit der Orestie ist also eine äufserliche. in der Persertetralogie steht Prometheus so selb- ständig wie die drei tragödien.

90 Was ist eine atlische tragödie?

aber auch als eine jeder inneren berechtigung entbehrende. wir vermögen die versuche, diese fessel zu brechen) oder zu lockern eben so wenig zu verfolgen, wie wir das einzelne über die art kennen, wie sie sich ge- knüpft hat. ganz im allgemeinen aber ist ihre entstehung durchaus nicht befremdend, und was im γόμος Ζιονυσιακός stand war gesetz und her- kommen zugleich, hielt also fest und war nicht durch individuelle willkür oder bessere einsicht zu beseitigen.

Die vorführung des chores ward durch die einführung des sprechers nicht geändert. auch jetzt noch konnten diese tänze so gut wie alle übrigen auf der runden orchestra vor sich gehen, die das volk im kreise umstand. auch die zahl der tänzer wird einfach dieselbe gewesen sein, mochten sie als satyrn oder ohne verkleidung auftreten. dafs freilich zur zeit der sängergilden dafür eine feste norm bestanden hätte, kann man nicht behaupten. notwendig aber trat dieses ein, als die bürgerschaft die chöre stellte, und es ist einleuchtend, dafs damals wirklich für tragödie und dithyrambos dieselbe zahl, 50, bewilligt ward”). diese konnte der dichter verwenden wie er mochte. als sehr bald die verteilung in vier chöre eintrat, ergaben sich 12 für jeden, wobei dann die beiden über- schüssigen untergebracht sein werden, wie es eben gieng. eine erhöhung auf 60, also 4>< 15, ist bei der definitiven ordnung des dionysischen ge- setzes um 465 eingetreten. es ist übrigens durchaus nicht ohne weiteres anzunehmen, dafs die sänger nur in einem der chöre auftraten. in den Hiketiden des Aischylos besteht der chor aus den Danaostöchtern und ihrem gefolge, also, wie wir zu rechnen durch das stück selbst veranlafst werden, aus 50 --x. es ist eine zu starke zumutung sich diese zahl durch 12 tänzer vorstellen zu lassen, zumal es ja in des dichters freiheit lag, die dienerinnen wenigstens fort zu lassen. nichts hindert uns, den dichter verständig verfahrend zu denken, und also einen weit zahlreicheren chor anzunehmen.

55) Dahin gehört die notiz bei Suidas s. v. Σοφοκλῆς, καὶ αὐτὸς ἥρξε τοῦ δρᾶμα πρὸς δρᾶμα ἀγωνίζεσϑαι alla μὴ τετραλογίαν. ob es richtig ist, dafs Sophokles so die sitte des vierten jahrhunderts (fär die παλαεὰ τραγῳδία) anticipirt hat, können wir nicht wissen. was die notiz will ist klar, so oft sie auch misdeutet ist. der jüngste versuch (Comment. Ribb. 205) würde unterblieben sein, wenn bedacht wäre, dafs Euripides, Philokles, Meletos inhaltlich zusammenhängende tetralogieen gedichtet haben. es hat viel geschadet, dafs man eine solche vereinzelte angabe und die der dichterwillkür nicht dem gesetze angehörige tetralogische einheit als grundsteine für die geschichte der ältesten tragödie benutzt hat.

56) Man wird das auch im altertum gewufst haben; es ist aber nur eine ganz verwirrte reminiscenz davon bei Pollux IV 110 geblieben.

Phrynichos. 91

Es war freilich ein weiter weg der entwickelung gewesen, von denPhryaichos. ersten satyrlänzen bis zu diesem stücke zu gelangen, ein weiterer als der zwischen diesem für uns ältesten denkmale der attischen tragödie bis zu ihrer überreifen letzten gestalt, etwa der aulischen Iphigenie, liegt. und es ist nicht möglich mehr als einen oder den andern schatten von den ältesten erzeugnissen zu haschen, die sich auf die nachwelt erhalten hatten. erst von dem älteren zeitgenossen des Aischylos, dem Athener Phrynichos gelingt das; vermutlich weil er länger der alten weise treu blieb. wenn er noch 476 die Phoenissen so anlegen konnte, dafs der Ζ prolog, eine neuerung, die er also mitmachte, schon die niederlage von Salamis in Susa verkündete, wenn dann der chor, Phoenikerinnen, also wittwen der bei Salamis gefallenen schiffstruppen, in Susa auftrat, so ist ersichtlich, dafs zwar für erzählung und für den reflex derselben, klage- lieder und tänze, der breiteste raum da war, jedoch gar keiner für irgend welche handlung. über zwanzig jahre früher, noch zur zeit des einen schauspielers, hatte Phrynichos den fall Milets aufgeführt. das stück war von dem volke durch besonderen beschlufs geächtet worden, also können nicht nur wir, sondern konnte schon Herodotos, der diese tat- sache erzählt, nichts genaueres davon wissen”). aber das ist unzweifel-

57) Der bericht des Herodot (VI 21) erhält erst sinn, wenn man dessen psy- chologische motivirung der strafe ἀναμνήσας oinza κακά fallen läfst und die sache rechtlich fafst. nach dem feste, am 21. elaphebolion (wenigstens später ist der tag fest), wird in dem heiligen bezirk sitzung des volkes gehalten, zunächst über die sachen des gottes, dann über die laufenden geschäfte. die verstöfßse gegen die fest- ordnung kann das volk an den rat zur aburteilung weiter geben, wie es mit Aristo- phanes wegen der Babylonier geschah, es kann aber selbst darüber erkennen, ob ein verstofs vorliegt, worauf die im gesetze vorgesehene δὔϑννα fällig wird. so war es hier; die 1000 dr. die Phrynichos bezahlte, waren in einem paragraphen des νόμος vorgesehen, δὲ δ᾽ av δοκῇ ἀδικῆσαι τὸν ϑεόν oder auch τὸν δῇμον, εὐϑυ- νόσϑω χιλίασι δραχμῆσι. es ist kein richterlicher act, wie denn der beschlufs μηδένα χρῆσϑαι τῷ δράματι eine verwaltungsbestimmung ist, es ist eine art ἐπιβολή, welche nur so hoch sein kann, weil sie der souverän selbst auferlegt. es ist auch kein be- schlufs, denn es ist kein probuleuma da. es ist ein act des souveränen willens, der aber dem volke durch specialgesetz für diesen fall zugesichert und umgrenzt ist. dafs man in späterer zeit die sache an den rat überwies, ist begreiflich, da die formen dann die gewöhnlichen waren. aber formell ist an dem ältesten todes- urteil über ein litterarisches werk nichts ausznsetzen, und der fall hat seine hohe staatsrechtliche bedeutung. das praecedens war schlimm; aber im grunde haben die überzeugungsstarken demokraten recht getan: die sentimentale beeinflussung der volksstimmung durch die selbstgesetzten vorsprecher der öffentlichen meinung war wirklich eine gefahr. nur läfst sie sich mit der censur nicht beschwören, wie Athen bald zu lernen gelegenheit gehabt hat.

92 Was ist eine attische tragödie?

haft, dafs wieder nur erzählung und gesänge, durchaus keine handlung darin sein konnte. das waren also zwar tragödien, denn der chor, seiner art nach von dem dithyrambischen kaum verschieden, und der sprecher der iamben waren vorhanden, beide neben einander, durch das costum verbunden: aber ein drama würden wir unmöglich ein solches gedicht nennen, es würde höchstens ein oratorium sein, mit 50 stimmen und tanz, aber ohne soli. an dem Falle Milets ist die von dem satyrspiel grell abstechende stimmung uns auffällig, doch ist zu beherzigen, dafs die Athener an dem in unserem sinne tragischen selbst anstofs genommen

. haben. und Phrynichos selbst gibt auch für die satyrhafte behandlung

eines an sich ernsten stofles einen beleg. von dem inhalt seiner Alkestis wissen wir nämlich dreierlei, erstens dafs Apollon bei der hochzeit seines

: schützlings Admetos, dem er zur frau verholfen hatte, die Moiren betrunken

Alschylos.

machte, damit sie ihm das leben des Admetos gegen ein anderes schenkten. zweitens kam der Tod vor, der tölpelhafte bediente des Hades, den die märchen aufgebracht hatten, und schnitt der Alkestis eine locke ab, sie dem tode zu weihen*). drittens erschien der frefsgierige Dorerheld Herakles, rang mit dem Tode und jagte ihm die Alkestis ab. wie stark die burlesken züge waren, ist jetzt nur aus der verfeinernden und mil- dernden euripideischen nachbildung zu entnehmen, aber für ein aufmerk- sames auge sehr deutlich. es ist gar nichts dagegen zu sagen, wenn man die satyrn selber noch als chor zulassen will. handlung ist genug, und recht lebhafte, allein sie liegt in der geschichte, die der dichter schwerlich selbst gestaltet hat, und ob der zuschauer handelnde personen sah, ist fraglich, da sich ziemlich alles gut erzählen liefs; von der schilderung des ring- kampfes ist ein bruchstück erhalten.

Es war also nun so ziemlich alles zusammen, was zu einem attischen drama gehört; und doch könnte jemand vom modernen standpunkte sagen, dals noch das specifisch dramatische fehle. es gab längst die τραγῳδία: und doch mufs man sagen, dafs noch das specifisch tragische fehle. und in der kunst, in welcher nur das vollendete wirklich lebensfähig ist, gilt es c’est le dernier pas qui coüte. bislang konnten wir auch noch jeden schritt als etwas nahe liegendes ansehen, das man sich allenfalls selbst zutrauen mag: hier war ein genius von nöten, der zwar nicht nach verstandesmäflsiger überlegung eines tages beschliefst "nun wollen wir das drama schaffen’, aber über den der göttliche geist kommt, der ihn schaffen

58) Schol. Verg. Aen. VI 694. offenbar stammi das citat des verschollenen dichters aus der hypothesis der euripideischen Alkestis; jetzt steht zu v. 1 nur noch die δημώδης ἱστορία, d.h, die hesiodische.

Aischylos. 93

heifst, was er mufs, und sich dann selbst über die schönheit des geschaf- fenen verwundern. Aischylos des Euphorion sohn von Eleusis führte den ' dialog ein: damit war das dramatische gefunden. und er gab dem bocks- gesang die heldensage zum inhalt: damit war das tragische gefunden. Auch das ist nicht mit einem kühnen streiche gelungen ; das schöne ist schwer. Aischylos hatte schon mehr als ein jahrzehnt chöre erhalten, ehe er einen sieg errang, vier jahre vor der schlacht bei Salamis. erst seitdem kann man glauben, dafs er die volksstimmung hinter sich hatte. aber noch nicht 20 jahre später ward die tragüödie in den festen formen constituirt, die wir kennen. der dichter selbst hatte unablässig an sich und seinem werke gearbeitet: seine letzte schöpfung ist nicht nur die voll- kommenste seiner, sondern überhaupt der attischen tragödie, mit seinen eignen anfängen kaum zu vergleichen. es ist ein abstand wie zwischen dem Athen, das bei Marathon schlug und dem, welches am Eurymedon sein Reich vollendete. der aber dieses im reiche der dichtung vollbrachte, war kein geringerer organisator als Themistokles und Aristeides. als er sich zuerst einmal entschlofs, statt nur allein als sprecher neben dem chore aufzutreten, noch einen gefährten mitzubringen, mochte das ein geringes scheinen: er hat es noch erreicht, nicht nur das echt attische worigefecht, schlag auf schlag, einzuführen, sondern selbst drei redner neben einander zu verwenden. er hat nicht nur den chor von der stelle des protagonisten zurückgeschoben, sondern auch den sprecher zum sänger gemacht, so dafs das aeolische lied neben die ionische recitation und den dorischen chorgesang trat; die benutzung volkstümlicher weisen durch Aischylos ist ausdrücklich überliefert und auch unschwer zu beweisen. die vierzahl der chöre, die absonderung des satyrspiels, ein gewisses her- kommen für den umfang der einzelnen stücke und ihre gliederung hat sich festgestellt. eine hinterwand ist an den rihden tanzplatz heran- getreten, und so hat sich erst das gebildet, was wir bühne nennen. eine feste sprache, ein tragischer stil ist geschaffen, unendlich reich an mitteln des ausdrucks, ermöglicht nur durch das zusammenarbeiten der mannig- fachsten zum teil widerstrebenden elemente, unter denen die noch völlig unausgebildete heimische sprache das sprödeste war. ganz wie den grün- dern des Reiches hat auch dem fürsten der attischen dichtung der dank seiner nachfolger gefehlt. Euripides setzt sich selbst herab durch die armselige sophistik, mit der er ihn schulmeistert, und Sophokles hat das häfsliche wort gesprochen, dafs Aischylos höchstens unbewulst das rechte tue. für den schöpfer waren die regeln, welche die späteren erfindsam genug waren, mit leichtigkeit zu erfüllen, freilich minder verbindlich,

94 Was ist eine attische tragödie?

und er fand sie erst im suchen allmählich. wem so vorgearbeitet war, der mochte leicht wenigstens im dialog die einheitlichkeit der diction und des stiles erreichen, die dem gründer allerdings fehlt. aber in der fertig- keit der formen liegt nicht blofs ein vorzug; die manier stellt sich nur zu leicht ein, und hat es auch bei Sophokles und Euripides schon getan. und in dem was das wesentliche war und ist, durch Aischylos zum wesent- lichen in der tragödie geworden ist, konnten sie ihn nicht übertreffen, und haben sie auch nicht bewulster das rechte getan , vielleicht das unrechte.

Was ist das wesentliche? das liegt in dem stoffe, den Aischylos der tragödie gab, und in dem sinne, in welchem er seinen beruf falste. es geht nicht sowol den tragiker als den dichter überhaupt an. Aischylos ward der erbe Homers. er selbst oder doch jemand, der ihn völlig ver- stand, hat das ausgesprochen. seine dramen sind stücke von dem grolsen male Homers, d. h. Homer hat dem volke ein gewaltiges mal zubereitet, und Aischylos setzt ihm davon einzelne gänge vor‘). die heldensage wird der inhalt der poesie und der dichter führt ihre einzelnen stücke seinem volke in demselben sinne vor, in dem es Homer getan hatte, zur erbauung und erhebung. diese erkenntnis, ohne welche man dem attischen drama nimmer gerecht werden kann, hat Platon völlig gehabt, nicht blofs, weil er Homer den ἄχρος τραγῳδίας nennt (Theaet. 152°), sondern weil deshalb seine polemik im Staate ganz unterschiedslos Homer und Aischylos trifft. ja auch Isokrates (2, 48) behandelt die epiker, welche die sagen von den kämpfen der helden erzählt haben, und die tragiker, welche diese sagen den zuschauern vor augen geführt haben, als leute gleichen schlages. Aristoteles hat hier nicht mehr attisch empfunden;

59) Athen. VIII 347°. das apophthegma ist von Athenaeus in seine proso- popoeie eingeflickt; diese ist albern, entscheidet aber gar nichts. die herkunft und darum auch die echtheit ist nicht zu bestimmen: nur dafs es gut ist, kann man sagen. dafs die Perser oder die Alıwas kein τέμαχος vom homerischen male sind, ist so trivial, dafs man sich scheut zu erinnerp, dafs die ausnahme eine regel nicht entkräftet, es soll doch der versuch nicht mislungen sein, die tragödien nach dem epischen cyclus zu ordnen, eben weil die überwiegende mehrzahl aus ihm stammt. wenn jemand aber einwendet, dafs dann ja jeder tragiker wol oder übel ans Homer schöpfen mufste, so ist das verzweifelt naiv: darin liegt ja gerade das charakte- ristische, dafs durch Aischylos die tragödie homerischen inhalt empfängt. und die- selben leute erklären dann selbst, dafs Aischylos nur aussage, seine wie jede andere poesie wäre eigentlich nur ein teil der bewirtung, deren ‘urheber’ Homer ist, d. ἢ. der verfasser von llias und Odyssee, weil ohne diesen die griechische poesie nicht entstanden wäre. “urheber einer bewirtung’, was ist das? Homer hat gekocht, was Aischylog vorsetzt: wenn das nicht auf das stoffliche geht, d.h. auf das was wirklich Homer und Aischylos gemein haben, worauf denn?

Aischylos. die heldensage; ihr wesen. 95

Agathon und Theodektes waren ja auch keine solchen tragiker mehr. für die stellung des dichters zu seinem volke zeugt am besten der ernst- hafte spötter Aristophanes. belehren und bessern soll der dichter: tut er das nicht, so ist er des todes schuldig (Frö. 1012), und selbst das entschuldigt ihn nicht, wenn er für eine verderbliche geschichte sich auf die sage beruft (Frö. 1052). das ist derselbe malsstab, den Platon an- legt, und so zur ausschliefsung Homers und der tragödie kommt. ob wir die aufgabe der dichtkunst ebenso fassen mögen, stehe dahin. die Athener haben sie so gefafst, und Dante ist eines solchen berufes sich bewulst gewesen, und Goethe hat zeitlebens mit leidenschaft dagegen protestirt: wir wissen aber, dafs er selbst diese erhabenste aufgabe so vollkommen erfüllt hat wie Aischylos, Platon, Dante, und dafs er noch für jahrhunderte der lehrer und erzieher nicht nur seines eignen volkes sein wird. Weil wir selbst noch unter dem banne solcher allmächtigen dichter die heiden- stehen, ist uns die ungeheure macht des attischen dramas noch ver- Ihr wesen. ständlich, und die tatsache liegt ja auch vor augen, dafs es für die er- ziebung und erbauung des volkes ein complement des epos wird, während die Iyrik dazu nur geringes, die elegie nur hübsche aber triviale sprüche beigesteuert hat. Homer und die tragiker sind Moses und die propheten für Hellas. aber das wird schwerer begriffen, dafs der grund dieser er- habenen stellung darin zu finden ist, dafs Aischylos die sage zum inhalte seiner dichtungen macht, und dadurch für immer der iragödie ihren stoff zuweist. ist es uns, die wir so sehr geneigt sind die persönlichkeit zu überschätzen, schon befremdlich, dafs gerade die dichtung so mächtig wird, in welcher der dichter hinter seinem werke verschwindet, ganz wie im epos (doch da haben wir ja Shakespeare, der dasselbe lehren kann), so sträubt sich vollends der moderne gegen eine macht, die freilich einem papiernen saeculo ganz fremdartig ist, die macht der sage. der ratio- nalismus kann sich’s nun mal nicht anders vorstellen, als dafs alles, was doch gar nicht passirt ist und gar nicht passirt sein kann, sich einer blofs mal so ausgedacht haben mufs, und dann kann doch nur auf diese person etwas ankommen und nicht auf ihre hirngespinnste. zum mindesten erscheint ihm als eine des verständigen mannes unwürdige schwachheit, wie der teufel sagt, abzuhängen von creaturen die wir machten. die romantik aber, die freilich die tiefe empfindung von dem besitzt, was der rationalismus am liebsten negirt und immer zerstört, bleibt in der trauer und der sehnsucht befangen, dafs das paradies, dessen schönheit sie fühlt, ein verlornes, und nur im traum noch für uns zu betretendes sei. das ist nicht der rechte weg. die poesie und die

96 Was ist eine attische tragödie?

sage, die mutter der poesie, lebt ja: und statt im traume hinüberzu- schweben, haut sich die phantasie mit dem guten schwerte der geschicht- lichen erkenntnis durch die dornenhecke zu dem schlummernden Dorn- röschen durch. der weg ist frei: Welcker hat ihn gewiesen. so gewils die poesie die muttersprache des menschengeschlechtes ist”), und deshalb für jeden von natur verständlich, so gewifs ist die sage die naturform für des menschengeschlechtes ἱστορέη und φελοσοφία, verständlich dem kinde, wie wir noch täglich sehen, und für jeden, der noch nicht zu vornehm für den spruch ist, werdet wie die kinder.

Die sage ich rede allgemein, aber ich denke natürlich an die griechische, von der ich allein etwas verstehe umfalst vor allem die summe der lebendigen geschichtlichen erinnerung des volkes. das was der einzelne selbst erlebt hat, was also unmittelbar im gedächtnis lebt, wird sich stets von ihr absondern, aber diese scheidelinie ist keine feste und sie verschiebt sich für das volk im ganzen von stunde zu stunde. nur das lebt wirklich fort, was noch als für die gegenwart bedeutsam empfunden wird. deshalb erhält sich wol an einzelne ungeheure taten oder verbrechen, an katastrophen von völkern stämmen staaten eine erinnerung, aber wenn sie nicht eine exemplificatorische bedeutung em- pfangen und so in die nächste kategorie übertreten, so werden sie in beziehung gesetzt zu den zuständen der gegenwart; an dieser hängt das interesse, und das vergangene hat nur wert, in soweit es das gegenwärtige erklärt, das kommende ahnen läfst. aber weil man sich abmüht, das gegenwärtige zu verstehen, sb setzt sich jede darstellung des zuständ- lichen in eine geschichte um. denn die homerische zeit beschreibt nicht blofs den schild des Achilleus durch die erzählung seiner anfertigung: auch die stammesverhältnisse in einer landschaft, die standesunterschiede in einer staatlichen gemeinschaft, den einzelnen satz des geltenden rechtes, die einzelne ceremonie eines gottesdienstes wird nur im werden darge- stellt. sehr oft ist unentwirrbar, wo die geschichtliche erinnerung auf- tritt, die paradigmatische construction beginnt. denn auch an der summe der geschichtlichen erinnerungen übt der mensch sein causalitätsbedürfnis, wie sie jetzt sagen, besser und antiker gesagt, seinen philosophischen sinn; man kann auch sagen, er sucht den gott in der geschichte. so tritt in

60) Die moderne poetik bringt es freilich dazu die poesie für “sonntagsstaat neben der alltagskleidung’ zu erklären; fär die sphäre, in der sie evangelium (oder thora) ist, pafst vielleicht besser, sonntagsbeilage zum wochenblättchen. aber Homer und Platon, Herder und Goethe waren keine bildungsphilister und haben nicht für bildungsphilister gearbeitet. und der liebe gott hat auch nicht blofs sonntags von 9 bis 11 sprechstunde.

Die heldensage; ihr wesen. 97

die verworrene masse der ordnende gedanke von schuld und strafe, vom endlichen siege der besseren sache oder auch der gröfseren tüchtigkeit. das mag oft die apologie des erfolges oder doch der begehrlichkeit sein, und befriedigend ist diese wie jede teleologie nur für die von vorn herein zustimmenden. es mufs der ordnende procefs deshalb immer von neuem begonnen werden, sobald die sittlichkeitsbegriffe, die erkenntnis des tat- sächlichen und das τέλος selbst sich verschoben haben. aber das geht in alle zeiten weiter. jede geschichtschreibung, die lebendig wirken will, mufs den gott in der geschichte aufzeigen, mag sie nun Ahriman oder Ormuz, πρόνοια oder suyn in ihr finden.

Die sage wird aber mit nichten durch die geschichtlichen erinnerungen ausgefüllt. wie der rechtssatz “die rache ist mein, spricht der staat, ich werde richten’ in einem paradigmatischen falle ausgesprochen wird, so geschieht es mit den sittlichen erfahrungen und grundsätzen des volkes. die sprüchwörter sind nach Aristoteles reste alter weisheit: sie sind in der tat häufig nur der rest einer exemplificatorischen geschichte, eines epiloges, den sie ja auch noch oftmals an sich tragen“). es verkehrt das tatsächliche verhältnis, wenn man meint, die fabel wäre später als das fabula docet. die moral ist der gehalt der fabel, aber dieser wird ursprüng- lich nur in der form einer geschichte ausgesprochen, und die kahle sentenz ist erst aus dieser abstrahirt. und gewonnen werden die moralischen sätze zunächst auch aus der welt, den capiteln des buches, zu denen sie nur die überschriften sind. ob die b4ume oder die tiere, die götter oder die

61) Die sprächwörter mit epilog (Haupt op. 11395 Crusius Anal. in paroemiogr. 73)

sind bereits verkrüppelte erzählungen, und sie sind doch noch vollständiger als die nakte sentenz. es kann freilich das sprüchwort auch nur ein bild sein, κακοῦ κόρακος κακὸν φόν᾽. “der apfel fällt nicht weit vom stamm’: dann liegt darin des was das homerische gleichnis gibt (@s οὐκ ἔστε λέουσι καὶ ἀνδράσιν ὄρκεα πιστά): und das fafst doch auch eiu sinnliches einzelbild. was man töricht den guomischen aorist nennt, ist in wahrheit das tempus der sage, welche das regelmäfsige als einzelnen fall auffaist und ausspricht. auch die gnome ist nur das residuum der erzählung des falles, in dem sie gesprochen ist. “geld ist der mann’ sagte der arme Aristodemos in Sparta (Alkaios 50. Pind. Isthm,. 2). “denk’ an Admetos’ wort und liebe die braven leute’ (Praxilla 3). καὶ τόδε Φωκυλίδεω. auch an den sprüchen der sieben weisen ist der urheber mit nichten irrelevant. was wäre τέλος ὅρα μακροῦ Biov ohne die novelle von Kroisos? wenn der kanon der pflichten des ritters in den Χεέρωνος ὑποϑῆκαι so gegeben wird, dafs der gröfste held von seinem und vieler anderer meister unter- wiesen wird, so nennen wir das eine einkleidung, und eine einkleidung nennen wir es, dafs Platon Swxgarınol λόγοι dichtet, das trifft für uns zu: wir werden auf der dürren heide der abstraction von dem bösen geiste herumgeführt. in wahrheit ist das sagenhafte nicht kleid, sondern ist lebendiger leib; und die unverdorbene seele hat denn auch die grüne weide nicht aufgehört zu suchen. v. Wilamowlız 1. 7

98 Was ist eine attische tragödie?

menschen träger der handlung sind, macht keinen wesensunterschied. fabel und novelle und märchen, wie wir die verkümmerten überreste nennen, sind reiser an demselben stamme. und es ist nur ein quanti- tativer unterschied, wenn sich eine solche conception der volksmoral bis in die hohen himmel hebt, der satz “seid dankbar’ von Ixion auf seinem feurigen rade verkündet wird, wenn Vorbedacht und Nachbedacht zwei Titanen werden, und der hehre glaube, dafs menschenwürde nicht der götterhöhe weicht, sich in der gestalt des Herakles verkörpert. in so weit die schöpferische tätigkeit der volksphantasie sich also mit der production des einzelnen dichters deckt, darf sie wol bei denen auf ein verständnis rechnen, welche dieser nachzudenken vermögen. an der Heraklessage wollen wir unten selbst den versuch machen.

Schwierig dagegen ist es, das verhältnis der sage zu den göttern und zu der religion zu erfassen, zumal das unerträgliche wort mythologie den ganzen luxe de croyance umfalst, den sich ein volk mit göttern helden ungeheuern und ihrem geboren werden kämpfen und sterben erlaubt, ein wort, anwendbar eigentlich nur für solche, die froh sind, sich nicht mehr in die unkosten eines solchen luxus zu stürzen. wenn die paradig- matische sage götter oder dämonen einführt, so tut sie das nicht anders, als wenn sie nach menschen oder tieren greift. sie verwendet alles was sie hat, aber es mufs eben schon vorhanden sein. dabei kann sie ja ohne be- schränkung nach der analogie selbst schöpferisch auftreten, und nament- lich personificationen hat vornehmlich sie erst zu göttern gemacht, auf diesem umwege greift sie stark in die ausbildung der götterlehre ein, denn die geschöpfe der phantasie sind sehr wol dazu fähig, religiöse potenzen zu werden. so ist Eros ganz und gar ein geschöpf der dichtung. aber es mulste eben doch schon vorher die existenz von göttern und dämonen fest- stehen, und die götter, welche wirklich im glauben und im cultus leben, werden auf diesem wege nimmermehr erklärt. ja, wenn der rationalismus recht hätte, und auch die religion nur etwas wäre, das sich zuerst einmal einer ausgedacht hat, oder wenn der euhemerismus recht hätte, und die götter einmal fleisch und bein gehabt hätten, oder wenn die natursymbolik recht hätte, und die religion nichts wäre als in metaphern umgesetzte meteoroleschie, dann möchten die götter in der sage aufgehen und dem- nach die taten derselben so alt oder älter sein als die personen. aber das ist ja alles nichts oder doch nur etwas äufserliches. die gottheit hat keine andere wohnung als das menschliche herz, und selbst wenn sie sich im elemente offenbart, das sie noch am reinsien reflectirt, so ist das so wenig ihre wahre gestalt, wie wenn der Erdgeist im feuer erscheint

Die heldensage; ihr wesen. 99

“in widerlicher gestalt’. lediglich das gefühl, das überwältigend aus dem eignen busen aufquillt, offenbart dem menschen die gottheit wie er dies gefühl verkörpert und benennt, ist im grunde etwas unwesentliches und immer etwas accessorisches. die wirkung empfindet er in wonnen und in tränen: die ursache sucht er, abnt er, glaubt er, betet er an. so die einzelne menschenseele, so die seele des volkes. die götter wirken freilich, natür- lich; denn täten sie es nicht, so wären sie so nichtig wie die göttler Epikurs. sie wirken auch unmittelbar und sinnfällig; denn täten sie es nicht, so wären sie so gleichgiltig wie der aristotelische gott: aber sie sind stetige gewalten. sie haben die dauer: der menschen leben gehört dem wechsel. auch am elementaren ist mit nichten die vereinzelte kata- strophe, etwa das gewitter, was die gottheit dem natürlichen sinne oflen- bart, sondern die ewigen gesetze. das wunder, die ausnahme, ist dumm; wunder tun kann der teufel auch: nur die regel gehört der ewigen weis- heit. Goethe hat erklärt, dafs er sich ohne weiteres geneigt fühle, die sonne anzubeten: warum? wenn sie auch sinkt: von osten, hoffe nur, kommt sie zurück. am abend der seine qualen endet findet Manfred frieden im anschauen der ewigen sonne. Platon und Aristoteles haben ebenso empfunden wie Goethe und Byron und aus der gesetzmäfsigkeit des kosmischen lebens den stärksten religiösen impuls hergeleitet.) das menschenberz ist ruhelos: es sucht den frieden; an ihm zerren die wider- sprüche: es sucht die harmonie. das irdische kennt nur ein ewiges werden: es sucht das ewige sein: und wo immer es dieses findet, da hat es die gottheit gefunden.

Werden ist geschichte: vom sein kann es keine geschichte geben. darum haben die götter mit der sage ihrer natur nach nichts zu tun, und darum ist aus der göttergeschichte, die es gleichwol gibt, für die religion so viel und so wenig zu lernen wie aus irgend einer theologie. sage und religion stehen neben einander. die religion wird wie alles so auch die sage durchdringen: aber wenn die sage in die religion dringt, so ist das etwas fremdes. die vermischung ist gefährlich, wird schliefslich verderblich, aber unvermeidlich ist sie allerdings. denn wie von seiner geschichte und seinem staate und rechte versucht das volk auch von seinen göttern sich ein bild zu machen, und auch das tut es auf dem wege, dafs es eine geschichte von dem werden und handeln der götter ersinnt. in

62) Auch Nathan sagt ‘der wunder höchstes ist, dafs uns die wahren echten wunder so alltäglich werden können, werden sollen’. Lessing erfafst das nur durch raisonnement, aber er erfalst es doch. die wirklichen dichter geben die offenbarung unmittelbar.

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100 Was ist eine attische tragödie?

dem sinne ist es wahr, dafs Homer und Hesiod den Hellenen ihre Jsoyovin schaffen. wie alle andern sagen, werden auch diese in einem beständigen flusse bleiben entsprechend der umformung des sittlichkeitsideales und der erweiterung des empirischen wissens. und wie die φιελοσοφέα des volkes sich allmählich ein weltbild macht, so wird sie auch versuchen einen zusammenhang in die vereinzelten göttersagen und personen zu bringen. aber die schwierigkeit des abstracten gegenstandes bedingt schon allein, dafs dies verhältnismäfsig spät geschieht, und weit gefehlt, dals die göttersage vor der heldensage vorhergienge, diese also ausgeartete “mythologie’ wäre und llios eigentlich eine wolkenburg bedeutete, borgt vielmehr Hesiod von Homer, trägt die göttersage oft farben der heroen- sage und hat heroisch zugestutzte göttersage wie die Jsouaxla oder die Titanomachie für die religion nicht höheren wert als für die poesie.®)

So fassen wir also die sage als die ἱσεορία καὶ φιλοσοφέα des volkes zu einer zeit, wo das volk nur concret, in der form einer ge- schichte, eines μῦϑος, zu denken vermag, so dafs sich auch die vor- stellungen von zuständen nur in den bildern handelnder personen fassen lassen, wo endlich die unterschiede in der empfindung und der geistes- kraft der einzelnen individuen noch nicht so stark sind, um den eindruck eines gemeinsamen empfindens und denkens zu stören, so dafs wir ledig- lich das volk als das alleinige subject erkennen und anerkennen. das weltbild, welches die sage auffafst, ist dem, welches ein dichter gibt, völlig analog; das volk schafft es sich auch in wahrheit nicht wie ein dichter, sondern als dichter. es redet eben noch seine muttersprache, die poesie: die ungeschriebene litteratur dieser muttersprache ist die sage.

Wenn wir nun wissen, was sie ist, so verstehen wir auch leicht ihre geschichte. aufhören wird die sage niemals, so lange dichter aufstehen, .die den erzeugnissen ihrer phantasie die lebenskraft zu verleihen ver- stehen, dafs sie die herzen des volkes erobern und dauernd behaupten. aber es macht doch einen entscheidenden abschnitt, wenn das volk als collective einheit nicht mehr der producent der sage ist, und der dichter

63) Ein schlagendes beispiel sind die Jıös γοναί, wie sie schon Hesiod erzählt. das zum höchsten berufene kind, von einem tyrannen verfolgt, ausgesetzt, von den tieren des waldes gepflegt, schliefslich herrlich erwachsen uud wunderbar zum siege geführt: ein allbekanntes motiv der heroensage. das ist widersinnig für den himmels- herrn, den die religion sich nur ewig denken kann, und für die religion hat es auch nirgend etwas bedeutet, als in dem Kretischen winkel etwa, wo der Zeus der ge- boren ward auch begraben lag. die besonderen verhältnisse dort fordern für sich eine aufklärung, und die funde der Idäischen grotte zeigen wol, dafs die religion, welche hinter. dieser hellenischen sage sich verbirgt, keine hellenische war.

Die heldensage; ihr wesen; ihre geschichte, 101

der sie erzeugt seine individualität wol gar im gegensatze zu dem volke empfindet und hervorkehrt. das wird eintreten, wenn eine weile in leerer trägheit nur noch das vorhandene sagenmaterial weitergegeben ist, ohne wesentlich vertieft und bereichert zu werden. und es kann dieses ge- dankenlose weitergeben des einmal formirten stoffes noch lange zeit neben neuen revolutionären bestrebungen einzelner dichter fortbestehen: aber das kommt kaum noch in betracht. auch für die sage ist die ruhe der tod.

Sie ist ein strom geschmolzenen metalls. es rinnt dahin, verzehrend und einschmelzend was in seinen weg kommt, schlacken abstofsend, blasen werfend, bis die hitze verflogen ist: dann liegt es starr und kalt und tot: aber es bewahrt nur in dieser starrheit seine form. so können wir die sage nur in dem erstarrten zustande erfassen, der ihr ermöglichte zu dauern, während sie, so lange sie lebte, dem wechsel unterworfen war. ersichtlich handelt es sich also für ihre beurteilung und ihr ver- ständnis wesentlich um den zustand, in welchem sie erstarrte, d.h. dauernde form gewann. da wollen wir denn aber kurzer hand die all- gemeine art zu reden aufgeben und ganz einfach die tatsachen der hel- lenischen sagengeschichte überschauen.

In Ionien hat sich für die sage das rechte gefäls gebildet, das home-Die helden- rische epos, und hat sich ein stand gebildet, der sich dem singen und ΣΤῊΝ sagen, dem vertriebe des epos, berufsmäßig widmete. das ward für alle folgezeit entscheidend. gewils wollen wir nicht unterschätzen, dafs sich in diesem stande eine anzahl bedeutender dichter befunden haben, welche den stil des epos feststellten und musterstücke schufen, die sich die jahr- hunderte hindurch in der gunst des volkes behaupteten. es war aber auch das für die ganze entwickelung des epos von segensreichstem ein- flusse, dafs die Ionier das epos selbst oder vielmehr seinen keim von den Aeolern entlehnten, und dafs sich diese entlehnung auch auf den stoff erstreckte, die kämpfe um Ilios und eine reihe heroengestalten. denn sofort erwuchs nun für die dichter des epos die aufgabe, da sie doch vornehmlich die heroen des eigenen volkes verherrlichen sollten und wollten, diese in das epos einzuführen, d. h. auf den gegebenen schau- platz und in die gegebene umgebung zu bringen. so entstand von selbst ein sagenkreis, der sich räumlich und zeitlich zwar bequem ausdehnen liefs, aber doch die nötigung den Jichtern auferlegte, mit ihren neu- schöpfungen anschlufs zu suchen. so rückten die helden vieler städte, die ahnen vieler geschlechter, die in wahrheit zeitlos sein mochten, oder auch ganz verschiedenen zeiten angehörten, in ein par generationen zu-

102 Was ist eine attische tragödie?

sammen, und selbst zwei von hause aus ganz gesonderte sagenkreise, wie Ilias und Thebais, traten wenigstens in ein festes verhältnis. das ionische epos, gepflegt mindestens von 900—700 ohne erkennbar sin- kende kraft der phantasie, war etwas so überwältigendes aller anderen sage und dichtung gegenüber, dafs sie sich entweder an dasselbe an- gliedern mufste oder in kümmerlicher vereinzelung verdorrte. das galt namentlich für die reiche und schöne, aber noch ganz formlose sagen- welt des mutterlandes, das durch die herübernahme des ionischen epos, wie sie vorhin erzählt ist, zwar das bequemste gefäfs erhielt, um seine eignen gedanken und empfindungen aufzufassen, aber nicht blofs diese ionisch-episch stilisiren mufste, sondern auch seine helden und götter in die kreise derer einführen, die im ionischen epos herrschten. die ausdehnung der epischen dichtung im mutterlande kann nicht leicht zu hoch angeschlagen werden; bis tief in das sechste jahrhundert, ja in wahrheit noch weiter herab reicht die production, und es werden sowol neue stoffe in grofser zahl dem epos zugeführt, als auch das vorhandene überarbeitet. aber so gut wie immer bestrebt man sich nicht nur den epischen stil inne zu halten, sondern man projicirt alle und jede stim- mung und strebung der gegenwart in die heroenzeit. wie dem Herakles neue abenteuer zuwachsen, welche den dorischen colonisationen ent- sprechen, wie die blüte Korinths die Argonautenfahrt umgestaltet, die aegi- netischen adlichen ihren ruhm in den zügen der Aeakiden an Herakles seite finden, die erwerbung Kyrenes sowol an die Argonautensage wie an die Odyssee angefügt wird, drittens auch ein altthessalisches märchen zu neuem selbständigen leben bringt, wie die colonien an der Acheloos- mündung und am golfe von Ambrakia der Thebais einen neuen ausgang schaffen: so stellt es sich allerorten dar. die gegenwart wird in ihren eigenen ereignissen und personen vergessen, ihr spiegelbild in die sage aufgenommen und erst dieses scheint würdig einer fortexistenz. es wäre eine torheit, wollte man meinen, Jafs die gegenwärtigen kämpfe und siege den leuten wertlos gewesen wären, oder dafs ihre phantasie nicht auch daran sich betätigt hätte: die so spät erst aufgezeichneten und doch so urwüchsig palikarenhaften messenischen freiheitskämpfe, die tragödie des Kypselidenhauses, Krisas untergang, die geschichten von Rhadina, Othrya- des, Kleobis und Biton dürften sogar manch einem wertvoller erscheinen als die bearbeitung der Odyssee oder der Schild des Herakles. es soll wahr- haftig nicht als eitel segen hingestellt werden, dafs die Hellenen jahrhun- derte lang sich selbst und ihre eigenen taten und leiden der hohen poesie für unwert gehalten haben. es harmonirt das damit, dals die Peloponnesier

Die heldensage; ihre geschichte. 108

und Boeoter auch ihre eigene sprache nicht zu schreiben wagten. aber die tatsache ist vorhanden, und weil sie uns modernen so fremdartig ist, kann man sie nicht stark und oft genug hervorheben. vixere fortes ante Agamemnona multi, sed omnes illacrimabiles urguentur ignotique longa nocte, carent quia vate sacro, das gilt auch, wenn man post für ante setzt, und die gewalt Homers zeigt sich darin vielleicht am stärksten, wo er der rieseneiche gleich kein wachstum aufkommen lälst, so weit sein schatten reicht; aber den epheu am stamme und die mistel in den ästen nährt er mit dem eigenen safte.

Nun trat ja freilich seit 600 etwa in der chorischen Iyrik eine poesie auf, welche bedeutende dichter erzog, ein allgemeines interesse bei dem herrschenden adel fand, und dem dorischen wesen weit näher stand als das ionische epos. aber wo hat sie ihre vollendung erfahren? in Sicilien, im Neuland, das kein epos besals. und wodurch hat sie Stesichoros aus den dörflichen kreisen, die Alkman befriedigte, in die auch noch Korinna gehört, emporgehoben ? dadurch dafs er epici carminis onera lyra sustinuit, durch die reception der sage. dafs der aufschwung der chorischen Iyrik den niedergang des epos im 6. jahrhundert beschleunigt hat, ist nicht zweifelhaft, allein das traf nur die form. den inhalt übernahm sie; denn wenn auch ihr kleid verschlissen war, war die sage selbst doch noch frisch, und das volk konnte sich ohne sie eine erhabene poesie nicht denken. wenn der dichter so wirken wollte, wie er es beanspruchte, das volk es verlangte, mufste er die homerische sage behandeln. da be- sitzen wir ja nun glücklicherweise die pindarischen gedichte, und können mit eignen augen sehen. es sind lauter gelegenheitsgedichte, die erhal- tenen rein menschlich persönlichen anlässen gewidmet. der dichter selbst, erfüllt von einem selbstgefühl, das zuweilen an Platen erinnert, setzt seine ganze individualität ein. aber der sage kann er kaum ein par mal entraten. wenn ein obskurer herr aus einem obskuren kleinstaat, etwa ein Opuntier, zu Olympia im ringkampfe gesiegt hat, so bemüht Pindar nicht nur die olympischen heroen, er feiert nicht blofs den home- rischen helden, den die Opuntier sich vindicirt haben, sondern er formt selbst die dortige localsage um, damit eine heroische verbindung zwischen Opus und Elis die jüngste olympische grofstat eines Opuntiers verherr- liche. er hat es sich zum gesetze gemacht, wie er selbst sagt, keinen seiner lieben Aegineten zu besingen, ohne dafs die unvermeidlichen Aea- kiden mit ihren heroischen bei der neuesten, freilich nur turnerischen, grolstat gevatter stehn. und für den tyrannen von Kyrene liefert er geradezu eine neue darstellung der Argonautensage. der dichter ist eine

104 Was ist eine attische tragödie?

imponirende gestalt: aber diese sorte von poesie, wo die mythische er- zählung in conventioneller stilisirung und unerträgliche aufzählungen von früher gewonnenen turnprämien, complimente an turnlehrer und reit- knechte neben einander stehen und das was wahre individuelle poesie ist auf einen kärglichen raum zurückdrängen, ist ein fragwürdiges product einer mischcultur, erwachsen in einer gesellschaft, deren sämmtliche lebensformen sich überlebt haben und den stempel des verfalles tragen. die sage ist äufserlich zu einer decoration herabgedrückt und innerlich hat sie dennoch die übermacht und erstickt die reine flamme der subjectivität. selbst ein Pindar vermag sich weder ganz in die sage zu versenken noch auch sie ganz auszuscheiden.

In der heimat des epos war man weiter; die culturentwickelung war eben dort immer um ein par jahrhunderte voraus. während im mutter- lande das epos noch neue stoffliche aufgaben in überfülle zu bewältigen hatte, war hier in Ionien der moment der erstarrung für die epische sage schon um 700 eingetreten. energische dichterpersönlichkeiten waren er- standen, hatten für ihre liebe und ihren hafs, ihre gefühle und ihre ge- danken sich die waffen der elegie und des iambos geschmiedet, und damit auch der sprache des lebens die litterarische weihe gegeben. die revo- lutionen in den städten und die seit 600 immer weiter greifende, durch Harpagos auf die ganze küste ausgedehnte fremdherrschaft hatte auch die heroischen ideale gestürzt. die menschen waren über die zeit hinaus, welche durch die sage befriedigt wird. in rücksichtslosester weise drängte sich die subjectivität hervor; der einzelne, der selbsterworbenen weisheit voll, begnügte sich nicht nur nicht mehr mit den errungenschaften des volkes, sondern er trat ihm voll verachtung entgegen, der weise den blinden toren. und die sage trifft vollends hafs und verachtung. da sagt einer ἐδεζη- σάμην ἐμωυτόν, verkündet den ewigen λόγος, den er besitzt, die anderen menschen aber weder kennen noch, wenn er ihn verkündet, verstehen, und schilt auf Homer und Hesiod. und der zweite sagt Ἑχαταῖος ὧδε μυϑεῖ- rar‘ τάδε γράφω ὥς μοι ἀληϑέα δοκεῖ εἶναι" ol γὰρ Ἑλλήνων λόγοι πολλοί ve καὶ γελοῖοι, ὡς ἐμοὶ φαίνονται, εἰσίν. und der dritte ver- wirft die alten götter und ihre propheten, die epiker, und erklärt die ge- stalten der sage für πλάσματα τῶν προτέρων. der tag ist da, wo die iorooln und φιλοσοφέα des einzelnen die des volkes ersetzt, wo die wissenschaft die sage ablöst. so weit war lonien zur zeit des Aischylos.

Athen steht zwischen Ionien und den Dorern. Solon und die tyrannen haben die front des staates, die früher ganz nach westen gerichtet war, nach osten gewandt. Solon und Kleisthenes haben das joch der vermorschten

Die heldensage; ihre geschichte. 105

gesellschaftsformen gebrochen. die lebendige kraft einer in gesetzmäfsiger freiheit zum selbstbewulstsein und zur selbstregierung berufenen bürger- schaft ist entfesselt. die schönsten aufgaben werden dem volke zur rechten zeit gestellt, werden gelöst und neue höhere ziele eröffnen sich dem blicke. in dieser atmosphäre schuf Aischylos die tragödie, ward er ein neuer Homer. das volk in seiner breiten masse lebte und webte noch in der sage, und die demokratie verwarf die tyrannische subjectivität der Ionier und die oligarchische des Pindaros. aber das volk verlangte seine eignen wahren und innigen empfindungen aus der sage hervortönen zu hören, und wollte mittun auch an seinem gottesdienste. und das volk war fromm und ernst; die höchsten und tiefsten gefühle regten sich in seiner seele: es verlangte nach dem dichter, der den gefühlen gestalt farbe klang ver- liehe: es verlangte nach dem dichter der ihm lehrer und erzieher werde, der es zu gott führe.

Also konnte für das Athen, das bei Marathon und Salamis geschlagen hat, nur eine poesie genügen, welche objectiv und volkstümlich blieb wie die des epos, in welcher der dichter mit seiner person zurücktrat. und es mulste eine ernste und erhabene poesie sein (σπουδαία, wie Aristo- teles sagt), die ein weltbild gab und gott in der geschichte zeigte, wie die homerische. damit war zugleich als stoff der einzig vorhandene ge- geben, die heldensage. aber die poesie mufste gleichwol eine neue natio- nale von dem geiste der grofsen gegenwart durchtränkte sein: die home- rische sage mulfste aus dem attischen geiste wiedergeboren werden, das waren die forderungen für den inhalt. was die form angieng, so ist oben gezeigt, dafs die chorische Iyrik, aber von einem bürgerchore aus- geübt, und der ionische sprecher und für beide das costum, also die ulunoıs gegeben war. man kann sagen, Aischylos brauchte nur zuzu- greifen, der tragödie durch zufügung des zweiten schauspielers zur wirk- lichen handlung zu verhelfen und sie dx μεχρῶν μύϑων καὶ λέξεως γελοίας Grcoosuvuyeıy: dann war alles geschehen. gewils, wir vermögen die geschichtlichen kräfte zu wägen, einzusehen, dafs und warum sie auf das eine ziel hinwirken, welches dann durch den glücklichen griff des einzelnen erreicht wird. und es ist dann die probe gemacht, dals das geschichtliche exempel aufgegangen ist. nur wird darum die gröfse des genies nicht geringer: seine tat bleibt immer das ei des Columbus, mögen wir ihm den platz noch so genau nachrechnen können, den ihm die geschichte vorsorglich bereitet hatte.

Es ist offenbar geworden, dafs der anschlufs an die heldensage das ist, wodurch Aischylos die tragödie geschaffen hat. damit ist die tatsache

106 Was ist eine atlische ἱγαρδάϊε}

erklärt, welche sonst unbegreiflich aber nichts desto weniger tatsache bleiben würde, dafs nicht nur die iragödie des 5. jahrhunderts, sondern auch jede nachbildung derselben in der folgezeit die heldensage zum inhalte hat. auf diesem verhältnis beruht die einzige größe der griechi- schen tragödie; aber nicht minder liegt darin auch ihre vergänglichkeit beschlossen. ihr untergang war unvermeidlich, sobald auch das attische volk der sage entwuchs. denn dann mufste die attische nachfolgerin Homers das schicksal ereilen, welchem Homer ın Ionien verfallen war. und nun eröffnete dieselbe grofsartige politische bewegung, welche dem drama des Aischylos die weihe gab, Athen völlig dem ionischen einflufs, oder verlegte vielmehr den schwerpunkt des geistigen lebens von lonien nach Athen. dadurch ward der an sich notwendige entwickelungsprocels beschleunigt, der durch befreiung des subjectiven denkens und der indi- vidualität die sage und ihr gefäfs, die tragödie, überwinden mulste. wo Anaxagoras Protagoras Sokrates lehren, ist in der tat kein raum mehr für sie. wenn nicht ihre beiden dichter noch gelebt hätten, würde sich die tragödie kaum bis 406 gehalten haben. als sie aber starben, empfand das publicum selbst den tod der tragödie. Aristophanes liefs Dionysos in den Hades hinabsteigen. Platon verbrannte seine tetralogie; nicht weil er darauf verzichtete, ein dichter zu werden im sinne des Aischylos, son- dern weil er erkannte, dafs der tragiker jetzt nicht mehr der lehrer und meister des volkes sein konnte. er versuchte freilich so stark war die gewalt der tragödie sich eine neue kunstform von dramatischem cha- rakter zu schaffen, und er schuf sich statt der überwundenen heroen- sage auch einen sagenkreis, den von Sokrates; aber er erlebte doch oder bewirkte vielmehr selbst dafs die wissenschaft das poetische gewand ganz abwarf; wenigstens die wahre, denn in niederen aber deshalb volkstüm- licheren kreisen trat dem sokratischen sogar noch der sagenkreis von Diogenes zur seite. die poetische form des dramas dauerte freilich, ja das dramatische ward erst jetzt recht als artbildend erfafst; man tat auch hier den notwendigen schritt, da die heroischen abbilder nicht mehr ver- fiengen, frisch in das volle menschenleben der gegenwart hineinzugreifen und von da die stoffe zu holen. Menander steht zum βέος wie Aischylos zu Homer: er bewirtet seine zuschauer mit τεμάχη von den μεγάλα deinva τοῦ βίου. aber das drama ist, seit es die sage verloren hat, nur noch komödie; das σπουδαῖον ist dahin, unwiederbringlich. die Hellenen haben nach Platon keinen dichter und keine poesie im hohen stile mehr besessen: um so ungeheurer war und blieb die gewalt, welche die fast schon bei lebzeiten an die seite Homers erhobenen drei attischen

Beantwortung der frage. die aristotelische definition. 107

tragiker ausübten. allein diese geschichtliche wirkung, die in gewissem sinne ewig dauern wird, ist in jeglicher hinsicht eine andere als die welche die dichter selbst beabsichtigten und ilıre werke zu ihrer zeit ausübten. und die philologie hat zwar auch die aufgabe jene geschicht- liche wirkung zu verfolgen und zu erklären: aber das nächste und not- wendigste ist, den dichter und sein werk selbst zu begreifen.

Wir stehen am schlusse: es ist nur noch nötig, den ertrag unserer geantmor- betrachtungen zusammenzuziehen, damit die frage beantwortet werde, was ist eine attische tragödie? eine attische tragödie ist ein in sich ab- geschlossenes stück der heldensage, poetisch bearbeitet in erhabenem stile für die darstellung durch einen attischen bürgerchor und zwei bis drei schauspieler, und bestimmt als teil des öffentlichen gottesdienstes im heiligtume des Dionysos aufgeführt zu werden.

Das ist ohne zweifel eine definition, mit welcher die aesthetische theorie so nichts anfangen kann, vielmehr wird diese sofort und mit leichtigkeit sich aus ihr nur das aussuchen, was für sie wesentlich ist. denn die aesthetische theorie will die tragödie definiren; die philologie hat es aber mit der attischen tragödie zu tun, und für diese ist alles wesentlich, was für die dichter als gesetz gegeben war, und sich demnach in ihren werken wirksam zeigt, also z. b. die qualität der tänzer, die be- schränkte zahl der schauspieler, zeit und ort der aufführung. die theorie hat die aufgabe, die notwendigkeit für jede der forderungen begrifflich zu erweisen, welche sie in der definition zusammenfafst; die philologie hat ihre aufgabe eigentlich schon erfüllt, wenn sie die existenz jedes einzelnen kennzeichens, das sie in die definition aufnimmt, an den con- creten erscheinungen, den tragödien, dartut: im vorstehenden soll aber auch für alles einzelne die entstehung erläutert und somit zwar nicht ihre begriffliche, aber wol ihre geschichtliche notwendigkeit erwiesen sein.

Aristoteles hat nicht die attische tragödie geschichtlich, sondern dieDie aristote- tragödie begrifflich definiren wollen, und nur weil sein einziges beobach- "nltion. " tungsmaterial in attischen tragödien und ihren nachahmungen bestand, kann der moderne sich leicht über seine absicht täuschen. gleichwol wird jeder erwarten, dafs hier die aristotelische definition zur vergleichung herbeigezogen werde. ἔσειν οὖν τραγῳδία μίμησις πράξεως σπου- δαίας καὶ τελείας μέγεϑος ἐχούσης ἡδυσμένῳ λόγῳ χωρὶς ἑκάστου τῶν εἰδῶν ἐν τοῖς μορίοις so weit stimmt das, wenn man den ver- schiedenen standpunkt berücksichtigt, im wesentlichen, und die einheit und abgeschlossenheit, die freilich für jedes kunstwerk gilt, ist ein sehr wichtiges moment, das gewürdigt zu haben vielleicht das wertvollste an der

108 Was ist eine attische tragödie?

ganzen definition ist“). Aristoteles fährt fort, δρώντων καὶ μὴ δι ἀπαγγελίας. insofern hierdurch nur der unterschied vom epos bezeichnet werden soll, ist es ohne weiteres zutreffend; ich habe dem durch das wort “darstellung’ genüge zu leisten gesucht. aber Aristoteles selbst hat ohne zweifel mehr darin gesucht und von der tragödie gefordert, dafs sie ihre handlung im wesentlichen vor augen führen, darstellen und nicht erzählen soll. eben so wenig werden wir zögern, die forderung als be- rechtigt anzuerkennen; unser gefühl werden auch die attischen dramen besonders ansprechen, welche ihr genügen, also z. b. Philoktet und Oedi- pus, Medeia und Ion. aber für die attische tragödie ist, wie wir gesehen haben, das dramatische accessorisch, und vollends die μέμησις πράξεως ---δρώντων καὶ un dı’ ἀπαγγελίας sehen wir zwar von Richard Ill Othello Götz erfüllt: allein, wer auf das dramatische das höchste gewicht legt, dem haben erfahrungsgemäls die nachahmungen der antike und diese selbst nicht genüge geleistet. nicht blofs die Perser, auch die Sieben geben nicht die handlung, oder doch nur im reflexe, halb episch, halb Iyrisch. Aischylos Εὐρώπη Käpes”) können wir uns nach dem pro- loge und der zu grunde liegenden homerischen episode ganz wol vor- stellen, die sorge der mutter um den fernen sohn, den barbarenchor, dem die fremdartige wilde klage geziemt, einen botenbericht, der das JI nacherzählt, Schlaf und Tod mit der leiche Sarpedons, die errichtung des schon von Homer erwähnten grabmals: ein herzzerreilsendes bild des mutterschmerzes und der früh gebrochenen menschenblüte, versöhnt durch den ewigen ruhm der mannesehre, die im grabe des Aresgefällten das leben hat, ein abbild der empfindungen, welche die Erechtheiden haben mochten, als sie den leichenstein CIA I 433 errichteten: das gibt eine echte attische tragödie, aber ob es ein wirkliches drama gibt, ist mir selbst zweifelhaft. der unterschied zwischen dem abstract von uns geforderten und dem concret in Athen erkannten und erstrebten ist in diesem punkte besonders augenfällig. wir erleben ja aber auch, dafs das dramatische

64) Wenn man die einheit der handlung so misverstanden hat, dafs nur eine verwickelung erlaubt sein sollte, und demgemäfs die Hekabe und den Herakles des Euripides, Lear und Kaufmann von Venedig getadelt hat, so ist das geschehen, weil man den Aristoteles nicht im urtext zu grunde legte. selbst der Götz genügt der wirklich aristotelischen forderung, mag auch ein gewisses ἐπεισοδεῶδεος als vor- wurf mit recht haften bleiben. aber Heinrich IV. oder Faust genügen nicht.

65) Karer bilden den chor, weil sie für die totenklagen geeignet sind. dafs Sarpedon ihr fürst und nur nebenher der der Lykier ist, zeigt, dafs die ausbildung der sage milesisch ist, wohin die verbindung des Sarpedon mit Kreta auch weist: denn das hinterland von Milet ist karisch.

. Die aristotelische definition. 109

übertrieben wird, das sinnfällige allein als handlung erscheint, und ein Dachkopf dem Tasso mangel an handlung vorwerfen darf, während anderer- seits für die sitte der botenreden im attischen drama, die doch lediglich aus seiner herkunft erklärt werden darf, eine aesthetische rechifertigung erkünstelt wird.

Immerhin liegt hier nicht der hauptunterschied, der das attische drama von dem aristotelischen scheidet. aber er fährt fort de’ ἐλέου καὶ φόβου περαίένουσα τὴν τῶν τοιούτων παϑημάτων κάϑαρσιν. und dieses kleinod der aristotelischen lehre können wir nicht brauchen, mag es auch das unschätzbarste sein. man kann doch darüber keine worte verlieren, dafs eine kathartische wirkung weder Aischylos erstrebt noch die Athener erwartet haben. mag der philosoph auch noch so scharf und fein die wirkung beobachtet haben, welche eine tragödie auf das publicum oder auch auf ihn bei einsamem lesen ausübte: diese wirkung war den dichtern und ihrem volke unbewulfst. der dichter, der für den fesitag ein spiel lieferte, für das ihm bestimmte bedingungen gestellt waren, wollte gewils höheres als beklatscht und bekränzt werden; ge- wifs wollte er sein volk lehren und erbauen: aber das lag in seinem berufe als dichter, nicht als tragiker. und das volk erwartete und erfuhr die wirkung der poesie als solcher: was es von der tragödie als solcher forderte, das lag in deren äufserem anlafs, den Aristoteles (mit recht für seinen absoluten standpunkt) nicht berücksichtigt, wol aber wir aufzu- nehmen haben. die tragödie ist ein teil des dionysischen gottesdienstes. nun liegt am tage, dals die besten tragödien im tiefsten sinne erbaulich wirken: aber dem dionysischen dienste darf man das nicht zurechnen, denn dieser verlangt ja nicht nur auch das satyrspiel, sondern er hatte sich mit diesem lange begnügt, ohne etwas im ernsten sinne erbauliches zu fordern. um so weniger darf diese wirkung in die definition der tragödie eingang finden.

An sich betrachtet ist in der kunstlehre des Aristoteles ohne zweifel die volle gröfse des unerbittlichen menschenkenners zu bewundern, und wer mag sich nicht gern daran erquicken, wenn er die hochmodernen sich mit dem probleme des wolgefallens an tragischen gegenständen ver- gebens quälen sieht. wie sollte nicht bedeutende wahrlıeit in dem liegen, worin Aristoteles und Goethe sich zusammenfinden? aber das sollte man sich eingestehen, dals die κάϑαρσις für das drama nicht artbe- stimmend sein kann, und selbst wenn man die aflecte, durch welche das drama wirkt, als artbildend anerkennen wollte, so würde das unselige par furcht und mitleid recht unzureichend bleiben. für uns gewifs; denn

Sn

110 Was ist eine attische tragödie?

wirkt etwa z. b. Calderons Andacht zum kreuze nicht kathartisch, tragisch selbst auf den, dem eine solche religion widerwärtig und entsetzlich ist? der affect aber, durch den sie wirkt, ist doch wol weder ἕλδος noch φόβος sondern devocion. der Prinz von Homburg schlielst mit einer scene überwältigenden jubels, und selbst der leser in stiller kammer stimmt laut in den schlufsruf ein “in staub mit allen feinden Branden- burgs”: der affecet, der sich da entlädt, ist doch wol von furcht und mitleid sehr weit entfernt, ist patriotismus. nun mag Aristoteles ent- schuldigt sein, denn er hatte für religiöse hingabe nicht viel mitgefühl, und patriotismus kannte der heimatlose nicht. aber die alten Athener hatten beides, und in den Eumeniden weht der echte fromme glaube an die gerechtigkeit und das erbarmen der gottheit und der echte stolz auf das herrlichste vaterland. also ist die beschränkung auf jene zwei affecte zu eng. und doch ist noch schlimmer, was durch die einseitige hervor- hebung derselben bewirkt wird. natürlich findet Aristoteles den dichter und das gedicht am besten, welche diese affecte am stärksten spielen lassen. unvermeidlich ist, dafs ihm ein “tragischer’ ausgang mindestens vorzüglicher erscheint, wobei denn Eumeniden und Philoktet und Iphi- genie und Prinz von Homburg übel fahren müssen. und wenn die dichter und das publicum erst dahinter kommen, dafs die wirkung eine patho- logische sein soll, so wird eine verrohung der empfindung unvermeidlich sein, weil die reizungen immer stärker werden müssen. diese definition führt zu Seneca; und wenn nur Shakespeare nicht so oft in diesem sinne “tragisch’ wäre. aber auch in der nötigen verallgemeinerung von der tragödie auf die kunst überhaupt streift die aristotelische kunstlehre an das philistergefühl, dafs man in’s theater gehe, um sich aus der misere des tageslebens auf ein par stunden dadurch zu entrücken, dafs man sich recht ausweint oder auslacht; das bekommt gut; man geht am andern morgen frischer in die tretmühle. es ist auch hier etwas von der frömmig- keit am sonntagvormittag für die ganze woche. wenn Goethe vor der meduse Rondanini die menschheit höher fühlt, Schiller meint, nie ganz unglücklich werden zu können, seit er die Leichenspiele des Patroklos gelesen hat, so ist das doch wol mehr: was wir für das leben dem ver- danken, dafs wir den Faust besitzen, täglich und stündlich bewulst und unbewufst unter seiner wirkung stehen; die lebenserfahrung, die darin liegt, dafs einmal das grofse auge des einen stoischen gottes aus der kuppel des Pantheons oder das bunte göttergewimmel der Christen in S. Maria della Arena auf uns niedergeschaut hat, das ist etwas höheres als eine ein- malige pathologische wirkung, die etwa nur im gedächtnis lebte: was man

Die aristotelische definition. 111

empfindet ist nicht pathologisch sondern moralisch, ist keine κάϑαρσις sondern eine reinigung. aber das gehört nicht hierher; oder doch nur so weit, als die Athener im gegensatze zu Aristoteles von ihren dichtern, weil sie dichter waren, et delectare ef prodesse verlangt haben. und wenn es ein ruhm sein sollte, dafs Aristoteles die moralische wirkung nicht an- erkennt, so hat er das erreicht, weil er nicht mehr hellenisch empfand.

Wie wenig er das tat, zeigt sich am stärksten darin, was seine defi- nition vermissen läfst, obwol es das wichtigste ist: er ignorirt die sage. das beispiel, das er an der Iphigeneiafabel gibt (17), zeigt, dafs er sich die tätigkeit des dichters wirklich etwa so vorstellt, wie Raffaels handzeich- nungen es für den maler beweisen. erst wird das allgemein menschliche motiv in seiner natürlichen naktheit durchgeführt, dann erst findet die bekleidung mit den sagenhaften namen statt. die tatsache, dafs gleichwol die tragiker keine erfundenen stoffe behandeln, ist Aristoteles unbequem; mit wolgefallen notirt er eine ausnahme, obwol Agathon weder nach- haltigen beifall noch nachahmung gefunden hatte. endlich hilft er sich damit, dafs das publicum auf wahrscheinlichkeit halte und diese doch vorhanden sein müsse, wenn die geschichten wirklich passirt sind. also die sage hat nur als geschichtliche wirklichkeit bedeutung. nun lehrt aber Aristoteles selbst, dafs die wirklichkeit unpoetisch ist, mufs sich also damit helfen, dafs doch unter dem was passirt auch einzelnes ist, das der anforderung des poetischen (οἷον ἄν γένοιτο) entspricht, wofür ihm eine bestätigung ist, dafs zu seiner zeit nur noch eine beschränkte zahl von sagenstoffen wieder und wieder bearbeitet wurden.. wer wollte leugnen, dafs Aristoteles auch hier nur sagt was er empfindet und zu empfinden ein recht hat. denn für ihn war die sage tot, so dafs er sie weder als lebendige macht anerkennen noch, wie Platon, bekämpfen mochte. wenn ein bedeutender tragiker noch erstanden wäre, so hätte er jedenfalls die heldensage aufgegeben und in das menschenleben der gegen- wart hineingegriffen; dabei würde dann freilich die scheidelinie zwischen tragödie und komödie durchbrochen worden sein und ein ganz neues “drama” entstanden. aber das hat Aristoteles nicht geahnt: nicht er hat Shakespeare prophezeit, sondern Platon. er hat der folgezeit die richtige directive nicht gegeben, sondern ist in den formen einer innerlich über- wundenen poesie stecken geblieben. und geschichtlich verstanden hat der die alte grofse attisclıe tragödie wahrhaftig auch nicht, der ihren inhalt ignorirt. es ist in der poetik wie in der politik, wo er weder der grolfsen vergangenheit, dem attischen Reiche, noch der grofsen zukunft, dem reiche Alexanders gerecht zu werden versteht, vielmehr in der misere

Moderne vorurtelle,

112 Was ist eine attische tragödie?

der kleinstadt und der dafür geeigneten gesellschaftsordnung verharrt, welche von der speculation und von der geschichte in wahrheit längst überwunden war.

Endlos und nutzlos würde es sein die modernen definitionen des dramas mit der des attischen zu vergleichen, welche die gesclichte gibt; das οἷον ἄν γένοιτο ist philosophischer, aber es ist mit dem οἷον ἦν incommensurabel. nur einige consequenzen zu ziehen wird praktisch sein, weil gewisse vorurteile sich fest eingewurzelt haben, so dafs es nicht genügt gezeigt zu haben, dafs sie unkraut sind, sie müssen ausgerissen werden.

“Tragisch’ braucht eine tragödie weder zu schliefsen noch zu sein. nur die ernsthafte behandlung ist nötig. die peripatetiker, welche an dem ausgange des euripideischen Orestes und gar der sophokleischen Elektra anstofs nehmen“), sind durch Aristoteles auf einen holzweg ge- lockt. die Alkestis enthält gerade sehr rührende parlien, sie soll und kann als tragödie gelten: aber sie schlägt in den zankscenen einen scherz- haften humoristischen ton an und führt Herakles als komische figur ein: dadurch wird sie dem satyrspiel angeähnelt, das ja aber die tragödie aus sich entwickelt hat, so dafs die grenze (wenn man von dem satyrchor absieht) keine feste ist.

Es ist die meinung verbreitet, dafs die attische tragödie erst allmäh- lich dazu fortgeschritten wäre, individuelle menschen zu schildern, nach- dem sie typen gebildet hätte, also 2. b. Sophokles “den könig’ “die schwester ‘den greis’”. das würde sehr seltsam sein, denn erst die abstraction findet solche typen, während die beobachtung nur individualitäten hefert. und dafs die bildende kunst lange zeit nur “mann’ und “weib’ gebildet hat, ehe sie Perikles und Lysimache bilden kann, zeigt nur den gegensatz der künste, der in ihrem wesen liegt. es würde aber auch schwer begreif- lich sein, dafs Sophokles nicht können sollte, was Homer schon zur voll- kommenheit geführt hat: Achilleus und Nausikaa sind wahrlich keine blofsen typen. der gang der entwickelung ist umgekehrt. der jüngling schreibt Götz und Werther, die jedermann verständlich sind; Epimenides

66) Orestes hypoth. und aus dieser schol. 1691, Alkest. hypoth. diese führt in einer handschrift (Laur. C) den autornamen Aıxasapyov: das ist ganz unverständlich, wenn man es nicht auf diese aesthetische kritik bezieht, ebendaher der wertvolle litterar-historische traktat, der meist περὶ κωμῳδίας genannt wird, obwol er weiter greift und vermutlich auf die chrestomathie des Proklos zurückgeht; jetzt zu lesen in dem neudruck von Studemund Philol. 46, 13. die auszüge des Tzetzes hieraus haben nun kein anrecht auf beachtung mehr.

παν.

Moderne vorurteile. 118

und Natürliche tochter versteht nur, wer dem Goethe der aus Italien heimkehrt in das reich des typisch symbolischen zu folgen vermag. nun ist aber tatsächlich jener ansicht der boden entzogen: die tragiker em- pfangen ihre gestalten von der sage, und die liefert ihnen nicht greis und schwester, sondern Oedipus und Antigone. und zugleich ist erklärt, wie jener irrtum entstehen konnte: figuren, welche die sage prägt, tragen allerdings nicht die zufälligkeiten eines modells an sich. vor allem aber wirkt verwirrend, dafs die tragischen gestalten für uns typisch geworden sind. wir mögen ja in Antigone die schwesterlichste der seelen be- wundern, wobei wir das ὠμὸν γέννημα ἐξ ὠμοῦ πατρός vergessen. aber dazu hat sie die gewalt der sophokleischen poesie und der von jahr- hunderten dieser zugestandene classische vorrang gemacht, und es ist nicht damit gleichzusetzen, was sie für Sophokles und seine zeit war. bei Seneca ruft die amme Medeas entsetzt ihre herrin an “Medea’, und diese antwortet fiam: für sich selbst ist sie das typische bild der kindesmörderin, die euripideische Medeia. wie sollte es erlaubt sein, Euripides selbst schon ähnlich empfinden zu lassen, als er diese Medeia erst schafft.

- δ könnte nun freilich scheinen, als lieferte die sage zugleich mit dem stoffe die charaktere, und wenn die epischen dichter alle so viel vermocht bätten, wie die welche Nausikaa und den Achill der Litai ge- staltet haben, würde das auch zutreffen in dem falle würde aber freilich auch die sage einer erneuerung durch die tragödie nicht bedurft haben. in der überwiegenden menge von epen war von so ausgeführter charakte- ristik nicht die rede; man denke nur an Hesiodos. schon der stoffreichtum der meisten gedichte schlofs das aus. ferner erhielt der tragiker auch durch die vielgestaltigkeit der sage die freiheit. Odysseus, der göttliche dulder des ionischen epos, war für die Dorer der verlogene Sisyphide; die Atreiden des epos waren heldenkönige, die Pleistheniden des Stesichoros waren frevier. mit ausnahme von ganz wenigen älteren schöpfungen hat tat- sächlich erst das drama die charaktertypen aus den heroen gemacht, als welche sie dann gegolten haben. wenn der peripatetiker lehrt sit Medea ferox invictaque, flebilis Ino, perfidus Ixion, Io vaga, tristis Orestes, so steht er zu den clıarakteren wie Aristoteles zu den mythen, aus deren reichster fülle er nur noch wenige praktisch verweribar findet. die grofsen tragiker aber fühlten sich noclı als freie herren, durften dies und jenes versuchen, gebunden weder an fremde noch an eigene charakteristik: gebunden nur an den μῦϑος, nicht an die ἤϑη. und wenn diese durch den μῦϑος bis zu einem gewissen grade vorgezeichnet erscheinen sollten, so genügt

ein hinweis auf die Elektra des Sophokles und Euripides um zu lehren, v. Wilamowitz 1. 8

114 Was ist eine attische tragödie?

wie weit der freie spielraum war. die tragiker und ihre frische und kühne schaffenskraft stehen mitten inne zwischen dem conventionellen heroentum des epos und dem conventionellen heroentum, das die spätere zeit aus der tragödie selbst abstrahirt. und darum ist eine befreiung von diesen beiden fesseln für jeden nötig, der sie verstehen will. eben dieselben leute, welche über die typische stilisirung der tragödie klagen, reden dem Aristophanes die klagen über die bettelhaftigkeit euripideischer helden nach, die doch nur dadurch eingegeben sind, dafs das atbenische durch- schnittspublicum, an die conventionelle epische stilisirung gewöhnt, es unschicklich fand, dafs könig Telephos sich trug und betrug wie ein armer reisender von dazumal. die wahre kunst ist immer anachronistisch und lafst ihre geschöpfe fühlen reden und sich tragen, wie sie es im leben kennt, und sie lebt darum im widerstreite sowol mit dem conventionellen stile, den sie überkommt, wie mit der trägkeit der denkfaulen zeitgenossen. wer dem dichter gerecht werden will, wird ihn auf kosten des conven- tionellen erheben. für unsere anschauung ist es ein greulicher zopf, dafs die classische tragödie Frankreichs nur könige oder doch standespersonen . als helden duldet und kein schnupftuch auf der bühne nennen kann: aber ihre dichter sind dichter, weil Andromache eine vollblutfranzösin ist und Mahomet der verbrecherische betrüger, den sich die aufklärung allein als religionsstifter denken kann. eine ähnliche abstraction von dem conven- tionellen costüm fordert auch die attische tragödie. ohne zweifel sind in Euripides Orestes die personen ziemlich alle lumpen, wie die peripatetiker klagen, aber deshalb ist das drama mit nichten schlecht. hier zeichnet Euri- pides Helene als coquette weltdame und Menelaos als einen schwachmütigen aber nicht bösartigen egoisten. ein par jahre zuvor war in der Helene der- selbe als ein sentimentaler, wenig gescheiter aber im entscheidenden augen- blicke entschlufsfähiger mann, Helene als eine etwas verblühte tugendrose neben dem polternden barbarischen dummkopf Theoklymenos eingeführt. dafs dies verfahren dem wesen der sage gewalt antat, und so der greise dichter selbst den beweis lieferte, dafs die tragödie ihre existenzberechtigung verloren hatte, ist unbestreitbar: aber die bewufst geübte fähigkeit der io- dividuellsten charakterzeichnung liegt zu tage. und ist etwa die aulische Iphigeneia und ihr Achilleus, ist die verliebte Andromeda, ist Pentheus im gröüfsenwahnsinn nicht für alle zeiten damals charakterisirt, und ist die flebilis Ino, die Medea ferox und auch die schwesterlichste Antigone, der redliche Neoptolemos auf anderm wege als durch die dichterwillkür der tragiker geschaffen ?

Weil die dichter noch aus eigner machtvollkommenheit die 797

τ α γ΄

Moderne vorurleile. 115

schufen, hatten sie auch allein die möglichkeit, einen charakter sich ent- wickeln zu lassen. nicht blofs die Klytaimnestra des Aischylos tut es, da sie in drei dramen hinter einander auftritt: Medeia sehen wir zur ver- brecherin werden, Phaidra, Hekabe, Kreusa sind vollkommene gemälde psychischer krankheiten. dafs Bellerophontes die tragödie der menschen- feindschaft war, können wir nur noch ahnen: Herakles aber zeigt uns die krankheit und die heilung zugleich. das war nicht mehr möglich, als die tragischen personen wirklich zu typen geworden waren: Seneca lehrt es genugsam, und hat doch auch eine Medea und Phaedra gedichtet. das ward aber schon viel früher weder verstanden noch geschätzt. der fluch des menandrischen lustspiels ist es, dafs es χαρακτῆρες giht wie Theophrastos sie gezeichnet hatte ob sie anonym blieben oder Philon und Chremes hiefsen, macht wahrlich keinen unterschied. und schon bei Aristoteles sehen wir, dafs er so gröblich sich versehen kann, die aulische Iphigeneia zu tadeln, weil sie nicht entweder lediglich als schlachtopfer weint, oder als heldenjungfrau mutvolle reden hält. es war nur eine con- sequenz davon, dals seine schüler der Medeia die regungen der liebe zu ihren kindern verübelten “ἢ.

In diesen dingen sehen wir die freiheit der dichter gegenüber der sage, die unvergessen bleiben mufs, zumal wenn man der sage endlich das ihre gibt. aus den charakteren wird die handlung motivirt: die hand- lung aber war gegeben, also auch der ausgang. da wird die moral for- dern, dafs der dichter so motivire, dafs die poetische gerechtigkeit be- friedigt wird. und wirklich hört man oft, dafs die antike tragödie, wenn sie auch sonst ein überwundener standpunkt wäre, in grofsartiger naivetät schuld und strafe in ihrer unerbittlichen verkettung darstellte. Schiller hielt seine Braut von Messina doch wol für eine tragödie in antikem sinne, und in ihr soll ja die schuld, der übel gröfstes, böses fortzeugend bis zum allgemeinen untergange dargestellt sein. derselbe Schiller hat auch mindestens mit verschuldet, dafs die Athener in den geruch des fatalismus geraten sind. in der ersten classe der mädchenschule, in den aesthe- tisch- kritischen ergüssen der monatsschriften, also dort wo man im vollbesitze der allgemeinen bildung ist, auch in poetiken, die sich an diese kreise wenden, ist es eine ziemlich ausgemachte sache, dafs Sophokles und Müllner schicksalstragödien verfalst haben. und ganz besonders weiden sich die christlichen von heute, schwarze wie graue, daran, dafs die blinden heiden ein recht blindes schicksal geglaubt hätten, das den menschen sünde

67) Hypothes. und echol. 922. 88

116 Was ist eine attische tragödie?

tun liefs, die er nicht verschuldete, und ihn dann strafte für taten, die er nicht auf dem gewissen hatte. die sprünge mittelst deren man das blinde schicksal neben der verkettung von schuld und strafe halten zu können vermeint, brauchen nicht vorgeführt zu werden. es liegt ja auf der hand, dafs beides sich ausschliefst und eines so falsch wie das andere ist, in wahrheit nichts als eine gedankenlose verallgemeinerung des eindrucks, den einerseits die Orestie, andererseits der Oedipus macht. auch das liegt am tage, dafs hier ein mafsstab angelegt ist, den die Hellenen gar nicht gekannt haben. die antike theorie des dramas hat niemals an solche dinge gedacht noch denken können, zumal mit Aristoteles ist es alles ganz unvereinbar, und gar den Athenern des 5. jahrhunderts den glauben an ein blindes schicksal, den kalten faulen determinismus, zuzutrauen ist schlimmer als lächerlich. die Athener erzeugten ja damals die Sokratik. und was würde Sokrates dem prediger des unfreien willens anders sagen, als“das ist weibergerede’. Shakespeare nicht anders. “ist’s mein schicksal, gut, ist’s nicht, auch gut’ so redet sein frauenschneider Schwächlich. das problem der willensfreiheit liegt dem 5. jahrhundert ganz fern, dessen philosophisches interesse vielmehr dem erkenntnis- theoretischen probleme zugewandt ist. und auch die ethik fragt zunächst nach der berechtigung der wertschätzung moralischer handlungen. es wäre schlimm, wenn man an die absurdität dieses modernen geschwätzes noch mehr worte verlieren sollte: philosophie geschichte poesie sträuben sich gleichermafsen dagegen.

Gewils, die tragödie ist ein weltbild, und sie schildert die menschen in ihrem handeln und leiden. also mufs sie bewulst oder unbewulst die ewigen probleme der menschlichen verantwortlichkeit und der göttlichen gerechtigkeit behandeln. aber da das leben fortwährend sowol für wie gegen den determinismus, für wie gegen die theodicee zu zeugen scheint, wird auch sein abbild diese widersprüche zeigen. und da auch die einzelnen dichter bewufst oder unbewulst zu diesen problemen stellung nehmen müssen, werden ihre werke so oder so eine antwort geben. anders wird aus Aischylos der glaube an einen allgütigen weltenherrscher reden als die protagoreische sophistik aus Euripides. aber das ist die individuelle sache der dichter. sie lehren ihr volk was sie ihr herz heifst. mit ihrem dichter- berufe oder gar mit der dichtgattung, deren sie sich bedienen, hat der in- halt ihrer lehre nicht das mindeste zu tun. wir mögen immerhin urteilen, dafs die höchste und herrlichste tat des dichters erst die sein wird, welche im menschengeschicke den triumph der idee des guten so zu offenbaren weils, wie es Aischylos vermocht hat. wir mögen recht haben, wenn

Moderne vorurteile. 117

uns die hehre weihe, die das ende des Oedipus verklärt, teurer ist als das herzzerreilsende bild des geblendeten, der vergeblich um den tod bittet. allein der dichter der mit gleicher glaubenswahrheit die grellsten disharmo- nieen ertönen läfst, die der menschen wollen und sollen und können, der menschen streben und gelingen durchziehen, hat das gleiche recht, und auch er erfüllt seinen erhabenen dichterberuf. vollends die s. g. poetische gerechtigkeit ist ja überhaupt nur für den pöbel da, der den schlufs des Lear nicht verträgt, Hamlet auf den thron führt, und die Wahlverwandt- schaften unmoralisch, Kain gotteslästerlich findet. dieser pöbel existirt für die attischen tragiker so wenig wie für Shakespeare und Byron. was Euripides hinter mehrere dramen als schlufswort gesetzt hat, könnte hinter jedem attischen, hinter jedem drama von Shakespeare stehen:

πολλαὶ μορφαὶ τῶν δαιμονίων,

πολλὰ δ᾽ ἀέλπτως κραίνουσι ϑεοί.

καὶ τὰ δοχηϑέντ᾽ οὐχ ἐτελέσϑη,

τῶν δ᾽ ἀδοκήτων πόρον ηὗρε ϑεός"

τοιόνδ᾽ ἀπέβη τόδε πρᾶγμα.

man hat das trivial genannt. sei dem so. sei es etwas höheres, wenn das drama lehrt, dafs das schicksal mit dem menschen spielt wie die katze mit der maus, oder dafs der gott dem menschen neidisch sein glück nicht gönnt, oder dafs er wenigstens in jedem fünften acte die zeche macht und jeden so viel zahlen läfst wie er auf dem kerbholz hat das attische drama gehen alle diese schönen sachen darum doch nichts an. der dichter beabsichtigt auch nicht zu zeigen, wie sich zwei widerstreitende gewalten zerreiben wie zwei mühlsteine, noch will er sein publicum zu einer woltätigen entladung von furcht und mitleid sollicitiren: er beansprucht nur, eine merkwürdige geschichte dargestellt zu haben. Theophrastos war nicht geistreich, die rechte famulusnatur war er neben Aristoteles, aber wenn er es ist (wie er es wol sein wird), der die tragödie ἡρωικῆς τύχης περίστασις genannt hat, im gegensatze zu der ἰδιωτικῶν πραγμάτων ἀχίνδυνος περιοχί, der komödie (Diomedes p. 488 K.), so ist das trotz einiger trivialität gar nicht so übel, und namentlich würde es die modernen von den irrgängen tief- und scharfsinniger construction auf das geschichtliche object haben zurückleiten können.

Indessen auch alle diese irrtümer wollen wir nicht blofs abweisen, son- dern auch erklären. auch sie kommen daher, dafs man der sage vergals, welche in die gedichte zumal der greise Euripides und Sophokles aller- dings befremdliche disharmonien hineingetragen hat. weil die sage die tatsachen gibt (und so sieht sie ja selbst Aristoteles an), hat der dichter

118 Was ist eine attische tragödie?

ausgangspunkt und ziel, wenigstens in den meisten fällen, und aus sich findet er nur den weg. auch dem publicum ist der ausgang bekannt: über- raschungen im fünften acte kann die attische tragödie nicht wol geben; die “spannung” der zuschauer in der rohen weise, wie sie ein dutzendroman zu erregen sucht, kann sie gar nicht ermöglichen. nun treiben es die dichter aber nicht selten so, dafs sie die handlung einen weg führen, der der wahrscheinlichkeit nach nicht zu dem unvermeidlichen ziele führen kann. das muls dann also gewaltsam erreicht werden, denn der ausgang ist ja eine notorische tatsache, und so rufen sie das scbicksal an, das in wahrheit nur ein ausdruck für den zwang der sage ist, der auf dem dichter liegt. er bilft sich mit diesem deus ex machina aus der verlegen- heit, und die einführung des wirklichen maschinengottes ist im grunde nur das eingeständnis dieser verlegenheit. sein aufkommen ist freilich ein beweis dafür dafs die dichter die harmonie mit der sage verloren haben, und also ein symptom des haldigen endes für die nicht mehr inner- lich berechtigte tragödie. aber mit den metaphysischen überzeugungen oder gar der religion der dichter hat er nichts zu tun, geschweige mit der ihres volkes®).

Häufig fragen die leute auch, wie es denn zugehe, dafs die Griechen keine historische tragödie gehabt hätten; denn die tastenden versuche der ältesten zeit, zu welchen die analogie der chorischen Iyrik verführte, hat man ja rasch und entschieden aufgegeben. die frage selbst zeigt, wie wenig die grundbegriffe erkannt sind. die Griechen haben ja in wahrheit nur historische tragödien gehabt: selbst Aristoteles hält ja die sage für geschichte. was man mit jenem verkehrten worte wirklich fragt, ist nur das, warum haben die Athener nicht die gegenwart oder die nur novellistisch verarbeitete jüngste periode, die freilich damals schon nach jahrhunderten zählte, für die tragödie verarbeitet, also z. b. warum hat Sophokles nicht einen Periandros oder Kroisos nach Herodot gedichte. und auch hier ist die antwort gegeben: die tragödie bearbeitet eben die heldensage, weil sie die erbin des epos ist. weshalb die helden-

68) Mitgewirkt hat zu dem modernen glauben an die schicksalstragödie die vorliebe, welche Sophokles für orakel hat, eine manier, die noch viel tiefer in die ökonomie des dramas eingreift als der maschinengott. der moderne kann in den orakeln natürlich keine hinreichende motivirung der ereignisse und höchstens rohe willkür des goties sehen. Sophokles, auch hierin mit Herodot einer meinung, hat aber ohne zweifel an orakel geglaubt und, auch wenn er sie erfand, durchaus wahr- scheinlich zu erfinden gemeint. für den gläubigen sind das tatsachen, die er so gut wie alle andern mit seiner weltanschaung in einklang bringen mufs und wird, wie auch immer diese sonst beschaffen ist.

Moderne vorurteile. 119

sage sich auf jenen engen kreis beschränkte, ist oben ausgeführt; der grund hat für die tragödie keine bedeutung mehr, aber sie stand vor der ge- gebenen tatsache. sie vermochte wol bie und da jenen kreis zu erweitern, und das hat sie redlich getan, allein sie hätte sich selbst aufgeben müssen, wenn sie mit der heldensage gebrochen hätte. noch in seinem letzten lebensjahre hat Euripides dafür den schlagendsten beleg geliefert. er wollte Archelaos von Makedonien verherrlichen: aber er tat dies, indem er ihm einen heroischen ahn gab, der sich wenigstens an die Herakliden- geschichte angliedern konnte.

So führt eine jede betrachtung zuletzt auf das verhältnis der tragddie zur sage zurück. darin liegt die wurzel ihres wesens, daher stammen ihre besondern vorzüge und schwächen, darin liegt der unterschied der atlischen tragödie von jeder andern dramatischen poesie, die seitdem gekommen ist, wahrscheinlich auch, die kommen wird. es ist eine tor- heit den vorzug der classicität für die dramen Athens zu fordern, eine torheit aus ihnen den begriff des dramatischen abzuleiten, eine torheit be- streiten zu wollen, dafs die letzten drei jahrhunderte gedichte erzeugt haben, welche den attischen gedichten gleichwertig sind. allein die attische tragödie im ganzen ist allerdings mehr als die dramatische poesie irgend einer anderen zeit, denn sie ist nicht nur die letzte erhabene poesie, die die Hellenen hervorbringen, und es dauert anderthalb jahrtausende, bis in Dante etwas vergleichbares auf erden entsteht: es redet durch sie das füblen und denken eines ganzen volkes, und die zeit, wo sie blüht, ist ihres volkes blüte. die ganze geschichtliche entwickelung der Helleneo strebt auf diese zeit zu, die ganze entwickelung der hellenischen poesie strebt auf die iragödie zu. somit ist sie nicht nur ein geschichtliches object von ganz einziger bedeutung, sondern es wird auch jede theore- tische untersuchung nicht blofs der dramatischen sondern überhaupt aller poesie jämmerliches stückwerk sein, wenn sie nicht die attische tragödie verstanden hat. das kann sie nicht aus sich, würde sie selbst beim besten willen nicht können. die philologie aber verwirkt das recht, kenntnis- lose hoffart und flache geistreichigkeit zurückzuweisen, wenn sie nicht ihre pflicht erfüllt und das rechte, das geschichtliche verständnis der philosophischen betrachtung übermittelt, auf dafs diese dann in voller freiheit damit schalte. weil er (wie zu unterschiedlichen anderen schätzen) zur attischen tragödie allein die schlüssel führt, werden poesie und philo- sophie in alle ewigkeit des philologen nicht entraten können.

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3. GESCHICHTE DES TRAGIKERTEXTES.

Die wagölie Das fünfte jahrhundert macht in allen stücken der archaischen cultur ein ende und legt den grund zu der modernen. auch das buch ist seine schöpfung: und die attische tragödie, ihrem wesen nach von einem buch- drama so entfernt wie keine andere, hat den anstofs zu der erschaflung des buches gegeben. die ersten wirklichen bücher sind die attischen tragödien gewesen.

Die pflege des epos und im anschlusse daran die der elegie und des iambos hatte in den händen eines standes gelegen, der von ihrem vertriebe lebte. die rhapsoden besafsen natürlich textbücher, aber sie trugen aus dem gedächtnis vor, und das publicum genols die poesie aus- schliefslich mit dem ohre. als diese poesie der hauptgegenstand des schulunterrichts ward, brauchte der lehrer (yoauuazıorng und χεϑα- ριστής) ein hilfsbuch für sein gedächtnis; der schüler schrieb sich seine bücher selbst. es lag Jie möglichkeit vor, dals ein liebhaber sich eine büchersammlung zusammen schrieb oder schreiben liefs; die im einzelnen unbeglaubigten bibliotheksgründungen von Peisistratos und Polykrates sind an sich ganz glaublich. ein gelehrter dichter wie Pindaros mufs eine stattliche sammlung von schriftwerken gehabt haben, da er sie für sein handwerk brauchte: es sind das aber auch für ihn nur ‘hilfsmittel für das gedächtnis’, drrou»nuara. bücher sind sie nicht, so wenig wie die acten in den staatlichen oder privaten archiven, die abschriften von gesetzen, orakelsprüchen, chroniken. es fehlt der act der publication, das lesepublicum, der buchhändlerische vertrieb. lesepublicum und act der publication sind vorhanden für die gesetze und die sonstigen Öflent- lichen verordnaungen und bekanntmachungen, die auf den märkten,'an den strafsen, in den heiligtümern, wenn sie dauernde geltung haben, auf erz oder stein, wenn sie vergängliche bedeutung haben, auf holz geschrieben

Die ἱγακδάϊε ein buch, 121

stehn: in gewissem sinne sind das bücher’ oder können dazu werden,

und wol mag man die gesetze Sulons in dem sinne das älteste attische buch nennen wie die XII tafeln das älteste römische. aber diese bücher bestehen nur in einem exemplare oder doch in wenigen, wie der be- sondere zweck sie erbeischt; vertragsurkunden werden z. b. bei jedem paciscirenden teile und zuweilen noch an stätten, die allen gleich heilig sind, aufgestellt; die hypothekensteine stehen auf jedem acker, den die hypotbek belastet, u. dgl. aber diese ausfertigungen sind alle originale. abschriften können sich in den händen von privaten befinden, werden es häufig tun, tragen aber alle nur den charakter von ὑπομνήματα.

Die gedichte der lyrıker waren noch viel mehr als das epos an das lebendige wort gebunden, und gerade die wichtigsten und umfangreichsten, die chorischen, waren zumeist gelegenheitsgedichte. ob sie sich länger erhielten, hieng von dem beifall ab, den sie fanden. nun schrieb sie freilich der dichter nieder, schon weil er sie oft in die ferue verschickte, und der chormeister, der sie einstudirte, brauchte wie der rlapsode ein ürcöuynua. wenn ein heiligtum sich für bestimmte feste ein solches gedicht hatte machen lassen, so gehörte eine abschrift zu den acten. es gab ferner auch gilden von sängern und tänzern, welche nicht ohne einen schatz von gesängen, die sie zur verfügung hatten, denkbar sind. auch in den schulunterricht traten die lieder sehr früh ein es wieder- hulen sich also dieselben erscheinungen wie bei dem epos. hinzu tritt nur, dals auch die sangweise zu überliefern war. für diese mu[s es somit irgend eine gedächtnishilfe auch gegeben haben. allein noch viel mehr als die worte mulste sich die musik in den fachmännischen kreisen halten, und in wie weit ihre überlieferung eine vollstäudige war oder nur andeutungen gab, lälst sich nicht sagen. die modernen, welche so reden als ob nicht nur sie partituren von Klonas und Sakadas gelesen bätten, sondern als ob es deren je gegeben hätte, lassen ihre durch keine geschichtliche kritik gezügelte phantasie spielen. im übrigen ist selbst- verständlich, dafs man später, als man die gedichte von Pindaros Simonides Sappho buchmälsig vertrieb, lediglich das interesse des lesepublicums im auge halte, das Jiese gedichte nicht mehr sang: also damals mulste die bezeichnung der melodie, so weit sie bestanden hatte, notwendig als ein unnützer ballast fortgeworfen werden.

Ein philosoph oder sonst ein weiser mann des 6. jahrhunderts war auf die poesie und ihren rhapsodischen vertrieb angewiesen gewesen, wenn er auf das publicum wirken wollte. so haben es nachweislich Xenophanes und noch Empedokles gehalten, in keiner weise anders als

122 Geschichte des tragikertextes.

die theologen, nur dals diese die mythischen namen Orpheus Epimenides Musaios vorschoben. die lonier, welche diesen weg verschmähten, schrieben in prosa; aber bücher schrieben sie nicht. sie zeichneten ihren λόγος auf, legten ihre ἱσεορέη dar: das waren ὑπομνήματα, mochten sie auch eine so feste form gewonnen haben wie die gesetze des staates. denn zunächst berechnet waren diese aufzeichnungen, abgesehen von der be- friedigung des eignen triebes zu schaffen und zu gestalten, auf den kreis der γνώριμοι und ἑταῖροι. diesen trugen die schriftsteller teile oder auch das ganze vor, gaben sie es zu lesen und abzuschreiben. aber was sie ihnen mitteilen war der λόγος und die ἱστορέη, nicht das buch als solches. die schrift blieb auch hier nur unterstützung des gedächtnisses: die verwendung welche solche bücher in Platons Tbeaetet finden, illus- trirt das am besten. wenn die schüler daon in die ferne zogen oder den meister beerbten, so konnten sie die originale schrift im ganzen oder in teilen erhalten wie sie war, sie konnten sie ebensogut umarbeiten, so dafs es ihr λόγος ward, und so weiter geben. so wenig wie der begriff des geistigen eigentums, den die bettelarmut der modernen schriftsteller so hoch hält, existirte der moderne begriff des buches. die schriftmasse, die nach Hippokrates, und sogar noch die welche nach Aristoteles heifst, versteht niemand, ehe er von diesen uns selbstverständlichen begriffen ab- strabirt hat. die sopbistik erzeugt sich dann ihr organ, den epideik- tischen vortrag, eine neue rhapsodik, und auch dafür gibt es ὑπομνήματα der vortragenden wie der hörer. ein Euthydemos brauchte einen schatz von sophistischen kunsistückchen so gut wie der seher einen schatz von sprüchen, der parasit einen von anekdoten'), und der hörer besafs gern schwarz auf weils, wofür er schweres geld erlegt hatte. auch für diese sorte von schriftwesen liefert die hippokratische sammlung die besten be- lege: consistenz und dauerhalftigkeit gewinnt aber selbst die geschriebene rede erst durch die entstehung des buches, also erst in Athen im gefolge der tragödie.

In der tragödie entstand mit wunderbarer schnelligkeit eine neue überaus reiche poesie, die das epos in jeder hinsicht ersetzen konnte. aber jedes einzelne werk war wie alle chorische poesie nur auf eine vorführung

1) Isokrates aegin. 5. ein seher hinterlälst einem freunde aufser einem legate τὰς βίβλους τὰς περὶ μαντικῆο. das wiederholt sich dann bei den wanderpredigern des christentums, 2 Timoth. 4, 13, Usener Weihnachtsfest 94. der Gelasimus des plautinischen (menandrischen) Stichus will die bücher seiner kunst verkaufen und präparirt sich dann daraus. der Saturio des Persa (392) hat einen kasien voll bücher und will einem mädchen 600 echt altische witze daraus zur aussteuer geben.

Die tragödie ein buch, 128

berechnet, und die gelegenheiten zu einer wiederholung waren zuerst gar nicht vorhanden, später kümmerlich. der umfang der gedichte schlols die bewältigung durch das gedächtnis aus, zumal jedes jahr neues gleich- wertiges brachte. auch ward Athen zwar von tag zu tag mehr die geistige hauptstadt, aber längst nicht jeder, der an der tragischen poesie anteil nehmen wollte, konnte die attlischen aufführungen besuchen. den Homer kannte ein um 500 geborner aus der schule, den Theognis und einiges von Stesichoros auch: von Simonides dies oder jenes kennen zu lernen, fand sich wol die gelegenheit. es war nicht so viel was die litteratur der letzten zeiten erzeugt hatte: aber nun, die fülle von tragödien es gab kein anderes mittel sie kennen zu lernen als die lectüre: das buch war für das publicum ein bedürfnis. die dichter aber erhoben den an- spruch die lehrer des ganzen volkes zu sein, sehr viel bewufster als Homer, sehr viel mehr ins weite als Pindar. durch die einmalige aufführung konnten sie die gewollte wirkung nicht ausüben; es lag also auch für sie das bedürfnis vor dauernd mit dem publicum zu verkehren, durch das bucb zu wirken. und die centralisirung des geistigen lebens fiel mit dem wirtschaftlichen aufschwunge Athens zusammen, so dafs die mög- lichkeit für einen buchhandel gegeben war. all das führte mit notwendig- keit zur veröffentlichung des dramas durch den dichter für die lectüre.

Von einem buchhandel, dem exporte von büchern, dem vertriebe auf dem attischen bazar hören wir durch allbekannte schriftstellen seit dem ende des 5. jahrhunderts. dals die werke der tragiker in den händen des publicums vorauszusetzen sind, sagt ausdrücklich Aristophanes auch erst in den Fröschen (1113), aber seine polemik lehrt seit den Acharnern, dafs das publicum so vollkommen mit den werken der zeitgenössischen dichter?) vertraut ist, wie es nur die lectüre ermöglicht.

Es tritt aber auch das drama wirklich als buch auf. vorab hat es einen titel, den ihm sein verfasser gegeben hat. dazu ist es freilich ge- kommen, weil die anmeldung bei dem archon, der den chor zu vergeben hatte, auch wol die ankündigung des chores beim proagon oder auch agon einen namen forderte. aber erst jetzt gibt es wirklich einen titel. die epischen gedichte haben ihn erst lange nachdem sie bestanden erhalten, zum teil so zufällig wie Κύπρεα, Ναυπάκτια (ἔπη), so wenig bezeichnend wie Ἰλεὰς (ποίησις), so ungeschickt wie”Eoya καὶ Ἡμέραι. die lyrischen gedichte haben keinen individualnamen: denn wo ein solcher bei den

2) Aischylos war damals doch schon etwas mehr verblalst. er wird von Aristo-

phanes Vög. 807, Thesm. 134, Lys. 188 mit nennung des namens citir, auch be- nutzen die Frösche einen verhältnismäfsig beschränkten kreis von dramen.

124 Geschichte des tragikertextes. N

grammatikern erscheint, tritt ein bescheidenes buchzählen daneben auf. so geschieht es mit den gedichten des Stesichoros, wo zudem homo- pymien stören, und Korinna; sonst ganz vereinzelt”). auch in der tragödie ist zuerst ein schwanken; _Auxoveysia (ποέησις) folgt der epischen weise; Προμηϑεύς muls als name für einen complex von drei chören gelten, und daneben sicher noch für ein satyrspiel desselben verfassers. Alıvaı oder in der komüdie 4pxiioxo: zeigt die bald verschwindende

: verwendung des plurals statt einer ableitung. aber Euripides ist mit der ; namengebung ersichtlich ganz überlegt verfahren. und so dann die

komiker, und die prosa, als sie sich zum buche erhebt. dafs Herodot und Thukydides so wenig wie alle die alten philosophen einen andern titel für ihre bücher gehabt haben als die eingangsworte, der und der sagt das folgende, oder ähnlich, ist wol von den verständigen jetzt ein- gesehen‘): die titel, die wirklich als die ältesten gelten können, Γοργέου Ἑλένη ᾿Αλέξανδρος, Προδίκου Ὧραι, Πλάτωνος Φαῖδρος, Πολυ- κράτους Βούσειρις und noch Ἰσοχράτους Φίλιππος, Agıoroselovug Εὔδημος zeigen die abhängigkeit von Εἰρεπέδου Ἑλένη ᾿Αλέξανδρος.

Sodann zeigt die Aulsere ausstattung die bewufste fürsorge für den leser. vereinzelt in der tragödie, häufig in der komödie haben die gramnıa- tiker bühnenanweisungen, zsapersypapal vorgefunden, und auch auf uns sind einzelne gekommen®'). dem regisseur, der das stück künftig

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3) Σιμωνίδον Navuayia; das kann ein aus dem inhalte geschöpfter name sein, kann aber auch für ein dankfest an die Artemis προσηῴα bestimmt gewesen sein, und dann ist es nicht anders als Ἴβυκος dv τῇ eis Γοργέαν φῳδῇ u. dgl. das lob des Leonidas (4) ist ohne jeden grund und sehr verkehrt in dieses gedicht ge- setzt. über dithyrambennamen oben 8. 64, anm. 30 und 85 anm. 52.

4) Vgl. z.b. Diels Herm. 22,436. der anfang von Hekataios Herodot Thukydides liegt ja vor. auch der des Herakleitos fordert vor τοῦ λόγου τοῦδε ein Ἡράκλειτος ᾿Ἐφέσιος ὧδε λέγει. auch ein auffälliger anfang mit einer adversativpartikel wird verständlich, z. b. lons zgsayuoi. (Ἴων Χῖος τάδε λέγει") ἀρχὴ δέ μοι τοῦ λόγου" πάντα τρία. debatten über den namen des heraklitischen werkes, verwunderung darüber, dafs die allen philosophen ihre bücher πδρὲ φύσεως genannt hätten, zweifel daran, dafs dasselbe buch unter verschiedenen namen bei späteren citirt wird, fallen so in nichts zusammen.

5) Uns sind nur zwei παρεπιγραφαί erhalten (A. Eum. 117—29, E. Kykl. 485), und schon den grammatikern fiel dieser unterschied der tragödie von der komödie auf. die wichtige stelle steht in einem ζήτημα zu Eur. Or. 1384 Ἴλιον ὡς σ᾽ ὀλόμενον στένω ἁρμάτειον ἁρμάτειον μέλος βαρβάρῳ βοᾷ. da zerbrach man sich über ἁρμάτϑιον unnülz den kopf. ““πολλόδωρος Κυρηναῖος παρεπιγραφὴν Asysı (Kirchhoff: ἐπιγράφει λέγων codd.) τὸ ἁρμάτειον (Schwartz: ἁρμόδιον) [ὦ Ἴλιον]. si δ᾽ ἦν παρεπιγραφή, ἅπαξ ἂν [ἐπ)ἐγράφετο [τὸ Ἴλεον ἀπώλετο!. Apollodor meint, die worle ἁρμάτειον ἁρμάτειον μέλος gehörten nicht dem sänger, sondern

Die tragödie ein buch. 125

einmal einzustudiren hat, kann so etwas wenig helfen wie ‘heftiges |

stöhnen “er lacht’ “gesang von innen’, ‘sie nicken’, “er gibt ihm eine ohrfeige’. und unmöglich würde sich eine regievorschrift in der nur ausnahmsweise wiederholten komödie häufiger finden können als in der tragödie. aber für den leser hat es allerdings seine annehmlichkeit, und wir sind deshalb in unseren dramen daran gewöhnt. wer es gesetzt hat, hat es aus dieser rücksicht gesetzt: und das ist in der komödie unmöglich ein anderer gewesen als der welcher das buch machte. nirgend aber liegt ein hinderungsgrund vor, in diesem den dichter zu sehen.

Aber auch der text selbst legt trotz aller entstellung beredtes zeugnis dafür ab, dafs er auf eine niederschrift aus der zeit des dichters, d. ἢ. auf die handschrifi oder das dictat des dichters am letzten ende zurück- geht. in gewissem sinne ist das freilich auch von Pindar, Epicharm unı schon von den compilatoren der uns erhaltenen epen wahr. allein zwischen dem original, auf welches unsere überlieferung in jenen dichtern führt, und der wirklichen urschrift liegen viele oder wenige mittel- glieder, die den überkommenen text in stark umgeformter gestalt weiter gaben. es ist kein willküract aus bestimmter absicht vorgenommen, sondern es hat sich der text allmählich modernisirt, unter dem drucke bestimmter geschichtlich zu erfassender momente. und gerade wer diese zu beurteilen vermag, sich also über die glaubwürdigkeit der überlieferung keinen illusionen hingibt, wird sich am meisten vor der schlimmeren illusion hüten, selbst das original herstellen zu können, so oft er auch im einzelnen etwas grofses oder kleines berichtigen kann. aber für die tragiker, und die tragiker zuerst, ist das original, auf welches unsere über- lieferung zurückführt, auch wirklich das original. seitdem das gespenst einer umschrift aus dem attischen in das ionische alphabet völlig ver-

wären bühnenanweisung für das orchester. er wird aber schlagend damit widerlegt, dafs dann ἀρμάτειον nicht verdoppelt sein könnte. die schreiber, die das nicht ver- standen, haben die glossen eingeschwärzt. & Ἴλεον erklärt ae, τὸ Ἴλεον ἀπώλετο steht zu σ᾽ ὀλόμονον. ein auszug des scholions lautet τινὸς τοῦτο παρεπιγραφὴν slvas ὡς sis τὰ κωμικὰ δράματα, in der form byzantinisch, wie sis für ἐν zeigt, dem inhalt nach gut, da auch so die erklärung jenes Apollodor unwahrscheinlich gemacht wird. als unmöglich erschien eine tragische παροπεγραφή offenbar auch damals nicht. für die komischen hat Holzinger (Parep. bei Aristoph. Wien 1883) das material nützlich vermehrt und namentlich gezeigt, dafs einzelne wirklich auf die zeit des dichters zurückweisen. seine eigne erklärungsart ist freilich fast lächerlich, und abgesehen von anderen misgriffen hat er die byzantinische verkehrtheit, die er bei Tzeizes anerkennt, bei womöglich noch jüngeren scholien zu Arist. und Eurip. in alte echte gelehrsamkeit umgedeutet.

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126 Geschichte des tragikertextes.

trieben ist‘), kann man daran nicht aus allgemeinen gründen mehr zwei- feln. und der commentar zu dem einzigen Herakles lehrt (zu grofser überraschung seines verfassers), dafs die scheinbare regellosigkeit der feinen dialektischen unterschiede, welche die überlieferung bietet”), bei der nötigen individualisirenden betrachtung sich sehr wol verstehen läfst: man vergleiche damit die vollkommene confusion in der überlieferung Pindars, der doch seit Aristophanes von Byzanz wenig gelitten hat, oder die plumpe gleichmacherei und die solöcismen, welche antiker aberwitz in den Herodot, W. Dindorf in die tragiker, Fick in alles dessen er habhaft wird bineinträgt, um sich zu überzeugen, dafs wirklich die handschrift der dichter selbst zu grunde liegt, und die entstellung, so grofs sie sein mag, nur dem einzelnen irrtum und der nachlässigkeit schuld gegeben werden kann. die orthographischen sünden sind zudem in überwiegender menge "jünger als die Alexandriner, und daneben zeigen sich erscheinungen, die schlechterdings nur aus den originalen stammen können. in der 2. person sing. pass. gilt den attlicisten -es für attisch, und die Engländer haben es also den tragikern aufgezwungen gegen die überlieferung, die ne er- halten hat. 7. fordert die sprache als das organische. wir wissen, dafs erst seit 360 etwa in der aussprache n. und δὲ zusammenfiel, und zwar εἰ gesprochen ward, dafs dann dies δὲ monophthongisch teils e teils i ward, die grammatiker aber, wo sie das organische erkannten, die histo- rische schreibung ne herstellten. aber in der betreffenden form erkannten sie das organische entweder nicht oder beugten sich doch der angeblich attischen sitte. wie konnten sie da in der tragödie n: schreiben, wenn es nicht überliefert war, und wie konnte es überliefert sein, wenn es nicht auf der schreibung der bücher in ionischer schrift berubte, die

6) Vgl. zu allem Hom. Unt,. 113. die möglichkeit dafs Aischylos atlisch ge- schriebeu hätte, ist nach den durch Köhler (Mitteil. X 359) erschlossenen tatsachen nicht mehr vorhanden. ich war also nur zu zaghaft noch gewesen; um so mehr können mir die leid tun, welche sich damit brüsten, dafs sie mir die leugnung einer umschrift nicht glauben. nur das ist zuzugeben, dafs sehr alte ionische poesie (z. b. Homer) aus altionischem in neuionisches alphabet umgeschrieben sein kann, und allenfalls inselgriechische poesie aus ihrem alphabet in ionisches. aber was dabei versehen werden konnte, erklärt in wahrheit gar nichts: nur wer erklärt, wie ἀντιάουσι zu ἀντιόωσε wird, erklärt wirklich etwas.

7) Aischylos ist allerdings so stark entstellt, dafs zeugnisse seines textes wesent- lich nur, wenn sie etwas weder attisches noch 8. g. dorisches bieten, glauben ver- dienen. sehr belehrend ist für diese feinen abtönungen des vocalismus die ver- gleichung der theokritischen gedichte; was dort herrscht ist willkür, aber willkür des dichters, und die gleichzeitigen steinschriften liefern den urkundlichen beweies, dafs eine solche willkür geübt ward.

Die tragödie ein buch. erste periode der textgeschichte. 127

älter als 360 waren? ein anderer beleg ist, dafs sich im dialoge der altattische dativ plur. der ersten declination auf σε, wenn auch ver- einzelt nur, erhalten hat. und doch kann wenigstens Aischylos in dem ursprünglich ionischen iambos unmöglich den dativ auf a«cı gebraucht haben; die grammatiker aber kannten kein wirklich altes attisch und wir haben es auch erst von den steinen gelernt).

Das also läfst sich nicht bezweifeln, dafs buchausgaben der dramen von den dichtern besorgt sind, und dafs auf sie vornehmlich die über- lieferung, die den Alexandrigern vorlag, zurückgieng. es würde überaus wichtig sein, wenn wir von dem aussehen dieser ältesten wirklichen bücher eine vorstellung gewinnen könnten. aber dazu ist kaum eine aus- sicht. die geringen orthographischen schwankungen, welche die schrift noch liefs, kann freilich jedermann durch die steinschriften bequem über- sehen; die mangelnde oder schwankende bezeichnung der hybriden e und o, die assimilation der einander berührenden consonanten, die willkür im setzen des paragogischen n und in der bezeichnung von elision und krasis sind kleinigkeiten. wichtiger wird es, dafs die interpunction unsicher bleibt. Aristoteles kennt nicht nur den querstrich am rande, der den schlufs eines satzes oder besser einer periode bezeichnet?), sondern auch die στιγμή, welche das zusammengehörige im satze abgrenzt, aber er setzt sie nicht in dem texte voraus'‘). es darf somit wol als wahrscheinlich gelten, dafs die ᾿ bücher wesentlich wie die gleichzeitigen steine und die späteren bücher geschrieben waren. in ihnen ist dem leser fast nichts gegeben als die ‘elemente’, die buchstaben. wörter und sätze muls er sich selbst bilden. die alte gute interpunction des 6. jahrhunderts ist wesentlich durch die entfaltung der litteratur und des buchhandels verdrängt worden. als das schreiben auf stein wie auf papier ein gewerbe ward, besorgten es leute,

Erste periode der geschichte.

8) Bei Aischylos ist also sicherlich der dativ auf σε acs herzustellen, im dialog und in anapaesten. so bin ich im Agamemnon verfahren. es scheint aber nicht auszureichen, dafs man etwas tut, man soll dazu sagen, dafs man es tut. bei , .»Ὅ“- den beiden andern tragikern ist kein urteil möglich, weil die sprache zu ihren leb- zeiten sich änderte. alle späteren setzen längere dalive nur als archaismen. für die alexandrinischen epiker ergibt die prüfung der vortrefllichen überlieferung das was ich schweigend in meiner ausgabe des Kallimachos durchgeführt habe. die untersuchung über die ionismen des dialogs verspricht unter dem richtigen gesichts- punkte noch manchen ertrag: nur muls man dazu von den steinen attisch gelernt haben. wer πύλησι für einen ionismus hält, hat allerdings nicht das recht mitzu- sprechen.

9) Rhet. 111 3. er sagt παραγραφή; später παράγραφος.

10) Rhet. 111. 5. das στίζειν ist ersichtlich aufgabe des lesers, oder höchstens des erklärers; der text selbst ist ursprünglich nicht interpuagirt gedacht.

128 Geschichte des tragikertextes.

die ganz mechanisch buchstabe für buchstabe setzten; nach der zahl der- selben wurden sie bezahlt. fehler, die dadurch entstehen, dafs der schrei- bende wortbilder im geiste hat, gibt es auf den steinen nicht, dagegen wol auslassungen, verschreibungen und versetzungen von buchstaben. inter- pungiren kann man aber nur was man zu verstehen meint. absetzen der verse ist für den dialog nach analogie des hexameters mit sicherheit zu glauben. man mag denken, dafs die später ganz feststehende praxis schon “damals galt, die endlosen reiben von trochäischen iambischen anapästischen metra nach dimetern abzuteilen, soweit nicht eine ungerade summe eine abweichung forderte. denn die praktischen rücksichten empfehlen diese schreibart allein, die in anapästen ziemlich die länge des trimeters gibt: dafs unsere metriker von dimetern reden, zeigt nur, wie sehr sie mit den augen messen. die dichter rechnen nicht mit dimetern: erst als die buchpraxis eine buchmetrik erzeugt hat, in der kaiserzeit, gibt es welche. übrigens mögen auch die trochäischen iambischen anapästischen tetrameter ge- brochen sein, da sie überlange zeilen bilden und durch die beliebte diaerese in der mitte leicht teilbar erscheinen. die chorlieder aber sind ganz als prosa geschrieben zu denken, da ihre abgliederung erst den grammatikern zugeschrieben wird, die die mafsgebenden ausgaben ge- macht haben. dazu stimmt das einzige aus vorgrammatischer zeit in- schriftlich erhaltene Iyrische gedicht, der paean des Isyllos, während die praxis der kaiserzeit in sorgfältigeren aufzeichnungen ''), zwar nicht glieder, aber perioden absetzt, nachlässigere schrift'*) aber auch dann noch jede gliederung vermissen läfst. selbst die personenverteilung kann man nicht als voralexandrinisch mit sicherheit ansprechen, angesichts dessen, dafs sie in den prosaischen dialogen so unvollkommen durchgeführt ist"), an die einzeichnung von noten oder neumen ist von vorn herein

11) Z. b. wird der paean des Makedonios, CIA 11] 171b, durch seine perioden- teilung für die metrische theorie der hadrianischen zeit recht wertvoll.

12) Z. b. die auf dem Casseler stein ΟἿΑ IIl 171 vereinigten gedichte.

13) Der gegenstand erfordert eine besondere untersuchung, da die herausgeber ungenügend über die handschriften berichten. die beischrift der abgekürzten personen- namen kommt im altertum vor; am merkwürdigsten ist, dafs der Bankesianus des 2 die redenden personen und den Ποι(ητής) unterscheidet. Homer gehörte eben zu dem μικτὸν γένος wie Theokrit, halb διηγηματικόν, halb δραματικόν. in den dramen tritt diese bezeichnung subsidiär neben der παράγραφος auf, die noch häufiger ist als in dem folgenden textabdrucke des Herakles und von Hephaestion bezeugt wird. in den prosaischen dialogen stand sie am rande, z. b. im 7’ des Platon (Schanz Platocodex 5). natürlich ward so etwas sehr leicht übersehen, und z. b. der Glar- kianus des Platon und die Leidenses der Ciceronischen dialoge bezeichnen den per-

Erste periode der textgeschichte. 129

nicht zu denken, sintemal die bücher zum lesen bestimmt waren. alles zu- sammen genommen ist das aussehen von steinschriften gleicher zeit, die buchstabenformen abgerechnet‘), gar nicht sehr verschieden zu denken, und es gehörte eine sehr ansehnliche vorbildung dazu diese bücher vom blatt zu lesen.

Zwei volle jahrhunderte hat der tragikertext sich in dieser weise ohne grammatische controlle durch den buchhandel fortgepflanzt. welchen fährlichkeiten er dabei ausgesetzt war, dem ist es mülsig nachzudenken, da das nicht gewufst werden kann, was man vorab wissen müfste, die praxis in der herstellung und dem vertriebe der bücher. dafs man nicht eine fürchterliche verwüstung mit notwendigkeit aus der handschriftlichen ver- vielfältigung ableiten darf, lehrt die vorzügliche erhaltung, in welcher notorisch die hauptschriftsteller des 4. und 3. jahrhunderts vorliegen, Platon Isokrates Demosthenes, Lykophron Aratos Kallimachos. die klagen über fahrlässige schreiber, welche in der kaiserzeit und einzeln schon früher ertönen, sind eben so wenig beweiskräftig wie etwa moderne ana- logien, die ältesten drucke Shakespeares und die verwüstung des Goethe- schen textes in den späteren Cottaschen drucken. aber auch für die zu- verlässigkeit der überlieferung in dieser ersten periode der textgeschichte sind allgemeine erwägungen nur in so weit triftig, als die tragödie durch die feste buchform wenigstens gegen die zerstörung geschützt war, welche die hypomnematische litteratur nachweislich betroffen hat und betreflen mulste. der traurige zustand, in welchem schriften wie die hippokra- tischen περὶ εὐσχημοσύνης, περὶ φύσιος ἀνθρώπου, die διαλέξεις oxerssıxal, die schrift vom staate der Athener, die schrift des Aineas von Stymphalos über belagerungen, vorliegen, mufs im wesentlichen schon in diesen Jahrhunderten eingetreten sein. die einen unter diesen sind nur durch einen glücklichen zufall überhaupt in die zeiten ge- rettet worden, welche sich die conservirung der alten litteratur bewulst zur aufgabe machten. irgend ein litterator des vierten jahrhunderts hatte sich an die Xenophontische schrift vom staate der Lakedaimonier von dem altaitischen pamphlete so viel hinzugeschrieben, wie er vorfand oder wie ihm beliebte. die ärztlichen und die kriegswissenschaftlichen schriften aber waren nach bedürfnis ohne rücksicht auf die form von

sonenwechsel gar nicht. daneben wandte man den doppelpunkt in der zeile an,

der aber auch oft fehlt (Porphyr. zu Horaz sat. 1 9, 52. Rothstein gu. Lucian. 18) und

z. b. im Laur.C des Euripides zur bezeichnung der rhythmischen x@4« verwandt wird.

14) Die formen stellt man sich am besten etwa so vor wie auf dem ältesten

erhaltenen papyrus, wahrscheinlich noch aus dem 4. jahrhundert. Blass Philol. 41,746. v. Wilamowitz 1. 9

Schau spieler.

180 Geschichte des tragikertextes.

dem oder den benutzern umgestaltet, verkürzt, erweitert worden. wenn die poesie auch nur dem bedürfnis diente und in händen war, die sie als material brauchten, gieng es ihr nicht besser. die homerischen bymnen stellen sich jedem urteilsfähigen als sammlungen von rhapsoden des 5. oder 4. jahrhunderts dar (mit welchem das rhapsodentum im wesentlichen aufhört), und das conglomerat, das sich Apollonhymnos nennt, ist eine eben so wüste masse wie die schrift περὶ φύσιος ἀν- ϑρώπου. am letzten ende sind überhaupt die erhaltenen epen nicht anders zu beurteilen; nur hatten sie viel früher eine leidlich feste form erhalten, weil sie buchhändlerisch vertrieben wurden, sobald es einmal einen buchhandel gab.

Aber waren die tragödien nicht auch fortwährend in praktischem gebrauche, und sollen die schauspieler schonender verfahren sein als die rhapsoden ? gewils nicht. der zustand würde nur noch viel trostloser sein, wenn wir die dramen durch die vermittelung der schauspieler er- halten hätten: das gilt für die überlieferung des Plautus bis auf Varro, während Terenz seine komödien selbst herausgegeben hat. an diesem analogon kann man gut ermessen, dafs die überlieferung der attischen dramen nicht auf bühnenexemplare, sondern auf lesebücher zurückgeht.

Schauspielertruppen sind schon am ende des 5. jahrhunderts in Griechenland herumgezogen’*) und das interesse warf sich im 4. nur um so lebhafter auf die alten dramen, je stärker in der schauspielkunst das virtuosentum ward, je geringer die lebenskrafi der neuen dichtungen war. um die mitte des jahrhunderts liefs selbst der attische staat die classische tragödie in einem besonderen agon zu, und die ausbreitung der attischen culiur durch Alexander hat die Euripideischen tragödien am Indus und am oberen Nil auf die bühne gebracht. natürlich ver- fuhren die regisseure, wie sie es immer tun und wie ihr recht ist, denn stilgetreue inscenirungen classischer dramen sind wie all solch gelehrter historischer kram erst möglich, wenn kein wirkliches sondern ein an- gelerntes kunstgefühl die leitung hat. wer auf der bühne zu hause ist, nimmt keinen anstofs an der verstiümmelung, die Schiller an Goethes Egmont, dieser selbst an seinem Götz verübt hat. schonender sind die im 4. jahrhundert ton angebenden schauspieler auch nicht verfahren. zu dem Rhesos, der erst um 370—60 entstanden ist, gab es um 300 schon einen unechten prolog, um 200 noch einen anderen. vollends

15) Ps.-Demosthenes gg. Eubulides 18. ein schauspieler kauft in Leukas einen Athener los, der im dekeleischen kriege gelangen ist.

Schauspieler, 181

unbequem waren die chöre. die zahl der tänzer war längst beschränkt, die komödie hatte sich der chöre fast ganz entschlagen, die rhetorische tragödie sie wenigstens mit nichtachtung behandelt und entbehrlich ge- macht. die schauspieler konnten wol mit monodieen etwas anfangen, obwol auch die zuweilen fortblieben ’%), aber die eigentlichen chorge- sänge waren ihnen nur hinderlich. dazu kam, dafs die musik sich ganz anders entwickelt und mit den künstlichen versmalsen längst zu wirt- schaften verlernt hatte, dafs die tanzkunst noch viel mehr die alte be- deutung eingebüfst hatte, so dafs sie noch im 3. jahrhundert unter- gieng'”), wie die chöre um 100 n. Chr. ganz verschwunden sind’). als in Athen um 330 die grofse theaterreform des Lykurgos durchgeführt ward, forderte der dem alten durchaus buldigende staatslenker freilich, dafs die schauspieler nacb einem officiellen textbuche zu spielen hätten, was für die darstellung einer παλαεὰ τραγῳδίέα auch in der ordnung war. allein was verschlug diese vereinzelte mafsregel, und wie wenig kümmerte man sich in dem demosthenischen Athen um gesetze. vollends in diesem staatsexemplar ein werk diplomatischer kritik zu sehen und es gar zu einer art archetypus für unsere handschriften zu machen, ist ein recht unhistorischer einfall der modernen. Lykurgos brauchte dazu nur die dramen aus dem buchladen zu kaufen: es ist nichts andres, als wenn ein hoftheater heut zu tage die unverkürzte aufführung der opern eines bestimmten componisten oder auch die und die bearbeitung Shakespeares befieblt. die allgemeine verwahrlosung gieng deshalb ihren gang ruhig weiter, und wenn die fortpflanzung der dramen durch die sclıauspieler statt- gefunden hat, unsere texte also auf bühnenexemplare zurückgehen, so ist ihre zuverlässigkeit eine ganz geringe. das freilich war ganz natürlich, dafs auch schauspielerexemplare in die bibliotheken kamen und die antiken philologen auch solche einsahen, ja es ist sehr glaublich, dafs sie sie für

16) So ist zu erklären, dafs einzelne gelehrte die monodie Antigones OK 23643 verwarfen: denn in ihr selbst ist kein anlafe zu dem grundlosen verdachte. aber ein regisseur, der das überlange stück zurichten sollte, würde allerdings hier den rötel brauchen.

17) Der Babylonier Diogenes setzt das voraus: er hatte offenbar behauptet, der reiz des dramas ruhe in der musik neben dem worte, denn er wäre seit dem schwinden des tanzes (den Aristoteles noch mitgerechnet hatte) nicht gesunken. Philodem (de mus. IV 7 s. 70 Kemke) erweitert das dahin dafs auch die musik neben dem texte bedeutungsios wäre,

18) Dion von Prusa 19, 5; so viel scheint die verdorbene stelle zu ergeben; die ganze rede ist fragment. Dionys v. Halikarnafs kennt die chorlieder noch von der bühne,

95

182 Geschichte des tragikertextes.

einzelne dramen nicht entbehren konnten, weil die buchmäßsige über- lieferung nicht genügte, oder auch ein oder das andere stück nur in bühnenexemplaren erhalten war. auch das ist sicher, dafs sie sich über die verwilderung des textes durch die schauspieler keinerlei illusionen gemacht und mit der möglichkeit gerechnet haben, dafs der text unter deren einwirkung gelitten hätte. wir aber sind aulser diesen allgemeinen erwägungen lediglich auf die schlüsse angewiesen, die wir aus dem zu- stande der erhaltenen dramen ziehen, und diese sind glücklicherweise im ganzen beruhigend.

Assthetlsche Es ist überaus peinlich, dafs wir über diese periode so wenig con- cretes wissen oder ermitteln können, denn ohne frage ist sie für den text die wichtigste und ist auch das interesse und verständnis für das drama ein lebendiges gewesen. die tragödie war ja schon zu lebzeiten ihrer schöpfer oder doch vollender classisch geworden. die fülle von feinen gedanken und trefienden urteilen über tragische kunst und des dicbters aufgabe und macht, die in den Fröschen des Aristophanes bei jedem neuen lesen neu entzückt, lehrt, dafs die grofsen dichter wirklich ein minder verächtliches publicum hatten, als das mit den Xenien oder der Verhängnisvollen gabel gezüchtigte war. in den gebildeten kreisen der athenischen gesellschaft würde sich eine der poesie ebenbürtige kritik entwickelt haben, wenn die gesellschaft nicht durch das nationale elend niedergezogen worden wäre, und mit dem notwendigen welken der grofsen kunst nicht die wucherblume der rhetorik ins kraut geschossen wäre. feder- helden wie Isokrates Polykrates Anaximenes hatten ja das erhebende bewufst- sein, den grofsen dichtern weit überlegen zu sein, wie das so leute haben. und im schatten dieser rhetorik erwuchs was sich damals tragödie nannte, Aphareus und Karkinos, Astydamas und Theodektes. die echte erbin der poesie, die wissenschaft, vergafs ihrer mutter nicht. Platon hat an der tragödie gelernt; jene im leben zerstörte attische gesellschaft lebt in seinen dramatischen schöpfungen fort, und die tragischen reminiscenzen sind im munde seiner personen lebendig: die Antiope war wenig über 10 jahre alt, als der Gorgias die debatte zwischen politiker und dichter aufnahm. aber da Platon die alten volkstümlichen ideale bekämpfen mulste, um den neuen und höheren raum zu schaffen, diese alten ideale in der sage und diese selbst nunmehr vornehmlich in der tragödie verkörpert war, so ergab sich für ihn die polemik auch gegen das drama, ergaben sich dieselben sittlichen probleme, wie sie schon in früher sophistenzeit Glaukon Stesimbrotos Anaximenes Metrodoros im Homer gefunden und zu lösen versucht hatten. aus diesen meist moralischen anstöfsen war ja

Aesthetische kritik. 188

die aesthetische kritik und die exegese Homers erwachsen. auch sie über- trug sich auf die tragiker. wir können nur mutmafsen und vereinzelt an der sagenkritik erweisen, dafs die Kyniker neben dem epos auch das drama berücksichtigt haben. um ihrer selbst willen haben erst Platons schüler Herakleides und Aristoteles die aesthetische kritik getrieben; die poetik, zu welcher letzterer emporzusteigen wagte, zeigt besser als alles andere die centrale stellung des dramas. aber Aristoteles machte wie überhaupt der rhetorik, so auch der rhetorischen tragödie starke zuge- ständnisse, trübte dadurch die theorie und hat trotzdem weder einen dichter noch einen redner erzogen. dafs er auch ἀπορήματα Εὐριπέδου geschrieben hat, wissen wir durch die schriftentafel des Hesychios (no. 144 Hermippos 119), und mögen sie uns als historische probleme denken, wie eines in einem dialoge behandelt war (Eur. Meleag. 534). viel- leicht ist ein oder das andere ζήτημα, an dem sich in den scholien die Alexandriner versuchen, schon am zechtische des peripatos aufge- worfen worden. denn hier bewahrte man die neigung für φελόλογα, wenn man auch nur den namen der philologie erzeugt hat. Theo- phrastos popularisirte die aristotelische rhetorik und poetik. neben ihm setzten viele die litterargeschichtlichen arbeiten fort, und Dikaiarchos, weitaus der bedeutendste dieser generation, knüpfte zugleich auch an Herakleides an. indem er den aesthetischen malsstab der poetik an die einzelnen tragödien anlegte, untersuchte er die ὑπόϑεσις, ἀ. ἢ. den dem gedichte zu grunde liegenden stoff, den μῦϑος, sowol im sinne der “handlung”, in welcher Aristoteles mit recht den lebensnerv des dramas gesehen hatte, als im sinne der geschichte. damit war die frage aufge- worfen, woher denn der dichter seinen stoff genommen hätte, also die quellenfrage, die uns moderne so viel beschäftigen mufs'®), und wie merk- würdige dinge dabei ermittelt werden, zeigt die zurückführung des euri- pideischen Phoinix auf eine attische dorfsage durch den Rhodier Hierony- mos”). der ansatz zu einer lösung der grofsen geschichtlichen aufgahe war da. aber als erst ein naturwissenschaftler und dann ein schönredner die schulleitung des peripatos übernahm, verdorrte die blüte. den rechten

19) Dafs dies die tätigkeit des Dikaiarchos war und ὑπόϑεσιθ also eigentlich den stoff bezeichnet, aus dem das drama gemacht ist, hat H. Schrader gezeigt (quae- stiones peripateticae Hamburg 1884). früher hatte man einen durch die gewöhn- lichen confusionen im Suidaslexicon erzeugten Lakedaemonier Dikaierchos, den es nie gegeben hat, fälschlich eingemischt und ὑπόϑεσις als excerpt aus dem drama im stile von Lambs tales from Skakespeare gefafst.

20) Vgl. oben 8. 38.

184 Geschichte des tragikertextes.

weg auf philologisch-grammatische behandlung der litteraturwerke oder der sprache und verskunst hat niemand in dieser schule eingeschlagen. die anregung zur poetischen production, welche sie gab, kam der komödie zu gute, die zu den biologischen tendenzen der aristotelischen ethik und politik besser pafst. und auffallender weise beteiligte sich an den specula- tionen über diese zeitgenössische dichtungsart auch die sonst litterarischen fragen ganz entfremdete akademie”). nebenher war natürlich die clas- sische poesie in einer ausdehnung bekannt wie niemals später, und die gescheidten leute redeten auch über sie sehr gescheidt. die philosophen- biographieen des Antigonos verzeichnen von ihren helden auch die lieb- lingsdichter und manches litterarische urteil. aber das verdichtet sich nirgend zur wissenschaftlichen arbeit. Das dritte Den weg zur philologie und grammatik hat nicht Athen gefunden, jahrhundert. . . . . sondern Ionien. schon einmal, zu Demokritos zeiten, war es auf dem wege gewesen, ward aber durch die athenische begriffsphilosophie ge- hemmt. jetzt ward das ziel erreicht, aber man strebte ihm nicht un- mittelbar zu. es führte nur dahin der umweg über die poesie, weil man aus opposition gegen Athen und seine cultur auf die vorattischen gat- tungen und formen zurückgriff, die sich nur noch durch studium erreichen liefsen. diese opposition, die sehr verschiedene elemente in sich schlofs, galt der attischen weltsprache: daher das aufkommen der dialektdichtung ; der attischen bis zum extrem wählerisch und feinhörig gewordenen rhetorik: 21) Das schulhaupt Krates schrieb über die komödie nach Apollodors chronik (Diog. ΕΥ̓͂ 23); nach Philodem (bei Gomperz festgabe für Zeller 149) ward die schrift einem seiner schüler Zuasvns zugeschrieben. durch vermittelung der μουσικὴ ἑἱστορέα des Aelius Dionysius ist ein schwacher rest dieser lehre zu den Byzantinern gelangt, in dem traktat über den oben 8. 112, Philol. 46, 13. das citat ist κατὰ Διονύσιον καὶ Κράτητα καὶ Εὐκλείδην, wozu eine handschrift ἔσως Εὐβουλίδην notirt. es liegt nahe Euxisidns und Εὐμένης zu identificiren. ob eine weitere ausscheidung des alten gutes in jenen confusen excerpten möglich ist, steht dahin. ein schlufs ist aber unabhängig davon möglich. Aristoteles kennt, wie er es nur konnte, zwei komödien, ἀρχαία und νέα. seine schüler hatten keine neigung zu dissentiren, und so hat sich diese lehre sehr lange gehalten und liegt noch vielfach vor. daneben gibt es die jetzt törichter weise vielfach verlassene doctrin von drei komödien, von denen die „den ursprünglich begrifflich gemeint ist, nicht zeitlich, denn ihr haupt- vertreter ist Platon, und Alexis gehört ihr auch an: sie wird also 420 und 270, neben Aristophanes und nach Menander, geübt. diese lehre begegnet für uns zuerst bei Horaz sat, Il 3, 11, dann herrscht sie vor, meist jedoch in der verkehrten chro- nologischen umdeutung. so auch in den byzantinischen excerpten περὲ κωμῳδέας. es liegt sehr nahe dem Aristoteles den Krates entgegenzustellen, und wer konnte eher als ein zeitgenosse der wirklich neuen menandrischen komödie auf diese ver- besserung der aristotelischen lehre verfallen ?

Das dritte jahrhundert. 135

daher der asianische vulgarismus; der weltmännisch und hauptstädtisch verfeinerten form der geselligkeit: daher das bukolische element, die weiberpoesie, das aufgreifen des barbarischen; der strengen stilisirung auch des lebens durch die attische σωφροσύνη: daher die freude am ab- sonderlichen verwachsenen wildnatürlichen in den stoffen wie in der be- handlung; den kühlen abstractionen der begrifisphilosophie: daher die vorliebe für die naturwissenschaft und die weite schöne welt ebenso wie die für dionysischen taumel und aphrodisisches schmachten; der attischen bürgerlichen politie: daher das höfische eben so gut wie das ländliche; es galt endlich auch den attischen dichtungsformen, drama und dithy- rambos. jetzt gieng man auf die alten Iyrıker zurück, ahmte Alkaios und Anakreon nach, suchte sich in Stesichoros und Pindar stoffe, griff auf die erotische elegie des Mimnermos zurück, auf den iambos des Archi- lochos und Hipponax und endlich versuchte man wie Homer zu dichten oder Homer durch eine immer frische, niemals kyklische behandlung mit seinen eignen mitteln zu schlagen. das führte mit notwendigkeit zum studium der alten dichter, die zum teil recht eigentlich wieder entdeckt wurden, oder doch wenigstens für die attische gesellschaft des 4. jahr- hunderts nicht mehr existirt hatten und von den peripatetikern Dikai- archos und Chamaileon aus historischem interesse hervorgezogen wurden. so kam man von den versuchen im dialekte zu dichten bald zur unter- suchung des dialekts und zu der exegese der archaischen dichter. Theokrit dichtet aeolisch so gut er kann: Kallias von Mytilene schreibt über die lesbischen dichter 3), Dionysios lambos, auch ein dichter, über die dialekte, und der wird der lehrer des Aristophanes von Byzanz. der dichter Zenodotos von Ephesos bringt es zu der ersten textrecension, die sich wirklich die wiederherstellung des echten zum ziele setzt, natürlich des Homer; er behandelt aber auch in einzeluntersuchungen die Iyriker und macht zu Pindar und Anakreon einzelne conjecturen. Kallimachos, gleich gewandt in dorischer wie in ionischer mundart zu dichten, treibt die sammlung des sprachlichen materials ins grofse und beginnt sclıon selbst für die ionische prosa die philologische tätigkeit, indem er an den gröfsten ionischen schriftsteller, Demokritos, ansetzt, freilich zunächst auch hier nur als sammler; bald folgen für Hippokrates ähnliche arbeiten. mit der tragödie haben diese männer alle nichts zu schaffen ἢ).

22) Athen. III 85f. polemisirt Aristophanes gegen eine lesart des Kallias; die stelle ist allerdings verwirrt.

23) Es gehört zu den unbegreiflichkeiten, an denen Schneiders Kallimachos reich ist, dafs er auf grund von ein par übereinstimmenden vocabeln aischyleische

186 Geschichte des tragikertextes.

Aber es blühte doch gerade in Alexandreia die tragische .Pleias, und die Alexandra des Lykophron gilt doch für eine nachahmung der tragödie, so gut wie Theokrits Spindel die Sappho nachahmt. diese letzte verbreitete ansicht ist falsch. die Alexandra ist keine tragödie, sondern ein iambos. Lykophron, selbst verfasser von tragödien, hat die stilgesetze denn doch zu gut gekannt, um diese poesie für tragisch auszugeben. es geschieht nur durch einen für den modernen nahe liegenden irrtum, dafs man den unterschied in sprache und versmals verkennt. die menge von ionismen in der form, der messung, der wortwahl ist ganz nicht zu ver- treiben, und ihre vertreibung deshalb unglaubhaft*). wahrlich auch für die Byzantiner lag es näher die ihnen bekannten attischen formen einzu- führen als die dialektischen. eine consequenz ist freilich bei Lykophron so wenig wie bei Theokrit zu erzielen, und sehr viel fremdartiges hat der dich- ter nur weil es fremdartig war herbeigezogen. der tragödie konnte sich der tragische dichter natürlich am wenigsten entziehen, obwol schon der sagenstoff zeigt, dafs er es beabsichtigt hat. und dann gilt für die Alexandra was für die wirklich tragische poesie der Alexandriner gilt und die be- denken verscheucht, welche die Pleias erregen kann: sie suchen die älteste tragödie auf, die den Attikern, gegen welche die Asianer front machen, so fremd geworden war wie die andere chorische poesie auch. dieser neuen romantik war schon Euripides viel zu modern, zu glatt, zu städtisch, zu ähnlich den Isokrateern, die man überwinden wollte, die man überwunden hat, wenn auch die eignen productionen kein längeres leben gehabt haben. nichts ist bezeichnender, als dafs man sich mit vorliebe auf das satyrspiel warf, und was wir von der Pleias kennen so gut wie ausschliefslich satyr- spielen angehört. die archaistische tendenz brauchen wir auch nicht einmal selbst zu erschliefsen: diese zeit redet, wie unsere romantik, beständig

studien dem Kallimachos zuschreibt. nur von einem grammatiker aus der ersten hälfte des 3. jahrhunderts ist ein euripideisches ζήτημα vorhanden, Lysaniss schol. Andr. 10, und da ist der name keineswegs sicher.

24) Der neueste herausgeber hat es versucht, und ich habe ihm zuerst zugestimmt, aber die verlängerung eines anlautenden vocals durch tenuis cum liquida (z. b. 1056. 1250), die elision von as (850, 1220), τοκῆος 1394 (so auch 451 Kvxenos) κατ Τρ. (374) ῥὁπάλξιες (292) καρηβαρεῦντας (384) σααΐσει (679) ῥάμφεσσει (598) u. dgl. viel zeigt, dafs es auch unerlaubt ist den ionischen vocalismus in stämmen wie Τιτῆνες Nass, und namentlich den dativen wie πολλῆσεν zu ändern. zuzugeben ist nur, dals erstens die überlieferung in diesen dingen unzweifelhaft unzuverlässig ist, und dafs Lyko- phron keine consequenz hat: einen dorischen genetiv aira 461, παραιολέξεε 1094 βλώξας 1327 und die schon von Aristophanes von Byzanz gerügten vulgarismen ἐσχάξοσαν, auch πέφρικαν, müssen wir ja doch auch ertragen.

Das dritte jahrhundert. Aristophanes von Byranz. 137

von ihren tendenzen, und das kunsturteil steht auch bei ihr höher als die leistungsfähigkeit. Dioskorides legt in einem cyclus von epigrammen auf Thespis Aischylos Sophokles und Sositheos davon zeugnis ab; Euri- pides hat mit recht keinen platz in dieser reihe, und von Sophokles wird bezeichnender weise die herbste frucht am meisten geschätzt: diese zeit sah, wie unsere romantık, in Antigone und Elektra das höchste*).

Entsprechend ist die stellung dieser kreise zur komödie. die der gegen- wart gilt ihr nichts, dagegen holt sie die von Aristoteles und seiner schule zurückgesetzte alte komödie vor, die zudem den sprachlichen glossogra- phischen studien eine überreiche ausbeute bot. für die alte komödie ist das dritte jahrhundert das fruchtbarste gewesen, während es für die tragödie fast ausfällt. schon Lykophron*), dann Euphronios, dann Era- tosthenes haben ihr grammatische arbeit zugewandt: und hier steht der allerdings vereinzelte versuch der reproduction am ende, aber auch er findet an Dioskorides den herold seines lobes. Machon von Alexandria, sonst verfasser sehr salopp und modern gehaltener anekdoten in versen, hat “den bitteren thymian’ vom Hymettos an den Nil zu verpflanzen ver- sucht. derselbe Machon war neben Kallimachos und Dionysios Iambos der lehrer des gröfsten antiken grammatikers, der, als die blume der alexandrinischen poesie im verdorren war, den richtigen schritt tat, die alexandrinische und die peripatetische philologie zu vereinen, die philo- logie in dem uns geläufigen sinne zu schaffen, und die texte der classiker festzustellen. seine aesthetische überzeugung gieng nicht mit seinem lehrer; er hat Menander in versen verberrlicht, und die classiker, die wir so nennen und deren besitz wir ihm, wenn einem menschen, danken, alle mit der rechten philologenliebe gehegt und gepflegt. auch für die textgeschichte der tragiker ist die ausgabe des Aristophanes epoche- machend.

Von dieser ausgabe sich ein möglichst klares bild zu machen, ist eine hauptbedingung für einsichtige beurteilung unseres erhaltenen textes." es ist wahr, dafs die directen zeugnisse nichts als ein par einzelnheiten geben, allein die allgemeinen erwägungen helfen sehr viel weiter. und sie sind verwendbar, denn wenn wir auch davon absehen wollten, dafs Aristophanes unseren text fundirt hat, so mülste das doch irgend jemand getan haben, und dieses unbekannten mannes tun mülsten wir uns ver-

25) Dioskorides Anth. Pal. 7, 37. ähnlich urteilte der philosoph Polemon (Antig. Kar. s. 65).

26) Noch ein anderer tragiker der pleias hat über die komödie geschrieben, Dionysiades, Suid. 5. v.

Aristo-

hanes von

Byzans.

188 Geschichte des tragikertextes.

gegenwärligen, und würden es einigermaßsen erschliefsen aus den voraus- setzungen und den folgen seines wirkens. so tun wir notgedrungen sehr häufig: hier sind wir aber in der glücklichen lage mit einer benannten gröfse zu operiren.

Die Homerkritik der Alexandriner kennen wir am besten; natürlich holt man sich aus ihr belehrung, aber es wird verhängnisvoll, wenn man die unterschiede vergifst, welche zwischen ihr und der herausgebertätig- keit vorhanden sein mufsten, die den Iyrikern tragikern komikern galt. das hauptinteresse an den Homerausgaben des Aristophanes oder Aristarch liegt für die späteren, welche uns über sie unterrichten, und für uns in dem, was sie neues und eigenes enthielten, dem woran der name der gelehrten haftete, besönderen lesarten, athetesen, grammatischen einzel- beobachtungen, 2. b. in betreff der prosodie wortabteilung orthographie. die ausgabe erscheint als ein von dem gelehrten geschriebenes oder cor- rigirtes exemplar mit kritischen und diakritischen zeichen, welche die meinung des herausgebers andeuten, übrigens aber eine mündliche oder schriftliche erläuterung fordern. es ist ein gelehrtes werk, wendet sich an gelehrte kreise, wenn es überhaupt mehr als hypomnematisches leben beansprucht. es ist aber keinesweges ausgemacht, dafs die ausgabe wirk- lich ausgegeben ward, ja es ist nicht einmal wahrscheinlich, da selbst Aristarchs ausgaben so bald verschollen waren; ἔχδοσις bedeutet bei den grammatikern durchaus nur ein exemplar. wie sich die Homertexte, die im buchhandel waren und blieben, dazu stellten, ist eine ganz andere frage. notorisch ist der einfluls Aristarchs sehr grofs gewesen, da wir nicht nur viele seiner lesarten in unsern handschriften lesen, sondern auch verse, die er ausgeworfen hat, verschwunden sind, verse die er erst ein- gesetzt hat, sich vorfinden. man mag auch von vorn herein als wahr- scheinlich betrachten, dafs der kritiker selbst eine “kleine textausgabe’ hat ausgehen lassen mögen. aber damit rechnen seine schüler nicht, und ein buchhändlerisches bedürfnis, neue Homertexte zu schaffen, lag auch nicht vor. gegen die correctheit seiner classikertexte ist das grolse publicum ganz gleichgiltig; nur billig sollen sie sein.

Ganz anders steht es mit den anderen dichtern, z. b. Pindar, mit welchem am besten exemplificirt wird, da hier die verhältnisse am durch- sichtigsten sind und auch die tätigkeit des Aristophanes ganz ausdrück- lich bezeugt ist. von Pindars werken hatte es noch gar keine ausgabe gegeben. die gedichte hatten von vorn herein vereinzelt existirt; viele oder wenige werden ja wol zusammengeschrieben sein, aber davon ver- ‚lautet nichts: man kennt vor der aristophanischen ausgabe nur die ver-

"Aristopbanes von Byzanz. ausgabe des Pindar. 159

einzelung, und deren erfolg mulste auf die dauer für sehr viele gedichte der untergang werden. da trat nun die tätigkeit der alexandrinischen biblio- thekare ein, die ihnen von den zeiten des Demetrios her vorgezeichnet war. zwei menschenalter waren damit zugebracht, dafs die hellenische litteratur gesammelt und geordnet war: die consequenz lag vor, dals es nun zu gesammtausgaben der classiker kommen mulste, durch welche die schätze der bibliothek erst recht nutzbar wurden. auch darin wirkt das akademische beispiel nach, auf deren mitglied der spoltvers λόγοισιν Ἑ,ρμόδωρος ἐμπορεύεται gemacht ist. es.war in erster linie ein buch- händlerisches unternehmen. es mufste aus den handschriften der biblio- thek eine sammlung der werke Pindars veranstaltet werden, die in feste ordnung gebracht, deren text für die vervielfältigung festgestellt werden mulste, damit dann abschriften genommen und vertrieben würden. man mag sich das immerhin nur als eine leistung vorstellen wie Lachmanns Lessing, so ist doch einleuchtend, dafs die Alexandriner sich durch diese ausgaben, welche allmählich von allen classikern erschienen, unendlich viel höhere verdienste erworben haben als durch alle ihre conjecturen und commentare.

Als Aristophanes die erhaltenen gedichte Pindars zusammen hatte,ausgabo des ordnete er sie nach einem einfachen schema, das jeder begreifen sollte. dar. er vereinigte die gedichte in bücher, 8 eig ϑεούς, 8 εἰς ἀνθρώπους, von denen ein jedes noch einen besonderen gattungsnamen erhalten konnte ὕμνοι παιᾶνας, ἐγχώμια ϑρῆνοι υ. 8. ἡ. dabei blieb ein rest von gedichten, der sich in diesen gattungen nicht wol unterbringen liefs. die cultlieder der art waren zahlreich genug um ein ganzes buch zu füllen, das als neuntes nach dem vorhergehenden “Jungfrauenlieder Ill’ oder “Von den Jungfrauenliedern gesonderte’ hiefs. die lieder an men- schen lieferten aber, nachdem anderes anderswo untergesteckt war”), nur noch 3 heimatlose stücke, die dem letzten, zudem sehr dünnen , buche als κεχωρισμένα τῶν Neusovixwy angefügt wurden, wo sie

27) So z.b.Pyth.3, ein undatirter und an keiuen sieg geknüpfter brief an Hieron, steht hinter den beiden siegesliedern für denselben. überhaupt können die gattungs- namen ὕμνοι διϑύραμβοι, ἐγκώμια drivixos nur mit einiger gewalt auf die menge gelegenheitsgedichte angewandt sein. die ordnung innerhalb der bücher ist nicht con- sequent. in Ol. (1—6) Pyth. (1—3) Nem. 1, nachtrag N. 9 stehen die Sikelioten voran, doch mufs einer (Pyth. 6) einem könige anderer herkunft (P. 4. 5) den vortritt lassen, und 0. 12, Isthm. 2 stehen abseits. in Nem. sind die Aegineten vereinigt (3—8), in Isthm. nicht u. dgl. m. übrigens haben die alten zu allen zeiten gefallen daran gefunden, in gedichtsammlungen ein princip nur mit willkürlichen änderungen durch- zuführen.

140 Geschichte des tragikertextes.

noch stehen”). mit den gedichten an die götter begannen sicher auch die werke des Alkaios®”) und Anakreon, aber die stofflliche ordnung schien sich nicht durchgehends zu empfehlen; passender erschien die vereinigung der gleichen versmafse, nach denen auch die werke Sapphos geordnet waren. wie viel bücher gemacht wurden, darüber wird bis zu einem gewissen grade die rücksicht auf die übersichtlichkeit und die be- quemlichkeit des lesens bestimmt haben, auch bald ein gewisses her- kommen. einiges wird man also für den umfang des nachlasses daraus entnehmen, dafs Pindars werke 17 bücher umfalsten, die des Hipponax und Mimnermos je 2. aber das buch Olympien ist anderthalb mal so grofs als das buch Nemeen einschliefslich des nachtrags, und jede stofl- liche ordnung bedingt eine starke verschiedenheit des buchumfanges; auch haben ja die ganz willkürlich gesetzten einschnitte im Homer und Herodot noch viel stärkere differenzen erzeugt. um so weniger wird man die bücher der Sappho eben so lang ansetzen wie die Pindars, ja wenn, wie es scheint, bei Stesichoros buch und gedicht zusammenfiel, so hat man den beleg für sehr viel kürzere bücher: denn dafs ein chorisches gedicht auch nur so lang wie eine tragödie gewesen wäre, wird so leicht niemand glauben, und dies mafs überschreiten die pindarischen bücher bei weitem. Homer und Pindar lassen sich schlecht vergleichen, weil die zeilenlänge, d. h. die columnenbreite mindestens sehr verschieden gewesen sein kann. denn die prosa liefs sich freilich bequem auf die gröfse des ἔπος ein- richten, weil sie sich 'beliebig abteilen läfst: für die lyrische poesie mulste mit dieser älteren praxis gebrochen werden, wenn die ausgabe auf die versmafse rücksicht nehmen wollte. die bekannte zählung nach σεέχοε,

28) Aber in der trefflichen florentiner handschrift D steht τέλος hinter dem letzten wirklich nemeischen gedichte 8, am schlusse des buches πινϑάρον ἐπίνεκοε ψομδονίχοις. die debatten der grammatiker, welche besonders belehrend sind, stehn zu N. 11, weil dies gedicht nicht einmal ein siegeslied ist, wie 9 und 10. übrigens haben die grammatiker den gesichtspunkt des Aristophanes nicht gewürdigt; Bergk noch viel weniger. das richtige hat im wesentlichen Hiller Herm. 21 gesehen.

29) Die anordnung Bergks ist ganz willkürlich. als ob ein dichter, der lieder an götter und liebeslieder verfalst, deshalb ein buch ὕμνος und gar eins dowrixd genannt haben möfste. als ob oxoAsa dadurch bezeugt würden, dafs ein attischer vater seinem sohne zuruft 400» σκόλιον ᾿Αλκαίου w’Avangsowros; dies derselbe fehler, der die pindarischen skolien erzeugt hat. endlich als ob Strabon ein buch der ausgabe bezeichnete, wenn er sagt, dals sich auf die mytilenäischen parteikämpfe τὰ στασιωτικὰ καλούμενα τοῦ Alxalov ποιήματα bezögen (617). στασιωτικὰ ist gar kein grammatischer gattungsname; Strabon kennt es auch aus aesthetischen kritiken des dichters. es wird eine hauptaufgabe der dringend nötigen neuausgabe der Iyriker sein, statt der Bergkischen ordnung die des Aristophanes herzustellen.

Aristophanes von Byzanz. ausgabe des Pindar. 141

d. h. ἔπη, kann demnach auf diese classikerausgaben gar nicht angewandt sein. sie hatte aber auch keinen zweck, denn der umfang ward ja fest- gestellt um schreiberlohn und buchpreis zu bestimmen. für gewöhnliche schrift reichte dazu die feststellung der buchstabenzahl (wie auch für die steinschrift), später die der sylbenzahl aus”): in den dichterausgaben waren bestimmte zeilen inne zu halten, lesezeichen zu setzen u. dgl. nı., so dals die blofse zählung der elemente ihre bedeutung verlor.

Es war also eine tiefgreifende neuerung, dafs die dichtertexte nach metrischen regeln abgeteilt wurden. es war das für die leser eine notwendig- keit geworden, aber ein sachverständiger gelehrter war allerdings dazu nötig. in wie weit die leser in älterer zeit die Iyrischen als prosa geschriebenen verse richtig gelesen haben, stehe dahin; da sie rhythmus und versglieder auch in der prosa hörten, und zwar dieselben wie in der poesie, so werden sie jedenfalls einen rhythmischen genufs gefunden haben. aber um 200 war die sprache des lebens schon stark verändert, die kenntnis der metrik sehr zusammengeschrumpft, da fast ausschliefslich nur noch die stichisch gebrauchten mafse in der praxis fortbestanden. der leser bedurfte also einer hülfe. da stand nun der herausgeber vor einer entscheidung. Aristo- phanes hat die abteilung nach den gliedern gewählt, nach dem, was man für die elemente der rhythmischen kunstwerke hielt, befangen in der rhetorischen lehre, die an der prosa namentlich durch die peripatetiker ausgebildet war. die metrik war durch diese nicht zu einer eignen wissen- schaft ausgebildet, und so ist sie immer zwischen musik und rhetorik ohne halt herumgeworfen. bald nach Aristophanes zeit ist die grund- lage der uns überlieferten metrik festgestellt worden, doch kennt man die mafsgebenden personen nicht. dafs Aristophanes das xwAllsı an den lyrikertexten durchgeführt hat, ist bezeugt®'). er hat damit die praxis

30) Die subscriptionen der zeilensummen erfüllen also ihren zweck sehr wol auch in büchern welche die normalzeile selbst aufgegeben haben. da aufserdem die hunderte am rande bezeichnet wurden, so blieben selbst die citate nach zeilen brauchbar. dafs unsere handschriften von Pindar und den scenikern keine sticho- metrischen angaben führen, ist somit begreiflich: die hinter dem Sophokles im Lauren- tianus sind nicht antik, wie die form zeigt, und sind sinnlos.

31) Dionysios de comp. verb. 22. 26 (p. 156. 221 R.). natürlich ward nicht bis auf die kleinsten einheiten zurückgegangen, die man jetzt πόδες oder gar ἡμέποδες nannte; auch mehrere kleine kola, deren vereinigung fest stand, lies man zusammen. für die lyriker helfen ung aufser dem unschätzbaren blatte Alkman die nachbildungen der Römer und deren praxis, die häufig durch die ganz äufserliche abteilung der texte bedingt ist, wie sie z. b. die sapphische und aeolische strophe als vier perioden

behandeln, während es drei sind, weil sie so abgesetzt waren, und auf solche ver- kehrtheiten kamen wie Horaz I 8, 11 18.

142 Geschichte des tragikertextes.

aller folgenden generationen bestimmt, bis auf die uns erhaltenen hand- schriften, ja bis auf Boeckh: wir dürfen ihm freilich nicht mehr folgen, da wir die metrik der classischen zeit richtiger aufzufassen im stande sind. dafs übrigens die gliederung der lieder immer durch das absetzen neuer zeilen bezeichnet worden sein mülste, ist keinesweges nötig; ein kurzer zwischenraum in der zeile oder eine interpunction, wie es z. b. in der florentiner Euripideshandschrift vorkommt, tut dieselben dienste. nicht die art der bezeichnung, sondern dafs überhaupt die gliederung bezeichnet wird, ist das wesentliche. es war aber damit nicht genug. in sehr ver- ständiger fürsorge haben die grammatiker dem leser durch ein bestimmtes system der bezeichnung auch zu erkennen gegeben, wo strophe und antistrophe oder in nicht strophischen liedern die perioden zu ende waren, auch den schlufs der lieder, einzeln den umschlag der rhythmen, endlich die personenverteilung. nur wenig davon ist in unsere handschriften übergegangen, aber wir kennen das system durch Hephaestion σπτδρὲ ποιήματος, der nur zusammenstellt, was er (oder seine quelle) in den ausgaben der classiker fand.

Diese bisher geschilderte tätigkeit, die man immerhin mit unsern an- weisungen an den setzer vergleichen mag, führte nun schon mittelbar zu sebr bedeutenden kritischen schlüssen, vergleichbar denen, welche unsern gelehrten zuflelen, als sie die responsion der chorlieder erkannten. es war damit in vielen fällen ein kriterion gegeben um zwischen verschiedenen lesarten zu wählen, überschüssige glieder oder lücken zu erkennen. ein äufserst merkwürdiger beleg für die persönliche tätigkeit des Aristophanes in dieser richtung ist auch erhalten).

In wie weit die für das publicum bestimmten exemplare inter- pungirt und mit den lesezeichen versehen waren, die wieder Aristophanes für die prosodie erfand, ist nicht auszumachen. ganz dürfte beides in diesen schwierigen texten nicht gefehlt haben; ganz durchgeführt war es keinesfalls, und es gehört schon mehr zu dem eigentlich gelehrten be- triebe, ebenso wie die kritischen zeichen, von welchen doch der obelos wenigstens selbst im Pindar nicht zu entbehren war”).

32) Schol. Pind. ΟἹ. 2, 48 zu dem überschüssigen kolon φελέοντε δὲ Moicaı, ἀϑετεῖ Apıoropasne, περιττεύειν γὰρ αὐτό φησι πρὸς (Tas) ἀντιστρόφους. in einer andern fassung fehlt der name des Aristophanes und steht dafür ὁβελὸς πα- ράκειται. dafs eine solche interpolation nicht beseitigt ward, beweist sowol die vorsicht des herausgebers wie die abhängigkeit der ganzen folgezeit.

33) Für die gelehrten bestand natärlich in der prosodie auch hier, wie im

Homer, eine feste παράδοσις. ein gutes exempel liefert Eur. Hek. 1030, wo niemand vor Hemsterhuys auf den gedanken gekommen ist ov als οὗ statt οὐ zu nehmen.

Aristophanes von Byzanz. ausgabe des Pindar. 148

Unmittelbar in die textkritik spielte ein geschäft hinüber, das der herausgeber gar nicht versäumen konnte, die herstellung einer ortho- graphie. unser Pindartext zeigt zwar schwankungen, die nicht alle auf schreiberversehen späterer zeit zu schieben sind, aber sie verschwinden gegenüber der einheitlichkeit. diese aber kann nur durch eine durch- greifende recension herbeigeführt sein. denn es ist weder die schreibung des dichters noch die einer bestimmten späteren zeit; auch konnten die aus aller herren länder in Alexandreia zusammengekommenen handschriften überhaupt nicht so ähnlich aussehen. nicht anders steht es in den anderen schriftstellern. einmal mufs doch befohlen sein, bei Sappho setzt man kein stummes iota, bei Pindar schreibt man φελέοεσι, bei Aischylos αἰσϑάνῃ σεράσσω ἐς, bei Aristophanes αἰσϑάνει πράττω εἷς. also zeigt sich das eingreifen eines organisators in den folgen. er hatte keine leichte aufgabe. das sehen wir selbst am Homer, dessen sprache doch längst zu festen formen erstarrt war und durch die nie unterbrochene nachbildung immer gelehr- terer dichter selbst dem publicum geläufig blieb. am Homer sehen wir auch am besten, dafs die gelehrten selbst diese aufgabe nicht leicht nahmen. es sind auch wirklich keine kleinigkeiten, fällt doch das dialektische zum gröfsten teil unter diese rubrik. wir dürfen sicher sein, dals die absicht nicht war, den hirngespinnsten eigner theorie raum zu schaffen, sondern die echte überlieferung zu geben. aber zum mindesten mufste eine aus- wahl getroffen werden, und schon das führte zum systematisiren ; aufserdem war nicht weniges an sich von der überlieferung ungenügend oder doch inconsequent bezeichnet, wo denn auch eine entscheidung nötig ward.

Die hauptaufgabe war endlich die feststellung des textes selbst. wenn nur eine quelle für ihn zu gebote stand, oder wenn die tradition eine ganz feste war, so konnte die recensio freilich nichts tun als diese weiter geben. indefs das mulsten ausnahmen bleiben; in gedichten, die seit jahr- hunderten in den verschiedensten gegenden gelesen worden waren, mulsten sich vielmehr ähnliche und zum teil noch ärgere zustände gebildet haben, wie wir sie dank den Alexandrinern im Homer vor augen haben, obgleich wir auch da gewifs nicht den hundertsten teil von dem kennen, was jene durcharbeiten mulsten. sehen wir nun den Pindartext an, so bietet uns die reiche überlieferung sehr wenig wirkliche varianten; denn die schreib- fehler, die wir durch die vergleichung unserer handschriften erledigen, sind spätere wertlose entstellungen. vor allem aber, die gelehrten, deren Außserungen in den scholien zahlreich erhalten sind, rechnen, ganz anders als im Homer, gar nicht mit varianten, sondern betrachten die überlieferung als eine sicher gegebene gröfse. mit anderen worten, im Pindar hat die

144 . Geschichte des tragikertextes.

grundlegende ausgabe, die aristophanische, alles ältere definitiv beseitigt: sie ist ganz und gar identisch mit der “überlieferung’ geworden, und nur die erinnerung erhielt sich dunkel, dafs es ältere texte gegeben hätte. die geschichtliche bedeutung der aristophanischen tätigkeit ist also eine ganz ungeheure. man denke sich, dafs die wirkliche überlieferung des Lucrez ganz zu grunde gienge und an ihre stelle der Lachmannsche text iräte, so dafs gewissermafsen Lachmann gleich Lucrez würde. in diesem falle würden wir gar nicht weniges durch die conjectur oder auswahl des herausgebers verderbt lesen, und dennoch würde es gegenüber der verwüstung, die vor Lachmann im Lucreztexte herrschte, ein unschätz- barer segen gewesen sein, dafs ein zielbewulster wille durchgegriffen hätte. mülfsten wir freilich Tibull und Properz mit Scaligers ausgabe indentificiren, so würde die kritik nur zu dem negativen ergebnis gelangen können, dafs irgend ein willküract die gedichte aus den fugen gerissen hätte. von den alexandrinischen gelehrten sind wir sicher, dals sie an methode und scharf- sinn mit Lachmann nicht zu vergleichen waren, aber wir dürfen uns wol auch darauf verlassen, dafs sie diesen mangel durch gröfsere zurückhaltung und selbstbescheidung zum teil ersetzt haben : Scaligersche willkür imputirt ihnen nur, wer für die eigene die bahn frei haben will. Aristophanes zumal ist schon durch die ungeheure ausdehnung seiner herausgebertätig- keit von der conjecturalkritik zurückgehalten: ihm ist es gegangen wie Immanuel Bekker, mit dem man ihn immer wieder vergleichen mufs, den er aber doch wol überragt. denn was ihm gelungen ist, ist etwas so grolsartiges, dafs man kaum naclı den tausend einzelheiten fragt, die man nicht wissen kann, da die hauptsache sonnenklar ist, die für alle zukunft malsgebende codification der nationalen poesie, zu der mit recht auch Platon gerechnet war. so etwas zu erreichen erfordert mehr als philo- logie. es fordert die einsicht, dafs auf die lösung der aufgabe mehr an- kommt als auf die tausend bedenklichkeiten, ob es so oder so besser wäre; den mut, dem besserwissen der faulen und undankbaren nachwelt zu trotzen, die das gute gedankenlos nutzt und zugleich schilt, weil es nicht das bessere, ist; den sicheren nie zu lernenden blick für das wesentliche; endlich die energie des willens, die durch die riesenhaftig- keit der arbeit immer neu gestärkt wird. auch wenn Aristophanes ein gewalttätiger kritiker gewesen wäre (solch einer löst freilich erfahrungs- gemäls keine grofsen aufgaben), so würde sein andenken gesegnet werden müssen: und wir dürfen doch glauben, dafs er ein kritiker wie Bekker war. Ausgabe der Dafs Aristophanes für die tragiker dieselbe bedeutung hat wie für die Iyriker ist nicht überliefert. dennoch ist es ganz unzweifelhaft. vor

Aristophanes von Byzanz. ὑποϑέσεις. 145

ihm gibt es keine philologische beschäftigung mit ihnen; er eröffnet die reihe der grammatiker, welche sich ihrer erklärung widmen, und steht unter diesen selbst für unsere kenntnis in der vordersten reihe. die tragikerkritik setzt eben so gut wie die Pindars einen festen text voraus, über welchen hinaus die forschung kaum je geht, dann aber in völliger finsternis tappt”). die einteilung nach xwA« ist auch im drama durch- geführt. also irgend jemand hat für dieses dasselbe geleistet wie Aristo- phanes für die lyrik: man kann an keinen andern als ihn denken. und eine deutliche spur ist auch erhalten geblieben, welche allein schon auf eine grundlegende ausgabe des Aristophanes führen würde, die ὕπο- ϑέσεις. dals Aristophanes den dramen eine kurze vorbemerkung vor- gesetzt hätte, vergafs man bis in die späteste zeit nicht. sein name blieb diesen vorsatzstücken, die zu dem drama so notwendig gehörten, dals der verfertiger des Okypus seiner parodie auch eine hypotbesis, zum teil in aristophanischen formeln, vorausgeschickt hat. selbst als man, wahrscheinlich im 2. jahrhundert n. Chr., wo die lateinische grammatik solche spielereien treibt”), den inhalt. der tragödien und komödien in schlechte verse fafste,. haftete an diesen der alte berühmte name”). mit einem commentar hängen die ὑποθέσεις nicht zusammen; das zeigt aulser Terenz und Plautus die reihe der scholienlos überlieferten euri- pideischen dramen, vor denen sich nicht nur ὑποϑέσεες, sondern selbst reste aristophanischer gelehrsamkeit, allerdings ohne den namen, erhalten haben”). hieraus und übrigens aus dem ganzen inhalte der gelehrten notizen ergibt sich, dafs Aristophanes die ausgabe, welcher er sie beigab, für das publicum bestimmt hatte, nicht für die philologen.

34) Nur der tüchtige forscher Asklepiades (um 150) hat in Athen nach über- schenen handschriften gesucht, schol. Ar. Frö. 1344. wenn einer von der attischen schrift redet, so zeigt er nur, dafs er von ihr überhaupt nichts weils (schol. Phoen. 682). nicht besser ist meistens, was von den schauspielern ausgesagt wird. wo παλαιά, ἀναγκαιότερα ἀντίγραφα u. dgl. citirt werden, sind fast immer viel spätere zeiten gemeint, nirgend ist man veranlafst über Aristophanes zurückzugehen.

35) Die didaskalien, welche den römischen schauspielen im 1. jahrhundert v. Chr. vorgesetzt sind, sind natürlich nach dem vorbilde der aristophanischen vor- bemerkungen verfertigt, die damals in den griechischen texten standen.

36) Die letzte spur ist wol, dafs in den Statiusscholien XII 610 der inhalt des

ὑποϑέ- σεις.

Oid. Kol. dem Aristophanes zugeschrieben wird. denn in dieser gegend der litteratur

ist eine vertauschung der dichternamen nicht wahrscheinlich.

37) Aufser formelhaften, also nicht für den aristophanischen ursprung beweisen- den, wendungen steht zu den Hiketiden die aesthetische kritik τὸ δρᾶμα ἐγκώμιον Adnvov. die Bakchen zeigen auch durch die erhaltung des aristophanischen namens, dafs sie nicht in diese classe von tragödien gehören.

τ, Wilamowlız 1. 1

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146 Geschichte des tragikertextes.

Die anregung und sehr vielfach auch den stoff hat er von den peri- patetikero entlehnt. so wenig wie ihnen war es ihm darum zu tun, den inhalt des folgenden stückes zu erzählen; was wir der art lesen, sind erzeugnisse späterer zeit, die mit den mythographischen hand- büchern zusammengehören. es werden vielmehr nur ganz kurz und nur dem im allgemeinen unterrichteten verständlich die hauptereignisse der folgenden handlung bezeichnet”). aufserdem folgt der litterarische nach- weis, ob und wo derselbe stoff von den beiden anderen tragikern oder auch überhaupt behandelt war”). damit verband sich nötigenfalls eine erörterung über echtheit und integrität des vorliegenden dramas. sodann ward aus den schriften des Aristoteles und seiner schule der auszug aus den amtlichen aufzeichnungen hingesetzt, welcher jahr fest erfolg con- currenten der ersten aufführung angab. zum teil nach denselben büchern ward eine aesthetische würdigung gegeben, teils ganz kurz, wie z. b. von Euripides stücke erster und zweiter classe unterschieden werden, teils in ausführlicherer begründung, auch mit hinweis auf die älteren kritiker. endlich ersetzte die angabe des ortes der handlung, der zusammensetzung des chores und der person, die den prolog sprach, vollkommen ein per- sonenverzeichnis, das nicht üblich und in der tat ganz entbehrlich war. nützliche gelehrsamkeit ward gelegentlich hier oder dort zugefügt”). die reihenfolge der teile ist in unserer überlieferung nicht fest; auch kann man nicht alles mit gleicher sicherheit auf Aristophanes zurückführen, da die grammatiker, welche nach ihm einzelne stücke herausgaben, auch an den vorbemerkungen änderten *), und auch solche zusätze ihren weg in die

38) Wenn ein stück Φοένεσσαι hiels, so war eine solche bemerkung in der tat angezeigt, wie er sie macht: ἐπεστρατεία Πολυνείκους μετὰ τὼν Apyslav dns Θήβας καὶ ἀπώλεια τῶν ἀδελφῶν Πολυνείκους καὶ ’Ersoxisovs καὶ ϑάνατος 'loxa- στης, und doch ist der ausdruck hier von einer redseligkeit, die den überarbeiter zeigt. auch die vergleichenden bemerkungen forderten diese angaben, wie denn die Phoe- nissen fortfahren 7 μυϑοποιέα παρ᾽ Alayvio ἐν Ἕπτ᾽ ἐπὶ Θήβας πλὴν τῆς ᾿Ιοκάστης-

385) Diege noliz, sap’ οὐδενὶ κεῖται μυϑοποιία, steht vor dem Orestes, dessen absonderliche erfindung diese besondere hervorhebung wol verdient.

39) So steht über den sprecher des prologs eine gelehrte ποι zum Aga- memnon; öfter sind auch reste der hypothesis in die scholien verschlagen, so am schlusse der Antigone und am anfange des Philoktet über die euripideischen con- currenzstücke, zu Hek. 1 za περὲ Πολνξένην ἔστιν οὑρεῖν παρὲ “Σοφοκλεῖ dv Πολυ- ξένῃ (so zu lesen). das aesthelische urteil über den Orestes steht zum teil auch am schlusse, auch die kritik des aischyleischen concurtenzstückes Ai. 134 dürfte aus der hypothesis stammen.

40) So ist unsere hypothesis zum Rhesos geschrieben von dem welcher die echtheit des dramas behauptete, und der nahm dabei die auf, welche der von ihm

Aristwphanes von Byzanz. textkritik. 147

publicirten texte fanden: schon Ovid hat unsere erhaltene hypothesis | der Medeia, welche den Rhodier Timachidas“) citirt, in seinem Euripides- exemplar gelesen“). um so deutlicher wird die macht des aristophanischen vorbildes und die weite geltung dieser grammatischen sitte.

Von den hilfsmitteln und der methode, welche Aristophanes für die Textkritik. recensio der tragiker zu gebote standen, wissen wir so gut wie nichts. texte der meisten dramen mulsten in grofser zahl in der bibliothek liegen, und die könige setzten ihr geld und ihre diplomatie dafür ein, dafs wert- volle handschriften, 2. b. das Iykurgische exemplar aus Athen, für Alexan- dreia gewonnen wurden®). wenn wir bedenken, dafs Aristophanes in seinen Homertext sehr viele verse aufgenommen hat, die Zenodotos gar nicht geschrieben hatte und er selbst für unecht hielt, so dürfen wir uns nicht wundern, dafs so viel unechte verse in den dramen stehen, dürfen aber zugleich keinesweges glauben, dafs Aristophanes sich über dieselben immer getäuscht hätte). auch doppelte recensionen, die nicht selten sind, hat er erweislich zuweilen trotz richtiger einsicht aufgenommen“*). wir

bekämpfte grammatiker geschrieben hatte, der den Rhesos verwarf. dieser erst hat den Aristophanes benutzt.

41) Timachidas war noch dichter, verfasser eines vielbändigen epischen δεῖπνον, glossograph und verfasser von commentaren zur Medeia, den Fröschen und dem Κόλαξ u des Menandros (Et, M. [Sorb.] xagadoxa). seine zeit steht nicht fest; man möchte ihn in das 2. jahrhundert setzen.

42) Das hat Robert (Bild und Lied 231) sehr schön aus Metam. VII 159—296 ermittelt,

43) Galen XVII 607.

44) Z. Ὁ. Vög. 1343, ein vers, den andere mit recht gar nicht schrieben. in ganz interpolirter gestalt ist die letzte scene der Frösche überliefert, wo Aristophanes den trug, wie es scheint, gar nicht, Aristarch zum teil durchschaut hat. man wundert sich in der tat, dafs so üble dittographien und zusätze sich haben halten können; leider finden sie jetzt sogar verteidiger. zu streichen sind 1429, 1432, 1437—41, 1446—48, 1452. 53 (1455. 6 ist abzuteilen 410. πόϑεν; μισεῖ κάκιστα. AI. τοῖς πονηροῖς δ᾽ ἥδεται; 410. οὐ δῆτ᾿ ἐκείνη γ᾽, ἀλλὰ χρῆται πρὸς βίαν. AI.) 1462-66, 1478.

45) Frö. 153; anders wird er es mit den sinnlos wiederholten versen in Eur. Medeia und Phoenissen auch nicht gehalten haben. gerade die existenz von ditto- graphien beweist in der griechischen wie in der römischen dramatischen poesie, dafs unsere überlieferung auf die ausgabe von gelehrten zurückgeht, welche die ver- schiedenen fassungen, die sie in den handschriften einzeln vorfanden, neben einander gerückt haben. denn nur das zusammenarbeiten der vorher gesonderten fassungen kann sie vereinigt haben. sehr oft wird ein kritisches zeichen zuerst gesetzt ge- wesen sein. hätten diese herausgeber die anmerkung als eine berechtigte eigentüm- lichkeit wissenschaftlicher schriftstellerei gekannt, so würde der gang der textge- schichte ein ganz anderer geworden sein, würden übrigens z. b. auch Aristoteles ethik,

10*

148 Geschichte des tragikertextes.

werden ihm auch dafür dankbar sein. denn sein bestreben war offenbar, möglichst wenig von dem überlieferten umkommen zu lassen. und doch liegt es in der natur der sache, dafs sehr vieles unterdrückt werden mulste, nicht blofs einzelne lesarten, da ja die ausgaben keinen kritischen apparat enthielten, sondern verse und versreihen. wie hätte das gegenüber schau- spielerredactionen anders sein sollen? wirklich hat Aristophanes die beiden unechten prologe des Rhesos ganz unterdrückt. so sehr wir also auch wünschen würden, mit dem apparate, der ihm zur verfügung stand, selbst zu arbeiten, so dürfen wir uns doch dazu glück wünschen, dafs der text, der für uns genau so wie im Homer auch im drama zunächst anzu- streben ist, der der Alexandriner, ein so vorsichtig festgestellter ist. auf die torheit, bei ihm stehen zu bleiben, ist glücklicherweise niemand ver- fallen, obgleich der schade geringer wäre als im Homer.

Verteilung Eine gesammtausgabe würde ihren zweck verfehlen, wenn sie nicht durch eine feste ordnung die erhaltung des gesamımtbestandes der werke sicherte, wenn also z. b. die tragödien, weil eine jede für ein buch besser zureicht als ein gedicht von Stesichoros, vereinzelt publicirt wurden und vereinzelt blieben. tatsächlich haben denn auch die herausgeber aus diesen lediglich praktischen rücksichten etwas unseren “bänden’ ent- sprechendes eingeführt, eine mittelstufe zwischen der summe der werke und dem einzelnen stücke oder buche. wir sehen in der zeit des ent- falteten litterarischen lebens einzelne vielschreibende schriftsteller schon selbst dafür sorgen und ihre bücher in gruppen von 5 oder 10 oder wie viel ihnen beliebt zusammenfassen. die historiker Dinon von Kolophon und Deinias von Argos nannten das eine σύνταξις). die werke des Chrysippos wurden ebenfalls in συντάξεις gesammelt, doch wol schon bei seinen lebzeiten oder bald danach; denn lange konnten sich diese massen schlechtester prosa nicht halten, und der buchhandel blühte damals in Athen‘). die ebenso ungeheure und unlesbare masse des Epi-

politik, psychologie ganz anders aussehen. und der Homer würde den hexaplarischen bibelhandschriften noch viel ähnlicher sein, als er es jetzt ist.

46) Δίνων ἐν a’ τρίτης συντάξεως schol. Nik. Th. 613. 4εενέας ἐν 9 πρώτης συντάξεως, ἐκδόσεως δὲ δευτέρας schol. Eur. Or. 872. später kommt das wort ab. Erotian in der vorrede braucht es abwechselnd und gleichbedeutend mit βεβλέον. Anaximenes schliefst seine rhetorik mit der aufforderung, in der rede ἐκ τῆς προτέρας συντάξεως γυμνάξεσϑαε, bezeichnet also sein werk damit. da ist es noch ganz gleich einem ἐξ ὧν πρότερον συντετάχαμεν.

47) Lykon, gestorben 224, übergibt seinen nachlafs einem Kallinos zur publi- cation in seinem testamente (Diog. V 73). wir ersehen aus demselben, dafs dieser mit dem peripatetischen schulhaupte befreundet und in Hermione heimatberechtigt

Aristophanes von Byzanz. verteilung in bände. 149

kurischen nachlasses war auf κύλενδροι verteilt“). den des Antisthenes gliederte man nach τόμοι, den platonischen verteilte Aristophanes in τριλογίαι 5). das bei den Byzantinern gewöhnliche wort τεῦχος findet sich wenigstens in der augusteischen zeit für die vereinigung von fünf büchern Iyrischer gedichte”). auch wenigstens für einen dramatiker ist die einteilung kenntlich. Apollodoros von Athen hat die gedichte des bisher vernachlässigten Epicharm auf 10 τόμοε verteilt. da nicht fest- steht, ob Apollodor die umfängliche pseudepicharmische, epische und prosaische, litteratur aufnahm, ist nicht sicher zu sagen, wie viel stücke auf einen τόμος kamen; indessen führt die beste angabe, 40 komödien, darunter 4 bestrittene®'), auf die tetralogie, und man darf sie als wahr- scheinlich betrachten). Porphyrios, der die angabe über Apollodor macht um seine enneaden zu begründen (vit. Plotin. 24), wulste nichts mehr von τόμοι der tragiker. aber wir werden nicht bezweifeln, dafs

war. Lukian (advers. indoct. 1. 24.) erwähnt die Διβλεογράφοε Atticus und Kallinos als die verfertiger der schönsten alten bücher. der athenische verlag des Atticus ist aus Ciceros correspondenz, die ‘Arrıssava sind aus den grammatikern bekannt: Kallinos werden wir auch nicht zögern zu identifleiren.

48) Diogenes X 26. die einzelnen bücher können nicht gemeiut sein, denn für sie wäre die zahl 300 viel zu niedrig: von Aristoteles zählt das hesychische verzeichnis mehr als das doppelte. auch waren die bände Epikurs wie die des Livius besonders schwer (Seneca ep. 46, 1 Usener Epicurea 87). das trifft auf die livia- nischen bücher nicht zu, erklärt sich vielmehr daraus, dafs er nach dekaden oder doch pentaden publicirt hatte, eine einteilung, die unsere überlieferung noch fest hält. entsprechendes hat man für Epikur anzunehmen.

49) Hier war die rücksicht mafsgebend gewesen, dafs Platon zwei trilogien innerlich und formell verbundener dialoge verfafst hatte. da sich darunter der Staat als ein buch neben dem Kritias befand, war an gleiches gewicht der bände nicht zu denken. und Aristophanes hat denn auch kein bedenken getragen, die Epinomis neben die Gesetze, jedes als eine nummer, zu setzen.

50) Krinagoras Anth. Pal. IX 239. das gedicht ist so zerstört, dafs man nicht sicher erkennen kann, was eigentlich die fünf bücher Iyrische gedichte waren. einen sammelband mehrerer gedichtbücher erwähnt Catull 14.

51) Anon. de com. 3, der ausdrücklich die σῳζόμεναε angibt. 35 zählte vor Apollodor der Pythagoreer Lykon, das harmonirt mit Apollodor ganz gut. 52 bei Suidas ist dem gegenüber zu verwerfen.

52) Daran ist nicht zu denken, dafs etwa 4 epicharmische komödien die länge einer attischen ausgemacht hätten. denn die dicke des bandes entscheidet über- haupt nicht, und wenn auch die sicilischen possen zweifellos kürzer als die komödien waren, 80 ist ihre gröfse doch ganz unschätzbar, konnte sich übrigens, da das vor- waltende versmals trochäische tetrameter waren, ja zwei ganze komödien aus ana- paestischen tetrametern bestanden, in der schrift möglicherweise ganz anders stellen als die summen der in unserer weise gezählten verse es ergeben würden.

Erklärung.

150 Geschichte des tragikertextes.

Apollodor der weise seiner lehrer folgte. dazu tritt nun ein wichtiges zeugnis. ein bücherkatalog aus Atben (CIA 11 992) zählt unter anderem euripideische tragödien auf; sie sind nach den anfangsbuchstaben der namen geordnet, doch so, dafs erst alle mit 3, dann alle mit ©, 4, II, dann vier mit 4, einige mit E anfangende auf einander folgen. wir sehen also die ordnung κατὰ στοιχεῖον, wie sie auch die zahlreich er- haltenen verzeichnisse von dramen zeigen, aber in der eigentümlichen weise modificirt, dafs die mit demselben buchstaben im titel beginnenden dramen eine einheit bilden, diese einheiten aber nicht mehr die buch- stabenfolge des alphabetes inne halten. den grund der anomalie vermag man nicht wol zu erraten; so viel aber ist klar, dafs die buchstaben nicht die rouoı bilden konnten, sonst hätten mehrere τόμος nur eine tragddie umfafst. und da von _4, welches die meisten enthält, zwischen Π und E vier tragödien eingezwängt sind, so liegt auch hier die tetralogie zum mindesten sehr nahe. und das mulste sie von vorn herein für den heraus- geber tun, der unter den aischyleischen dramen eine anzahl wirklich inhaltlich zusammengehöriger und zugleich gegebener tetralogien vorfand, von welchen z. b. der Prometheus“) selbst nur den einen titel für die drei tragödien bot. man mag vermuten, dafs diese tetralogien zuerst als ein τόμος vereint blieben, wie sie wol zum teil auch überliefert waren, und dann bei Euripides und auch Sophokles“), wo der inner- liche zusammenhang fortfiel oder zurücktrat, ein compromifls zwischen dieser einteilung und der ordnung nach dem anfangsbuchstaben getroffen ward. indessen bleibt das einzelne zunächst noch ganz unsicher; wichtig aber ist die erkenntnis des einteilungsprincipes im ganzen, und sie wird sich später noch in wichtigen folgen bewähren”).

Auch die reihe der commentatoren beginnt Aristophanes. daraus folgt, dafs er im Museion tragiker erklärt hat, ebenso wie auch epiker lyriker und komiker. denn für die älteste grammatik gilt‘'noch ebenso wie für die

53) Der erhaltene Prometheus stand in der ausgabe, für welche schol. 511 geschrieben ist, noch im verbande der trilogie, denn der Avöusvos heifst τὸ dns δρᾶμα. angeführt wird auch das dritte stück, 94. auch die erhaltene Orestie dürfte der veranstalter unserer auswahl nicht erst selbst zusammengestellt, sondern im selben bande vereint gelesen haben.

54) Auch von diesem stehen einige mit gleichem buchstaben beginnende tragödien- namen auf dem steine CIA II 992.

55) Zwei notizen scheinen darauf zu führen, dafs die tragödien auch eine laufende nummer führten, in der hypothesis der Alkestis τὸ δρᾶμα ἐποιήϑη ıL', und in der der Antigone λέλεκται δὲ τὸ δρᾶμα τοῦτο τριακοστὸν δεύτερον: aber sie haben sich bisher jeder deutung entzogen.

Aristophanes von Byzanz. erklärung. 151

peripatetiker die wechselwirkung von mündlicher lehre und schriftstel- lerei**): sie schreiben ὑπομνήματα, und man schreibt sich nach ihren vorträgen ὑπομνήματα. proben von der conjecturalkritik des Byzantiers sind freilich zu den tragikern nicht mehr beizubringen, weil ihre scholien sehr viel dürftiger sind als die zu dem Athener Aristophanes. indessen ist doch an einer stelle so viel erhalten, dafs etwas wichtiges sich erschliefsen läfst. in den scholien zum Orestes ist ein Örröuynua des Aristophaneers Kallistratos benutzt, und da dieser einmal als gewährsmann für eine lesart seines lehrers angeführt wird ®), so darf man auch die andern, eben auch in diesem drama allein häufigeren, Aristophanescitate”) auf die rechnung seiner vermittelung setzen. darunter ist nun eine sehr merkwürdige notiz. Aristophanes rechtfertigt eine lesart durch berufung auf Stesichoros, der die von Euripides gewollte situation erkläre). unzweifelhaft gehört ihm dann auch eine weitere stelle, wo ebenso Stesichoros die absicht des Euri- pides erläutert”). hier aber richtet sich die spitze der bemerkung gegen

55°) Für den betrieb der philologischen studien in Alexandreia sind wir auf rückschlüsse angewiesen, da directe zeugnisse fehlen. nun hat man ja das richtige aus der anwendung der kritischen zeichen, welche mündliche belehrung zur ergänzung fordern, aus den ὑπομνήματα und namentlich aus der παράδοσις, wie sie z. b. in betreff der aristarchischen vocabelerklärung fest steht, geschlossen. es ist aber doch sehr belehrend, auf dem gebiete der mathematik im rhestachoterischen und exote- rischen schulbetrieb hineinzusehen. die vorreden, welche Apollonios von Perge seinen einzelnen büchern über die kegelschnitte vorausschickt, gewähren diesen ein- blick, und die tiefe und klare würdigung, welche Zeuten jüngst diesem werke hat zu teil werden lassen, wird dem philologen auch dann wichtig, wenn er dem mathe- matiker auf sein gebiet nicht zu folgen vermag. für diesen ist es kein geringes lob, dafs er, ohne kenntnis von den geschichtlichen bedingungen zu haben, die verhält- nisse genau so gezeichnet hat, wie sie umfassende geschichtsbetrachtung kennen lehrt, von der leider die meisten philologen noch weit entfernt sind.

56) 1038; aufserdem von Kallistratos 314 zeugnis für eine lesart, 434 eine aporie. schlüsse auf seine eigene leistung und tendenz sind daraus nicht zu ziehen.

57) 713 eine lesart; 489 ist nur noch der name da. er galt einer erklärung.

58) 1287 (p. 214,15 Schw.) “4ρ. γράφει ᾿ἐκκακώφωνται ξίφη" annalves γὰρ ὅτι sis τὸ κάλλος Elevns ἀποβλέψαντες ἀνεπαίσϑητοι ἔμδειναν καὶ εἴασαν τὰ ξίφη. das erhält erst eine pointe durch die andeıe fassung (z. 6) ἄρα εἰς τὸ Ἑλένης κάλλος βλέψαντες οὐκ ἐχρήσαντο τοῖς ξίφεσιν; οἷον καὶ Στησίχορος ὑπογράφει κτέ.

59) 269 Στησιχόρῳ ὁπόμενος τόξα φησὶν αὐτὸν εἰληφέναι παρὰ ᾿Απόλλωνος. ἔδει οὖν τὸν ὑποκριτὴν λαβόντα τοξεύειν" οἱ δὲ νῦν ὑποκρινόμενοι τὸν ἥρωα αἰτοῖσε μὲν τὰ τόξα, un δεχόμενοι δὲ σχηματίζονται τοξούεεν. Stesichoros wird auch 249 zur erläuterung der fabel citirt und 46 bei besprechung des ortes, wo Euripides die fabel spielen läfst. es liegt nahe auch diese stellen auf Aristophanes zu beziehen. indessen hat über die quellen des Euripides auch der kyklograph

182 Geschichte des tragikertextes.

die praxis der schauspieler, wie sie zu zeiten des verfassers auf der bühne in geltung war. und von dieser in keinen anderen scholien vorhandenen kategorie gibt es zum Orestes eine reihe bemerkungen, welche die gesti- culation‘®), die sangweise®'), die neigung für entfaltung von pomp®), die selbst vor einem einschube nicht zurückschreckende sorge für die eigene bequemlichkeit®) an den schauspielern tadeln. das bestätigt sich weiter

Dionysios gehandelt 995, vgl. 872. diese mythographische gelehrsamkeit wird man nicht trennen dürfen. auch das verhältnis zu Homer gehört dahin, 39, 256.

60) 643 τούτου ῥηθέντος αἴρουσιν οἱ ὑποκριταὶ τὴν χεῖρα, αἷς τοῦ Μενελάου ἀγωνιῶντος κτέ. εὐήϑης δὲ ἐστιν [Ὁ] τοιαΐτης ὑποψίας ἀντιλαμβανόμενος (6) Με- νέλαος. das scholion ist aufser im Et. Gud. 79, 19 auch in den proleg. zu Hermogenes IV 7 Walz ausgeschrieben.

61) 176 τοῦτο τὸ μέλος ἐπὶ ταῖς λεγομιέναις νήταις aderas καί ἐστιν ὀξύτατον. ἀπέϑανον οὖν τὴν Ἤλόέκτραν ὀξείᾳ φωνῇ κεχρῆσϑαει, καὶ ταῦτα ἐπιπλήσσουσαν τῷ χορῷ. ἀλλὰ κέχρηται μὲν τῷ ὀξεῖ ἀναγκαίως, οἰκεῖον γὰρ τῶν θρηνούντων, λεπτότατα δὲ ὡς ἔνε μάλιστα. davon dafs des dichters absicht die oder die ge- wesen wäre, weils der verfasser nichts: nur die praxis, wie sie auf der bühne ist, kennt er. ganz so Dionysios, der de comp. verb. 11 den anfang desselben liedes zum beispiele wählt. φδικὴ Μοῦσα ... τὰς λέξεις ταῖς μέλεσιν ὑποτάττειν ἀξιοῖ, ... αἷς... δῆλον ἐκ τῶν Εὐριπίδου μελῶν & πεποίηκε τὴν Ἤλέκτραν λέγουσαν. Euripides hat Elektra die μέλη “sagen’ lassen. den gesang schuf die αδικὴ Μοῦσα, oder, wie Aristophanes sagt, sie werden so und so gesungen. übrigens ist die stelle noch in anderer weise für die schauspieler sehr merkwürdig. unsere hand- schriften und scholien geben 140. 1 dem chore, wie wegen der responsion nötig ist. aber nicht nur Dionysios, sondern auch eine sehr gute anekdote von Kleanthes (Diog. 1V 172), gibt sie Elektra; so war also die bühnenpraxis. dann können diese gewährs- männer aber v. 136—39 nicht gehört haben, denn das ist offenbar eine dittographie zu 140. 1; ja wir vermögen nun erst die verderbnis von 141 mit Eimsley sicher zu heilen (μὴ ἴστω κτ΄πος für μηδ᾽ ἔστω κτύπος aus 137). die schauspieler verhelfen uns hier also zur entfernung einer in den gelehrten texten befindlichen dittographie. was sie änderten, lief darauf hinaus, dafs der sänger erhielt was eigentlich dem chore gehörte. das begreift man leicht. aber auch die verse 135—39 sind auf der bühne entstanden, nur einer anderen: sie fordern entweder die beseiligung des chorliedes, oder doch seines anfanges, oder aber sie sind gedichtet um den sinn der chorverse deutlich zu machen, als die musik in gewohnter weise die worte unverständlich gemacht hatte,

62) οὐκ ὀρϑῶς νῦν ποιοῦσί τινες τῶν ὑποκριτῶν πρὼ δἰσπορενομένην τὴν Ἑλένην καὶ τὰ λάφυρα. ῥητῶς γὰρ αὐτὴν νυκτὸς ἀπεστάλθαι φησίν, τὰ δὲ κατὰ τὸ δρᾶμα ἡμέρᾳ συντελεῖται. man liefs also Helene während des prologes mit einem iriumphzuge, beutestücken, sclavinnen etc. auf die bühne kommen, während der dichter sie bereits bei nacht, vor beginn seines stückes, hatte kommen lassen.

63) Der eunuch sagt 1369, er wäre der ermordung entflohen κεδρωτὰ naszadam ὑπὲρ τέραμνα Δωρικάς Ta τριγλύφους, also durch einen sprung vom dache, vorher gehen drei verse des chores, worin in üblicher weise das knarren der türe und heraustreten des Phrygers notificirt wird. das vorzügliche scholion hebt den wider-

Die zweite periode der textkritik. 153

dadurch, dafs bei einer zu zwei stellen anderer dramen angemerkten diffe- renz zwischen dem texte und der inscenirung einmal Aristophanes namhafl gemacht wird“). es wird also kein vorschneller schluls sein, wenn wir annehmen, dafs Aristophanes in das schauspielhaus gegangen ist, um die tradition der bühne für die exegese des textes nutzbar zu machen®). es ist begreiflich, dafs der erste erklärer das tat: die folgezeit hat eine be- lebung der anschauung durch die bühne so wenig gekannt wie eine fort- gesetzte textverderbnis durch dieselbe**). auch hieran sieht man so recht, dals Aristophanes eine neue periode eröffnet.

Diese zweite periode der textgeschichte umfalst etwa drei jahrhunderte,

spruch hervor und stellt die sichere vermutung auf, die drei verse wären von den schauspielern eingelegt οἵτινες ἵνα ur; κακοπαϑῶσιν ἀπὸ τῶν βασιλείων δόμων καϑαλλόμενοι, παρανοίξαντες ἐκπορεύονται τὸ τοῦ Φρυγὸς ἔχοντες σχῆμα καὶ πρό- σωπον. eine ähnliche interessante schauspielerinterpolation ist Aisch. Eum. 405. Aischylos in seiner einfachheit liefs Athene von der Troas nach Athen durch die luft fliegen, ohne fittiche, aber so dafs sich fittichgleich die Aegis blähte, πεορῶν ἄτερ ῥοιβδοῦσα κόλπον aiyidos. das genügte dem bedürfnis nach sinnenreiz nicht mehr, das die spätere zeit zu befriedigen wufste, und schien wol auch der göttin nicht würdig. so fuhr Athene auf ihrem streitwagen durch die luft auf die bühne, und dafür ward der vers eingefügt πώλοις ἀκμαίοις τόνδ᾽ ἐπιζεύξασ᾽ ὄχον.

64) Hipp. 172 τοῦτο σεσημείωται τῷ Agıoropavaı, ὅτε καίτοι τῷ ἐκκυκλήματι χρώμενος τὸ ἐκκομίζουσα προσέϑηκε περισσῶς. Alk. 234 οὐκ εὖ" κατὰ γὰρ τὴν ὑπόϑεσιν as ἔσω πραττόμενα δεῖ ταῦτα ϑεωρεῖσϑαι. die form dieser notiz ist entstellt, ähnlich wie die geringeren fassungen des Hippolytosscholions. die sache verhält sich so. man stellte die scenen so dar, dafs das ekkyklema zur anwendung kam, also die kranke Phaidra und die sterbende Alkestis im zimmer blieben. das ist der sache eigentlich allein angemessen, und deshalb glaubte Aristophanes den dichter tadeln zu müssen, der trotzdem beide male ausdrücklich angibt, dafs die kranken ins freie gebracht würden. wir werden natürlich umgekehrt urteilen, dafs Euripides ein ekkyklema nicht beabsichtigt hat und sich wol oder übel mit den verhältnissen seiner bühne beholfen hat. aber ein heutiger regisseur würde gut tun lieber dem antiken collegen zu folgen als dem dichter. es liegt nahe die anweisungen für das spiel, die vereinzelt gegeben werden (Hipp. 215 tout d’accord avec madame Rachel, fügt Weil hinzu) auch auf Aristophanes zurückzuführen. natärlich nicht solche, wo der grammatiker durch ein iows selbst eingesteht, dafs für ihn das drama nicht mehr auf der bühne existirt, schol. Soph. OT. 41. 80. 1297. auch wenn über das umcostümiren geredet wird, ist die verkehrtheit der bemerkung beweis genug, dafs das am schreibtisch ausgedacht ist, schol. Soph. OT. 147, E. Phoen. 93.

65) Über die bühnenwirksamkeit urteilt er in den hypothesen zu Orestes und Phoenissen ganz unbefangen, ohne seine gesunde kritik der dichtung dem gegenüber zu verleugnen.

65°) Leo verweist mit recht auf den Donatcommentar zu Terenz, wo die rück- sicht auf die bühne noch viel deutlicher hervortritt. natürlich geht das auf sehr viel ältere erklärer zurück; Leo vermutet, auf Probus.

Die zweite periode der textkritik.

Aristarch.

154 Geschichte des tragikertextes.

vom fünften Ptolemaeer bis auf Hadrian, und läfst sich bezeichnen als die zeit des wirklich grammatischen studiums. sie ist in ihrer studien- richtung uns modernen vergleichbar. die beschäftigung mit den tragikern ist sehr rege und productiv an büchern, von denen aber sehr wenig auf die nachwelt kommt, denn ein commentar verdrängt den andern, eine special- ausgabe die andere. das verdienst dieser zeit liegt auf dem gebiete der kritik lediglich in der conservirung des aristophanischen textes und der sicherung des verständnisses, so weit es die einzelnen worte und sätze des dichters angeht. tieferes eindringen in die kunstwerke ist fast nirgend vorhanden, und selbst der versuch wird nicht häufig gemacht. die con- jecturalkritik hat so gut wie gar nichts gutes geleistet, würde aber viel verdorben haben, wenn ihre einfälle bestand gehabt hätten.

Neben Kallistratos, den die verehrung für seinen meister in die hef- tigste fehde mit Aristarch verwickelte, wird man diesen vor allem als erklärer tätig zu sehen erwarten. sein schüler Dionysios Thrax sagt, er hätte die ganze tragödie auswendig gekonnt*), und dafs er ὑπομνήματα verfafst hat, steht fest. aber es ist nicht nur so gut wie gar nichts er- halten, man spürt auch nichts von seinem einflufs, oder doch nichts was den tragikern nützte. denn dafs wir seine homerischen ductrinen nicht selten in den scholien der tragiker vorgetragen finden, nützt für das verständnis der vorliegenden stellen nicht das mindeste. oder was läge daran, dafs wir lernen, Homer unterscheide im gegensatze zu den attikern οὐτάσαι und βαλεῖν"); und gar die mythographische erudition würde ganz zu grunde gegangen sein, wenn die aristarchische mode durchge- drungen wäre, blofs den unterschied der νεώτεροι vom ποιητής einzu- schärfen®). gewils wird Aristarchs besonnene exegese auch hier sehr

66) Et. M. Διονύσιος Θρᾷξ. das ὑπόμνημα “τυκούργον Αἰσχύλον citirt schol. Theokr. 10, 18.

67) Schol. Androm. 616, Hipp. 683, Ar. Ach. 345.

68) Z. b. schol. Hek. 3. 4. 1279. eine anzahl solcher stellen ist gesammelt in der sonst unbrauchbaren arbeit von Barthold de scholiorum in Eur. fontibus Bonn 1864 p. 12. ganz ähnliches findet sich auch in den Pindarscholien, Horn de Ar. stud. Pindar. Greifswald 1883, p. 76. vereinzelt findet sich auch eine solche be- ziehung auf Aristophanische lehren; Phoen. 886 und Tr. 44 (zu lesen asonasioras εἷς [καὶ cod.) μηκέτε αὐτῆς οἰκουμένης) beziehen sich auf seine homerischen arbeiten, auf seine παροιμέαε schol. Soph. Ai. 746, auf seine As&sss Phoen. 684, häufig wird sein συγγενεκόν stillschweigend berücksichtigt, z. b. Hipp. 634 Alk. 988 Pind. Ol. 9, 96: aber dies buch ist bis in byzantinische zeit in gebrauch gewesen und von den lexikographen reichlichst ausgenutzt, also konnten solche bemerkungen jederzeit aufgenommen werden und für die tragikercommentare des Aristophanes beweisen sie gar nichts.

Aristarch. ὑπόμνημα zum Rhesos. 155

viel gutes haben stiften können, und die einzige stelle, wo sein name erscheint‘), zeigt ihn auch als den verteidiger des wahren. entsprechend steht es im Pindar; aber ebenda ermilst man leicht die schranken seines könnens. die vollkommene anistoresie, die für seine philologie charakte- ristisch ist, rächt sich empfindlich. so hat er im Aristophanes, wo seine eigentümlichen vorzüge sich noch weniger entfalten konnten, nur wenig geleistet. und auch die tragiker haben von ihm und seinen nächsten an- hängern wenigstens keine kenntliche förderung erhalten.

Unsere überlieferung über die leistungen der einzelnen grammatiker des zweiten und ersten jahrhunderts ist aber überhaupt so dürftig, dafs wir von keinem einzigen benannten manne eine vorstellung gewinnen können. es hilft wenig, dafs Krates ein par mal genannt wird”), Tima- chidas zur Medeia einige scharfe zurechtweisungen erhält”'), Parmeniskos, dieser ein Aristarcheer, in irgendwelchen büchern textkritische und exe- getische fragen zu Rhesos, Troerinnern, Medeia behandelt, und ein und der andere name, vorzüglich in aporieen, genannt wird’”®). sehr viel deut- licher als aus diesen zerstümmelten einzelheiten lernt man, was die antike philologie leisten konnte, durch zwei ὑπομνήματα, die zwar anonym bleiben, aber dafür in ihrer ganzen art kenntlich sind. das eine ist ein commentar zum Rbesos, den citaten nach aus dem ersten jahrh. v. Chr., ὑπόμνημα wol dem angehenden-, welcher den nachweis liefern wollte, dafs dieses sum Aheson, drama unecht wäre. das verschob sich, wie es zu gehen pflegt, zu dem versuche, das stück als an sich schlecht zu erweisen, wodurch der rich- tigen tendenz nur abbruch getan ward. jetzt erscheinen die kritischen bemerkungen verzettelt als erklärungen zu kritischen zeichen; aber es ist nicht zu sagen, ob sie als solche niedergeschrieben sind, denn das ganze

69) Zu Rhes. 540. denn Alk, 1154 ist der name aus “Ἀριστοτέλης verdorben, wie Harpokration 8. v. τετραρχία lehrt.

70) Zum Rhesos muls er ein ὑπόμνημα verfalst haben. sonst in einem ζήτημα Phoen. 208. über Parmeniskos Robert Eratosth. 229.

11) Zu Med. 1 Τιμαχίδας ἀγνοήσας, 167 T. ἐπὶ τὰ πρόχειρα πᾶσιν Bvaxdeis, hier wird er mit mythographischer gelehrsamkeit bekämpft, und da Didymos den Parmeniskos in ähnlicher weise 273 zurückweist, auch den Apollodoros von Tarsos 148, 169 citirt, so werden wir ihm alle diese citate verdanken.

12) Darunter sind einige, über die man gar nichts vermuten darf oder mag. Aischines, E. Or. 12, 1371, welch letztere stelle wenigstens den anschein hat, als suchte er den von Aristophanes gerügten widerspruch zu beseitigen. Praxiphanes, S. OK. 900, der unmöglich der bekannte schüler des Aristoteles sein kann, Hellanikos, S. Phil. 201, der allerdings höchstens ein Herodoterklärer sein könnte und von Schrader (de not. erit. 27) für den Zenodoteer gehalten wird. aber es ist wol eher irgend ein misverständnis oder autoschediasma, und der historiker gemeint.

186 Geschichte des tragikertextes.

ist nicht im originale erhalten, sondern nur durch einen commentar, welcher sich die widerlegung der behauptungen des älteren, doch wol höchstens 100 jahre älteren, gelelırten zur aufgabe gestellt hatte, die er

mit minderem scharfsinn, aber auch nicht ohne wertvolle, wenn auch meist

aus handbüchern geborgte, gelehrsamkeit zu lösen versucht. diesen com- mentar wieder hat der redactor unserer scholien, die noch dazu sehr stark verstümmelt in einer einzigen wenig zuverlässigen handschrift

(Vat. 909) erhalten sind, ausgezogen und mit seinen ungelehrten er- klärungen vermischt. trotz alledem ist dieses bild eines antiken philo- logenkampfes sehr wol kenntlich und in seiner art ziemlich so interessant

ε, wie das object selbst”®).

zumoldipus Noch wertvoller ist durch die fülle seltener gelehrsamkeit ein ὅπό- Kol. uynua zu dem Oidipus auf Kolonos, auf welches die hauptstücke der scho- lien dieses dramas sich zurückführen lassen, die von den übrigen scholien,

nicht blofs deu sophokleischen, sondern allen tragikerscholien abstechen.

es ist das allerdings schon eine compilatorische arbeit, denn sie setzt eine grölsere zahl von vrrouynuasıoausyoı voraus, die sie ursprünglich gewils genauer citirt hat, als es in dem jetzigen verstümmelten auszuge ge- schieht”*). der verfasser lebte nicht vor dem anfange der kaiserzeit”), aber

auch schwerlich später; denn die richtung seines interesses stimmt zu

den damaligen auf das attische altertum gerichteten von dem atticismus angeregten studien, und die art der wesentlich material häufenden gelehr- samkeit hat an den arbeiten des Theon eine vollkommene parallele. wie dieser den Apollonios ausschliefslich nach der mythographischen seite er- läutert hat, so dafs das object unter der fülle des herbeigeholten stoffes fast verschwindet, und nur die frage nach den quellen des Apollonios die erklärung des dichters wirklich angeht, so werden hier die attischen alter-

13) Der nähere nachweis ist in meinem programm de Ahesi schobis (Greifswald 1877) geliefert.

14) 388, wo der verfasser ihnen gegenüber einen kritischen zweifel äufsert. er hat richtig erkannt, dafs Sophokles die orakelsprüche erfunden hat, welche seine handinng ermöglichen. dazu gehören 457, 1156, 1181. ferner werden die ὑπομνημα- τισάμενοι 681 genannt, wo der verfasser im gegensatz zu ihnen eine andere, übrigens falsche, mythologische erklärung versucht, die eine textänderung im gefolge hat. 1375, wo er stolz ist etwas bisher ganz vernachlässigtes zu erklären; es ist mytho- graphisch; 900, wo es sich um eine antiquarische glosse handelt, und 390, wo ein altes wort (evcosa) erklärt wird. die bemerkung über die lesart der handschriften gehört nicht zu dem hypomnema, sondern hat für didymeisch zu gelten.

75) 56 wird Lysimachides citirt, der gegen Caecilius von Kalakte schrieb (Ammon. 8. v. ϑεωρόε).

ὑπόμνημα zum Oidipus Kol. Didymos, 157

tümer und localitäten und culte an dem drama erläutert, welches dazu besonders reiche gelegenheit bot, und daneben wird allerdings auch wenigstens die frage gestreift, in wie weit Sophokles frei erfunden habe. dabei fehlt dem verfasser allerdings das beste, die eigene anschauung von Attika, so dafs er stark in die irre geht”*). als zusammengehörig lassen sich nun freilich nur die inhaltlich verwandten stücke erkennen, und nicht mit völliger sicherheit lassen sich sacherklärungen auf denselben verfasser be- ziehen, die nur in der erudition verwandt sind. dagegen ist ganz klar, dafs textkritik und worterklärung, das eigentlichste grammatikergeschäft, für diesen gelehrten ganz so wie für Theon nebensache sind. für solche dinge erscheint in den scholien ein par mal der name des Didymos’””), der denn auch seiner studienrichtung nach nicht der verfasser dieser arbeit sein kann, der zeit nach aber auch nicht ihr benutzer. vielmehr hat ein spä- terer, der welcher unsere Sophoklesscholien redigirt hat, neben Didymos für dieses drama ein anderes ὑπόμνημα in die häude bekommen und excerpirt.

Da ist denn der name des Didymos gefallen, der für die, welche scholien nur von ferne kennen, so ziemlich mit dem identisch zu sein pflegt, was sie in ihnen gut finden; das schlecht befundene wird dem ano- nymen scholiasten aufgebürdet, der sich alles gefallen lassen mufs. Didy- mos ist eine zeit lang stark überschätzt worden; jetzt hat sich eine laute und beachtenswerte stimme erhoben, welche ihn kurzweg für einen dumm- kopf erklärt. das lehrt in wahrheit, dafs man im banne der Aristarcho- latrie zu keinem gerechten urteil kommen kann.

Es ist ausgemacht, dafs wir von Didymos die schrift über Aristarchs Homerausgabe besitzen, aber so gut wie nichts von seinem Homercom- mentar; wenigstens ist bisher nichts mit sicherheit auf ihn zurückge- führt, und es wird auch nur in der überarbeitung durch jüngere, wie Herakleon und Epaphroditos, vorliegen. es ist weiter ausgemacht, dals die hauptmasse des gelehrten materiales in den Pindarscholien, sowol was die excerpte aus älteren erklären wie was das historische angeht, ihm gehört. Symmachos, der verfasser unserer Aristophanesscholien, hat ihn ausgiebig

16) Wer Athen kennt, kann ein Pythion, das am wege zwischen dem Kolonos und Theben liegt, nicht bei Marathon suchen, zumal wenn der Aigaleos erwähnt wird, an dem das Pythion von Daphni liegt. so tut aber unser mann 1047.

17) 156, 237, 763: ihn geht ganz offenbar das textkritische an, in dem sinne, dals der redactor dieses wesentlich bei ihm fand. und die aesthetischen und exege- tischen scholien, welche denselben charakter tragen wie die zu den andern dramen

des Sophokles, wird man ihm auch ohne zögern zuweisen. mit dem ὑπόμνημα ver- mischt sich das fast nie.

Didymos.

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1688 Geschichte des tragikertextes.

benutzt, und z. b. an den Vögeln kann man seine komikererklärung gut studiren. von seinen arbeiten für die redner steht nicht wenig bei Harpo- kration. einzelne minder zusammengestrichene proben seiner eignen dar- stellung finden sich hie und da, z. b. bei Athenaeus. das buch “εερὲ Avgı- κῶν ποιητῶν wird sich vielleicht inhaltlich einigermafsen herstellen lassen, wenn auch wol nur in überarbeitung durch Dionysios. an material ge- bricht es also nicht um die wissenschaftlicbe persönlichkeit zu erfassen. für die tragiker steht es minder günstig. indessen hat man doch längst bemerkt (zuerst wol Lehrs), dafs unsern Sophoklesscholien als letzte grund-

' lage der commentar des Didymos gedient hat, wenn man auch feste um-

risse für seinen anteil an dem erhaltenen nicht ziehen kann, und so viel be- stimmte einzelheiten, wie durch Symmachos erhalten sind, hier nicht mehr zu constatiren sind. das allgemeine was man erfalst ist erstens, dals Didy- mos wesentlich das kritische material der früheren generationen sammelt und verwertet: das entspricht der tätigkeit die er an Homer oder vielmehr Aristarch wendet. zweitens besorgt er das eigentlich grammatische ge- schäft der exegese, und hier bedauert man am meisten, dafs sich so wenig anhaltspunkte für die ausdehnung seiner arbeit finden. dafs dabei die glossographische erklärung besorgt ward, steht anderweitig fest. ob ihm aber die mythographische gelehrsamkeit gehört, scheint sich bisher weder bejahen noch verneinen zu lassen. denn damit dafs er sie zuweilen heran- zieht, wo es eine besondere schwierigkeit zu lösen gilt”*), ist für die haupt- masse dieser scholien noch nichts bewiesen. ganz besonders aber tritt in dem commentar zu allen Sophoklesstücken eine starke vorliebe für diesen dichter und seine kunst zu tage in scharfem gegensatze zu Euripides. und da nun in dessen scholien die feindliche kritik zuweilen sicher didymeisch ist, so wird mit vollem rechte in dieser tendenz etwas für Didymos be- zeichnendes gesehen. am deutlichsten ist es in den scholien zur Andro- mache, wo man auch bemerken kann, dafs Didymos an das aesthetische urteil des Aristophanes ansetzte”’). eine gleiche tendenz lälst sich auch in.

18) Vgl. anm. 71. auch die homerischen scholien liefern vereinzelte belege dafür.

19) Von dem urteil des Aristophanes ist nur der anfang erhalten, in welchem gelobt wird der prolog, die elegie der Andromache (zu lesen εὖ δὲ καὶ τὰ disysiafür ἔστε δ. x.), die reden der Hermione an diese, die intervention des Peleus. da das drama τῶν dev- τέρων ist, mulste starker tadel folgen, zu welchem der zweite teil herausfordert;; über ihn ist nichts mehr erhalten, aufserdem ist im ersten die haltung der Andromache und des Menelaos übergangen. in den scholien polemisirt 32 gegen die φαύλως ὑπορινημα- τισάμενοι, die dem Euripides vorwerfen, er hätte komische motive, eifersucht und weibergezänk, eingeführt, was herzlich albern abgewehrt wird. 229 wird die haltung der Andromache als παρὰ τὲ πρόσωπα καὶ τοὺς καιρούς getadelt. 329 ebenso, und

Didymos, 159

den Troerinnen®) erkennen, und obwol die anhaltspunkte schwach sind, darf man wol dem allgemeinen eindruck folgen und den grundstock der scholien zu diesem drama, wie auch den der noch dürftigeren zur Hekabe für Didymos in anspruch nehmen*®'). daran ist bei der Medeia nicht zu

dabei steht “ίδυμος μέμφεται rovsoıs. 362 ebenso und wieder wird Didymos ge- nannt. 885 führt sich Orestes mit motiven ein, die Euripides allerdings erfunden hat: Δίδυμος δέ φησε ψευδὴ ταῦτα εἶναι καὶ ἄπιστα. 1077 tadelt Didymos, recht kleinlich, einen ausdruck, den er für eine schlechte nachahmung Homers hält. danach wird man ihm auch 616 den tadel zutrauen, wo in dem vorwurf οὐδὲ τρωϑεὶς ἦλθες ἐκ Τροίας ein παρὰ τὴν ἱστορίαν gefunden wird, weil Menelaos von Pandaros ge- schossen ist; es folgen zwei Avcass, die eine auf dem misversiandenen aristarcheischen unterschiede von τετραΐσκειν (οὑταζειν) und βάλλειν beruhend. 1241 wird genau notirt, in wie weit die von Euripides gegebene sagenform bei Pherekydes bestätigung findet, der rest wird gescholten διέψευσται. man wird soweit mit sicherheit gehen dürfen, den tadler überall in Didymos zu finden, den also sein gegner φαύλως ὑπομνη- ματισάμενος nennt, zumal der tadel mit der hypothesis in harmonie ist. aber man möchte weiter gehen. 733 wird als κατασυκοφαντεῖν τὸν Εὐριπίδην abgewiesen, dafs einige hier (wie auch 445, wo wieder die hypothesis in ihren verlornen didas- kalischen teilen benutzt ist) an tendenziöse beziehungen auf die zeitgeschichte dachten. die 89:03 scheinen doch dieselben mit den φαύλως ὑπομνηματισάμενοε, d.h. Didymos. und ferner wird das παρὰ τὴν ἱστορίαν, wie 885 und 1077 von Didymos, auch 24, 224 aufgeworfen, und die befolgte sagenlform öfter belegt, darunter 18 mit tadel der vechrapos, und die verwandtschaft mit schol. Pind. Nem. 3, 81 ist hier deutlich, und 796 wird andererseits benutzung des Pindar angenommen (vgl. oben 8. 25). das alles möchte man einem zuschreiben, und das wäre dann Didymos: aber die conse- quenzen dieses schlusses scheinen zur zeit noch zu grols, als dafs das fundament sie trüge: denn dann würde er der sein, welcher das mythographische in diese scholien gebracht hat. obwol ich das glaube, habe ich im text die frage ganz offen gelassen.

80) Genannt ist Didymos nur für die richtige erklärung eines katachrestisch gebrauchten wortes (1079, auch bei Hesych erhalten). man ist gewöhnt auch noch eine zweite (1175) auf ihn zurückzuführen, weil viele lexikographen sich mit ihr berühren (Ael. Dionys bei Eust. 907, 40 Phot. Hes. κῆπος, schol. Thuk. II 62 u.a.m.): jedenfalls spricht die alte gelehrsamkeit dafür, da selbst Eratosthenes citirt wird, der den Euripidesvers in seinem buche über die komödie besprochen hatte. auch 1176 ist in wahrheit sehr gelehrt und geht auf Apollodor zurück (Athen. Il 66). die tadelnde kritik ist aber genau dieselbe wie in der Andromache, und es sind noch viel mehr bemerkungen erhalten, 1, 14, 31,36, 209, 448, 630, 906, 943, 975, 1010,1049, 1057, 1129, und da hierin die sitte des Euripides öfter notirt wird, so darf man auch stellen wie 628, 989 dahin ziehen, wo sprachliche lieblingswendungen von ihm angemerkt werden. überhaupt sind diese scholien besonders einheitlich: was nicht paraphrase ist, scheint einem zu gehören. auch die mythographischen dinge, so weit sie nicht in den schon berührten scholien stehen, berühren sich mit Andromache und Hekabe; doch das liegt vielleicht lediglich am stoffe.

81) Genannt wird Didymos viermal für kritisch exegetisches 13, 736, 847, wo

160 Geschichte des tragikertextes.

denken, wo sich dagegen eine reihe einzelner angaben finden, die ganz be- sonders geeignet sind, die textkritik des Didymos kennen zu lehren: hier nennt ihn auch die subscriptio. die Phoenissen setzen auch einen com- mentar voraus, der die kunst des Euripides scharf angriff, und beschäftigt hat sich Didymos auch mit diesem stücke*), allein selbst wenn er jener tadler gewesen sein sollte, so würden wir doch nicht mehr viel von ihm haben: denn der umfängliche erhaltene commentar gehört in seinem hauptteile ersichtlich einem verteidiger. die scholien zu Orestes") und Rhesos, von denen schon gehandelt ist, und die zum Hippolytos tragen vorwiegend einen abweichenden charakter.

Mag tieferer forschung auch noch viel zu ermitteln übrig sein, so ist dies doch genug, um über die art des Didymos und sein verdienst um die tragikerkritik ein urteil zu gewinnen. allerdings hat er selbst keinen

er zugleich den dichter verkehrt tadelt, 1029. ein tadel des dichters in der bekannten weise steht 241, 254, 280, 825, 898, 1068, 1219, und auch das lob 342 gibt sich selbst als ausnahme; 825 ist der tadel jetzt durch eine verteidigung ersetzt. aufserdem wird Didymos 887 für ein sprüchwort genannt. das könnte aus seiner sammlung genommen sein, was dann immerhin beweisen würde, dafs das scholion älter wäre als die auszüge, welche dieses werk seit hadrianischer zeit verdrängten. aber es ist natürlicher, dafs Didymos sich in dem commentar ebenso vernehmen liefs wie in dem buche. zudem ist die erklärung aus Herodot gezogen und dasselbe geschieht auch 1199, wo kein sprüchwort vorliegt. aufserdem ist für diese scholien charak- teristisch eine neigung antiquarisches detail zu erläutern, die δργα 4αιδάλεια 838, mit reichen komikercitsten, die sehr selten in diesen scholien sind, der attische peplos 467, mit demselben materiale, die φυλλοβολία, mit benutzung von Eratos- thenes περὲ κωμῳδίας, die dorische tracht 934, wo aufser einem langen Durisfrag- mente Anakreon citirt wird, was ebenso für ein wort 361 (vgl. 943) geschieht: auch das ist sonst selten. alles fällt in die studiensphäre des Didymos. einen durch- schlagenden beweis liefert es allerdings nicht: aber im grunde sind der anhaltspunkte doch mehr, als die, auf welchen Lehrs und seine nachfolger die abhängigkeit der Sophoklesscholien von Didymos aufgebaut haben. Hek. 1267 und Alk. 966 hat der- selbe commentirt: aber das hilft nicht weiter, denn ein selbsteitat liegt nicht vor, und die Alkestisscholien sind so traurig zugerichtet, dafs sie keine schlüsse mehr gestatten.

82) Phoen. 1747 eine exegetische bemerkung; 751 eine aesthetische. Euripides lehnt die nennung der einzelnen kämpferpare ab, Didymos meint mit recht, dafs das geschehe, weil er die concurrenz mit Aischylos vermeiden wolle. aber dafs in den worten διατριβὴ πολλὴ λέγειν ἐχϑρῶν ὑπ᾽ αὐτοῖς τείχεσιν καϑημένων eine hämische kritik des alten meisters liegt, hat er übersehen: so ist ihm eine gute gelegenheit zum tadel entgangen.

83) Behandelt hat er aus diesem mindestens eine frage, das apuaraso» μέλος 1384, erhalten im Et. M. aber hier ist die fülle von erklärungen auf uns wenigstens nicht durch ihn gekommen, sondern er ist einer der vielen, die ein späterer zusammenstellt.

Didymos,. 161

anspruch auf einen hohen rang als erklärer oder kritiker. wie natürlich, macht er hier denselben eindruck wie zum Pindar und Aristophanes. be- sonderer scharfsinn ist nirgend zu loben, arge verkehrtheiten sind nicht selten. verglichen mit den proben, die er von älteren erklärern gibt, mag man ihm aber einen gewissen gesunden sinn zugestehen. was methodische textkritik ist, ist ihm wol überhaupt nicht aufgegangen; seine minutiöse reconstruction der aristarchischen textausgabe könnte das vermuten lassen, aber abgesehen von der schulsuperstition, die nicht wenig mitwirkte, mufs man ohne zaudern zugestehen, dals Aristonikos gauz anders die aristar- chische consequenz begriffen hat und ein besserer zeuge (nur nicht e silentio) ist als Didymos. nicht besser bewährt er sich, wo er selbst textkritisch vorgeht. bezeichnend ist in der tragüdie vor allem das was er von den schauspielern erzählt. dafs sie die textverderber sind, weils er offenbar von den älteren erklärern, aber er hat von ihrer tätigkeit weder eine klare vorstellung, noch gibt er sich die mühe, die vorwürfe, die er gegen sie richtet, zu beweisen. er braucht die schauspieler vielmehr, wie man hübsch gesagt hat"), so wie moderne kritiker den sciolus magistellus, den proter- vus interpolator, als deus ex machina um kritische knoten zu durchhauen, wenn er sie nicht lösen kann.

Trotzdem hat Didymos zwar keine epochemachende, aber doch eine eminente geschichtliche bedeutung. er hat die ergebnisse der älteren kritisch exegetischen arbeit zusammengefafst und auf die nachwelt ge- bracht. die zeit für wirklich schöpferische gelehrte war längst vorbei: die griechische nation producirte keine talente mehr, die weiter zu denken fähig waren; das höchste was geleistet ward, war die erhaltung des schatzes der älteren leistungen. aber, dem was die zeit verlangte hat Didymos und bat überhaupt die grammatik der augusteischen zeit, neben ihm vornehm- lich Theon*) und Seleukos”), genug getan. und die anforderungen der

84) Bruhn Juoubr. Eurip. 250, dessen verdienst es ist, die vorstellungen über schauspieler und schauspielertexte von antiken und modernen fabeln gereinigt zu haben.

85) Die persönlichkeit des mannes ist schwer zu fassen, da der name 8o sehr gewöhnlich ist. aber die verbreitete ansicht scheint richtig, dafs der sohn des Ari- stophaneers Artemidoros, der zeitgenosse des Didymos, und der herausgeber der Odyssee, und der der vornehmsten alexandrinischen dichter identisch sind; von anderem minder wichtigem, z. b. der berufenen λέξις κωμεκή, zu schweigen.

86) Dieser hofgelehrte des Tiberius, tätig noch unter Claudius, beginnt, seit Maafs die persönlichkeit identifieirt hat (Phil. Unt. II 33), in seiner grofsen bedeutung mehr und mehr anerkannt zu werden. aber für die tragödie kommt es gar nicht in betracht.

v. Wilamowltz I. 11

162 Geschichte des tragikertextes.

zeit waren in der tat neue. die alexandrinische bibliothek, die grundlage der dortigen philologie, war vernichtet. Alexandreia hörte auf residenz zu sein und verlor die leitende stellung in den geisteswissenschaften. auch die grammatik mulste sich in Rom eingewöhnen. hier lagen die ver- hältnisse anders. ein wissenschaftliches institut wie das Museion fehlte; die esoterische lehre des meisters, der schülern, die wieder gelehrte werden wollten, seine weisheit vortrug, hatte keine stätte mehr; wissen- schaftlicher betrieb, wie ihn Aristarch geübt hatte, war unmöglich, denn wenn das auditorium fehlte, das sich die kritischen zeichen erläutern liefs, so fehlte auch für die detailbehandlung der aristarchischen hypomnemata das publicum: es sei denn dafs man sich auf den engsten kreis der zunft beschränken wollte, wie es Probus seiner zeit getan [δὶ 5"), vielleicht der einzige wirkliche philologe, den die Römer hervorgebracht haben. so mügen es auch von den Griechen die besten, wie Aristonikos, gehalten haben. die sprachwissenschaft ist ihrer natur nach auf engere [achkreise angewiesen. doch empfand jetzt jeder stärker das bedürfnis, die sprache theoretisch zu erfassen, der als grammatiker sein brot verdienen wollte; denn viel mehr als früher mulste er die sprache selbst lehren. so erhielten diese studien in Tryphbon einen bedeutenden”), daneben in anderen leuten wie dem Aska- loniten Ptolemaios immerhin unverächtliche vertreter, im publicum aber waren die, welche für die classische poesie interesse hatten und kenntnis von ihr nehmen wollten, nicht weniger, sondern viel zahlreicher geworden, und entsprechend bedurften sie stärkerer beihilfe. die aristophanischen texte genügten dafür längst nicht mehr. auch um 200 v. Chr. werden die s.g. gebildeten vieles im Sophokles nicht verstanden haben, aber sie bildeten sich’s doch ein und würden eine erklärende ausgabe weg- geworfen haben, wie jetzt die s. g. gebildeten den anspruch erheben Schillers gedichte zu verstehen und sich entrüsten, wenn sie ihnen einer erklären will. in der augusteischen zeit, wo die rheloren einge- standen, dafs sie zum Thukydides ein lexikon und einen commentar brauchten, hatte sich das geändert, zum teil wirklich deshalb, weil die welt aus dem zeichen des barocco in das des classicismus getreten war,

865) Sueton de gram. 24: hic non tam discipulos quam sectulores aliquot habuil, numquam enim ila ducuit ul magisiri personam suslinerel u. 8. W.

87) Tryphon wird auch in der lexikographie noch eine grofse rolle spielen, genauer geredet, er ist ein hauptautor für die späteren onomastica. da er zugleich mit vorliebe von Herodian ausgeschrieben und compilirt wird, bietel ein aufsuchen seiner reste gute chancen: denn die sorgfältige arbeit von Velsen gibt nur die nament- lichen citate.

Didymos. τραγικὴ λέξις. 163

und also nach den classikern verlangte. die bestrebungen der römischen litteratur, die am reinsten und reifsten in Horaz sich verkörpern, wirkten auf die ganze cultur des weltreichs ein, und die umkehr auf dem rhe- torischen gebiete war schon älter, von der theorie Pergamons schon um 100 gefordert, seit 60 mit entschiedenem erfolge.

Auf diesem gebiete, der pflege der attischen kunstprosa, schien etwas neues nötig zu sein, denn exegese des Demosthenes oder Thukydides hatte man in Alexandreia nicht getrieben. was Didymos aber leistete, commen- tare und lexika, war gleichwol keine neue production, sondern nur samm- lung, wesentlich auszüge aus historikern, antiquaren, peripatetikern, und für das sprachliche aus den schätzen der älteren lexikographie, wie sie Aristophanes selbst begründet hatte®), und aus den so überaus reichen arbeiten, die der komödie gewidmet waren: diese einwirkung zeigen die rhetorischen lexika auf jeder seite. wie viel mehr konnte man für die erklärung der classischen dichter sich mit dem vorhandenen begnügen. die schätze waren da, nur ausgemünzt mulfsten sie werden. es bedurfte keines productiven geistes, höchstens geschickter auswahl, und dann eines eisernen sitzfleisches, und das besals ja Didymos. wir wollen ihm aber auch gerne den ruhm zugestehen, dafs er die veränderungen in der form der litterarischen production vorgenommen hat, die wir nun Bemerken, obwol wir richtiger nicht den einzelnen mann, sondern die zeit dafür verantwortlich machen.

Didymos hat ein grolses lexikon geschrieben, in welchem er den sprachschatz der tragüdie zusammenfalste, so weit dieser für die gebil- deten seiner zeit der erklärung bedurfte. es liegt in der natur dieser aufgabe, dals das lexikon wesentlich aus den erklärungen der gedichte genommen war, und andererseits, dals es fortan für die erklärer das

88) Neben den arrıxad Askess (welche sich als eine art vorstufe der atticis- tischen lexica betrachten lassen, obwol sie in ganz anderem sinne angelegt waren, nämlich nur als eines der dialektischen wörterbücher, nicht als fundgrube schöner Noskeln für den praktischen gebrauch) war die specialarbeit περὲ τῶν δοκούντων ar, δἰρῆσϑαι τοῖς ἀρχαίοις sowol in der zeit des Caecilius wie in der des Phrynichus ein sehr erwünschtes buch; deshalb sind auch von ihr excerpte erhalten. natürlich hatte sie nicht antiatlicistische tendenz, sondern war eingegeben von der kritik, mit welcher schon Eratosthenes (schol. Frö. 1263, vgl. Phot, εὐθὺ Avxsiov) den ψευδάτ- zıxa zu leibe gieng. die trefflichen männer wulsten, dafs die litterarische falsch- münzerei im schwunge gieng: die falschen dialoge Platons, die falschen reden des Demosthenes, Lysias u. 8. w., selbst falsche komödien wurden verfertigt und ver- kauft: das dritte jahrhundert hat die fälschungen erzeugt, die jetzt wieder zu origi- nalen zu machen mode ist.

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164 Geschichte des tragikertextes.

nächstliegende hilfsbuch ward: das gelehrte material der scholien, soweit es lexikalisch ist, deckt sich mit dem der lexika. es liegt eben in der natur der sache, dafs ein lexikon umgeformt und ausgezogen und er- weitert wird, so lange der betrieb der studien lebendig bleibt. es mag in einem solcben noch so viel individuelle arbeit stecken (was hier schwer- lieh der fall war): sie verflüchtigt sich bald, und die nachwelt nutzt nur den gebotenen stoff. es ist also nicht zu verwundern, dafs des Didymos τραγικὴ λέξις selbst sehr bald durch spätere arbeiten aus den händen der leser verdrängt ward, mochten sie auch meist nichts tun als sie epi- tomiren. mit recht nimmt man an, dafs die lexikalische gelehrsamkeit, die auf uns gekommen ist, soweit sie die tragödie angeht, wesentlich Didymos verdankt wird. das nächste jahrhundert nach ihm trieb die lexikographie noch lebhaft und häufte den stoff bis zur völligen unüber- sichtlichkeit. als die unten eingehender dargestellte wandelung in der griechischen cultur eintrat, in der zeit Hadrians, kam das epitomiren auf, und ein wahrscheinlich an sich recht geringwertiges machwerk, das lexikon des Diogenian, behauptete sich schliefslich als hilfsbuch für die classische und auch die nachclassische poesie so gut wie allein. es kam auf die Byzantiner, ward immer weiter verdünnt, und erhielt zum entgelt gering- haltige oder ganz wertlose zusätze in masse. bis gegen 1000 hat das lexikon Diogenians noch bestanden. dann wendet sich das interesse der Byzantiner von den lexikalischen werken ab, den etymologika zu. die wertvolleren hand- schriften, die wir von lexicis haben, sind meistens älter als das 12. jahr- hundert, auch meist unica®*): ein Diogenian ist zufällig nicht darunter. auch ein unicum ist die handschrift, welcher wir das lexikon des Hesychius verdanken, und in diesem steckt, allerdings vermischt mit sehr viel wert- losem oder doch fremdartigem, durchgehends in der späteren weise, die auch wir befolgen, die aber dem altertum fremd war, umgeordnet nach der buchstabenfolge durch das ganze wort, endlich entsetzlich verkürzt, verstümmelt, verschrieben, also im jämmerlichsten zustande, aber es steckt wirklich der Diogenian darin. und so ist dieses buch trotz aller

885) Auch wo wir scheinbar eine fülle von handschriften besitzen, wie von den lexicis des Harpokration und des Erotian, liegt es in wahrheit so, dafs ein einziger text bis auf das 14. jahrhundert erhalten war, der uns nur verloren ist, und den herzustellen die nächste aufgabe der recensio ist. allerdings repräsentirt in älterer zeit beinahe jede neue abschrift eine neue redaction, und selbst in späterer zeit geht das fort. man denke sich, dafs von dem Harpokration von Cambridge eine abschrift genommen wäre: dann würden wir die jetzt am rande befindlichen glossen (den jetzt fälschlich so genannten Cl. Casilo) aufgenommen und ein ganz neues werk lesen, das ρον viele für einen “plenior Harpocralio’ erklären würden,

τραγικὴ λέξις, scholien. 165

unbill, trotzdem dafs der schreiber der handschrift lüderlich, Hesychius ein gänzlich stupider geselle, und Diogenian ein blofser compilator ge- wesen ist, unschätzbar. auch die τραγεκὴ λέξις des Didymos kann man sich in ihrer ungeheuren glossenfülle nur nach den tragischen glossen des Hesych vorstellen; die einzelnen aber mufs man sich statt in hesy- chischer magerkeit so stattlich denken, wie etwa Athenaeus eine glosse abhandelt, oder wie eine probe des Didymos es tut, die sich zufällig bei Macrobius (V18) erhalten hat. nicht blols den drei tragikern, und zwar allen ihren dramen, galt das lexikon, es umfalste auch die andern namhafteren des fünften jahrhunderts; jüngere allerdings nicht mehr. es erläuterte ihren vocabelschatz so, dals keinesweges blofs die glossematischen worte vorkamen, sondern auch leichtverständliche compositionen und ableitungen, die nur eben der gewöhnlichen sprache fremd waren. es gab für sehr viele einzelne verse die erklärung, so dafs also der individuell gefärbien be- deutung eines sonst geläufigen wortes gedacht ward. es zog gelehrsam- keit aller art heran: natürlich aber all dies ohne consequenz, wie denn eine erschöpfung des materiales über die kräfte nicht nur eines menschen gegangen wäre. es ist nicht zu bezweifeln, dafs auch hier, wie wir es für die komödie beweisen können, im wesentlichen auszüge aus den vor- handenen commentaren die bausteine waren, mit denen Didymos ein in seiner art grolsartiges und abschliefsendes werk errichtet hatte. wir aber besitzen nur den schatten, der uns lehrt was wir verloren haben. die wörter, die noch den namen der tragödie oder wenigstens des dichters tragen, reihen wir in die fragmentsammlung ein, ohne dafs sie selbst uns sehr viel hülfen, denn sätze sind nicht mehr viel erhalten. noch viel mehr können wir als adespota tragica führen; aber dieser gewinn ist dürftig. auf die erhaltenen dramen kann in einem werke, das mehrere hundert berücksichtigle, ohne dafs man eine bevorzugung einzelner wahr- nähme, nicht sehr viel kommen; die torheiten derer, die die Hesych- glossen mit gewalt in unsere texte interpoliren, überführt schon allein die wahrscheinlichkeitsrechnung. fast überall bestätigt sich nur die über- lieferung unserer handschriften, ein par mal wird sie berichtigt. was aber der wiederholte epitomirungsprocels von der erklärung übrig gelassen hat, ist selten noch geeignet uns etwas zu übermitteln, das wir nicht selbst finden könnten. so sind die tragischen glossen des Hesych an praktischem werte nicht entfernt mit den dialektischen zu vergleichen; aber von dem werte der τραγικὴ λέξις dürfen wir deshalb nicht gering denken: die gröfse kann man auch am schatten messen.

Hand in hand mit der lexikographie gieng die abfassung von com- Soholien.

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166 Geschichte des tragikertextes.

mentaren oder vielmehr von commentirten ausgaben, und dies war das neue und wichtige. in der tat, wenn die schule und die mündliche unterweisung für die gelehrte schriftstellerei nicht mehr malsgebend sein konnte, das publicum aber mit den textausgaben nicht mehr auskam, so war diese lösung von selbst geboten. dafs Didymos nicht blofs ὑπομνή-- ματα über die tragödien (und sonstigen dichtungen) schrieb, sondern auch texte gab, lehren die scholien ganz deutlich, die sich auf seine les- arten und ausgaben berufen”). das fortleben und die umgestaltung seiner commentare und texte führt ebenfalls darauf, dafs beides mit einander überliefert ward. sein buch über die aristarchische ausgabe ist ohne Homertext kaum zu denken; dies war denn freilich eine streng gelehrte arbeit. aber die ausgaben sind für das weitere publicum mit berechnet gewesen: es sind mit einem worte texte mit scholien gewesen. die aus- stattung der dichteriexte, wie wir sie in-unsern handschriften finden, ist auf diese zeit zurückzuführen: in der mitte der metrisch abgeteilte text, mit zeichen, metrischen und kritischen, wol nur obelos und kreuz, yi oder σημεῖον genannt, und den erklärungen dazu am rande, der aufser- dem noch bemerkungen zu einzelnen stellen aufnahm.

Dafs diese ausstattung der bücher wirklich in guter zeit üblich gewesen ist, hat man lange nicht glauben wollen; allem reden ist aber ein ende ge- macht, seit wir ein stück eines solchen buches besitzen, den Alkmanpapyrus, den die palaeographen möglichst hoch hinaufrücken. da er in seinen scho- lien den grammatiker Pamphilos citirt, so kann er, wenn man sich nicht durch die annahme einer homonymie retten will, nicht älter als aus der zeit der flavischen kaiser sein. aber das beweist auch genug. und eine reihe anderer erwägungen tritt hinzu. der poet Valerius Flaccus hat, als er die Argonautica des Apollonios bearbeitete, die mythographische gelehrsamkeit benutzt, die noch heute in unserer handschrift steht, der- selben, welche Aischylos und Sophokles mit ihren scholien enthält. sie nennt als quelle unter andern selbst den Theon. also vor Valerius Flaccus war jene erlesene gelehrsamkeit für den Apollonios zusammengetragen : in der tat, man kann den schlufs nicht abweisen, dafs Theons scholien an dem rande der Apollonioshandschriften schon zur zeit der Flavier standen”). Germanicus, wahrscheinlich auch Ovid, haben die scholien des Arat, die wir besitzen, auch schon neben dem gedichte benutzt?').

89) Ο. Κ. 237 Ant. 45 Ai. 1225 Hek. 13 Med. 379, u.a.

90) E. Schwartz de Dionysio Scytobrachione 34.

91) Robert Eratosth. catast. 29. so schlagend wie die dort von mir angegebene benutzung derselben scholien durch Avien ist es nicht. allein die ganze benennung

Schulien. 167

belehrender nuch als 16 römischen dichter sind die grammatiker. von Horaz ist sehr früh eine ausgabe gemacht worden, in welcher die ge- dichte überschriften erhielten, in denen sicherlich die namen der adres- saten aus vorzüglichster kenntnis und bezeichnungen der dichtgattung (propempticon, paraeneticon u. dgl.) aus vorzüglichster griechischer theorie standen, wahrscheinlich aber auch bemerkungen über die quellen, wo solches angezeigt schien’). dies mag man noch für ein analogon der aristophanischen hypothesen erklären. aber wenn wir zu einer mytho- graphischen bemerkung, die in wahrheit auf Apolloniosscholien zurück- geht, lesen traditur haec historia de Aristaeo in corpore Argonaularum a Varrone Atacino (Prob. zu Verg. georg. I, 14), so ist eine ausgabe des Varro mit scholien deutlich bezeichnet, von der in jenen scholien noch mehrere spuren sind”). später als im ersten jabrhundert ist Varro gewils nicht commentirt. aber auch die praxis der vornehmsten römischen gram- matiker deutet darauf, dafs sie scholien schrieben. wenn der Berytier Probus die kritischen zeichen der Aristarcheer übernahm, und daneben erklärungen von ihm reichlich angeführt werden, so hat er die bemer- kungen zu den zeichen aufgeschrieben ; ein schulbetrieb wie der zu Ari- starchs zeit bestand eben nicht mehr, am wenigsten für den einsamen Berytier. auch zeigen unsere Vergilscholien, zumal die Veroneser im vergleich zu dem commentare des Servius, dem bei Macrobius ausgezognen und den s. g. zusätzen zum Servius, genau dasselbe verhältnis wie die griechischen scholien, nur dafs das material reicher ist: es ist ein strom der erudition, der bald dünner wird, bald neue zuflüsse erhält, wie es bei der fortpflanzung von scholien geht, und nichts spricht dafür, dafs in den ersten jahrhunderten der betrieb der studien andere formen hatte, als mindestens vom dritten ab. und die Vergilscholien (von denen die zu Lucan und Statius nur späte ableger sind) führen unmittelbar auf die Griechen. denn sie hängen ja ganz ersichtlich von den scholien zu Homer Arat Theokrit”‘) Lykophron und anderen ab: niemand versteht

der sternlilder aus der sage geht auf diese doctrin zurück, die am natürlichsten in Aratscholien niedergelegt gedacht wird. Manilius im letzten buche und das gedicht des Columella geben weitere ausbeute.

92) Die kurzen bemerkungen über Alkaios Pindaros Bakchylides zu Carm. I 10, 12, 15, die quelle des Ars poet. u. 8. w. hat Porphyrio natürlich vorgefunden, und da sie ganz ohne citate geblieben sind, so machen sie den eindruck eines kurzen vermerks im stile der hypothesen. auch sie möchte man nur der allerbesten zeit der römischen grammatik zutrauen.

93) Georg. II, 136, 11] 6.

94) Selbst die prolegomena, die wir in den Theokritscholien lesen, werden in

168 Geschichte des tragikertextes.

mit diesen reichen schätzen zu wirtschaften, der sie nicht fortwährend mit einander vergleicht und als einheitliche masse betrachtet. ganz deut- lich aber ist, dals diese befruchtung der römischen studien im ersten jahrhundert schon stattgefunden hat: sie verfügt über einen reichtum, von welchem die nächste periode schon weit entfernt ist.

Nun würde es freilich verkehrt sein, wollte man bestreiten, dafs randnotizen, auch gelehrten inhaltes, den älteren handschriften fremd gewesen wären. die scholien, welche Simplicius in der Parmenideshand- schrift vorfand, die er benutzte, sind in sehr früher zeit, wol nicht nach dem 3. jahrhundert v. Chr., beigefügt. die scholien zu den briefen Epi- kurs, welche Diogenes mit dem texte aufgenommen hat, sind verfalst, als die fülle der epikurischen werke noch gelesen ward: das ist in der kaiserzeit nicht glaublich. die parallelstellen, welche wir in den dichtern vorfinden, die zusälze, welche unzweifelhaft einzeln in Xenophons Kyro- paedie Anabasis Hellenika stecken, stammen vom rande; auch die hypo- thesen des Aristophanes sind ja etwas ähnliches. aber es ist doch noch ein unterschied. in der kaiserzeit ist der text mit scholien eine legitime form des buches, ist er die legitime form der gelehrten erklärung.

Me έτος In diesen scholien, und zwar zu allen classikern, und bei Griechen und Römern gleichermalsen, findet sich eine überaus reiche und ge- lehrte mythographische schicht. Alkman und Lucan, Homer und Statius, Aischylos und Lykophron, alle zeigen reste derselben ungeheuren sammel- gelehrsamkeit. und ebendieselbe finden wir in den compendien vor, die wir freilich erst in sehr jungen fassungen unter den gleichgiltigen, um der berühmtheit ihrer längst vergessenen träger willen gewählten namen Era- tosthenes Apollodoros Hyginus besitzen. und dieselbe gelehrsamkeit sehen wir mit verschweigung ihrer herkunft von den litteraten auf den markt gebracht, von Pausanias und Aeclian und Athenaeus, wo man sich nicht wundert, aber auch schon von Diodor. ja, es ist die einleuchtende ver- mutung ausgesprochen, dafs Ovid die stoffe seiner Metamorphosen zum teil aus dieser selben quelle hat”). dafs Theon für die scholien zu den Alexandrinischen dichtern und dadurch für die römischen scholien der hauptvermittler gewesen ist, erkennt man wol. auch Pamphilos kommt

naivster weise zu prolegomena der vergilischen Eklogen umgeformt, erhalten in den Probusscholien, Bernerscholien und bei Diomedes Ill. die wissenschaft fordert dringend, dafs die anlehen, welche die römische grammatik bei der griechischen ge- macht hat, zurückgezahlt werden: die scholien nicht nur der Alexandriner, sondern selbst die Homerischen, werden dann ein anderes ansehen gewinnen.

95) Bethe de Diodori lib. IV (Göttingen 1887), p. 97.

Mythographie. 169

stark in betracht”). man kennt auch ein par namen von sammlern, wie Lysimachos, der für die Euripidesscholien stark benutzt ist, und den bisber sehr dunklen Kyklographen Dionysios. aber die forschung, welche erst vor kurzem begonnen hat, durch die bearbeitung dieses gebietes für die mythographie ein fundament zu schaffen, kann sich bisher nicht mit namen oder festen zeitbestimmungen hervorwagen. nur das allgemeine ist aufser allem zweifel, dals schon im zweiten jahrhundert v. Chr. die sammelarbeit begonnen, im folgenden fortgesetzt ist, und dafs die zeit der Didymos und Theon mit der überführung der gelehrsamkeit in die commentare und handbücher beginnt, auch wol noch zusätze macht, aber seit 100 n. Chr. fast nur noch epitomirt wird. entsprechend der bildung der zeit, welche den grund legte, ist die classische tragödie, die damals noch den leuten geläufig war, wenig berücksichtigt; dagegen wird die ganz entlegene litteratur, nicht oder nachclassische tragiker, sogar dithyrambiker, herangezogen (was dann zuerst beseitigt wird), aber Ale- xandriner sehr spärlich”), vor allem aber die masse der epen, welche nicht mehr als echt homerisch und echt besiodisch galten, und die eigent- lichen mythograpben. somit lernen wir nicht so viel für die verlornen dramen wie wir möchten, wol aber das beste was uns zugänglich ist für die archaische litteratur, mittelbar also für die quellen der tragiker. sehr viel weniger wert hat die darstellung der sagengeschichte, zu welcher als wie zu einem texte die varianten binzugestellt wurden, wie wir sie hei Diodor, dann in den compendien und jüngeren scholien lesen: bier wird gegeben, was wirklich die vulgäre fassung war. dies sind ὑποϑέσεις vergleichbar den tales from Shakespeare oder Schwabs Sagen des classischen altertums. uns kann eine erzählung der Argonauten nach Apollonios, der Oedipussage nach Sophokles König Oedipus und Euripides Phoenissen wenig helfen: aber wo uns die originale fehlen, nehmen wir doch auch hiervon mit dank kenntnis, und als gradmesser für die popularität der gedichte wird es sogar sehr bedeutend: nur wenige dramen haben so wie die eben genannten und z. b. Antiope Bakchen Hippolytos Iphigeneia Andromeda durchgeschlagen. z. b. sind die Ante- und Posthomerica immer auf grund von auszügen der homerischen epen,

96) Oder de Antonino Liberali (Bonn 1886) p. 26.

97) Diese bestandteile werden diakritische bedeutung erhalten, denn es gibt partien, welche von ihnen so gut wie ganz frei sind, während andere voll davon sind. ein haupt- und grundwerk, Apollodoros sei ϑεῶν, hat die jungen dichter, selbst Nikandros, nachweislich benutzt; von Lysimachos ist es unwahrscheinlich. ähnlich wird man in den glossenerklärungen operiren können.

110 Geschichte des ἰγηρὶκογίοχίοβ,

die Heraklessage auf grund der mythographen erzählt worden, mochte auch für einzelne episoden ein drama, wie der Herakles des Euripides, die Trachinierinnen des Sophokles, sich einschieben. existirt haben auch nacherzählungen einzelner dramen, vielleicht in sammlungen, wie wir sie von dem dichter Tarthenios und Antoninus Liberalis besitzen, und sie haben in der späteren zeit, als man die dramen nicht mehr las, ihre bedeutung gehabt, sind uns natürlich sehr erwünscht”). aber in der grammatischen litteratur stehen sie auf der niedrigsten stufe.

Die lebhaftigkeit und die ausdehnung des interesses, welches die sagen um die augusteische zeit fanden, zeigt sich durch nichts greifbarer, als durch ihren einfluls auf die bildende kunst. denn lediglich dieses interesse hat die industrie der tabulae Iliacae und was damit zusammen- hängt erzeugt. diese, die besser tabulae Homericae heifsen, wie sie ihr verfertiger Theodoros genannt hat, und die farnesische apotheose des Herakles gehören ganz und gar mit den mythographischen arbeiten zu- sammen. dafs die tragödie auch einen solchen plastischen niedersclhlag gefunden hat, haben erst die letzten jahre gelehrt. in Tanagra sind mehrere tönerne becher mit relief gefunden, auf denen scenen aus Ilias und Iliupersis, der raub der Helena durch Theseus in ganz neuer form und endlich eine reihe scenen der aulischen Iphigenia des Euripides dar- gestellt sind, diese mit der inschrift Εὐριπίδου Ἰφιγενείας "). lehrt uns dieses auch nichts, so nährt es doch die hoffnung.

Die mythographischen arbeiten, so wertvoll sie sonst sind, haben für die textkritik keine bedeutung. die reste der τραγιχὴ λέξις würden sie haben, wenn sie nicht so jämmerlich verstümmelt wären; doch be- zeugen sie immer noclı die ausdehnung der grammatischen tätigkeit über das ganze gebiet der tragödie. dieses selbe lehrt ein anderes feld der überlieferung und ermöglicht zugleich eine controlle unserer handschriften in sehr ausgedehntem malse: die anthologien. die sitte, aus den dichtern

98) Es scheint, dafs die rhetorenschulen sich ihrer bedient haben, wenigstens haben wir durch späte rhetorische bücher die hypothesen von Auge Peirithoos Sthe- neboia erhalten. die späten scholien zu Aristides verfügten über die des Protesilaos. die des Syleus stand in dem oben s. 112 erwähnten litteraturgeschichtlichen buche. die annahme aber, dafs in späterer byzantinischer zeit eine solche sammlung noch bestanden hätte, hat keinen boden unter den fülsen.

99) ᾿Εφήμ. ἀρχ. 1884, 59. 1887, 67, 197. die arbeit ist roh, die inschriften teils unleserlich, teils auch falsch. in der Iphigeneia sind die scenen unvollständig. von derselben art scheint ein bruchstäck eines gefäfses in London, das sich auf die Phoenissen bezieht, Classical Review II 327. alles zeigt einen zustand vergleichbar den ilischen tafeln: das einzelne exemplar ist immer nur ein excerpt.

Mythographie. 171

auszüge zu machen, von moralischem gesichtspunkte und zunächst für den jugendunterricht, stammt aus dem vierten jahrhundert: die elegiensamm- lung, die nach Theognis heifst, ist der älteste beleg. die tragiker und zumal den sentenzenreichen Euripides für die moralische paraenese aus- zunutzen ist auch schon im vierten jahrhundert begonnen und hat nie aufgehört. aber wir hören nichts von florilegien in der zeit des alter- tums, noch weniger von leuten, die sie verfertigen. es ist das ja auch ein sehr untergeordnetes geschäft und keine litteraturgattung, die in ehren steht; um so mehr wird sie gebraucht. wir besitzen erst die kleine sammlung des Orion und dann die grofse des Stobaeus aus der allerletzten zeit des altertums: aber es hiefse die ganze textgeschichte auf den kopf stellen, wollte man annehmen, dafs Jiese leute ihren poe- tischen stoff selbst gesammelt hätten. sie baben dafür lediglich vorhandene florilegien ausgeschrieben. und dals solche, und zwar dieselben, welche Stobaeus vorlagen, schon im 2. jahrhundert ἢ. Chr. vorhanden waren, lehrt ihre benutzung durch Clemens von Alexandreia und Theophilos von Antiocheia. Clemens ist ein schriftsteller, der die gepflogenheiten seiner zeit, das erheucheln einer profunden gelehrsamkeit und verstecken der sehr trivialen handbücher, aus denen sie stammt, aus dem grunde versteht: aber wer da weils, wie viele und seltene dichterstellen bei Clemens und Stobaeus übereinstimmend stehen, wird keinen augenblick über die ur- sache dieser übereinstimmung in zweifel sein. Theophilos ist ein plumper plebejer: bei ihm liegen die ganzen reihen vor'”). in diese gesellschaft waren also unter kaiser Marcus die florilegien geraten, wo man doch weder die verse verstand noch sich um die verfasser kümmerte. wie viele jahr- hunderte früher sie angelegt waren, stehe dahin: aber an nachchristliche zeit zu denken verbietet die geschichte der antiken bildung. wir haben also die citate bei Stobaeus und seinen ausschreibern '") oder mitaus- schreibern als eine spätestens in der zeit des Didymos von den dichter- handschriften abgezweigte überlieferung anzusehen, für die so eine äufserst wertvolle controlle erwächst. dies wird zwar beeinträchtigt durch die un-

100) Der wichtige nachweis ist durch Diels, Rh. M. 30, geliefert. Diels setzt das urflorilegium in das 1. jahrhundert v. Chr., zwar auf einen ungenügenden anhalt hin, aber in der sache hat er sicherlich recht. die analyse wird, sobald die über- lieferung des florilegiums festgestellt sein wird, sehr vieles mit sicherheit ermitteln können. bisher ist für die classische litteratur nichts brauchbares geschehen.

101) Alle Byzantiner hängen von Stobaeus ab’, abgerechnet solche die ledig- lich aus erhaltenem schöpfen und eine gesonderte überlieferung haben. diese sind aber wertlos. so z. b. ein euripidisches gnomologium in einer Venediger handschrift, Ritschls Acta VI 333.

172 Geschichte des tragikertextes.

gemeine verderbnis, welche den text des Stobaeus heimgesucht hat, dessen überlieferung zudem bisher nur ungenügend bekannt ist. längst ist auch bemerkt, dafs die veranstalter und benutzer des urflorilegiums teils um volle verse zu erhalten, teils um die sentenzen für ihre zwecke abzurunden, mit dem texte, den sie vorfanden, willkürlich umgesprungen sind. das beein- trächtigt aber nur den wert der varianten, welche Stobaeus liefert: wo er mit unsern handschriften stimmt, liegt ein zeugnis dafür vor, dafs die verse zu Didymos zeit ebenso gelesen worden sind. und da nicht bestritten wird, dafs dies in der überwiegenden masse der fälle, auch der fehler, statt- findet, so hat man wenigstens für die überlieferung der texte von Didymos zeit bis auf uns das allergünstigste ergebnis anzuerkennen. für Euripides speciell kann man noch mehr wissen, denn trotz der verwahrlosung durch die ausschreiber und anordner läfst sich nicht verkennen, dafs zu den quellen, sei es des urflorilegiums oder der mittelsmänner oder des Stobaeus gar (dies schwerlich), ein florilegium aus Euripides gehörte, das neben dem aus allerhand dichtern, unter denen natürlich der beliebteste tragiker nicht fehlte, ausgezogen worden ist. dieses nun hat die gesammtausgabe excerpirt, die stücke sind also nach den anfangsbuchstaben ihrer titel geordnet. das llorilegium war sehr umfangreich, und die excerptoren lielsen also sehr vieles fort: so ist es zu erklären, dafs aus den dramen mit _4 besonders viele bruchstücke bei Stobaeus stehen, viele auch aus denen mit (ἢ: aber die mitte des alphabetes ist schwächer, einzelne buchstaben kaum ver- treten'®). ähnlich geordnete excerptenreihen begegnen sonst nur ver- einzelt, aber eine solche reihe aus Euripides ist doch noch erhalten '®). natürlich möchte man sehr gern die oben ermittelte abweichung von der alphabetischen ordnung in folge der bandeinteilung bei Stobaeus wieder-

102) Z.b. Θ, Θησεύς bei Stobueus nur in einem unsicheren falle, Θυέστης dreimal, wozu gleich drei bei Orion kommen, der anders excerpirt hat. K, Koes- σφόντης dreimal (und einmal ohne titel), Κρῆσσαε fünfmal, Κρῆτες gar nicht, Ası- avıos gar nicht. dagegen halte man Φοῖνεξ elf (in wahrheit noch mehr), Φρέξος zehn, und gar Aiolos 21, ᾿Αλέξανδρος 18, Alxuren 13 u.s. w. die rechnung ist nur ganz obenhin angestellt, weil sie auch so genügt.

103) Ps. Justin de monarch. 1074. (II 146 Otto). Ὀρέστης Ἱππόλυτος Ἴων “Ἀρχέλαος Βελλεροφόντης --- Φρέξος Φιλοκτήτης, dann zwei verwirrte citate (Togadas). von diesen sind die stellen aus Orest, Ion und die beiden letzten von dem verfasser aus älterer apologelischer litteratur genommen, die erste vielleicht vielmehr aus dem drama selbst. aber AB$# ist rasch aus anfang und schlufs eines capitels aufgerafft. ebenda Menander Hvioyos "Iegsıa Μισούμενος Παρακαταϑήκη vor Euripides, nachher Akssis Adelgoi Alknzeidss: ganz evident. in der grammatischen literatur habe ich nur einen beleg gefunden (und ich bin seit 15 jahren auf der suche), Athen. X 411°, komödien des Eubulos Aszuinn Εὐρώπη Ἴων Κέρκωψ Mvooi,

Mythographie. dritte periode der textgeschichte. 178

finden; aber die anhaltspunkte sind bisher zu schwache, so dafs es ge- raten scheint von ihnen abzusehen '**).

Die lexikographie, wie sie bei Hesychius, die anthologie, wie sie bei griode der

Stobaeus vorliegt, beweist für die zeit dieser compilatoren weder die geschichte.

kenntnis noch den besitz der citirten tragödien. aber für das erste jahr- hundert nach Christo sind allerdings beide beweisend. doch dafür würde schon ein hinweis auf die beiden trefllichen männer genügen, in denen die cultur dieses jahrhunderts culminirt, Plutarchos und Dion. wer bei ihnen nach den spuren einer auswahl von tragödien suchen wollte, oder ihre kenntnis auf etliche meisterwerke beschränkt glauben, würde sich lächerlich machen. die schätze des dramas, wie überhaupt der classischen litteratur, sind nicht nur vorhanden, sondern werden auch genutzt'*). das bezweifelt auch niemand. aber den seltsamen gegensatz, den schon das zweite jahrhundert hierzu zeigt, pflegt man zu vergessen. in wahrheit beginnt mit der hadrianischen zeit die letzte und längste periode der antiken grammatik, und so auch der tragikerkritik, welche bis auf die uns erhaltenen handschriften reicht. es ist ein jahrtausend, das sich mit dem excerpiren und noch viel mehr mit dem verlieren beschiftigt; wenn

104) Ich gebe nur proben, da sich die sache ohne einsicht in die überlieferung nicht erledigen läfst und im vorbeigehen überhaupt nicht. flor. 7 BA, AA, ΗΟ, 22, 1 Eve. Γλαύκῳ falsch; es ist ein komikervers, fgm. 644 zu tilgen, wol der name des Euripides mit Eubulos zu vertauschen; dann drei bruchstücke ohne tragödien- name (eins aus Ixion), dann AA, AAABH, später noch A und T. 34:?A, AA. 35:A. 39 ΤΊΉ ΦΥ͂ AAAST, ®, 9, 9. 40 9b. 43 96? 9, 1A?,®, EAAA. das lemma von 3 (adesp. 450) ist also in Zve. ®— zu ergänzen. 47 ΦΦΑΑ. 49 ΙΑ AAN. das lemma von 4 ist in ’Hid«rea verdorben, fgm. 846: es ist in ἀλεμέων zu ändern: für den korinthischen pafst der sion; doch ist auch aAxunvn möglich, 54: AAB NPAAEEBTTTOSBE, I. 62:EMA; AAAAA, AAABAEAEAEI, MM®, A. 63:AAlAl; A,Al. 64:AAAAA,M. 67:00,00,AA,®. 73:?,10,7, MEMAAAAAAAAABAAIIIIMOMI MMMO®$; A; 1,®. 88:3} TAAAEH? (Ἱππόλ. nach Monk fgm. 1052) Il. 91: ΦΔΗΚΠ, $, A,AAAEN. 92:AEOTIKHAE. 93:#11MA? ANAAAATI®ST. 98, 31 ff. AAAAABEION. 111:AA, NOAAAB. 114:A, A, AA. 115:®BEMN. Orion I: AOAEINP®, Σ.

105) Seneca verachtete die grammatik und hatte als Römer minister und stoiker für die classische poesie der Griechen nicht viel übrig. seine sonstigen schriften zeigen keine spur von solchen studien. aber als er tragödien dichten wollte, griff er nach Elektra Oidipus Trachinierinnen Polyxena Thyestes von Sophokles, Medeia beiden Hippolytos Hekabe Troerinnen Phoenissen Phaethon Kresphontes Herakles von Euripides, Agamemnon von Aischylos. wahrscheinlich hat er noch viel mehr gelesen. von römischen tragödien natürlich nur die beiden der augusteischen zeit, nicht die barbarischen übersetzungen des 2. jahrhunderts. dafs damals keine auswahl von musterstücken in den händen des publicums war, liegt auf der hand. nicht einmal die berähmheit hat mehr als eine erste anregung zur lecture gegeben.

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174 Geschichte des tragikertextes.

es lob verdient, so kann das nur darin bestehn, dafs man ihm zu gute rechnet, doch nicht alles verwahrlost und verloren zu haben.

Wenn sich mit schlagenden belegstellen und directen zeugnissen die tatsache kurz feststellen lielse, dals etwa im anfange des 2. jahrhunderts ein mann von den drei tragikern eine anzahl stücke ausgewählt und in neuer fester reihenfolge mit erklärungen edirt hat, zum zwecke zunächst der schule, dafs aber der erfolg fast unmittelbar der gewesen ist, dals die übrigen werke zu gunsten dieser wenigen vergessen wurden, und zumeist auch in folge dessen verloren gegangen sind, so würde es keines weiteren ausholens bedürfen. allein als eine augenfällige tatsache tritt dies erst dem entgegen, der die geschichtlichen bedingungen der cultur zu verstehen gelernt hat, der die textgeschichte der einzelnen bücher lediglich als ein einzelleben innerhalb des ganzen einheitlichen lebens der grammatik und diese wieder als eine seite des ganzen grolsen volkslebens und seiner stätigen entwickelung aufzufassen im stande ist. darum ist es notwendig, ins weite zu gehen.

Verfall der In der geistigen kraft des hellenischen volkes bemerkt man seit dem

cultur im

2. ‚Jehrh. epochenjahre 222, dafs des lebens flutstrom nach und nach ebbet. aber es

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gibt doch noch bedeutende, neues schaffende geister bis tief in die zeit der revolution hinab. der arzt Asklepiades, der philosoph Ainesidemos, vor allem die letzte wahrhaft grofse forschergestalt des Poseidonios sind zeugen dafür. aber die materielle und sittliche verwüstung, welche durch die Quchwürdige wirtschaft der römischen oligarchie erzeugt wird, und dann die schrecken des gerichtes, welches über diese hereinbricht, zerreifsen alle fäden der natürlichen entwickelung. kaiser Augustus erscheint dann freilich als ein heiland: wie er es selbst erwartet!) und verdient hat, haben ihm seine woltaten die apotheose verschafft. die höchsten irdischen güter, frieden und wolstand, hat er der welt gebracht. es schien, als wollte wirklich neues leben aus den ruinen erblühen. man besann sich auch auf das berrliche vermächtnis der ahnen, in welchem man das palladium der gesittung nicht verkannte. die cultur des zwiesprachigen weltreiches, die duch die hellenische war, gewann expansiv eine starke kraft und viele treffliche männer in allen kreisen des lebens bemülıten sich dem volke glauben und sitte und philosophie und die in der herrlichsten poesie be- schlossenen ideale zu erlıalten. aber dem seelenleben seines volkes hatte

106) Er selbst schreibt an seinen sohn benignitas enim mea me ad caelestem gloriam efferet (Sueton Aug. 71): man entfernt sich also doch wol nicht von dem sinne des kaisers, wenn man den bericht, den er gleichzeitig über sein leben auf- zeichnet, unter diesem augenpunkte betrachtet,

Verfall der cultur im 2. jahrhundert n. Chr. 175

der kaiser frieden und gesundheit nicht wiedergeben können, und er selbst 1äuschte sich am wenigsten darüber, dafs die sittlichen kräfte einer regeneration bedurft hätten, damit die blüte nicht eine taube bliebe. der staatliche notbau den er errichtete, die gesellschaftsordnung die er be- gründete, haben freilich vorgehalten, doch nur in der weise, dafs sie wider seinen willen auf etwas gänzlich dem llellenen wie Italiker fremdes hin sich entwickelten, auf den beamtenstaat eines absoluten fürsten. das war der staat der Ptolemaeer und Seleukiden nur für die barbaren gewesen: nun wird die welt durch diese staatsform allmählich barbarisirt. für barbaren- herzen sind die ideale Ioniens und Athens zu hoch. keinesweges erst Dio- cletian, sondern schon Septimius Severus vollendet die barbarisirung der welt. und besiegelt ist ihr geschick schon durch Hadrian. das zweite jahr- hundert, das sich selber und noch einem manne wie Gibbon das goldene zeitalter war, ist die zeit des todes für die antike welt. wol prangt diese zeit noch in gleilsenden farben: aber was ist sie anders als ein gelünchtes grab? wie spreizen sie sich, die stimmführer dieser selbstvergötterten civilisation, die Aristides und Lukian, Favorin und Apuleius, Herodes und Fronto aufsen schminke, drinnen moder. was hilft’s dafs diese zeit von allgemeiner bildung trieft, vor der kein Iykisches bergtal und keine africanische landstadt sicher ist, dafs die reichspost von Lissabon bis Palmyra geht, kunststrafsen und wasserleitungen gebaut werden, stil- volle kirchen und villen, statuen im geschmacke Thutmosis IH oder Nebu- kadnezar oder Peisistratos, und Euriposse und Kanoposse und Mauso- leen? der geist ist es allein der lebt und leben schafft: der geist aber läfst sein nicht spotten. und viel schlimmer und barbarischer als die zeiten, in denen er noch nicht erwacht ist, sind die, wo er verflogen ist und erheucbelt werden soll.

Vielleicht das fürchterlichste in solchen zeiten ist, dals das gute selbst nur eine kraft wird, die das böse schafltl. der classicismus der augus- teischen zeit hatte in edelstem streben die echten ideale hoch aufgerichtet und den ınenschen geboten, im glauben an sie sich selbst zu erheben. nun war er mode geworden, die journalisten hatten sich seiner bemächtigt, die schulieister handelten mit ihm: was die halbgebildeten anfassen, das schneiden sie sich nach der dürftigkeit ihrer eigenen leistungsfähigkeit zu. statt den idealen innerlich sich zu nahen, wollte man sie kurzerhand haschen und betasten. statt andächtig Sich der pracht der sterne zu freuen, begehrte man sie zu fassen, herunter zu holen und ihr gold zu eignem gebrauche auszumünzen. der atticismus trieb die studien der alten litte- ratur lediglich um selbst so schön zu schreiben und zu reden wie die

pP 7

176 Geschichte des tragikertextes.

Attiker: Aristides sagte es, dals ers besser könnte, und Lukian war zum sagen zu klug, aber er glaubte es auch. an Uen verächtlichen siegespreis,

| ein erlognes attisch zu reden, sich seinem eignen volkstum zu entfremden,

. in den wolken zu leben, setzte man sauren schweils, jahrelange arbeit, beständigen training. und diesem niedern zwecke zu dienen, spannte sich auch die grammatik ins joch: mag es auch mancher nicht eingestehen, die grammatische arbeit des 2. jahrhunderts ist im grunde nichts als σοφιστικὴ προπαρασκευή.

Was diesen praktischen zwecken dienen kann, das wird eifrig fort- studirt. nicht blofs die redner in der ausdehnung, welche der per- gamenische kanon festgestellt hatte, sondern auch andere brauchbar erscheinende schriftsteller, wie Xenoplon und die anderen nicht gar zu philosophischen Sokratiker: selbst Phaidon ist bis in das 4. jahrhundert erhalten geblieben”). Kritias hat sich eben so lange gehalten, nachdem ihn die laune der archaisten entdeckt hatte. und da diese ihre experi- mente bis zum ionisch schreiben steigerten, so erhielt selbst Hekataios eine stilistische würdigung durch Hermogenes und sein geographisches werk ist noch in frühbyzantinischer zeit gelesen'®); auch die ionischen mythographen, Akusilaos und Pherekydes, haben keinesweges blofs in excerpten gelebt'®). vollends die komödie war die ergiebigste fundgrube des archaisten, und keinesweges blofs Menander, der bis über Iustinian hinaus bekannt blieb, sondern selbst andere alte komiker als Aristophanes haben noch leuten wie Libanius und Synesius vorgelegen. Galen schreibt seine tragikercitate aus glossaren und philosophischen tractaten ab: über die komödie hat er specialarbeiten verfalst. es war so ziemlich der ganze nachlafs der μέσῃ und νέα, den Athenaeus selbst excerpirt hat: derselbe, der keine einzige tragödie, kein Iyrisches gedicht aus eignen mitteln citirt. wozu sollte man auch diese gedichte lesen, die man nicht copiren wollte ? den sagenstoff, so weit man ihn für die allgemeine bildung brauchte, lieferten die handbücher, und die vocabeln konnte man nicht brauchen.

Poesie ward freilich auch noch producirt, massenhaft sogar, während

107) Synesius (Dion. 17, p. 297 Krab.) nennt unter einer langen reihe von situa- tionen die er platonischen dialogen entnimmt auch οὐδὲ Σίμων σκυτεὺς πάνυ τι συγχωρεῖν ἠξίου Σωκράτει, ἀλλ᾽ ἐπράττετο λόγον ἑκάστου λόγου, notwendigerweise mit beziehung auf einen dialog, der dann Phaidona Simon war, den [υἱΐδη noch gelesen hat. vgl. Herm. XIV 476. .

108) Stephanus von Byzanz hat ihn selbst ausgezogen, Niese de Steph. Bya. auct. 13.

109) Das beweisen lange wörtliche den ionismus bewahrende stücke in den scholien zur Odyssee (z. Ὁ. 4 287, 321) Pindar (P. 4, 133) Apollonios (4, 1396, 1515).

Verfall der eultur im 2. jahrhundert n. Chr. 177

im ersten jahrhundert wenig davon zu spüren war, und das wuchs sich um 400, als die sprache schon so gut wie tot war, zu einer wirklich eigen- artigen, wenn auch barbarischen kunst aus. dafür brauchte man aber aulser Homer, dessen naivetät die geringsten ingenia kindisch copirten, die alexandrinische dichtung ausschliefslich, deren formen, deren wort- schatz, deren poetische technik unerschüttert regierten: freilich Antimachos Aratos Apollonios Nikandros mehr als die dichter ersten ranges. aber darum, dafs am kaiserhofe ein Mesomedes lahme rhythmen unmelodisch componirte, war ein studium der Iyriker nicht von wichtigkeit. und die tragödie vollends war stumm geworden. es wird im zweiten jahrhundert gewils noch vielfach etwas tragisches gespielt sein, obwol die zeugnisse der atticisten nicht schwer wiegen, denn sie erheucheln auch alte sitten. dann aber ist es vorbei, und für die gebildeten war längst statt der tragödie als darstellerin der alten sage eine modernere Muse aufgetreten, das ballet: die gute gesellschaft Roms lernte den Aiolos des Euripides durch dasselbe mittel kennen, wie die heutige den Sardanapal Byrons, durch die beine eines Pylades.

Und doch stand es ja fest, dafs die classiker classisch waren, und es gehörte zu den voraussetzungen der allgemeinen bildung, dafs das classische bekannt war. das war es auch, in der weise, wie zeiten mit sinkender cultur ihre verblassenden ideale kennen lernen. die classiker waren in die schule herabgesunken. da mufsten sie gelesen werden, das verstand sich und verlangte jeder. und wenn der junge mensch aus der schule in’s leben trat, da warf er den plunder weg, der für’s leben, das heifst für gelderwerb und ehrengier und sinnesgenufs, doch nichts hilft. so sagte niemand (das würde ja ehrlich gewesen sein), aber so tat jeder. die schule aber ist genötigt, sich mit einer auswahl zu behelfen, ihre aufgaben fordern einen ganz besonderen malsstab der auslese und eine besondere art der behandlung. sie tut nur ihre schuldigkeit, wenn sie mit den strengen forderungen der wissenschaftlichkeit in conflict kommt.

Schulmäfsige behandlung oder wenigstens eine beträchtliche ver- flachung ihres niveaus mulste die grammatik aber überhaupt vornehmen, wenn sie weiteren kreisen irgendwelche alte poesie erschliefsen wollte. denn trotz allem attisch parliren, trotz den totenerweckungen des duales, der dative οὗ und σφέσι, des doppelten t statt doppeltem 8, so schöner vor 300 verstorbner formen wie ysypaparaı und νᾶτευ und von tausend vocabeln konnten die herren Titianus und Lucianus, die sich Τιτάνιος,

v. Wilamowltz 1. 12

4 N!

180 Geschichte des tragikertextes.

wol um [100 n. Chr., denn wenn ihn auch erst Herodian citirt, so ist doch der erfolg seiner auswahl schon in den rhetorischen lexicis des 2. jahrhunderts zu spüren, die demgemäfs die betreffenden stücke be- vorzugen ''). Symmachos bezieht sich in seinem commentar häufig auf früher von ihm behandelte stellen, so dafs die reihenfolge der erklärten dramen ganz feststeht, übrigens auch in der Byzantinerzeit nicht ver- gessen worden ist. Es folgen auf einander Plutos Wolken Frösche Ritter Acharner Wespen Frieden Vögel Thesmophoriazusen Ekklesiazusen Ly- sistrate''?),. die reihe war damit ohne zweifel nicht abgeschlossen 1:9) ; Symmachos hat auch Kratinos erklärt und wird da wol ebenso verfahren sein‘). die rücksichten der schule sind einleuchtend. der Plutos ist weitaus am einfachsten, Wolken Frösche Ritter zu kennen forderte die allgemeine bildung mit rücksicht auf die angegriffenen berühmtheiten Sokrates Euripides Kleon. für die folgenden stücke ist es besser nichts zu vermuten. Symmachos ist nun ein schrifisteller noch von der alten

zeigt sich als zusatz (Fried. 916; sonst noch ein par mal zu Wesp.). dieser ist deipno- sophist bei Athenaeus, was nur zeigt, dafs er eine berühmtheit wie Galen Rufus Piutarch Ulpian war. und als vaterland hat ihm Athenaeus nach Piat. Phaidr. 2614 Elea gegeben: woraus nach jenen analogien folgt, dafs er nicht daher war. inter- polirt hat Suidas oder ein vorgänger dies in den kargen biographischen artikel, aus dem abzuleiten ist, dafs er bei Dionys und Philon nicht vorkam, ἀ. ἢ. nach 140 blähte., auch Symmachos fehlt bei Suidas, aber ein schlufs e silentio ist mislich und die gänzliche vermeidung von schriftstellern des 2. jahrhunderts spricht für etwas höheres alter.

112) Man kann das leicht sehen, wenn man die indices zu Nabers Photius _ mustert. auf welchen umwegen auch immer hineingelangt, die quellen dieses lexi- cons gehören dem 2. jahrhundert an. damit man nicht irre, bemerke ich, dafs die atticistischen glossen im Hesych nicht Diogenian sind. selbst bei Lukian sind die erhaltenen komödien stark bevorzugt, P. Schultze quae ratio inter Lucianum et comicos intercedat. Berlin 1883.

113) Die sehr zahlreichen belege führe ich nicht an. die nummern 1—4, 10, 11 wird niemand bezweifeln. für die reihenfolge Ach. Wesp. vgl. Wesp. 1195, 1206. 1407. Wesp. Fried. vgl. Wesp. 1446 Fr. 1048 (zielt auf Wesp. 718). Fried. Vög. vgl. Vög. 822 (zielt auf Fried. 928). Thesm. 162 ἐν τῷ πρὸ τούτου δράματι τοῖς Ὄρνισε" Lysistr. 801 auf Ekkl. 303, jetzt fast verschwunden. damit erledigt sich die an- sicht, dafs die auswahl von 7 stücken im Venetus erhalten wäre; sie ist auch an sich verkehrt, denn diese gelehrteste handschrift repräsentirt keine verkürzung der auswahl. .

114) Nach der häuflgkeit der citate wären Daitales Babylonier Tagenisten etwa gefolgt.

115) Herodian II 945 Lentz (π. μον. As&. 39). es wird sich für Kratinos schwer- lich ermitteln lassen, welche dramen noch länger behandelt wurden. wol aber ist der versuch für Menander nicht aussichtslos.

Aristophanesscholien. 181

grammatikerart; er hat eigene ausgedehnte kenntnisse und wagt eigene meinungen. das ältere verdankt er sammmlungen und scholien, des Didy- mos, aber auch anderer, z. b. des Artemidor (συναγωγή Wesp. 1169) 5), und die dramen waren vor ihm ersichtlich gar nicht gleichmäfsig be- handelt, was natürlich auch auf seinen commentar einwirkt. Frösche und Vögel stehen deshalb an gelehrsamkeit weit über dem Plutos. das gelehrte material älterer zeit, das geschichtliche (aufser billigen Thukydides- excerpten), textkritische, glossographische gehört ihm wol alles. für die paraphrastische erklärung läfst die grenze sich schwer ziehen; das ist aber auch das mindest wichtige.

Das metrische liefs Symmachos, wie die meisten erklärer bei seite. allein ein anderer einflufsreicher mann, ziemlich sein zeitgenosse, Helio- doros, verfertigte eine aristophanische kolometrie, d.h. eine analyse sämmt- licher verse der komödie, woran sich zuweilen etwas kritisches schlofs. es war keine ausgabe, aber wol eine anweisung, wie eine ausgabe zu schreiben wäre: wobei fraglich ist, ob er nicht die schreibung (einschliefslich des aus- und einrückens der zeilen) vorfand und lediglich die analyse sein war. wie weit er seine arbeit ausdehnte, welche reihenfolge er inne hielt, ist nicht zu sagen.

Wol erst in frühbyzantinischer zeit hat nun jemand den commentar des Symmachos, die kolometrie des Heliodor, zugleich sie befolgend und ausschreibend, und einiges andere erklärungsmaterial zusammengearbeitet: erst dies werk, oder vielmehr auszüge davon, geben unsere handschriften, text und scholien gleichermafsen. wir hören das zwar nur durch die subscriptio zu ein par stücken, aber der commentar hängt, wenigstens so weit er die beiden wichtigen grammatiker angeht, zusammen. die subscriptio nennt nun noch als benutzt einen gewilsen Phaeinos und ἄλλα τινά. dieser Phaeinos ist nach den proben, die nur zum schlusse der Ritter erhalten sind, ein jämmerlicher ignorant, der sich nur in der gewöhnlichsten exegese versucht. da er ein ganz byzantinisches wort braucht''”), so möchte man ihn nicht mehr in das altertum rechnen. doch wird im Εἰ. Μ. (θλεμάζειν) eine zu der beireffenden stelle (Vög. 530) nicht mehr erhaltene etymologie mit den namen (Φαεεινὸς καὶ Σύμμαχος citirt. die anderen zusätze sind zum teil an sich wertvoll, z. b. die aus-

116) Schol. Fried. 1242 wird in betreff des Kottabos auf ἐκλογαέ verwiesen, 1244 auf Athenaeus: es waren wol die d«Aoyas des Sopater, in dessen erstem buche Athenaeus excerpirt war (Phot. bibl. cod. 161): diese auszüge gehören also zu den ἄλλα τινά der subscriptio.

117) z&ßos für zaum, schol. Ritt. 1150.

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182 Geschichte des tragikertextes.

züge aus Herodian, ergeben aber kein bild einer persönlichkeit. nach- weislich sind einzeleintragungen aus büchern, die in byzantinischer zeit geläufig waren, zu allen zeiten und in allen scholien zugetreten; man kann also Phaeinos nach ihnen, z. b. den anm. 116 citirten, nicht wol datiren. aber im allgemeinen darf Phaeinos wol für den redactor unserer scholien gelten.

Wir haben das glück, dafs die handschriften, mit denen wir operiren, noch dem 10. jahrhundert angehören. der Ravennas ist selbst so alt, der Venetus zwar hundert jahre jünger, aber so sorgfältig copirt''®), dafs er seine vorlage ersetzt, und eine dritte handschrift hat Suidas in demselben jahrhundert fleifsig ausgezogen. für die Acharner Ekklesia- zusen und Lysistrate müssen uns freilich jüngere handschriften (Paris. 2712 und eine halb in Florenz als Laurentianus 31, 15, halb in Leyden aufbewahrte) den Venetus, mit dessen recension sie sich ganz nahe be- rühren, ersetzen, und die Thesmophoriazusen enthält nur der Ravennas. daneben steht für die sieben stücke eine anzahl jüngerer handschriften, die zum kleinsten teile aus den genannten stammen, für die scholien auch keinesweges nur wertlose zusätze liefern, für den text aber unbe- rücksichtigt bleiben dürfen. Ravennas gibt die scholien überaus dürftig, so dafs wir mit ihm allein etwa so stehen würden, wie mit dem Lau- rentianus in den beiden ältern tragikern; doclı schöpft er, wie man an ihm selbst sieht, aus reicherer fülle.

Vom 10. jahrhundert gelangen wir also durch die recensio nur bis ans ende des altertums, wo sich die ströme der überlieferung vereinen. es ist ganz sonnenklar, dafs die kritik eklektisch verfahren mufs; Venetus bietet aber mehr schreibfehler, Ravennas willkürlichkeiten. wir haben nun eine grolse masse citate bei den atticisten und sonstigen späten schrift- stellern, die uns die controlle ermöglichen: sie ergeben im wesentlichen die bestätigung unseres textes, und da sie auf die Symmachosausgabe oder gar ältere zurückgehen, so gelangen wir eben bis in die zeit, für welche die scholien ja auch zeugen. endlich ist kürzlich ein bruchstück einer handschrift aus den letzten zeiten des altertums entdeckt, welches einen text liefert, der ein klein wenig neues geben würde, wenn nicht die kritik die geringen fehler bereits beseitigt hätte, aber im ganzen mit dem unsern identisch ist'"). so dürfen wir sagen, dals allerdings in

118) Dies zeigt Zacher Philol. 1882. Zachers neue arbeit (Handschriften und classen der Ar. scholien Leipzig 88) habe ich noch .nicht prüfen können. um so weniger konnte ich ihre zum teil sehr befremdenden ergebnisse berücksichtigen.

119) Weil Rev. de phil. VI 179. es umfafst Vögel 1057—1085, 1101—27, die

Aristophanesscholien. 183

der zeit zwischen Heliodor und Symmachos einerseits und dem 10. jahr- hundert andererseits eine anzahl kleiner schreibfehler begangen sind, die sich zum teil durch die vergleichung der handschriften erledigen, zum anderen von der modernen kritik, wesentlich den grofsen Engländern, gehoben sind. damit gelangen wir zu demselben texte, welchen Sym- machos gab: alle schwereren schäden, insbesondere lücken und falsclıe verse müssen für älter gelten, und da nun die grammatik so früh, ein- dringend und unausgesetzit den Aristophanes studirt hat, so mufs man im allgemeinen die entstehung der schweren schädigung zwischen dem dichter und dem grammatiker ansetzen.

Aristophanes ist vorzüglich erhalten, aber man spürt doch unter- schiede. die fünf letzten stücke sind ärger zugerichtet, und jedes schlimmer als das vorhergehende. in den Thesmophoriazusen können wir zudem sicher sein, da sie nur in R stehen, eine grolse anzahl fehler teils selbst beseitigen zu müssen, teils gar nicht zu bemerken. dann sind in den drei letzten dramen die scholien so dürftig'*), auch die citate aus ihnen viel seltener, so dafs diese controlle oft versagt. aber auch die Vögel, die auch in V stehen, haben schwer gelitten. das ist also auf die zeit seit 'Symmachos zum teil wenigstens zu schiehen, zumal die ersten vier stücke lediglich durch sorgfältige recensio fast rein herzustellen sind, d.h.

chorischen verse sind mit ἔκϑεσις und εἴσϑεσες geschrieben, reste von scholien vor- handen. 1078 wird ζῶντ᾽ ἀπαγάγῃ, was Bergk aufgenommen hat, bestätigt, 1080 fehlt πᾶσι, das schon Byzantiner getilgt haben. 1069 stand wenigstens etwas hinter daxsıa, wo Dissen av" eingesetzt hat. sonst stimmen selbst fehler, und eine so verkehrte orihographie wie ἀετόν 1110 steht hier wie in R. auch Πεισϑέταιρος ist da.

120) Die vernachlässigung der späteren hat aber nicht nur üble folgen. wenn sie selbst nichts neues mehr zusetzen, so erhält sich die alte gelehrsamkeii wenigstens in den geretieten bruchstücken rein. so ist der commentar der Vögel ganz be- sonders reich an anführungen der älteren grammatiker. und der der Thesmophoria- zusen, im ganzen dünn, hat besonders viele prachtstücke: darunter 1059 über ein drama des Philopator und den conımentar seines ministers und lieblings Agathokles dazu; das kann nur ein zeitlich ganz nahe stehender berichtet haben, also wol Aristo- phanes oder Eratosthenes. der scholiast redet sehr persönlich, 31, 162, 840, 917. weil 393 in gleicher weise in atlicistischem übermut gegen Symmachos geredet wird, dessen scholion dabei steht, könnte man meinen, in all diesem einen späteren zu hören. aber das geht nicht wol, da gerade die bezeichneten scholien den älteren gelehrten gelten und dieselbe weite der gelehrsamkeit zeigen wie der ganze com- ınentar. aufserdem ist 162 wegen der verweisung auf die Vögel und Wespen sicher von Symmachos. die scholien der Lysistrate enthalten nur noch ein par umfäng- lichere stücke und zwar nicht in R; die der Ekklesiazusen sind ganz dünn und zeigen so recht, dafs dies das letzte stück ist.

Pindar- scholien.

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184 Geschichte des tragikertextes.

so wie sie die guten grammatiker lasen. darum ist Aristophanes der schriftsteller, an dem man sich am leichtesten einen gradmesser für die wahrscheinlichkeit der textverderbnis und für die berechtigung der kritik in analogen fällen holen kann.

Nicht viel geringere belehrung gewährt die überlieferung Pindars. im zweiten jahrhundert hat jemand die vier letzten bücher der aristo- phanischen ausgabe für die schule bearbeitet. offenbar schienen die epi- nikien wegen der vielen persönlichen beziehungen zumal zu den sici- lischen fürsten interessanter als die gedichte an götter. warum aber die Nemeen vor die Isthmien gerückt sind, ist nicht zu erkennen’”). der herausgeber war nicht im stande etwas gelehrtes zu leisten, hat auch schwerlich den anspruch erhoben. er hat sich begnügt das gelehrte material von Didymos zu übernehmen, mythographische auszüge und viel- leicht vereinzelt anderes hinzuzufügen, wahrscheinlich auch irgendwoher die metrische erklärung der kola zu nehmen '*) und endlich eine vollständige paraphrase zu verfertigen. seine zeit ergibt sich daraus, dafs Plutarch und Aristides, die Pindar besonders viel citiren, von der bevorzugung der epi- nikien nichts wissen, ebenso wenig Heliodor'*). auch für Lukian ist noch

121) Der schlufs der Isthmien ist durch verstümmelung der handschriften erst spät verloren. denn die handschrift D bricht mitten im achten gedichte ab. die collation sagt nicht, ob die handschrift selbst verstümmelt ist; indefs ist das unwahrscheinlich, da zu den erhaltenen versen keine überschrift noch scholien da sind. ein citat aus mittlerer byzantinischer zeit (fgm. 2) bezeugt für ein weiteres gedicht der Isthmien die existenz. aber ein völlig haltloser einfall ist es, die belege für Pindars sprache, weiche Eustathius in der vorrede zu seiner geplanten Pindarausgabe beibringt, so weit sie in unseren handschriften fehlen, auf die Isthmien zu beziehen. erstens fehlt jeder beleg sonst bei Eustathius, dafa er mehr als wir besessen hätte, zweitens hat er überhaupt diese sprachliche sammlung nicht angelegt, so wenig wie er die apoph- thegmen Pindarse gesammelt hat, und drittens steht ein wort in dieser reihe, welches nachweislich nicht aus den Isthmien ist, sondern aus dem gedicht an Theoxenos (123, 5 ὁλικοβλέφαρος ᾿Αφροδέτα = Enst, 56, 20 Taf.), das in die ἐγκώμεα gehört ; ganz zu geschweigen, dafs es eine torheit ist, sich die zahl der Isthmien ins un- gemessene zu vermehren. die erste ὑπόϑεσιο ᾿Ισϑμέων beginnt damit zu sagen, dafs alle spiele leichenspiele wären, Olympien Pythien Isthmien. da sie für die alte ausgabe geschrieben ist, fehlen die Nemeen. aber Kallierges hat sie eingeschoben, weil er von der echten reihenfolge keine ahnung hatle. erst der neuste herausgeber hat die interpolation beseitigt, aber seinerseits eine lücke bezeichnet. ebenso gut hätte er die interpolation behalteu können.

122) Wenn dies nicht ein zusatz ist, wie Heliodor neben Symmachos im Aristo- phanes steht.

123) Vgl. fgm. 177; auf ihn gehen wol auch die belege des Hephaestion zurück fgm. 116. 117, und die besonders bezeichnenden, weil aus dem ersten hymnus stam- menden 34. 35.

Pindarscholien. 188

die erste ode die erste der hymnen’*). später gilt die neue ausgabe überall. benutzt sind zwei schriftsteller des zweiten jahrhunderts'*), die man nicht leicht für zusätze halten kann. die folgezeit, z. b. die scholien zu Homer (BT) und den tragikern, setzt diese ordnung voraus, und im fünften jahrhundert ist die alte so ganz vergessen, dafs man alberne neue namen für die 17 bücher erfindet, deren zahl man kannte'*). da unsere scholien aller jungen citate entbehren, so hat die tätigkeit der Byzantinerzeit sich auf die verkürzte weitergabe der alten ausgabe beschränkt. sehr früh hat sich eine doppelte recension ganz ähnlich wie im Aristophanes gespalten. die eine, von der auch das Etymologicum Magnum spuren bewahrt, besitzen wir leider nur für die ersten 12 Olympien. sie hat im texte neben vielen eignen fehlern mehreres gute bewahrt, vergleichbar dem Ravennas des Ari- stophanes; die scholien sind entsetzlich verdorben, aber sehr wertvoll. der einzige vertreter dieser recension ist der Ambrosianus A (ἃ 122 inf.). die andere liegt in zwei treffllichen handschriftien vor (Vat. 1312, B, und Laur. 32, 52, D), und auf ihr ruht unser text und ruhen die scholien fest und sicher. es gibt freilich noch eine menge handschriften, die keinesweges aus jenen stammen, und sie selbst werden sich erst in einem manches jahrhundert zurückliegenden originale vereinigen lassen. aber der text, den wir nach beseitigung der durch die vergleichung dieser handschriften oder sonst ohne weiteres erledigten schreibfehler gewinnen, und der also an sich sehr viel älter ist als die dem 12. und 13. jahrhundert ange- hörenden erhaltenen vertreter, zeigt überhaupt ganz geringe schwan- kungen; auch die erst in der späteren byzantinerzeit häufigeren citate be- reichern weder ihn noch die scholien wesentlich"). die paraphrase aber

124) Ikarom. 27: wo die scholien sich wundern, da für sie die erste ode Ol.1 ist. die erste strophe war natürlich in alter zeit so bekannt, wie der anfang von Alk- mans, Sapphos, Alkaios werken. daher hat sie der späte verfasser des pseudo- Iukianischen Δημοσθένους ἐγκώμιον irgendwo auflesen und ein scholiast das richtige ἀρχαὶ τῶν Πινδάρον ὕμνων hinzuseizen können wenn er überhaupt das richtige gemeint hat.

125) Amyntianos Ol. 3, 52. ““λικαρνασσεύς, ἃ. h. Dionysios μουσικὴ ἱστορία, da es sich um die stiftung der für die musikgeschichte so wichtigen sikyonischen Pytbien handelt. Hephaestion (Isthın. 3) ist nicht der metriker. auf zwei Herodian- eitate ist kein verlafs. bezeichnend ist, dafs Palamedes ein ὑπόμνημα sis Πίνδαρον, das letzte von dem wir wissen, geschrieben hat, und nicht vorkommt. das war eine concurrenzarbeit wenn er nicht selbst unser scholiast ist.

126) So der metrische βίος Πινδάρου und die schriftentefel des Suidas, d.h. Besychius: Aelius Dionysius konnte diese noch nicht geben, zumal der herausgeber die alte ordnung in der vita angegeben halte, da er sie ja nicht beseitigen wollte.

127) Sehr stark ist die benutzung im Lykophroncommentar des Tzetzes, dessen

186 Geschichte des tragikertextes.

gibt die gewähr, dafs wir den Pindar im ganzen so lesen, wie er um 180 gelesen ward. und von da steigen wir dank den älteren gramma- tikern wieder bis zu Aristophanes empor: die schlimmen schäden sind älter, älter ist die umformung des dialektes und der orthographie. wir haben aber für so schwere und den späteren fremdartige poesie die be- rubigung, dafs man an ihr viel weniger als an dem komiker, den die Atti- cisten &0 viel traktirten, und jeder zu verstehen meinte, mit dem ver- stande gelesen und abgeschrieben hat. mechanisch ist Pindar copirt worden: wir wollen das für die iragiker nicht vergessen. Schollen u Aber ehe wir zu ihnen selbst gehen, mögen noch die alexandrinischen drinero. dichter, so weit sie mit gelehrtem materiale erhalten sind, gemustert werden. für sie hat Theon eine ebenso centrale stellung wie Didymos für die classiker, aber so wenig wie dieser kann er als der betrachtet werden, welcher unseren scholien die bleibende gestalt gegeben hat; das ist viel- mehr im zweiten jahrhundert geschehen. Theon fand noch einflufsreiche nachfolger, unter welchen Epaphroditos'*) und Lucill von Tarrha '*) her- vorstechen. seine starke einwirkung auf die Römer ward oben erwähnt. dann kommen die compilatoren. den Apollonios hatte nach Theon und Lucill der Römer Q. Minucius Pacatus erklärt, welcher sich, wenn er für die griechische, d. ἢ. die gelehrte, welt schrieb, Εἰρηναῖος nannte'?”), gegen ihn wandte sich scharf ein gewisser Sophokles; die polemik zeigt den zeitlich nahe stehenden, und starke benutzung des bekämpfien wird durch sie für diese kreise durchaus nicht unwahrscheinlich. das concur-

analyse vielleicht etwas ertrag geben wird. Eustathius handschrift war reicher als B an prolegomena.

128) Zu den Aitia des Kallimachos war sowol der commentar des Theon wie der des Epaphroditos bis in die letzte zeit des altertums vorhanden, d. h. so lange wie die gedichte selbst: text und scholien lebten ja zusammen. Et. M. aedıs (Kall. fgm. 130) Steph. Byz. Jodasn (24°). Et.M. Bovxspais, ἄστυρον. Epaphrodit ist stark in den schol. zu Sophokles und Aischylos benutzt. z. b. stammt nicht blofls die eine notiz zu Eum. 2, sondern auch 21, 27 die Kallimachoscitate von ihm.

129) Lucill lebte nach dem Kyrenaeer Nikanor (Steph. Byz. Miseta) und Apol- lonides von Nikaia (Priscian de fig. num. p. 406 H.), also frühstens um die mitte des 1. jahrhunderts n. Chr. j

130) So ist der name zu erklären. das eingreifen von Römern in griechische grammatik ist auf diese zeit, die Trajans, beschränkt; neben Pacatus steht lulius Vestinus, und vor allem Sueton, Τραάγκυλλος für die Griechen; auch Favorin gehört gewissermalsen dahin. die anderen träger griechischer namen wie Diogenian, Muna- tius waren geborne Griechen. Irenaeus, der schüler Heliodors, ist schon von Soran benutzt, auf welchen die glossen πυδαρίζοιν und ψύη bei Orion zurückgehen (Haupt op. Il 436).

Scholien zu den Alexandrinern. 187

renzwerk des Sophokles hat das feld behauptet: er wird aber zu Theon und Lucill sich verhalten haben wie Zenobius zu Didymos und Lucill. unsere scholien, welche diese drei in der subscriptio nennen, verbinden damit also einen wesentlich anderen sinn, als die des Aristarcheischen viermännerbuches: sie geben zunächst wesentlich Sophokles. diese aus- gabe ist im vierten jahrhundert gemacht””), und kann durch die excerpte in den Etymologiken, für ihre vorlage Sophokles durch Stephanus (in den er durch Orus gelangt ist) erweitert werden. obwol wir nur eine handschrift haben *®), denselben Laurentianus, der die beiden älteren tragiker enthält, so ist doch der text ein zuverlässiger, die scholien von seltener fülle.

Auch zum Theokrit, und zwar den für echt geltenden gedichten (d.h. den in Ahrens ausgabe stehenden mit ausschlufs der Anvyal’**), hatte Theon einen commentar geschrieben, welcher sich lange gehalten hat'*).

131) Citirt werden nicht nur Dionysios Βασσαρικά und Palamedes λέξεις, son- dern der epigrammendichter Erycius (11 127) und ein anderes epigramm (Anth. Pal. IX 688), frühstens aus dem 3. jahrhundert (III 1241), aufserdem häufig Herodian. auch möchte dem scholiasten die menge worterklärungen gehören, die aus einem guten Homerlexikon, vielleicht direct Apollonios Archibios sohn, sonst einem ganz ähnlichen, stammen. das verhältnis von Sophokles Orus Stephanus ist im wesentlichen richtig von Lentz erkannt (Herodian 1 GCXXIII), der sonst seinen autor auch hier überschätzt. die person des Sophokles richtig erfalst zu haben, der springende punkt des ganzen, ist das verdienst von Warnkrofs (de paroemiograph. Greifewald 1882 these). da Lucills commentar noch Et. M, dessw» (zu II 77) angeführt wird, und nach freund- licher mitteilung von Reitzenstein die bessere überlieferung des Et. M. noch mehr citate gibt, so wird man freilich annehmen müssen, dafs Lucill nicht blofs durch Sophokles erhalten ist. und so dürfen eine nicht ganz kleine zahl von parallelen scholien zu demselben verse auf die beiden autoren bezogen werden, deren son- derung die nächste hauptaufgabe ist. sehr vielfach ist das verhältnis der doppel- fassungen freilich nur das unten s. 199 bezeichnete.

132) Tzetzes zu Lykophron benutzt auch diese scholien häufig; so weit ich gesehen habe, ohne uns etwas zu helfen. die these Keils, dafs Laur. A einzige quelle sei, ist aus allgemeinen gründen nicht wahrscheinlich, aber er ist so gut wie einzige quelle, denn für scholien und text hilft alles bisher bekanute nicht weiter; die immer noch verbreitete benutzung der pariser scholien entspringt nur der unkenntnis ihrer benutzer. Merkels schätzung des Guelferbytanus ist eine unfalsbare verirrung.

1322) Asöoxoveo: und Ἡρακλέσκος sind jeizt allerdings nur in dem trofs der unechten überliefert und haben von scholien keine spur bewahrt. aber wie ihre echtheit von allen inneren gründen abgesehen durch antike citate gesichert ist, so zeigt ihr text eine andere herkunft darin, dafs er sich durch seine reinheit von der umgebung vorteilhaft abhebt.

133) Orion (Et. M.) yeinos; durch dies citat gewinnt man bei Orion noch inehreres. Ahrens ausgabe der scholien ist eine wertvolle vorarbeit, genügt aber auch nach dieser seite nicht.

188 Geschichte des tragikertextes.

allein unsere scholien sind viel später geschrieben und haben nur Theon als urquelle für ihr bestes gut; man findet ihn mit hülfe der Römer. sie selbst polemisiren mit einer, allerdings oft verdienten, grobheit, wie sie den zeitgenossen und concurrenten trifft, gegen einen gewissen Muna- tius”‘). es war das ein mann aus der umgebung des Herodes Atticus, gebürtig aus Tralles, der sich nicht γραμματικός sondern χριετεχός nannte, wie damals in Asien zuweilen wieder als feiner galt. da wir nun einen jüngeren zeitgenossen von ihm, Amarantus, als Theokritscho- liasten kennen und dieser nachweislich in unsern scholien steckt, so ist der schlufs gestattet, dafs er der feind des Munatius, der gesuchte redactor ist'#). die frühbyzantinische zeit mit ihren verselnden scholastikern, wie Eratosthenes, repräsentirt selbstverständlich nur eine etappe der über- ' lieferung des alten, wie es der scholiast im Apolilonios und Phaeinos im Aristophanes tat; auch ist sie wenig zu spüren. die überlieferung der gedichte ist den modernen dadurch verwirrt, dafs die von Nonnus bereits benutzte sammlung von bukolika, “alle in derselben hürde’, also ohne gewähr für die echtheit, welche keine scholien hatte, in den späten handschriften mit Theokrit vermischt ist, an den sie sich zuerst angesetzt hatte. diese von den guten grammatikern verworfenen und eigentlich gar nicht als theokri- tisch überlieferten gedichte sind schwer entstellt, ganz natürlich, weil ihnen der schutz der grammatik fehlte. die gedichte Theokrits dagegen waren ebenso gut erhalten wie die der andern Alexandriner, und es schadet nicht einmal sehr viel, dafs wir nur für die mehrzahbl eine treffliche, wenn auch nicht sehr alte handschrift (Ambros. 222, K) haben, vor der die übrigen verschwinden. denn auch in dem reste der gedichte birgt sich das echte unter gemeinen schreibfehlern, die man heben kann. man muls nur ein urteil über das treiben der redactoren in den jahrhunderten 14 15 16 mitbringen, damit man diese völlig abweist. sie haben sich allerdings nicht gescheut selbst ganze verse zu fälschen. übrigens versagen für die erweiterung der scholien die grammatiker nicht völlig, und zur controlle des textes der theokritischen gedichte sind auch die citate nicht spärlich: sie bestätigen unseren text.

Wenn hier die verwahrlosung scholienloser texte neben der sicherung des textes durch die grammatische behandlung zu lernen und zu beberzigen ist, so bietet Nikandros den beleg für die beiden erscheinungen am selben

134) Philostratus vit. Soph. p. 231. 244.

135) Et. M. ἀσπάλαϑος = schol. 4, 57. διδερανώσατα == schol. 7,154. hier ist im schol. die erklärung, gegen die Amarantos polemisirt, mit erhalten. Amarantos war dem Galen persönlich bekannt, aber vor ihm verstorben. XIV 208K.

Scholien zu den Alexandrinern. 189

texte, ja auch für die fährnisse, welche die grammatik selbst brachte, als sie sich noch etwas zutraute. wir lesen die Theriaka in besserem zustande als Athenaeus, der sie ohne scholien benutzte 15). unsere handschriften aber zeigen starke abweichungen, controlliren sich aber selbst, einmal weil neben dem durchweg jungen und unzuverlässig geschriebenen volke eine vorzüg- liche handschrift steht, die von einem hervorragenden kenner, H. Keil, für ganz ähnlich den Laur. 32, 9 des Apollonios erklärt ist (Paris. suppl. 247, II), dann aber weil die jüngeren die scholien erhalten haben, von denen IZ nur schwache spuren hat'”). und diese wieder lehren durch reichliche proben, welche fülle schlechter einfälle von den kritikern auf den markt gebracht war, glücklicherweise ohne viel zu schaden. die grammatik hatte sich bald nach Nikanders tod der exegese angenommen, und zuerst Deme- trios Chloros, dann Antigonos'*) hatten dem Theon vorgearbeitet, so dafs er nicht so bedeutend wie sonst erscheint. auf diese ältesten erklärer muls die ganz singuläre belesenheit in seltenen dichtern der Alexandrinerzeit zurückgehen, wol auch die stattliche reihe von bruchstücken technischer schriftsteller’®). dann hat auch Plutarch sich am Nikander seltsamer- weise versucht, und höchstens 100 jabre nach ihm mufs unser corpus gemacht sein. denn die zusätze sind gering und beschränken sich auf schriftsteller dieser zeit’). die atticisten, Herodian, die auswahlen der

136) Schneider Nicandres 159. man darf also den zustand, in dem die reste der Georgika bei Athenaeus vorliegen, zum teil auf rechnung seines exemplares schieben. die interpolationen sind übrigens zum teil sachlicher art, gemacht von so zu sagen ärzten, also ähnlich wie die astronomischen im Arat zu beurteilen. auch die zusätze am schlusse der Alexipharmaka, welche ΠῚ nicht kennt (ofleubar auf grund von kritischen scholien, denn die verse sind nicht byzantinisch), sind dieser art, und der verfasser hat noch dazu selbst gesagt, dafs er einen nachtrag liefert.

137) Die scholien der Alexipharmaka warten noch auf einen bearbeiter, der sie wenigstens auf einen älteren zustand zurückführe als der jetzige ist, in welchem Tzetzes erscheint und die orange νδράνεζιον 533. O. Schneider hat die scholien und die antike erklärung in unverantwortlicher weise vernachlässigt.

138) Er gehört noch ins erste jahrhundert v. Chr. (Erotian. praef. p. 32 KL), und polemisirt gegen Chloros, Ther. 748. 585, wodurch man weiteres gewinnen kann,

139) Archelaos ’Idsopvr, Numenios, Petrichos, Herondas und Parmenon die iambographen, Menekrates (Ther. 172, doch wol der dichter der Erga aus Ephesos) sind seltenheiten. viele von ihnen und daneben die glossographen, wie Epainetos und Hermonax, kehren allerdings bei Pamphilos wieder : aber die dichter sind keines- weges nur für glossen benutzt. die techniker sind in verbindung mit der medici- nischen litteratur und besonders mit Plinius Nat. hist. zu setzen: dann dürfte sich vieles ergeben,

140) Oppian für zwei glossen, Th. 98, 586, von denen die erste verdorben ist. Dionysios der perieget zur stütze einer conjectur Th. 175, für eine sage Th. 607,

190 Geschichte des tragikertextes.

Sceniker sind noch nicht in geltung. auch werden unsere scholien mit der bezeichnung οὗ ὑπομνηματίσαντες Θέων Πλούταρχος Anunsgroc bei Stephanus citirt’*). sie sind in ihrer art der Apolloniosscholien nicht unwürdig, für textkritik sogar noch viel belehrender.

Aratos und Lykophron '“) bieten ein anderes bild. unseren text und unsere scholien verdanken wir dem sammelfleilse des bischofs Niketes von Serrha, der den cod. Marcian. 476 geschrieben hat. dafs dieser der arche- typus für den text sei, ist für Lykophron gar nicht zu behaupten, und auch für Arat ist es nicht glaublich: aber die bedeutung der handschrift ist eine so überwiegende, dafs das ergebnis praktisch dasselbe ist. auch für die scholien kommt im Lykophron neben der handschrift des Niketes die des Tzetzes in betracht, für die paraphrase noch anderes. die hand- schrift des Tzetzes beweist aber, dafs Niketes so ziemlich alles gab, was er finden konnte, d. h. seine vorlage copirte, und dafs eine nahe ver- wandte zu Tzetzes kam. im Arat ist das verhältnis etwas complicirter, und hier wird das interesse vielmehr durch die bruchstücke älterer arbeiten gefesselt, die zahlreich vorliegen. die scholien excerpiren selbst commen-

Diogenian für eine glosse (bei Hesych weicht die erklärung ab), im gegensatze zu Θέων ἐν ὑπομνήματι Th. 237. dies sind schwerlich spätere zusätze. eher kann das von den seltenen aber reichen mythographischen scholien gelten, von denen zwar Th. 11 zu einem ζήτημα gehört, aber Th. 15 gehört mit der Araterklärung, wie sie bei Ps. Eratosthenes steht, zusammen, Alex. 11, 13, 15 mit den Apollonios- scholien.

141) Steph. Kogorn, schwer entstellt, von Lentz Herod. Il 188 ganz verkehrt behandelt und ohne grund Herodian zugewiesen; die herkunft ist ganz ungewils. trotz aller verderbnis ist klar, sowol dafs schol. Th. 614 benutzt ist, in einem zustande, von dem jetzt die handschriften nur noch einen schatten enthalten, als auch dafs der scholiast eine eigene meinung im gegensatze zu den ὑπορμινηματίσαντοες Θέων Πλούταρχος Ζημήτριος versucht. der schluls des Stephanusartikels mufs etwa so lauten, nach abweisung der erklärung Ὀροπαῖος für ᾿Ωρώπιος und Koporaios, dies weil man Χορόπη nicht kannte, βέλτιον δ᾽ ὑπονοεῖν ὅτε ἡμάρτηται καὶ γραπτέον (γράφεται codd.) Ὀροπαῖος | κατ᾿ ὅλλειψιν τοῦ τ (ἀντὶ τοῦ ᾿Οροπιαῖος (Κοροπαῖος codd.) Ὀροπία (Ὀρόπη codd.) γὰρ πόλες Εὐβοέας, ὅπου ᾿«πόλλωνος διασημότατον ἑερόν. die zwischen doppelstrichen stehenden worte sind in den codd. zwei zeilen nach oben verschlagen, wo sie sinnlos sind. schol. Ther. 614 ygayeras καὶ Ὁρο- παῖος (Ὀρόπειος codd.) 'Oponia (Ὀρόσεια codd.) γὰρ nölıs Εὐβοίας (Βοιωτίας codd. verbessert von Meineke), ὅπου διασημότατον ἱερὸν ᾿Απόλλωνος. der ort Orobiai schreibt sich allerdings nicht mit p, soviel wir wissen; bei Steph. fehlt aber der artikel.

142) Vgl. über diese Scheer Rh. M. 34 und Maafs Phil. Unt. 6. beiden kann ich mich nicht in allem anschliefsen. übrigens haben beide ihre ausgaben ja noch nicht veröffentlicht,

Scholien zu den Alexandrinern. 191

tare des ausgehenden altertums, von Theon dem vater Hypatias und Sporus dem verfasser der von Simplicius zur Physik benutzten Änela, auch den Byzantiner Leontius (aus dem 7. jahrhundert). aber das alles ist nichts eigentlich grammatisch kritisches, und das mythographische ist vollends viel älter. auch hat sich eine vita Arats gerettet, welche in die beste zeit der nachtheonischen grammatik gehört: Apollonides ist der jüngste name darin'®). man darf wol vermuten, dafs dazu ein ähnlicher commentar ge- hörte wie die zu Apollonios und Nikander'“). für Lykophron ist zwischen

143) Allerdings ist es unwahrscheinlich, dafs dies Apollonides von Nikaia, der zeitgenosse des Tiberius ist. er heilst in der Aratvita Kygysvs, und Bentleys änderung Ninasvs ist gewaltsam. Κηφεύς ist ein eben so guter diakritischer name wie Ἰξίων Θρᾷξ Πινδαρίων: deutet dann aber auf zwei grammatiker mit namen Anollowidns. aufserdem erklärt dieser Apollonides die briefe des Arat und Euripides für gefälscht von Sabidius Pollio: weder ist wahrscheinlich, dafs ein Römer in so früher zeit griechische werke gefälscht hat, noch sehen die dummen Euripidesbriefe nach der zeit des Augustus aus.

144) Ähnlich wie den Aratscholien ist es denen zu Hesiodos gegangen, was sehr zu bedauern ist, da die kritik in diesem dichter mit wertvollem materiale operirt und andauernd und energisch gearbeitet zu haben scheint. leider fehlt noch jede irgendwie brauchbare ausgabe des erhaltenen, und ist dies so dürftig, dafs nicht einmal Tzetzes fortgeworfen werden kann. die epochen der Hesiodkritik sind zuerst dieselben wie die der Homerkritik. sie beginnt mit dem 3. jahrhundert; Zenodotos Apollonios Praxiphanes belassen sich mit ihr. dann folgen die malsgebenden aus- gaben des Aristophanes (der auch in der abgrenzung des echten nachlasses sehr energisch vorgeht, obwol eine allgemeine beschränkung des alten namens auf ein par werke hier nicht möglich war, wie 200 jahre früher für Homer) und Aristarchos. dessen kritische zeichen erläutert auch hier Aristonikos. Didymos tritt minder hervor als Seleukos, und dann Epaphroditos, dessen commentar zur Aspis noch im Et. Gud. benutzt ist. er hat es wol bewirkt, dafs dieses gedicht mit unter die πραττόμενα (schol. Nikand. Th. 11) anfgenommen ward. dann ist eine ausgabe der drei gemacht, deren commentar man sich ähnlich den scholien BT zu Homer denken mag, in welchen ja auch auszüge aus Aristonikos wie hier enthalten sind. existirt hat die auswahl schon im 3. und 4. jahrhundert, wie das titelblatt eines solchen buches lehrt (Sitz. Ber. Berl. 1887, 808), welches natürlich die reihenfolge Θεογονία Ἔργα "Aanis zeigt, die unbegreiflicherweise von den modernen öfters verlassen wird. ob schon in dieser ausgabe der commentar Plutarchs zu den Erga benutzt war, oder später hiuzutrat, ist fraglich, doch wol nach analogie der Nikanderscholien wahr- scheinlicher. später ist dann der des Proklus zur Theogonie hinzugetreten, wie die neoplatonischen auszüge zu den Platonscholien, z. b. des Gorgias, und sind die para- phrasen gemacht. wir haben nur jämmerliche reste. entsprechend ist der text traurig verwüstet, und nicht nur alte citate, wie selbst im Homer, sondern die zum glück umfänglicheren reste antiker handschriften helfen hier wirklich etwas. aber man schaudert, wenn z. b. hinter Ἔργα 174 vier verse spurlos in unseren handschriften verschwunden sind (Naville, Rev. de Phil. 1888, 113).

192 Geschichte des tragikertextes.

Theon und Niketes gar kein bearbeiter zu nennen, und die geschichte seiner erklärung erscheint uns als eine fortgesetzte verdünnung von der grofsen gelehrsamkeit, welche die älteren excerpte alınen lassen’), bis auf die jetzige bettelhafte dürftigkeit. aber aus dieser allein ist es auch erklärlich, dals wir von keinen späteren grammatikern hören, und allein die paraphrasen beweisen schon das eingreifen von melıreren: unmög- lich darf Theon mit den erhaltenen behelligt werden '**).

Was ist nun das resultat dieser ungünstigeren erbaltung für den text? kein ungünstiges. niemand kann bestreiten, dafs beide dichter im ganzen sehr gut erhalten sind, und auch hier treten die citate viel öfter be- stätigend als berichtigend ein. und so ist es ja überhaupt: der blick mufs nur nicht auf ein einzelnes object sich verbohren, sondern muls die fülle der erscheinungen übersehen, man muls nur die texte vieler schrift- steller wirklich geprüft haben, dann wird man fest und sicher in der kritik und läfst sich von dem unwissenschaftlichen meinen und besserwissen nicht beirren. dichter und scholien haben dieselbe überlieferung seit dem altertum, und die jabrhunderte der Byzantinerzeit, 6—12, haben viel verloren, aber wenig verdorben. dichter, welche aus der gelehrten tradition des altertumes den schutz der grammatik überkommen hatten, und welche zum teil weiter mit einer gewissen gelehrsamkeit behandelt wurden, sind in dieser zeit nicht wesentlich entstell. da ist keine erscheinung, wie sie die überlieferung der epigramme in den anthologien bietet und mehrere pseudotheokritische gedichte: die lasen uud variirten die versifexe, die es immer gab. da ist keine so schauerliche verderbnis, wie sie gelegentlich abgeschriebene stücke, z. b. das carmen de herbis betroffen hat, oder innerhalb technischer schriften erhaltene, wie die von Galen geretteten medicinischen poeme, oder selbst ganz technische wie die Manethoniana. der zustand der älteren, classischen litteraturwerke, den wir vorfinden, hängt wesentlich davon ab, wie sie in die Byzantiner- zeit herüber gerettet sind. ein glänzender beleg ist die erhaltene hymnen- sammlung, welche die Kallimacheischen mit einem ganz jämmerlichen

145) Aufser den Römern, die aus Theon schöpfen, steht manches bei Stephanus, im Et. M. und in den scholien zu Dionysios periegetes, die eine ausgabe und analyse verdienen, zumal jetzt der schlufs (von 900 etwa) verdünnt und durch zusätze (Plu- tarch de fluviis z. b., wovor sich zu hüten) verdorben ist. Lykophronscholien stecken 2. b. 259, 270, 306, 368, 483. auch Apollonios- und Kallimachosscholien sind viel benutzt. die scholien scheinen aus dem 4. oder 5. jahrhundert zu sein.

145) Wirklich erscheint in der älteren überlieferung des Et. M. Agaszis ein Σεξτίων ἐν ὑπομνήματε “υκόφρονος. gefällige mitteilung von Reitzenstein.

Scholien zu den Alexandrinern. Byzantinische correctoren. 198

reste von scholien'®®), aber so gut wie ganz rein enthält, und daneben die homerischen zum teil, wie den Aphroditehymnus, fast rein, zum teil, wie den Apollonbymnus, bis zum chaos entstellt: niemand kann das anders auffassen, als dafs der unterschied der erhaltung vorhanden war, als die sammlung angelegt ward, von welcher wir uns aus renaissanceabschriften eine handschrift des 12. jahrhunderts etwa reconstruiren. wenn also der Apollonios in derselben handschrift vorzüglich erhalten ist, welche den Aischylos so arg verstümmelt enthält, so ist sicher, dafs der schreiber an dieser entstellung unschuldig ist.

Das schelten auf die byzantinischen textverderber ist also in der ‚Byzantl- hauptsache unberechtigt. sobald wir nur handschriften des 10. 11. auch rectoren. noch 12. jahrhunderts besitzen, wie den Laurentianus der beiden älteren tragiker und des Apollonios, den Ravennas und Venetus des Aristophanes, den Venctus des Aratos und Lykophron und eine ganze anzahl mals- gebender handschriften der classischen prosaiker, so müssen auch die widerwilligsten zugestehen, dafs die schreiber dieser handschriften ihre auf- gabe gewissenhaft erfüllt haben und gegeben was sie hatten. und wenn wir die tätigkeit des 9. und 10. jahrhunderts hinzunehmen, die wir sonst kennen, den sammelfleifs des Photius und selbst des Suidas, die encyclo- paedie des Constantinus Porphyrogennetus, die fürsorge des Arethas für die herstellung kostbarster und sauberster abschriften, so gibt das eben- falls ein günstiges bild. ganz anders sieht es freilich aus, wenn wir die Byzantiner der jahrhunderte 13—16 beobachten. wer von ihnen die er- haltung der texte durch bescheidene weitergabe des überkommenen er- wartet, wer überlieferung bei ihnen sucht, der findet sich freilich schwer getäuscht. in unzähligen fällen hat die philologie den gröfsten fortschriti dadurch gemacht, dafs sie texte, welche in diesen letzten zeiten festge- stellt waren und zunächst das feld behaupteten, zu gunsten älterer hand- schriften gänzlich beseitigte, und immer mehr verschwinden die kecken änderungen jener Byzantiner letzter zeit selbst aus dem kritischen apparate. es ist begreiflich, dals man auf die frechen interpolatoren gescholten hat, die ihre sache doch so geschickt gemacht hatten, dafs sie die sprach- kundigsten und geistreichsten modernen kritiker nasführten. indessen

145b) Die übereinstimmung dieser scholien mit Et. M. und Hesych kann ein urteilsfäbiger natürlich nur so auffassen, dafs Et. M. aus den ehemals vollständigeren scholien schöpft, Diogenian dieselben worterklärungen noch älterer glossographie oder exegese entnimmt. benutzt sind diese scholien auch von dem Dionysiosscho- liasten. was freilich io dem archetypos der hymnen erhalten war, ist ap sich für uns fast ganz wertlos, v. Wilamowits 1. 13

194 Gcschichte des tragikertextes.

nıufs das urteil auch hier ein gerechteres werden, indem es die richtige geschichtliche betrachtung findet. diese Byzantiner sind eigentlich gar nicht als schreiber, sondern als emendatoren aufzufassen, sie sind nicht die collegen der braven stupiden mönche, die treufleilsig nachmalten, was sie nicht nur nicht verstanden, sondern auch nicht zu verstehen meinten, [sondern sie sind \unsere collegen. an ihren zeit- und sinnesgenossen in Italien müssen sie gemessen werden. es war doch eine art fortschritt, ein regen modern philologischen sinnes, wenn die Planudes Moschopulos Triklinios lesbare texte herstellten, so gut sie konnten; sie stehn nur in einer übergangszeit, die Musurus Kallierges Arsenius Marullus Portus sind ihre unmittelbaren nachfolger: die Griechen hatten auch teil an dem 'rinascimento, der zusammenbruch ihres reiches durch die Türken hat :die entsprechende entwickelung nur gestört. nun wird man ja auch geneigt sein, den benannten persönlichkeiten diese schätzung zuzugestehn ; aber ein schreiber, wie der des Florentiner Lysias, des Modeneser Xeno- phon, des Münchener Polyaean, stelıt doch deswegen nicht anders da, weil er anonym ist. und die correctoren mancher handschriften, auch von den tragikern, verdienen eine gleiche schätzung. ihr scharfsinn ist gar nicht gering, sie haben so manchen vers für immer geheilt, und noch viel öfter das auge von jahrhunderten geblendet. namentlich Demetrios Triklinios ist in wahrheit eher als der erste moderne tragikerkritiker zu führen deun als ein unzuverlässiger vertreter der überlieferung. es war schon nichts geringes, dafs er sich die sämmtlichen gedichte Pindars, die sammtlichen tragödien des Aischylos und Sophokles, deren er habhaft werden konnte, vornahm und durchemendirte. er besafs aber auch gar nicht geringe metrische kenntnisse, die er nicht den lehrbüchern sondern der beobachtung entnahm und so gut er konnte an den texien durch- führte, und vor allem, er hat erfolg gehabt. aufser den drei genannten dichtern hat auch seine recension der ersten drei euripideischen tragö- dien'*) sehr stark bis in die jüngste zeit gewirkt, und eine gar nicht geringe anzahl von emendationen sind ihm wirklich gelungen. vor sehr vielen modernen, die viel genannt worden sind, sich noch sehr viel anmals- licher geberdet haben und nicht die entschuldigungen für ihre misgriffe

146) Es ist die von King vorgeholte und nach ihm benannte recension. hinzu kommen die scholien zur Hekabe. Triklinios hatte keine guten handschriften; sein Aischylos war ein bruder des Venetus 616, sein Pindar ein nachkomme des Flor. D. Hillers “beiträge zur textgeschichte der Bukoliker’ haben auch seine Bukolikerhand- schrift kennen gelehrt. auch hier hat er sich bemüht, so viel wie möglich zu sammeln. gutes und böses hat er selbst wenig getan.

Byzantinische correctoren. auswahl der tragödien. 195

haben wie er, vor Hartung z. b., also einem hervorragend gescheidten und kenntnisreichen manne, dürfte er dreist den vorrang beanspruchen. aber allerdings, es wäre schrecklich und nicht viel anderes als ein ver- zicht auf die endliche erreichung eines zuverlässigen textes, wenn wir die dichter auf Triklinios als grundlage aufbauen mülsten, und es wäre nicht minder schrecklich, wenn man fürchten mülste, dafs der Sophoklestext, wie ihn der Laurentianus bietet, durch die hände von leuten wie Triklinios gegangen wäre. dann mülste, wer nicht spielen will, die tragikerkritik lieber ganz aufgeben. zum glück wird eine solche annahme durch die vergleichende betrachtung der textgeschichte ähnlich überlieferter werke widerlegt: um die richtige schätzung unserer überlieferung, so weit allge- meine erwägungen es vermögen, zu gewinnen, ist diese abschweifung gemacht. mit besserer einsicht dürfen wir nun zu dem punkte zurück- kehren, wo wir die tragiker verlassen haben, zum zweiten jahrhundert. Ein mann ist es gewesen, der damals für den unterricht eine au erden wahl von tragödien der drei tragiker veranstaltet hat, welche sich nicht nur allgemein eingebürgert hat, sondern den verlust erst der übrigen tragiker, dann der nicht gewählten dramen, endlich der letztgestellten unter diesen bewirkt hat. dafs ein und derselbe die auswahl für alle drei tragiker besorgt hat, zeigt sich darin, dafs’ Sieben! Oidipus und Phoenissen, :. :? Orestie, Elektra und Orestes offenbar bestimmt waren neben einander gelesen zu werden. die rücksicht für die schule hat bewirkt, dafs die aischyleische reihe mit dem Prometheus anhebt, einer tragödie, die so viel leichter ist als ihre schwestern, wie der Plutos im verhältnis zu den andern komödien. auch die Perser eignen sich zur einführung, und Aias und Hekabe setzen die Homerlecture stofflich fort; sie sind auch besonders leicht verständlich. die reihenfolge ist urkundlich nur für die Euripi- deischen dramen bekannt!"), Hekabe Orestes Phoenissen Hippolytos Medeia Alkestis Andromache Rhesos Troerinnen Bakchen. für Aischylos ist die folge so gut wie sicher Prometheus Sieben Perser Orestie Hiketiden ’*):

147) In den randnotizen des Laur. 32, 2 (C), über welche unten. wir würden dieselbe reihenfolge erschliefsen, nur Andromache und Alkestis umstellen: das liegt aber nur daran, dafs Alkestis zufällig im Marcianus nicht mehr erhalten ist.

148) Dafs die Hiketiden hinter die Orestie gehören folgt erstens daraus, dafs sie nur im Laur. erhalten sind, zweitens scheint Tzetzes sie allein von den 7 stücken nicht besessen zu haben, drittens sind ihre scholien am dürfligsten, vierlens war der archetypus auf einzelnen blättern (828 -- 900) ganz besonders zerstört, Eustathius scheint sie gehabt zu haben, wenn er v. 885 zu a 347 anführt. es ist aber unsicher, da es eine andere lesart und erklärung gibt als der Mediceus und seine scholien. ein anderes citat aus den Hiketiden ist mir bei Eust. nicht begegnet.

13*

196 Geschichte des tragikertextes.

es ist also glaublich, dafs die andern dramen der Danais folgten, so dafs die aufnahme des ersten stückes nicht mehr befremden kann. für Sophokles kann man sicher nur die drei ersten tragödien nennen, Aias Elektra Oidipus Tyrannos; die weitere folge Antigone Oidipus auf Kolonos Trachinierinnen Philoktet kann aber für wahrscheinlich gelten '*). die erhaltenen hand- schriften haben aber für die ordnung keine gewähr. es gelingt auch durchaus nicht, irgend eins der folgenden dramen aufzufinden, obwol Euripides und Aristophanes beweisen, dafs die reihe einst weitergieng ; auch bei jenen ist die beschränkung auf sieben dramen, entweder noch in den handschriften nachweisbar, oder zeigt sich doch stark in dem zustande von text und scholien. die beschränkung auf je drei gehört erst der letzten Byzantinerzeit an, welche für die überlieferung nicht mehr in betracht kommt,

Dafs die schulausgabe scholien hatte, liegt in ihrer natur. aber die erhaltenen sind nicht wie die aristophanischen für einen einheitlichen commentar beweisend, denn rückweisungen wie dort gibt es eigentlich gar nicht‘). auch ist der zustand der erhaltung zu verschieden, und man kann nur die euripideischen etwa für den herausgeber in anspruch nehmen, weil sie einerseits reich genug sind, um überhaupt solche schlüsse zu ge- statten, andererseits alle späteren schriftsteller so ganz vereinzelt in ihnen citirt werden, dafs sie ohne zweifel über das dritte jahrhundert zurück- reichen '"'). doch gilt das ja nur für den gelehrten kern, nicht für die

149) Dies die ordnuug im Paris. 2712: die reihenfolge der thebanischen fabeln scheint ursprünglich und wird durch die hypothesen des Sallustius bestätigt. auch sind die scholien zum Philoktetes in der tat die spärlichsten.

150) Es ist eigentlich nur Phoen. 1707 zu nennen, πορὲ τοῦ ἐν τῷ ἱππείῳ (1. ἱππέφ) Κολωνᾷ τεϑάφϑαι τὸν Οἰδίπουν ἐν ἄλλοις ἐξειργάσμεϑα ἀκριβῶς; was man kaum auf etwas anderes als scholien zu dem sophokleischen drama beziehen kann. in den aus der rhetorenschule stammenden scholien zu den rednern, Thuky- dides, Aristides ist eine solche verweisung auf die im cursus vorhergehende lecture gewöhnlich. die form des ausdrucks ἐν ᾿φεγονοίᾳ τῇ dv Ταύροις εἴρηται (Androm. 1262), ἐν Ἡρακλεῖ καὶ ᾿Ιξίονι δέδεικται (Or. 73) darf nicht irren: tatsächlich findet sich das angeführte IT. 436, Her. 1160, 1233.

151) Solche citate finden sich gerade zu den späteren stücken der sieben, Med. 613 Helladios chrestomathie, Med. 1027 Phrynichos, Andr. 229 Lykophron (in dieser sphaere der gelehrsamkeit ein zeichen später herkunft der bemerkung), Audr. 687 Ps. Apollodor, Alk. 1128 Plutarch aelsras Ὁμηρεκαί, Hipp. 409 Herodian, aber in einer specialschrift; aufserdem nur eine accentregel des Theodosios Or. 1525. für spät mufs auch das citat aus Apollonios Rhodios Or. 225 gelten, da dieser in alter glosso- graphie nicht benatzt wird: in dem mythographischen scholion Med. 334 ist das etwas anderes. die Sophoklesscholien haben auch nur ein Herodianeitat, auch das mit buchtitel, OK 195. mit einem excerpt aus Ps. Apollodor und den bekannten versen

Auswahl der tragödien. Sallustius. 197

paraphrasen, und aus den obigen genaueren ausführungen über die scholien zu einzelnen dramen ist ersichtlich, dafs die gleichartig erhaltenen scholien ganz verschieden aussehen, je nach dem materiale, das dem compilator zur verfügung stand, dem wir sie verdanken. ob das aber einer für alle dramen war, oder so und so viele, läfst sich nicht aus- machen: compilatoren haben keine individualität.

Metrische scholien sind nur zum Aischylos ein par erhalten, wert- voll, obwol sicherlich nicht älter als heliodorisch '*). kolometrie ist vor- handen, aber man setzte ja die verse seit Aristophanes allgemein ab. offenbar hat der grammatiker, der die auswalıl machte, die metrik ganz wie Symmachos unberücksichtigt gelassen.

Den namen dieses mannes kennen wir nicht. es kann aber scheinen, als gäbe es bewerber um die ehre. die scholien selbst nennen noch ὑπομνήματα von Irenaeus'*) Pius”‘) und einem Alexander") den man nicht genauer bestimmen kann. später entstehen überhaupt keine uno- μνήματα zu den tragikern mehr. nun besitzen wir aber zu Sophokles Oid. Kol. und Antigone hypothesen von einem gewissen Sallustius, und Sallustius. die gleichartigkeit des tons weist ihm die des Aias und die διὰ τέ

σρῶτα μὲν ἐν Νεμέῃ, in Byzanz geläufigen dingen, hat wol der schreiber des Laur. erst den mangel einer hypothesis der Trachinierinnen ersetzt. von den zwei stellen aus Apolfonios (El. 445, 745) ist wenigstens die erste späterer zusatz, ebenso wie die töricht eitirte aus der Demonicea Tr. 118. aber wie wenig citate bleiben in diesen scholien übrig, wenn man das alte hypomnema zum OK und die mythographischen excerpte abzieht? das gilt noch dreimal so stark von den Aischylosscholien, wo zufälligerweise Herodian auch nur einmal vorkommt (Eum. 189). die für späte zeit beweisenden namen Strabon Dionysios periegetes Apollonios Rhodios sind alle von einem spätling für geographisches zum Prometheus beigeschrieben. das excerpt sus der μουσικὴ ἱστορέα vor dem Prometheus ist ersichtlich von demselben beigefügt; wenigstens die epitome des Rufus hat sich lange erhalten. die benutzung der Sym- machosausgabe des Aristophanes liegt nirgend erweislich vor: die der Epinikien des Pioder überall.

152) Ein im übrigen verschollener grammatiker Eugenios (um 500) hat nach Suidas eine Kolometrie ἀπὸ δραμάτων ss’ zu den drei tragikern verfafst. ob er von jedem 5 nahm oder wie er sonst verteilte, läfst sich nicht sagen: je 15 konnte er nicht mehr kennen und einflufs hat er nicht gewonnen.

153) Med. 218.

154) Aias 408. die zeit des Pius, eines ziemlich törichten Iytikers, scheint sich nicht sicher bestimmen zu lassen. vgl. Schrader Porphyr. 434.

155) Et.M. ἀρμάτειον aus dem vollständigeren scholion zu Or. 1384. citirt wird neben Palamedes auch Δίδυμος καὶ AlsEawdgos. auf den von Kotyaion hat Lehrs χε. ep. 13 geraten. es ist aber ganz unsicher; eben so gut kann es ein obscurer älterer sein, den Didymos citirte.

198 Geschichte des tragikertextes.

τύραννος ἐπιγράφεται überschriebene zum Oid. Tyr. zu‘). wer so schreibt τὰ πραχϑέντα περὶ τὸν Οἰδίποδα ἴσμεν ἅπαντα τὰ ἐν τῷ ἑτέρῳ Οἰδίποδι hat auch das stück vorher erklärt. der mann ist redselig und umschreibt die ältere mythographische und didaskalische gelehrsamkeit, die er auch fast ganz verdrängt hat. es fragt sich, wer er war. der Laurentianus gibt scheinbar eine sichere antwort, er nennt ihn IIvdayögeıoc""), meint also den verfasser der schrift περὲ ϑεῶν καὶ κόσμου, der ein anhänger des lamblichos ist und wol sicher dem ausgehenden 4. jahrhundert angehört. ob er freilich der Sallustius ist, der dem Julian als gouverneur von Constantius gesetzt war, aber sein freund ward und nach dem thronwechsel hohe ehrenstellen erstieg, ist mehr als fraglich'®). diesem würde man anstehn eine gramma- tische arbeit zuzuschreiben : ein philosoph, zumal ein wesentlich fremde lehre popularisirender, wie der verfasser jenes traktates, kann immerhin auch so etwas gemacht haben, wie die hypothesen vermuten lassen. es hat aber allerdings auch einen sophisten Sallustius gegeben, der gram- matisches geschrieben hat’®), und ein par mal wird ein Sallustius für grammatisches angeführt, das man nicht leicht einem sophisten zutraut, von den hypothesen zu Sophokles aber nicht wird trennen wollen'®). so bleiben unklarheiten. indefs ist dem zeugnis des Laurentianus der

156) Über die berechtigung des titels wird zu Ant. OT. Ai. gehandelt; über die mythographie zu Ant, Ai. die geschwätzigkeit ist die gleiche: der stoff natärlich älteren ὑποϑέσεις entlehnt.

157) Σαλλουστίου ὑπόϑεσις Ilvdaydgov steht vor dem OK.; aber abgekürzt, und ist so zu verstehen. wer weils, dafs es einen Pythagoreer Sallust gegeben hat, wird es nicht wegconjiciren.

158) So Zeller V 734, der andere gleichsetzungen mit recht abweist. aber Iulian weils selbst in der überschwänglichen achten rede, die er als junger mann dem ab- berufenen genossen widmet (p. 252®) ihn nur zu rühmen als ῥητορεέαν ἄκρον καὶ φιλοσοφίας οὐκ ἄπειρον. und als er ihm die vierte rede, wie er selbst sagt (1504), ein excerpt aus lJamblichos περὶ Ye», zuschickt, nimmt er an, dafs Sallustius jenes werk nicht kennt (1575) und, sollte man meinen, nicht lesen wird: wozu widmet er ihm sonst die epitome? Sallustius war wol überhaupt kein Grieche; verwaltet hat er Gallien: der praef. praetorio unter Iulian ist ein anderer.

159) Suid. 3. σοφιστής, ἔγραψεν eis Δημοσϑένην καὶ Ἡρόδοτον ὑπόμνημα καὶ ἄλλα. auf ihn möchte man nur das gleich zu nennende Aristophanesscholion beziehen,

160) Schol. Ar. Plut. 725 in jenem antiquarischen scholion, das auch Telephos enthält, oben anm. 111. Et. M. aenis mit einem Kallimachosvers aus der Hekale. ver- gessen wollen wir nicht, dafs Kallimachos in den Sophoklesscholien durchgehends und oft angeführt wird. Steph. Byz. -4&:4ss über die schreibung dieses namens ist zweifelhaft.

Sallustius. Dionysios. 199

glaube nicht wol zu versagen: denn das buch περὶ ϑεῶν war keines- weges sehr bekannt und ergibt eine bezeichnung Πυϑαγόρειος auch nicht unmittelbar, so dafs eine falsche vermutung über die person des genannten autors wenig wahrscheinlich ist. dann ist aber die tätigkeit des Sallust nur die eines überarbeiters, der die auswahl der dramen schon vorfand und den besten teil der scholien auch.

Auch für die Euripidesscholien findet sich ein bewerber. zum ÖOrestes Dionysos. findet sich in den wesentlichen handschriften übereinstimmend die sub- scriplion πρὸς διάφορα ἀντίγραφα παραγέγραπται ἐκ τοῦ Διονυσίου ὑπομνήματος ὁλοσχερῶς καὶ τῶν μικτῶν, und die einzige derselben, welche auch die Medeia enthält, notirt zu dieser πρὸς διάφορα ἀντί- yoapa, Διονυσίου ὁλοσχερὲς καί τινα τῶν Arduuov'"). die belehrung ist sehr wertvoll. zunächst erklärt sie, wie es zugeht, dafs zu so vielen stellen dieselbe handschrift dasselbe scholion in verschiedenen brechungen enthält. der verfasser der subscription hat eine anzahl handschriften der- selben scholien neben einander benutzt, die von einander abweichen, wie eiwa B und D im Pindar. übrigens zeigen unsere handschriften selbst, wie solche dittographeme in derselben handschrift entstehen, indem ein resum& des längeren scholions an oder über das wort gesetzt wird, zu dem es gehört. fast alle scholien, auch die sophokleischen und so ver- kümmerte wie Jie zu den Thesmophoriazusen, zeigen dieselbe erscheinung. randscholien und textscholien des Ven. A im Homer decken sich auch nicht selten inhaltlich. aber unsere Euripideshandschriften weichen so wenig von einander ab, dafs es nicht geraten ist, den verfasser der subscription sehr hoch über sie hinauf zu rücken. so nahe verwandte wie B, T und Laur. 32, 3 im Homer gehen viel weiter aus einander. also ist der verfasser der subscriptio ein mann vom schlage und ziemlich auch der zeit des Niketes von Serrha: aber wol kann er verschiedene handschriften benutzt haben, welche die subscription trugen παράκειται ἐκ τῶν Διονυσίου ὁλοσχερὲς καέ τινα τῶν Audvuov. und fraglich bleibt es, ob die subscriptio auch für andere stücke gelten sull. was die mischung angeht, so ist Dionysios beidemal genannt und vollständig aufgenommen: der zusatz heilst zum Orestes μεχτά, zur Medeia Didymos, und wirklich findet sich dieser zur Medeia öfter genannt, und anderes haben wir ihm oben zuschreiben können (anm. 71), zum Orestes kommt jetzt sein name nicht mehr vor, tat es zwar früher (oben anm. 83), aber der charakter der scholien weicht dort ab.

161) Späte handschriften haben die subscription des Orestes auch, und so eine abschrift des Laurentianus 32, 2 (Kirchhoff Eur. I p. 417. 472): aber keinesweges dieser selbst,

200 Geschichte des iragikertextes.

sollen wir nun also vielleicht sagen, dafs wir 2. Ὁ. zur Hekabe nur Didymos oder die μεκεά, zum Hippolytos etwa nur Dionysios besitzen? mit andern worten, sollen wir glauben, dafs es etwa im 10. jahrbundert handschriften gab mit einem commentar eines Dionysios, andere mit scholien ver- schiedener verfasser, andere mit denen des Didymos? das ist verführerisch, und es ist allerdings peinlich, dafs man nicht ganz scharf ja oder nein sagen kann. warum hiels der mann auch gerade Dionysios, so dafs man nicht wissen kann, ob er christ oder heide, ein würdiger forscher oder ein indifferenter abschreiber war. indessen irgend wie muls man zu ihm stellung nehmen. und man darf wol folgender erwägung trauen. Diony- sios war ὁλοσχερῶς benutzt, also galt seine arbeit auch wol dem ganzen stücke. das tut aber nur die von vers zu vers fortschreitende trivial- erklärung, die nahe an die paraphrase heranstreift. die subscriptio unter- scheidet zwei bestandteile: zwei bestandteile zeigen die scholien, einzelne gelehrte notizen und trivialerklärung. also mag das combinirt werden, und das triviale dem Dionysios zufallen. darum kann er immer noch der urheber der auswahl sein; kann aber auch viel später sein wesen getrieben haben, denn gerade diese trivialitäten wechseln am meisten ihre form. aber bestanden hat eine solche triviale und zwar mit unseren scholien sich vielfach deckende paraphrase zu den 10 Euripidesstücken schon im 5. jahrhundert, als das Gyrillglossar entstand, aus welchem diese an sich wertlosen, nur für die existenz des gleichlautenden textes zeugnis ablegenden notizen in den Hesych gekommen sind, wo sie jetzt je nach dem belieben des herausgebers teils in teils unter dem texte stehen "ἢ. Benutzung Peinlich genug ist es, dafs sich das fortleben und selbst die ursprüng- auswahl. liche gestalt der ausgabe, welche die auswahl begründete, so wenig klar beschreiben läfst. noch peinlicher, dafs über die zeit, wo sie hervortrat, mit starker reserve geredet werden muls, und am peinlichsten empfindet es der, der jahre lang in der hoffnung herumgesucht hat, durchschlagende zeugnisse zu finden. indessen das wesentliche bleibt ungeschmälert, wenn auch der zeit ein weiter spielraum bleiben mufs. im zweiten jahrhundert

162) Vgl. Reitzenstein Rh. M. 1888. es kann jetzt niemand über diese dinge mit entschiedenheit reden, ehe nicht die neuen funde veröffentlicht und gründlich geprüft sind. doch glaube ich, bis ich überführt werde, nicht daran, dafs scholien zu anderen als den 10 stücken benutzt sind. in den alten lexicis, z. Ὁ. Diogenian, kamen natürlich glossen aus allen vor. da die Homerglossen aus den s. g. Didymos- scholien genommen sind, welche selbständig damals schon bestanden und einer ganzen paraphrase des textes entstammen, so kann man sich sehr wol einen analogen Euripidestext denken.

Benutzung der auswahl. 201

gibt es noch leute, wie Aristides und Lukian, denen, auch wenn sie kein herz mehr dafür haben, eine weitere eigene kenntnis von tragüdien zuge- traut werden kann; unter Severus hat Philostrat der ältere'®) für seine bilder wenigstens von Sophokles und Euripides eine reihe dramen benutzt, aber von keinem späteren ist es nachweisbar, dals er eines gelesen hätte, das nicht unter den oben aufgezählten enthalten wäre. nun würde eine einzelne gegeninstanz ja noch wenig besagen, denn natürlich blieben die bandschriften in den bibliotheken liegen, bis äulsere unbill oder die blofse vernachlässigung sie zerstörte, und wenn Simplicius tragödien ge- braucht hätte, so würde er mancherlei so gewils gefunden haben, wie er zu unserer überraschung alte philosophen fand. auf diesem wege haben sich ja wirklich auch noch dramen und dramenbruchstücke des Euripides auf uns gerettet. an dem allgemeinen verschollensein der alten philo- sopben ändert jedoch Simplicius nichts, und so würde ein weilser rabe die allgemeine gleichgiltigkeit der letzten jahrhunderte, die man zur antike rechnet, gegen die tragödie nicht in frage stellen. aber mir ist keiner begegnet. ja ich vermisse vielmehr die fülle der belege, die ich wünschte, um die bekanntschaft wenigstens der auswahl zu beweisen. und erschwert wird der nachweis noch dadurch dafs unter den ersten euripideischen stücken sich Orestes und Phoenissen befinden, die seit ihrer ersten auf- führung unausgesetzt besonderen beifall gefunden haben, also auch ohne den einflufs ihrer stellung in der auswahl immer besonders häufig citirt worden sind. so dürfen einzelne beobachtungen nicht dazu verlocken, die anlage der auswahl sehr früh anzusetzen’*), für unmöglich kann man

163) Der jüngere dagegen behilft sich mit Pindar Nem. 1 (sl«. 5), Apollonios Rhodios (7. 8. 11), Philoktet und Trachinierinnen des Sophokles (6. 16. 17 vgl. auch das citat 1), citirt Oid. Kol. (3). für das übrige bedarf man nirgends einer dramatischen vorlage: man darf ja nicht vergessen, dafs die mythographische litieratur sehr stark für den bedarf der sophisten zugerichtet und erweislich viel benutzt ist. die μυϑικαὲ διηγύσειο der sophisten verlangen dringend eine ausgabe und bearbeitung. Neoptolemos unter den schäfern verborgen, damit Phoinix ihn nicht nach Troia abhole, zufällig mit diesem zusammentreffend und an der ähnlichkeit mit seinem valer erkannt (Philostr. 1b), ist ein hübsches motiv, deutlich nach Achilleus in Skyros erfunden. die abholung des Neoptolemos durch Phoinix war inhalt der sophokleischen Skyrier (Robert, Bild und Lied 34), aber dieses raffinirte motiv wird man auf Sophokles kaum zurückführen, da ja die sage von Achilleus auf Skyros selbst erst durch Polygnot und des Euripides Skyrier aufgekommen war. und für die directe benutzung der sophokleischen tragödie durch den sophisten spricht vollends gar nichts,

164) Wenn z. b. der sophist Cassius Maximus von Tyros von Aristophanes nur Frösche und Wolken, von Euripides Phoenissen, von Aischylos zwar den Philoktet, aber aus einem älteren philosophen, den auch Plutarch benutzt (vgl. fgm. 250) citirt,

202 Geschichte des tragikertextes.

gleichwol auch das nicht erklären, dals sie etwa zu Plutarchs zeiten gemacht, aber erst ein jahrhundert später allgemein durchgedrungen wäre.

Sei dem wie ihm wolle, und bleibe auch das fortleben der samm- lung in seinen einzelnen phasen unklar: so viel ist dem spiele der pro- babilitäten entrückt: in den abschliefsenden zeiten der antiken grammatik ist eine auswahl gemacht, und diese auswahl besitzen wir. es ist also kein zufall, der uns eine handschrift oder die andere erhalten hat, in der gerade die oder die dramen standen; noch ist etwa zu irgend einer zeit zufällig eine handschrift erhalten gewesen, die dann copirt wurde und die dramen auf uns brachte; sondern eine feste tradition und ein nie ganz unterbrochener gelehrter betrieb hat uns diese dramen erhalten: es ist zwar ein besonderes glück, dals wir die sieben aischyleischen noch alle haben, denn diese waren zum teil aufser gebrauch gekommen, es

so beweist das nichts. auch von Pindar und Stesichoros citirt er nur was im Platon steht, Sappho hat er allerdings gelesen. darauf dafs in den resten des rhetors Alexander Numenius nur Soph. El., Eur. Hek. Or. Med. vorkommen, möchte ich nichts geben. Tatian, sophist von fach, hat von ÖOrestes eine unklare erinnerung, wie sie aus eigner lecture bleibt (10); wenn er aber die im Alkmeon auftretende Erinys nennt (worte von ihr sind fgm. 1011 lateinisch erhalten), so entlehnt er das mit der folgenden gelehrsamkeit seinen kynischen quellen. die atticisten scheinen zwar die commentirten dramen zu bevorzugen, aber es ist längst nicht so sicher wie für Aristophanes: die citate sind überall zu selten. dafs der kaiser Iulian von Aristophanes Plutos Ritter Acharner, von Euripides Orestes Phoenissen Bakchen selbst gelesen hat, weiter nichts von tragödie und alter komödie aus eigner lecture zu stammen braucht oder nachweislich stammt, ist freilich deutlich: aber ein sicherer beleg des 4. jahrhunderts hilft wenig. er kennt Anakreon Sappho Simonides, das zeigen seine werke, und dafs er Bakchylides las, bezeugt Ammian 25, 4, 3: auch Pindar kennt er, aber nur die epinikien (denn ep. 19 geht auf Isthm. 2). von den andern wird es natürlich analoge auswahlen gegeben haben, d.h. einzelne bücher der alten ausgsben. so etwas hat gleichzeitig Himerius besessen; und einzelnes hat sich noch viel länger erhalten. wie die citate von commentaren bei Orion und die erhaltenen fetzen von büchern der Sappho und einem der keischen dichter beweisen (fgm. adesp. 85: von Pindar ist es nicht, denn dessen pythische epinikien haben wir). für Choricius bestätigt J. Malchin (de Chor. Gaz. vet. scr. studiis Kiel 84) die erwartung. er hat Hek. Or. Phoen. Hipp. Med. Andr. Tro. die in der rede ὑπὲρ σεαντομέμων erhaltenen verse (Malchin 8. 46 und 50) sind stark verdächtig, übrigens stammt das eine sicher aus einem florilegium. für Gregor von Nazianz trägt Stoppel (qu. de Gr. Nas. poet. scaen. imit. Rostock 81) viel zusammen, was teils ganz nichtig ist, teils auf die benutzung der lexica weist, die bei Gregor sehr deutlich ist. sicher kennt er nur Eur. Hek. Or. Phoen. Med. Andr. Alk., wenn auch nur so viel. wenn der iambische brief an Seleukos vielmehr von Amphilochius ist, fällt 2. b. Alk. fort. solche untersuchungen müssen auch für die prosa noch in grofser zahl angestellt werden.

Benutzung der auswahl. der Sophoklestext. 203

ist ein glück, dafs wir die über die siebenzahl hinaus erhaltenen von Euripides besitzen: aber wenigstens die drei ersten von Aischylos, die je sieben der beiden anderen hätten für uns gar nicht verloren gehen können, denn sie sind aus den händen des gelehrten publicums nie geschwunden. und die überlieferung hat immer in den händen der ge- lehrten gelegen, mochte die gelehrsamkeit absolut genommen grofs oder klein sein. der text, der zu grunde liegt, war aufgrund der grammatischen arbeiten festgestellt und von scholien begleitet; beide sind zusammen fort- gepflanzt und trotz aller verkümmerung war die erklärung ein mächtiger schutz des textes: so finden wir sie vereinigt vor. es könnte sein, dafs wir über diese lange periode vom 2. bis 11. jahrhundert gar nichts wülsten: immerhin würden wir über die beschaffenheit des textes ein praejudiz fällen, wie über den des Lykophron, und die schlimmsten verderbnisse jenseits der zeit, wo unser text constituirt ward, verlegen. so ärmlich steht es nun zwar nicht, aber es steht für die beiden älteren tragiker immerhin ärmlich genug.

Zwar den Sophokles besitzen wir wenigstens in einer durch eine Sophoties- reihe handschriften, darunter neben dem Laurentianus 32, 9 den sehr achtbaren Paris. 2712, gesicherten recension, und wie im Aristophanes treten auch hier die umfangreichen excerpte des Suidas ergänzend und bestätigend namentlich für die scholien hinzu: also wir nehmen wenigstens das 10. jahrhundert zum ausgangspunkt. aber der text ist von einer verblüffenden einheitlichkeit. diese ist es gewesen, welche den wahn erzeugt hat, dafs der Laurentianus die quelle aller anderen handschriften wäre, eine unglaubliche verkehriheit, da ja niemand bestreiten konnte, dafs die scholien nicht aus ihm stammten. steht doch das γένος Zopo- #4£ovg und die hypothesis zum Aias gar nicht in ihm, und die hypothesis der Elektra z. Ὁ. in gänzlich verwaschener form'®), und einzelne er-

165) Jeder, der etwas von diesen dingen versteht, wird durch die vergleichung der beiden fassungen, wie sie Michaelis vor seiner Elektra gegeben hat, überzeugt werden. übrigens reicht auch als schiboleth der vers OT. 800 aus, der in L von später hand nachgetragen ist, in den anderen zum teil älteren handschriften steht: aus denen er also, nachdem er in allen gleichermaßsen interpolirt war, wieder in das original eingetragen worden sein müfste. noch unbegreiflicher ist es freilich, dafs jemand den vers für unecht erklärt, ohne an die abhängigkeit der übrigen von L zu glauben. aber eine schmach ist es, dafs, wie wir 68 jetzt sehen müssen, die scholien des Laur. als selbständiges buch auf den markt geworfen werden, gleich als ob die andern handschriften nur eine wertlose masse wären. der herausgeber, der seine ignoranz allerorten zeigt, hat dabei gar die ὑποϑέσεις vergessen. einigen

nutzen gewährt dagegen für die Sophoklesscholien die dissertation von P. Jahr (de cod, schol. Soph. Berlin 85).

204 Geschichte des tragikertextes.

gänzungen und verbesserungen sind aller orten aus andern handschriften zu holen. doch dieser irrtum darf wol als überwunden angesehen werden, und er hat nicht so sehr viel geschadet, da der text wirklich ein so sehr einheitlicher, und der Laurentianus die unvergleichlich beste handschrift ist. nur ist diese einheitlichkeit nicht minder unheimlich, wenn eine recension an die stelle einer handschrift tritt, und wie viel würde man darum geben, wenn die recensio so mühsam wäre, wie in den ersten er dramen des Euripides oder auch nur im Aristophanes,

Alschylos- Aischylos ist es noch schlimmer gegaugen, denn Hiketiden und Choephoren sind wirklich einzig im Mediceus (denn die philologen haben sich wirklich das vergnügen gemacht, dieselbe handschrift in den beiden

᾿ tragikern verschieden zu bezeichnen) erhalten. Agamemnon ist in M, die Eumeniden sind in den anderen handschriften stark verstümmelt, so dafs für diese beiden schwer festzustellen und nicht sehr belangreich ist, ob sie nur durch M ursprünglich erhalten sind’). aber die drei ersten dramen ebenso zu beurteilen ist nur durch voreingenommenbeit erklär- lich, es sind sogar die abweichungen stärker als im Sophokles, und die nächste aufgabe der kritik besteht darin, diese secundäre überlieferung zu fassen, sei es dals man einen zuverlässigen vertreter findet, sei es dafs man ihn durch die zusammenstimmende lesart einer gruppe recon- struirt!”). damit wird aber immer noch nicht viel gewonnen, denn es bleibt ein sehr fester in schwersten fehlern einstimmiger text und neben ihm ein ganz jämmerlicher rest von fast nur paraphrastischen und zwar jungen scholien. wir sind im Euripides und Aristophanes so gut gestellt, dafs wir handschrifien des 14., 15. jahrhunderts kaum brauchen, obwol

166) Erneute prüfung der Eumeniden hat mich zu der ansicht von G. Hermann und Ahrens zurückgebracht; doch gilt die selbständigkeit nur für den archetypus von Laur. 31,8 und Ven. 616, von dem auch Triclinius abhängt, und wol auch Ven. 468, der nur den anfang des Agamemnon enthält. zuzugeben ist, dafs unbedingt durchschlagende stellen fehlen.

167) Dale das ermöglicht werde, erfordert umsichtige handschriftliche studien. die behauptung zu erweisen reichen die von Weil in der vorrede seiner ausgabe vorgeführten stellen aus, die sich leicht vermehren lassen. für die scholien scheint mir die dissertation von Sorof (de rat. inter cod. rec. et Laur. Berl. 1882) das gegenteil von dem was sie will hinreichend zu lehren, aber der positive ertrag ist kaum die mühe wert. vgl. auch A. Reuter de A. Prom. Sept. Pers. cod. rec. Rostock 1883. ein schiboleth sei hier die didaskalie der Perser, wo nur die jüngeren handschriften den Glaukos als Ποτνεεύς bezeichnen. das hat man erst nicht leiden mögen, weil der wahn der trilogie diesen Glaukos ausschlofs, aber da conjicirte man wenigstens. jetzt sollen die Byzantiner die neigung gehabt haben die homonymie zu beseitigen, und den Ποτνιεεύς aus den scholien der Frösche aufgestöbert haben.

Der Aischylostext. der Euripidestext; handschriften der auswahl. 205

sie nicht abschriften aus erhaltenen sind. im Aischylos müssen wir nehmen was wir haben, und auch in den beiden letzten aristophanischen komödien wird uns eine handschrift wertvoll -ἰ- Leid.), die wir im Euri- pides fortwerfen. hilfsmittel aus byzantinischen citaten liegen nur spär- lich vor, und seiten ergeben sie wirkliche varianten '*). Der Einsicht in den wert der überlieferung auch der andern tragiker Buripldes-

kann man nur am Euripides gewinnen, mit welchem deshalb diese studienschrinen onder zu beginnen haben. wenigstens von sechs dramen (den ersten der reihe,

nur Andromache statt Alkestis) sind eine ganze anzahl handschriften er- halten, die nicht nur selbst einander unabhängig gegenüber stehen, son- dern auch durch kein stemma zu vereinigen sind. aus dieser zahl hat Kirchhoff, dessen urteil mafsgebend geworden ist, eine anzahl heraus- gegriffen, welche in der tat ausreichend ist, um den text fesizustellen, obne dafs man doch alles was in den anderen steht, als junge erfindung bezeichnen dürfte: aber man darf hier ohne schaden forllassen, was in Sophokles und Aischylos die lesart des einzigen Laurentianus controllirt und also unentbehrlich ἰδὶ 15). keine einzelne Euripideshandschrift kommt

ihm an alter und zuverlässigkeit gleich; aber die größere zahl ersetzt

das reichlich, und der kritische apparat ist noch wesentlicher verein- fachung fähig: man mul nur immer wissen, ob eine lesart einzig in einer handschrift steht, oder ob wir nur eine als die zuverlässigste ver- treterin namhaft machen. im ersten range siehn Marcian. 471, die älteste,

und doch erst 12. jahrhunderts, und Paris. 2712, gleich wertvoll wie

für Sophokles und Aristophanes; wie sie dort neben Laur. und Ven. fast verschwindet, so tut sie es hier neben Marc., ihr gewicht fallt am schwersten ia die wagschale, wo sie zustimmt, nicht wo sie abweicht.

168) So ein byzantinischer metrischer traktat, der sonst nur Hephaestion und scholien nebst modernem gibt, für dem schlulskommos der Sieben Mangelsdorff Anec- dete Chisiana (Karlsruhe 1876) 285.

169) Übrigens sind die handschriften längst nicht alle genau bekannt. z. b. Ven. Marc. 410 (Kirchhoff praef. VI), aus dem ich zu Hipp. 153 ποιμαένει notirt habe; aber das würde wertvoll ner sein, wenn Marc. 471 nicht erhalten wäre. die selbständigkeit zeigt sich oft am einer kleinigkeit, so hat Marc. 468 den rest der aristophanischen bypothesis zu dem Phoenissen gereltet, Vat. 1345 einen teil der vita (die nur in solchen handschriften steht) und eine bemerkung des Didymos (schol. Hek. 13), Laur. 31,15 (T im Aristophanes) ist für den Euripidestext selbst in der Alkestis ganz zu entbehren, rettet aber zu Hipp. 138 allein ein Menanderfragment. Harleian. 5743 hat an einer stelle (Alk. 1037) eine richtige lesart erhalten, aber das kann zufall, kann willkör sein. Alk. 1079 schien eine lesart des Havniensis durch Galen (de plac. Hipp. οἱ Plat. τ. 388 Müll.) bestätigt: und doch ist es an beiden orten nur ein itacismus: der Hamiltonianus des Galen stimmt zu den anderen Euripideshandschriften,

206 Geschichte des tragikertexies.

fehlt aber der würdigere genosse, wie in den Acharnern des Aristophanes, der Medeia und dem schlusse des Hippolytos, so muls ibn der jüngere ersetzen und übernimmt die führung. man ist zwar gewöhnt den Vatic.909 nach Kirchhofls vorgang höher zu schätzen, allein er dankt das vielmehr seinem reichtum als seiner güte. er enthält aulser den sechs Alkestis Rhesos und Troerinnen, und für alle drei die scholien am besten (auch für Medeia), für die beiden letzten allein, ist also in ihnen unschätzbar. aber es ist eine unsäglich flüchtig geschriebene handschrift auf baum- wollpapier, die schon in der äulseren erscheinung plebejisch neben jenen würdigen pergamenen aussieht. und dafs neben der flüchtigkeit auch die willkür der beginnenden renaissance nicht fehlt, zeigen die scholien, namentlich zur Hekabe. es ist eben nicht ein gewöhnlicher schreiber, sondern ein gelehrter ihr urheber. doch würde die handschrift immer noch sehr stark ins gewicht fallen, sowol wegen ihrer lesungen erster hand wie wegen der zahlreichen correcturen, wenn wir die andere überlieferung, die des Laurentianus, nicht besäfsen, von der sogleich, denn von ihr ist ein strom später hineingeleitet, und auch das wert- vollste ältere material ist das, was im Vat. abweichend von Marc. und Par. mit dem Laurentianus stimmt. diese mittlerrolle ist es, welche in den fünf ersten stücken den Vat. dem kritiker wertvoll macht; eignes und zugleich gutes, Jas als überliefert gelten könnte, hat er kaum etwas. in der Medeia teilt er die führung mit Par.; in der Alkestis, die leider im Marcianus ausgerissen ist, der sie ehedem enthielt’’), mus ein anderer Parisinus zur hilfe eintreten, 2713, der keinesweges verächtlich ist und seinen alten namen Par. B neben Par. A wieder erhalten muls, den er in den scholien noch führt'"'), für welche er schlechthin unent- behrlich ist. die willkür der renaissance ist kaum stärker in ihm als im Vat. für Rhesos und Troerinnen versagt freilich auch er: da mufs Vat. allein diese ganze sippe vertreten. man ermifst leicht, dafs uns also

170) Auf dem vorsatzblatte ist ihr name noch genannt: aber als die handschrift nach lialien kam, fehlte sie schon, und der name ward deshalb ausradirt.

171) Kirchhofls zeichen für die handschriften waren eine so wenig glückliche neuerung wie die von ihm selbst wieder beseiligte eigene verszählung. seine classen- einteilung ist weggefallen, und die von ihm durch kleine buchstaben bezeichneten handschriften auch alle bis auf Paris. B, den man jedoch eigentlich auch nur in der Alkestis nötig hat. ausgefallen ist auch der Havniensis, den er C nannte. also empfiehlt sich in der tat mit Dindorf M(arcian), V(atic), und mit den älteren (Paris.) A, (Paris) B, (Flor.) C und, wo er nötig ist, P(alat. 287) zu sagen: M und B gilt noch in den scholien, wo aber ein übles A für Vat. eingedrungen ist. einen ver- lorenen archetypus herzustellen ist man nirgend veranlafst.

Der Euripidestext; handschriften der auswahl. reste der gesammtausgabe. 207

sehr viel nutzbares entgeht, was die conjectur doch nur zum teil er- setzen kann.

Aber dieser text, obwol für die meisten dramen reicher als der Kamaar sophokleische, und gerade weil er minder einheitlich ist, mehr chancen ausgabe. für die gewinnung des echten bietend, würde doch noch recht mangel- haft sein und namentlich dem Euripidestexte nicht die exemplificatorische bedeutung geben, die ihm tatsächlich zukommt. das leistet erst der hin- zutritt einer zwar jung scheinenden, in wahrheit schon im altertum ab- gezweigten anderen überlieferung, welche wahrhaft überraschende be- lehrung gewährt. der Laurentianus 32, 2 (C)'”*), geschrieben in den ersten decennien des 14. jahrhunderts, enthält aufser Sophokles, den drei ersten dramen des Aischylos und den Erga des Hesiodos (diesen mit scholien), 18 dramen des Euripides, geschrieben in anderer abfolge, aber durch vorgesetzte ziflern als ursprünglich folgende ordnung bezeichnend, Hekabe Orestes Phoenissen Hippolytos Medeia Alkestis Andromache Rhesos Bakchen Helene Elektra Herakles Herakleiden Kyklops lon Iliketiden Iphigeneia in Taurien und in Aulis. die zilfer 4’ der Bakchen ist aber auf einer grofsen rasur geschrieben, und hier sitzt ein fehler: offenbar stiefs der schreiber an, als er ε΄ setzen sollte, weil die zahl nicht stimmte, er änderte also hier und zog nachher immer eine stelle ab. in wahrheit müssen zwischen Rhesos und Bakchen die Troerinnen eintreten. da haben wir zwei reihen von dramen; die eine, geordnet nach dem alphabet mit einer ausnahme, ent- hält die bisher nicht erwähnten stücke, die andere gibt die alte reihenlolge der commentirten. zwischen beiden reihen stehen die Bakchen; zufällig könnten sie nach vorn wie nach hinten gerechnet werden, doch gehören sie unzweifelhaft an den schlufs der commentirten, sind also in jener reihe zufällig nur sonst nicht mehr erhalten, wie sie denn hier auch nur ver- stümmelt stehen 115). vollständig, so weit sie überhaupt sind, enthält sie

172) G. Vitelli hat in den Pubblicazioni del R. isliluto di studi superiori 1877 eine photographie der seiten dieser handschrift veröffentlicht, welche die Iphig. Δα]. enthalten: reicht sie auch nicht für die constatirung der ersten hand aus, 80 ist sie doch äufserst belehrend.

173) Die Bakchen hat Clemens von Alexandrien selbst gelesen, das zeigt eine rhetorisch prächtige parlie am schlusse des protreptikos (92 P); auch Nonnos hat aus ihnen das Pentheusabenteuer genommen (45. 46). scholien zu ihnen scheinen von Cyrili benutzt zu sein. die hypothesis mit dem namen des Aristophanes ist erhalten. Apsines besals sie offenbar mit den Troerinnen in einem bande, wie die ordnung sie stellt, denn er schreibt jene 1 394 Sp., die Bakchen p. 399, wie man glauben möchte, aus eigener lecture aus: allerdings citirt er auch Iph. Aul., p. 403.

neben Troerinnen und Rhesos benutzt sie in Byzantinerzeit der verfertiger des Χριστὸς πάσχων. sie haben in G und P gesonderte überlieferung, und gehen in P auf ein

hola ole,

208 Geschichte des tLragikertextes.

eine andere handschrift, aus dem ende des 14. jahrhunderts,. die neben C etwa so wie Par. B neben A zur verwendung kommt. sie ist jetzt zerrissen und war das schon bald nach 1400. der gröfßsere teil ist jetzt Palatinus 287, der kleinere, die drei ersten Euripideischen stücke und Helene Elektra Herakles, aufserdem die drei ersten aischyleischen ent- haltend, ist aus der Badia von Florenz in die Laurentiana gebracht und heifst 172. in dieser handschrift sind die neun scholienlosen dramen aus derselben handschrift genommen wie C, doch viel nachlässiger ge- schrieben, so dals sie nur ganz selten etwas neues liefert und unmöglich alle ihre fehler in dem kritischen apparat verewigt bleiben dürfen '"*); ihr wert beruht vielmehr darin, dafs sie die hände in C, der von correctoren

exemplar mit gleich vielen zeilen zurück wie die Troerinnen (Robert Herm. ΧΙ} 136). auch schol. Dionys perieg. 391 ist direct aus den Bakchen mit commeniar genommen. die citate sind auch bei späten grammatikern zahlreich, indessen weils man bei ihnen ja kaum je, ob sie nicht abschreiben.

174) Die zusammengehörigkeit der beiden stücke ist erkannt von Robert Herm. ΧΠΙ 133. ich hatte mich verleiten lassen, das florentiner stück für eine abschrift von C zu halten, was ich freilich für die drei ersten dramen schon selbst hatte aufgeben müssen, abgerissen ist das stück früh: es hat dem Musurus nicht mehr gebört und zeigt deshalb keine oder wenigstens keine gulen correcturen. natürlich wird msn jetzt nicht zwei bezeichnungen für zwei hälften einer handschrift einführen. meine Ansalecta Euripidea zeigen, wie geringfügig die besseren lesarten von P sind, und einzelne fallen noch weg (z. b. hat R. Prinz bei Stahl ind, lect. v. Münsler, sommer 1687, angegeben, dafs Kykl. 494 μακάριος ὕσεις stıakes in C von erster hand ge- standen hat). um so weniger empfiehlt sich der weg, den ich in der ausgabe der Hiketiden beschritten hatte und auf dem mir R. Prinz in Alkestis und Medeia (wo er noch dazu falsch ist) gefolgt ist. es ist ein billiges, aber nichts eintragendes vergnügen, wie es sich ein anfänger mit genugtuung macht, einen archetypus zu reconstruiren, von dem eine gute abschrift da ist, deren lesarten, wo die zweite schlechte bevorzugt wird, doch immer angegeben werden müssen, weil der leser urteilen will, ob man der schlechten folgen darf. von dieser freilich sind alle schreibfehler wegzuwerfen, und sie isenur zu nennen, wo eine möglichkeit vorliegt, aus ihr etwas zu entnehmen. nun ist aber zweimal durchcorrigirt, einmal von einem der schreiber (die sich in ihr abgelöst haben), einmal oder mehrmals von einem gelehrten in Italien. offenbar mufs man die änderungen der ersten art immer, die der zweiten nie anführen, es sei denn dafs es eine richtige conjectur ist. und ebenso mufs man mit den änderungen in P verfahren. es ist das gar nicht so leicht; aber die mühe lohnt sich, weil dann der apparat lichtvoll wird. vgl. bd. 11 vor- bemerkungen und textabdruck. die sehr guten collationen, über welche Prinz in seinen ausgaben verfügt hat, haben einen grofsen teil ihrer brauchbarkeit eingebüßst, weil sie die späteren hände nicht scheiden, und der herausgeber einen archetypus herstellen will; ganz abgesehen von der anlage des apparates, die von kaum er- reichter unübersichtlichkeit ist.

, Reste der gesammtausgabe. 209

mafslos verwüstet ist, unterscheiden!) und das ursprüngliche erkennen lehren. die andern stücke hat P nicht aus der gemeinsamen vorlage ab- geschrieben, sondern sich einen text zurecht gemacht, teils aus dieser vor- lage, teils aus einer nicht bedeutenden handschrift von der sippe VB etwa. das mischungsverhältnis ist verschieden; in den drei ersten stücken und Andromache folgt er mehr dem vulgären, in Rhesos und Alkestis stimmt er mehr zu (ἃ: es leuchtet ein, dafs P für diese dramen ganz wertlos ist; es sei denn, er hilft einmal eine überschmierte lesart von (ἃ erkennen’”). nun hat er aber auch Troerinnen, die in C fehlen, und zwar stark abweichend von V., also nicht aus jener überlieferung, und die Bakchen vollständig,

175) Der corrector war kein gescheidter mann, und metrisch namentlich hat er nur gesündigt. dennoch hat er im Herakles an 8 stellen kleinigkeiten wirklich berichtigt.

176) E. Bruhn (lueudr. Eurip. 255) hat versucht die contamination von P, nach- dem Prinz sie für die drei ersten stücke schon zugegeben hatte, auf die Andromache zu beschränken, weil er einen jungen Turiner codex aufgefunden hat, der ganz zu P stimmt: aber der codex ist zu jung, als dafs P aus ihm geschöpft haben könnte und in seiner vorlage können gern mehr stücke gestanden haben. ganz übrigens kann Bruhn das eindringen von fremden legarten auch sonst nicht leugnen, meint aber C starker inter- polation überführen zu könsen. indessen spricht da die reihe der neun stäcke zu ver- nehmlich, die wirklich C und P aus derselben vorlage haben. aufserdem kann ein über- einstimmen mit Par. B in der Alkestis wahrlich nichts für interpolation beweisen, wie die obige übersicht der überlieferung lehrt. das sind fälle wie sie z. b. im Hippolytos häufig sind, wo C zu M stehen würde. minutien wie accente und dgl. kommen über- haupt nicht in betracht, und correcturen in C für den schreiber auch nicht. somit fällt die zudem äufserst verwickelte verhältnisse für P voraussetzende ansicht. den berühmten vers der Medeia 1078 καὶ μανϑάνω μὲν οἷα δρᾶν μέλλω κακά acceptire ich als schiboleth. hie und alle zeugnisse seit Chrysippos zeit, da P und alle anderen bandschriften. da meint Bruhn lieber, habe aus dem gedächtnis geändert (war im 13. jahrhundert der vers noch fliegendes wort?), nicht P, wie doch sonst auch nach seinem urteil, aus der vulgärüberlieferung. schlimmer ist freilich, dafs Euripides τολμήσω für δρᾶν μέλλω zugetraut wird. “ich erkenne wol die verbrechen, zu denen ich mich entschliefsen werde”, statt “die ich begehen werde, aber die leiden- schaft ist stärker als meine überlegung”. die leidenschaft ist etwas, das sie als eine andere person empfindet, deren werkzeug sie nur ist. daher sagt sie nicht δράσω, was an sich gienge, sondern setzt die periphrase, die uns so recht zeigt, dafs sie über kurz oder lang beim δρᾶν ankommen wird (man mufs doch μέλλω in seiner ganzen bedeutungsfülle wie ein Grieche empfinden): τολμήσω, was den eignen entschlufs einschliefst, kann sie nicht sagen, ohne die selbstverteidigung aufzugeben. ἐτόλμησα φονεῦσαι sagt der ἑκὼν φονεύς, ἐμέλλησα φονεῦσαε der ἄκων. dafs der Χοιστὸς πάσχων die lesarten von CP rein wiedergäbe, hätte Bruhn nicht auf Kirch- hofls autorität weiter sagen sollen: das war durch die arbeiten von A. Doering berichtigt.

νυ, Wilamowltz 1. 14

210 Geschichte des tragikertextes.

auch nicht mit C stimmend: folglich stand ihm eine andere zur sippe C gehörige handschrift dieser dramen zur verfügung '”). „Recensio Sämmtliche 19 dramen dürfen also hier als gemeinsam überliefert dato In den angesehen werden; aber sie zerfallen in zwei reihen. die eine wird durch der aus- die ehedem commentirte sylloge gebildet, auf deren archetypus sie mithin zurückgeht, so dals von zwei ganz gesonderten familien zu reden wider- sinnig ist; auch zeigt C einen text, der keinesweges überwiegend MVA gegenüber etwas besonderes hat, vielmehr stehen neben solchen, aller- dings nicht seltenen, fällen, eben so zahlreiche, wo das verhältnis MC: VA, VGC:MA, auch AC:MV (dies am seltensten) ist, und auch M hat ja viel eigentümliches'”®). folglich ist die zu grunde liegende recension zwar dieselbe, was auch die scholien oft bestätigen; aber sehr früh hat sich die tradition von den anderen abgezweigt, so dafs er allerdings als ein verwandter von anderer linie als die übrigen erscheint. wann aber die abzweigung erfolgt ist, darüber belehrt die reihe dramen von Helene bis Iphigeneia. nach den anfangsbuchstaben ist sie geordnet, die mit ΝΗ beginnenden dramen stehen alle darin, vorhergeht noch eines mit E, es folgen vier mit 7; eins-mit Ä ist, wie die ordnung selbst zeigt, hinein verschlagen. es liegt auf der hand, dafs wir den rest einer gesammt- ausgabe besitzen, und dals Θ᾽ fehlt, erklärt sich aus der oben er- läuterten einteilung in bände: wirklich stehen die dramen mit © auf dem oben 8. 150 citirten steine zwischen Σ und /. verführerisch ist es, die vier dramen von 7, die drei von H sammt dem Kyklops für je einen band zu halten. also die ausgabe, auf welche diese neun stücke zurückgehn, ist ohne den grammatischen schutz geblieben, dafür ist es aber auch eine über die christliche aera zurückreichende. diese stücke sind uns allerdings durch einen zufall erhalten, oder vielmehr deshalb, weil die euripideischen dramen noch häufiger im publicum ver- breitet waren, gelesen, kann man nicht mehr sagen, aber doch in dena bücherschränken bewahrt und zuweilen auch noch abgeschrieben. dafs dem so war, beweisen uns ja auch die unmittelbar erhaltenen bruch- stücke antiker bücher, der Melanippe und des Phaethon. da ist denn

177) Da die Bakchen in G und P abweichen, ist der ausweg verschlossen, C seine vorlage unvollständig abschreiben zu lassen. dafs es auch sonst noch hand- schriften der Troerinnen dieser classe gab, zeigt Harl. 5743, der wenigstens ein stück der Troerinnen aus dieser recension enthält, übrigens neben V und P entbehrlich ist,

178) Deutlich kann das nur eine ausgabe mit übersichtlichem apparat machen: ich werde, so bald ich irgend kann, den Hippolytos vorlegen, der dazu am ge- eignetsten ist.

Recensio und emendatio in den tragödien der auswahl. 211

einmal solch ein band in die hände eines mannes gefallen, der ihn zu schätzen wufste und den inhalt zu der noch zehn dramen umfassenden auswahl hinzuschrieb. der band war hinten verstümmelt, der schlufs des letzten stückes, Iphigeneia in Aulis, fehlte. da hat sich aber ein ergänzer gefunden, der eine ganze scene hinzudichtete’”). und der appetit kam beim essen. er versuchte sich an einer neuen tragödie, Danae, von welcher P die hypothesis, das personenverzeichnis und den prolog sammt einem chorlied erhalten hat. der versuch ist schauerlich ausgefallen. aber der verfasser hat doch die absicht gehabt, trimeter nach antiken regeln und gar Iyrische verse zu bauen. dafs das machwerk sehr viel älter ist als die handschrift, in der es steht, folgt aus der starken verderbnis. da es also keine renaissancefälschung ist, so dürfte man nicht umhin können, bis an den ausgang des altertums damit hinauf zu gehen.

Dazu stimmt endlich die beobachtung, dafs die abzweigung des textes im Rhesos älter ist als die paraphrase, da diese fehler vorraussetzt, die C vermieden hat’). es sind das ausnahmen, denen eine viel gröfsere zahl von verderbnissen gegenübersteht, welche paraphrase und alle recensionen teilen; einzeln hat sie auch das richtige gegen alle, oder gegen den text ihrer handschrift mit ©. aber die warnung empfangen wir doch, dafs wir uns hüten sollen, die blofs paraphrastischen scholien für gleich alt mit den gelehrten zu halten; denn je verderbter der text ist, um so mehr

179) Der anfang der nachdichtung wird mit recht 1510 angesetzt. ob der ver- fasser an den anderen interpolationen des stückes schuldig ist, mag dahin stehen; zutrauen könnte man ihm die einführung des boten 629—37. wer den schlufs ver- teidigen will, hat die verpflichtung sich auch der Danae anzunehmen. deren ver- fasser hat nicht nur die dramen dieser reihe benutzt, was natürlich ist (61 nach Her. 138), sondern einen vers von Sophokles aufgenommen, den wir nur aus Stobaeus kennen (19 = Soph. 847, 4): das spricht nicht für einen Byzantiner. Nauck hat auch den schlufs der Bakchen 1371—92 verworfen, und es hat etwas verführerisches, weil sie auch den schlufs einer handschrift bildeten. allein ich mufs meine zustim- mung zurückziehen. denn die elausel πολλαὶ μορφαί, 1388— 92, ist freilich nicht von Euripides, aber auch sonst falsch zugesetzt. die scenenführung aber ist ähnlich im schlusse der Eiektra, dessen athetese Nauck wol selbst nicht mehr aufrecht hält, und die letzten worte Agaues tragen echt euripideisches colorit ἄλϑοιμε δ᾽ ὅπου μήτε Κιϑαιρὼν μμαρές {μ᾽ ἐσίδοι) μήτε Κιϑαιρῶν᾽ ὅσσοισιν dyos, μηδ᾽ (μήϑ᾽ P) ὅϑι ϑύρσον μνῆμ᾽ ἀνάκειται" βάκχαις δ᾽ ἄλλαισε μέλοιεν. dafs ein thyrsos eine land- schaft, einen bergaltar heiligt, sieht man sehr oft auf pompejanischen landschaften und sälexandrinischen reliefs. vor allem aber ist die nachdichtung unwahrscheinlich, da sie doch wol den unvoliständigen satz 1371 ausgefüllt haben würde, und die corruptel ist sehr grofs, wie es dem letzten blatte der verstümmelten. handschrift zukommt.

180) Nachgewiesen in meinem programm de Ahesi schohis.

14*

212 Geschichte des tragikertextes,;

sind die scholien lediglich paraphrastisch, und um so mehr schliefsen sie sich ihm an. so steht es in Euripides Rhesos Troerinnen Alkestis, also wo die handschriften am unzuverlässigsten sind, die scholien am dünnsten. so steht es im Aischylos. es kann keine ärgere verkehrtheit geben, als diese paraphrasen für uralt, für didymeisch, für träger einer verschollenen überlieferung zu halten, sie, die gerade zu den tollsten corruptelen eine erklärung haben. und weil die verfasser stumpfe gesellen sind, so lesen sie einen halben sinn in die worte hinein, weil doch einer darin sein mufs, und es ist petitio principii, dafs sie einen text gehabt hätten, der zu ihrer erklärung genau stimmte. an den reichlichen scholien, zum Hippolytos und den Phoenissen etwa, daneben am Pindar (wo freilich die moderne torheit auch unfug macht), hat man zu lernen, wie die ältere grammatik paraphrasirt: dann wird man das variantensuchen in den verkümmerten resten unterlassen. eine neue lesart ist immer eine seltene ausnahme, und dann ist es noch lange nicht eine bessere. Eine überlieferung, wie sie für die dramen vorhanden ist, die in C und den andern handschriften stehen, zumal in den [ünfen, welche auch M enthält, ist wahrlich etwas besonderes. ursprünglich einheitlich, aller- dings nur durch gemeinsame fehler späteren ursprungs als solche sich ausweisend, hat sie sich doch schon im ausgange des altertums nachweis- lich gespalten, und dann der eine ast noch weiter verzweigt. es fehlt für die dunkelen jahrhunderte auch nicht an zeugnissen, aber sie spielen kaum eine rolle, weder der Χριστὸς nraoywy'"), wol ein recht spätes product, noch byzantinische florilegien ’"), noch die zahlreichen citate der

181) Über die zeit des centos Hilberg Wien. stad. VIIl. die wenigen citate aus dem Agamemnon lehren nichts. die aus Troerinnen und Rhesos sind nicht ganz wertlos und können eine gute lesart gerettet haben, wie gleich eine probe lehren wird (vgl. anm. 186). aber der versifex ändert so gewaltsam, dafs zu wenig verlals auf ihn ist und praktisch nichts herauskommt. nur für die Bakchen mufs; man allerdings die zeugnisse in den kritischen apparat aufnehmen, und für die beiden grofsen lücken in P steht hier wenigstens einiger ersatz.

182) Ein florilegium oben anm. 104. massenhafte nachahmungen z. Ὁ. in dem roman des Eustathius. der bischof Eustathius, der für Sophokles, den er sehr gut kannte, nicht ganz wertlos ist, von Aischylos auch wol alles gehabt hat, aber kaum etwas lehrt, hat von Euripides nur die fünf ersten stücke ausgezogen. Tzetzes zum Lykophron hat die Troerinnen noch gehabt; das ist etwas merkwürdiges, und mindestens für ein wichtiges scholion (Andr. 14) gibt er sehr wertvolle be- richtigungen; da ‘kann sich also mehr finden: aber der mann selbst ist äufserst un- zuverlässig, hat schlechtes übernommen und durch seine eigenen scholien unfug gestiftet. dafs in den Chiliaden die Bakchen benutzt wären, weil VI 580 der name steht, ist nicht sicher: dafs Harder (de Joh. Tsetzae histor. font. 52) auf grund von

Recensio und emendatio in den tragödien der auswahl. 213

Byzantiner’®): die handschriften selbst reichen aus. was wir sonst ent- weder gar nicht erkennen oder doch nur vermuten, hier können wir es mit den händen greifen. wir sehen die randnotizen in den handschriften, die varianten zu geben scheinen, sehr oft nur schreibfehler berichtigen, einzelne varianten von gleichzeitigen handschriften häufen, auch wol con- jiciren: aber aus dem altertum überlieferte gelehrte varianten, wie die im Ven. A, sind sie nirgend. sie stehen ganz so da, wie die correcturen der handschriften, die auch diesen drei kategorien angehören. das sind also fast alles mittelalterliche entstellungen. und so sind es auch die ab- weichungen der handschriften von einander. zum überwiegenden teile sind es versehen, die durch die tätigkeit des wörter und satzglieder auffassenden und wiedergebenden schreibers entstanden sind, zum teil natürlich schon im späteren altertum, meistens aber später‘): denn in den chorliedern, die schwerer verstanden wurden und mehr mechanisch nachgemalt, finden sich viel weniger abweichungen. verderbnisse die durch das nach- malen von elementen entstehen, sind in dieser dramenreihe kaum vor- handen; es sei denn dals sie über die zeit, wo die auswahl gemacht ward, zurückreichen. alles dieses zu erledigen ist die aufgabe der recensio, der richtigen auswahl der lesarten. sie ist kein leichtes geschäft, vielmehr wird sich in ihr die meisterschaft des herausgebers am meisten zu beweisen haben: deshalb ist die uneinigkeit auch der berufenen kritiker in den dramen am gröfsten, wo GC nur wenige und stark abweichende handschriften zur seite hat. aber es läfst sich im princip die forderung stellen, dafs wir durch die recensio bis in das altertum hinaufgelangen, mit ganz ge- ringen ausnahmen in den ersten sieben stücken; im Rhesos und den Troerinnen schon sehr viel seltener; die Bakchen stehen von allen am traurigsten da.

Dafs wir aber mit dem princip nicht zu viel verlangen, dafür haben

Chil. 1330 die lecture der Helene annimmt, ist ein irrtum: nur die erwähnung der Sirenen bezeugt die stelle für Euripides und kann also auf Andr. 936 bezogen werden.

183) Besonders deutlich wird dies in M: man braucht nur die Phoenissen durchzusehen. sonst bietet B die besten belege. der art sind auch die randnotizen in L (M) der beiden älteren tragiker: keine spur von kritischem apparate ist darin.

184) Über die entstehung und demgemäls die schätzung dieser varianten hat E. Bruhn ἱμομόν. Eur. cap. I gehandelt, und wirklich methodisch fördernde bemer- kungen gemacht, denen gegenüber ich meine früheren ansichten einfach aufgegeben habe. übrigens war die psychologische veranlassung der schreibfehler trefiend schon erkannt und formulirt worden, zumal von G. Hermann (Beiger Haupt als akademischer lehrer 127), ohne psychophysik: aber das schmälert das verdienst Bruhns nicht im mindesten.

214 - Geschichte des tragikertextes.

wir nunmehr den beweis: vom Hippolytos'*) liegen mehrere hundert verse, vom Rhesos'*) ein kleines, aber sehr belehrendes, bruchstück in antiken handschriften vor. der text des Hippolytos wird selbst an keiner stelle wider die überlieferung berichtigt, aber an einer der der scholien gegen alle handschriften bestätigt. im Rhesos werden zwei kleinigkeiten evident verbessert. der text ist hier ein ausgezeichneter, und er widerlegt, wenn das noch nötig ist, die Kirchhoffsche längst unhaltbare ansicht von den zwei classen auf das bündigste: er hat von beiden im’ wesentlichen das richtige. dasselbe tut der Hippolytostext, nur dafs da, weil so viel hand- schriften vorhanden waren, die classentrennung schon vorher in wahr- heit nicht vorhanden war und nur um des princips willen behauptet ward. aber die handschrift an sich ist nicht besser als unsere guten auch: wir stehn so gut, als wenn wir statt zeugen des 13. und 14. solche des 3. und 4. jahrhunderts verhörten. ihre einstimmigkeit aber führt uns noch weiter hinauf: so hoch, dals dann die grammatik den text in ihre schützende hand nimmt und ihn bis zu Aristophanes von Byzanz hinaufgeleitet. Es ıst das etwas grolses. gewils ist es nicht anders in den meisten oben besprochenen dichtern, zumal im Aristophanes, aber hier ist es greif- barer, und hier sind schlimmere zweifel abzuwehren. das licht läfst aber

185) Veröffentlicht von Kirchhoff. Mon. Ber. Berl. Ak. 1881, 982. die hand- schrift enthält mit lücken 242—515. die einzige berichtigung steht 302 ἴσον δ᾽ ἅπεσμεν τῷ πρίν, wo alle handschriften τῶν haben, aber die paraphrase ὁμοέως ἅἄπεσμεν τοῖς πρὶν ῥήμασιν. den wert für die recensio kann nur die vollständige adnotalio crilica zeigen.

186) Veröffentlicht von Wilcken Sitz. Ber. Berl. Ak. 1887, 814. da der heraus- geber seinen fund gar nicht zu würdigen verstanden hat, soll hier das nötige bemerkt werden. erhalten sind 48—96, doch fehlen mehrfach zeilenschlüsse und anfänge, so dafs die lesung des schlusses von δά und 84 nicht zu bestimmen ist. die vier chorverse haben dieselbe kolometrie wie VC, fangen also mit vav σοὶ --- ἤλυϑον μέμιφεν an. neu und richtig ist 60 οὔ τῶν für οὐκ ἄν VC, 63 7 für ἦν; neu und falsch 54 αἱρεῖσθαι für αἴρεσθαι, 12 ἐστι für ἔπε, 84 μύϑοις und ein par zum teil gleich berichtigte orthographika, ernsthaft nur der grobe fehler πάν[τεϊς νυκεός 95 für σιᾶσαν νύκτα. die lesart von V gegen C wird befolgt 66 μεῖναι, C elvas, 75 γαπονεῖν, C γηπονεῖν͵ 90 σόέϑεν, Ο τὸ σόν: immer mit recht, die von C gegen V 66 ὄπεισαν, V ἄφησαν, 12 vaa.s, V νοῶν, mit recht; 90 πύκαξε, V πυκάζου, mit unrecht. 65 steht richtig as, V hat nos, (ὁ beides. 74 steht Asinusvos, VG haben Asincusvos; das richtige λελημιμένοε hat der corrector der wertlosen handschrift Flor. Marc. 226 über Asissuudvo: geschrieben: in wahrheit ist es überall gemeint. 78 steht richtig wie αἴϑειν, wie C über dem texte hat, und πὺρ αἴϑειν V, πυραέϑειν C im texte, ist ja dasselbe. endlich 52 ἥκοες mit Xe. πάσχ. (öfter) für ἤ2ϑες VC. über die übrigen handschriften berichte ich aus eigener vergleichung, in den lesarten der neuen habe ich natürlich die lesezeichen zugefügt.

Recensio und emendatio in den tragödien der auswahl. 215

auch den schatten dunkler fallen, obwol es schon ein grolser fortschritt ist, die grölse des verlustes schätzen zu können. im Rhesos, Troerinnen und gar Bakchen müssen eine ganze anzahl fehler stecken, da mufs con- jicirt werden, und gut genug, wenn man es noch kann, wenn der fehler noch als solcher bemerkbar ist: denn viele varianten sind der art, dafs das richtige gar nicht geahnt werden kann, und wer es erträumen sollte, nicht gehört werden darf, weil das falsche an sich nicht unmöglich ist. noch stärkere schatten fallen auf Sophokles und gar Aischylos: sie können nach diesem malsstabe gemessen, gar nicht besser überliefert sein, als Euripides, wenn wir nur M und ein par handschriften wie B hätten. doch fehlt es nicht an einem troste, der bessere hoffnung gibt. beide tragiker sind viel schwerer verständlich, auch lange nicht so oft abgeschrieben, so dafs man nicht den euripideischen dialog, dem die varianten vorwiegend angehören, sondern die chöre vergleichen mufs. in ibnen ist die alte corruptel viel- leicht stärker, wenigstens hie und da, aber der text um so fester. Aischylos vollends ist in den vier letzten stücken wesentlich dadurch verdorben, dafs ein äufserlich schlimm zugerichteter codex, den man sich ähnlich dem antiken des Rhesos vorstellen mag, nur mit etwas mehr lesezeichen, aHein einem copisten vorlag: somit wird das verbältnis vielmehr den nur in CP erhaltenen Euripidesdramen ähnlich’), und wie den Euripidestext, so sichern doch auch den der beiden andern die antiken citate selbst in seinen fehlern.

Das ist der langen rede kurzer sinn: wir lesen in den commentirten stücken den text des Aristophanes. auf den strebt unsere recensio im weitesten sinne des wortes zu. wenn wir ihn aber haben, was dann? dann gehn wir weiter, lediglich mit den hilfsmitteln der emendatio be- wehrt. still zu stehn wäre entweder verzweifelnde resignation oder aber- gläubische knechtschaft gegenüber der tradition: die recensio führt eben zwar in den dichtern des dritten jahrhunderts bis auf den dichter, aber in denen des fünften nur auf den herausgeber. so schlagen wir uns denn mit den schauspielern herum, die allerdings die verantwortung für die meisten der schlechten verse zu tragen haben, die Aristophanes zugelassen kat. dann suchen wir, meist vergeblich, solche fehler zu heben wie ἄτης ἄτερ (Soph. Ant. 4), γάμους παρεμπολοῦντος ἀλλοίους 10081

187) Jede kritik die etwas leisten will, muls zwar die allgemeinen voraus- setzungen, welche der weite umblick kennen lehrt, inne haben, und in so weit mögen diese capitel auch für die anderen tragiker vorbereiten, aber dann mußs sie individualisiren ; der einzeine schriftsteller, das einzelne buch, hat bis zum gewissen grade seine eigene geschichte. das kann und soll hier nicht erschöpft werden.

216 Geschichte des tragikertextes.

(E. Med. 910), wie Trach. 781. 82'), Hipp. 953, Med. 748. aber vor allen dingen freuen wir uns daran, dafs die fehler so wenig sind. und das weils man dann auch, dafs die menschen sich lächerlich machen, die in diesen dramen mit ihren palaeographischen witzchen kommen, den ähn- lichkeiten der minuskelschrift, den compendien, wo möglich gar dem vetus coder in dem ein par buchstaben unlesbar waren, die der protervus magistellus dumm ausfüllt: der vefus codex mülste ja dem Aristophanes vorgelegen haben, und dieser der protervus magistellus gewesen sein. wir lachen auch über die häscher der glosseme, die einem ihnen nicht er- haben genug klingenden worte ansehen, dafs es ein schulmeister oder leser aus der zeit des Kallimachos oder Apollodor übergeschrieben hat (aus dem Hesych, scheint’s, denn so reden sie), dessen handexemplar darauf der archetypus aller folgenden handschriften ward. die textge- schichte lehrt freilich die vielen gefahren kennen, die unsern text bedroht haben, sie lehrt uns die unvermeidliche verderbnis schätzen und gibt uns hilfsmittel sie zu heben: aber die hauptsache, die sie lehrt, ist, dals sie die grenzen der möglichen verderbnis und unserer meinungsfreiheit be- zeichnet.

Sie umfriedigt ein weites gebiet, auf dem es nicht verstattet ist, das conjecturale röfslein zu tummeln; was darauf steht, das mufs stehen bleiben und verlangt verständnis zwar, auch vielleicht tadel: aber es gehört dem dichter an, und jeder einbruch ist ein raub. auf diesem gebiete hat sich der philologe beimisch zu machen, und dann mag er zusehen, dafs er die grenzen immer weiter für den dichter ausdehne, teils wider moderne ansprüche verteidigend, teils wider die täuschende überlieferung, die in wahrheit keine ist, erobernd.

„Becansio Und es ist dafür gesorgt, dafs auch der conjectur ein weiter spiel-

ἘΠ od raum bleibe. denn dieselbe textgeschichte, welche in Hekabe und Hippo-' lytos fast jede conjectur verbietet, fordert sie in den dramen, welche auf

guasinı die gesammtausgabe zurückgehn, auf schritt und tritt, und gibt schliefs- lich doch nur eine geringe gewähr für die erreichung des echten. da ist sprachgefühl, geschmack, nachschaffende phantasie nötig, jene impon- derabilien, die den wirklichen philologen machen, die nicht gelehrt und nicht bewiesen, auch nur zum teil gelernt werden können.

Mit der recensio ist man gleich zu ende. drei vier kleinigkeiten hilit P beseitigen, dann darf Ο mit seiner vorlage identificirt werden; das ist ein minuskelcodex, wenn’s hoch kommt des 11. jahrhunderts. und auf

188) Der überlieferte gallimathias ist ebenso von dem Athener Apollodor gelesen, Athen. 11 66.

Recensio und emendatio in den tragödien der gesammtausgabe. 217

dem wege von dem zu jener antiken handschrift, der die erhaltung dieser dramenreihe verdankt wird, fehlt jede hilfe. das war aber selbst ein buch obne gelehrte einrichtung, ohne wortabteilung'”), mit ganz zerstörten sonstigen lesezeichen '”), aber deutlich abgeteilten versgliedern. und von dem wieder aufwärts geht Jie überlieferung entsprechend der, welche über- haupt die lesebücher dieser zeiten durchgemacht haben, empor zu irgend einer ausgabe, die ein buchhändler gemacht hat. es könnte ja auch die aristophanische ausgabe gewesen sein: aber Jas ist nicht der fall: die Herakleiden hat das bessere altertum in einer ganz abweichenden recension gelesen, welche ohne zweifel die echte war, während wir die überarbeitung eines regisseurs lesen ’”').

Dabei ist denn freilich ein zustand unvermeidlich gewesen, der im Herakles jeden siebenten vers etwa eine änderung fordert. wann aber die verderbnis eingetreten ist, hat kaum einen zweck zu überlegen, da es sich doch nicht ausmachen läfst. nur das scheint sicher, dafs der eigentliche archetypus, das antike buch, an sehr vielen stellen zerstört war, denn oft sind die lücken noch jetzt vorhanden '*), öfter aber sind sie verkehrt ausgefüllt, fast ausnahmslos am versende'*), wo aber auch die folgenden schreiber durch vertauschung gesündigt haben 155). massen- haft sind aufserdem einzelne buchstaben und wörter verlesen. man hat einen anhalt daran, dafs die nicht sehr zahlreichen antiken citate siebenmal unseren text berichtigen '®), sehr selten schlechter sind. dafs eine anzahl verse von uns als euripideisch betrachtet werden, wo schärfere kritik einen schaden erkennen und beseitigen wird, ist demnach mit vollster wahrscheinlichkeit anzunehmen, und ebenso sicher ist, dafs manches sich überhaupt niemals herstellen oder gar auch nur erkennen läfst, es sei denn, dafs neues material hervorträte. aber zur verzweifelung ist keine veranlassung. das was von ihr verlangt wird, kann die philologie leisten, denn eines ist diesen dramen nicht zugestolsen: die willkürliche raffinirte Interpolation oder doch erst im 15. und 19. jahrbundert. auch das liegt in der geschichte des textes. wenn er verwahrlost ist, so ist doch auch kein Triclinius oder Hartung darüber gekommen.

189) Vgl. Her. 583, 810, 1115, 1191.

190) Das zeigt die mafslos entstellte personenbezeichnung in fast allen diesen stücken.

191) Das habe ich Herm. 17 gezeigt; ich könnte die indieien noch vermehren.

192) 95, 149, 328, 398, 422, 474, 619, 696, 1151, 1159, 1178, 1192, 1340.

193) 184, 226, 413, 482, 484, 530, 664, 845, 925, 1003, 1102, 1241, 1304.

194) 164, 282, 548. 195) 62, 101, 269, 674, 1271, 1293, 1345.

218 Geschichte des tragikertextes.

Da die dramen viele jahrhunderte lang das gleiche geschick gehabt haben, so teilen sie auch die entstellung. doch auch da sind gradunter- schiede. Helene Herakleiden Kyklops Elektra sind besser erhalten als die folgenden, deren corruptel nach dem ende zu immer noch steigt, bis in der aulischen Iphigeneia auch dafür ein exempel ist, wie ein stück aussieht, das nicht einmal sondern mehrfach von interpolatoren verwüstet und demzufolge unheilbar ist. unverkennbar ist ferner, dafs der zustand, in welchem die einzelnen tragödien in jene ausgabe kamen, ein ganz ver- schiedener war; offenbar hat kein sorgsamer gelehrter darüber gewacht. neben dem schauspielerexemplar der Herakleiden steht der Kyklop, der kaum übeler zugerichtet ist als die dramen der auswahl, namentlich auch von jeder schauspielerinterpolation frei’): natürlich, denn das alte satyr- spiel war nach dem 5. jahrhundert nicht mehr mode. die Elektra war aus einem buche genommen, das mehrfach parallelstellen am rande trug'”); die Hiketiden enthalten eine partie durch erweiternde inter- polation entstellt, welche noch um 250 v. Chr. in Athen unverdorben geläufig war’). und so ergibt sich auch hier bei individueller behand- lung des merkwürdigen und fördernden genug.

Die philologie des altertums ist fast unmittelbar zu derselben zeit, wo sie wissenschaft ward, herabgesunken zur textkritik und zur schrift- erklärung, und diese letztere ist sehr rasch auf die abschüssige balın gelangt, nur das nächste wortverständnis der einzelnen stelle zu suchen. die philosophische poetik, die geschichtliche erfassung des werkes und des dichters, ja auch nur die erklärung des einzelnen werkes als eines gauzen hat sie teils niemals, teils nach Aristophanes wenigstens nicht mehr angestrebt. es gibt keinen versuch eine geschichte der tragödie oder eine technik des dramas oder eine theorie des tragischen zu schreiben.

196) Es ist überhaupt nur ein vers, 202, unecht, und der ist erst byzantinischen ursprungs. alle anderen athetesen sind verkehrt. das einzige antike drama welches gar keinen falschen vers zu enthalten scheint, ist der Rhesos, und von dem wissen wir, dafs er ehedem eine falsche scene hatte.

197) ΕἸ. 373—79, von welchen der letzte aus der Auge citi t wird, 386—90, 941---44 (von Bruhn erkannt) 1097—99. aufserdem sind mehrere dittographien darin.

198) Euripides hatte von Tydeus gesagt (902) οὐκ ἐν λόγοις ἣν λαμπρὸς ἀλλ᾽ ἐν ἀσπίδι δεινὸς σοφιστὴς τῶν τ᾽ ἀγυμνάστων φονεὺς (Antig. Karyst. 8. 73); daran ist nach abwerfung des leisten halbverses in unseren handschriften eine widersinnige tirade von 6 versen getreten, von denen übrigens die letzten zwei eine dittographie sind, die in einer anderen redaction gleich auf 901 folgte: diese ebenfalls, aber anders, interpolirte fassung stand in der ausgabe, welche das florilegium benutzt hat: Stob. ecl,. 1 185 Wachsm.

Recensio und emendatio in den tragödien der gesammtausgabe. 219

deshalb hat dieses capitel von der zeit nach Aristophanes nichts zu be- richten gehabt, als was für die textkritik von bedeutung ist. wir werden sogleich sehen, wie schwer es den modernen geworden ist, der höheren pflicht sich auch nur bewufst zu werden. da wollen wir lernen, dafs die textkritik zwar die erste aber auch die unterste stelle unter den künsten einnimmt, die der philologe an den tragikern zu beweisen hat. aber auch wenn man das begriffen hat und danach zu leben sucht, so wird man gestehen dürfen, dafs die verschiedenheit der bedingungen, unter denen sie zu üben ist, die fülle des materiales, die schwierigkeit und auch die möglichkeit eines schönen erfolges der Euripideskritik einen reiz verleiht, wie er nicht so leicht sonst zu finden ist, und dafs zwar ein anfänger positives nur sehr schwer hervorbringen wird, aber kaum an einem andern classiker so viel für die methode der recensio wie der emendatio lernen kann.

[1 re

4. WEGE UND ZIELE DER MODERNEN TRAGIKERKRITIK.

„Qekan Handschriften der tragiker sind schon früh in den occident gelangt. wegiker In Laurent. 32,2 war 1348 in Avignon und im 15. jahrhundert in der privatbibliothek der Medici‘), Jaurent. 32, 9 kam durch Aurispa 1423 nach Venedig; also die beste Quelle für Aischylos und Sopbokles, die reichste und zur hälfte auch reinste für Euripides war gefunden. aber die gedichte waren zu schwer, teilweis auch zu entstellt, als dafs selbst von den des griechischen kundigen humanisten viele sie hätten lesen können, und eine übersetzung, wie sie historiker philosophen ärzte er- schlofs, half für die dichter nichts. 80 sind denn abschriften in Italien nur wenig gemacht”), und die drucker haben sich erst dann auf diese wie die meisten anderen griechischen dichter geworfen, als sie tüchtige griechische gelehrte zu herausgebern gewinnen konnten. Griechen, aber eben nur Griechen, haben auch in den handschriften selbst die spuren ihrer lecture zahlreich hinterlassen. ihrer ganzen art nach waren sie den italienischen humanisten ähnlich, und das meiste was sie gemacht haben beseitigen wir als interpolation. aber ein mann befand sich unter ihnen, dessen lange verkannte bedeutung immer mehr ans licht tritt, ja den man wol als das bedeutendste emendatorische talent bezeichnen mufs, welches das griechische volk bisher hervorgebracht hat, der Kreter Marcus

1) Es führte die nummer 58 iragedia Euripidis et Sophoclis et Eschili in papyro, Piccolomini intorno alle condizioni vicende della libreria Medicea privata p. 83.

2) Von dem Laurentianus sind mehrere vorhanden und eher als er selbst für den text benutzt. da sie aber aus G genommen sind, nachdem die gelehrten ihn verwüstet hatten, haben sie nur geschadet. da der kritische apparat diese correc- turen alle fortwirft, so erscheinen die apographa nur ein par mal für kleine ver- besserungen aus conjectur. eine vergleichung der gröfseren Kirchhofl’schen ausgabe kann lehren, ein wie falsches bild aus ihnen und einer vergleichung, die wie sie nicht auf die erste hand zurückgieng, von C gewonnen ward.

Bekanntwerden der tragiker in Italien. die französische philologie.e 221

Musurus, der nicht nur Euripides und Theokrit, sondern auch Hesych Athenaeus die Aristophanesscholien mit grofser kühnheit aber auch mit grofsem geschick zu bearbeiten verstanden hat”). er besafs selbst das jetzt als Palatin. 287 im Vatican befindliche bruchstück der oben 8. 208 behandelten handschrift, hat die euripideischen dramen darin durchcor- rigirt und nicht ausschliefslich aber wesentlich danach bei Aldus 1503 herausgegeben. diese grundlage des textes ist bis in die zweite hälfte des 18. jahrhunderts unerschüttert geblieben. ein viel mehr genannter aber weit geringerer gelehrter, Jolıannes Laskaris, hatte zugang zum Laur. 32,9, als er in Rom 1518 die Sophoklesscholien herausgab, die somit von anfang an auf der besten grundlage ruhten. der text des Sophokles war schon 1502 in Venedig gedruckt, zwar nicht aus dem Laurentianus, aber doch aus einer leidlichen handschrift. dagegen standen Arsenios, dem herausgeber der Euripidesscholien (Rom 1534) nur sehr schlechte byzantinische handschriften zu gebote, und da hat erst das 19. jahrhundert besserung gebracht. den text des Aischylos, der vorher aus minder- wertigen handschriften genommen war, stellten Robortelli (1552) und P. Vettori (1557) auf grund des Laur. 32, 9 fest, nicht ohne eine anzahl bleibender eigener verbesserungen. Victorius, dem nicht nur die schätze der Florentiner bibliotheken offen standen*), sondern der mit einer be- deutenden sprachkenntnis die einsicht in das geschäft der kritischen recensio verband, war leider auf lange zeit der letzte Hellenist Italiens. von nun an schlummerten die besten tragikerhandschriften in Italiens bücherschränken, bis fremde gelehrte sie im 19. jahrhundert hervorzogen. die gegenreformation hatte ihre schuldigkeit getan.

Diesseits der Alpen konnte man sich zunächst nur receptiv ver-hie heun- halten, denn erst mit den gedruckten büchern überschritt der Helle- lolosie. nismus die grenzen Italiens. aber die empfänglichkeit war eine erstaun- liche. sehr bald begann man die griechischen bücher nachzudrucken, und immer neue auflagen wurden nötig. dabei verbesserten die gelehrten, welche in den druckereien die correctur überwachten, hie und da eine kleinigkeit; eine eingreifendere tätigkeit beabsichtigten sie nicht, und die grundlage des textes zu ändern fehlten ihnen die mittel, oder sie sahen

3) Über ihn vornehmlich zu vergleichen F. Didot Alde Manuce und was im anhang zu M. Schmidts gröfserem Hesych beigebracht ist. Musurus verdient eine monographie.

4) Er hat auch die bisher übersehene Elektra des Euripides 1545 aus dem Laurentianus veröffentlicht, den er besser gelesen hatte als die abschreiber, nach denen man ihn seit Musgrave zu berichtigen pflegte.

222 Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

verständigermaßsen ein, dafs die handschriften, die etwa in ihre hände kamen, einen schlechteren text enthielten als die vulgata. selbst H. Ste- phanus hat für die dichter keine hervorragende bedeutung. nur in einem falle ward ein für 200 jahre erfolgreicher aber sehr unheilvoller versuch gewagt, die grundlage umzustürzen. Adrianus Turnebus (1553) baute einen Sophoklestext auf die gründlich verwüstete recension des Triclinius und schuf so die vulgata, deren zerstörung das hauptverdienst Ph. Bruncks ist. die ansätze zu einer erklärung, welche man machte, waren und blieben dürftig. nur der Holländer Wilhelm Canter, auch sonst ein scharf- sinniger verbesserer, half in den chören wesentlich weiter, indem er in zahlreichen liedern die responsion erkannte und danach abteilte. indessen stand man den Iyrischen partien fortdauernd hilflos gegenüber; die ver- suche der byzantinischen gelehrten letzter zeit waren fast das einzige, woran man sich halten konnte. nach ihrem vorgange pflegte man die strophen in sehr kleine verschen zu zerstücken, die man dann ängstlich einzeln numerirte oder doch zählte, und das höchste war, dafs man den einzelnen einen aus den metrischen traktaten geborgten namen gab. das ist erst durch Gottfried Hermann ganz beseitigt; nur unsere verszählung, an welcher zu rütteln immer wieder, glücklicher weise vergeblich, ver- "sucht wird, trägt davon die dauernden spuren. auch die sitte brach sich bahn, die griechischen dramen (wie auch die lateinischen) in 5 acte zu teilen, weil Horaz das zu fordern schien, und auch das hat bis zum ende des 18. jahrhunderts gegolten. übersetzungen wurden vielfach versucht, zum teil von namhaften männern wie Florens Christianus; ja sogar Joseph Scaliger lieferte den “Δα; lorarius’”. den grofsen sprachkünstler ver- leugnete er auch hier nicht; dafs es nicht ohne stillosigkeit abgieng, zeigt schon der titel. und mochte den zeitgenossen der dialog einigermaßen den eindruck wiedergeben, den sie von einem sophokleischen drama erwarteten, der dann freilich von dem was das echt attische und sopho- kleische ist, ernste mafsvolle farbensatte schönheit, weit entfernt ist, so fallen die chöre gänzlich 805); sie hat man damals überhaupt weder ver-

5) Man sehe als probe die wiedergabe der schönen strophe Ai. 624 sed cum vetustatis obsita tempore canis et annis audibit anus parens hunc rabere menie captum, lusciniae ilicet lamentabile carmen volilantis non illa occinet: ast lucti- flicum integrabit lessum. pectora palmis atris tonsa sonabunt, incanamque manus comam lacerabunt. Scaligers griechische verse stehen, auch wenn man von den zahlreichen verstößsen gegen sprache und versmals absieht, höchstens auf der höhe bysantinischer poeten wie Palladas oder Paulus des silentiars. es sind wesentlich reminiscenzen, die eine gigantische gelehrsamkeit in einem selten trügenden gedächtnis bereit hält, und auch wo ein bestimmter stil wiedergegeben werden soll, fehlt es

Die französische philologie. 223

standen noch geliebt. aufführungen der dramen sind auch, vornehmlich in schulkreisen, vorgekommen; es ist das aber, wie die gegenwart zeigt, ein experiment, welches weder für liebe noch für verständnis der antiken tragödie zeugnis ablegt.

Die grofsen philologen Frankreichs, Scaliger an der spitze, haben, wie es nicht anders sein konnte, bei gelegentlicher berührung mancherlei auch in den tragikern erläutert und verbessert, Casaubonus auch in seiner ahhandlung de satyrica Graecorum poesi für ein capitel der litteratur- geschichte die unverrückbaren grundlinien mit weitem und scharfem blicke gezogen. es ist nicht fraglich, dafs diese generation, wenn sie auf dietragödie anhaltendere studien verwendet hätte, mit leichter mühe etwa das erledigt haben würde, was 200 jahre später der generation gelang, die vor Porson und Hermann vorhergieng. allein es ist doch kein zufall, dafs sie eben für diese wie überhaupt für die classische griechische poesie (und eigentlich auch die classische prosa) ein geringes interesse zeigte. die grofsen philo- logen waren eben Franzosen, sie hatten teil an jener grofsartigen cultur- entwickelung, welche wir die französische renaissance nennen, mit einem namen der übel gewählt ist. denn es erstand nichts was jemals so oder ähnlich gewesen war, sondern das seiner selbst bewulst gewordene fran- zösische volkstum, culminirend in einem stolzen prächtigen aber auch für die bildung empfänglichen adel, aus dem sich immer höher der könig- fiche hof erhob, nahm die gesammten culturelemente der italienischen hochrenaissance, darunter auch das wiedererweckte altertum, in sich auf, nur um im folgenden jahrhundert in staat und kirche, dichtung und denken seine echtbürtige und eigene grofsartige cultur zu entfalten. es ist natürlich, dafs in den zeiten der vorbereitung der anschlufs an fremde vorbilder stärker ist als in denen der vollendung. es ist auch unleugbar, dafs das griechische auf die französische renaissance stärker eingewirkt hat als auf die italienische, von deren classikern zwar Macchiavelli im grunde griechische gedanken nachdenkt und der modernen cultur zuführt, aber wer würde bei Ariosto an etwas griechisches erinnert? bei Ronsard und vollends bei Montaigne ist das anders‘). allein das altertum, an nicht an groben misgriffen. solche verse kann nicht machen, wer sein ohr an die wirk- lichen klänge der griechischen dichter gewöhnt hat. man vergleiche Hermanns boten- bericht ans Wallensteins tod mit Scaligers Catullübersetzungen um den abstand zu fühlen.

6) So wenig auch Montaigne nach seinen eigenen erzählungen selbst vom griechischen verstanden hat, so stark ist doch die verwandtschaft nicht nar seiner

denkart sondern auch seiner schriftstellerei mit den aufsätzen der griechischen popularphilosophie. auch wenn er Seneca wiedergibt, läfst er das pretiöse renom-

224 Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

welches man ansetzte, war doch nur das römische, das für alle Romanen gewissermalsen die cultur der vorfahren war, und wenn griechisches hineinspielte, so war es das griechisch des zwiesprachigen weltreichs der Caesaren. die specifisch griechische cultur, die des Homer und Pindar, des Euripides Platon und Demosthenes, kam nicht stärker in betracht, als sie es für das kaiserliche Rom getan hatte. die alten muster liels man als solche gelten; aber wenn es zur anwendung kam, so transponirte man unwillkürlich die griechische poesie in die römische eloquentia. Julius Caesar Scaliger war nur consequenter und vor allem ehrlicher als die menge; seine poetik gibt nicht nur von der geringschätzung sondern von dem widerwillen ein treffendes bild, den die echte hellenische kunst dem Romanen des 16. jahrhunderts einflöfsen mufste. so lästerlich mochte man nicht reden, aber man handelte ganz in seinem sinne, und es wäre ein unglück gewesen, wenn man es anders getan hätte: denn nur so konnte sich die eigenart der französischen poesie entwickeln. mag man im 17. jahrhundert dann noch so viel von den Griechen reden, mag man sich am hofe Ludwigs XIV. gerade dessen berühmen, die griechische tragödie erneut zu haben, mag Racine sich stoffe und wendungen im Euripides und gar im Aristophanes suchen, mag die aesthelische theorie in der tat so viel an Aristoteles und Horaz herumklauben, dals sie weder diese noch die eigene poesie mehr versteht: der moderne und speciell der Deutsche mufs sich nachgerade nicht mehr beirren lassen. es war recht und gut, dafs seiner zeit dargetan ward, wie unvergleichbar Racine und Euripides sind, und dafs Aristoteles mit der theorie und praxis des französischen iheaters nichts zu tun hat’). es ist gut und recht, dafs man in Boileau den poesielosen pedanten trotz allem wolklang der verse und noch mehr der perioden nicht verkennt: aber nachgerade sollte man

mistische, den haut goüt verschwinden, und was dann von Seneca bleibt, ist eben griechische popularphilosophie. heut zu tage ist es mode Montaigne zu loben, und das ist recht, wenn nur über dem loben das lesen nicht vergessen wird, aber Plutarchs ethische schriften zu verachten: wie kann das recht sein, da doch Montaigne ihnen so viel verdankt? es wäre wol in der ordnung, dafs über keinen von beiden urteilte, wer nicht beide kennt, wol bemerkt aber den griechischen Plutarch, nicht den des Amyot.

7) Wir laufen sonst wirklich gefahr nach der anderen seite ebenso lächerlich zu werden wie diejenigen Franzosen, die ein seltsamer weise auch von verständigen gelobtes buch repräsentirt. Patin Etudes sur les tragiques Grecs? IV 327 läfst sich also vernehmen: ce n’dtait pas r6ellement ta tragedie Grecque que ddcrivait Aristote, c’dtait une autre tragedie, qui devait se monirer bien longtemps ἀργὸ lui sur la scene frangaise,

Die französische philologie. 225

die knabenstimmung fahren lassen und in den grofsen dramatikern der Franzosen grofse dichter anerkennen. sollen wir denn nicht so viel abstractionskraft besitzen, um an französischen heldinnen die namen Iphi- genie und Oreste und in ihren schicksalen die alten sagenmotive hinzu- nehmen, ohne von ihnen zu fordern, dafs sie Hellenen wären 75) Goethe war darüber schon beim beginn dieses jahrhunderts hinweg, noch ehe August Schlegel den Franzosen auf der höhe ihrer weltbeherrschenden macht die comparaison entre la Phedre de Racine et celle d’Euripide entgegenhielt. nun wäre es wol an der zeit, dafs die geschichtliche wür- digung beiden dichtern gleich zu teil würde. aber freilich, es ist vielleicht gerecht, dafs nun die französische tragödie durch ungerechte schätzung dafür büfst, der würdigung und dem verständnis der attischen mehrere generationen lang eintrag getan zu haben. denn an ihr liegt es, dafs Frankreich für die griechischen tragiker bis auf den heutigen tag äufserst wenig geleistet hat, und dafs die suprematie der französischen litteratur gebrochen werden mufste, damit die attische verstanden würde. was von Franzosen im 17. und 18. jahrhundert über die griechischen tragiker geschrieben ist, kann man, was diese betrifft, ungelesen lassen. die Fran- zosen beginnen ja überhaupt erst seit einem menschenalter etwa durch die teilnahme an der deutschen culturentwickelung für den echten Helle- nismus empfänglich zu werden.

Ehe man dazu sich verstieg, erst es den Athenern gleich tun zu wollen, und dann sich in dem naiven hochgefühle zu wiegen, ihnen weit über zu sein (wie das bei Voltaire in scherz und ernst hervortritt), mulfste freilich der geschichtliche sinn erst ausgetrieben, mufsten die griechischen studien von der beherrschenden höhe, die sie zu Scaligers zeit einnahmen, auf den kümmerlichen stand gesunken sein, den sie, wenn man von der patristik absieht, in dem classischen Frankreich einnahmen. das besorgte der bund des absolutismus mit der gegenreformation. man wollte nur die Huguenotten beseitigen und beseitigte den Hellenismus mit, denn seine träger waren die vorkämpfer der reformation. Scaliger und sein kreis ist freilich nicht abgetan mit der bezeichnung als träger der roma- nischen cultur. sie hatten mit der reformation die freiheit des christen-

8) In wahrheit bedarf man einer nicht viel geringeren abstraction, wenn man Ovids Metamorphosen mit genufs lesen will: an die götter und heroen darf man nicht denken. durch die unverantwortliche verwendung des frivolen komischen epos neben und vor Homer in der knabenschule ist freilich zumeist das gefühl für ernst und heiligkeit der sage ertötet und die phantasie vergiftet, so dafs das echte epos nicht mehr wirken kann.

τι Wiiamowlisz 1. 15

226 Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

menschen erworben, und sie entnahmen der antike die freiheit des menschen; so erhoben sie sich zu einer so grofsartigen und allumfassen- den idee von der wissenschaft, wie sie nur Aristoteles gelehrt hat, und zu einer idee von der gröfse der philologie, wie sie den Hellenen nie ganz zum bewufstsein gekommen ist. Scaligers auge hat die geschichts- wissenschaft schon voll begriffen, weder vor der morgendämmerung des orients noch vor den nebeln der kirchengeschichte zurückschreckend. es ist nur wahr und gerecht, wie Niebuhr ihn gepriesen hat, und es ist bezeichnend, dafs Niebuhr, aber erst Niebuhr an ihn ansetzt. grolsartige unternehmungen, wie die sammlung der inschriften, nicht als curiositäten, sondern als urkunden, die sammlung der grammatiker, nicht um von ihnen latein schreiben zu lernen, sondern um aus ihnen das zertrümmerte material alter gelehrsamkeit zu gewinnen, die wiederherstellung verlorner litteraturwerke aus den brachstücken, wie des Ennius und Lucilius, sind von jener generation in angriff genommen. es lag in der natur des materiales sowol als der zeitrichtung, dafs solche unternebmungen dem römischen altertum zunächst galten; aber wenn die entwickelung dauer gehabt hätte, so würde auch für das griechische die zeit gekommen sein. zur zeit war noch das auge für die “Griechenschönheit’ blind das fehlte allen, und die ganze stolze philologie verkümmerte durch den sieg des katholicismus in Frankreich. Scaliger flüchtete sie freilich nach Holland; aber für den Hellenismus schlug in dem niederländischen volke keine verwandte ader, weder in Holland, das ruhmvoll freiheit glauben und sinnesart behauptete, noch in Brabant, das sich dem Romanismus ergab. die “lieblichste von allen scenen’ ist weder für van Dyk noch für Rembrandt zu malen. das protestantische südwestdeutschland würde am ehesten be- rufen gewesen sein, der wissenschaft eine stätte zu bieten. Heidelberg war für sie ein ganz anders vorbereiteter boden als Leyden. allein die Deutschen und zumal ihre höchsten stände waren noch zu arge barbaren, und allen hoffnungen machte der greuel der religionskriege ein ende. die griechischen handschriften der Pfälzer bibliothek giengen zu ehren der christenheit in den Vatican, zu schlafen neben ihren schwestern. Casau- bonus flüchtete nach England; aber es war nicht ein same, den er aus- gestreut hatte, als durch Richard Bentley um 1700 die englische philologie mit einem male zu beherrschender höhe emporwuchs. England hatte es vermocht, die bildungselemente des Romanismus ganz aufzunehmen, ohne seine eigenart zu verlieren. es hatte während des 17. jahrhunderts, wenig verflochten in die geschicke des continents, die gewaltigsten stürme sowol im staatlichen wie im religiösen leben überstanden; mit der definitiven

Die französische philologie. die Engländer. 227

feststellung des nationalen staatswesen durch die revolution von 1688 ἔσχε τὴν ἑαυτοῦ φύσεν. nach einem menschenalter gestehn ihm freier Jenkende Franzosen eine der ihren ebenbürtige oder doch eine eigen- artige cultur zu. England hat durch sie wie überhaupt die moderne welt- gesittung so auch den Hellenismus vor dem barocken Romanismus gerettet, mit dem er schlechthin unvereinbar ist. Die entwickelung der englischen philologie von Bentleys brief AD Engländer.

Mill bis zu dem unseligen jahre 1825, wo Peter Dobree in das grab sank, das sich kaum über Peter Elmsley geschlossen hatte, ist eine streng einheitliche, und die attische poesie steht dauernd im mittelpunkte des interesses. wir modernen lassen uns leicht verleiten, auch wenn wir nicht die kindereien des tages mitmachen, diese grofsen Engländer geringer zu schätzen, weil wir mit den ergebnissen ihrer forschung wie mit einem ohne dank hingenommenen gemeingut wirtschaften. in der tat, vielerlei was sie mühsam gefunden haben, hat man jetzt nicht mehr nötig bei ihnen zu lernen; wer überhaupt ein bischen attisch lernt, lernt es gleich mit den elementen von formenlehre und syntax. in den scenischen gedichten ist keine seite, die nicht die spuren ihrer arbeit trägt, auch wenn keine ihrer conjecturen darauf steht. am besten lernt man es wol am Aristo- phanes, zumal in den stücken, welche im altertum fast rein erhalten nur von dem schmutze zu befreien waren, den die byzantinischen jahrhunderte angesetzt hatten: da ist für uns moderne zu verbessern kaum noch etwas übrig, und es ist eigentlich auch nur ein zufall, ob Bentley oder Porson oder Dobree die stelle verbessert hat. sie würden das wahre alle gleichermafsen in gleicher weise gefunden haben; wer es getan hat, hängt nur von dem zufall des ersten gewahrwerdens der verderbnis ab. es ist eben eine ganz bestimmte methode, die sie alle anwenden; die unterschiede des könnens sind graduell, die schranken desselben fallen aber fast immer mit den schranken des wollens zusammen. die recensio in ihrer wichtigkeit hat zwar Bentley erkannt und zu üben gewagt, aber doch nicht durchgehends, und für das griechische tritt es auch bei ihm, der keine ausgabe gemacht hat, zurück. dabei bleibt es. mit den schätzen der Pariser bibliothek, die zum teil erschlossen werden, wird nicht viel operirt; erst Elimsley bringt von einer italienischen reise wertvolles material für Sophokles und Euripides heim, das er gleichwol selbst bei längerem leben schwerlich voll ausgenützt haben würde. man legt zunächst überhaupt wenig wert auf das fertigstellen der texte. Porson hat seine arbeit für den Glasgower druck des Aischylos sogar anonym gehalten. mehr als ein par stücke

geben die wenigsten und gerade die vornehmsten kritiker nicht heraus; 15 *

228 Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

manche kommen über einzelbemerkungen kaum hinaus, wie Tyrwhbitt. nur Musgrave, der aber in naher beziehung zu Holland steht und über- haupt nicht zur zunft gehört, macht gesammtausgaben, mit allerdings geringem handschriftlichem materiale und geringem ansatze zur erklärung, ein bastiges ungleiches in vielem dürftiges werk, aber doch auch ab- gesehen von der reichen ernte von gelungenem (bis heute nicht genug anerkanntem) höchst achtungswert durch das was er in seiner zeit allein anstrebte. für die koryphaeen ist ein gereinigter text zwar das ziel, aber der einzelne verzichtet darauf es zu erreichen. was man dafür als notwendig erkannt hat, ist das eine und grofse, die gesetze der sprache und des vers- baus aus den überlieferten texten selbst durch empirische beobachtung zu gewinnen und danach die überlieferung zu reinigen. mit der dichterkritik geht die der classischen prosa hand in hand; doch hat in ihr erst Dobree umfassendes geleistet. immerhin war also attische formenlehre und attische syntax und attische metrik das was man angestrebt und wofür man den grund gelegt hat. die scharfe zeitliche umgrenzung des beobachtungs- gebietes war von vorn herein ein vorzug, nur um so gröfser, als die deutschen gegner ihn nicht zu würdigen verstanden. es gehört nicht viel logik dazu einzusehen, dafs es ein cirkelweg ist die überlieferung nach den gesetzen die man ihr entnimmt zu verbessern, und es ist eben so nahe liegend für die “gesetze’, welche man aufstellte und gemäfs dem englischen nationalcharakter gern als unverbrüchliche nicht ohne pedan- tismus aufrecht zu haltende canones ausgab, eine innere begründung zu fordern und die rechte der individuellen dichterfreiheit wider das starre gesetz zu verteidigen. tatsache ist, dals zwar G. Hermann eine sehr viel tiefere auffassung von der grammatik als wissenschaft zum siege geführt hat, dafs aber seine eigene verteidigung der anomalie nicht besser stand gehalten hat, als es die anomalie immer zu tun pflegt. jetzt, wo die ge- schichtliche grammatik und die urkundlichen zeugnisse des gebrauches in den inschriften als schiedsrichter zwischen Hermanns und Elimsleys regeln stehen, ist im wesentlichen der sieg zu gunsten der Engländer ent- schieden. ohne zweifel mufs es nicht nur für den arbeiter selbst ver- dummend wirken, wenn das kritische geschäft zum zählen des statistikers wird, und dann mechanisch nach dem majoritätsprincip entschieden wird; aber so geht es doch nur, wenn unreife oder geistlose hände treiben was sie lassen sollten. wie hoch ist nicht der berg von makulatur, der durch solche dissertationen “über den sprachgebrauch so und so bei dem und dem’ in Deutschland gehäuft ist. nicht minder zweilellos ist, dafs die ver- teidigung der anomalien durch grammatische düfteleien, wie sie in vielen

Die Engländer. 229

dicken ausgaben namentlich griechischer prosaiker unter dem einflusse von Hermanns lehre geübt worden ist, auch nicht viel mehr als makulatur hervorgebracht hat. es bestätigt sich auch hier, dafs die methode nicht selig macht, sondern dals es begabung und arbeit, das selbsterworbene wissen und die geistige potenz ist, was darüber entscheidet, ob das lebens- fähig ist, was ein. mann in der wissenschaft leistet. was er für die wissen- schaft ist und bleibt, das liegt freilich zuletzt im charakter: denn auch hier zahlen nur gemeine naturen mit dem was sie tun. um so erhebender ist der anblick, wie der zuerst so heftige kampf zwischen den grofsen Engländern und Hermann sammt seinen schülern sich endlich auflöst in die anerkennung gegenseitiger ebenbürtigkeit und ergänzung. aber zum schwersten schaden für die tragikerkritik rifs ein früher tod die be- deutendsten englischen meister fort, und die schule zeigle sofort den ver- fall, indem sie mit famulusgeschäftigkeit jedes gedankenspänchen Porsons conservirte und consecrirte. England tritt von dem schauplatz gänzlich zurück, und erst in der allerneuesten zeit, wo die landschaftlichen unter- schiede sich in eine internationale philologie fast ganz aufgelöst haben, regt sich neues leben, bezeichnender weise in denselben diametral ent- gegengesetzten richtungen wie auf dem continent, sowol radical alles umstürzend, wie reactionär die errungenschaften der meister preisgebend.

Dafs das gebiet welches die englische philologie allein bearbeitete ein sehr enges war, wenn auch zum grolsen teile durch selbstbeschränkung, wird niemand mehr verkennen. die chorlieder fallen so gut wie ganz fort, denn ihre sprache gebt in die atthis nicht auf. für die grammatik der Porsonschen schule waren sie also incommensurabel; man hielt sich in ihr ja auch von Pindar und, hierin hinter Bentley zurückweichend, von Homer fern. die metrik der lieder entzog sich dem empirischen con- statiren des gebrauches, das im dialoge ausreichend war. freilich ist selbst im Homer mit denselben mitteln sehr viel zu erreichen; es ist dieselbe methode, mit welcher Im. Bekker und nach ihm viele bedeutende gelehrte den baun des schlendrians gebrochen haben. für die metrik der chöre findet man ansätze zu solcher observation bei Elmsley und Gaisford (zum Hephaestion); Seidiers buch de versibus dochmiacis beherrscht deshalb die texte heute noch, weil er weit mehr mit den Engländern beobachtet als mit Hermann systematisirt hat. auf diesem gebiele mufs die rechte nachfolge für Porsons vorrede zur Hekabe erst kommen. man wird aber nicht bezweifeln, dafs nach dieser seite die Porsonsche schule entwicke- lungsfähig war. aber naclı einer anderen wichtigeren war sie es nicht. dafs mehr als zu sätzen geordnete attische wörter in den behandelten texten

“τάδ

Brunok.

230 Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

stünden, scheint den grofsen grammatikern gar nicht zum bewulstsein zu kommen. auch nur den gedankenzusammenhang zu erläutern versäumen sie in ihren ausgaben so gut wie durchweg, und es ist bezeichnend dals athetese und umstellung von versen sich in ihrer kritischen rüstkammer nicht vorfinden. dafs es vollends gedichte sind, die sie behandeln, und dafs die dichter menschen sind, für deren offenbarung sie die dolmetscher sein sollten, davon trifft man das bewulstsein noch seltener. das histo- rische gefühl ist äufserst fein, wenn es sich um ein wort oder eine con- struction handelt; weiter reicht es nicht. wer die rede liest, die Porson bei der übernahme seiner professur in Cambridge gehalten hat, wird mit grauen den scharfen kritiker jede hirnlose fabel weitergeben sehen, und wird sich angesichts des trivialsten geredes über die poesie des Euripides und den wert der Hekabe freuen, dafs der grofse sprachmeister über das sprachliche sonst nie hinausgegangen ist. wertvoll ist an der rede nur das geständnis, dafs ihm Euripides der liebste tragiker war, weil in seiner sprache (d. ἢ. im dialog; von den chören ist auch hier keine rede) παξέυα venustas εἰ inaffeclata simplicitas enthalten sei. Porson war ein leidenschaft- licher verehrer Shakespeares: wer den grofsen philologen lieb hat, wird sich gern damit trösten, dafs er also doch für poesie als solche empfäng- lich war: die attischen dichter hat er nur als meister der λέξες angesehen und geschätzt.

Darin waren männer anderer nationen Porson überlegen, so wenig sie den vergleich mit seinem scharfsinn und wissen aushalten mögen. der liebenswürdige Elsässer Philipp Brunck hatte schon das voraus, dafs er nicht von der zunft war, sondern als französischer kriegscommissar in Gielsen von der liebe zur griechischen poesie für den dienst derselben gewonnen wurde. was verschlägt es, dals er niemals die sprachliche sicherheit gewann, und deshalb sich gern an zweifelhafte aber für den gebrauch bequem formulirte canones als autoritäten anschlofs? was ver- schlägt es auch, dafs sein name als vater von conjecturen nicht sehr häufig unter unseren texten steht? ins weite hat er durch seine zahl- reichen ausgaben, unter denen die tragiker allerdings nicht in erster reihe stehn, mehr gewirkt als die esoterische lehre der Engländer. er lieferte dem erstarkenden gefallen an der alten poesie die mittel, schon weil seine sauberen geschmackvoll ausgestatteten bücher vun einem eleganten sohne des 18. jahrhunderts auch für elegante hände bestimmt waren. und ihm war es immer gegenwärtig, dals er poesie behandelte. er liefs sich aber auch angelegen sein, das handschriftliche material zu beschaffen, und was Paris davon bot, hat er erschlossen. so kam der codex 2712 für Sophokles,

Brunck. die Holländer. 281

die mehrzahl der aristophanischen stücke und einige euripideische zu seinem rechte. das war überall ein grofser fortschritt: im Sophokles war es die befreiung von dem triclinischen firnifs.

Das schulhaupt der zünftigen in gelehrtenstolz und gelehrtenbe- schränktheit sich wiegenden holländischen philologie, die seit Tiberius Hemsterhuys nicht ohne Bentleys einwirkung den Hellenismus wieder auf- genommen hatte, Ludwig Caspar Valckenaer war ein ganz anderer mann. von poesie war ihm wenig mehr als ein schimmer des französischen classi- cismus aufgegangen, aber er übertraf an wucht der gelehrsamkeit alle zeitgenossen, und wenn er auch in den commentaren den gelehrten klein- kram auslegte und deshalb dem spotte Porsons verfiel, so war das übel placirte doch meist wirklich wissenswertes und stets selbsterworbenes gut. die beiden berühmten ausgaben von Euripides Phoenissen und Hippolytos haben das verständnis dieser dramen nicht eben stark gefördert, und die conjecturale begabung und auch das stilgefühl Valckenaers war für die poesie nicht stark. aber indem er die scholien der Phoenissen mit heran- zog, wies er auf ein wichtiges lange vernachlässigtes gebiet hin, und für die tragiker selbst hat er dadurch ein dauerndes, vergeblich von G. Hermann bestrittenes, verdienst, dafs er auf die interpolationen des euripideischen textes aufmerksam ward. der misbrauch, Jen das 19. jahrhundert mit diesem kritischen heilmittel getrieben hat und den es als besonderen schandfleck in der zukunft tragen wird, hebt das verdienst Valckenaers nicht auf, die tatsache, dafs der text der attischen dichter von stücken unberufener hand durchsetzt ist, zur anerkennung gebracht zu haben. doch die vornehmste bedeutung, weit über das greifend was er selbst ahnte, hat sein bestreben gewonnen, aus den resten der verlornen dramen und den berichten über ihren inhalt wenigstens ein bild von dem ver- lornen wieder zu gewinnen. hier gieng es der gelehrsamkeit, welche die ganze weite der späteren litteratur durchmafs, endlich auf, dafs in dieser mehr zu finden wäre als ein sentenzchen oder die gegenseitige emendation von original und copie: sie fand den prüfstein der kritik, der das katzen- gold der tragikersprüche überführte, mit denen Juden und Christen für ihre dogmen propaganda gemacht hatten; sie überzeugte sich, dafs die splitter der zertrümmerten kunstwerke im schutte der nachwelt so zahl- reich waren, dafs sie gesammelt und gesäubert für einzelnes wenigstens die restauration ermöglichten. es hat allerdings lange gedauert, bis Valckenaer auf diesem gebiete nachfolge erhielt, und sie kam nicht von streng philologischer seite. in Holland fand seine arbeit für die dichter überhaupt wenig nachfolge. als der grofse gelehrte, der ein jahrhundert

Reiske.

Die goethische zeit.

232 Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

nach ihm schulhaupt ward und als ein neuer Phrynichus die bürste eines unerbittlichen atticismus ergriff und so die texte der echten und der nach- ahmenden attischen prosaiker von den flecken der überlieferung und den spinneweben der beschönigenden commentare befreite, da hatten die attischen komiker einen starken nutzen davon; für die tragiker konnte der natur der sache nach nicht eben viel erreicht werden. ihre sprache läfst sich, auch abgesehen von den chorliedern, die überhaupt unberührt blieben, nicht über einen kamm scheren, und wo das am ehesten zu gehen schien und am meisten versucht ward, im euripideischen dialog, war der erfolg ein sehr mäfsiger, weil Euripides nicht in prosa geschrieben hat, am wenigsten in trivialer. neben oder vielmehr unter dem meister haben andere Holländer die conjecturenmache en gros um so schwungvoller betrieben, als sie die palaeographische routine und das bequeme glauben an dogmen zur beflügelung hatten, und weder die last sachlichen wissens noch die bedenklichkeiten geschichtlicher oder philosophischer betrachtung ihre schritte hemmten.

Auf Deutschland salı Porson mit verachtung herab; er parodirte die alten verse des Demodokos sehr artig also The Germans in Greek are sadly to seek, all, save only Hermann, and Hermann is a German. man konnie es ihm kaum verdenken; nur einen können wir vor Hermann aufweisen, der an sprachkenntnis im ganzen keinem nachstand, an erfind- samkeit Porson und seine schüler alle (aufser Dobree vielleicht) übertraf, und auch in Jen tragikern, bei denen der rastlose wanderer auf seinem zuge durch die ungemessene weite mehrerer litteraturen doch nur kurz verweilt hatte, überraschend viel bleibendes geschaffen hat, obwol ihm nie aufgegangen ist, was ein trimeter ist, und er der sprache manche unmöglichkeiten, vieles unerträgliche zugemutet hat: ein mann, dem die Chariten so wenig wie die Moiren je gelächelt haben, und der doch des geschickes durch eigene sittliche kraft herr ward, und für die edelsten kunstwerke durch seines geistes kraft mehr geleistet hat als die meisten verwöhnten lieblinge der Charis. Johann Jacob Reiske, den die perrücken von Leyden und Leipzig, die geheimderäte von Halle und die hofräte von Göttingen nicht aufkommen liefsen, der aber Lessing zum freunde hatte, steht allein als vertreter des’Hellenismus in Deutschland, in das er so wenig hinein gehörte wie Winckelmann. man hat ihm erst nach dem tode sein recht gegeben. quis hodie non contemnit Dorvillium, Reiskium non almiratur, hat Cobet gesagt.

Reiske hatte selbst so gut wie keine nachfolge; es war ein menschen- alter später, dals Porson seinen widerwillen gegen die deutschen Helle-

Reiske. die goethische zeit. 233

nisten aussprechen konnte. und doch wurzelt die pbhilologie, die heute und in zukunft allein eine existenzberechtigung hat, in dem was Deutsche männer zu Reiskes zeit und in der folgenden generation geschaffen oder begründet haben. Lessing verstand zwar, die wahrheit zu gestehen, recht unvollkommen griechisch (die Lessingphilologen überschätzen es), hatte auch speciell von den tragikern nachweislich nicht viel gelesen, und für ihre besondere gröfse f&hlte ihm aufser dem geschichtlichen verständnis, das niemand erwarten wird, sogar die innere empfindung®); aber selbst von seinem poetischen standpunkte aus, wo die poesie weit mehr als ein werk des witzes erschien denn als werk der phantasie, erfalste er mit wunderbar sicherem trefferblick eine reihe der grundwahrheiten, und vor allem rils er die hindernisse hinweg, die die barocke poetik vor die tragiker und den Aristoteles gestellt hatte. er lehrte die musterbilder der poesie und die regeln der poetik bei den Griechen selbst suchen. Winckelmann ergänzte sein werk; er eröffnete endlich die schwesterkunst der attischen dichtung dem verständnis, und bis auf den heutigen tag gilt es, dafs den Aischylos keiner recht begreift, der nicht für die sculpturwerke der attischen frühzeit ein herz hat, und dafs über diese nur stilistisches ge- fasel redet, wem die verse nicht im eigenen wollaut zu herzen gegangen sind. und Winckelmann gab mehr: er wies zuerst auf die sage als den gemeinsamen born hin, aus dem dichter und künstler getrunken haben; durch sein verdienst erscheinen die kunstwerke nicht mehr als etwas für sich bestehendes und gemachtes, sondern als die gewachsenen blüten am stamme der allgemeinen cultur des volkes. an Winckelmann und Lessing setzte Herder an. er schärfie den blick sowol für das nationale wie auch, und dies mit vorliebe, für das, was allen völkern unter ähnlichen culturbedingungen gemeinsam ist; die poesie erschien nun als eine trotz aller spaltung in mundarten dem menschengeschlecht gemeinsam ver- liehene sprache. seine herzbewegende predigt machte die seelen der

9) Wer das hart geurteilt findet, der sehe im philologischen nachlals an, was Lessing gelesen und was er dabei notirt hat; von den vergleichungen mit Seneca als einer jugendarbeit zu schweigen. Lessing hat freilich ein leben des Sophokles geschrieben, und zwar so wie es kein deutscher philologe damals konnte. aber er gesteht so ziemlich selbst ein, dafs er dazu kam, weil der artikel Sophokles bei Bayle fehlte, und er hat in Bayles art zwar sehr viel über Sophokles zusammengetragen ; der dichter als dichter ist indes in keiner weise zu seiner rechnung gekommen. es war ein ganz unwesentlicher umstand, dafs das object der kritischen polymathie zufällig ein attischer tragiker war. dafs der verfasser des Laokoon genau so zu der bildenden kunst stand wie der verfasser der Dramaturgie zu Aischylos, kann wol als zugestanden gelten.

284 Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

modernen, in der dünnen luft des vernünftigen jahrhunderts blasirt ge- wordenen, menschen wieder naiv und kräftig um die frühlingsstürme, den wüstenbrand, den urwaldbauch vertragen zu können, in denen die jugend- liche menschheit die offenbarungen der naturreligion empfangen haben, aus denen alle und jede poesie erwachsen ist. nun drängten sich scharen begeisterter jünglinge wieder zu dem borne der hellenischen poesie. und einer war unter ihnen, der als jüngling bei dem meister gelernt hatte die irdische brust im morgenrot zu baden, und es als mann vermochte die poesie aus dem geiste und der wahrheit des Hellenentumes wieder- zugebären. jetzt erst wurden die philologen inne, welche schätze sie zu hüten, welches evangelium sie zu verkünden berufen sind. und für alle zeiten steht es fest, dafs die philologie ihre pflicht gegen die hellenischen dichter nur dann erfüllen kann, wenn sie dieselbe in goethischem sinne auffafst.

Es geschalı aber die befreiung des poetischen empfindens und ver- stehens wesentlich durch die wiedererweckung der homerischen poesie, und im drama durch die Shakespeares. die attischen dichter übten daneben eine verhältnismälsig geringe macht direct aus, die wahrheit zu sagen, weil sie zu schwer zu verstehen waren. die genialische art, mit der man sich allenfalls des Homer bemächtigen konnte, versagte gegenüber einem attischen chorliede, und die übersetzungen halfen wenig weiter. Goethe hatte doch in Wetzlar ernsthafter griechisch getrieben als die meisten seines kreises, und hatte an Theokrit und Piudar mehr als genippt (die Goethephilologen unterschätzen das), aber um Götter Helden und Wieland zu schreiben hat er die Alkestis beim pater Brumoy und nicht beim Euri- pides nachgelesen Ὁ). der Iphigenie sieht man es in ihrer italienischen gestalt dann freilich an, dafs die wucht der trimeter der sophokleischen Elektra unmittelbar auf sie gewirkt hat. seine Helena hat den Troerinnen des Euripides nicht nur das eingangsmotiv und manches in den chor- liedern entlehnt, sondern die kunstform der antiken tragödie war ihm damals so selır in der tiefsten bedeutsamkeit und in den äufserlichsten stilkennzeichen lebendig geworden, wie es nur durch die originale möglich

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10) Es macht sich doch etwas possierlich, dafs Goethe von “der königin der toten, der geleiterin zum Orkus’ redet, und diese gar “das unerbittliche schicksal nennt, weil dem Deutschen das männliche geschlecht des Todes die wiedergabe von la mort, cette orgueilleuse reine des ombres erschwert: an ἄναχτα τὸν nelaunenio» νεκρῶν Θάνατον denkt er nicht. Brumoy hat sich selbst darüber ausgesprochen, dafs er la murt gewagt hätte, wo die lateinischen überselzer orcus gesetzt hatten (11 84 der ausgabe von 1730).

Die goethische zeit. Gottfried Hermann. 235

ist. dachte er doch sogar daran, nicht nur den Prometheus, sondern selbst das sprödeste aller antiken dramen, die Hiketiden des Aischylos, durch nachdichtung des anschliefsenden stückes zu ergänzen. aber er vermochte all das wesentlich durch die intuitive kraft der congenialität. dies vorrecht war keinem zweiten gegeben; selbst Schiller ist es niclhıt gelungen mit irgend einer andern hellenischen poesie aufser Homer ein innerliches verhältnis zu gewinnen. es ist eben nicht anders: man konnte in Deutschland kein griechisch.

Griechisch zu können und lehren zu können, die schande von dem deutschen namen zu entfernen, die er noch in Porsons augen mit recht trug, das war die nächste und wichtigste aufgabe der philologie; an ein mehr als an der oberfläche tastendes oder zu allgemeinheiten in un- sicherem fluge sich erhebendes verständnis der tragiker war vorher gar nicht zu denken. dies nächste und notwendigste geleistet zu haben ist Gottfried Hermanns verdienst. er konnte griechisch wie kein deutscher vor ihm, jeder spätere aber durch ihn, er durch eigene kraft aus dem lebendigen verkehre mit den schriftwerken. er lehrte viele generationen hinter einander griechisch, indem er sie wieder in den lebendigen ver- kehr mit den schriftstellern einführte, er übertrug auf sie das charisma seines geistes. das können war’s, was ihn zum grofsen manne machte. gleich unempfänglich für den kribskrabs der imagination wie für den krimskrams der erudition gieng er geraden weges auf das zu, was er wiederholt als das ziel seiner philologie hinstellte, das verständnis des geschriebenen. rücksichtslos schüttelte er alles ab, was ihm diese einfache aufgabe zu stüren schien. mit dem frischen wagemute des reiters, der dem Deutschen das ideal des mannes ist, hielt er sich an die husaren- parole ‘vorwärts’; ἁπλοῦς μῦϑος τῆς ἀληϑείας ἔφυ. darin lag das geheimnis seiner macht; darum kam er wider seine absicht von kampf zu kampf, und blieb zwar nicht immer sieger, aber immer unbesiegt. er strebte nicht nach herrschaft, bescheiden wie er war, wenn auch nicht wie die lumpe bescheiden, aber er herrschte tatsächlich mehr als ein menschenalter, liefs die philologie welche er vertral bei seinem tode hauptlos zurück, und bestimmte speciell in den tragikern ihre geschicke weit über seinen tod hinaus.

Hermanns leben verlief fast ganz an dem ufer der Pleilse, und ver- leugnen kann er nicht, dals er das wasser getrunken hat, von dem Schillers Flüsse unehrerbietiges erzählen. er steht dem sächsischen rationalismus so nahe, dals er für alle offenbarungen Herders und dann der romantik, selbst als diese sich zur geschichtswissenschaft ausbildet, unempfänglich

Gottfried Hermann,

280 Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

ist. dafs er nicht in ihm versunken ist, dankt er der Kantischen philo- sophie. aber dem geschichtlichen betriebe der wissenschaft ward er auch durch diese nur noch mehr entfremdet. dafs ihm die grammatik nicht genügte, welche er vorfand, war natürlich, da er die sprache wirklich beherrschte. nun versuchte er ein neues system zu bauen. wir wohnen noch in den trümmern desselben, aber wir wissen längst, dafs die sprache als ein geschichtlich gewordenes der logischen distinctionen spottet, wissen, dafs Madvigs verdammungsurteil über die bücher de particula ἄν ein ge- rechtes ist, und dafs die wirklich wissenschaftliche behandlung der gram- matik vielmehr mit Ph. Buttmann beginnt. der jammervolle zustand der metrik, bei dem sich noch Valckenaer beruhigte, konnte Hermann ebenso wenig genügen; sein eignes ohr lehrte ihn die rhythmen Pindars und der tragischen lieder. so danken wir ihm, dafs diese als kunstwerke wirklich erst wieder lebendig wurden. aber aus abstracten theoremen über rhythmus und mafs kann niemals die verskunst einer concreten sprache erläutert werden''). so weit wir nicht unsere seele an ebenso abstracte und ungeschichtliche modernere theoreme verkauft haben, leben wir auch in der metrik unter den trümmern des Hermannschen systems: genügen konnte es schon den zeitgenossen nicht. aber wol mufs wieder und wieder hervorgehoben werden, dafs Hermann einmal in seinem leben, in der untersuchung über den Orpheus, zu der geschichtlichen verfolgung einer erscheinung in ihrem werden und ihrem wandel aufgestiegen ist, und dafs er mit dieser jugendarbeit in wahrheit sein höchstes geleistet hat. es ist von Hermanns büchern das einzige das kaum gealtert ist. ganz anders ist der eindruck, den man von den ältesten und zugleich bedeutendsten abhandlungen empfängt, die in den opuscula stehen. wer etwa sich in den strudel der meinungen gewagt hat, der zur zeit über den dialekt der griechischen dichtungen auch einzelne verständige männer fortreifst, der wird mit sehr hohem interesse die abhandlungen lesen,

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11) Wes man sich zu versehen hat, dafür eine probe Zlem. doctr. metr. 516 quis credat non ausos esse Graecos hosce prasolaros numeros admitiere

vuvufi-vuvioutL-

vwrutiuvufuvluvvi-—

quus hklopslockius usurpavit in his versibus

da zu dem angriff bei dem waldstrom das kriegslied

zu der vertilgenden schlacht und dem siege den befehl rief. credant hoc qui ab opinionibus quas semel conceperunt avelli se non patiuntur. ego ila senlio de illius genlis ingenio, nihil μὲ eos in quo venustlalis aliqua aut sublimilatis laus esset inlactum reliquisse putem. der kritische grundsatz, der vor- wurf vorgefafster meinung gegen die gegner solcher schlüsse, die bewunderung der papiernen versschemata: was ist das ärgste?

Gottfried Hermann. 237

welche in wahrheit diese probleme aufgeworfen haben, de Graecae linguae dialectis und de dialecto Pindari; er wird es vielleicht pikant finden, dafs die erstere Heynes funfzigjähriges doctorjubiläum feiert und beginnt Graecae linguae cognitio his temporibus paucorum quidem sed eximiorum hominum studiis eos progressus fecit ut doctrinae loco haberi posse incipiat, und uns doch als eine schrift aus einer epoche der wissenschaft erscheint, auf deren standpunkt wir uns nur durch die stärkste historische abstrac- tion zurückversetzen. der zu selbstständigem denken gereifte mag in diesen schriften noch heute lebenskräftige keime entdecken; im ganzen sind sie wirklich veraltet. von Hermanns mythologie redet man aus pietät nicht. aber keinesweges veraltet, wenn auch leider am wenigsten gelesen, sind Hermanns ausgaben der tragiker, zumal die ältesten, durch welche er rasch den primat auf diesem gebiete errang, so dafs es scheinen könnte, er wäre zu dieser stellung nur deshalb gekommen, weil in der tat kein concurrent da war'”). entstanden sind die ausgaben Euripideischer tra- gödien und auch die des Sophokles, welche neuauflagen der Erfurdtischen sind, aus dem praktischen bedürfnis, für Hermanns vorlesungen texte zu schaffen. es sind also ausgaben wie die Aristarchs: das substrat für das lebendige wort, welches der verfasser sicher war hinzufügen zu können. das gibt für die beschränkung der aufgabe eine zureichende erklärung; aber der leser hat nun wirklich nur einen teil von dem was Hermann gab, und da der kritische apparat für uns wertlos ist, auch nie wertvoll war, einen recht kleinen. es ist in der tat nicht sehr belangreich, ob er seine epikrise einer Elmsleyschen ausgabe in einer recension nieder- legte, wie bei der Medeia, oder in einer ausgabe, wie bei den Bakchen "ἢ.

12) Als der junge Boeckh 1808 sein buch de tragicorum Graecorum princi- pibus ausgab, widmete er es Hermann, obwol er keine persönlichen beziehungen zu ihm hatte, und einen gewissen gegensatz zu ihm um so mehr empfinden mufste, als er litterargeschichtliche fragen behandelte. Hermann aber galt schon als der oberste richter in sachen der tragiker, und hatte doch noch nicht viel über sie ge- schrieben und darunter manches sehr voreilige. Boeckhs buch ist anmutig geschrieben und stellt selbständig interessante probleme. in so fern ist es seiner ganz würdig. aber positiv hat es wenig gefördert und zeigt namentlich verglichen mit den gleich- zeitigen platonischen arbeiten, dafs die poesie kein feld für den grolsen forscher war.

13) Hermann spricht das in der vorrede seiner Bakchen offen aus. sie enthält im übrigen nichts als eine lange untersuchung über die weglassung des augments im trimeter. also kann sich Goethe nicht, wie Jahn meint, auf sie beziehen, wenn er am 19. oct. 1823 an Hermann schreibt (Goethes briefe an Leipziger freunde 3 335) “auch haben wir (er und Riemer) schon diese würdige den poetischen sinn voll- kommen durchdringende vorrede zusammen angefangen”. vorrede wird programm bedeuten und auf das von 1823 de Aeschyli Nioba gehen.

238 Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

als er dann sich an eine ausgabe des Euripides in grofsem stile machte, erschien freilich die erklärung reicher, und die einleitungen giengen aus- führlich auf die poetische würdigung des kunstwerks ein, allein er gestand halb und halb zu, dafs er doch nur erklärte, entweder warum er nicht änderte, oder warum er änderte, mit anderen worten, der zweck der ausgabe blieb die textkritik. wenn die gedichte nicht verdorben wären oder wenigstens dafür gehalten würden, so würde Hermann sie nicht herausgeben. und wie er es mit der χρέσις im antiken sinne hielt, haben die einleitungen besonders deutlich offenbart. was der tragiker tut, ist, dafs er sich einen stoff sucht, geeignet furcht und mitleid zu erregen, und den nach den gesetzen oder dem herkommen seiner kunst behandelt '*). das wird verschieden sein, wenn es Euripides und wenn es Goethe ist, aber sie sind doch ohne weiteres concurrenten. es sind zuweilen sehr lesens- und beherzigenswerte auslassungen, nicht blofs um des mannes willen, der Goethe zu erbauen verstand; aber wer wollte leugnen, dafs schon die damalige geschichtswissenschaft mehr fragen mufste und mehr beantworten konnte?

Die hermannische philologie ist noch durchaus die antike, oder viel- mehr wieder die antike, denn er schliefst sich weder bewufst noch durch tradition an die definition des Dionysios Thrax an. aber er hätte sein eigenes ziel nicht besser bezeichnen können. und wenn diese philologie schon zu den zeiten des Dionysios Thrax oder besser des Aristarch eine beschränkte war, und in ihrem abfalle von der aristotelischen wissenschaft sich der beginnende verfall offenbart, wie viel minder muls dieselbe jetzt genügen, wo sich die philologie vielmehr aus aristarchischer beschränkung zu aristotelischer universalität gehoben hat. aber wie trotz alledem Aristarch in seiner bedeutung unverkleinert dasteht, so wird es mit Hermann bleiben. sie sind keine maestri di color che sanno, aber sie sind meister: man kann sehr leicht sagen was sie nicht sind, aber man genügt sich nicht, will man so oder so versuchen zu sagen, was sie sind, und könnte man’s, dem leser würde es nicht viel helfen. das will selbst erleht

14) Eur. tragoedise ed. G. H. I p. XlI der vorrede zur Hekabe. dort auch die ganze vorrede zur taurischen Iphigeneia nachzulesen. wie triviales dabei heraus- kommen konnte, sehe man in der vorrede zur Helene, haud optima hasc tragoedia est .... quod nec gravis melus in ea nec magna miseratio est, und in den cor- recturen für die führung der dramatischen handlung in der vorrede der Phoenissen. hier wird das gedicht im ganzen an das kreuz der plumpen regel geschlagen, wie das versmals durch die forderung der auf sylbe und sylbenlänge congruenten responsion in den chören.

Gottfried Hermann. Welcker. 239

sein. wenn man sich den kopf wirr gemacht hat, indem man alles ge- lehrte und verkehrte zeug über eine controverse stelle gelesen hat, und dann den echten sprachkenner ohne viel federlesens den nagel auf den kopf treffen sieht; wenn man sich durch irgend einen geistreichen blender hat fangen lassen, und dann mit einem worte, etwa lediglich durch eine übersetzung der textiworte oder der conjectur, die hohlheit als solche blofsgestellt wird; wenn man etwa im Pindar von der schaumschlägerei und geheimniskrämerei der exegeten übelkeit empfindet, und sich durch einen gesunden nüchternen trunk wiederherstellt: dann spürt man den hauch des hermannischen geistes. und so soll denn jeder an ihm lernen wie an Aristarch, lernen trotzdem er weils, dafs er nicht auf ihrem stand- punkt beharren darf, und dafs wer das tut, ganz gewils keinen hauch von ihrem geiste verspürt, geschweige denn empfangen hat.

Wenn man sich vorstellt, dafs jemand in einer kommenden zeit ohne jede kenntnis von den tatsächlichen beziehungen blofs nach dem eindruck, der von der gesammtleistung der grofsen männer bleiben wird, eine vermutung wagen sollte, ob Hermann oder Welcker eine nahe be- ziehung zu Goethe gehabt hätte, der würde wol ohne zaudern Welcker nennen. denn wenn wir Goethe an der hellenischen sage fortdichten sehen, mit der freiheit aber auch mit dem innerlichen verständnis und der congenialität der attischen tragiker, so ist es Welcker gewesen, der das verhältnis bewulster freiheit und unbewulster gebundenheit, in welchem der künstler zu dem volkstümlichen lebendigen stoffe steht (der also mehr als stoff ist), erkennen gelehrt hat. wir sehen denn auch, dafs wol Welcker, aber nicht dafs Hermann für Goethes Pandora das rechte verständnis hat. Goethes Winckelmann stellte den ἥρως xziorng der geschichtlichen alter- tumswissenschaft in seiner überwältigenden gröfse einem geschlechte vor, das seiner zumeist vergafs. Welcker ist es, der mehr als irgend ein anderer die gesammtleistung Winckelmanns fortgesetzt und weitergebildet hat. Goethes Winckelmann ist die erste biographie in hohem stile, welche das wirken des individuums sowol als individuelles wie auch als eines gliedes in der allgemeinen culturentwickelung zur anschauung hringt. Welcker hat es geleistet, manche persönlichkeit, die als individuum schatten- haft bleibt, wiederherzustellen, indem er ihren platz in der gesammt- entwickelung aufzeigte und danach ihre bedeutung schätzen lehrte. die weltanschauung, welche Goethe um die wende des jahrhunderts in sich vollkommen ausgebildet hatte, hat schwerlich jemand so rein aufgelafst wie Wilhelm von Humboldt, und dieser wieder hat Jurch sie Welckers wissenschaftlichem streben die weihe gegeben. man sollte meinen, dafs

Weilcker.

240 Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

schon allein durch die persönlichen beziehungen das in der natur ihres wesens begründete verhältnis zwischen Goethe und Welcker hätte herbei- geführt werden müssen. und doch ist dem nicht so. nur als einen ver- mittler dunkeler speculationen Zoegas hat Goethe Welckern aufgefalst; er ist ihm als ein genosse Creuzers erschienen, und gegen dieses licht, das heute längst erloschen unbegreiflicher weise damals seinen qualm für stralen ausgeben durfte, würde Goethe unwillig die augen geschlossen haben, auch wenn er nicht mit Hermann in erfrischende persönliche berührung getreten wäre.

Das verhältnis Welckers zu Goethe ist aber nicht ein zufälliges, sondern es hat typische bedeutung. Welcker ist bis in die vierziger jahre hinein eine stimme in der wüste geblieben; selbst die ihm näher zu stehen schienen, Boeckh Dissen Ὁ. Müller, zeigen in wahrheit durchaus nicht eine gerechte würdigung. I. G. Droysen ist vielleicht der einzige bedeu- tende mann, der die rechte jünglingsbegeisterung für die aischyleischen offenbarungen gehabt hat. und es ist erst sehr allmählich anders geworden; denn äufserliche huldigungen haben geringen wert. als Nauck seine samm- tung der tragikerbruchstücke machte, konnte er die Welckerschen tragö- dien und ebenso die arbeiten seiner nachfolger, 2. ἢ. O. Jahns, so gut wie unbeachtet lassen: für die exacte wissenschaft durften träume nicht in betracht kommen. wenn dies buch also, das unerreichte muster von gelehrsamkeit und sorgfalt, verfalst von einem manne, der über die schul- gegensätze und die schulbeschränktheit erhaben ist, über das wirken Welckers zur tagesordnung übergeht, so liegt es am tage, dafs die philo- logen im engeren sinne Welcker bei seinen lebzeiten überhaupt nicht gewürdigt haben. eine macht ward er vielmehr erst durch die steigende bedeutung der archaeologie, obwol er in der erklärung des einzelnen und auch in der errichtung grofsartiger gebäude von vermutungen schwerlich mehr finderglück hier wie dort gehabt hat. namentlich die neidlose bewunderung, mit welcher Otto Jahn seinen spuren folgte, hat vielen jüngeren die augen geöffnet, und es kam bald dahin, dafs die phantasie- bauten des epischen cyclus und der griechischen tragödien von sorg- loseren erklärern unbesehen an stelle der verlorenen gedichte verwandt wurden. aber es war etwas besseres als diese trägheit und auch als das mahnwort eines verständnisvollen lehrers, was die archaeologie empfäng- licher machte: der gute geist Winckelmanns lebte in ihr, der ihr den blick für die wechselbeziehung von poesie und bildender kunst mitgegeben und sie von vorn herein zu einer geschichtlichen wissenschaft gebildet hatte, was die betrachtung der poesie erst werden sollte, oder vielmehr

Welcker. der streit um die Eumeniden und seine folgen. 241

noch immer erst werden soll: denn es fehlt noch immer viel, dafs die litteraturgeschichte von Welckers geiste durchleuchtet sei, mag es auch niemand mehr zu bestreiten wagen, dafs er einer der heroen der deutschen philologie ist.

Aber Welcker war ein schlechter grammatiker, und begab sich doch gern auf das gefährliche gebiet. seine sprachkenntnis hat der sicherheit stets entbehrt, und das kann auch die grofsartige belesenheit nicht ändern, in welcher er Hermann unendlich überlegen war und wol nur Lobeck nachstand. und Welcker war und blieb auch in der historischen methode unsicher und gab auch nach dieser seite blöfsen, welche selbst das blöde auge leicht entdeckte, das dem adlerblick nicht zu folgen vermochte, der nun einmal nur aus wolkiger höhe herab richtig sah. so konnte er nirgend mit Hermann zusammengeraten, ohne dafs dieser triumphierte, weil er sich nur an die greifbaren gegenstände hielt. die Prometheus- trilogie hat er dem gegner freilich noch in letzter stunde zugegeben: bezeichnend für die sinnesart der edlen gegner, von denen mit recht gesagt ist, dafs sie nur durch äufsere zufälligkeiten in so erbitterte fehde geführt sind, bezeichnend auch deshalb, weil heute als ausgemacht gelten darf, dafs der erhaltene Prometheus doch ein erstes stück gewesen ist, aber allerdings der fackelträger (denn das ist πυρφόρος), wenn auch als letztes, zu derselben trilogie gehört hat. Welcker hatte zuerst zu wenig, zuletzt zu viel glauben gefunden. was aber mehr wert hat als die äufsere tatsache, das verhältnis der aischyleischen dichtung zur religion und zu der überlieferung welche sie voraussetzt, darin harrt Welcker noch des rechten nachfolgers; Hermann konnte seinen gedanken üherhaupt nicht folgen.

Die bedauerliche schärfe erhielt der gegensatz zwischen Hermann Der strelt und Welcker durch den gleichzeitigen streit Hermanns mit Boeckh und Fumenlden O. Müller, welcher zwar unvermeidlich und für das wol der wissenschaft folgen. notwendig war, aber von allen seiten mit unberechtigter φελονεκέα, von Hermann und Müller nicht ohne geAovsixsıa, von den trabanten mit stumpfen und gar mit vergifteten waffen geführt ward. notwendig war die auseinandersetzung zwischen Hermanns aristarchischer grammatik und der philologie, welche Boeckh im sinne von Aristoteles und Scaliger als der rechte mann betrieb, den rahmen zu füllen, den F. A. Wolf auf- gespannt, aber selbst leer gelassen hatte. und notwendigerweise mulste die wissenschaft über die τέχνη siegen. die inschriften sind hier das wichtigste streitobject. dafs Hermann in vielen einzelnheiten begründete ausstellungen machte, wissen wir und soll unvergessen sein; den wesent-

lichen fehler, die vernachlässigung der recensio, hat er nicht gerügt. jetzt v. Wilamowliz I. 16

242 Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

ist das alles erledigt und längst gras darüber gewachsen. notwendig war es aber auch, dafs auf Hermanns eigenstem gebiete, der dichtererklärung, mehr erstrebt und geleistet würde, als er es tat. es war bezeichnend, dafs selbst von seinen namhaften schülern nur Seidler in seinen trefflichen Euripidesausgaben genau in die spuren Hermanns trat. Lobeck machte den commentar zum Aias zu einem stapelplatz für die reichste und erlesenste grammatische gelehrsamkeit, doch wieder etwas in die holländische weise einlenkend, so dafs der gegenstand der erklärung ihm und dem leser gänzlich aus den augen kommt, das gedicht als solches überhaupt ver- gessen ist. ein anderer schüler, der sich freilich früh emancipirte, Reisig, empfand das bedürfnis einer wirklich in den gegenstand eindringenden erklärung, kündigte nicht ohne ruhmredigkeit eine neue art commentar zum Oedipus auf Kolonos an, und gab eine enarratio, die sich zuweilen in lateinische und deutsche nachdichtung verlor. aber diese verse waren schlecht, und die leistung im ganzen gering; wie denn auch die metrischen und sprachlichen finessen, welche Reisig in den attischen dichtern aufzu- zeigen versucht hat, ziemlich unfruchtbar geblieben sind. in helle fammen schlug der kampf um die rechte tragikererklärung erst auf, als O. Müller die Eumeniden griechisch und deutsch erscheinen liels (Göttingen 1833) und in der vorrede unverblümt zu verstehen gab, dals dies etwas höheres sein sollte, und dafs ihm Hermann das verständnis von gedankenzusammen- hang und plan irgend eines werkes der alten poesie nicht zu besitzen scheine. das hiels den handschuh hinwerfen, und dafs Hermann keinen liegen liefs, wufste Müller sehr gut. Hermanns verurteilung des Dissenschen Pindar hatte ihn besonders gereizt, weil Dissen sein wolwollender kränk- licher furchtsamer lobesbedürfiiger und verwöhnter college war, aber den drang zu einer solchen auseinandersetzung trug er längst im herzen. er wolite den krieg, er erhielt ihn, aber er ist nicht sieger geblieben. ein halbes jahrhundert ist seitdem vergangen; es ist an der zeit, nicht zu gericht zu sitzen, aber wol das verdict zu formuliren, welches ἄχων σεαγχρατὴς χρόνος gelällt hat. O. Müller verfocht eine gute sache, denn die wissenschaft kann sich nicht genügen lassen an dem was Hermanns dichtererklärung leistete. er hat auch in den Eumeniden viel schönes vorgetragen, was Hermann offenbar nicht zu verstehen wufste; was hier über blutrache blutsühne blutrecht vorgetragen ist, ist ein grund- pfeiler geworden für das gebäude hellenischen rechtes und hellenischer religion, an dem nur wenige fortgebaut haben, niemand glücklicher. aber dazu brauchte er die Eumeniden nicht herauszugeben, und das hätte er lassen sollen, einfach weil er es nicht konnte. sein text, seine über-

Der streit um die Eumeniden und seine folgen. 243

setzung, seine kritischen bemerkungen lieferten Hermann den deutlichen beweis, dafs die gegnerische schule das nicht besals, was er mit recht als die vorbedingung jedes verständnisses ansah, die herrschaft über die sprache und das versmals. und der stimmstein der Athena lieferte den beweis, dals denn doch wichtige fälle eintraten, wo das verständnis des gedankenzusammenhanges und planes bei dem war, der angeblich über notengelehrsamkeit nicht hinauskam. das schlimmste aber war, dals O. Müller das buch nicht blofs deshalb geschrieben hatte, weil es die Muse ihm eingab, sondern mit einer persönlichen polemischen tendenz; es konnte nicht ausbleiben, dafs so die böse Eris auch über den gegner macht erhielt: wer die reihe der streitschriften mustert, wird mit be- dauern erkennen, wie viel ungerechtes und unverantwortliches von beiden teilen vorgebracht ist.

Der fluch dieses streites lastet bis auf den heutigen tag auf der tragikererklärung; nicht wegen jener persönlichen bitterkeiten, denn die haften kaum noch an den personen, sondern weil der ausgang die not- wendige entwickelung der wissenschaft störte. der versuch, die tragiker- erklärung über einen wissenschaftlich nicht mehr berechtigten standpunkt zu erheben, war gescheitert. sie blieb also zunächst in dem alten geleise. das bedürfnis der erklärung machte sich zwar für die schule und die anfänger immer wieder fühlbar, aber die versuche die gemacht wurden galten doch nur als etwas untergeordnetes, und zumeist waren sie 68 auch. so insbesondere die erklärende ausgabe des Sophokles, welche Schneidewin in den funfziger jahren versuchte, ein überaus viel gelesenes buch, das in den händen von A. Nauck freilich einen hervorragenden kritischen wert erhielt, ohne dafs doch die grundlage verrückt wäre, und Schneidewin verdient zwar hohes lob für das was er gewollt hat, aber auch nur für den willen. für die erklärung des Aischylos ward nur untergeordnetes geleistet; von Euripides gab H. Weil zwar zu 7 tragödien einen geschmackvollen commentar, aber er beschränkte sich selbst durch die rücksichten der schule, so anmutig sein buch auch ist. und ungestraft dürfen sich leute auf den plan wagen, deren erklärung zeigt, dafs sie auch nicht 30 verse hinter einander zu verstehen im stande sind: so die meisten ausgaben, die jetzt auf den markt kommen '®).

15) Für den Herakles speciell ist nach der Hermannschen ausgabe, die eine gehaltvolle recension von Elmsley erfuhr, ein versuch einer freilich ausschliefslich grammatischen erklärung von Pflugk gemacht (1841), in welcher jedoch auch das sprachliche viel zu wünschen übrig läfst. die neubearbeitung dieser ausgabe ist flüchtige fabrikarbeit, billig und schlecht, hier und da ein zusatz textkritischer art,

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244 Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

Hermann selbst hat wider seinen willen stark zu dem einreilsen völliger zuchtlossigkeit beigetragen. wie so viele grofse kritiker, Bentley an der spitze, ward er im alter immer gewaltsamer. auch ihm erschienen immer mehr metrische gesetze, die er in wahrheit selbst gab, für die dichter verbindlich; immer stärkere anomalieen mutete er der sprache zu. es ist nur menschlich, dafs die form, welche sich der einzelne nach jahre- langem sinnen subjectiv als befriedigend festgestellt hat, ihm allmählich als objectiv wahr erscheint. die wissenschaft hat zeit, aber der mensch nicht, und wem die probleme ein langes leben am herzen liegen, der mag nicht von den ungelösten scheiden. im gefühle seiner eigenen bedeutung wirft er dann das persönliche meinen in die wagschale, und die liebenswürdige pietät für das lebenswerk eines grofsen mannes läfst die rein sachliche schätzung zurücktreten. als nach Hermanns tode sein Aischylos ans licht trat, hatte er freilich für jeden rechten philologen einen unschätzbaren wert; hat ihn doch Welcker nicht ohne tränen in die hand genommen; aber das ist ein pretium affectionis. in wahrheit besteht Hermanns gröfse trotz diesem, nicht durch dieses buch. es ist nicht wahr, dafs er etwa eine kühne restitution οἷον ἄν γένοιτο gegeben hätte, denn sehr vieles was da steht, hat weder Aischylos noch überhaupt ein Athener sagen können. kommt es doch in folge der ungenügenden diplomatischen kritik sogar vor, dals Triclinius statt der überlieferung als ausgangspunkt genommen wird. die metrische gestaltung wird fast nie begründet, oder es stehen doch machtsprüche statt der gründe; häufig ist die responsion sylbe für sylbe willkürlich erzwungen; nichts als spielerische willkür ist die verteilung der chorpartieen unter die personen, und der procentsatz der gelungenen conjecturen ist keinesweges ein günstiger. kaum minder verderblich ist die grofse zahl ganz unglaublicher härten, welche die erklärung dem dichter und leser zumutet. so steht es. und der erfolg ist nicht aus- geblieben, dals die masse sich auf die unglücklichen texte stürzte und sie zerrifs und zerfleischte, weil man allerdings nicht Hermann zu sein braucht um so mit einem gedichte umzugehen.

Irrwege und Von dem menschenalter, welches auf G. Hermanns tod folgte, ist es schwer anders als mit dem zorne zu reden, der M. Haupt sein köst- liches Elektraprogramm (op. 11 286) eingab. in der sintflut von conjec- turen drohten in der tat die tragikertexte völlig zu ertrinken. wenn man sich das treiben ansieht, seine vielgeschäftigkeit, seine selbstgefällig-

darunter vereinzeltes richtige, was offen am wege lag. zu einer wirklichen erklärung dieses wie einer ganzen reihe von dramen ist bisher auch noch nicht einmal der grund gelegt.

Irrwege und irrwische. 245

keit und seine erfolglosigkeit, so kann man ein grauen nicht verwinden, und man begreift, dafs diese manier die philologie in allgemeinen miscredit gebracht hat. wenn diese conjecturerei ihr ziel wäre, so mülste man keinen tag säumen, zu einem ehrlichen handwerke über- zugehen. die tragikertexte sind mafslos verdorben, das war die praemisse, die man als axiom hinnahm ; beweisen konnte man sie freilich damit, dafs man die tragiker tatsächlich nicht zu verstehen vermochte. vor diesem greuel der verderbnis schwand der wert der recensio: das war ja die tücke der überlieferung, dafs sie so einheitlich war, das hiefs, in dem notorisch falschen übereinstimmte. also giengs frisch mit kühnem sprunge zur emendatio: zu der aber war jeder knabe berufen, und bald war es guter ton, mindestens in den thesen der doctordissertation eine oder die andere tragikerstelle zu heilen. und war es mit dem heilen auch meist nichts, so blieb doch das bewulstsein, eine verderbnis entdeckt zu haben. denn wo nur erst einer anstofs genommen hatte, da kam der zweite, sah dafs des vordermannes einfall windig war, mulste also einen eignen an seine stelle setzen, und dann kam der dritte, und so fort ohne grazie in infinitum. und da errichteten die zeitschriften für die kurzdärmige vielgeschäftigkeit ihre bedürfnisanstalten, und da kamen die recensionen, die den wert der ausgaben nach der zahl der conjecturen bemafsen, und das verkehrte wenigstens anregend, das meinen ins blaue geistreich fanden, und die jahresberichte, welche die conjecturen auszogen, so dals man die bücher nicht mehr zu lesen brauchte. denn die conjectur war selbst- zweck geworden. und wie fein war es bestellt, dafs nun jeder sich selbst wahren konnte, oder doch durch die cumpane gewahrt wulste, was an der conjectur das köstlichste ist, die priorität. denn es bildete sich zwar in Holland der comment, du brauchst überhaupt nichts zu kennen noch zu wissen, was deiner conjectur oder ihrer veröffentlichung bhinderlich ist, in Deutschland aber der, du brauchst zwar den schriftsteller, in dem du conjieirst, nicht gelesen zu haben, geschweige denn andere, kannst dir auch die belegstellen, die grammatischen und metrischen regeln und beobachtungen, überhaupt jedes wissen, dessen du bedarfst (viel wird es ja nicht sein) ohne wort und ohne dank hernehmen, wo du es findest: aber darum hast du dich zu kümmern, ob nicht compare so und so dir in der conjectur zuvorgekommen ist, sonst befährst du den vorwurf des diebstahls. in seiner ganzen strenge wandten das freilich nur einzelne aus- erlesene an, die in bibliotheken die staubigsten scharteken durchsuchten, von stolz geschwellt, wenn sie einem Porson eine priorität rauben konnten. im ganzen galt der comment wesentlich für die lebenden. denn die

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befriedigung der eignen eitelkeit, die betätigung des eignen scharfsinus, wenns hoch kommt, der triumph der methode, das ist doch der zweck des kritischen bestrebens. der dichter ist längst ein stiller mann und hat seinen rubm: aber das moderne menschlein will den seinen erst haben, und wahrhaftig, gönnen kann man ihm das licht, das räumlich und zeit- lich eine conjectur ausstrahlt. freilich sollte sie dazu eigentlich richtig sein. aber ob sie das ist, wer weils es? die wahrheit überhaupt was ist wahrheit? wenn die echte doch nicht erreichbar ist, nimmt man die provisorische. ja wol, σὺ der entsetzlichsten ussittlichkeit führt dieses getriebe in seiner letzten consequenz. unzweifelhaft waren davon die meisten weit entfernt, die sich am Sophokles vergiengen, harmlose knaben, μειφρακύλλια φροῦδα ϑᾶττον ἣν μόνον χορὸν λάβῃ, ἅπαξ προ- σουρήσαντα τῇ τραγῳδέᾳ. und im grunde war es auch noch harmlos, wenn ab und an ein grauer knabe die regenwürmer, die er in einem langen leben gefunden, in tönnlein sammelte und als schätze auf den markt brachte, den meisten kam im ernste des lebens die ernüchterung ; freilich übertrugen sie dann den ekel an dem eitelen spiele zumeist auf die wissenschaft, der so ihre arbeit verloren gieng. aber es fehlt nicht an beispielen dafür, dafs soiche, die wol die fähigkeit gehabt hätten, nütz- liches zu wirken, erst den charakter und dann das talent eingebülst haben. und ein solcher kann unendlichen unsegen stiften.

Dafs die gegenwart fruchtbarer wäre, ist kaum zu behaupten; aber wol darf man das hitzige fieber der änderungswut als überwunden an- sehen. die mode hat gewechselt; die überfülle selbst hat ekel erzeugt. als die ausgabe von Sophokles Elektra, welche Haupt zu seinem zorn- ausbruche veranlassung gegeben hatte, in dritter auflage erschien, war es praktisch undurchführbar, alle conjecturen unter dem texte unter- zubringen; sie wurden in einen anbang gesperrt, und man vermilst nur die motivirung des herausgebers ab ipso libelli possessore, si offendant, ut rescindantur, wie Schmeller sagte, als er die anstölsigen stellen der Car- mina Burana auf dem letzten blatte abgesondert druckte. so harmlos sind die Sophoklesconjecturen nicht, aber sie sind nun im Orcus, und in den steigt nicht so leicht einer hinab. wer einen text fertig stellt, der wird noch eine weile sich umtun, ob er für die abweichungen von der überlieferung, die er nötig findet, einen fremden namen nennen soll, und er wird das geroa tun, auch wenn er die verderbnis aus eigener kraft erkannt und gehoben hat‘®); er wird aber auch nicht vergessen,

16) Ich habe, als ich meine ausgabe des Agamemnon für den druck fertig stellte, an 30-40 stellen eine eigene conjectur an einen andern namen abgetreten;

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dals er Jie verantwortung für den ganzen text trägt, mag er von der überlieferung abweichen oder nicht, und dafs es nur eine mode ist, dafs wir in einer textausgabe die urheber der einzelnen gedanken nennen, wenn sie eine abweichung vom überlieferten einschliefsen, während wir die verteidiger und retter der überlieferung verschweigen und z.b. eine dar- stellung staatsrechtlicher oder geschichtlicher oder grammatischer art rein sachlich halten. über kurz oder lang wird sich auch manches ändern; mancher name wird bald ein leerer schall sein, und vielleicht ist der tag nicht so fern, wo wir alle, grofse und geringe kritiker, unter einem collectivnamen zusammengefalst werden, wie die Itali in der kritik latei- nischer dichter. denn wir sind dazu da, das gedächtnis der grofsen dichter lebendig zu erhalten, nicht das unserer collegen noch das eigene.

Das conjecturenmachen ist also aus der mode gekommen, und so viel feines und wahres die führenden männer auch gesagt haben, die diesen umschwung inaugurirt haben, so darf man doch mehr als ihrer lehre dem zuge der zeit diesen erfolg zuschreiben, um so mehr als sich sofort die entgegengesetzte gefahr gezeigt hat, das kalte fieber der reac- tionären verteidigung des überlieferten, weil es nun einmal überliefert ist oder scheint. diese gefahr ist jetzt die dringendere und wird es noch mehr werden; schon kann ein aufmerksamer beobachter merken wie die führer, d. ἢ. in wahrheit die sclaven der “öffentlichen meinung” sich anschicken, farbe und gesinnung zu wechseln, und die moderne rhythmik verwendet ihre kautschukparagraphen schon zur rettung metri- scher ungeheuer. auf dem spiele steht nicht weniger als der ganze gewinn der Porson-Hermannschen periode, sowol auf metrischem wie auf sprachlichem gebiete: wenn xairoıys dem fünften jahrhundert zu- getraut wird, wenn dem Euripides unterstellt wird optativ und con- Junctiv in demselben finalsatz gebraucht zu haben, und dem Sophokles vollends δρόμων δεαύλων πεγταεϑλ᾽ νομέζεται als iambischen tri- meter ausgegeben zu haben, so muls man darauf gefafst sein, für die berechtigung der analogie und der conjectur fechten zu müssen. das liegt vollends im wesen jeder reaction, dafs sie als solche nur in der negative heilsam wirken kann: neues leben schafft sie nicht, neue ge- danken liefert sie nicht, und deren bedarf die tragikerkritik. schon vor

darunter manche, die mir gehört haben würden, wenn ich es mit der veröffentlichung eiliger gehabt hätte. das gehörte sich so. an 2 oder 3 stellen habe ich einen vor- gänger nicht gekannt, und das ist mir zum verbrechen gerechnet. das gehörte sich auch 80.

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25 jahren vermochte Haupt wol den bannstrahl wider die verkehrtheiten zu schleudern, aber neue ziele wulste er nicht zu zeigen. und worin zeigte sich die unfruchtbarkeit einer periode deutlicher, als wenn die, welche die fahne vorantragen sollten, nur abkehr und umkehr predigen. dann sind die andern persönlich entschuldigt, welche einem rufe auch auf abwege folgen, der sie zu neuen herrlichen zielen zu weisen verspricht. und solche rufe wurden und werden freilich zahlreich erhoben, mag auch der glaube den sie finden minder vertrauensselig geworden sein.

Jene zeit des schrankenlosen subjectivismus und der zertrümmerung, ja zerfaserung der überlieferten kunstwerke zeigt gleichzeitig einen fast mystischen zug zum abstracten construiren und eine überraschende leicht- gläubigkeit gegen die hirngespinnste der mitlebenden. nichts altes respec- tirte diese im vollgefühle moderner überlegenheit stolzirende kühnheit: und doch war sie geschäftig, gesetze zu entdecken und der überlieferung aufzuzwingen. eine tausendjährige tradition wog ihr federleicht vor dem gesetze von ehegestern. es galt das weit über die kreise der tragikerkritik, ja der kritik überhaupt hinaus. man erinnere sich, dafs ein tektonisches system fast in allen für griechische baukunst empfänglichen kreisen die herrschaft errang, welches jedes geschichtliche begreifen vor der construction a priori zurücktreten liefs und die kühnheit so wenig wie unsere interpolationssucher entbehrte, die tatsachen der überlieferung, z. b. die entasis des Parthenonstylobates, lediglich durch den modernen willen zu beseitigen. wir haben die auguraldisciplin wieder aufleben sehen und den himmel in quartiere teilen, auch den griechischen, und die tempel nach den geburtstagen der götter orientiren sehen die ohne oder auch wider die überlieferung gefunden wurden. auf dem gebiete der grammatik steht der kampf zwischen geschichtlicher betrach- tung, dumpfen traditionsglauben und neuen täglich wechselnden aus- nahmslosen gesetzen noch in voller hitze. eine neue metrik oder, was vornehmer klingt, rhythmik ist ersonnen, aufgebaut auf angeblich ewige d. ἢ. moderne musicalische principien, angehängt an einen geduldigen namen von altberühmtem klange, ausgestattet mit einer volltönenden fremd- artigen terminologie und dem anspruche auf ein tieferes kunstverständnis ; die concrete aufgabe der textgestaltung war so hohen strebungen zu untergeordnet, und die neue weisheit allerdings vage genug, sich mit den auf ganz andern principien aufgebauten texten Hermannischer zeit leidlich zu vertragen. wieder ein anderer berühmter name, aus altersgrauer ver- gangenheit, ist aufgegriffen, zum träger eines systems gemacht, welches in überraschender weise den schlüssel zu der composition elegischer

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Iyrischer tragischer gedichte geben soll. es ist in wahrheit ein ärmliches schema (ἃ mit geringen variationen), und dichter, die sich diesem joche gefügt hätten, würden kaum den namen verdienen, aber: es liefert ein so treffliches surrogat des individuellen verständnisses, dafs immer neue bekenner der poetischen chrie aufstehen. die symmetrie, welche in den erzeugnissen namentlich der archaischen kunst vor aller augen lag, ist nicht nur mit feinem sinne verfolgt, sondern hat anstofs gegeben zu einer reihe von entdeckungen auf verschiedenen gebieten, welche sie auf eine concrete formel bringen wollen; dazu schickt sich am bequemsten die rohe sinnfällige arithmetische, und so entsteht die lehre von der herrschaft der zahl. da geht es an ein dividiren von epen und dramen, ΔΒ ein auflösen der einzelnen scene oder auch der einzelnen elegie in ein rechenexempel, es entpuppen die 5 und die 7, die 13 und die 28 sich als die verborgenen tyrannen, deren ketten Hesiod und Aischylos, Xenophanes und Tbeokritos getragen haben, und die prosaiker erweisen wenigstens in den buchzahlen der tetraktys oder pentas ihre hochachtung. auch aesthetische malsstäbe sind ausgeklügelt und a priori ist festgestellt, was von einem dichter zu fordern wäre. da fand der eine gesetze für die prologe, der andere für die stichomythie, der dritte für die schlüsse der dramen, und alle schnitten unbarmherzig das widerstrebende fort. einer sprach es ganz unbefangen aus, dafs einem grofsen dichter nur das beste zugetraut werden dürfe, wenn man also etwas besseres fände als das überlieferte, dieses bessere für echt zu gelten hätte so lange, natürlich, bis ein noch besseres sich findet. und da zankten sich denn die verbesserungen um den unschuldigen vers, wie die alten vetteln in den Ekklesiazusen um den jüngling. vor allem aber führte die logik ihre mörderische schere. alles entbehrliche ist überflüssig , alles über- flüssige störend, alles störende unecht. und so viel man im einzelnen abwich: die harmonie war ungestört, dafs eine greuliche bande von interpolatoren gewütet hätte, und die aussonderung der unechten verse, mochten nun schauspieler oder grammatiker oder leser für sie verantwort- lich gemacht werden, war nicht nur des conjectors bequemstes mittelchen, sondern ward ordentlich in ein system gebracht.

Es würde nun eine grofse unbilligkeit sein, wollte man bestreiten, dals auf diese weitumfassenden theoreme eine bedeutende kraft von scharf- sinn und arbeitsenergie verwandt ist, und die summe von begeisterung in liebe und glauben, die an sie vergeudet ist, nötigt auch dem wider- strebenden nicht blofs achtung sondern wirkliche teilnahme ab. gewils, auch das verkehrteste streben nach einem tieferen verständnisse des kunst-

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werks ist mehr wert als das ideenlose herumklauben an tausend einzel- heiten und die kleinmeisterei kaltsinniger logik an den erzeugnissen der phantasie.

Aber es sind und bleiben doch verirrungen, und weil sie es sind, können sie nicht dauern. der principielle widerspruch, der nicht aus- geblieben ist, konnte ihnen wenig anhaben, denn alle diese erhabenen dinge existiren ja durch petitio principii. aber deshalb leiden sie schiff- bruch, sobald sie praktisch angewandt werden. die gedanken die im kopfe leicht bei einander wohnen, stolsen hart an, so bald sie einen körper gewinnen wollen. der gläubige wird freilich nicht irre, wenn die tatsachen mit den postulaten seiner lehre sich nicht vertragen, seiner erfindsamkeit wird eine ausrede nimmer fehlen 17); aber der glaube ver- breitet sich doch nicht weiter und erlischt allmählich. die vereinigung von schrankenlosem zweifel an dem überlieferten und schrankenlosem glauben an die moderne theorie, wurzelnd in einer abkehr von dem con- creten und einem sehnen nach dem absoluten, ist eben ein charakteris- tischer zug für die geistige stimmung der generation die hinter uns liegt. die nächstlebende ist anders disponirt, sie ist für diese krankheiten nicht empfänglich, darum aber auch am wenigsten im stande, gerecht und abschlielsend über jene zu urteilen. wes geistige entwickelungsperiode 1866 einschliefst, der kann sich ja auch nicht vorstellen, dals die männer, zu denen er dankbar aufschaut, Gutzkow überhaupt haben lesen können, Freiligrath ohne lachen, Börne ohne ekel auf die dauer lesen, Buckle für einen grolsen geschichtsphilosophen, Kaulbach für einen grolsen maler haben halten können. wir Läuschen uns hoffentlich nicht darüber, dafs wir der kommenden generation ähnliche rätsel aufgeben werden. aber überwunden ist jene fülle von theoremen so gut wie die conjecturale änderungswut. mag noch das eine oder audere nachgeboren werden, mögen gewisse kreise sich darin gefallen, die gedichte des Pindaros Aristophanes Kallimachos zu schematisiren statt zu verstehen: es sind anachronismen.

A. Nauck.’ Ziehen wir nun das facit, so fällt das freilich traurig aus. der positive ertrag der tragikerstudien ist ein geringer nicht blofs im verhältnis zu der aufgewandten arbeit. ganz fehlt es nicht daran. was vereinzelt dem oder jenem gelungen ist, fällt freilich nicht ins gewicht: aber allerdings

17) Ein beispiel: die zahlenspielerei glaubte Heimsöth ad absurdum zu führen, indem er zeigte, dafs man am Wallenstein ebenso gut spielen könnte. der glaube bringt es fertig, dies als beweis zu verwenden, indem die zahl auch Schiller beherrscht habe, wenn auch ohne dals er sich dessen bewulst gewesen wäre.

A. Nauck. recensio. 251

hat diese decennien hindurch der kritiker wie die meisten griechischen texte so ganz besonders die der tragiker behandelt, welchem heute kein billig denkender den ersten platz als kenner des griechischen ver- sagen sollte: August Nauck. im gegensatze zu Hermann durchaus ana- logetiker hat er die lehren der Engländer in Deutschland erst recht zur anerkennung gebracht und selbst in ihrem sinne weitergearbeitet. seine sammlung der tragischen bruchstücke ist das unerreichte muster einer fragmentsammlung: der keim, den Valckenaer gelegt, ist zu einem stattlichen baume ausgewachsen. durch seine emendatorische tätig- keit endlich hat Nauck unter den Euripideskritikern einen platz in der ersten reihe, unter denen des Sophokles überhaupt den ersten errungen, wenn man nur das gelungene zählt. dafs er daneben seiner zeit den tribut gezahlt hat, eine unübersehbare masse nicht blofs des überflüssigen, sondern des wildwillkürlichen, leider auch recht oft des trivialen und selbst des inepten bervorzubringen oder doch zu billigen, das darf die schätzung des wertvollen nicht herabstimmen, wenn es auch nur gerecht war, dafs der kampf wider die ausschreitungen der kritik sich ihn zum ziele nahm, und wenn es auch mindestens verzeihlich ist, dals mancher der besten gerade gegen Nauck selbst ungerecht geworden ist, zumal sein vorbild nach der schlimmen seite auch deshalb besonders ver- wirrend wirken mulste, weil auf ihn die ganze richtung der philologie, die von Welcker und O. Müller ausgeht, wenig gewirkt hat.

Naucks den zeitgenossen überlegene stellung kann man schon daran Recensio. ermessen, dals er fast allein sich von den modeirrtümern so gut wie frei gehalten hat, welche in betreff der textquellen der tragiker um sich griffen. Hermann gegenüber war es ein fortschritt, dafs man überhaupt die recensio ernst nahm, allein eigentlich ohne beweis, lediglich durch macht- sprüche bedeutender oder doch tonangebender männer, brach sich nun der glaube bahn, dafs Aischylos und Sophokles einzig im Laurentianus 32,9 überliefert wären. im Aristophanes hielt sich selbst Meineke nicht von einseitiger bevorzugung des Ravennas frei. für Euripides war seit Elmsley nichts gescheben. da war es dena eine rechte leistung in Lachmanns sinne und seiner auch in jeder beziehung würdig, als Adolf Kirchhoff zuerst 1852 in den specialausgaben der Medea und der Troades aus dem chaos ungeordneter varianten die wirklichen träger der überlieferung herausfanud; seine grolse ausgabe führte dann mit reicherem aber leider doch noch sehr unvollständigem materiale dieselben grundsätze durch und verwarf mit entschiedenster consequenz die seit der Aldina vor- herrschende s. g. zweite classe. das war wirkliche methode, die schon

252 Wege und ziele der modernen tragikerkritik,

durch ihre unerbittliche energie imponirte; ganz abgesehen davon, dafs auch der emendatorische gewinn wol grölser ist, als Kirchhoff ihn in seiner kleinen ausgabe (1868) selbst geschätzt hat. unzweifelhaft war es aber sebr wenig in Kirchhoffs sinne, wenn man sich nicht nur bei seinem urteil über den wert der handschriften beruhigte (nur dafs eben Nauck sich einen freieren blick bewahrte), sondern auch fast 20 jahre vergiengen, bis dazu hand angelegt ward, die von ihm selbst bezeichneten lücken der handschriftenvergleichung auszufüllen, wobei dann freilich seine sonderung der classen und die schätzung ihres wertes stark berichtigt werden mulste. nun ist es zwar begreiflich, dafs die zeit, welche vor des eigenen geistes kraft der überlieferung überhaupt so wenig wert beimals, mit solchen untergeordneten dingen wie sie zur recensio gehören sich nicht viel be- mengen mochte. aber das erklärt nicht ganz die hingabe an jede doctrin, welche die überlieferungsgeschichte vereinfachte. auch das wird nur im zusammenhange mit dem ganzen streben der zeit verständlich.

Wir sehen in der beurieilung der recensio griechischer texte erst jahrhunderte lang die herausgeber lediglich dem zufalle gehorchen, der ihnen diese oder jene quellen der überlieferung zuführt. es folgt durch l. Bekker und seine mitstrebenden die fundamentirung auf grund der möglichst erschöpften summe aller erhaltenen handschriften; die auswahl bestimmte der kritische takt des bearbeiters. notwendig mufste man dafür nach strengen beweisbaren normen suchen. dabei zeigte sich das über- gewicht einzelner besonders ausgezeichneter handschriften, und zuweilen gelang der nachweis, dafs die scheinbare fülle trug war, in wahrheit nur eine handschrift existirte. Sauppes epistula critica, in welcher das für Lysias erwiesen ward, mulste den wetteifer reizen, ob nicht ein ähnlicher fund hie oder da gelingen könnte. später stellte Cobet in seinen frischesten und beutereichsten feldzügen die ganze nichtsnutzigkeit des schreibfehler und sprachfehler häufenden byzantinischen schreibertums der letzten jahr- hunderte an den pranger, so dals die gefährliche, weil so gar bequeme, neigung nur um so stärker wurde, z. b. im Platon lediglich Regius und Clarkianus, im Isokrates lediglich I’, im Demosthenes 3 zu berücksichtigen. fast überall kam es dazu, dafs man nur eine quelle der überlieferung gelten lies, wenn auch mehrfach erbitterter streit um die auswahl ge- führt ward. es würde sehr erfreulich sein, wenn das geschäft der recensio wirklich so einfach wäre. aber von tag zu tag zeigt sich mehr, dafs es in den meisten fällen unerlaubt ist, sich in solcher sicherheit zu wiegen. die resignation ist geboten, dafs wir auf eine eklektische kritik angewiesen sind, wie in den scenikern, so im Herodot und Thukydides, Demosthenes

Recensio. die wahren aufgaben. 253

und Aischines, Xenophon und Aristoteles (physik, leider selbst rhetorik), eigentlich auch im Homer, und dafs es nicht höhere sicherheit sondern nur gröfsere armut ist, wenn ein text einheitlicher aussieht, weil uns zufällig nur eine handschrift selbst oder in abschriften erhalten ist.

Um so höhere wichtigkeit gewinnt die textgeschichte, welche den grad der zuverlässigkeit unserer überlieferung, so gut es geht, geschicht- lich erkennen lehrt. auch dafür ist zwar gearbeitet, aber überwiegend mit der tendenz, anhaltspunkte für änderungen zu gewinnen. die scholien las man nicht um der 999 fälle willen, wo sie den überlieferten text bestätigen, sondern um des tausendsten, wo sie eine abweichung geben. oder aber man las, unbefriedigt mit diesem ergebnis, die varianten in sie hinein, wozu sich die schlechtesten paraphrasen dann allerdings am besten eigneten. die lexica las man nicht, um die richtigen oder falschen erklärungen der alten für die überlieferten wörter zu finden, sondern um die vermeintlichen glossen aus den texten zu vertreiben. die citate sammelte man halb unwillig, weil sie zustimmend oder abweichend für die güte unserer handschriften zu zeugen pflegen. und selbst die not- wendigste vorarbeit, eine brauchbare ausgabe der scholien wie des Hesych und der Etymologika zu machen, ist unserer generation geblieben.

Was ist demnach die aufgabe, welche uns von der wissenschaft ge-Pie Pr stellt ist? ihre entwickelung gibt uns eine einfache formulirung. wir haben da anzusetzen, wo der streit zwischen Hermann und Ὁ. Müller den natürlichen fortgang gehemmt hat, beider werk fortzusetzen, doch so, dafs wir nicht nur die fehler vermeiden, welche damals verhängnisvoll wurden, sondern das beherzigen, was die philologie im ganzen in dem halben jahrhundert zugelernt hat. das erste und vornehmste ist also, dafs wir wieder so viel griechisch lernen, wie Hermann und Elmsley konnten. aber wenn wir uns das können anzueignen versuchen, dürfen wir uns nicht damit begnügen, es als kunst zu üben, sondern müssen uns dessen was wir wissen und können selbst bewulst werden und es für andere zur darstellung bringen. wir müssen selber verstehen und anderen erklären. das erste erfordert, dafs wir vorab das besser wissen wollen ablegen, unser urteil der überlieferung willig ergeben, und, wenn wir anstofsen, zunächst nicht ihr sondern uns mistrauen. wir sollen das verständnis herausheben, nicht hineintragen. das gilt von dem einzelnen worte, das gilt in tausendfältiger variation von dem individuellen dichterischen gedanken und seinem ausdrucke im einzelnen verse, im einzelnen chorlied, im ganzen drama. ganz allmählich werden wir uns dann zu der freiheit erheben, über dem objecte zu stehen und die kritik

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im modernen wie die κρέσες im antiken sinne gerecht zu üben. und auch wer die freude als eine köstliche schätzt, eine stelle verbessert zu haben, wird sich wol nicht scheuen zu sagen, dafs er ein freudiges gefühl empfindet, wenn er eine conjectur ausstreicht, weil er die stelle verstanden hat. nur bleibe man nicht bei dem genusse des eigenen gewinnes stehen, sondern übe die nächstenpflicht, andern den gleichen irrgang zu ersparen. die nakten texte sind auch in den zeiten des conjecturalen diluviums ziem- lich heil abgedruckt worden: aber damit ist höchstens für den heraus- geber das verständnis garantirt. welche prophylaktische wirkung würde Haupt ausgeübt haben, wenn er den Catull erklärt hätte, so wie er ihn verstand ?

Die wesentliche wandlung, welche die philologie erfahren hat, ist dafs sie eine geschichtliche wissenschaft geworden ist. davon hat die tragikerkritik noch herzlich wenig befruchtung erhalten, und das ist ein hauptgrund ihrer krankheit, denn deshalb kann der widergeschichtliche subjectivismus und die aprioristische construction sich behaupten. das gilt gleich von der sprache. zwar das formelle ist auch hier durch die geschichtliche grammatik, die rechte erbin der Elmsleyschen analogie, im wesentlichen erledigt. aber die form ist nur der körper: das seelische element, die synonymik, die wortwahl überhaupt gemäfls den nuancen von bedeutung und ton, sowol des innerlichen klanges wie des äufseren, der für das griechische ohr so bedeutsam ist wie wenig ist dafür getan’? die syntax vollends liegt noch in den banden der alten abstracten theorie, welche die einzelne stelle als einen beleg einer regel ansieht, die regel aus der logik begründet, statt von der empfindung und dem sprachgefühl des redenden auszugehen. schon das durchgehends giltige zu finden ist schwer. denn wenn das drama die letzte blüte am baume einer uralten poesie ist, wenn Aeoler lonier Dorer dafür vorgearbeitet haben, so ist diese sprache und des weiteren dieser poetische stil das ergebnis eines langen geschicht- lichen processes, und kann recht nur aus ihm verstanden werden, wie andererseits ein einzelnes wort oftmals ein überraschendes licht über jahr- hunderte rückwärts wirft. schwieriger aber ist es noch abzuschätzen, was die sprachgewalt und auch die willkür des einzelnen dichters geschaffen und gewagt hat: und doch heilst das sprachliche und stilistische können des dichters abschätzen doch nichts anderes, als eben das facit aus der abrechnung zwischen seinem gute und dem ererbten und angeborenen besitze ziehen. wie armselig stehen da in ihrem nichts die jämmerlichen versuche unhistorischer unwissenheit da, welche die geschichtlich ge- wordene litteratursprache in eine anzahl roher mundarten auflösen, und

Die wahren aufgaben. 255

wie fadenscheidig wird das bettelgewand, das die flickschneider der con- jecturalen mache den gedichten anziehen, hier eine glosse, dort ein germanismus, mit all ihrem flitterkram nur für den fasching gut.

Ein gleiches gilt von der verskunst. was haben wir denn da anders als lehrgebäude? auch hier heifst es in wahrheit zunächst die erschei- nungen sammeln und von dem concreten ausgehen, das es zu verstehen gilt. auch hier das ohr an die allgemein griechische weise gewöhnen, damit man die besondere des dichters würdigen lerne. auch die metrik des dramas ist die vollendung einer uralten technik, auch in ihr ist ererbtes gut, das aus dem besitze der verschiedenen stämme nach Athen gelangt ist, und dem geschichtlichen entwickelungsgang allein ist das ver- ständnis seines ergebnisses zu entnehmen. auch hier bedingen einsicht in das allgemeingiltige und in das individuelle einander gegenseitig.

Und nun weiter zum stoffe und gehalte des gedichtes. der stoff ist die sage: wiederum dieselbe wechselwirkung wie in sprache und vers- kunst, nur dafs hier das individuelle, dort das allgemeine leichter erfafst und deshalb meist überwiegend betont wird. hier heifst es Welckers spuren suchen; sie sind fast unkenntlich geworden: aber sie führen in ein reich voll unergründlicher herrlichkeit.

Und das einzelne chorlied oder die einzelne scene ist ein glied des dramas, ein teil des ganzen: das soll verstanden werden, die weise der composition will am vorliegenden objecte erfalst sein, und dann ab- geschätzt im vergleiche zu den anderen werken desselben dichters und seiner zeit- und volksgenossen. hier offenbart sich in der mannigfaltigkeit die stilfreudige selbstzucht der hellenischen poesie, eröffnen sich fragen, deren beantwortung rückwärts zu der technik epischer erzählung, vor- wärts zur stilisirten prosarede weisen.

Und das einzelne drama ist nur ein act eines reichen dichterlebens, der einzelne dichter nur eine person in dem grolsen drama der geschichte seines volkes. da will jedes an seine stelle gerückt werden, um das rechte licht zu empfangen und auszustralen. Götz 1772, Natürliche Tochter 1803: wir wissen, was wir mit den jahreszahlen sagen, welche fülle von kenntnissen sowol aus der geschichte des dichters wie aus der seiner zeit notwendig sind, um ein wirkliches verständnis der beiden gleich grofs- artigen dramen zu gewinnen. nun, soll das anders sein, wenn wir Medeia 431, Orestes 408 sagen? und, wenn es gleich ist, müssen wir nicht versuchen, so unvollkommen es auch bleiben wird, das notwendige zu leisten?

Weil die philologie so lange jahre hindurch dem drama gegenüber

206 Wege und ziele der modernen tragikerkritik.

ihre pflicht ungenügend erfüllt hat, ist dieses in seiner bedeutung für die gesammtentwickelung des volkes allgemein verkannt. es ist nur recht, dafs die verschiedenen zeiten sich in dem unermelslichen gebiete der altertums- wissenschaft verschiedene felder zu bebauen wählen. und so würde es kein schade gewesen sein, dafs die anregungen, welche Lachmann Ritschl Mommsen gaben, dem vorher vernachlässigten Römertum gebührende be- arbeitung zuführten, dafs die monumentale philologie die talente mehr anzuziehen begann als die schriftstellerkritik wenn nicht das studium der atlischen tragödie so gut wie das Homers und der beiden fürsten der philo- sophie für alle seiten hellenischer studien unentbehrlich wäre. aber man bedenke: das ganze griechische leben wird in den generationen umgestaltet, mit welchen Sophokles und Euripides leben, während das Athen, das den Meder schlug, nur durch Aischylos für uns vertreten ist. das Athen, welches die alte physik und ἱσεορέα loniens aufnahm und durch die sophistik sowol die beredsamkeit wie die philosophie vorbereitete, spricht nur im drama selbst zu uns. jede ernste mythographische forschung lehrt, dafs der ausgangspunkt im drama liegt, mag man aufwärts zu Homer oder abwärts zu Nonnus gehen. jede sprachliche forschung bedarf dieses mittelgliedes zwischen der archaischen rede und der gemeinen Atthis. wie jede archaeologische forschung auf die architektur, skulptur und malerei des 5. jahrhunderts als auf das centrum zurückführt, so steht es fast mit jeder forschung auf jedem gebiete des geistigen lebens. die ganze griechische poesie culminirt im drama, dessen vorstufen epos und Iyrik sind, das selbst den sokralischen dialog und das menandrische lustspiel gezeugt hat. die ganze griechische geschichte culminirt im fünften jahr- hundert. die tragödie ist die poesie des attischen Reiches: das sagt genugsam, dafs kein geschichtliches erfassen des Hellenentums an dem drama vorbeigehen darl, und dafs der zustand die schwersten folgen haben mufste, in dem wir leben, wo Euripides keinen andersartigen wert für den historiker zu haben scheint als etwa Anakreon oder Aratos.

So hohe forderungen erhebt die philologie als geschichtliche wissen- schaft. und sie ist doch selbst auch noch etwas anderes. sonst würde es genügen ein buch über das drama zu 'schreiben, nicht einen commentar zu einem einzelnen stücke, zumal dies viel mühsamer ist. es kommt vielmehr darauf an, dals der alte dichter zu worte komme, nicht ein moderner pro- fessor. wie wir unser geschäft nur dann recht besorgen, wenn wir in jedes alte buch, das wir unter den händen haben, nicht unsern geist hineintragen, sondern das herauslesen, was darin steht, so liegt überhaupt die specifisch philologische aufgabe in dem erfassen einer fremden individualität. es

Die wahren aufgaben. 257

gilt sich in eine fremde seele zu versenken, sei es die eines einzelnen, sei es die eines volkes. in der aufoplerung unserer eigenen individualität liegt unsere stärke. wir philologen als solche haben nichts vom dichter noch vom propheten, was beides bis zu einem gewissen grade der histo- riker sein mufs. dagegen müssen wir etwas vom schauspieler in uns tragen, nicht vom virtuosen, der seiner rolle eigene lichter aufsetzt, sondern vom echten künstler, der dem toten worte durch das eigene herzblut leben gibt. auch bei uns geht das am besten durch das lebendige wort: wenn G. Hermann ein chorlied vorlas, dann rauschten die alten rhythmen in voller stärke denen die ihn gehört haben, klingen sie noch in den ohren. aber das wort verhallt, und so mufs man sein unvoll- kommenes surrogat, die schrift, zu hilfe nehmen. und doch hat auch der dickste commentar nur darin berechtigung, dafs er das verständnis des dramas erschliefst, dafs er dem nacharbeitenden leser zum vollen genusse der dichtung verlilft, einem genusse, der freilich nur um den preis ernster arbeit feil ist. wir haben erst in zweiter linie die schätze ge- schichtlicher belehrung zu heben, die für uns in dem werke liegen, in erster linie kommt es darauf an, das frei und wirksam zu machen, was der dichter hineingelegt hat. es ist freilich gar vieles vielen verschiedenen disciplinen angehörige zusammen zu suchen und zu erläutern, damit der leser die kenntnisse voraussetzungen stimmungen erhalte, die der Athener in das Dionysostheater mitbrachte, als er das drama zu schauen gieng: das ideal bleibt es doch, dem die philologische erklärung zustrebt, dem modernen leser den genuls des antiken hörers zu ermöglichen. also müssen zwar commentare geschrieben werden, wozu die vorige generation sich zu vornehm dünkte, aber nicht, wie es Valckenaer und Lobeck getan haben, um den qualm der eigenen erudition loszulassen, sondern um das licht der alten verse mit alter wärme und in altem glanze in empfängliche seelen fallen zu lassen: non fumum e fulgore, sed fumo dare lucem.

v. Wilamowiiz 1. 17

ὅ. DER HERAKLES DER SAGE.

dm säikem Die geschichte unseres weltteils beginnt in Hellas. sie beginnt viele

manderung. anrhunderte früher, als den Hellenen auch nur eine ahnung davon auf- steigt, dafs sie als volk in herkunft sprache glaube recht eine einheit bildeten oder je gebildet hätten; ist doch vielmehr die entwickelung aus der zersplitterung zur einheit der inhalt ihrer geschichte. aber sie beginnt doch erst in einer zeit, wo das land das jetzt wieder Hellas heilst von menschen arischen stammes besetzt war, die gespalten in eine unzahl von stämmen und ihrer verwandtschaft unbewufst gleichwol alle unter dem namen der Hellenen, welcher eigentlich nur einem jener kleinen stämme zukam'), von uns begriffen werden können und müssen’). was

1) «Σελλοί sind die verehrer des Zeus und der Dione im eichenhain von Dodona : das sind die ältesten Europaeer die wir kennen; sie waschen den staub nicht von ihren füfsen und schlafen auf dem nakten waldboden, und der älteste gott Europas redet zu ihnen im rauschen der eiche, deren früchte sie nährt, und durch die stimme der wilden taube. Ἕλληνος (eigentlich ‘EAlnwss) sitzen am unteren Spercheios, Achilleus ist ihr held: aber dafs sie dorthin gedrängt sind, ist schon eine folge der völkerwanderung. ᾿Κάλοπες, eine regelmäfsig gebildete nebenform, haben auch in Thessalien, auf Eubois, in Aetolien spuren hinterlassen. ψελλέζω σελλίξζω ἐλλός KAloyy bieten eine lautlich unanfechtbare etymologie: und es liegt nichts vor, was den namen unglaublich erscheinen liefse, den andere stämme, z. b. die einwanderer, auf- gebracht haben können. aber merkwürdig ist es freilich, dafs die Hellenen selbst sich mit einem worte bezeichnet haben, das dem sinne nach sich mit βάρβαρος deckt, und mit niemiec, wie die Slaven ihre germanischen nachbarn nennen.

2) Seit dem 8. jahrhundert gilt der Hellenenname als allumfassender sowol bei den asiatischen epikern wie im Peloponnes, und von göttern führt ihn nur Zeus und vereinzelt Athena. es mag aber erlaubt sein, ihn als collectivnamen der autochthonen Hellenen im gegensatze zu den einwanderern zu verwenden. damit treten wir freilich in gegensatz zu Herodot,. er hat sich (1 56—58) die sache so zurecht gelegt. Deukalion, sein sohn Hellen, sein sohn Doros lebten in Phthiotis, in Hellas (dies nimmt er aus Hesiods Katalogen): also die Dorer sind“Hellenen’. jetzt

Hellas vor der völkerwanderung. 259

immer auf grund von erwägungen anderer art über vorgeschichtliche urzeit vermutet werden mag: für die geschichte sind die Hellenen autochthonen, wie sie es selbst auch nicht anders gewulst haben.

An der asiatischen küste, vielleicht tief in das land hinein, safs ein anderer complex ebenfalls arischer stämme, die es nicht dazu gebracht haben sich zu einem volke zu concentriren, sondern sich teils selbst ver- zehrt haben, teils von den übergreifenden Asiaten, zuletzt mit vollster macht von den Hellenen erdrückt sind. sie mögen nach dem vorgange der Hellenen auch von uns Karer genannt werden, weil so der bis tief in die geschiclhıtliche zeit bedeutendste ihrer stämme hiefs?). die Karer hatten auch die inseln des aegeischen meeres besetzt; möglich dafs sie auch hie und da auf das hellenische land übergriffen: man darf nicht

sitzen sie im Peloponnes, dahin sind sie vom Parnass gekommen (dessen vordorische bevölkerung er mit dem mythischen namen Δρύοπες "Eichenmänner” benennt, aus den dorischen sagen), dorthin vom Pindos, wo sie mit den Makedonen noch vereint safsen: so weit reicht die geschichtliche tradition. das mittelglied, vertreibung vom Spercheios in die berge, erschliefst er, und als die vertreibenden setzt er Kadmeier an, wie er glauben mufste, probabel, da er diese für Phoenikier hält. für die ur- bewohner, die also nie ausgewanderten, greift er den namen Pelasger auf, der an einer thessalischen gegend, in dem auf autochthonie pochenden Athen und im Pelo- ponnes, auch für die autochthonen, haftete. aufserdem nannten zu seiner zeit die Hellenen barbarische bevölkerungen so, die in etlichen winkeln des thrakischen küstenlandes und auf Lemnos salsen. da diese unverständlich redeten, nimmt er eine barbarische pelasgische sprache an, die notwendig auch vor der dorisch- hellenischen einwanderung in Griechenland geherrscht haben muß; z. b. die Athener kann erst Ion, der enkel des Hellen, nefle des Doros, hellenisch gelehrt haben, das ganze ist eine durchsichtige combination, die aber den pelasgischen unsinn der modernen gezeugt hat, zumal der kategorische widerspruch der Athener die Pelasger statt der Dorer-Hellenen πλάνητας αἰδέ nannte (Strab. 221 aus Apollodor). es liegt auf der hand, dafs zwar jedes einzelne volk, das den namen führt, eine concrete realität ist, aber Pelasger nur im gegensatze zu den Hellenen heifst, wobei allerdings ursprünglich ein volk diesen namen nicht blofs in relativer bedeutung getragen haben wird, das noch zu suchen ist. das volk der IldAorss, die Pelopon- nesier, hat Buttmann entdeckt; es dürfte, wie Ζρύοπες "Eilones, eine bezeichnung sein, die die einwanderer aufbrachten. Ildionss sind nelsod: die. πελασγοί sind ihre verwandte, denn seit ἄσγλα aiyka feststeht, ist πελασγοί gedeutet, ἀσγός ἀργός d.i.“weils’. sie sind nicht störche, aber wie die störche sind sie ‘die schwarzweilsen’.

3) Dies volk zu erkennen ist eine hauptaufgabe der urgeschichtlichen forschung, und die monumentalen funde werden es vielleicht ermöglichen. zur zeit brodelt es noch, und die tastenden versuche werden nicht nnr mit unvermeidlichen misgriffen gemacht. z. b. dafs die Leleger keine realität sind, mit der man rechnen könnte, und wenn sie es denn sein sollten, nur ein hellenischer stamm sein könnten, sollte doch wissen, wer mit der hesiodischen völkertafel und den ältesten sonstigen zeug- nissen umgeht,

17*

260 Der Herakles der sage.

vergessen, dals so alte zeit keine scharfen völkerscheidungen kennt. sie vermittelten den Hellenen die cultur Asiens und Aegyptens, die selbst schon nach jahrtausenden zählte. es mag auch einige directe berührung der Hellenen mit dem semitischen oder dem aegyptischen volke statt- gefunden haben, wenn deren lhandelsschiffe sich bis an die griechischen küsten wagten: der gedanke an irgend welche sefshafte semitische bevöl- kerung ist mit vollster entschiedenheit abzulehnen. die zeugnisse Homers von sidonischen händlern gelten doch nur für seine zeit und gehören gerade sehr jungen partieen des epos an. semitische lehnwörter fehlen in der alten sprache so gut wie ganz‘); die fremdwörter, die es gibt, führen auf eine andere vermittelung und die übereinstimmungen in den erzeug- nissen des handwerks geben über die träger der vermittelung so wenig ein zeugnis ab wie die importware, ganz abgesehen davon dafs die zeit- bestimmung der “mykenaeischen funde zur zeit noch ungewils ist; prae- historisches pflegt zunächst zu alt angesetzt zu werden.

Die dene Also der zustand, in welchem sich Hellas befand, als die geschichte

beginnt, liegt noch in einem dunkel, das sich aber dereinst lichten wird. die geschichte selbst beginnt mit einer völkerwanderung, deren erfolg ist, dafs das Hellenenland mit ausnahme weniger striche die bewohner oder wenigstens die herren wechselt, und dafür die inseln, die asiatische küste, Kreta und Kypros von hellenischen auswanderern besetzt werden. nicht überall können sie sich halten; in der vereinzelung verlieren sie auch wol so viel von ihrer natur, dals sie später nicht mehr als Hellenen erscheinen, im ganzen aber gelingt es ihnen nicht nur die Karer (im collectiven sinne) zu bemeistern, sondern sie sich zu assimiliren. auch verlieren sich durch diese auswanderung die alten kleinen stämme und an ihrer statt ersteht die aeolische und namentlich die ionische nation : die Iaroveg‘) sind für den orient identisch mit den Griechen geblieben.

4) βωμός ἑορτή ὀϑόνη χιτών (Studnizcka beitr. zur aligr. tracht 18) φοῖ»εξ und vieles andere, was der wissenschaftliche philosemilismus beansprucht hatte, ist ihm entrissen, Foivos πρόδον χρυσός σῦκον (τῦκον) ἐλαία fordert oder erträgt andere vermittelung.

δ) Der volksname ist gebildet wie Jovss Xaoves, also kein lehnwort aus dem orient, wie Müllenhoff (Ὁ. A.159) wollte. obgleich im mutterlande kein volk nach- weisbar ist, das den namen getragen hat, kann man nicht umhin, auch in ihm einen solchen stammnamen zu sehen, der, weil die eigentlichen träger untergegangen waren, zur bezeichnung des neuen volkes gut schien. der in Athen aus Euboia zuwandernde Ion, Xuthos sohu, zeigt schon darin, dafs er niemals in der älteren namensform begegnet und den accent so trägt, dafs die contraction nicht empfunden ist, dafs er erst durch die hesiodische völkertafel entstanden ist, oder vielmehr durch die

Die völkerwanderung. die einwanderer, in Makedonien. 261

Die einwanderer, welche die späteren Aeoler und lonier, die alten Heilenen, vertrieben, können wir nicht mit einem namen nennen, weil sie weder selbst vorher oder nachher sich als eine einheit empfunden haben, noch von späterer geschichtsbetrachtung zu einer solchen zu- sammengefalst worden sind. nicht alle, aber doch in der mehrzahl waren sie den Hellenen naheverwandte stämme; sie sind ja auch später fast alle in das Hellenentum aufgegangen. allein als sie einwanderten, erschienen sie sich und ihren feinden als stammfremd, und mag ihre körperbildung und selbst ihre sprache sie auch als brüder der Hellenen ausweisen: fremden geistes sind sie nicht nur gewesen, sondern geblieben. deshalb ist die völkerwanderung für die geschichte Griechenlands verhängnisvoll geworden. der peloponnesische krieg ist der letzte act des jahrhunderte langen kampfes, der, fast immer den kämpfenden unbewulst aber deshalb nur um so erbitterter, darum gefochten ward, die Hellenen und die einwanderer zu einer einheit zu verschmelzen. als auch dieser versuch scheitert, ist der politische untergang der nation unvermeidlich.

Die völkerwanderung auf der Balkanhalbinsel stellt sich naturgemäls als eine schiebung von nord nach süd dar, wobei hie und da wider- strebende teile nach ost oder west über das meer hin abgesprengt werden. oft erkennen wir den vorgang im innern nur aus seiner wirkung über

dieser zu grunde liegende in Asien entstandene völkerscheidung. das geschlecht ’Jovidas (später auch gemeindename) kann schon eher auf zugewanderte Ἰάονες zurückgehn. jedenfalls ist es älter als die identification der Ἰάονες mit den Athenern, welche iu einem sich durch vieles fremdartige selbst ausscheidenden stücke der Ilias N 685—700 auftritt: und selbst dieses hat Androtion dazu benutzt die Ἰάονες ᾿4ϑηναῖοε von den Ἴωνες zu unterscheiden (schol. BT zu N 685). sucht man die ’Iaoves, so weist Herodot, der sie aus Achaia ableitet und die Kynurier für Ionier erklärt, auf den Peloponnes. da trefien wir in der Pisatis auf Ἰωνέδες νύμφαι (Strab. 336, Pausan. VI 22, wol aus im grunde identischer tradition, Nikander georg. bei Athen. 683). diese sind mit iacYas zusammengebracht, denn eine heifst Ἴασις, und sie sind die mädchen einer heilquelle; ebenso mit ἴον (Nikander), und man denkt an lamos; endlich auch mit Ion, der sohn des Gargettos heifst: auch der flußs, in den dag quellwassser rinnt, Κύϑηρος oder Κυϑήριος, stimmt zu einem attischen dorfoamen, Κύϑηρρος. an die lonier denkt niemand, obwol Nikander die namensform ᾿Ιαονέδες sich erlaubt. der namensanklang ist in der tat zu vielen zufälligkeiten ausgesetzt, als dafs man auf ihn bauen könnte: die contraction sollte doch im Pelo- ponnes ᾿Ιανέδες ergeben. ᾿Ιάων selbst findet sich nur einmal, als name eines arka- dischen flusses (Kallim. an Zeus 22; Dionysios perieg. 416 schreibt ab), der sich nicht localisiren läfst: aber diese anknüpfung darf man wol festhalten. der ᾿Ιόνεος πόντος kann mit ᾿Ιάονες so wenig wie mit Ἰώ etwas zu tun haben: er führt auf "Jowes. diese sind vielleicht nach dem vorgange Theopomps (schol. Pind. Pyth. 3, 120) in Dlyrien zu suchen.

Die eln- wanderer.

in Make- donlen,

in Epirus Aetolien Messapien.

262 Der Herakles der sage.

das meer hin. so scheint der erste stofs der einwandernden die arischen, aber von den Hellenen fernab stehenden stämme im norden der halb- insel getroffen zu haben, die wir unter dem collectivnamen Thraker be- greifen. starke züge von ihnen wichen über den Hellespont nach Asien aus, und so finden wir in geschichtlicher zeit teile desselben volkes im innern Makedoniens und in asiatischen gegenden; so die Βρύγες im süd- lichen Thrakien, die Βέβρυκες bei Kyzikos, die Φρύγες am Sangarios und Kaikos. die einwanderer, welche sich durch die Thraker durch- schoben, besetzten die flufstäler des Axios Ludias Haliakmon, aber auch das innere bergland. es ist unmöglich über jeden einzelnen der stämme, die hier nicht minder zersplittert waren, als wir es in der umgegend von Pindos Parnass und Oeta sehen, auch nur so viel auszusagen, ob sie von ursprung griechisch, thrakisch oder, die westlichen, selbst illyrisch gewesen sind. aufgegangen sind sie alle in das volk der Makedonen®), welche am tiefsten im tale ansässig die cultur zuerst annahmen, und zwar fällt die einigung der nation mit ihrer hellenisirung zusammen. Ihnen verwandt waren, wie es scheint, die einwanderer, welche sich auf der westseite nach süden schoben und Epirus, Akarnanien (die „Ixae- γᾶνες sind ein stamm von ihnen), Aetolien besetzten, überall eine helle- nische bevölkerung verjagend. der strom muls sehr stark gewesen sein, denn er flutete selbst nach Italien hinüber, wo er sehr breite striche in besitz nahm: Xaoves wohnen in Epirus, Χῶνες bei Kroton; die Mes- sapier Oinotrer lIapygier haben so die heimat gefunden, welche sich nach ihnen nennt. wie die makedonischen stämme schwer von den Thrakern, so sind diese von den Illyriera schwer zu sondern. denn die Illyrier blieben in Epirus ihre nördlichen nachbarn, und dafs sich illyrische stämme bei der schiebung nach süden und übers meer stark beteiligt haben, ist nicht zu verwundern. als dann später colonisten aus Hellas an die epi- rotische und italiotische küste kamen, giengen diesen selbst die züge der urverwandtschaft und der barbarei durcheinander, und in Italien mulsten

6) Für die einwanderung der Makedonen sind die splitter versprengter stämme besonders bezeichnend, welche hie und da an dem rande haften blieben, ihrem volkstum nach schon den gelehrten des 5. und 4. jahrhunderts, bis in welche zeit sich reste von ihnen erhielten, unrubricirbar. es sind die “gottlosen’ Thoer vom Athos, die Doloper von Eion und Skyros, die Pelasger von Krestone, die Sintier von Lemnos, welche erst von den Athenern Pelasger genannt wurden. diese letzten schreiben das phrygische alphabet und können nur für Thraker gehalten werden, was wol auch die andern waren. Imbros ist noch karisch. so berühren sich hier die unhellenischen völker, und da sie zunächst nur für uns collective sind, wesentlich durch den gegen- satz zu den ebenso collectivischen Hellenen bestimmt, ist die sonderung schwierig.

Die einwanderer in Epirus Aetolien Messapien Elis. 263

letztere vorwiegen, obwol griechische cultur mit viel gröfserer leichtigkeit eingang fand als bei barbarischen stämmen festen volkstums, z. b. den Italikern. die hellenische urbevölkerung ist in Epirus fast spurlos ver- nichtet; nur das heiligtum von Dodona wufste sich zu behaupten. südlich davon, am flusse Oropos, hatte der stamm der Graer gesessen, der seinen und seines flusses namen mit an den Euripos nahm, wo er zwischen Boeotern Euboeern und Athenern sich verlor. aber die einwanderer nannten in Epirus nach dem kleinen stamme das ganze Hellenenvolk, und da sie nach Italien übersiedelten, trugen sie diese bezeichnung mit hinüber, über- mittelten sie den Italikern und durch sie auch uns. weit mächtiger als bei Graern und Sellern war in Aetolien die hellenische cultur erblüht. die trümmerstätten von Kalydon und Pleuron, umrankt von den ge- feiertsten sagen, legten zeugnis davon ab, dafs dort, wo bis zum vierten jabrhundert ein ungeschlacht wildes, in einzelne stämme gespaltenes, feste wohnstätten und selbst das braten des fleisches verschmähendes volk hauste, einst stolze burgen und blühende weingärten gestanden hatten. nach harten kämpfen, deren gedächtnis in dem heldenbilde des Meleagros dauerte, wichen die Hellenen, teils nach dem Peloponnes, teils weiter übers meer bis nach Chios. der flüchtige Diomedes, der flüchtige Oineus bewahren davon das gedächtnis: ihr feind, Agrios, ist der eponym des stammes der Agrianer. dem lande war der alte name Aetolien geblieben, und als im vierten jahrhundert die einwanderer sich zu einem volke und staate zusammenschlossen, nahmen sie selbst den Aetolernamen auf und erbten auch den alten sagenruhm: sie präglen mit dem bilde Atalantes”).

Auch nach dem Peloponnes hat eine welle dieser ut hinübergeschlagen. ein nicht eben zahlreicher stamm, der das gedächtnis seiner herkunft nie verloren hat, besetzte zunächst das obere Peneiostal und nannte sich nach dieser rälıc (vallis) raleloı. auch er erbte alten sagenruhm, und zwar schon früh, den der selbst verschwindenden Epeer. es ist den eindring-

7) In der sage von der heimkehr des Neoptolemos und des Odysseus ist viel- leicht noch ein nachhall an das alte Hellenentum von Epirus erhalten, aber da die epen verloren sind, ist die entscheidung schwer. der ruhm der Aeakiden kann von Thessalien hinübergebracht sein: um 470 heilst ein Molotterfürst Admetos nach einem altthessalischen heros. die aufnahme heroischer namen in dem makedonischen adel zu Philipps zeit ist keinesweges blofs durch genealogische verbindungen, wie bei Neoptolemos und Pyrrhos von Epeiros, eingegeben. man wählt die litterarisch berühmten Hellenennamen seit alter zeit und jetzt nur mehr, entsprechend der steigenden bekanntschaft mit der litteratur. Aisfawögos Κάσσανδρος Μενέλαος "Μελέαγρος Πολυδάμας Agoıyon Τήλεφος Τληπόλεμος Εὐρυδίκη sind solche namen, welche lediglich für die sucht der eltern zeugen, mit griechischer bildung zu prunken: selbst Πτολομαῖος kommt in der Ilias vor.

in Ellis,

Boeoter un Thessaler.

264 Der Herakles der sage.

lingen allmählich gelungen, bis an den Alpheios, ja bis an die Neda überzugreifen, aber stammfremd im Peloponnes sind sie immer geblieben und erst im 5. jahrhundert zu städtischer siedelung übergegangen, auch da noch unvollkommen.

Denn alle bisher aufgezählten völker haben niemals vermocht, die hellenische cultur voll in sich aufzunehmen, wie ihnen denn die helle- nische politie innerlich fremd geblieben ist. sie haben die hellenische entwickelung lediglich gehemmt, und sind doch selbst eben durch diese an der entfaltung ihrer eigenen art verhindert worden. nur die Makedonen, die eben nicht auf hellenischem untergrunde salsen, sind im 4. jahrhundert zu positivem schaffen auch für das Hellenentum berufen worden, doch selbst sie um den preis, auf ihr volkstum zu verzichten.

Diesen stämmen, die man zu einer. einheit zusammenfassen darf, doch nicht ohne sich einzugestehen, dafs vielleicht nur im gegensatze zu den andern diese einheit liegt, stehen die gegenüber, welche sich aus der mitte der halbinsel nach süden und osten wandten, und sie gehören, trotz allen unterschieden, auch positiv zusammen. der vortrab waren die Boeoter, die wir zuerst im südlichen Thessalien antreffen, offenbar schon gedrängt von ihren brüdern, den Thessalern, welche dann dieser alt- hellenischen, hochgesegneten und hochcivilisirten landschaft den namen gaben, die civilisation aber so gut wie ganz vernichteten. sie behaupteten selbst nur die herrschaft sowol in den ebenen wie über das perrhaebische und magnetische bergland, als ein üppiger herrenstand, während die alten bewohner in den bergen unvermischt und über das ganze land hin als knechte und hörige weiter arbeileten, die reste ihrer verkümmerten cultur und zuletzt sogar ihre aeolische sprache den bedrückern mitteilend. reiner in der sprache hielten sich die Boeoter in dem lande, welches sie benennen, nachdem sie es in harten kämpfen von Koroneia und Theben um sich greifend sehr allmählich erworben haben, eine bewegung, welche bis in das 6. jahrhundert herabreicht und eigentlich erst in den kämpfen um Oropos und Plataiai ein ende findet. aber die Boeoter sind inner- lich viel tiefer hellenisirt als die Thessaler, und auch viel rascher zu der hellenischen städtischen politie übergegangen. diese war auch diesen einwanderern von haus aus fremd, aber über die zersplitterung, in welcher die westlichen völker so lange beharrten, waren sie doch schon bei der einwanderung hinaus. die Thessaler waren sicher, die Boeoter wahr- scheinlich®), wie die Kelten in tetrarchien gegliedert, die sich im notfalle

8) Noch im peloponnesischen kriege ist die entscheidende behörde eine ver- einigung von τέσσαρες βουλαί (Thuk. V 38); das nähere ist unbekannt. später hat

Boeoter und Thessaler. Dorer. 265

unter einem herzog zusammenfanden. aber die hellenische civilisation sals auf der ostküste, trotzdem die kräftigsten elemente auswanderten, zu tief, als dafs sie die herren nicht sehr bald zu sich hinübergezogen hätte. die verhältnisse gemahnen oft an die besetzungen altromanischer landstriche durch die Germanen, die auch ihr volkstum unweigerlich ein- büfsen müssen. in geistiger beziehung sind Thessaler und Boeoter niemals als volle Hellenen angesehen worden, und haben es eigentlich selbst kaum je ernstlich angestrebt. Pindaros ist dem herzen und dem glauben nach ein Boeoter gewesen; aber der abkunft nach hat er es wenigstens nicht sein wollen, und da sein name aufser auf Thera auch in Ephesos wider- kehrt, so war sein blut wol wirklich kadmeisches.

Geschichtlich bedeutend und schaffend sind vielmehr nur die einwan- derer geworden, nach denen wir gewohnt sind die ganze völkerwanderung zu nennen, die Dorer. wir treffen sie erst spät, auf schon vorgeschobenen sitzen, im berglande nördlich vom Parnassos. an diesem sind ein par dorische dörfer erhalten geblieben, weil sie als urheimat von den mächtigen brüdern im Peloponnes geschützt wurden. und auch das heiligtum von Delphi ist der dorischen usurpation nur vorübergehend wieder entrissen worden, während die landschaft, in welcher es liegt, den älteren anwohnern, Phokern und Lokrern, wieder zufle. dadurch ist das orakel zu seiner macht gekommen, und ist andererseits Apollon, dem es schon früher gehört hatte, zu einem Dorergoitte gemacht, obwol die Dorer vorher schwerlich auch nur den namen des althellenischen gottes gekannt hatten’). sie

der bund lediglich die form einer hellenischen symmachie. es mag wol sein, dafs namen wie Aovss Τέμμικες ᾿Εκτῆνες boeotische gaunamen sind, aber sie sind von nachweislich vorboeolischen wie Ὕαντες Aßavrzes nicht sicher zu sondern.

9) Auch in Thessalien und Boeotien sind die cultstätten des Apollon vordorisch, aber sie gehen hier immer mehr an bedeutung zurück. die amphiktionie ist eine institution, gestiftet zunächst zur sicherung des landfriedens auf den grofsen heer- strafsen, welche zwar die anwesenheit, aber nicht die übermacht der einwanderer zur voraussetzung hat: erst diese übermacht bedient sich dieses mittels und als wichtigsten hebels des delphischen gottes. die dorischen, nicht eingeborenen, delphischen priester feiert der homerische hymnus an Apollon, der in diesen teilen dem ende des 7. jahr- hunderts angehört: wenn er sie aus Krela holt, so zeigt sich darin die später so häufige vorstellung zum ersten male, dafs Kreta der sitz der reinen Dorer ist, in naiver umkehrung des verhältnisses; in wahrheit waren die Dorer vom Parnafs nach Kreta gezogen. bald danach ward der krisäische krieg geführt, welcher die macht derselben priesterschaft befestigte, die den meisten gliedern der amphiktionie ungefährlicher schien, als wenn das orakel in den händen der Phoker oder Lokrer war. die oecupation des orakels durch die Dorer liegt in der sage sehr deutlich vor: Herakles raubt den dreifufs, und der conflict der götter schliefst mit einem

Dorer.

Einwan- derung in den Pelo-

ponnes.

266 Der Herakles der sage.

baben von hier aus den Apollon Karneios, das fest der Kapyeıa und den monat Καρνειών mitgenommen, allein das gedächtnis hat sich nicht ver- loren, dafs sie sich so eine ursprünglich feindliche gottheit gewinnen wollten 15), und in das wesen des Apollon hat das Dorertum keine neuen züge hineingetragen. die geschichtliche bedeutung Delphis ist allerdings ohne sie nicht denkbar, aber auch nicht ohne die Athener und Chalkidier. es erlangt sie gerade dadurch, dafs Apollon ein gott ist, den Hellenen und Dorer gleich hoch schätzen, und wirkt demgemäfs sehr stark für die erweckung des neuen panbellenischen nationalitätsgefühles.

Es war nicht ihr freier wille, wenn die Dorer sich am Parnassos längere zeit aufhielten; es war die folge davon, dafs die Peloponnesier ihnen den einmarsch über den isthmus mit erfolg wehrten. es hatte nämlich ganz naturgemäls eine starke zuwanderung der aus dem norden, namentlich aus Thessalien und dem nördlichen Boeotien, vertriebenen Hellenen nach dem Peloponnes stattgefunden. auch hier war die cultur ganz vorwiegend auf der ostseite entwickelt; jetzt dehnte sie sich nach dem westen, namentlich südwesten, mit gröfserer stärke aus: dort treffen wir selbst eine grofse zahl thessalischer ortsnamen wieder, und religion und sage sind voll von den spuren dieser, um einen späteren volksnamen vorwegzunehmen, aeolischen zuwanderung: Pylier, Minyer, Lapithen

compromifs. aber nie und nimmer ist das verhältnis dieser brüder ein freund- liches geworden wie das zwischen Hermes und Apollon, die einst auch mit einander gestritten haben. es heifst die dinge erst entstellen, damit man sie deute, wenn man Her. “den dreifufs’, den “feuertopf” besitzen läfst: einen ganz bestimmten, den delphischen dreifufs bat er sich genommen, also nicht aus seinem wesen allgemein oder aus dem des Apollon, sondern aus den besonderen deiphischen verhältnissen ist die sage zu deuten, und ist sie auch leicht verständlich. man kann es aber z. b. einem künstler nicht verargen, wenn er Her. allein den dreifufs tragend darstellt: tatsächlich hat er sich des apollinischen heiligtums bemächtigt, und so trägt er etwas fremdes, wenn er den dreifuls trägt. hätte der dreifufs für das wesen des Her. eine bedeutung, so möülste er irgendwo in seinem culte vorkommen, oder mälste doch Her. mit ihm etwas machen wollen. übrigens führt Apollon ihn 818 wahrsager, und zwar als wahrsager aus ἔμπυρα: deshalb werden im Ismenion von Theben, wo die weissagung aus ἔμπυρα galt (Philoch. im schol. Soph. OT. 21), dreifülse geweiht, für jeden jüngling, der in das mannesalter tritt, einer, und das ist bekanntlich auch für Herakles geschehen.

10) In den sagen von Karnos und den orakeln, welche sich auf die einwanderung beziehen (z. b. bei Oinomaos von Gadara bei Euseb. praep. ev. V 20), ist die gegner- schaft zwischen den Dorern, die den vertreter Apollons erschlagen, und dem gotte, der sie durch dunkele sprüche in das verderben lockt, ganz durchsichtig. wir kennen leider den dorischen cult viel zu wenig, um sicher zu stellen, was man aus manchen andeutungen schliefsen möchte, dafs die Karneen wirklich ein sühnfest waren.

Dorer. Einwanderung in den Peloponnes. 267

nennt man sie im süden und westen; im norden und osten vertreten sie einzelne lıeroen, wie die oben genannten Aetoler, oder geschlechter, wie vor allem die Amythaoniden. die geschichtliche bedeutung dieser vordorischen zuwanderung tritt aller orten stark zu tage, und man kann sie nicht leicht zu hoch schätzen. dadurch war nun aber die widerstandskraft der an sich schwer zugänglichen insel der Peloper be- deutend gekräftigt, und die Dorer safsen am meere, sahen drüben die ersehnte küste, aber konnten nicht hinüber. sie waren kein seevolk, die Hellenen selbst waren erst durch die not auf die see gedrängt. aber die not zwang nun auch die Dorer. es hat sich damals ein ereignis abgespielt, das sein analogon in den zügen hat, welche die Skythen des Dexippos, d. h. die Germanen. im 3. jahrhundert n. Chr. unternommen haben. das gedächtnis daran ist in späterer zeit verkümmert, weil man die tatsachen zu Ephoros zeit wirklich nicht mehr begreifen konnte, aber die spuren sind unverloren, dafs man bis dahin die geschichtliche überlieferung noch bewahrte. in Naupaktos haben die Dorer schiffe, kielschiffe, γᾶδς, gebaut: zum überschreiten der meerenge zwischen den Rhia brauchten sie keine. die ältesten dorischen ansiedelungen liegen nicht auf dem Peloponnes, sondern um ihn, auf den inseln Thera Melos und namentlich Kreta. es konnte nicht fehlen, dafs zu der zeit, wo der Peloponnes eine dorische insel geworden war, diese besiedelung angesehen ward als von ihm aus vollzogen, und ein anschlufs der meisten dorischen inseln an Sparta war damals eine politische notwendigkeit. aber es ist ganz un- denkbar, dafs z. b. Kreta nicht früher von Dorern besetzt wäre, als Spartas dorische macht sich bis an die südküste des Peloponnes erstreckte: und wie wären die Pamphylier, die den namen einer dorischen tribus führen, von Sparta aus an die südküste Kleinasiens gesandt, sie, die wirklich jeden zusammenhang mit Griechenland verloren haben? aber nicht für solche fahrten in nebelhafte ferne bauten die Dorer ihre schiffe, sondern um die einnahme des Peloponnes durch irgend welche hinter- pforte zu erzwingen, weil der frontangriff aussichtslos war. von der see kam ein könig, dessen wirklicher name sich durch einen ortsnamen und durch den cult erhalten hat, Temenos"), an die argolische küste. es gelang ihm sich zunächst am strande festzusetzen, unter harten kämpfen wurden erst einzelne burgen erobert, die in der Argolis so dicht lagen

11) Der name verwuchs so sehr mit dem volksbegriffe von Argos, dafs neben den Herakliden ein sohn des Pelasgos Temenos trat, der den cult der Hera in Stym- phalos gründete (Pausan. 8, 22): was nichts bedeutet, als die erinnerung daran, dafs dieser dienst aus Argos übernommen war.

268 Der Herakles der sage.

und liegen wie nirgend; am längsten hielt sich Larisa-Argos, welches schliefßslich der hauptsitz des peloponnesischen Dorertums geworden ist. ein anderer seekönig, dessen name verschollen ist, den aber die sage um so bezeichnender den 'ellenden ritter’ nennt (Alr' sr; Ἱνεπότου), landete im innersien winkel des saronischen busens und bezwang von der küste aus den schlüssel zum Peloponnes, wo er eine neue stadt, Korinthos, gründete, die berufen ward, der zweite hauptort des Dorertums zu werden. doch ist diese eroberung erst gemacht, als das Dorertum in der Argolis schon festen fuls gefalst hatte, also wol viel später als wenigstens einem starken schwarme der direkte übergang an der sclımalsten stelle des Korinthischen busens geglückt war, wie die überlieferung berichtet, weil von den west- lichen auswanderern zuzug gekommen war, die späteren Eleer unter ihrem könig ‘Führer’ (O&vAocg’?). aber so glücklich wie diese hatten die Dorer es nicht. sie mulsten lange irren, ehe sie im oberen Eurotastale eine dauernde stätte fanden, und immer hat ihr gemeinwesen die spuren davon bewahrt, dafs ein kriegerischer, unstäter haufe sich für sein lagerleben diese formen geschaffen hatte. in den kämpfen, welche viele ihrer ge- schlechter mit den hellenischen einwohnern zu bestehen hatten, sind die Spartiaten erstarkt; zu einer wirklich grofsen macht wurden sie jedoch erst, als der letzte act dieses kampfes ihnen die ungleich gesegnetere landschaft Messenien überantwortete. denn es lafst sich bis zur vollen evidenz bringen, dafs der s. g. erste messenische krieg nicht, wie die sowol von Sparta wie von Argos aus getrübte überlieferung will, ein dorischer bruderkrieg war, sondern den Spartiaten die arkadische und pylische Hellenenbevölkerung erlag, welche gleichzeitig von den südwärts vorstolfsenden Eleern bedrängt ward'”). gegen ende des achten jahr- hunderts ist das Hellenentum des Peloponneses, an welches die ‘Ell«- γοδίκαε in Olympia die zulassung zu den Zeusspielen binden, ein anderes, dorisches; die alten angestammten träger des namens sind teils geknechtet, teils in die berge gejagt, wo sie fast allerorten in bedeutungslosigkeit sinken, teils ausgewandert, wie die Pylier nach Athen und von dort nach lonien'). jetzt beginnt der antagonismus zwischen Argos, dem schon

12) Das nur in der vocalisation unwesentlich abweichende 4&vlos erscheint nicht nur bei Homer Z 12, sondern wird mit dem bewutfstsein seiner bedeutung vom dichter gebraucht. ξύλον hat in Ὄξυλος der herakleotische epiker Pherenikos gesehen, Atheu. 78b: das ist spielerei.

13) Der nachweis mufs einer besonderen untersuchung vorbehalten bleiben: täusche ich mich nicht, so ist hier der punkt gefunden, wo man den hebel ansetzen

kann, um die chronologie des epos einzurenken. 14) Diese ereignisse sind das geschichtliche, was der s. g. ionischen wanderung

Einwanderung in den Peloponnes. Herakles ein Dorer. 269

früher weithin mächtigen, und Sparta. die Πελόπων νᾶσος aber ist eine Δωρὶς νᾶσος, wie Sophokles sie nennt.

Der hellenische untergrund hat die Dorer nicht weniger beeinflufst als Thessaler und Boeoter, und es war das ihrer cultur selbst zum segen. weil die Spartiaten sich gegen das Hellenentum immer mehr ablehnend verhielten, sind sie zu einer kriegerkaste, schliefslich zur szlachta hinab- gesunken, während das lebenspendende meer die korinthischen nach- kommen des ‘Ritters’ zu rhedern und ruderern machte, und in der Argolis das hellenische und dorische sich fast bis zur unscheidbarkeit amalgamirte. aber die Dorer hatten eine wirkliche eigenart, die sich mit nichten ganz verlor, vielmehr dadurch, dafs sie die bedeutendste politische und militä- rische macht in Griechenland wurden, selbst für die allgemein hellenischen sitten und anschauungen mafsgebenden einfluls gewann. die weise, wie man in ernst und spiel das waffenhandwerk übt, die begriffe von mannes- ehre und eingebornem adel, die zurückdrängung des weibes und ihr notwendiges correlat, die knabenliebe, die verachtung des handwerks und die adlichen passionen für jagd und pferde: das alles ist dorisches ge- wächs. die lebensformen, die in Griechenland allgemein herrschen, als vornehm gelten und demgemäfs verherrlicht werden, bis Athens demo- kratie sie bricht, sind das erzeugnis dieser dorischen cultur. der gegen- satz, welchen Vergil in den schönen versen schildert, die auf tw regere imperio populos Romane memento ausgehn, gilt vielleicht in höherem grade zwischen Dorern und Hellenen als zwischen Römern und Griechen. es gemahnt freilich sehr vieles im dorischen wesen an Latium, ganz besonders die gliederung der bürgerschaft in drei tribus und das vorwalten der magistratur und des rates der alten gegenüber der gemeinde, und wenn es jemals irgend etwas gegeben hat, was den namen graecoitalische periode verdient, so kann dieses schlechterdings nur eine dorisch- italische ge- wesen sein.

Die wurzel des ganzen dorischen wesens ist der glaube an die gött- „Herakles lichkeit des rechten dorischen mannes. ϑεῖος ἀνήρ nennen die Spartiaten einen der ihren, wenn er das leistet, was sie von dem manne fordern. dieser glaube durchdringt das ganze leben. frauen und kinder, hörige und knechte haben gar keine andere existenzberechtigung als in be- ziehung zu dem manne, für den sie da sind. die ganze sittlichkeit ist darauf begründet, dafs er seine existenz erfüllt und genielst. der ganze zuschnitt des lebens ist darauf berechnet. als dies ideal einmal auf-

von Athen her zu grunde liegt. auch für die altattische geschichte findet sich so vor Solon ein ποῦ στῶ.

270 Der Herakles der sage.

gestellt ist, opfert man ihm ohne bedenken alles andere, mag es auch so teuer sein wie die familie, und man opfert ihm selbst das eigene streben über die gegenwart hinaus. selbstgenügsamkeit und selbstgerechtigkeit wohnen nah bei einander. über dem einzelnen manne steht nur die summe der männer, der stand. der stand mufs den staat ersetzen, und der indi- vidualismus, welcher nichts über sich erkennt, führt schliefslich zur ver- leugnung der individualität. es ist eine äufserst beschränkte, aber wahrhaft grolse erscheinung, einzig in ihrer art, dieses dorische wesen. um so viel mehr mufs dasselbe von dem religiösen ausdrucke dieser alles durch- dringenden empfindung gelten. dals die Dorer eine göttliche person ge- glaubt hätten, in welcher sich ihr mannesideal verkörperte, müfste man a priori fordern, wenn anders sie nur ein wenig hellenisch zu empfinden wufsten. nun steht diese überwältigend grofse religiöse schöpfung vor unser aller augen: Herakles, der ἀνὴρ ϑεός, wie ihn Pindar und Sophokles nennen. er ist die einzige grofse gestalt, welche die einwanderer der hellenischen religion zugeführt haben, wie das ihrem wesen entspricht. aber sie ist dafür auch eine der grolßsartigsten schöpfungen, zu der je die phantasie eines volkes emporgestiegen ist.

Dafür legt schon das zeugnis ab, dals es unmöglich erschien, das wesen des Herakles zu erfassen und darzustellen, ohne die geschichte der völkerwanderung in ihren hauptzügen darzustellen und die völker- gruppen zu sondern. nur so ist aussicht vorhanden, ordnung in das chaos der sagenmasse zu bringen und das gemeinsam dorische zu erfassen. andererseits würde die Heraklesreligion selbst unweigerlich haben dar- gelegt werden müssen, wenn die aufgabe gewesen wäre, die geschichte der dorischen wanderung zu erzählen. die griechische geschichte und die griechische religion und sage gehören zusammen, weil der inhalt teils identisch ist, teils eines das andere bedingt. die heillose begriffsverwirrung, Jie in diesen dipgen meist herrscht, ist dadurch hervorgebracht, dafs die historiker vom handwerk mit der sage nicht arbeiten mögen oder können, die dann den mythologen vom handwerk anheimfällt, welche an die ge- schichte gar nicht denken.

H, fehlt den Die Hellenen, d. h. also die autochthone bevölkerung, hat Herakles nicht gekannt. Aeolern und loniern ist er fremd gewesen und immer ein fremder geblieben. die auswanderer haben ihn nicht an die asiatische küste mitgenommen, und die ältere asiatische schicht des epos kennt ihn nicht. erst als die von der westseite des Peloponnes colonisirte dorische hexapolis auf das epos einwirkt, und dann vollends, als das epos nach dem mutterland übergreift, dringt Herakles, immer jedoch als fremder,

Herakles ein Dorer. H. fehlt den Hellenen; Eleern. 271

ein. diese tatsache ist notorisch. sie wird nicht im mindesten dadurch beeinträchtigt, dafs der cult des Herakles sich auch bei loniern verbreitet hat, als die politische vormacht und die gesellschaftliche führung bei den Dorern stand. so haben naturgemäls die Hellenen, die sich auf dem festlande hielten, von ihren nachbarn gelernt den Herakles zu verehren, also die bewohner von Attika und Euboia in erster linie. es ist aber auch nicht zu verwundern, dafs unsere trümmerhafte kenntnis an einzelnen orten zwar einen alten Heraklescult nachweisen kann, aber keine alt- dorische bevölkerung. besondere aufmerksamkeit verdienen diese aus- nahmen, allein mit ihnen wird so leicht niemand wagen die regel zu bestreiten ἢ.

Auclı der westlichen gruppe der einwanderer ist der ursprüngliche ἢ’ fehlt den * besitz des Herakles abzusprechen, und leicht lüsen sich die scheinbar widerstrebenden instanzen auf. die sage von Herakles bei Augeias mit allem was daran hängt, geht höchstens die hellenischen vorgänger der Eleer, die Epeer, an, und sieht die heimat des Herakles in Argos'®). die

15) Es handelt sich einmal um die Heraklessagen an der thrakischen küäste, in Habdera (colonie von Opuntiern und leuten dieser von einwanderern durchsetzten gegend) Sithonis, Torone, Thasos u. 8. w. diese weisen auf die inseln zurück, wo Her. jedoch kaum vorkommt; denn dafs er auf Tenos die Boreaden züchtigt, braucht keine tenische sage zu sein. eine gute erklärung steht noch aus: die verbreitete annahme, den Heraklescult von Thasos, der doch von der nachbarschaft nicht getrennt werden darf, auf Phoenikier zu beziehen, ist von Furtwängler (Roschers mythol. lex. 2142) gut zurückgewiesen, doch bleibt noch unerklärt, wieso Thasos bruder des Phoinix sein kann. der einzige auf altertum anspruch erhebende asiatische Heraklescult ist in Erythrai, und auch über ihn handelt Furtwängler (s. 2137) sehr gut. Erythrais name kehrt im südlichen Thessalien wieder und in Boeotien, von Thessalien sind notwendig auch Boeoter mit den Aeolern ausgewandert, sonst ist die anwesenheit von Peneleos und Leitos vor llios ganz unerklärlich: ein vereinzeltes Heraklesheiligtum in der gegend, wo Aeoler und lonier sich kreuzen, ist also nicht mehr befremdlich als jene epische singularität: wir bilden des Thukydides schlufs, dafs Boeoter vor der Boeotischen einwanderung in Boeotien gesessen haben mülfsten (1 12) nur ein wenig um. eine grofse bedeutung wird diesem vorgeschobenen posten des Heraklescultes notwendigerweise beigelegt werden müssen,

16) Der Heliossohn Augeias mit den sonnenrindern, die Molioniden, eine der merkwürdigsten formen des vordorischen Dioskurenpares (vgl. zu vers 29), der ent- wässerungscanal, dessen reste noch heute sichtbar sind (Curtius Peloponnes II 34) gehen alle die Eleer nichts an. der zug des Herakles gegen Elis gehört vielmehr in eine reihe mit denen gegen Neleus und die Pylier, Eurytos, den herrn des mes- senischen Oichalia, Hippokoon von Sparta: es ist ersichtlich argolische sage und spiegelt die versuche wieder, welche die argolischen Dorer machten, sich die supre- matie im Peloponnes zu erringen. eine andere frage ist, ob sie in Elis noch die

272 Der Herakles der sage.

olympischen spiele sind den Pisaten erst von den Eleern abgejagt und für eine stiftung des Herakles erklärt, als der dorische adel bei diesen spielen die erste rolle hatte, und Sparta mit Argos zu rivalisiren begann. eine bevölkerung, welche selbst den Herakles als fremden ansah, gegen die er nicht nur von Argos, sondern. auch von Dyme her’”) zu felde ge- zogen ist, kann noch weniger auf diesen heros anspruch machen als die autochthonen Arkader, bei denen er in Tegea, Pheneos, Stymphalos einzeln auftritt, nämlich wenn er von Argos aus auf abenteuer zieht.

H. fehle den Noch deutlicher ist, dafs die Aetoler, d. h. die fälschlich den alten namen usurpirenden einwanderer, mit Herakles nichts zu tun haben. Deianeira, könig Oineus tochter, welche Herakles vom werben des Acheloos befreit, ebelicht, am Euenos vor der zudringlichkeit des Kentauren Nessos schützt, die mutter des Hyllos, nach dem die vornehmste tribus der Pelo- ponnesier heilst, schließslich die schuldlose mörderin ihres gatten, ist gewifs die bedeutendste weibliche gestalt, welche in seiner umgebung auftritt. schon deshalb ist sie nicht national aetolisch. ist doch auch in dieser sage der vertreter Aetoliens der hellenische Oineus. es wird später noch nötig werden, auf den sagenkreis einzugehen, und dabei wird die benutzung der altaetolischen personen noch verständlicher werden. aber auch hier muls schon betont werden, dafs der Acheloos, welchen Herakles bezwingt, durch fehlgreifende willkür mit dem aetolischen flusse gleich gesetzt ist. seine bezwingung ist in wahrheit eine dublette zu dem Tritonkampfe: nicht ein flulsgott, sondern der herr des meeres kann das füllhorn, das symbol der ewigen seligkeit, bieten ἢ.

Epeer wirklich zu bekämpfen hatten, oder ob schon die Eleer an deren stelle salsen. das letztere ist wahrscheinlich, ändert aber an dem nichts, was hier in frage steht.

17) Vgl. das merkwürdige epigramm von Dyme, Kaibel 790, mit dessen com- mentar. die sage war wahrscheinlich von Antimachos behandelt. Steph. Byz. Ivan.

18) Niemals ist vergessen worden, dafs Axeiwsos das wasser überhaupt be- deutet, und der gegner des Herakles benimmt sich in dem kampfe ganz wie der ἅλιος γέρων Πρωτεύς in der Odyssee oder die meerjungfrau Thetis bei Hesiodos: er hat die gabe der verwandlung. es ist wertvoll festzustellen, dafs dasselbe der meergreis tat, den Herakles im westen bezwang. so hat Stesichoros, natürlich in der Geryoneis, erzählt. das bruchstück fehlt in Bergks letzter ausgabe, der weder er noch der ergänzer seines werkes die unerläfsliche sicherheit des fundamentes gegeben hat. es steht in dem von Rohde entdeckten paradoxographen 33 (Rer. nat. scr. ed. Keller 8. 110) παρ᾽ Ὁμήρῳ Πρωτεὺς sis πάντα μετεμορφοῦτο, καὶ Θέτις (καϑάτις cod. καϑὰ ©. Rohde) παρὰ Πινδάρῳ, καὶ Νηρεὺς παρὰ «Στησιχόρῳ, καὶ Μήστρα leider fehlt für diese der autor. die bedeutung des füllhorns hat Furtwängler (Roschers lexicon 8. 2157) richlig geschätzt.

H. fehlt den Eleern; Aetolern; Makedonen. H. in Grofsgriechenland.. 278

Bei den Epiroten'”) und Makedonen ist von Herakles keine spur. seit Alexandros I wollte das makedonische königshaus freilich von Herakles stammen, und noch der grofse Alexander hat einen sohn Ἡραχλῆς ge- nannt (wovor sich sonst die menschen doch scheuen), aber das ist erst eine folge davon, dafs sie gern Hellenen sein wollten, und der name ihres geschlechtes 4oysadar an Argos anklang.

Stutzig machen kann nur die fülle von Heraklesculten und Herakles- sagen bei den unteritalischen auswanderern. es gibt dort eine einzige Dorerstadt Tarent (das Herakleia erst spät gründet), auf welche dieser reichtum um so weniger zurückgeführt werden kann, als die Parthenier des Phalanthos aus ihrer heimat Sparta weder reiche sagen noch die neigung weiter zu dichten mitbringen konnten. die versuchung liegt also nahe, Messapiern und Chonern (Chon gilt selbst als sohn des Herakles) den cult zuzutrauen, und leicht möchte man dann selbst die Italiker heranziehen. allein die Achaeer Grofsgriechenlands, welche zunächst in betracht kommen müssen, können nicht für so rein hellenisch gelten wie die lonier. beide stammen der tradition nach von der nordküste des Peloponnes, und die Achaeer notorisch. aber sie sind ganz und gar ver- schieden. Kroton Sybaris Metapont sind allerdings eines stammes mit den bewohnern der küste von Pallene bis Dyme. darf man aber diese für eine reine vordorische bevölkerung halten ? ihre sprache, so wenig sie auch bekannt ist, zeigt am ehesten mit den nordgriechischen mund- arten, keinesweges mit dem arkadischen oder ionischen verwandtschaft. die geistige bedeutung der Achaeer ist um kein gran höher als die der anderen einwanderer. sie stehen charakterlos zwischen Peloponnesiern und loniern. also werden wir zu schliefsen haben, dafs der alte Achaeer- name der landschaft nur blieb, weil kein neuer stammname wert und klang hatte; zu politischer bedeutung kamen sie so wie so nicht. ein- wanderer der westlichen und der östlichen gruppe und alle möglichen hellenischen völkersplitter sind hier an der wenig begehrenswerten nord- küste teils sitzen geblieben, teils von hier nach Grofsgriechenland aus- gezogen, und wie in Dyme und in Bura®) notorisch bedeutender Herakles-

19) Für die Epiroten und Illyrier sind schliefslich die korinthischen colonisten die wichtigsten culturträger geworden. sie erzählten natürlich von ihrem heros. wenn also die illyrischen Hylieer auf Hyllos, sohn des Herakles und der Melite, zurückgefährt werden, so ist das nichts als eine korinthische lediglich auf den namensanklang gebaute combination. Herakles ist der ahnherr dieser barbaren wie der Skythen.

20) Hier heifst er sogar Βσουραικός Pausan. VII, 25, und sein cultbild ist ein

echt srchaisches, Imhoof Gardener numism. comment, on Paus. (αἴ. S II, II. v. Wilamowliz 1. Ν 18

Η. fehlı den Makedonen.

H. In Grols- "erischen-

274 Der Herakles der sage.

cult war, so hat man in dem kampfe mit den barbaren den heros angerufen und von seinen vorbildlichen fahrten auch am Siris und neuen Krathis erzählt, da er der vertreter der vornehmsten auswanderer war?'). der Achaeername täuscht ganz besonders leicht“), aber auch die Lokrer vom Zephyrion und selbst die Chalkidier von Rhegion und Kyme haben dem Herakles gehuldigt. ganz natürlich, da auch auf ihren schiffen genug auswanderer tbessalischer und boeotischer abkunft waren, und der cult des gottes Herakles sich längst den nachbarn mitgeteilt hatte. hier zuerst

21) Allerdings pflegte man dort auch die troischen helden: doch das konnte man erst, als die Ilias im ionischen epos ausgebildet war. diese sagen verdienen eine mono- graphie, die zuerst Timaios herstellen mufs, was mit Lykophron, den versprengten zahlreichen resten, und den ϑαυμάσια ἀκούσματα im anschlusse an Müllenhoff gut geht; und dann mufs man Timaios selbst analysiren, was nicht leicht sein wird, aber sehr wichtigen ertrag verspricht. insbesondere ist merkwärdig, dafs Philoktetes nach unteritalien gezogen wird: offenbar waren also auch leute aus oeläischem gebiete dorthin gekommen, wie das die beteiligung der Loker an sich glaublich macht. also auch von dieser seite aus konnte der Heraklescult dorthin gelangen.

22) Weil er so schillernd ist, ist er heut zu tage beliebt, und habe ich ihn vermieden. die bedeutung (xasod die erlauchten) empfahl ihn dem epos als collectiv- namen, und so mag, wer will, ihn da verwenden, wo ich Hellenen gesagt habe; es ist nur etwas hart, die Athener zu den Achaeern zu rechnen. als stammname sitzt er ebenda fest, wo auch die “Ελληνος Homers wohnen, in Phthia: leider ist gerade diese achäische mundart auch noch dunkel. ferner gibt es die Δημήτηρ Azala in Boeotien, die landschaft 4xalx, deren ansprüche zweifelhaft sind, und die Achaeer als gegner der Spartiaten. ihnen traten die nachkommen des Agamemnon gegenüber, der in der Ilias Achaeer ist, übrigens in wahrheit ein Aeoler so gut wie Achilleus. auch hier also kann der name aus dem epos übertragen sein. wie viel durch einander geht, sehe man daran, dafs Antimachos bei Athen. XI 468 die Peloponnesischen feinde der Boeoter -Axaso/ nennen kann. die vielberufene stelle Herodots (V. 72), wo könig Kleomenes sich keinen Dorer sondern Achaeer nennt, ist ganz einfach: er stammı ja von Herakles dem Perseiden. die genealogie der königshäuser Spartas mit Aristo- demos und den söhnen Eurysthenes Prokles ist übrigens erst ersonnen, als die wirk- lichen königsgeschlechter längst feststanden: Ayıadas und Εὐρυπωντίδαε sind die wirklichen geschlechtsnamen, geltend lange ehe ihre träger die verpflichtung em- pfanden, die Heraklidenabstammung besonders für sich in anspruch zu nehmen. die geringe bedeutung und üble rolle, welche Aristodemos spielt, zeigt auch, dafs diese genealogie, Hyllos, Kleodaios u. 8. f. nicht in Sparta entstanden ist: alles weist auf Argos. was Herodot VI 52 als spartiatische tradition von Aristodemos erzählt, ist nur umbildung der vulgärsage. nicht nur praktisch, sondern auch mit ganz bestimmten traditionen zu belegen, ist der vorschlag, den ich früher gemacht habe, den Achaeer- namen für die vordorische einwanderung. nordhellenischer stämme im Peloponnes zu verwenden, also die leute von Bias und Melampus, Neleus, Eurytos u. 8. w. allein das fordert eine darlegung anderer verhältnisse, und ist mit der anm. 13 bezeich- neten untersuchung verquickt.

H. in Grofsgriechenland; in Rom. H. bei den barbaren. 275

ist deshalb Herakles zum allgemein griechischen vorkämpfer geworden, und es ist bezeichnend, dafs in Himera, einer ionischen stadt mit stark dorischer mischung, um 600 der dichter aufstand, der seinen abenteuern zuerst die ungemessene weite der welt zum schauplatz gegeben hat.

Von diesen auswanderern in Grofsgriechenland ist Herakles zu den H.inRom.

Italikern gelangt, bei denen er, wenn auch in starker umbildung und so, dafs der ursprüngliche inhalt der religion ganz vergessen ward, einen überaus starken cultus fand, verflochten in die ältesten sagen Roms, verehrt bis in die innersten Abruzzentäler. es haben sich natürlich ver- einzelt italische sagen an den fremden heros geheftet, und die Italiker haben dem körper, den sie übernahmen, den odem ihrer eigenen seele eingeblasen: aber wie der name ist die gestalt des Hercules hellenischer import. die versuche, eine urverwandte oder auch durch zufällige namens- ähnlichkeit identificirte italische gottheit in ihm zu sehen, sind zum glücke fast allgemein aufgegeben ”).

Verhältnismäfsig unbedeutend, meist jung und ganz durchsichtig sind die trotz aller vielgestaltigkeit eintönigen erscheinungen, in welchen fremde gottheiten von den Griechen mit ihrem Herakles identificirt worden sind. es ist das ja mit allen möglichen gottheiten geschehen. was Caesar und Tacitus mit den germanischen göttern tun, hat schon Homer mit den teukrischen getan. die Artemis von Perge, von Ephesos, von der taurischen Chersones, die Athena vom libyschen Triton, vom mons Garganus, von Sais, Dionysos Civa, Dionysos Jahwe, Dionysos Osiris weils man auch ohne weiteres richtig zu beurteilen; auch wenn die gewährsmänner Herodots die abstammung der Skythen auf Herakles und Echidna zurück- führen, macht man aus Herakles keinen Skythen. aber weil die Hellenen den stadtgott von Tyros oder besser den in den verschiedensten formen

23) Die lage der ara maxima in Rom würde allein den fremden gott erweisen; doch führt die untersuchung von jedem ausgangspunkt zu demselben ergebnis. die geschichte von Cacus ist, wie wir sie haben, so gut eine griechische dichtung wie die Romulussage, und deshalb läfst sich das epichorische element, für das der name und die scalae Caci zeugen, nicht aussondern. der interessante versuch von Reiffer- scheid (Annali dell’ instituto 39) operirt mit einem materiale, das immer vieldeutig, nicht selten sicherlich fremdartig ist. doch ist selbstverständlich, dafs die herkunft des cultes und des namens nicht im mindesten darüber entscheidet, was die Italiker in Herclus empfanden und glaubten. nur hat das was davon italisch ist mit Herakles eben nichts zu tun. übrigens folgt aus der entlehnung, dafs es unerlaubt ist, die vorstellungen, welche der Latiner mit Herclus verbindet, ohne weiteres auf den Cam- paner Samniten Brettier zu übertragen, vielmehr wird nur die differenziirung ein wissenschaftlich haltbares ergebnis liefern.

18*

H. beiden barbaren.

276 Der Herakles der sage.

auftretenden semitischen himmelsherrn und sonnengott (wenn er das wirklich war) in einzelnen bestimmten formen mit ihrem Herakles iden- tificirt haben, weil ferner im altertume schon die neigung bestanden hat, das entlehnte und zumal das orientalische für ehrwürdiger und vornehmer zu halten, und deshalb vereinzelt auch Heraklesheiligtümer für orienta- lische stiftungen erklärt sind aus diesen nichtigen und in unzähligen anderen fällen als nichtig anerkannten gründen hat sich die meinung bilden können, dafs Herakles ein von den Phoenikiern importirter sonnen- gott wäre. nun bricht sich freilich die erkenntnis bahn, dafs die phoe- nikische cultur selbst etwas ganz unselbständiges und als zwitterwesen zeugungsunfähiges gewesen ist. aber dafür geht man nur noch bis in das bodenlose weiter und findet in altbabylonischen sagen Herakles und seine taten wieder. die kluft der zeit, die nach vielen jahrhunderten zählt, die kluft des raumes, welche jeder vermittelung spottet, achtet man für nichts; die leute die so reden kennen freilich Herakles und die griechische geschichte meistens nur als reminiscenz von der schulbank. sie wissen nicht, was sie tun. es sind leute darunter, die schaudern würden, wenn ihnen solche blöde unwissenheit und unwissenschaftlichkeit auf ihrem eigenen arbeitsfelde begegnete. so weit sie nicht wissen, was sie tun, wollen wir ihnen gern verzeihen: aber weil sie alle unwissenschaftliches tun, sind sie keiner sachlichen berücksichtigung wert. von interesse würde es dagegen sein, zu wissen, ob Dorer die identification des Herakles mit dem Melkart (den namen einmal zu brauchen) vollzogen und auch die skythische archaeologie ersonnen haben. möglich ist es in beiden fällen, da sich hier die megarischen colonisten in Herakleia und seinen pflanzstädten, dort die Rhodier*) bequem darbieten. allein nötig ist es durchaus nicht. als diese gleichungen aufkamen, war Herakles längst eine zwar nicht allerorten verehrte, aber allerorten wolbekannte heroenge- stalt, die in folge der wanderungen des heros, wie sie die poesie aus- gebildet hatte, für solche identificirung besonders passend erscheinen mulfste®),

24) Von diesen ist Herakles zu den Lykiern gelangt, die ihn früh als münz- bild haben.

25) Besonders merkwürdig ist, dafs die Phokaeer in Massalia den heros ihre ligurischen feinde bezwingen liefsen. dieses sehr eigentümliche abenteuer, das schon Aischylos seinen Prometheus prophezeien läfst, kann nur in Massalia gedichtet sein, da es das bestimmte local, die steinwüste an der Rhonemündung, voraussetzt. aber der ganze zug des Herakles von Erytheia-Tartessos nach Italien auf dem landwege setzt die massaliotische küstenbesiedelung voraus. unmöglich ist freilich nicht, dafs vor den Phokaeern dorische seefahrer (von Knidos und Rhodos her) auch hier sich

H. bei den barberen. Herakles der Dorer. 277

Von besonderem interesse ist nur eine solche verknüpfung des bar- barischen mit Herakles: das Iydische herrschergeschlecht, welches Gyges stürzte, hat für heraklidischen blutes gegolten, und die Ompkhalefabel ist in Lydien localisirt worden und hat anderes nach sich gezogen. es wird sich unten zeigen, dafs hier nur eine oeläische sage in äufserlicher weise nach Asien übertragen ist. aber gesetzt auch, es hätte sich wirk- lich an diesem einen punkte asiatisches und hellenisches verquickt, so dürfte man eben nicht hier das verständnis der Heraklessage suchen: ihr wesen wird sie allein in ihrer heimat offenbaren können.

So bleibt also Herakles ein angestammter besitz lediglich der völker- Herakles gruppe, welche sich vom Pindos östlich wandte. Thessaler”) Boeoter Dorer sind wesentlich durch diese gemeinsame religion als zusammen- gehörig zu erkennen. sie alle haben Herakles als den vertreter ihres wesens verehrt, haben von seinen taten erzählt, seine ehre als die ihre betrachtet, und sie sind irgend wie im spiele, wo immer uns Herakles begegnet.

Ist Herakles vielleicht nichts anderes als der vertreter dieses volks- iumes, das a potiore dorisch heilsen mag? und ist die entwickelung seiner sage so zu betrachten, dafs er allmählich vertreter des Hellenen- tumes geworden wäre, zuerst in Grolsgriechenland, schliefslich aber ver- treter der menschheit? eponyme heroen der art gibt es in Hellas und bei anderen Ariern genug; semitische völker zeigen deutlicher als die Arier auch götter in solcher function. selbst Jahwe, der zuerst ein gett gewesen sein mag, der an einen bestimmten ort, den Sinai, gebunden war, bat seine bedeutung dadurch erhalten, dafs er der träger des israelitischen volkstums ward, und hat nur um den preis der zertrüm- merung dieses volkstumes ein gott der welt werden können. es kann aussichtsvoll erscheinen, Herakles in dieser nationalen weise erklären zu wollen. denn gewesen ist er allerdings vertreter der Dorer, und die jahrbunderte 8 bis 6 haben seine sage ganz vorwiegend nach dieser seite ausgestaltet. unübersehbar ist die masse dieser sagen, reichste fülle geschichtlicher überlieferung birgt sich in ihnen. der zusammenhang, in

festzusetzen versucht haben. gerade auf der ile de la Camargue soll ein Herakleia gelegen haben. ΟἹ], XI p. 500.

26) Entsprechend ihrer geringeren geistigen kraft und selbständigkeit kommen die Thessaler am wenigsten in betracht, obwol gerade Thessalos selbst ein Herakles- sohn ist, Boiotos nicht. im Peloponnes ist das verhältnis ähnlich zwischen Argos Korinth einerseits, Sparta Kreta andererseits. für die Heraklessage haben die süd- lichen Dorer fast nichts geleistet. ou.

geschleh- Inhalte.

278 Der Herakles der sage.

welchen die abenteuer schon durch die sagenschreiber des 5. jahrhunderts gebracht sind, ist vorwiegend durch solche nationalen momente bedingt: aber selbst sie haben nie vergessen, dafs dies alles für die eigentliche Heraklessage nebensächlich ist, und haben alle diese taten als σστάρεργα bezeichnet. das ist eine strenge aber allerdings treffende beurteilung ihres wertes. um das wesen des Herakles im kerne zu erfassen, könnte man von dem vertreter der Dorer ganz absehen. allein dieses spätere gezweige, die wirren schölslinge und wasserreiser decken jetzt den stamm: auch wenn man sie nur beseitigen wollte, müfste man sie näher be- trachten; nun haben sie aber nicht nur eine hervorragende geschicht- liche bedeutsamkeit, sie sind auch äufserst belehrend für die methode, welche in der analyse der heroenmythen erfordert wird, weil sie vielfach sehr jung und relativ, zum teil sogar absolut datirbar sind.

Die besitzergreifung des Peloponneses selbst ist nicht zu einer tat des Herakles geworden, sondern hat sich in wie auch immer getrübter geschichtlicher erinnerung selbst erhalten. die Dorer haben vielmehr die legitimation ihrer einwanderung darin gesehen, dafs ihr ahn, Herakles, selbst ein sprofs der argolischen herrscherfamilie gewesen wäre und widerrechtlich seines erbes beraubt. somit ist in der ganzen sage, soweit sie die geburt in Tiryns, die dienstbarkeit bei Eurystheus, die vertreibung aus dem Peloponnes voraussetzt, ein zug als voraussetzung in das bild gebracht, der lediglich dorische geschichte zum ausdruck bringt. es gibt ferner eine anzahl sagen, welche Herakles Elis Lepreon Messenien (Pylos, Oichalia) Lakedaimon erobern lassen; allein sie sind weder sehr volks- tümlich, noch reich ausgebildet, der poesie fast, der bildenden kunst ganz fremd, führen auch nicht zur besitzergreifung, lassen zudem den heros als heerkönig wenigstens meistens auftreten, was immer etwas secundäres ist, so dafs sie durchaus nicht als ein niederschlag der erinnerung an die einwanderung gelten können”). dafs Herakles hier stets als Argeier auftritt, zeigt deutlich, dafs wir es mit dem niederschlage der kämpfe zu tun haben, in denen Argos die suprematie über den Peloponnes an-

27) Natürlich müssen auch diese sagen in irgend welcher poetischen form in alter zeit umgegangen sein, wie hätten sie sich soust erhalten? aber von dieser form wissen wir nichts, weil nichts die archaische zeit überdauert hat. es erheben sich hier die unten am dodekathlos genauer behandelten schwierigkeiten. z.b. ist Herakles die Hippokoontiden überwindend von Alkman so breit dargestellt, dafs schon um der fülle von namen willen eine feste, wol sicher poetische tradition zu grunde liegen mufs, aber nichts hindert diese für argolisch anzusehen. localspar- tanisches ist gerade in dieser geschichte, wenigstens so weit sie bekannt ist, so gut wie ger ‚nichts.

Herakles der Dorer. sagen geschichtlichen inhalts. 279

strebte. und es ist ein beredtes zeugnis für die phbantasielosigkeit der Spartiaten, dafs wir Herakles nicht aus dem Eurotastal vorbrechend Bel- mina und Stenyklaros, Tegea und Thyrea bezwingen sehen.

In Boeotien hat die überwindung von Orchomenos, die spät und nach hartem kampfe gelang *), und die friedliche besitzergreifung von Thespiai®), neue, wenn auch farblose Heraklessagen erzeugt. die be- kämpfung und verpflanzung der Dryoper um Delphoi ist vielleicht ein nachhall sehr alter zustände; vielleicht ist sie aber auch nur ein versuch, zu erklären, weshalb die Dorer von Argolis und Sparta ihre gegner in Hermion beiden Asine und Korone eben so benannten, wie ehedem ihre pbokischen gegner; vielleicht ist auch Herakles als Dryoperfeind an stelle des Phlegyerfeindes Apollon getreten”). denn wo die einwanderer sich des übergewichtes der älteren sagen nicht erwehren konnten, die im kreise ihrer untertanen fortlebten, da begnügten sie sich damit, ihren heros nur an die stelle eines älteren zu setzen, wie er im kampfe mit Kyknos Achilleus verdrängt®‘), oder ihn wenigstens mit helfen zu lassen, wie er neben Peirithoos und den Lapithen gegen die Kentauren zieht”). das sind thessalische umbildungen. vollends durchsichtig sind die Herakles- sagen, welche die dorische besetzung von Kos Rhodos Kyrene erzeugt hat, und die thrakischen und grofsgriechischen, deren oben gedacht ward, führen den heros eben auch nur als vertreter seiner auswandernden verehrer ein.

Es ist nicht dieses ortes, das material zu erschöpfen; aber noch ein par charakteristische und datirbare sagen derselben art mögen kurz be- sprochen werden, weil der commentar des euripideischen dramas keine veranlassung geboten hat, sie zu erläutern.

Die Argonautensage ist im kerne uralt und schon in Thessalien ausgebildet, wo sie immer haften geblieben ist. aber diese älteste form wird sich -niemals mit einiger sicherheit wieder gewinnen lassen. zur zeit kennen wir noch nicht einmal die jüngeren formen genügend, welche

28) Vgl. zu vers 50. 280.

29) Bier führten sich die δαμοῦχοε (Diodor IV 29) auf Herakles zurück, d. ἢ, die adelsfamilien, welche von der alt eingesessenen bevölkerung zugelassen waren: die verschmelzung dieser beiden nationalitäten gibt die naive sage so wieder, dafs Herakles in einer nacht den 50 töchtern des Thespios zu söhnen verhilft.

30) Ohne eine mühsame sammlung des materiales der sagen und eine gleich- zeitig alle s. g. dryopischen gegenden ins auge fassende behandlung ist nur das allgemeine und auch das mit so starken restrictionen zu sagen.

31) Vgl. zu v. 110.

32) Vgl. zu v. 181.364.

280 Der Herakles der sage.

sie in Miletos und Korinthos erhalten hat: das kann und muls die forschung leisten. Milesische seefahrer haben schon im achten jahır- hundert den Pontos befahren und seine südseite besetzt. damals ist Kolchis als das ziel der fahrt festgesiellt, die eigentlich die geraubte [rau aus dem lande der aufgehenden sonne heimholen wollte. gleichzeitig sind viele ionische heroen auf die Argo gekommen: Herakles natürlich nicht. die form der sage, welche uns geläufig ist, ward von den Korinthern festgestellt, als diese ihre seemacht im westmeere begründeten. damals ist Hera, die ἀκραέα von Korinth, die beschützerin des lason geworden, ist die rückfahrt durch das adriatische meer gelenkt, und ist wieder eine anzahl heroen zugetreten. aber den Herakles mochten seine korinthischen nachkommen nicht zuziehen, weil er keine seiner würdige stelle erhalten konnte. sie begnügten sich also, sein fernbleiben angemessen zu moti- viren, dals das schiff ihn nicht getragen, kein ruder stark genug für ihn gewesen wäre oder ähnlich. aber um 550 gründeten Megarer und Boeoter eine zukunft verheilsende pflanzstadt an der pontischen küste, die sie nach Herakles nannten. nun war er natürlich mit auf der Argo gewesen, aber nur bis Herakleia mitgefahren. man verband eine artige heimische fabel, vom Dryoperknaben Hylas, des Theiodamas sohn, dem ἐρώμενος des helden, und einen cultgebrauch der mariandynischen perioeken Hera- kleias, welche um einen heros Priolas oder Bormos®*) zu klagen in den wald zogen: und eine neue sehr hübsche Heraklesfabel war fertig. den Herakleoten ward es auch bald glaubenssache, dafs Herakles bei ihnen den höllenhund ans licht gebracht hätte, weil sie in ihrer neuen heimat einen erdspalt hatten, der natürlich bis in die hölle reichen sollte. aber mit diesem anspruche sind sie gegenüber den älteren localisirungen nicht mehr durchgedrungen’°®).

Der kampf um Ilios war durch das aeolische epos geschaffen. schon als die lonier dieses übernahmen, liefs der vorrang der aeolischen helden es unstatthaft erscheinen, ibnen die vornehmsien loniens an die seite zu stellen. man führte also ihre “epigonen’ ein: nicht Tydeus sondern Diomedes. dadurch ward für die relative chronologie der heroensage der grund gelegt. das epos wanderte an der asiatischen küste südwärts und

33) Schol, Apollon. Rhod. 11 780. Schol. Aisch. Pers. 938. Athen. XIV 619.

34) Herakleis, so fern es liegt, hat eine solche bedeutung für die sage erlangt, weil es zu allen zeiten tüchtige schriftsteller gebar: schon um 400 hat Herodoros eine pragmatische bearbeilung der Heraklessage geliefert. später haben Nymphis Herskleides Chamaileon locale überlieferung auch unabsichtlich aufgenommen. so entspricht dieser östlichste posten dem westlichsten, dem Himera des Stesichoros.

Sagen geschichtlichen inhalts. 281

kam zu den Dorern von Kos und Rhodos. für sie war die ausschliefsung des Herakles auch selbstverständlich. aber es genügte ihnen nicht, seine nachkommen einzuführen, zumal diese ihre gegner auf die troische seite nachzogen: dafür ist der kampf zwischen Tlepolemos und Sarpedon das leuchtende beispiel. und doch durfte Asien nicht ohne Herakles erobert sein. so entstand der zug des Herakles gegen den vater des Priamos. asiatische Dorer haben ihn erdacht, denn sie, die aus der Argolis stammten, haben die argolische geschichte von Perseus und Andro- meda auf Herakles und Hesione übertragen und den zug wider Troia mit den älteren fahrten verbunden, in denen sie Herakles ihren eigenen kämpfen um Kos und Lindos hatten vorarbeiten lassen. später, als das epos nach dem mutierlande kam, steigerte man den zug zu einer grolsen heerfabrt, und eine regelrechte belagerung trat zu dem einfachen kampfe mit einem ungeheuer. die beteiligung der Aeakiden, für deren ruhm besondere sorge getragen ward, lehrt, dafs diese letzte bearbeitung unter dem drucke der aeginetischen macht, im 6. jabrhundert, vorgenommen ist?*).

Ebenfalls im 6. jahrhundert drang die hellenische besiedelung in Sicilien mächtig nach westen vor. im süden hatten Dorer megarischer herkunft in Selinus einen sicheren stützpunkt gefunden; an den nord- küsten Chalkidier Himera weit vorgeschoben. die eingebornen gegner waren Elymer, wahrscheinlich iberischer abkunft*), in Entella, Halikyai, nament- lich aber in Egesta und auf dem Eryx. die ionischen Himeraeer, deren phantasie von homerischen bildern erfüllt war, sahen in ihnen nach- kommen der Troer, mit denen ibre ahnen gefochten hatten, um so mehr als sie die güttin des Eryx Aphrodite nannten, die ja dem volke des Paris beigestanden hatte. so ward der eponym dieser feinde, Eryx, ein sohn Aphrodites und eines “hirten’, des Bousng”), ein anderer Aineias;

35) Auch ein attisches skolion spricht die tendenz unumwunden aus, 18, τὸν Τελάμωνα πρῶτον, «Αἴαντα δὲ δεύτερον ds Τροΐαν λέγουσιν ἐλϑεῖν Δαναῶν καὶ ΞΑχιλλέα. des Herakles hat man hier ganz vergessen; selbst Achilleus ist nur annex. so mögen die nachkommen des Eurysakes oder Philaios gesungen haben. Bergk, der μετ᾽ "Ἀχιλλέα geschrieben hat, hat sich wol gar nichts gedacht, jedenfalls das gedicht nicht verstanden.

36) Der iberische grafßto auf einer sicilischen vase, den Löschcke erkannt hat (Benndorf Gr. Vasenbild. taf. XXXXIN) ist ein unverdächtiger und gewichtiger zeuge für diese ansicht.

37) Bei Apollonios Rhodios ist Butes sohn des Teleon (wie er statt Zuldo» gesagt haben soll, auf grund eines schreibfehlers jedenfalls) von Athen, er stürzt ins meer, als die Argo an den Sireneninseln bei Neapel vorbeifährt, und Aphrodite rettet ihn nach Lilybaion. dafs der Elymer Athener wird, ist wol eine nachwirkung

282 Der Herakles der sage.

Aineias war ja längst der vertreter erst der geretteten Troer, dann der feindlichen völkerschaften geworden, in denen die Hellenen ihre troischen gegner wiederfanden*). die Dorer rechneten zuversichtlicher darauf, die Elymer zu bezwingen. sie beanspruchten den berg Eryx, weil ihr Herakles seinen eponymos (einen Poseidonsohn, wie so viele frevier) im ringkampfe überwunden hätte, als ihr erbe. das motiv des ringkampfes ist ein geborgtes, von den dorischen Kyrenaeern ebenso in der Antaiossage verwandtes. mit den in dieser sage ausgesprochenen rechtsansprüchen verlockten um 505 die seher einen spartiatischen königssohn Dorieus zu einem zuge wider die Elymer. der zug mislang, Dorieus fiel, und niemals hat die geschichte diese erfindung der begehrlichkeit zur wahrheit gemacht. nichts desto weniger dauerte die sage, die nun einmal verbreitung gefunden hatte, und Timaios, der die schliefslich mafsgebende darstellung der west- griechischen Heraklesabenteuer gegeben hat, reihte sie mit besonderen hilfsmotiven in den rückzug von Erytheia ein.

Die weit überwiegende mehrzahl der Heraklessagen hat einen solchen geschichtlichen sinn. sie sind leicht verständlich, sobald man die con- creten verhältnisse erfassen kann, welche sie wiederspiegeln; aber auch wo das nicht mehr möglich ist, sieht man es einer Heraklestat bald an, ob sie einen geschichtlichen inhalt hat oder nicht. nicht zu allen öffnet dieser schlüssel das verständnis. im gegenteil, die sagen, in denen Herakles nur der vertreter des Dorertums ist, fordern selbst als eine vorbedingung ihrer entstehung eine Heraklesgeschichte, in welcher er mehr war. zunächst ist er in jeder einzelnen mit nichten ein vertreter des ganzen Dorertums, sondern nur eines ganz bestimmten stammes, der Selinuntier, Rhodier, Korinther. erst wir wenden uns an die übergeordnete gemeinschaft, von welcher diese stämme alle nur teile sind, weil sie sich alle denselben helden als mythischen vertreter gewählt haben. das könnten sie nicht, wenn 516 nicht an ihn geglaubt hätten, als sie noch eine einheit waren: wir haben also den ursprünglichen Herakles in der zeit zu suchen, wo das volk, von dem Thessaler Boeoter Dorer teile sind, noch vereinigt war und tief in den bergen Makedoniens safs, und wir dürfen sein ursprüngliches wesen nur aus dem erklären, was sich auf diese urzeit zurückführen läfst und in allen diesen später erwachsenen sagen vorausgesetzt wird. sie selzen eine er-

des verhängnisvollen bündnisses der beiden völker, von den gemeinsamen gegnern ersonnen. und die Argo haben doch wol auch die korinthischen Syrakusaner in ihre gewässer geführt.

38) So ist das auftreten des Aineias in Ainos, Aineia, auf Kreta und in Epirus leicht erklärlich.

Sagen geschichtlichen inhalts, Herakles der gott. 283

zählung von einem heldenleben voraus, die bereits eine gewisse feste form hat: denn sie alle sind innerhalb dieses lebens zeitlos und suchen erst später einen platz irgendwo innerhalb einer älteren reihe von erlebnissen des helden. diese sagen haben endlich alle das gemeinsam, dafs sie nur einen heros kennen, zwar einen übergewaltigen und des höchsten gottes sohn, aber doch nur einen menschen, der menschlich leidet und geniefst. das ist aber nur eine seite seines wesens, denn Herakles ist ja auch ein gott.

Als gott sehen wir ihn nun in der unserer geschichtlichen kenntnis zunächst zugänglichen zeit nicht nur nicht auf die dorischen volksstämme beschränkt, sondern wir sehen, dafs gerade nichtdorer ihn vorwiegend als solchen empfinden, und die ionischen orte Marathon und Leontinoi®°) erheben sogar besonderen anspruch darauf, ihn zuerst göttlich verehrt zu haben. es lat das seinen guten grund. der dorische heros gieng die nichts an, die nicht seines blutes waren. die woltaten, welche er seinen Dorern oder Boeotern erwiesen hatte, waren ihnen gleichgiltig, wenn sie nicht gar selbst darunter gelitten hatten. aber der gott, der den Boeotern eine so kräftige hilfe gewährte, mulfste dem Attiker jenseits des Kithairon und dem Chalkidier jenseits des Euripos als ein mächtiger daemon er- scheinen, dessen gunst und beistand er selbst sich gern verschaffte: an diesen gott lernte er glauben und zu ihm beten. dies ist doch der weg, auf dem überhaupt der cult einer gottheit sich unwillkürlich verbreitet, und der Heraklescult ist von Boeotien und Megara aus z.b. ziemlich in jedes attische dorf gekommen. das setzt voraus, dafs im wesen des gottes Herakles etwas allgemein göttliches war, das sich jedem menschen mitteilen konnte, auch wenn er kein blutsverwandter oder knecht des dorischen heros war. wenn es gelingt dieses zu erfassen, so haben wir das complement zu dem streitenden Dorerhelden, den uns die vorhin besprochenen sagen zeigen. und wir erfassen den gott, wenn wir sein wirken, oder vielmehr die stimmungen derer erkennen, welche sich ihm gläubig nahten, Ἡράκλεις ruft der Athener, wenn ihm bei irgend etwas nicht geheuer ist; der ausruf ist sehr abgeschwächt, es ist ein milder “fluch’, wie unsere blasphemische weise zu reden ist. aber zu grunde liegt doclı eine angstempfindung. das

39) Diodor IV 24. er nennt seine vaterstadt 4ydogso» besonders und fügt ohne zweifel eigenes ein. aber sie liegt im “εοντῖνον πεδίον, wie er selbst hervorhebt, und hat ihren cult doch nur von den griechischen herren desselben. auch ist eine wendung wie νομέσας ἤδη τε λαμβάνειν τῆς ἀϑανασίας τοῦ ἄϑλου δεκάτου τελου- μόνου nur unter voraussetzungen denkbar, welche nicht Diodors erzählung gibt, sondern z. b. die apollodorische bibliothek. also er contaminirt, wie so oft. der

text, dem er seine localpatriotischen zusätze beifügt, ist Timaios, der den Herakles- eult von Leontinoi angegeben haben wird.

Horakles der gott,

284 Der Herakles der sage.

sehutzbedürfnis dessen der sich fürchtet und hilfe braucht ruft den furcht- losen rettenden geist. ἀλεξέκαχος ist das beiwort, welches das wirken bezeichnet, das der Athener von Herakles erwartet, χαλλέγεχος ist das beiwort, in welchem er seine göttliche verklärung ausspricht. ö τοῦ Jıöc παῖς »allivınoc Ἡραχλῖς ἐνθάδε xaroıxei’ μηδὲν εἰσέτω xaxoy schreibt der Athener auf seine schwelle: damit ist eigentlich alles gesagt. wenigstens alles wesentliche. denn dafs dieser wie jeder gott auch eine universale potenz einschliefst, die im gottiesbegriff an sich liegt, also sub- jectiver glaube seine gegenwart bei einer beliebigen gelegenheit empfinden kann, die nicht in den gewöhnlichen machibereich des ἀλεξέκακος fällt, ist eigentlich selbstverständlich. dem Sophokles erscheint er im traume und sagt ilım, wo eine verlorene silberne schale Athenas verborgen ist: zum danke wird eine capelle ἀ65 Ἡρακλῆς μηνυτής errichtet. das ist nicht für Herakles bezeichnend, sondern höchstens für den der also träumte. dafs die instilutionen dorischer herkunft, die badestuben und turnplätze, sich in den schutz des gottes stellten, dessen dorische berkunft jedermann kannte, ist ebenso natürlich, und dann breitet er seinen schutz auch auf die anderen dinge aus, welche den besuchern der turnplätze am herzen liegen; er ergreift wie sie die laute und gesellt sich den Musen, er ergreift wie sie den becher und gesellt sich dem Dionysos. die weitere entwickelung des göttlichen wesens mag hierhin oder dahin gehen, das accessorische mag schliefslich überwiegende wichtigkeit erlangen: für die erfassung der alten echten religion kommt es alles nicht in betracht. Ra Kaillvınos, ἀλεξίκαχος 5): das ist etwas grofses, aber es ist dech der gestalt.nicht viel. kein Olympier läfst sich auf eine so kurze formel bringen. und es ist auch dies nicht ohne den heros möglich. der allsieger muls gestritten haben: gestritten freilich in anderer art als der vorkämpfer der dorischen stämme, aber ein irdisches leben muls seiner jetzigen ver- klärung vorausliegen. er würde jetzt vom hohen himmel herab nicht in jeder gefährde unerschrocken und unüberwindlich eingreifen, wenn er nicht einst selbst in jeder gefährde unerschrockenheit und unüber- windlichkeit bewährt hätte. jetzt ist er gott, denn also wirkt er: aber er muls mensch gewesen sein. Meosch gewesen, gott geworden; mühen erduldet, himmel erworben: 398) Scharf und treffend drückt die hesiodische Eoee (Aspis 27) das wesen aus. Zeus beschliefst deu Herakles zu zeugen as da ϑιεοῖσιν ἀνδράσι τ᾿ ἀλφη- στῇσιν ἀρῆς ἀλκτῆρα φυτεύσαι. auch wenn Herakles der gatte der Hebe in Kos als gott verehrt wird unter dem namen AAe&ıs (Aristides 5 p. 60. Cornut. 31), so war die religion jedermann klar: denn SAs&ıs ist ja nur ein bypokoristikon zu "AAs£inaxos.

Herakles der gott. grundbedeutung der gestalt. 285

das ist der kern: weder die eine noch die andere seite des wesens kann auch für den ersten keim der Heraklessage entbehrt werden. wer das begriffen hat, der ist jede physikalische deutung los. denn das element mag sich in einer göttlichen person verkörpern; schwerer schon wird es durch einen menschen vertreten werden können: die erhöhung des wahrhaften menschen zu einem wahrhaften gotte schlielst es völlig aus. man braucht also kein wort mehr an die stoischen deutungen auf die sonne oder das feuer zu verschwenden, die auch jetzt viele bekenner haben, entsprechend der heutigen mode unter den "mythologen von fach’ wol die meisten, die nur ihrer antiken vorgänger zu vergessen pflegen, weil die stoische mythendeutung seltsamer weise zu gleicher zeit herrscht und in miscredit ist. aber schwerer ist es, den antipoden der physika- lischen mythologie, den rationalismus, los zu werden. zwar die grobe manier, die sich um 500 v. Chr. das Kerberosabenteuer so zurecht legte, Jafs die hölle eine tiefe höhle und das ungetüm eine schlange gewesen wäre, gilt nicht mehr. das umbiegen einer guten geschichte, bis sie dumm und rationell wird, kommt wol nur noch bei theologen vor. und der argivische prinz und heerführer, den der rationellere rationalismus um 400 v. Chr. aufbrachte, tritt einem heut zu tage auch erst dann wieder entgegen, wenn man schulpflichtige kinder hat, denen mit all dem andern abgestandenen lügenkram der allgemeinen bildung auch die jahreszablen von Nimrod und Abraham, Herakles und lason eingepaukt werden. aber ernsthaft geredet: ich wülste den nicht zu widerlegen, der also argumentirte. es habe zu der zeit, wo die späteren Heraklesverebrer noch ein volk bildeten, ein mensch unter ihnen gelebt, der sich durch die abwehr von wilden tieren und menschen vor seinen stammesgenossen so sehr hervortat, dafs sie ihn für überirdischer herkunft hielten, nach seinem tode als gott ver- ebrten und demgemäfs durch gebet und opfer sich geneigt zu machen suchten. zu dem zugeständnis könnte man den vertreter dieser ansicht schon bringen, dafs weder der name Herakles noch irgend eine der über- lieferten Heraklestaten geschichtlich wäre (obwol das mit der bezwingung des löwen schwierig sein würde): aber das würde ihn aus seiner entschei- denden position nicht herausschlagen. immer könnte er sagen, ja, warum sollte es solchen menschen nicht gegeben haben, an den sich die sagen und die verehrung geknüpft hätten? da gibt es nur die gegenfrage, warum soll es solchen menschen gegeben haben? wenn ihm weder der name noch die taten gehören, ist er nicht ein messer ohne schaft und klinge? aber mit solcher frage überwindet man den rationalismus nicht. das tut man erst, wenn man ihm seine letzte position läfst. gut; gesetzt, solch ein

ει γ᾽ :

286 Der Herakles der sage.

mensch hat gelebt, was erklärt man damit? doch höchstens das, was dem dorischen volke in den klüften des Pindos den anstofs gegeben hat, die Heraklessage zu dichten. diese selbst bleibt ein gebilde der volksphantasie so oder so. jenes individuum ist wie sein name dahin, verweht, vergessen: der Herakles der sage hat sein eignes ewiges leben, und nur ihn gilt es zu erfassen. eine moderne analogie wird das verhältnis aufklären. es hat ein Dr. Johannes Faust wirklich gelebt, er ist eine geschichtlich sehr wol controllirbare person: aber für die Faustsage, welche die welt be- herrscht, ist er ganz gleichgiltig, und er hat ihrem träger weder den namen noch den inhalt gegeben, beide sind vielmehr über 1000 jahre älter. der Faust, der den conflict zwischen den zielen, den τέλη, des menschlichen strebens verkörpert, glücklich sein, weise sein, gut sein, hat mit dem dunklen ehrenmann, oder vielmehr dem obscuren lumpen Dr. Faust nichts zu tun, dessen geburt und tod in den acten aufgestöbert wird. der Faust von fleisch und bein ist gar nicht der wirkliche Faust: der ist vielmehr eine conception der volksphantasie, ein sohn derselben mutter, die in den schluchten des Pindos vom göttlichen geiste den Herakles em- pfangen hat. wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen. diese antwort hat in harmonie mit der empfindung seines volkes unser ı dichter auf die frage gegeben, welche die Faustsage stellt. das glück das im genusse liegt, ist des teufels; das glück das in irdischer weisheit liegt, führt zum teufel:! nur die ergebung in die gesetze gottes, der glaube, kann den menschen in die ewige seligkeit führen: so hatte die alte antwort gelautet, nicht nur zu Luthers zeiten, sondern schon zu denen des ‘Clemens Romanus. | dieser glaube hat sich in der geschichte vom Faustus verkörpert, der glaube an die eingeborene schlechtigkeit der menschennatur, welcher als rückschlag gegen das Hellenentum eben aus Idiesem hervorgehen mufste, als es dem tode verfallen war. _wir, haben | jetzt diesen pessimismus überwunden: unsere heiligste überzeugung duldet nicht mehr, dafs Faust der hölle verfällt. doch was wir selbst empfinden, gehört nicht her: die übermenschliche gröfse der Faustsage, ihre sittliche bedeutung als verkörperung einer ganzen erhabenen weltanschauung leuchtet ein, ganz abgesehen davon, ob wir diese weltanschauung teilen. so gewaltig ist diese sage, dafs der gröfste dichter vergeblich ein langes leben danach gerungen hat, ihr aus eigner kraft einen neuen abschlufs zu geben, der der veränderten sittlichen überzeugung genug täte: jeder ehrliche mensch mufs zugestehn, dafs Goethes Faust inhaltlich in ebenso kümmerlicher weise durch einen deus ex machina abgeschlossen wird wie nur irgend ein euripideisches drama. aber die Faustsage ist der

Grundbedeutung der gestalt. inhalt der ältesten sage. 287

beste commentar zur Heraklessage. sie lehrt nicht nur, dafs es solche conceptionen der volksphantasie wirklich gibt, in denen sich die tiefste sittliche überzeugung eines volkes niederlegi: Faust ist das widerspiel des Herakles, denn dieser verkörpert die weltanschauung, welche das christentum ablöst mehr als überwindet, denn auch in seinem gegensatze zeigt es seine zugehörigkeit zu der hellenischen cultur; Faustus oder sein lehrer Simon ist in der altchristlichen sage der vertreter der hellenischen

cultur, die nur irdisches“ glück’, aber ewigen tod bringt. darum hat er '

Helene zur gattin, die Helene des Stesichoros.

Versuchen wir uns nun jener dorischen weltanschauung zu be- meistern, welche sich in der Heraklessage verkörpert hat, und zwar zunächst in der abstracten form, die dem modernen verständlicher ist als die bildlichkeit, obwol man trotz allem umformen und bessern an den eigenen worten sicher sein kann, hier zu viel, dort zu wenig zu sagen. denn es gibt dinge, für welche die abstracte sprache zu arm ist, wo nur Jas bild genügt, wo nicht die wissenschaft reden kann, sondern nur die poesie.

Die Heraklessage spricht zu dem dorischen manne: nur für ihn ist sie das evangelium; sie kennt keinen menschen aufser ihm, sondern nur knechte und bösewichter. also spricht sie. du bist gut geboren und kannst das gute, so du nur willst. auf deiner eignen kraft stehst du, kein gott und kein mensch nimmt dir ab, was du zu tun hast. aber deine kraft genügt zum siege, wenn du sie gebrauchst. du willst leben: so wirke. leben ist arbeit, unausgesetzte arbeit, nicht arbeit für dich, wie der egoismus sie tut, noch arbeit für andere, wie der negative egoismus, die asketische selbstaufopferung, sie tut, sondern scblechtweg zu leisten jeden tag, was immer man kann, weil man es kann und weil es zu leisten ist. du sollst eben tun wozu du da bist. und du bist aus göttlichem samen entsprossen und sollst mitarbeiten das reich deines gottes auf- zurichten und zu verteidigen. wo immer ein böser feind dieses reiches sich zeigt, straks geh auf ihn los und schlag ihn nieder ohne zagen; mit welchen schreckbildern er dich grauen machen, mit welchem zauber er dich verführen will, packe kräftig zu und halte fest: wenn du dich nicht fürchtest, wird der sieg dein sein. eitel mühe und arbeit wird dein leben sein: aber der köstlichste lohn ist dir gewifs. du mulst nur nicht die breite beerstralse wandeln, wie die feige masse die von der erde stammt, an der erde klebt: den schmalen pfad mulfst du gehen, so wahr du göttlichen samens bist, und dann vorwärts, aufwärts. droben winkt dir die himmelspforte, und wenn du anpochest, dann bereiten dir

Inhalt der

288 Der Herskles der sage.

die seligen himmelsherrn einen platz auf ihren bänken und bieten dir zum willkomm die schale, in der der himmelstrank des ewigen lebens schäumt. für die ἀρετή, manneskraft und ehre, bist du geboren: sie sollst du erwerben. feil ist sie nur um das leben: aber wer diesen preis einsetzt, hat sich das ewige leben gewonnen.

Ein volk das diesen glauben im herzen hat, ist jugendfrisch und jugendstark. wenn Michel Angelos Adam aufgesprungen sein wird und eignes blut in seinen adern spüren wird, dann wird er also empfinden. der mann, der dieses selbstvertrauen im busen hat, wird ynwiderstehlich sein ᾿ς vor seinem anblick würde Faust auch in den staub sinken, und doch würde er in ihm seinen bruder erkennen, dem das evangelium der tat noch nicht verkümmert ist. nicht mit dem kümmerlichen stecken der pflicht, der in jede hand gleich gut pafst, wird er die flache heerstrafse des lebens hinab ziehen, einer unter vielen, null unter nullen, niemand zu schaden, niemand zu frommen, sondern die keule wird er sich brechen, die kein anderer heben kann, und in den wilden wald sich stürzen, zu bezwingen die drachen und löwen, zu überwinden tod und teufel: der ehre gehorchend, die ihm im busen wohnt, und deren gebote ihm allein gelten, weil er allein sie erfüllen kann. ein freier mann wird er sein, das haupt vor niemandem beugend und die sclavenseelen verachtend: aber seine kraft wird er ein- stellen in den dienst des allgemeinen, in den dienst der gesittung und des rechtes, in den dienst gottes, auch dies nicht als knecht, sondern als der sohn, an dem der vater ein wolgefallen hat. und so sind sie hervorgetreten aus ihren wäldern, die jugendfrohen lleraklesverehrer, und haben siclı mit kräftigen schlägen die besten plätze am tische des hel- lenischen lebens gesucht. als wir sie kennen lernen, ist die schöne jugendfrische zeit vorüber; die ehre, der sie als höchster sittlichkeits- norm nachleben, beginnt schon die conventionelle standesehre zu werden, der eingeborne adel zu dem gemeinen adel, in welchem ἀρετὴ πατέρων die eigene ἀρετή ersetzt, und der selbstherrliche mann geht selten mehr den schmalen pfad, fordert vielmehr den vortritt auf dem breiten wege zu gütern und genüssen. die schatten sind tief geworden; es verletzt den beschauenden, dafs dieser glaube für das weib keine stätte hat, dafs die seelenkräfte nur nach der seite des willens, nicht nach der des ver- standes ausgebildet werden: aber die alten züge trägt auch jetzt noch das volk, und der alte adel verleugnet sich nicht in ihnen. das reine Hellenentum, das Homer und Sappho, Archilochos und Solon, Herakleitos und Xenophanes hervorgebracht hat, ist ein anderes, reicheres, weiterhin wirkendes, menschlicheres: aber die kraft und erhabenheit des Herakles-

Inhalt der ältesten sage. 289

glaubens wird von keiner einzelnen manifestation seines geistes erreicht. man ermilst den unversöhnlichen gegensatz der stämme am besten, wenn man den Dorer Herakles zwischen den helden der Ilias oder den göttern des Olympos erblickt. das lonertum, elastisch aber nervös, feurig aber scheu, klug und seelenvoll, aber eitel und trotzig: ein edies rofs neben dem dorischen stier, dessen wuchtiger nacken jedes joch zerbrach, dessen auge nur dem verzärtelten stadimenschen blöde oder rasend blickt, weil er treuberzigkeit und stolz nicht verstebt. auch der stier ist ein edies tier, dauerbar und unwiderstehlich und besonders gern zeigen sich grolse götter, Iahwe und Dionysos z. b., in seiner gestalt. aber stier und roßs soll man nicht zusammenspannen. das war das verhängnis des Griechen- volks. loner und Dorer konnten keinen staat bilden. und doch, zu einem haben sie mitgewirkt, zu def höchsten, der attischen cultur. und deren edelste blüte, die sokratische philosophie hat eine ihrer wurzeln auch in dem Heraklesglauben: auch sie bekennt in stolzer zuversicht, dafs der mensch gut ist, dals er kann was er will, und dafs er wirken soll im dienste des allgemeinen sein leben lang, ein leben, das in seinen mühen und seiner arbeit zugleich seinen lohn hat. und an dem dufte dieser blüte stärkt auch heute noch der culturmüde mensch seinen mut, in der entgotteten welt zu leben und zu wirken.

Diese sätze mögen den vorwurf verdienen, das versprechen abstracter behandlung schlecht gehalten zu haben, und sie werden dem schicksale nicht entgehen, verspottet und verlacht zu werden. diesem schicksal mufs der den mut haben die stirn zu bieten, der den inhalt einer reli- giösen idee darlegen will. denn das ist schlechterdings nicht möglich, wean man nicht empfindung hat und empfindung wecken will. vom heiligen soll man nur aus dem herzen zum herzen reden. wer nicht empfindet, dem mufs solches reden torheit scheinen, und dem gemäfs wird er urteilen und verurteilen. weit schmerzlicher als fremder hohn ist das eigene gefühl der unzulänglichkeit gegenüber dem schlichten aber lebendigen bilde, das der alte glaube sich geschaffen hat, ohne irgend etwas von den moralischen und metaphysischen abstractionen zu vor- stehen. und gienge es nur an, dieses älteste bild in einigermalsen festen strichen zu umreifsen und wenigstens die grundfarben herzustellen, gern würde man sich darauf beschränken, es allein wirken zu lassen; es be- dürfte dann keiner langen reden für die, welche poesie zu empfinden im stande sind, andere aber überzeugt man doch niemals. allein nur einzelne züge gelingt es der ursage zuzuweisen, weil sie zugleich mit der

religiösen conception gegeben sind, oder aber als stamm aus den vielen v. Wilamowliz 1. 19

290 Der Herakles der sage.

ähnlichen sprossen zu erkennen sind, die sich in späterer zeit bei den verschiedenen Heraklesverehrern finden; und selbst von diesen geschichten läfst sich nur das farblose motiv in die urzeit zurückführen, keine der einzelnen lebensvollen darstellungen. endlich fehlt überhaupt eine an- schauung jener primitiven dorischen cultur, so dafs selbst der versuch einer nachdichtung ausgeschlossen ist.

Für uralt mufs gelten die abstammung von dem höchsten gotte. dag ist nicht viel; dsoysveig sind die adlichen alle im gegensatz zu den γηγενεῖς, die nur knecht sein oder als feind erschlagen werden können. der unterschied ist nur, dafs die nachkommen des Herakles, d. h. seine ursprünglichen verehrer, an dem göttlichen blute durch ihn teil haben, er aber unmittelbar. eine adliche mutter mufs er auch gehabt haben und in einem geschlechtsverbande n&türlich durch sie gestanden haben. das gibt einen anhalt für verschiedene bedeutende geschichten, ist aber nichts wesentliches, denn nur im geschlechtsverband kann sich die älteste zeit den vollwichtigen mann denken“). im wesen des helden liegt, dafs er alles was er tut, durch eigene kraft leistet. von seinen taten hat sich natürlich sein volk in den schluchten des Pindos auch schon vielerlei erzählt, was den späteren geschichtlichen sagen analog gewesen ist; das konnte sich unter veränderten geschichtlichen umgebungen nicht erhalten, war aber auch für die Heraklesreligion nicht von wesenhafter bedeutung. in diesen sagen ist der held bogenschütze gewesen, weil sein volk damals noch diese waffe bevorzugte. die alte sitte hat sich in geschichtlicher zeit nur bei den kretischen Dorern gehalten; aber Herakles blieb ein schütze, trotzdem der dorische adel die hellenische verachtung der waffe nicht nur annahm, sondern besonders stark ausbildete. von den kämpfen gehört zum allerältesten bestande der löwenkampf, der mit einem un- geheuren riesen und mit dem herrn des meeres; weiteres läfst sich nicht mit zuversicht so hoch hinauf rücken. der löwenkampf ist immer der erste geblieben, erscheint an verschiedenen orten, und mufs anerkannt gewesen sein, ehe die einwanderer die althellenischen landstriche betraten, in welchen eg keine löwen mehr gab, wenn sie je da gewesen waren").

40) Vgl. über diese rechtsverhältnisse Herm. ΧΧΙἧ 236 f. die einsicht in die- selben ist eine unerläfsliche vorbedingung für das verständnis der sage, da sie in ihr vorausgesetzt werden.

41) Furtwängler (Arch. Zeit. 1883, 159) hat die löwen, deren existenz in Griechen- land Herodot leugnet, als bewohner des Peloponnes in alter zeit angenommen, wenn ich ihn richtig verstehe, mindestens bis in das 8. jahrhundert. sein grund ist die darstellung von löwenjagden auf mykenäischen schwertern, auf dem protokorin-

Inhalt der ältesten sage. 291

die überwindung der γηγενεῖς durch den διογενής gehört zum wesen der sage; aber sie ist in so zahllosen formen historisirt, und hat selbst in universaler bedeutung sich so früh in zwei wieder vielfach verästelte zweige gespalten, dafs der alte stamm nicht sicher kenntlich ist. einmal ist der gegner ein einzelner riese, Geryones, Halkyoneus, Kakos, oder wie der gegner hiefs, den die besiedler Kymes aus Boeotien Thessalen mitnahmen: gemeinsam ist dieser form, dafs der riese unzählige herden besitzt, d.h. ihm werden die schätze der welt abgejagt. in der andern form ist es eine mehrzahl, Giganten, Kentauren, Dryoper; hier ist eine umbildung teils unter dem einflusse hellenischer vorstellungen, teils durch

concrete geschichtliche verhältnisse unverkennbar. aber zu grunde liegt °

die allgemeine idee, welche vom wesen des Herakles nicht getrennt werden kann. endlich muls als hauptstück schon der ältesten erzählung berichtet sein, wie Herakles in die hölle steigt und den tod überwindet; mag nun der höllenhund selbst der tod gewesen sein oder nur sein diener. und ebenso gehört die fahrt nach dem göttergarten und die erwerbung der goldenen äpfel, d. h. der unsterblichkeit zum urbestande; mit ihr ist auclı meist der kampf mit dem meergotte verbunden *), seit alters ebenso berühmt wie der löwenkampf. damit ist die göttlichkeit erworben; wahrscheinlich hat also die sagenform das echte bewahrt, welche den helden unmittelbar in den himmelssaal führt, und ist jede vorstellung von seinem tode eine, wenn auch alte, so doch secundäre bildung; ein

thischen gefäfs, das er publicirt, und bei Homer. aber Homer beweist für Hellas gar nichts, sondern für Asien, und es ist vielmehr für die herrschaft des epos ein neuer beleg, dafs die tierkämpfe, welche in ihm verherrlicht sind, auch in gegenden dargestellt werden, wo sie dem leben fremd sind. wäre dem nicht so, so mülsten die künstler doch die ungleich häufigeren tierkämpfe schildern, welche notorisch in Hellas den hirten drohten. wo sind die bären? die gab es doch im “Bärenland’ Arkadien? und gar die wölfe: noch Solon hat um sie auszurotten jagdprämien aus- geseizt. und ferner müfste die sage doch wol löwen in Hellas kennen. aber es gibt nur einen, den des Herakles. aufser ihm kenne ich nur noch den löwen von Keos: der liegt noch da, in lebenden fels gemeilselt, es war vermutlich eine fels- kuppe gewesen, in der die volksphantasie einen löwen sah, und der die kunst nach- geholfen hat, vgl. de Eurip. Heraclid, 8. dieser löwe ist ein wunderwesen, er scheucht die nymphen selbst: also zu den gewöhnlichen waldbewohnern gehört er nicht. der nemeische ist aus dem monde gekommen: also gab es auf erden keine andern im gesichiskreis der Argeier. der lesbische löwe (schol, Theokrit. 13, 6) ist vielleicht dem keischen verwandt. denn dieser scheucht die Βρῖσαι (Βρεῖσαι), die nymphen, und dieser name kehrt nur auf Lesbos wieder, wo Βρῆσα liegt und 4ιό- vvcos Βρησεύς Βρεισεύς zu hause ist,

42) Da auch die sage, in welcher der meergott Acheloos heifst, dem Herakles das füllhorn gibt, so ist auch ihr inhalt der erwerb der ewigen seligkeit.

19*

292 Der Herakles der sage.

grab des Herakles hat es nie und nirgend gegeben ”). so wenig das ist, für die religion ist es ganz genug. auch dals es so farblos ist, verschmerzt man vielleicht. aber selbst so viel begreift ja erst der, welcher sich in dem labyrinthe der späteren sagen zurecht gefunden hat. denn die ge- schichtliche entwickelung und die ihr folgende darstellung gebt einen andern, und zwar den entgegengesetzten, weg als die forschung und das lernen. dieses sieht sich zunächst der ausgebildeten sage gegenüher und arbeitet sich von ihr schritt für schritt zu den einfacheren urformen empor, welche für uns der ausgangspunkt waren. hell Auch die nächsten schritte gehen noch auf unsicherem boden durch boden. dunkele jahrhunderte. aber die geschichtliche darstellung hat gezeigt, wo die echte Heraklessage zu suchen ist, und mit der beseitigung der lediglich geschichte reflectirenden sagenmasse ist das dickicht gelichtet. in Argos, in Boeotien, in den landschaften um den Oeta hat sich nach- weislich die Heraklessage zu einer bedeutenderen besonderen gestalt ver- dichtet, hat sie so zu sagen eine greifbare körperlichkeit erhalten. far gewisse strecken des irdischen lebens, wie es die spätere zeit seit dem 6. jabrhundert erzählt hat, sind diese verschiedenen sagenkreise oder kreisabschnitte mafsgebend geblieben. der oetäische für den letzten teil des lebens, der boeotische für die kindheit und jugendgeschichte, der argolische für die haupttaten, den dodekathlos. die oetäischen sagen mögen zunächst bei seite gestellt werden; sie sind zum teil in der bearbeitung von nicht dorischen Homeriden, die also die erhabenheit des gegenstandes nicht voll empfanden, aufgezeichnet worden. auch die boeotischen sagen sind in der importirten epischen weise zur darstellung gebracht worden, zum teil mit grofsem erfolge, in den hesiodischen gedichten, allein niemals in einem gröfseren zusammenhange, und niemals ohne die argolische sage bereits vorauszusetzen. die nahe beziehung Boeotiens zu Chalkis und seinem culturkreis, der den westen beherrscht, und die fruchtbarkeit dieses kreises an dichtern der chorischen Iyrik im sechsten jahrhundert hat sehr vielen der altargolischen erzählungen eine neue farbe gegeben, weiche dann die herrschende geblieben ist: aber auch so weist alles auf den argolischen ursprung zurück. die argolische sage allein ist in sich ein organisches ganzes, sie bildet das fundament der späteren Herakles- sage, aus ihr wesentlich ist das genommen, was sich als ursage dar- stellen diefs. hier gelingt es ein grofsartiges altdorisches Heraklesgedicht

Die hell auf

43) Wer von den wechselwirkungen zwischen cultus und sage, d.h. von der wirklichen religion etwas versteht, kann aus dieser einen tatsache allein schon ab- leiten, dafs Herakles weder je ein mensch noch je ein blofser heros war.

Die sage auf hellenisehem boden. der name. 293

zu erfassen, wenn auch die trennung dieses gedichtes von dem stoffe, der sich in ihm niederschlug, also von der argolischen Heraklessage, undurchführbar ist. auf Argos muls das auge des forschers und betrachters vornehmlich gerichtet sein: der Herakles, der nicht blofs die welt sondern auch die herzen erobert hat, ist ein Argeier.

Eine argolische neubildung ist vor allem der name Ἡρακλῆς, “der Der name. Heraberühmte’, Froßert, wie Benseler gut übersetzt hat. der name, der in Athen allerdings Ἡροχλῆς vocalisiert sein würde, ist ganz durchsichtig und es gibt keine nebenformen*). Ἥράκλειτος Βουλαχράτης Τιμα- y&yng zeigen denselben vocal, und selbst in Athen wechselt Θουγένης und Θεαγένης. Hera ist die himmlische herrin der Argolis schon in hellenischer zeit, und sie ist es auch nach der einwanderung der Dorer geblieben. ruhm der Hera ist also ruhm von Argos, und der name Ἡραχλῆς ist vollkommen verständlich und berechtigt: aber nur für den argolischen heros. wenn ihn seit dem 8. jahrhundert der erst allen einwanderern, dann allen Hellenen gemeinsame held und gott allerorten führt, so ist damit die übermacht der argolischen sage unmittelbar be- wiesen. nicht minder zwingend ist der schlufs, dafs allerorten und zuerst in Argos ein namenswechsel statt gefunden hat.

Das gedächtnis an einen solchen ist unverloren geblieben. die mytho- graphen verfehlen nicht zu berichten und durch einen delphischen spruch zu belegen“), dafs Herakles eigentlich 4Axalog geheilsen habe. dieser name stimmt nicht nur zu der mutter AAxuryn, sondern auch zu dem geschlechtsnamen ’4Axeidng, welcher dem Herakles geblieben ist; und zwar ist die gentilicische bedeutung besonders durchsichtig, weil kein vater oder ahn existirt, auf den das wort in patronymischer bedeutung sich zurückführen liefse“). in einer landschaft hat statt der identification

44) "Hovilos tHesych u. a.) ist das correcte hypokoristikon wie Ζέυλλος von Ζιοκλῆς, "AgiorvAlos von Agsoronins, Ἴσυλλος von ᾿Ισοκλῆς. Ἡρύκαλος bei Sophron ist spielerei, bei der italische umformungen mitgewirkt haben werden. “Hgaios (Hesych., so zu betonen) ist auch ein eorrectes hypokoristikon, wie 4ιαῖος Θεαῖος "Ἀρισταῖος ’Toaios.

45) So in dem alten epigramm auf der farnesischen tafel, das eben diesen namenswechsel bezeugen soll; in anderer form, aber auch auf Theben und ein altes weihgeschenk zurückgeführt, bei Sextus adv. phys. 136, in einer bestreitung der stoischen theologie. Biodor IV 10 = 124, aus Matris dem Thebaner. somit darf die tradition für speeifisch thebanisch gelten.

46) Aixaios, der vater Amphitryons, ist nicht einmal erfunden um ᾿4“λκεέδης au erklären, sonst würde man doch den namen Aixsvs gebildet haben, der zu der ableitung stimmte. es ist aber überhaupt ein irrtum, den die autorität Homers ver- schuldet, die 5. g. patronymica für den vatersnamen zu verwenden: schon das

294 . Der Herakles der sage.

der nun unter verschiedenen namen neben einander tretenden ursprüng- lich identischen gestalten eine differenziirung statt gefunden. Alkathoos ist den taten nach der “Herakles’ von Megara”). sein name aber ist einer der vollnamen, zu denen ᾿“λκαῖος abkürzung sein kann. man wird also nicht anstehen, dem boeotischen zweige der einwanderer diesen oder einen ähnlichen namen als ursprünglichen zuzutrauen. in derselben boeotischen sage steht nun neben Herakles ein zwillingsbruder FıyıxÄns, der mit seltsamer ungunst als ein unwürdiges gegenbild zu ihm ge- zeichnet wird*). es ist, zumal um des sinnes willen, verführerisch zu

homerische Alaxiöns erträgt das nicht. aufserdem bilden bekanntlich die Boeoter das patronymicum auf -sos. die bildungen auf -Öns sind durchaus gentilieisch.

47) Dieuchidas (schol. Apoll. 1517), auf den, d.h. die megarische chronik, am letzten ende Pausan. 1 41 zurückgeht, erzählt die überwindung des löwen, und zwar mit dem märchenmotiv, dafs Alkathoos sich als wahren besieger des untiers durch die ausgeschnittene zunge ausweist, während andere ihm den ruhm schon fast vorweg genommen haben. der löwe ist Χιϑαερώνιος. vertreter Megaras ist Alkathoos, seit der ort besteht. er wird mit dem Pelopounes (Pelops) verbunden: der megarische adel war eben von Korinth zugewandert. aber ganz deutlich ist auch hier, dafs Megara vorher zu Boeotien gehörte; der löwe ist vom Kithairon, er hat den sohn des Megareus zerrissen, der zu Megara und Megareus von Theben oder Onchestos gehört, und als Alkathoos den mauerring um seine stadt zieht, hilft die leier des Apollon, wie die des Hermes dem Amphion in Theben. Pausan. I 42, Anth. Planud. 4, 279. also werden auch den namen Alkathoos schon leute mitgebracht haben, die von norden zuzogen. die zugehörigkeit des megarischen landes zu Boeotien, für welche religion und sage viele belege liefern, ist noch im homerischen schiffskataloge anerkannt. schwerlich wird übrigens das grab der Alkmene in Megara (Paus. I 41) ursprünglich die mutter des Herakles angegangen haben: die motivirung ist kläglich, aber seit der differenziirung des Alkathoos konnte sie nicht anders ausfallen,

48) Iphikles wird in der vulgären sage sehr schlecht behandelt. als sohn des sterblichen vaters ist er in der geburtsgeschichte die folie für den gottessohn. weiter hat er wesentlich nur den βιύλαος zu zeugen, der dann seines oheims knappe wird. er selbst verschwindet völlig: nur dieses verschwinden zu motiviren werden ärmliche sagen ersonnen. aber eine merkwürdige überlieferung ist in dem epos vom schilde des Herakles (88) erhalten, einer nicht lange vor 600 verfertigten einlage in die hesiodischen Eoeen, denen sie den stoff ihrer rahmenerzählung wol verdanken wird. hier ist Iphikles der unwürdige bruder des Herakles, der zum Eurystheus geht, sein diener wird und diesen schritt vergeblich bitter bereut, während Herakles nicht von Eurystheus, sondern vom dasum» seine arbeiten auferlegt erhält. so versucht der dichter, die dienstbarkeit, die aus der argolischen sage stammt, von dem boeotischen helden abzuwälzen, den sie freilich ursprünglich nichts angeht; dafs v. 94 direct auf A 622 hinweist, hat Leo gesehen. übrigens ist die umdichtung nicht geschickt gemacht, denn wie lolaos trotzdem als ’Ipsxisidns und παῖς ἀμύμονος ᾿Αλκεΐδαο (des Amphitryon) neben Herakles auftreten kann, hat der dichter nicht erklärt. Iolaos hatte in Theben grab und οὐδέ und fest. seine verbindung mit Herakles ist das

Der name. 295

vermuten, dafs Ειφεκλῆς der argolische name ist, welcher durch Ἡρακλῆς ersetzt ist, so dafs die Boeoter, so lange sie sich gegen die argolische sage sträubten, den vertreter derselben ihrem 4ixaZoc unterordneten. ' wie dem auch sei: selbst für die urzeit des ungeteilten volkes dürfen wir glauben, dafs der träger der sage statt Frobert ein Ellenbert oder Starko aus dem geschlechte der Starkunger gewesen ist.

Von natur gehen sich Hera und Herakles nichts an, ja sie mufsten sich zunächst feindlich sein, da die Heraklesverelirer sich mit gewalt zwischen die Heraverehrer eindrängten. deshalb gibt die argolische sage den Herakles dem hasse Heras während seines erdenlebens preis und stellt seine aufnahme in den himmel als eine aussöhnung mit der argo- lischen göttin dar, die ihm ihre tochter zum weibe gibt. aber nur so lange als hellenisch und dorisch als scharfe gegensätze von den dorischen herren der Argolis empfunden wurden, konnten sie sich darin gefallen, den hafs ihrer vornehmsten göttin gegen ihren vornebmsten helden aus- zumalen. so kommt es, dafs wir zwar in der Ilias manches der art lesen, in welche es ersichtlich durch die südasiatischen Dorer gelangt ist, die ja aus der Argolis stammten. aber die sagen, in welchen sonst Heras einwirkung besonders hervortritt, der kindermord, die schlangen- würgung, die sendung des krebses im hydraabenteuer*), sind erweislich nicht argolisch, und gerade die haupttaten, löwe, Triton, Giganto- und Kentauromachie, Geryones und Hesperidenfahrt wissen nichts von Heras groll. es ist das begreiflich. die neidische stiefmutter war ein sehr frucht- bares motiv für dichterisches spiel und ist in dieser weise fortdauernd ausgenutzt worden. aber in Argos war der feind Heras längst “Heras ruhm’ geworden. es ist durchaus wahrscheinlich, dafs die ausgebildete

abbild der kampfgenossenschaft, die im ἱδρὸς λίχος fortlebte. wo er in der sage auftritt, ist thebanischer einflufs sicher. man wird in ihm entweder wirklich einen führer der einwandernden Boeoter oder den vertreter eines ihrer stämme anzuerkennen haben. bedeutsam ist der namensanklang von βεύλαος an Fıiöissa, die tochter des Eurytos von Oichalia: aber eine verbindung lälst sich nicht erkennen.

49) Dem krebse entspricht das eingreifen des lolaos; diese fassung ist also thebanisch. sie beherrscht die bildende kunst seit dem ende des siebenten jahr- hunderte, wie namentlich das attische giebelrelief beweist. und die in nebendingen selbst ganz feste bildliche tradition bezeugt ein einflulsreiches gedicht: schon Hesiodos selbst (theogon. 314) hat es gekannt, da er den zorn der Hera und die beteiligung des lolaos erwähnt. Herakles führt übrigens das schwert selbst bei diesem kampfe. die vergiftung der pfeile ist also vielleicht etwas secundäres; dann also auch die gewöhnliche form der peloponnesischen Kentauromachie, welche die vergifteten pfeile voraussetzt. in diesem falle würde es nahe liegen, Stesichoros diese wendung zu- zuschreiben.

296 Der Herakles der sage.

argolische Heraklee (der dodekathlos) ihren zorn nur zur motivirung der dienstbarkeit des Herakles benutzt hat.

Die diens- Diese konnte nicht aufgegeben werden, obwol sie eine neubildung von lediglich geschichtlicher bedeutung war. denn sie legitimirte die dorische herrschaft. es war unvermeidlich, dafs Herakles auf alle länder alte rechtsansprüche haben mulste, die seine nachkommen beselzten. so ward er denn hier an die alten eingebornen heroengeschlechter ange- gliedert, wie nicht anders möglich, durch seine mutter, so dafs er ein nachkomme des Perseus, und Tiryns seine heimat ward. da er gleichwol nicht zu einem alten landesherrn werden konnte, seine nachkommen auch Argos den Persiden erst mühsam abgenommen hatten, so ergab sich, dafs ibm sein erbe wider das recht vorweggenommen war, und das eben hatte Hera verschuldet, so dals er während des lebens dem schlechteren manne dienen mulste. die rhodische überlieferung, die wir in der Ilias lesen, hat das schon mit lebhaften farben durchgeführt”). und der jämmerliche feigling Eurystheus, Sthenelos sohn®'), sammt seinem herolde “Dreckle' (Korpevs), sind zu ausdrucksvollen burlesken figuren geworden, an denen sich der Dorerhochmut gütlich tat, der auf seine periöken schnöde herabsah. trotzdem blieb Admata, Eurystheus tochter, als Hera- priesterin immer eime würdige figur*).

50) 799 nennt als geburtsort Theben. aber das kann man nicht umhin für eingeschwärzt aus der späteren sage zu halten. es ist gar nicht zu verstehen, wie Eurystheus über das kind eine macht haben soll, welches in der fernen stadt gebosen wird, und ausdrücklich handelt es sich um die herrschaft über die 4pydıos (123), zu denen Theben nicht gehört. sonst illustrirt die sage auf das trefflichste die ver- fassung zur zeit der geschlechterherrschaft: der ἄρχων τοῦ γένους, hier τῶν Διογενῶν, übt eine sehr reale macht. der rhodische einflufs hat in einem punkte sich immer behauptet: Alkmene ist Elektryons tochter geblieben, und eo ist sie doch nur genannt worden, weil sie in Rhodos mit Alsszowva, der auf dieser wie auf vielen inseln verehrten vorhellenischen göttlin, ausgeglichen war. vgl. Hermes XIV,

51) Sthenelos ist in dieser reihe ein füllname. und doch ist er der eines der vornehmsten helden für die aus der Argolis nach Asien ausgewanderten Hellenen:: dort ist er sohn des Kapaneus und epigone.

52) Nicht nur in Argos, wofür namentlich die farnesische tafel zeugt, sondern auch in Samos hat man sie als trägerin des Heradienstes verehrt (Menodotosv. Samos bei Athen. XV 672). es ist für die religionsgeschichte sehr wichtig, die an sich ein- leuchtende tatsache also bezeugt zu erhalten, dafs Samos den Heradienst aus Argos erhalten hat. in der tat ist Hera 4eysin und ursprünglich nur Apysin: nur bedeutet ᾿Ἄργος natürlich auch in der ableitung den Peloponnes. den lason beschützt sie als Korintherin. ob auf Euboia der name alt ist, ist fraglich. übrigens sollte doch feststehen, dals die grundform hr,era (nicht hagza) ist; und da liegt der stamm vor,

Die dienstbarkeit. Ber. in Theben. 297

Aufserhalb von Argos hat weder die abstammung aus dem blute des Her.

Perseus noch die dienstbarkeit irgend welche bedeutung. aber obwol gerade in Boeotien der cultus der Alkmene so lebhaft war wie nirgend sonst”), Theben die geburtsstätte des Herakles ohne widerspruch geworden ist, seine erzeugung und scine jugend durch boeotische dichtung ver- herrlicht ward, hat doch sehon ehe unsere tradition beginnt der über- mächtige einfluls der argolischen sage gesiegt, oder vielmehr einen com- promils erzwungen. Alkmene war und blieb eine Tirynthierin, und eben daber sollte auch der irdische vater des Herakles stammen, den er in Amphitryon erhielt. dieser hatte in wahrheit gar nichts in Argos zu suchen, sondern war ein tbebanischer held. der zug Amphitryons gegen die Teleboer oder Taphier, der ganz ungewöhnliche uad unverständliche völker- und machtverhältnisse voraussetzt, die verbindung mit Kephalos von Thorikos, die jagd des teumesischen fuchses, das sind sagen die schon im 5. jabrhundert halb verklungen sind, um so mehr aber beweisen, dals Amphitryon eine selbständige bedeutung neben Herakles gehabt hat, und für ihn die stellung als nährvater des Zeuskindes ein degradation be- deutete. aus dieser empfindung heraus ist der conflict zwischen Alkmene und Amphitryon entstanden, ein conflict, der für antikes und modernes empfinden ein guter prüfstein ist. wer einfach antik empfindet, wird den gatten, dem ein gott aus seinem weibe einen übermenschlich herrlichen sohn schenkt, demütig und stolz zugleich die gnade hinnehmen lassen, wie Tyndareos, Ariston der vater Platons, Joseph der zimmermann tun. wer modern empändet, wird einen hahnrei sehen: den komisch oder tragisch zu nehmen gleichermalsen eine errungenschaft der christlich germanischen weltanschauung ist. man mufs diesen gegensatz zu verstehen und auch zu empfinden gelernt haben, um das ganz singuläre zu schätzen, das in der Amphitryonfabel lieg. und man mufs die glänzende und völlig ge- lungene leistung Molieres bewundern, aber auch den mislungenen ver- such Heinrichs von Kleist, die ehrwürdige und heilige sage nach ihrem werte verständlich zu machen, bewundern können, damit man die freiheit

der in ἥρως steckt: also zwar nicht lautlich, aber dem sinne nach steht sie als Verio neben Nar Nero, oder noch besser, sie ist frouwwa.

53) Pausan. V 17,8 bezeugt, dafs der samische genealoge Asios unter den kindern des Amphiaraos eine Alkmene nannte. aber dafs diese die mutter des Herakles gewesen wäre, sagt er nicht, und kann man leider nicht annehmen: genealogen pflegen ihre listen mit beliebigen heroennamen zu füllen. an sich würde man sehr gern sehen, dafs die Boeoter ihre ansprüche auf das land des gottes, der mit wechselnden namen ᾿μφιάραος Τρεφώνιος Μελάμπους Acaxinnıös heifst, dadurch begründet hätten, dafs die mutter ihres heros seine tochter gewesen wäre.

in en.

298 Der Herakles der sage.

des sinnes habe, weder blasphemische frivolität in der Amphitryonsage zu finden, noch die romantisch krankhafte gefühlsverwirrung hineinzu- tragen. dann erkennt man zweierlei. erstens, dafs es zu unerträglichen consequenzen führt, wenn ein solcher irdischer vater mehr ist als eine fülligur. Amphitryon ist mehr, und deshalb kann er nicht ursprünglich vater des Herakles sein, hat vielmehr die verquickung zweier ursprünglich selbständiger sagen den keim zu diesen unzuträglichkeiten gelegt. zweitens aber mufs ein grofser, aber die consequenzen auch um den preis der zerstörung des mythos ziehender dichter das Amphitryonmotiv ernst be- handelt haben, ehe die travestie, wie sie bei Plautus vorliegt, sich daran machen konnte. dieser dichter ist nachweislich Euripides gewesen, dessen Alkmene den gatten so weit gehen liels, die ehebrecherin auf den scheiter- haufen zu werfen, dessen feuer die erscheinung des gottes in sturm und hagel löschte. von der sittlichen behandlung des problems können wir aber nichts mehr erkennen). aber Euripides zog auch hier nur hervor, was in der sage lag, und zwar mufs schon vor der knappen darstellung in den hesiodischen Eoeen eine lebhafte dichterische behandlung sowol des Taphierzuges wie der erzeugung des Herakles und auch der ersten tat, in welcher sich das göttliche blut bewährte, der schlangenwürgung, bestanden haben: eine boeotische dichtung®). und da diese in ihrem inhalte zwiespältige motive enthält, so ist eine benutzung argolischer noch älterer dichtung unabweisbar. dafs Zeus zu Alkmene in ihres gatten

54) Der inhalt der euripideischen Alkmene ist von R. Engelmann (zuletzt Beitr. zu Eur. Berlin 1882) erkannt. wenn jüngst jemand behauptet hat, der vers des Plautus (Rud. 86) non ventus fuit, verum Alcumena Euripidis bedeute, personam aut fabulam turbulentam dissolutamque esse, so ist Plautus an dieser windbeutelei unschuldig: der fährt fort ita omnis de tecto deturbavit tegulas. das unwetter ist selbst im plautinischen Amphitruo noch beibehalten.

55) Über den Taphierzug zu v. 60, 1078, wo gezeigt ist, dafs die Eoee (Aspis anfang) nur einen auszug der reichen sage liefert. Pherekydes (schol. 265) ist ihr freilich allein gefolgt. aber von der schlangenwürgung wulste er zu sagen, dafs Amphitryon das ungeheuer geschickt hätte, zu erkennen, welcher der zwillinge aus götterblut wäre (schol. Pind. N. 1, 65). die gewöhnliche fassung dieser sage reprae- sentirt für uns am reinsten Pindar N. 1, allein von ihm weichen die andern zeugen nicht ab, so dafs man in ihm den urheber hat sehen wollen. und thebanisch ist die sage freilich, wie die einführung des Teiresias zeigt; prägen doch auch die Thebaner den schlangenwürgenden Herakles im 5. jahrhundert auf ihre münzen. aber das pindarische gedicht hat zwar dem Theokrit und Philostratos vorgelegen: dafs es die vulgatsage beherrscht hätte, ist minder glaublich, als dafs im 5. jahrhundert noch andere aufser ihm ein boeotisches epos benutzt hätten, dem eben auch der Taphierzug angehört haben wird.

H. in Argos. der dodekathlos. 299

gestalt herabgestiegen ist und ihr als gewähr für seine gnade einen goldnen becher geschenkt hat, ist allerdings auch noch als peloponnesische tradition nachweisbar).

Auf Argos weist also selbst diese alte verschollene Heraklesdichtung H.in Argos, Boeotiens zurück. die argolischen Ἡρακλέους yoval können wir nicht mehr erkennen, dürfen aber vielleicht annehmen, dafs sie in dem gedichte nicht behandelt waren, das es zu erwecken gilt. denn es ist unmög- lich, hier die sage von dem werke eines dichters zu sondern, welcher sie planvoll und tiefsinnig in festen rahmen gespannt hat. in 10 kämpfen hat er die dienstbarkeit des Herakles zur anschauung gebracht, deren inhalt ist ἐξημερῶσαι γαῖαν. und mit den beiden aus der ursage stam- menden, höllenfahrt und himmelfahrt, hat er den kreis vollgemacht, der dann für alle jahrhunderte gegolten hat, nach dem wir sein werk die altargolische dichtung des dodekathlos nennen wollen. ihr inhalt läfst sich ganz wol angeben, wenn der erzähler die entsagung übt das detail abzustreifen, und der hörer den guten willen mitbringt sich nicht an das detail zu klammern.

Nakt und blos"), wie der mensch aus dem mutterleibe in diese Per dode- welt tritt, zieht der Zeussohn Herakles, geknechtet von dem schlechteren manne, von Mykene zu dem ersten strauls, den er bestehen soll. einen ast bricht er sich im walde, das ist seine wehr. und auch sie versagt gegenüber dem ungeheuer, das es zu bezwingen gilt, dem löwen von

56) Das erstere folgt daraus, dafs Zeus in des gatten gestalt mit Kassiopeia den Atymnios zeugt, also eine rhodische sage, Clem. Rom. hom, 5, 13, Robert Bild und Lied 116. das zweite daraus, dafs der besuch des Zeus bei Alkmene nicht nur auf der altspartanischen basis dargestellt ist (Löschcke de basi Spartana Dorpat 1879, diese darstellung war von den Spartanern aus dem allgemeinen peloponnesischen typenschatze entlehnt, da dieselbe darstellung auch auf der korinthischen Kypsele stand), sondern dafs der becher des Zeus in Sparta gezeigt wurde: man wird sich nun wol hüten, die überlieferung bei Athenaeus 475° anzutasten, der dies aus Charon von Lampsakos erhalten hat. seltsamer weise hat der Thebaner Pindar (Isthm. 7, 5) einen zug erhalten, der geradezu für rhodisch ausgegeben werden muls: Zeus läfst, als er zu Alkmene in Amphitryons haus kommt, um mitternacht gold regnen. 80 geschah es auf Rhodos bei Athenas geburt, und so ist Perseus, der Argeier, erzeugt. das war also in jenes thebanische gedicht aufgenommen: der hagelschlag der euri- pideischen Alkmene ist das widerspiel dieses goldenen regens.

57) Dies ist vielleicht ein zug, den erst spätere, immerhin aber sehr alte, con- sequenz eingeführt hat. denn die kunst bewehrt Her. in beiden ersten kämpfen auch mit dem schwerte. doch kann sie ebenso gut dem heros die gewöhnliche wehr der helden gegeben haben, obwol die alte sage bedeutsam von den künstlichen waffen absah.

800 Der Herakles der sage.

Nemea"), dem bewohner des Apesas, des bergzuges, der des Zeus wiese (vdusa) von dem mykenischen hochlande trennt. aber die faust versagt nicht: sie erwürgt die .bestie, deren vliefs das kleid des helden wird. der nächste zug geht in die Inachosniederung: die wasserschlange von Lerna erliegt der keule. in die benachbarten berge, welche Arkadiens hoch- ebene von Argos scheiden, führt die bezwingung der hirschkuh. sie wird erschlagen, weil sie die argolischen fiuren zerwüblte”). wie die hindin dem löwen, entsprechen die gewaltigen vögel, die auf dem see von Stymphalos schwimmen ἢ, dem lernäischen wassertier. und weiter geht es in der befriedung des Argos, des Peloponneses. der eber, der Arkadiens felder zerstörte, wird bis in den schnee des Erymanthosgebirges verfolgt, wo Herakles den verklamten auf die schulter nimmt; als er ihn heim bringt, kriecht der feige Eurystheus in ein fafs*). vom Erymanthos geht es nach dem westlichen Arkadien, wo die Kentauren der Pholoe zu bezwingen sind®). in diesen sechs kämpfen ist die befriedung des 4oyog vollendet. die folgenden vier führen sie weiter, so weit der horizont der Argolis reicht. aus süden holt Herakles den kretischen stier, aus dem thrakischen norden die rosse des Diomedes, aus dem osten den gürtel der Hippolyte, aus dem westen die rinder des Geryones. das ἐξημερῶσαε γαξαν ist vollbracht. der knechtschaft ist Herakles nun quitt, aber die knechtschaft ist gleich seinem erdenleben. auch das mufs nun zu ende gehen. er hat keinen platz mehr auf der erde, wenn er nichts mehr auf ihr zu wirken hat. und doch hat das gemeine menschenschicksal keine macht über ibn. das Alter“)

58) Dieses hauptabentener haben sich die Boeoter nicht rauben lassen: darum hat der nemeische löwe seinen kithaironischen doppelgänger, den auch des Herakies doppelgänger Alkathoos bezwingt (oben anm. 47).

59) Vgl. zu v. 375.

60) Schwimmvögel sind es in der älteren tradition. und das ist in der ord- nung, denn sie sind ja vertreter eines sees. wie sollten andere vögel ein gewässer vertreten? dem entspricht, dafs Her. sie mit einer schleuder tötet. Gaz. archeol. IE 8. spätere kunst führt auch hier die pfeile ein. die litterarische überlieferung, Peisandros Hellanikos Pherekydes übereinstimmend (schol. Apoll. Rh. 1] 1052.1055. 1088. Pausen. 8, 22), liefs ihn die vögel nur mit einer klapper verscheuchen: sie steht also schon im banne der Argonautensage, welche dieselben vögel auf einer Aresinsel wieder einführte. die Athener verachten dieses abenteuer.

61) Der feste typus der bildenden kunst und die hier am urwüchsigsten hervor- tretende Eurysiheusverachtung beweist, dafs die alte sage hier die kraft gehabt hat, jeder umarbeitung zu spotten. das hat aber bewirkt, dafs das abenteuer minder für das wesen des Herakles selbst bezeichnend schien und daher allmählich zurücktrat.

62) Vgl. zu v. 182.

63) Vgl. zu v. 637. gerade dieser nur in der bildenden kunst rein erhaltene zug ist als argolisch gesichert.

Der dodekathlos. 801

schlägt er nieder, als es ihn heimtückisch in die grube locken will: er ist kein blinder Faust, den die Lemuren ἅδη. und den tod sucht er sich selber auf in seiner höhle: die götter, auf die der Peloponnesier bei schwerem werke vertraut, Hermes der geleiter auf gefahrvoller baka und vermitiler des himmlischen willens, Athana°'), die gewappnete jung- frau des himmels, za der der Dorer vom Helienen beten gelernt hat, stehn dem Herakles bei. er steigt bei Tainaron binab in die hölle, bei Hermion empor mit dem höllenhunde, der vom lichte geblendet heulend entfliebt durch die Kynadra von Argos: er wird dem sieger über den tod nimmer nahen. und nun geht der weg westwärts nach dem götier- garten, Triton und Helios werden bezwungen, der Ladondrache erschlagen, die schicksalsjungfrau bricht selbst den apfel der unsterblichkeit, Athana fübrt den verklärten in den göttersaal, und Hera verlobt ihm ihre tochter, die ewige jugend).

Die bedeutung der eiazelnen sagen ist eine verschiedene. hydra und vögel haben niemals eine andere gehabt als die urbarmachung der ver- sumpften niederung, in welcher die bestien hausen. dem lernäischen sumpfe gilt daneben auch eine fassung der Danaidensage, und noch wer die nachwachsenden köpfe und das ausbrennen zugefügt hat, hat die Heraklessage verstanden. neben der verireibung der stymphalischen vögel steht die einfache angabe, dafs Herakles das βϑάραϑρον des stymphalischen sees angelegt habe, schon bei Hellanikos: also auch dies abenteuer ist ver- standen worden. dagegen ist die hirschkuh frühzeitig in ungemessene ferne gejagt, weil der held sie im laufe einzuholen hatte, und wenn Artemis als beschützerin des wildes genommen ward, verschob sich ihr verhältnis zu dem jäger. der eber ist schwerlich ursprünglich von Herakles gejagt

64) Zu den vasenbildern stimmen die Homerstellen 27367, A 623; allerdings ungenügende zeugnisse für die altargolische sage, da sie der allerjüngsten schicht angehören. indessen liegt in dem wesen und der landschaftlichen geltung der götter nichte, was verböte, die verbindung dem altpeloponnesischen glauben zuzusprechen,

65) Vgl. zu v. 637. “Ha die person ist erwachsen aus dem wesen Heras, die jedes frühjahr wieder jungfräulich wird, und die bildende kunst lehrt am besten, dafs sie zu Hera gehört wie Peitho zu Aphrodite und Nike zu Zeus und Athena. wenn Hebe den göttern bei Homer die himmelsspeise kredenzt, so ist das zwar nur ein ausdruck dafür, dafs die götter durch diese speise ewige jugend haben, aber die jungfräuliche dienerin, die in ihrer mutter hause dienstbereit ist, ist doch die argolische gestalt. ihre vermählung mit Herakles ist deutlich der argolische aus- druck für die erhebung in den himmel; die äpfel habeu damals also schon von ihrer vollen bedeutung etwas verloren. kinder aus der ehe hervorgehen zu lassen, ist widersinnige mythographenfaselei. die ehe mit Hebe aber ist im attischen und koischen culte gesichert.

802 Der Herakles der sage.

worden. denn wenn in Tegea ein eberzahn als reliquie gezeigt ward, und Atalantes heldentat die bezwingung eines ebers ist, gerade eines solchen, den Artemis zur strafe gesandt hat, um die fiuren zu verwüsten, so ist kaum glaublich, dafs dieser eber ursprünglich im fernen Kalydon erjagt war. wir kennen ja doch nicht die originale arkadische geschichte, und als Skopas den tempel der Athena Alea baute, mufste man dort sich den feststehenden epischen vorstellungen beugen. Herakles hat sich also hier in eine hellenische geschichte eingedrängt; aber es ist allerdings so viel von neuem und echtem zugefügt, dafs die entlehnung kaum noch be- deutung hat. ebenso steht es mit der eleischen Kentauromachie. dagegen sind stier und amazonen zwar keineswegs jüngere erfindungen, da sie in der bildenden kunst der archaischen zeit genugsam vertreten sind, aber die attische zeit hat sie mit recht entweder fallen gelassen oder umgebildet, weil sie einem helden huldigte, der bessere ansprüche als der Dorer hatte, Theseus von Trozen. das weils jetzt jeder, dafs Theseus fast alle die taten, durch welche er zum ἄλλος Ἡρακλῆς wird, von diesem geborgt hat. aber der zug nach Kreta und die Amazonomachie gehören ihm an, der erste, weil er allein mit Minos und Ariadne und Phaidra und Amphitrite verknüpft ist, und weil in seiner sage der stier noch die altertümlichere mischgestalt bewahrt hat, die aber auch in einer gegend, allerdings einer altionischen und für die Theseussage neben Trozen allein stark einflufsreichen, der blofsen tiergestalt gewichen ist. denn der marathonische stier ist nicht eine nachahmung des von Herakles gejagten Kretischen, sondern beide sind auf den Minotauros zurückzuführen. die Amazonen dagegen sind in der Tlieseussage zunächst gegner, die nicht aufgesucht werden, sondern selbst kommen, weshalb der ort des kampfes auch Trozen selbst und Athen ist. auch die asiatischen Amazonen über- fallen die Griechenstädte oder zieben wider sie vor llios. man ist also verpflichtet, wirklich in diesen traditionen den reflex von angriffen fremder völker, über deren nation nichts feststeht, auf die küsten des saronischen meeres zu sehen, weshalb denn auch Amazonengräber bei Megara liegen, demselben Megara, das Minos so gut wie Athen bezwungen hat. also hat Theseus in diesen beiden sagen das bessere recht, und es ist wahrlich nicht wunderbar, dafs die Dorer von den ihnen so nahe wohnenden trozenischen loniern solche sagen auf ihren helden übertragen haben. wohin die altargolische sage die Amazonen verlegte, von denen Herakles den gürtel für Eurystheus tochter oder für Hera holte“), ist bisher nicht ermittelt.

66) Vgl. zu v. 417.

Der dodekathlos. 303

Auch wo die Thraker wohnen, von denen Herakles die rosse holt, ist zunächst nicht zu sagen. denn der ansatz bei den Bistonern ist eine umbildung unter ganz bestimmtem geschichtlichem einflusse”), und die ältere erzählung fehlt. nur so viel ist klar, dafs der besitzer ein Thraker gewesen sein muls, denn dieser anhalt ermöglichte die verschiebung des abenteuers in den hohen norden. und da liegt es sehr nahe, die Thraker, welche die argolische sage meinte, in der näbe zu suchen: am Kithairon und Helikon. dort ist für die Athener wenigstens auch Thrakien ge- wesen®®). die rosse sind nicht ungeheuer, welche vertilgt werden sollen, sondern sie werden geholt als ein köstlicher besitz, und man leitet die pferderace des ἕπσπεεον “4ργος von ihnen ab”). dafs sie menschenfleisch fressen erhöht nur die vorstellung von ihrer ungezähmten wildheit und von der kraft dessen, der sie vor den wagen gespannt hat. ihr besitzer ist ein böser könig aus nordischem geblüte, führt aber einen hellenischen namen, und zwar den des altargolischen helden aus nordischem geblüte, von welchem Homer den erwerb und besitz der edelsten rosse ausführ- lich berichtet. es hat gar nichts auffallendes, wenn die Dorer, welche Sthenelos zum vater des Eurystheus machten, Diomedes als feind des Herakles einführen und seine rosse ihrem heros zum preise geben. dafs die personen unterschieden wurden, sobald Homer sich auch die dorische phantasie unterwarf, ist ebenso natürlich. nun kommt aber hinzu, dals menschenfressende rosse wirklich auf dem boeotisch-thrakischen gebiete erscheinen, in Potniai, wo sie Glaukos von Korinth zerrissen haben, also einen gefreundeten des Diomedes, und dafs der zusammenhang der rosse des Glaukos mit denen des Diomedes auch in der mythographischen tradition spuren hinterlassen bat’). können wir also auch die argolische

67) Vgl. zu v. 380.

68) Auch wer die realität dieser helikonischen Thraker durch Orpheus, Eumolpos, Tereus, Musen und Dionysoscult nicht erwiesen glaubt, mufs aus den attischen sagen die annahme mythischer Thraker in dieser gegend für das angehende 6. jahr- hundert doch zugeben, und kann diese mythischen Thraker gut und gern auch in älterer sage leben lassen. es ist die autochthone bevölkerung, gegen die ebensowol die Boeoter wie die Korinther wie die Eleusinier sich wenden mulsten, verwandt den Graern.

69) So erzählt nicht nur Matris (Diodor IV 15), sondern auch die hübsche geschichte vom equus Seianus, die Gellius III 9 nach Gavius Bassus erzählt, setzt den lebendigen glauben für die ciceronische zeit voraus.

70) Auch Glaukos nährte seine rosse mit menschenfleisch: so Asklepiades von Tragilos bei Prob. zu Verg. Gerg. Ill 267, wo die verschiedenen scholienredactionen reichliches beibringen, darunter auch die identificirung der pferde des Glaukos mit denen des Diomedes. und Glaukos heifst selbst ein Thraker, schol. Eur. Phoen. 1124.

804 Der Herakles der sage.

sage selbst unmöglich herstellen, so ist doch die gegend, sowol räum- lich, wie metaphorisch im reiche der sage, nachgewiesen, wo die sage hingehört.

Dafs Herakles einem im fernen westen hausenden riesen unzählige rinderherden fortgetrieben hat, konnte oben schon in den urbestand der Heraklessage eingereiht werden, weil es in verschiedenen varianten vor- liegt. in der argolischem sage war das land, Erytheia, uad die furchtbare gefolgschaft des riesen, auch sein name Tapvrovag bereits gestaltet: das kennt wenigstens schon Hesiodos (theog. 287). aber wo dieses mythische westland gedacht war, bleibt für jetzt besser dahingestellt. noch Hekataios legte es nach Epirus; es gibt spuren, welche sogar auf den westrand des Peloponnes zu deuten scheinen. gerade dieses abenteuer ist den späteren durch das gedicht des Stesichoros, welcher manche züge der Hesperidenfahrt hinein zog, in einer ganz neuen anziehenden form geläufig geworden.

Das bewulstsein, dafs nur die 10 abenteuer das leben und die dienst- barkeit des Herakles angehen, ist noch der späten mythographischen über- lieferung nicht verloren. sie schwankt aber in der anordaung der äpfel und des Kerberos. selbstverständlich mulste die höllenfahrt an die letzte stelle rücken, sobald die äpfel nicht mehr die kimmelfahrt bedesteten. dafs sich die ältere ordnung trotzdem vielfach behauptet hat, zeugt für die zähigkeit der tradition in diesem hauptstücke”').

Die öffentliche meinung verwirft jetzt die annahme eines alten cyclus, wie er hier mit zuversicht auf Argos und auf das 8. jahrhundert zurück- geführt wird”). man hält sich zunächst daran, dals ein für die Herakles-

geradezu versetzt Eustathius zu B 503 die rosse des Diomedes nach Potnisi, aber das ist verwirrung: in seinen quellen, Strab. 409 und den Earipidesscholien, steht es nicht. der inhalt der aischyleischen tragödie Γλαῦκος Ποτνεεύς ist ganz unbekannt.

11) Die farnesische tafel, Dioder und auch die apollodorische bibliothek in älterer fassung (Bethe quaest. Diod. 43), sind in der anordnung der äpfel an letzter stelle einig. es muls das also als die vulgata der mythographie gelten, und da die poeten meist abweichen (weshalb denn auch nicht nur Hygin, sondern auch die vor- liegende bearbeitung des Apollodor die heiden letzten taten vertauscht hat), 80 mufs für sie ein autoritativer vorgänger, der die bedeutung der sage noch begriff, angenommen werden. man denkt natürlich an Pherekydes; aber aus dessen bruch- stücken läfst es sich nicht beweisen.

12) Kein geringerer als Zoega hat den cyclus der 12 kämpfe für ganz spät erklärt (bassoril. II 43), kein geringerer als Welcker hat ihn auf die Heraklee des Peisaudros zurückgeführt, welche er geneigt war sehr hoch zu schätzen (kl. schr. 183). letzterer aufsatz ist das wertvollste, was Welcker zur Heraklessage geschrieben hat; in der Götterlehre hat er diese gestalt ganz verkannt. Zoega hat den grund

Der dodekathlos. 805

sage kanonisches epos nicht existirt hat, am wenigsten im Peloponnes. auch die bildende kunst, die von einzelnen scenen ausgeht, kann keinen cyclus beweisen, denn für sie überwiegen künstlerische rücksichten, selbst wenn sie mehrere taten zusammenstellt. sie kann ihn aber eben deshalb auch nicht widerlegen ; das alter der einzelnen taten bezeugt sie dagegen vollauf. aber diese taten sind teils wirklich als einzelne ursprünglich ge- dacht, teils ist man jetzt geneigt sie zu vereinzeln. wenn die stymphalischen vögel sturmdaemonen, der erymanthische eber ein bergstrom, die hindin eine jagdbeute des sonnengottes, Geryones der winter ist, so hat in der tat die verbindung solcher abenteuer keinen inneren wert, und wenn Herakles ein gott ist wie Apollon oder ein heros wie Theseus, so löst sich die Heraklee in ἐπεφάνειαι ρακλέους entsprechend den ἐπεφάνειαι ᾿Απόλλωνος ἢ) auf, oder sie erscheint so compilatorisch wie die Theseus- taten. dagegen fordert die hier vorgetragene ansicht von der Herakles- religion eine zusammenhängende lebensgeschichte, führt also von selbst zu der neigung, dem in der späteren zeit geltenden cyclus ein möglichst hohes alter zuzuschreiben. aber die neigung ist kein ersatz für den beweis. er lälst sich mit aller wünschenswerten sicherheit fübren.

Die zwölfzahl der kämpfe kennt Euripides im Herakles. die zwölf kämpfe selbst bezeugen 50 jahre früher die metopen des olympischen Zeustempels. sie haben eine durchschlagende bedeutung erlangt, denn um ihretwillen hat der mythograph, der für die nachwelt bestimmend blieb, die aller älteren poesie und bildenden kunst fremde speciell eleische sage von den ställen des Augeias an stelle der Kentauromachie aufge- nommen, welche die Eleer in den metopen fallen lassen mufsten, weil sie für den westgiebel eine Kentauromachie gewählt hatten’‘). aber dafs

für die mythographische wie die monumentale forschung ‚auch auf diesem sagen- gebiete gelegt. seine arbeit ist auch jetzt noch reiner genufs für den leser.

13) Beide titel sind für werke oder teile eines werkes von dem Kallimacheer Istros bezeugt; die dp. Ἡρακλέους kürzlich durch ein bruchstück des Zenobios bei Cohn (Zu den paroemiogr. 70) bekannt geworden. die Heraklesgeschichte (dasAörspos τοῦ παρακύπτοντορ) ist in wahrheit die erklärung eines naturspiels an irgend einer tropfsteinhöhle, aber der ort fehlt, und damit die hauptsache. dafs Istros eine zusammenhängende darstellung der Heraklestaten gegeben hätte, ist nicht glaublich.

14) Was dieser giebel darstellt, ist gänzlich ungewifs. Herakles ist nicht zu erkennen, die überlieferte deutung auf Theseus und Peirithoos verkennt notorisch eine hauptfigur und kommt offenbar nur daher, dafs eine Kentauromachie, auf welcher Herakles fehlt, die thessalische sein müfste. an diese in Olympia, unterhalb der Pholoe, zu denken, ist eine tollheit, zu der nur ein archaeologe kommen kann, der nichts von geschichte weils. dargestellt ist die eleische Kentauromachie in der form welche Herakles erst verdrängt hat. unmittelbar überliefert ist diese nicht,

v. Wilamowitz 1. 20

806 Der Herakles der sage.

lediglich die metopen, also die willkür jener peloponnesischen künstler oder ihrer auftraggeber der gesammten mythographie Jen ganzen cyclus aufgezwungen hätte, ist an sich eine ungehbeuerliche annahme, und selbst an dem einen stücke lälst sie sich widerlegen: denn die mythographie hat zwar die ställe aufgenommen, aber die Kentauromachie nicht auf- gegeben, sondern nur in anorganischer weise als beiwerk bei dem eber untergebracht. somit hat der cyclus der 12 taten um 480 im Peloponnes kanonische geltung gehabt. auch Euripides stimmt zu Olympia nicht blofs in der zahl, sondern in neun kämpfen. neun hat auch das Theseion, an welchem die Kentauren aus demselben grunde wie in Olympia fehlen mufsten. an ihrer stelle erscheint der von Euripides fortgelassene eber, der also schon damals :mit diesem abenteuer wechseln konnte, wie in der mythographie. in wahrheit bezeugt also Athen 10 von 12, und die fehlenden, vögel und stier, fellen aus bestimmtem besonderem grunde. nun tritt aber die mythographie, und zwar auschlaggebend hinzu. wer mit diesem factor wirklich zu rechnen gelernt hat, kann darüber in zweifel sein, ob nicht alle erzähler der Heraklestaten den cyclus fest- gehalten haben: dafs er bei Pherekydes gestanden hat, kann er nicht bezweifeln, und er weils dann, dafs wol das beste zeugnis, das aus dem 5. jahrhundert für die geltende sage beizubringen ist, diesen cyclus voraus- setzt aber noch mehr: er hat für die ganze folgezeit gegolten. so steht es: selbst gigantomachie, eroberung Oichalias, bezwingung des Acheloos sind πάρεργα geblieben. man hat sich mit dem widersion abfinden müssen, dafs ein wildschwein und ein bulle mehr bedeuten als die be- friedung des westens und die eroberung von Troia.

Zunächst ist damit nur bewiesen, dafs der cyclus aus der archaischen zeit stammt. nun ist er aber auch eine wirkliche einheit und ein wirk- liches ganze, kein ungefüges conglomerat einzelner taten. ein gedanke beherrscht ihn, Herakles ist der wehrhafte mann, der den frieden und wolstand seines landes sichert: μοχϑήσας axuuov’ ἔϑηκεν βίοτον βρο- τοῖς, πέρσας δείματα ϑηρῶν. er selbst baut den acker nicht, aber er gibt den ackerbauern die sicherheit, ihrem geschäfte nachzugehen: das liegt den ersten sechs kämpfen allen zu grunde. so ist Herakles das rechte idealbild eines streitbaren adels, der über perioeken herrscht, des wehr- standes, der die schlachten schlägt, während die bauern ibn nähren. seiner hand stehen die schätze aller himmelsrichtungen zu gebote; ihm gehört sie ist aber vielleicht zu finden. übrigens haben die leute von Phigaleia auf dem

friese ihres Apollontempels dieselbe Kentauromachie verstanden, mochten auch die athenischen künstler eine andere gemeint haben.

Der dodekathlos. 807

die welt, wenn er nur will: das liegt in den vier letzten aufırägen allen. und auch die auffassung von der person des helden geht durch alle gemeinsam durch. er ist nicht mehr bogenschütze, er ist auch nicht hoplit: er greift jede aufgabe an, wie es am besten gelıt, er würgt den löwen, läuft hinter der hindin, jagt den eber in den schnee, wirft mit der schleuder hinter den vögeln, schiefst den flüchiigen Kentauren, schlägt Geryones mit der keule nieder. die mannigfaltigkeit der kämpfe trotz ihrer inneren gleichheit bezeugt nachdrücklich eine einheitliche über- legende dichtung. wichtiger noch ist, dafs der cyclus das ganze leben füllt. er reicht ja von der ersten tat bis zum eingang in den himmel. wie kann man darin planvolle dichtung verkennen? es ist wahr, die mytho- graphische überlieferung setzt vor den dodekathlos die boeotische kind- heitsgeschichte und hinter ihn den tod auf dem Oeta und was dazu gehört. aber das sondert sich nicht schwerer ab als jedes einzelne szapseyov. es ist doch wol ein widersinn, dafs der Herakles, der wider den nemeischen lüwen auszieht, schon Orchomenos bezwungen, den dreifufs geraubt, kinder ge- zeugt und erschlagen hat, ja sogar schon das fell des kithaironischen löwen trägt. noch viel übler ist der anschlufs der oetaischen sagen am schlusse. durch sie ist ja der sinn der beiden letzten taten, höllen- und himmel- fahrt, überhaupt zerstört worden, so dafs sie auf den rang der tierkämpfe hinabgedrückt werden. hat man deren echte bedeutung ernsthaft erfafst, so ist damit entschieden, dafs der dodekathlos als ein selbständiges ganzes neben den andern Heraklessagen steht, folglich längst bestand, ehe die mythographen ihre compilatorische tätigkeit begannen, und da ihnen schon die wirkliche bedeutung dunkel war, so mufs die dichtung selbst weit älter sein. sie haben ja aber auch eine anzahl der taten, hydra Amazonen Tosse Geryones, in einer schon stark umgearbeiteten form naclı- erzählt, so dafs uns zum teil das original ganz unkenntlich ist; die hydra z. Ὁ. war vor 600 schon in einer solclien umarbeitung ganz geläufig, und die höllenfahrt schon damals als auftrag des Eurystheus bekannt: das schiebt das originalgedieht ganz beträchtlich in der zeit hinauf.

Doch für die zeit der entstehung zeugt am sichersten der geogra- phische horizont, der für den dodekathlos gilt. Mykene und seine nachbar- schaft bis an die Pholoe hin, das ist dem dichter wirklich bekannt: jenseits dieser engsten grenze beginnt mythisches oder halbmythisches land. Kreta und der problematische begriff Thrakien sind die einzigen namen, die sonst vorkommen: und Kreta wenigstens ist aus fremder sage herübergenommen. dafs die originale fassung der letzten vier aufträge nicht recht deutlich ist, verschlägt für dieses allgemeine verhältnis gar nichts. spielen doch

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Die Herakleen.

908 Der Herakles der sage.

selbst Sparta Messenien Olympia Theben Delphi Athen nicht hinein. und doch haben sich die argolischen ansprüche auf die hegemonie der halb- insel in Heraklessagen niedergeschlagen, hat der argolische Herakles Hip- pokoon Eurytos Neleus die Molioniden bezwungen: davon ist in diesem cyclus keine spur. da mag man manches auf den willen des dichters setzen, der in der tat die religiöse figur des so zu sagen universalen heros darstellen wollte, nicht den vertreter des Dorertums (um so sichrer mufs, wer so schliefst, an einem bewufst gestaltenden dichterwillen fest halten): auf die zeit und den ort, wo man so dichten konnte, bleibt der schlufs unbeeinträchtigt. ja man mufs sagen, dafs die stadt Argos, die doch, so weit wir die geschichte kennen, das centrum des Dorertums ist. neben Mykene so gut wie gar nicht in betracht kommt, so dafs man in versuchung ist, geradezu einen Dorer aus Mykene als dichter anzu- nehmen. wer diese verhältnisse abzuwägen urteilskraft kenntnis und guten willen hat, kann gar nicht anders urteilen, als das 8. jahrhundert als untere grenze für die entstehungszeit dieser grolsartig einfachen dichtung anzusehen. |

Das versteht sich von selbst, dafs diesem dichter auch schon geformtes material vorlag. die alte sage seiner ahnen und eltern lieferte ihm das beste. einzelne taten sind ohne frage schon vorher erzählt, denn sie erwuchsen aus den concreten örtlichen verhältnissen. andere übernahm er aus anderen sagen. es kann ja jemand sagen, dafs ihm zehn kämpfe (ohne stier und Amazonen) oder neun (auch ohne die rosse) einen älteren stamm zu bilden schienen. das mag er zu beweisen versuchen, der beweis mag auch gelingen: daran ändert er nichts, dafs eine dichtung von Herakles leben in so aller zeit, in der Argolis, mit der bestimmten tendenz und mit dem durchschlagenden erfolge anzunehmen ist. und diesen erfolg hat erst der dodekatlılos gehabt.

Unabweisbar tritt da die frage hervor: welcher art war die form der dichtung, und wie ist der dichter zu denken? die antwort wird unbefriedigend lauten, aber der versuch mufs gemacht werden. zunächst fragt man nach den Heraklesepen, von denen uns eine kunde geblieben ist. wir wissen sehr wenig, aber genug, um sie alle auszuschliefsen. in den romantischen bestrebungen des 3. jahrhunderts, die bei den kleinasiatischen Dorern besonders lebhaft waren, hat man auf Rhodos ein nicht eben umfang- reiches altes gedicht hervorgezogen, von dem in älterer zeit nicht die leiseste spur ist. die Rhodier schrieben es jetzt einem gewissen Peisandros von Kamiros zu und setzten dem plötzlich auftauchenden dorischen Homer eine statue. die grammatiker wufsten wol, dafs dieser verfassername nicht

Der dodekathlos. die Herakleen. 309

mehr beglaubigung hatte als die allmählich für viele stücke des home- rischen nachlasses hervorgesuchten ; indessen haben sie das gedicht ge- schätzt und für mythographische dinge, vereinzelt auch für anderes ein- gesehen. über die zünftigen kreise ist es jedoch nicht hinausgelangt. den poetischen wert können wir nicht schätzen. immerhin gestatten die reste den schlufs, dafs es nicht älter als das 6. jahrhundert gewesen sein kann”). also zeit und ort der entstehung würde die von Welcker ver- mutete herleitung des dodekathlos aus diesem epos ausschliefsen, gesetzt auch, es hätte für die verbreitung und gestaltung der sage überhaupt nachweisbaren einflulfs gehabt wovon doch nicht das mindeste bekannt oder wahrscheinlich ist. aber enthalten hat es allerdings den dodekathlos”®), wie von dem hier vertretenen standpunkte aus auch ohne zeugnis an- genommen werden würde. das ist die einzige Heraklee der archaischen zeit, von der wir wissen. ein par gar nicht näher zu bestimmende notizen von anderen Herakleen helfen nicht weiter”). die nach den spärlichen proben äufserst anmutige umfangreiche dichtung des Halikarnassiers Panyassis gehört in das 5. jabrhundert und hat weder auf den attischen culturkreis noch gar auf die durch ihre nationalität mit Herakles ver- bundenen völker gewirkt. der verfasser trägt einen karischen namen und ist aus einer ganz ionisirten stadt; was er von stoff neu zugeführt hat, sind karische und Iykische sagen: für das echtdorische ist also von ihm nicht viel zu erwarten. im übrigen liegt der beste beweis für das fehlen eines malsgebenden Heraklesgedichtes darin, dafs sich ein ionisirter Karer im fünften jahrhundert diesen stoff wählt, der also keine Ilias post Home-

75) Das gedicht, welches unter der statue stand, Anth. Pal. IX 598, und wol wirklich von Theokrit ist, ist das beste geschichtliche zeugnis. die wertlosigkeit des autornamens gesteht Eratosthenes, vgl. Homer. Unt, 347. für die zeit ist wesent- lich 1) das abenteuer des Antaios in Libyen, also nach der colonisation von Kyrene (schol. Pind. Pyth. IX 183), 2) die beteiligung von Telamon an dem zuge gegen Troia (Athen. XIcap.25), wo er bereits das ἀριστεῖον erhält, also aeginetische tendenz, 3) die feste einführung der tracht des Her. mit löwenhaut und keule, vgl. Furtwängler bei Roscher Mythol. Lex. 2143. Megakleides (Athen. XII 513) hat den Peisandros entweder für jünger als Stesichoros gehalten oder, was ungleich wahrscheinlicher ist, gar nicht gekannt.

76) Wenn Theokrit als inhalt angibt ὅσσους ἐξεπόνησεν εἶπ᾽ ἀέϑλους, und Suidas ἔστι δὲ τὰ Ἡρακλέους ἔργα, so kann man das nur leugnen, wenn man den berichterstattern den glauben versagt oder die worte umdeutet.

77) Der scholiast zu Apollonios (l 1165 und 1357) citirt für pontische dinge eine Heraklee, deren verfasser einmal Κόνων, einmal Κιναίϑων heifst. das bleibt ganz unklar; der inhalt setzt die gründung von Herakleia voraus. Aristoteles (poet. 8) kennt vielleicht mehrere Herakleen, aber nicht einmal die mehrzahl ist unzweifelhaft.

310 Der Herakles der sage.

rum war. litterargeschichtlich ist nicht so wol das gedicht bedeutsam als die tatsache, dafs sich schon zu Sophokles zeit jemand an dieselbe aufgabe macht, an der sich, als das epos neubelebt wird, Diotimos von Adramyttion’*), Phaidimos von Bisanthe””) und Rhianos von Bena ver- suchen, auch sie ohne erfolg; obwol Rhianos, der in anziehender weise die vorliebe für das rauhste altertum mit der pflege des raffinirtesten modelebens zu verbinden wulste, die bedeutung der zwölfkämpfe ver- standen hat”), so dafs man bei ihm vielleicht alte traditionen finden

78) Der von Arat (z. b. bei Stephanus s. v. Γάργαρα. alle citste gehen auf Epapbroditos zurück) verböhnte dichter, dessen zeit und vaterland so bestimmt wird, hatte ἀϑλα Ἡρακλέους verfafst. erhalten ist nur ein citat über die Kerkopen durch einen paroemiographen (ob Zenobios, ist fraglich) bei Suid. Εὐρύβατος und in den Wiener Lukianscholien zum Alexander. dann hatte ein alter mythograph die leitende erfindung des Diotimos ausnotirt, dafs Her. aus liebe zu Eurystheus die arbeiten vollbracht hätte. auf ihn gehen durch verschiedene canäle zurück Athen. ΧΙ 6034, schol. Του). zu O 639, Clemens Rom. hom. V 15. epigramme des Diotimos hatte Meleager anfgenommen (γλυκὺ μῆλον dr’ ἀκρεμόνων Διοτέμου in seiner vorrede 27). davon sind erhalten A. P. VI 267, 358, VII 227, 475, 133. denn IX 391 Plan. 158 gehören dem spätling aus Milet, von dem Philippos V 106 erhalten hat. VII 261 möchte man dem Δεύτεμος Διοπείϑους ᾿ϑηναῖος geben, den Meleager VII 420 nennt.

79) Die herkunft war unsicher; Herennius Philo bei Steph. Βισάνϑη. Meleager hat ihn ausgezogen und vergleicht ihn mit pÄoE (51). erhalten sind durch ihn vier gedichte, von denen XJll 2 in Athen verfafst ist. die polymetrie veranlafst, den dichter noch in das 3. jahrhundert zu setzen. aus der Heraklee ein vers bei Athen. ΧΙ 498 1,

80) Der name des Rhianos ist nur unter einer ἱστορία zu T'119 erhalten, die jetzt niemand mehr für ihn in anspruch nehmen darf, wie Meineke An. Al. 117. sie ist aus dem inhalt der Homerstellen und ein par mythographischen scholien zusammen- gebraut, von denen eines, über die mutter des Eurystheus, daneben rein erhalten ist (in 4 und 7’). auf Rhianos ist nur der letzte satz bezüglich, nnd auch in diesem ist ein irrtum: τοὺς ἄϑλους τελέσας κατὰ τὰς ᾿4ϑηνᾶς καὶ ᾿Απόλλωνος ὑποσχέσεις τῆς ἀϑανασίας μετέλαβεν. denn dieses scholion kehrt im Townl. wieder zu O 639 φασὶν Ἥρας αὐτῷ παραστάσης ἐπιτάσσειν (nämlich Eurystheus), τὸν δὲ Eguoi: καὶ ϑηνᾶς εἰπόντων ὡς διὰ τοῦτο ἔσοιτο ἀϑάνατος καταδέχεσϑαε (es folgt das motiv aus Diotimos Heraklee, das scholion ist also vorzüglich gelebrt). Hermes und Athena sind die geleiter des Her.: Apollon hat da nichts zu suchen. dem com- pilator im schol. zum 7 schien der orakelgott passender. also Rhianos hat genau die stimmung des dodekathlos eingebalten. dafs er gleichwol die selbstverbrennung hatte, darf man aus der erwähnung der Aasinva ὄρη bei Trachis im vierten und letzten buche schliefsen, EM s. v. denn dafs hier ἂν τῷ δ΄ aus τῷ ιδ΄ zu machen ist, nicht bei Suidas βιβλέα δ΄ in «d’ zu ändern, liegt auf der hand. die knaben- liebe, weicher Rhianos in seinen zierlichen epigrammen huldigt, hat er auch in der Heraklee geschmackvoller als Diotimos einzaführen gewufst; auf ihn geht ja die später so geläufige erotische motivirung von Apollons dienstbarkeit bei Admetos

Die Herakleer. 911

könnte; aber er ist so gut wie ganz verschollen. für die archaische zeit wendet man seine augen natürlich auch auf die hesiodischen gedichte, und gewifs hat in ihnen vielerlei gestanden, was Herakles angieng, nur gewils nicht der dodekathlos, ja überhaupt nirgend eine volle lebens- geschichte des helden. das stück der Eoee, das seine erzeugung schildert, und schon die stellen der Theogonie des echten Hesiodos zeigen auf das deutlichste, dafs bevor sie so gedichtet werden konnten, eine überaus reiche und allgemein bekannte Heraklessage in fest durchgebildeter er- zäblung bestand. aber selber liefern sie diese erzäblung nicht: die hesio- dische dichtung gehört ja auch nicht nach dem Peloponnes. ihrem einflufs werden in der Heraklessage vielmehr die erweiterungen des dode- kathlos, meistens sagen von geschichtlichem inhalte, und dann eine anzahl boeotischer und nordgriechischer zusätze verdankt: und die dichter waren sich wol bewufst, parerga zu liefern.

Hesiodos kennt die Heraklessagen als allbeliebte und allbekannte. das ionische epos, von welchem er doch wesentlich abhängt, konnte sie ihm nicht liefern: wo hat er sie denn her? er weist auf eine dorische dichtung zurück, der er zwar nichts von seiner form, aber viel von seinem inhalte schuldet. wie war diese dorische dichtung beschaffen ? niemand kann das sagen, jede spur ist verweht, ist schon zu Aristoteles zeit verweht gewesen; Pindaros Pherekydes Euripides hätten wol noch antwort geben können. mag es eine dorische volkspoesie gegeben haben in unvorstellbarer form, mag es prosaische erzählung, dann aber gewils auch sie in gewisser fester stilisirung, gewesen sein, mögen die edel- knaben beim male die taten der ahnen erzählt baben, wie die greise sie ihnen eingeprägt hatten, mag ein stand von fahrenden verachteten und doch gern gehörten spielleuten neben possenhaften tänzen auch ernste volkslieder vorgetragen haben: das ist verschollen wie das germanische epos der völkerwanderung. aber wie dieses wird das dorische erschlossen, weil seine stoffe auch in veränderter form sich erhalten haben. nicht blofs die taten des Herakles, auch die stamm- und familiensagen, ja selbst geschichtliche überlieferungen, wie die messenischen, zwingen zu der annahme einer solchen poesie. was sie zerstört hat, ist leicht zu sehen. seit 700 und schon früher ist das homerische epos herüber gekommen,

zurück. sie findet sich auch bei Kallim. hymn. 2, 49. aber dieser setzt den zug als bekannt voraus. das deutet darauf, dafs Rhianos ein zeitgenosse des Aratos und Zenodotos ist, nicht des Euphorion, wie bei Suidas steht. in der tat spricht alles gegen diesen späten ansatz, zumal die Homerkritik des Rhianos, und die Suidasdaten sind nirgend so unzuverlässig wie in den dichtern des 3. jahrhunderts.

Kreophylos.

312 Der Herakles der sage.

reich an anziehendsten neuen geschichten, die sich um so eher die herzen eroberten, weil sie vielfach in denselben gegenden spielten, zu denen sie zurückkehrten, vor allem aber in der ausgebildeten bequemen bild- samen form. Chalkis Theben Korinth Delphi hat Homer sehr bald ganz erobert; auch Argos hat homerische dichter gestellt"), auch Sparta viel- leicht). allein recht heimisch ist das fremde im Peloponnes nicht ge- worden, und namentlich den schritt hat man liter nicht ia voller freiheit getan, der in Korinth und nördlich vom Isthmos gelang, die bearbeitung der nationalen stoffe in homerischer form. wie die hellenische cultur loniens sich allmählich das mutterland zurückerobert hat, wie die peloponnesische sprache sitte und religion, so weit sie sich nicht dem ionischen, später dem attischen anbequemen mochte, verkümmert und vergessen ist, so ist es zuerst von allen lebensäufserungen dem peloponnesischen heldenge- sange ergangen. vergessen sind die dichter, nicht nur ihre namen, nein, dafs es sie je gab; vergessen ihre werke, ja, dafs es deren je gab: aber der geist ist nicht sterblich. die seele der dichtung überdauert nicht nur das sterbliche gemächte, den dichter, auch ihr kleid überdauert sie, wenn es nicht durch den göttlichen geist der Muse gefeit ist: all das mag vernichtet werden, wie das irdische des Herakles in dem oetäischen feuer. die Heraklee hat dennoch, wie der ἀνὴρ ϑεός, das ewige leben und die ewige jugend. und wer seinen gedanken nachdenken mag, der wird beroische ehren auch ihm gerne weihen, dem altdorischen dichter des dodekathlos, von dem er nichts weils, dessen stimme vor dritthalbtausend jahren schon verklungen war, weil ihn der hauch seines stolzen und frommen geistes umwittert. und doch ist es nicht eigentlich der dichter, dem wir huldigen, sondern die sage, die durch ihn gesprochen, deren geist auf ihm geruht hat. aber es ist etwas grolses, der prophet der sage zu sein. das volk selbst würde sein köstlichstes kleinod zerstofsen und zerstümmelt haben, wenn es nicht die sorgliche künstlerhand rechtzeitig gefaflst hätte: nun dauert es, mag auch die fassung geborsten sein. ohne den dichter des dodekathlos würden wir schwerlich die Heraklesreligion in ihrem wesen erfassen können.

Das empfindet man am deutlichsten, wenn man einen anderen be- deutenden sagenkreis vergleicht, dessen örtlicher mittelpunkt Trachis ist,

81) Hagias ist als verfasser für mehrere epen genannt, aber auch von 4eyolsxa. vgl. Homer. Unters. 180.

82) Kinaithon wird schon von Hellanikos als verfasser der μεκρὰ Ἰλεάς an- gegeben, später für mehr homerisches, aber auch für genealogien; über das eitat einer Heraklee von ihm anm. 77.

Die Herakleen. Kreophylos. 813

und dessen wichtigstes stück, die selbstverbrennung des siechen Herakles, die oberhand gewonnen hat, so dafs der ausgang des dodekathlos, so viel höher er an innerem gehalte auch steht, ganz und gar in vergessenheit geraten ist.

Es kann und soll hier der untersuchung nicht vorgegriffen werden, ob es schon der Homeride gewesen ist, den man meist Kreophylos von Samos nennt, der dichter der Ἡρακλεία oder Οἰχαλίας ἅλωσις, oder ob erst Sophokles in den Trachinierinnen die geschichten von Deianeira Omphale Iole in einen engen und sinnreichen zusammenhang gebracht hat. wol aber muls hervorgehoben werden, dafs allen diesen sagen eine behandlung gemeinsam ist, welche sie von der herben folgerichtigkeit des dodekathlos eben so weit entfernt, wie sie der menschlich heldenhaften aber liebenswürdig läfslichen weise Homers angenähert werden. erst nach beseitigung dieser anmutigen und poetisch höchst wirksamen neu- bildungen tritt das alte Heraklesbild hervor, das dann freilich die züge gemeinsamer abstammung mit dem des Dodekatblos nicht verleugnet. und in einem ist der oetäische Herakles sogar altertümlicher: seine waffe ist durchgehends der bogen. es hat eben die cultur der peloponnesischen adelsstaaten auf das bergland des Oeta nicht gewirkt, und die homerische poesie hat dem helden, den sie übernahm, seine charakteristische aus- stattung gelassen.

Um diesen sagenkreis überhaupt verstehen zu können, mufs vorab eines beseitigt werden, was von aulsen zugetan ist und alles verwirrt, das Iydische local der Omphalesage. dafs das sich noch allgemein be- hauptet, liegt nicht etwa an irgendwie guter begründung, sondern lediglich daran, dafs seltsamer weise Ὁ. Müller in diesem punkte den orientali- sirenden tendenzen entgegengekommen ist. gewils ist die üppige frau in der löwenhaut mit der keule neben dem helden im weiberrock mit der kunkel in der hand ein hübsches bild, und Priap als dritter im bunde gibt ihm einen besonders pikanten zug. Simson und Delila, Antonius und Kleopatra, Rinaldo und Armida, August der starke und die Königs- marck zeigen, wie fabel und geschichte an diesem motive gefallen haben. aber so hübsch es sein mag: dafs es ernsthaft genommen werden könnte als ein zug der Heraklessage irgendwie ernster zeit, davon ist keine rede. es existirt einfach nicht vor der hellenistischen zeit, derselben die auch Priapos unter ihre götter einreiht, und wer es ernsthaft nimmt, kann mit demselben rechte den Eurystheus zum ἐρώμενος des Herakles machen. zwei ionische dichter des 5. jahrbunderts, Ion und Achaios, haben sich allerdings schon des dankbaren motives bedient, den plumpen Dorer

914 Der Herakles der sage.

Herakles als diener der üppigen Asiatin in einem satyrspiele Omphale einzuführen, und sie bezeugen, dafs damals diese bereits eine Lyderin war, was wegen ihrer descendenz, der Iydischen könige aus Herakles stamme, schon für viel frühere zeit unbestritten bleibt; aber der Herakles des Ion war weit entfernt sich im schofse der wollust zu vergessen. während das übrige gesinde noch in feierlicher stille den sinn auf das opfer ge- richtet hatte, verspeiste er nicht blofs den braten, sondern auch das holz und die asche, auf denen er gebraten war, mit: seine zähne erlaubten ihm diese leistung, denn er hatte drei reihen hinter einander”). also gerade darin lag der reiz dieser spielenden erlindung, dafs Herakles auch als knecht Herakles blieb und seine natur nicht verleugnete. hätte sich seine begierde zu der schönen königin erhoben (was unbeweisbar, aber mög- lich ist), so würde er höchstens wie Sir John von frau Page behandelt sein). das war schon eine umbildung, allein es war noch weit entfernt von der hellenistischen Omphalesage, welche die erfahrung voraussetzt, dafs die gewaltigen männer der tat ebenso gewaltig in dem sinnengenusse sind: Demetrios Poliorketes konnte ein solches bild eingeben ®). dagegen

83) Ion fgm. 29. 30. wenn er von Herakles gesagt haben sollie (59), dafs er ein Iydisches leinenhemd angezogen hätte, das ihm nur bis auf die mitte der schenkel reichte, so war damit nur seine gröfse geschildert, und wie schlecht ihm die sclaven- tracht palste. die κύπασσις der Omphale, welche Diotimos der dichter der Heraklee (Anth. Pal. VI 358) als weihgeschenk eines Artemistempels besingt, hat mit dieser veriauschung der kleidung nichts zu tun; denn Omphale hat sie zwar ausgezogen, aber Herakles nicht angezogen. Diotimos sagt, das kleid war selig, bis sie es auszog, und ist es jetzt wieder, wo es im ϑησαυρός der Artemis als schaustück liegt, zaips nos ἁβρὰ κύπασσι, τὸν Ὀμφαλίη nord Avdn λυσαμόνη φελότητ᾽ ἤλϑεν ἐς Hoaxisovs. ὄλβιος ἦσϑα, κύίπασσι, καὶ ἐς (ὡς Cod.) τότε καὶ πάλεν αἷς (ὃς cold.) νῖν χρύσεον ᾿Αρτέμεδος τοῦτ᾽ ἐπέβης μέλαϑρον.

84) Die worte der pseudojustinischen oralio ad gentiles 3 ὡς νήπιος ὑπὸ σατύρων κατακυμβαλισϑείς, καὶ ὑπὸ γυναικείου ἔρωτος ὑπὸ Audis γελώσης κατὰ γλουτῶν τυπτέμενος ἥδετο würden den sinn gestatten, dafs Herakles wie Falstafl geprellt wäre, und wenn man die satyrn in die Omphalefabel einbezieht, könnte man hier sogar an Ion denken. aber die sıtyrn sollen für sich stehen: sie bezeichnen nur das ἥττων μέϑης, wie Omphale das ἥττων ἔρωτος. und die prügel sind die gewöhn- lichen des pantoffeihelden. das wird gesichert durch Lukian dial. deor. 13. Kyniker und christen bestreiten ihre polemik mit demselben aus grammatischeu sammlungen entlehnten materiale. dieses war trefllich, und so wird Herakles der pantoffelheld allerdings eine erfindung der besten hellenistischen zeit sein.

85) Man täuscht sich, wenn man in der verbindung von Ares und Aphrodite eine gleiche symbolik sieht: die ist eben auch erst in derselben hellenistischen zeit hineingetragen. der schwank, welcher Aphrodite sich zu dem strammen krieger lieber als zu dem biedern ehegespons Hephaistos halten läfst, heifst nichts anderes, als dafs der weibliche geschmack zu Demodokos und Alkaios zeiten kein anderer

Die Herakleen. Kreophylos. 315

hatte die einfachere tradition Herakles eben nur als sclaven der Omphale gedacht, der auch in dieser stellung, wie in Argos für Eurystheus, herumzog und heldentaten verrichtete. wo diese uns erzählt werden, da offenbaren sie das local der sage. Diodor (IV 31) läfst Omphale freilich über die Maioner-Lyder herrschen, aber Herakles zuchtigt in ihrem dienste die Kerkopen, den Syleus und die Itoner; und als Omphale diese taten ihres sclaven sieht, den sie gar nicht gekannt hat, läfst sie ihn frei und gewährt ihm ihre liebe, aus welcher Lamos hervorgeht. nun, die Itoner Lydiens kennt keine karte”), aber am malischen golfe liegt Ἴτων oder "Irwvog, und da hat Herakles allerdings mit Kyknos einen schweren straufs gehabt. die Κερχώπων ἕδραι neben der πέτρη Melaurevyov kennt Herodot an den Thermopylen (VII 216)". Syleus gehört an das Pelion®), Lamos ist als eponymos von Lamia sogar ausdrücklich bezeugt‘), und was ist

als heute war. ernsthaft ist die verbindung nur in der geneafogie, welche Apuovia als tochter des ungleichen pares dem Kaduos- Κόσμος gesellt, der die drachensaat des Ares gesäet und gefällt hat. das hat die symbolische bedeutung, dafs die ver- söhnung und der friede durch Aphrodite bewirkt wird. jede politische hochzeit will Ares durch Aphrodite bändigen und dadurch harmonie erzielen. die peloponnesische “φροδίτη ἀρεία ist lediglich die “streitbare’,‘ so genannt, weil sie gewappnet war. das ist eine göttin, welcher der name Aphrodite vielleicht, sicherlich nicht das wesen derselben, wie es in lonien galt, zukommt: dem wesen nach ist Apgodita agsla vielmehr A9dva. aber sie widerlegt allerdings den glauben, dafs Aphrodite nichts als eine semitin sei.

86) Nonnus Dion. 13, 465, Steph. Byz. 8. v. können ihr Iydisches ᾿ἴτών oder ᾿Ιτώνη eben aus dieser sage haben. dagegen verlegt die apollodorische bibliothek (11 7, 7) Kyknos nach Iton.

87) Noch Diotimos (anm. 78) versetzt die Kerkopen nach Oichalia. nach Ephesos kommen sie, weil Ευρύβατος, ein ephesischer nichtsnutz, unter sie aufgenommen wird. vgl. im allgemeinen Lobeck Agl. 1296. die alte monumentale überlieferung zeigt, dafs die sage im korinthischen culturkreis beliebt war; bei den Westhellenen hat sie sich länger gehalten; die Athener lassen sie fallen. ob das homerische Kerkopengedicht sie behandelt hat, ist sehr fraglich, da die Kobolde keinesweges eine so enge wirksamkeit gehabt haben.

88) Vgl. oben s. 38. dort ist übersehen, dafs die vasenbilder ja gar nicht die amphipolitanische sage darzustellen brauchen, da sich die thessalische bequem dar- bietet. der bruder ‘Biedermann’ (Alxasos) neben dem “Frevler’ ist auch in Amphipolis anerkannt worden (brief des Speusippos an Philipp, Epistologr. 630 Herch.). ihn hat also Euripides eliminirt, und den verkauf des Herakles durch Hermes aus der Omphale- sage eingeführt. das wird erst jetzt ganz deutlich, wo man sieht, dafs Syleus eine episode der Omphaledichtung ist. dafür zeugt Euripides wieder für das alter dieses sagenkreises,. ,

89) Steph. Byz. ἀπὸ “μου τοῦ Ἡρακλέους. nach Lydien gezogen hat ihn der Karer Apollonios, der diese fabeln breiter behandelt hat, Geflcken de Steph. Byz. 40.

816 Der Herakles der sage.

endlich Ὀμφάλῃ anders als die eponymos von Ὀμφάλεον")} so un- verschleiert ist die heimat Omphales in dem parallelbericht der apollo- dorischen bibliothek (Π| 6, 2) nicht. die Itoner fehlen, die Kerkopen werden nach Ephesos versetzt, aber Iydisches ist auch nur in dem gatten der Omphale Tmolos vorhanden, denn Syleus wohnt am Strymon: dafs das dem erzähler bewulst war, folgt daraus, dafs Herakles auf der heimfahrt über das meer kommt und Ikaros berührt. offenbar liegt diesen berichten eine erzählung zu grunde, welche nur ganz äufserlich die Lyderin ein- gesetzt hat. allmählich hat man dann in diesem sinne weiter gedichtet. aber auch wo mehr asiatische localfarbe ist, fehlen hindeutungen auf das echte local nicht”).

90) Es ist natürlich derselbe ort, den Steph. Byz. s. v. nach Thessalien, Pto- lemaeus Ill 14 nach Epirus verlegt und dessen bewohner Rhianos in den Θεσσαλεκί neben den makedonidehen Parauaiern (Steph. Byz. 8. v.) angeführt hat. Ὀμφάλη geht kaum in den hexameter, was hinderlich scheinen kann, wenn man die sage dem Kreophylos zutraut. aber von Ὀμφάλιον liefs sich ebenso gut auch ᾿θμφαλέη bilden, und wirklich gebraucht eben Diotimos von Adramyttion diese form, anm. 83. Omphales vater 'Japdavos wird natürlich von den modernen mit dem lordan iden- tificirt, und dasselbe mufs sich der gleichnamige fluls in Triphylien gefallen lassen (4 133). dafs in Lydien einer gleichen namens bestanden hat, ist lediglich durch eine verdorbene oder verwirrte stelle bei Steph. Byz. bezeugt (s. v.). da aber die geo- graphischen namen der peloponnesischen westküste so oft in Thessalien wiederkehren, wird man Ἰάρδανος nicht anders beurteilen als Πηνειός und ᾿Ενεπεύς, und wem es gelingt, Omphalion zu finden, der mag den fluls des ortes getrost lardanos nennen.

91) Hellanikos führte die Iydische stadt ᾿“κέλης (Steph. Byz.) auf einen sohn des Herakles zurück, aber die nymphe, die ihn gebiert, heifst Malss, weist also nach Trachis. zu ihr gehört Mnias, sohn des Her. und der Omphale, schol. Townl. zu = 219, der bei der heimkehr der Herakleiden hilft, die von Trachis ausgieng. er ist einfach der eponym der Melier. aber als Μήλης steht er in der Iydischen königs- liste, nicht blofs bei Nikolaos-Skytobrachion-Xanthos, sondern schon bei Herodot I 84. der Axsins des Hellanikos ist sohn der Omphale im schol. Τόν]. zu 2 616 und heilst AxeAns, dort werden auch νύμφαι Axeinridöss aus Panyassis angeführt, der also, wie von vornherein bei dem Asiaten glaublich war, diese sagen behandelt hat. hier sind also ein epichorischer name und der hellenische 4zsA@os einander an- geähnelt. dasselbe ist mit dem Iydischen flusse Ὕλλος geschehen, der in wahrheit zu Ὕλη, dem alten namen von Sardes, gehört, aber dem Heraklessohne angepafst ward. die penesten der Trachinier hielsen KvAsxgäawes. dafs Herakles sie bezwungen und dort angesiedelt hätte, darüber sind sich die vorzüglichen gewährsmänner des Athenaeus XI 461 einig: aber die einen lassen sie aus Lydien, die andern aus Atha- manien stammen. ein wertvoller zug ist bei Hygin (poet. astr. 11 14, daraus mylhogr. Vat. ΠῚ 155) aus Aratscholien erhalten. Omphale läfst Her. frei, weil er am Sangarios einen mörderischen drachen bezwungen hat. zur erinnerung daran ist das sternbild des ᾿θὐφιοῦχος am himmel. das darf man in dieser region der gelehrsamkeit dreist für Panyassis in anspruch nehmen.

Die Herakleen. Kreophylos. 317

Das ist also unzweifelhaft, dafs die Omphalesage in einem kreise oetäischer sagen bereits fest war, als die willkür eines sehr erfolgreichen dichters sie nach Lydien übertrug. dieser und sein publicum war dem eigentlichen locale so fern, dafs er die anderen sagen ruhig herüber nehmen konnte, aber herausheben konnte er die einzelne sage nicht. was sie so fest hielt, war die motivirung der dienstbarkeit durch den frevel wider Iphitos Eurytos sohn, und damit hängt wieder die zerstürung Oichalias zusammen. das ist nicht immer so gewesen. denn der kampf des dorischen und des hellenischen bogenschützen ist keinesweges blofs in diesem zusammenhang erzällt; die messenisch-arkadische localisirung Oichalias schlofs diese ganze verbindung aus, hat sogar die ermordung des Iphitos schwerlich anerkannt, der in Elis ein mächtiger könig blieb”). es gibt ja auch mehrere begründungen für den zorn des Herakles gegen Eurytos®), auch für die dienstbarkeit bei Omphale°“), und gerade die ab- weisung des Herakles als freier kehrt in einer anderen thessalischen sage wieder). aber um so deutlicher wird nur, dafs es ein ganz bestimmter und planvoller zusammenhang ist, in welchem der frevel an Iphitos, die knechtschaft bei dem weibe, und die liebe zu lole, die ihrem ganzen hause verhängnisvoll wird, vereinigt sind. auch dafs Oichalia nach Euboia gerückt ist, obwol es dort nie wirklich gelegen hat, in Thessalien nie ganz ver- schwunden ist”), erklärt sich am besten, wenn der dichter dem locale

92) Als solcher ist er freund des Odysseus und des Lykurgos und könig von Elis; Eurytos aber ist als name für einen der Molionen verwandt worden.

93) Soph. Trach. 260. 353, der mit grolser feinheit die beiden widersprechenden traditionen von Lichas erzählen lälst. |

94) Dazu wird der kindermord gebraucht von Hygin fab. 32, und dasselbe ist aus der ordnung der ereignisse auf der farnesischen tafel zu schlielsen. es lag nahe dies motiv, welches die dienstbarkeit bei Eurystheus zu motiviren pflegt, auf die bei Omphale zu übertragen.

95) Apollodor II 7,7 erzählt uns, dafs Herakles den Amyntor von Ormenion erschlägt, weil er ihm den durchzug weigert. in der parallelstelle, IV 37, hat Diodor aus flüchtigkeit den namen des königs mit dem der stadt zusammengeworfen und einen 'Opudvsos erzeugt, den man beseitigen mufs. aber die werbung um Astydameia, Amyntors tochter, hat er erhalten. Her. erzeugt mit ihr Ktesippos, nach Apollodor einen sohn der Deianeira. das bestreben alle andern söhne aulser Hyllos zu bastarden zu machen, ist auch sonst öfter kenntlich: das sind adelsrancünen, wie bei den söhnen Jakobs, die meist im einzelnen unkenntlich sind. sohn der Astydameia ist eigentlich und war bei Hesiodos der Rhodier Tlepolemos, und zwar gab es auf Rhodos wirklich ein geschlecht von Amyntoriden: so weist auch auf dieser insel einzelnes nach Thes- salien neben Argos, ganz wie auf Kos und am Triopion. vgl. schol. Pindar. Ol. 7, 42.

96) Das hat endgiltig der wichtige stein von Hypata gelehrt, Athen. Mitteil.1V 216.

918 Der Herakles der sage.

seines stoffes ganz fern lebte. [0165 liebe und das euböische Oichalia sind nun wenigstens nachweislich in dem epos des Kreophylos-Homeros vorgekommen. damit sind wir in einer region, in welche die umgestaltung der ibessalischen sagen und die einführung Lydiens ganz vortrefflich palst. wahrlich, kaum könnte man sich etwas anderes als ein homerisches ge- dicht denken, um zugleich den durchschlagenden erfolg der Iydischen localisation und die anknüpfung der Iydischen dynastie an Herakles begreif- lich zu machen”).

Die sagen selbst können nunmehr erst verstanden werden, wo sie auf ihren heimischen boden zurückgeführt sind. die einzelheiten der kriegszüge sind freilich kaum aufzuhellen, da die politische geschichte und selbst die gruppirung der stämme um den Oeta zu wenig bekannt sind. aber dafs der gegensatz der einwanderer zu den eingebornen zu grunde liegt, ist im allgemeinen deutlich genug. Herakles bezwingt zum teil die althellenischen heroen, oder aber er erbt ihre taten; dafür ist nament- lich der berühmte kampf mit Kyknos ein beleg”). in diesem handelt er im dienste des Apollon, und Apollon ist vertreter der delplisch-pyläischen Amphiktionie, welche in der tat in diesen gegenden, wo sich nie ein mächtiger einzelstaat erhoben hat, die einzige macht war, die die sonder- interessen einigermalsen zu bändigen und landfrieden einigermafsen ein- zuführen vermochte. da lag es nahe, dafs Herakles der vollstrecker des apollinischen willens ward, und so wird es zu fassen sein, wenn wir ihn die feinde des gottes, Lapithen und Dryoper bezwingen sehn. aber er

97) Man darf hier wieder daran denken, dafs das asiatische Eryihrai einen wirklich alten Heraklescult hat (oben s. 271), und dafs er den namen einer stadt führt, die dicht neben dem thessalischen Oichalia liegt: auf demselben steine bezeugt wie jenes. dals das königsgeschlecht der Lyder, welches durch Gyges gestürzt ward, selbst so hellenisch dachte, um Herakles als ahn zu beanspruchen, ist nicht glaub- lich, auch würden sie nicht eine sclavin des lardanos, sondern Omphale als ahnfrau angesehen haben (so erst später: die naivetät bei Herodot I 7 unter δούλη ᾿Ιαρδάνου Omphale zu verstehen, verdient keine widerlegung). wol aber muls diese verbindung zu einer zeit aufgebracht sein, als die Hellenen für dieses alte haus sympathie em- pfanden, und die Lyder sich schon stark hellenisirt hatten. das trifft auf die zeit des Alyattes, vielleicht auch schon auf etwas frühere zu: in diese wird dann auch das homerische gedicht zu setzen sein. von den fabeleien des Skytobrachion bei dem Damascener Nikolaos ist einschlägliches von belang nicht erhalten: das ist zu verschmerzen, denn es war ein roman, und man sollte einen alten epiker Magnes, der die taten der Lyder gegen die Amazonen besungen haben soll (fgm. 62), nicht ernsthaft nehmen, und so zu einer Iydischen epik gelangen, die womöglich auch in die Heraklessage übergreifen könnte.

98) Vgl. zu v. 110.

Die Herakleen. Kreophylos. 919

erbte auch mehr von ihm. in der Alkestissage hat die faust des Herakles die gnade der todesgöttin ersetzt, welche Apollon beschwor”). und so ist die dienstbarkeit des Herakles auch eine parallelsage zu der dienst- barkeit des Apollon'”), die ursprünglich auf denselben fluren gespielt hat, und die bei beiden durch eine blutige tat begründet ist. es ist das wichtig. denn erst diese einsicht sichert davor, in der dienstbarkeit bei Omplıale und etwa auch bei Syleus eine parallelsage zu dem dienste bei Eurystheus zu finden und somit dieses motiv als einen bestandteil der ursage an- zusehen. freilich wird sich jeder vor diesem misgriff schon dann hüten, wenn er den rechtlichen unterschied zwischen der dienstbarkeit des vasallen von der des sclaven zu würdigen weifs. |

In unserer überlieferung verknüpft, aber dennoch vielleicht von haus aus gesondert ist die sage von der werbung um Deianeira, die tötung des Nessos, das vergiftete gewand und der tod des Herakles. diese vier stücke bedingen einander. es felılt in der erzällung, wie wir sie kennen, ein unerläfsliches motiv, wenn die liebe zu lole ausgesondert wird. aber es ist zuzugeben, dafs die nötige eifersucht sehr gut auch durch irgend ein anderes erbeutetes mädchen, z. b. Astydameia von Ormenion, erweckt werden konnte. nicht Herakles sondern Deianeira hält diese sagen zu- sammen; ihre bedrängung durch den ungeheuren freier, ihre eifersucht und verzweiflung ist die seele der dichtung. sie ist Aetolerin, und die frauen dieses stammes sind von der sage mit lebhaftesten zügen aus- gestattet, da ist Altlıaia, Deianeiras mutter, die Meleagros durch eine

99) Die hesiodische form der sage ist hergestellt Isyllos 8. 70. durch sie wird das gemälde einer attischen pyxis erklärt (Wien. Vorleg. Bl. N.S.18,5). Admetos führt lebhaft die Alkestis, welche ein mädchen geleitet, auf das haus zu, vor dem der alte Pheres steht, den ein anderes mädchen anspricht. die mädchen vertreten das hochzeitsgeleit. aber zwischen beiden gruppen stehen Apollon und Artemis, den blick voll ernster teilnahme auf das junge par gerichtet. man lese Eur. Alk. 915—25 nach, die stimmung zu finden; aber das gemälde wirkt durch die gegenwart der götter weit ergreilender: Apollon hat die ehe gestiftet; Artemis wird sie lösen.

100) Aischylos sagt καὶ παῖδα γάρ τοι φασὶν Aluunens ποτὲ πραϑέντα τλῆναι δουλίας μάζης βίον, Ag. 1040. bei Euripides sagt Apollon ἔτλην ἐγὼ ϑῆσσαν τρά- σκεζαν αἰνέσαι ϑεός περ ὧν (Alk. 1). man sieht, dafs beides ganz gleich empfunden wird. O.Müller ist durch diese sagen zu seinem folgenreichen irrtume verführt, Herakles und Apollon überhaupt als ganz nahe verwandt zu betrachten. er hat verkannt, dals die sagen deshalb nicht älter sind, weil sie auf einem boden spielen, welchen die Dorer früher einnahmen, als sie in den Peloponnes zogen. die Dorer, welche fort- zogen, haben sie ja eben nicht erzeugt noch erhalten, sondern die am Oeta bleibende bevölkerung. und der Apollon, welcher hier verehrt ward, ist kein dorischer, sondern der althellenische, vgl. anm. 9.

320 Der Herakles der sage.

ähnliche tücke tötet, wie die tochter den Herakles, und sich wie sie in der reue den tod gibt; da ist Marpessa, die aus liebe den Idas dem Apollon vorzieht, Kleopatra, die leidenschaftliche gattin des Meleagros, Periboia die vielumfreite; auch die unselige gattin des Protesilaos ist in dieses geschlecht eingereiht worden '"): unverkennbar haben wir hier alt- hellenische gestalten vor uns, reste einer herrlichen poesie, von welcher nur das Meleagerlied der Litai eine unmittelbar wirkende probe gibt. vereinigt also sind diese Heraklessagen durch hellenischen dichtergeist'”). damit ist zugleich gesagt, dafs wir diese vereinigung lösen müssen. und in der tat, zwei der drei Heraklestaten sondern sich selbst ab. der kampf mit Acheloos ist in wahrheit der mit dem herrn des meeres, der mit Nessos die Kentauromachie. beide abenteuer sind ihrer typischen be- deutung zu gunsten einer individuellen entkleidet, und in beiden ficht Herakles ritterlich für ein weib: ihr besitz ist sein lohn. das ist mensch- lich und schön; nur erwirbt man mit solchen taten nicht den himmel. was poetisch vielleicht eine steigerung scheinen kann ist für das religiöse eine degradation. für den tod liegt keine parallele fassung vor, denn der Herakles des dodekathlos ist nicht gestorben. um so deutlicher ist die entstellung. dieses ende, der selbstmord als rettung vor unheilbarem siechtum, der allsieger das opfer eines eifersüchtigen weibes und der tücke eines geilen ungeheuers, mus dem wie eine blasphemie erscheinen, der die erhabenheit des argolischen gottmenschen dagegen hält. so war es wahrlich nicht gemeint; wenn Herakles ein held wie alle andern ist, mag er ja auch elend zu grunde gehen wie Meleagros oder Odysseus. nur für die echte Heraklessage mufs auch aus dieser geschichte die hellenisch- epische motivirung, mufs das weib heraus. dann bleibt die selbstverbrennung. in ihr ist aber auch eine grolsartige conception der echten Heraklesreligion anzuerkennen. auch dies ist ein würdiger ab- schlufs des irdischen lebens und ein übergang zu dem himmlischen, eine parallele zu dem eintritt in den himmelssaal, obwol dieser nicht nur erhabener, sondern auch ursprünglicher ist. wie soll Herakles sterben ? kein feind kann ihn fällen; soll er den strohtod sterben, wie ein weib

101) So die Kyprien, welche Laodameia Polydora nannten, Pausan. IV 2. in dieser geschichte sind sie also nicht die quelle des B.

102) Gewils liegt es nahe, auch dies auf Kreophylos zurückzuführen. aber dazu fehlt ein positiver anhalt bisher. die detolischen sagen haben viele beziehungen nicht zu Samos (wo aber der Homeride ja gar nicht zu hause gewesen zu sein braucht), sondern zu Chios. dort kehrt Oineus-Oinopion und der tod des Ankaios

durch das wildschwein wieder, kommt Tydeus als eigenname in vornehmem hause vor u. dgl. auch Nsooas und ähnliche namen finden sich da und stimmen zu Δ έσσος.

Die Herakleen. Kreophylos. 321

oder ein sclave? nein, als er fertig ist mit seinem lebenswerke, als er das füllhorn von dem meergreise erhalten hat, da steigt er empor auf den berg seines vaters, der ehedem auch der götterberg gewesen ist'®), und auf dem wie im garten der Hera in ewigem blumenflor eine wiese prangt'“). hier schichtet er sich einen scheiterhaufen. seine kinder, seine getreuen umgeben ihn; dem liebsten waffengefährten 106) schenkt er seinen treuen bogen zum danke dafür, dafs er den feuerbrand anlegt und die lichte flamme entzündet, welche die sterblichkeit von der göttlichen seele wegläutert'®), die sich in den hohen himmel an des vaters seite empor- schwingt, während drunten die älteste, die einzige tochter die letzte schwere ehrenpflicht vollzieht und die irdischen reste des vaters sammelt'”). das ist wol auch etwas erhabenes, und wem die götter das herz jung erhalten haben, dafs er die alten einfachen klänge aus dem gewirr der lärmenden und rauschenden compositionen gesteigerter kunst und cultur heraus- zuhören und ihrer melodie zu folgen vermag, der wird nicht zweifeln, dafs dieses wirklich die altoetäische sage war. das feierliche siegesopfer

103) Dies zeigt sich namentlich darin, dafs morgenstern und abendstern auf ihm wohnen, nicht blols für die beiden lokrischen stämme, sondern noch für die lesbischen Aeoler. natürlich ist diese anschauung hellenisch, nicht dorisch, vgl, zu v. 394.

104) ὅστιν ἐν Τρηχῖνος αἴῃ κῆπος "Hoaxkrıos, πάντ᾽ ἔχων ϑάλλοντα, πᾶσι δρεπόμενος πανημαδόν. οὐδ᾽ ὀλιζοῦται, βέβριϑε δ᾽ ὑδάτοσιν διηνεκές. das gibt der klarische Apollon als ein allgemeines orakel, wie aus der polemik des Οἱ ποιηδοθ (Euseb. praep. ev. V 214) hervorgeht: es bedeutet, wandele wie Herakles den rauhen pfad der tugend, so gehst du zum ewigen leben ein. der gott verstand also die religion sehr wol. als arouos λειμών des Zeus, als Οἰταῖον νάπος erwähnt dieselbe wiese Sophokles Trach. 200, 436.

105) Dem Malier Philoktet. die sagen, welche diese waffenbrüderschaft ver- herrlichten, sind ganz verschollen: aber sie müssen bedeutend gewesen sein, denn Philoktet ist ja als träger des herakleischen bogens allein in die troische sage ge- kommen. das ist einwirkung der oetäischen Dorer parallel den oben s. 280 erläuterten rhodischen und aeginetischen erfindungen.

106) Das feuer tut hier dasselbe wie in der phthiotisch-magnetischen sage, wo Thetis ihre kinder ins feuer hält, und ihren parallelen. ὑπὸ δρυὲ γυῖα ϑεοϑιείς sagt sehr fein Kallimachos, an Artem. 159.

107) Duris in den scholien zu Plat. Hipp. 1 2933, wenn dieser hinzufügt, dafs die makedonische sitte von der ältesten tochter diesen liebesdienst forderte, so war eben nur dort im norden diese wie manche andere einfache sitte, die ehemals die Dorer geteilt hatten, bis 300 v. Chr. erhalten geblieben. dafs Herakles nur eine tochter gehabt hat, ward als charakteristisch empfunden, und selbst Aristoteles notirte es in der Tiergeschichte (VII 6, 45). hieran anknüpfend hat Euripides den heldentod einer jungfrau, den viele sagen seiner heimat boten, auf diese jungfrau übertragen und so seinen Herakleiden die wirksamste scene eingefügt. vgl. mein programm de Eur. Heraclidis.

v. Wilamowitz 1. 21

322 Der Herakles der sage.

auf dem Kenaion, mit welchem Herakles dem Zeus für die vollendung seiner irdischen mühen dankt, ist in wahrheit kein anderes, als das, wozu er auf dem Oeta den scheiterhaufen erbaut. und auch Sophokles, der doch kurz vorher die Deianeirasage mit allen ihren consequenzen dar- gestellt hatte, empfand das grofse würdig, als er den chor des Philoktetes die heimkehr wünschen liefs nach dem vaterlande, ἵν᾿ ö χάλχασπις ἀνὴρ ϑεοῖς πλάϑη ϑεὸς ϑείῳ πυρὶ παμφαὴς Οἴτας ὑπὲρ ὄχϑας (736). Wie aus den flammen des oetäischen feuers der ἀνὴρ ϑεός sich emporhob, so tritt er in ursprünglicher erhabenheit aus den oetäischen sagen hervor, wenn das feuer der kritischen analyse sie läutert und das irdisch-epische wegschmelzt. erst die epik, welche ihn zu einem ganzen menschen, aber auch zu einem blofsen menschen machte, hat ihm irdische schwäche, den mord des Iphitos, irdische strafe, die knechtschaft, irdische liebe und irdisches siechtum verlieben. ursprünglich ist dem oetäischen Herakles all das nicht minder fremd gewesen als dem argolischen.

Der kinder- Aber eine sage scheint ihn doch in tiefster schuld verstrickt zu zeigen: der kindermord. prüfen wir, was wir von ihm als ursprünglich ansehen dürfen, und halten wir dabei vor allen dingen das euripideische drama ganz fern. vor dem elektrischen tore in Theben lag das Herakles- heiligtum. da zeigte man sein geburtshaus, manches andere denkzeichen und auch ein grabmal, welches die kinder bergen sollte, die Megara, Kreons tochter, ihm geboren, und er im wahnsinne, den Hera gesandt hatte, in das feuer geworfen und verbrannt hatte. so viel dürfen wir mit einiger wahrscheinlichkeit als alte sage betrachten. das grab der acht erzbewehrten Megarasöhne, an welchem bei sonnenuntergang totenopfer gebracht wurden, erwähnt der zuverlässigste zeuge, Pindaros'®). er gibt

108) Isthm. 3, 105, welchen Pausan. IX 11, was das örtliche angeht, gut er- läuter. den mord erwähnt Pindar nicht, verherrlicht er doch den Her. und sein thebanisches fest. er nennt die totenopfer χαλκοαρᾶν ὀκτὼ ϑανόντων τοὺς τέκε οἱ Meyaga Κρεοντὶς υἱούς. darin kann also χαλκοάρας nicht mit den scholien als βιοθάνατος gefalst werden, und Μέμνονα χαλκοάραν 1. 5, 51 mufs etwas wie “mit erz bewehrt, mit erz kämpfend’ bedeuten, τεκτόνων yapıapav P. 5, 35 irgendwie die handfertigkeit hervorheben. die scholien raten nur, die modernen haben auch nichts gefunden; an die wurzel «e darf heute niemand mehr denken; man sucht ein sag, das doch nicht da ist. aber auch wenn man eingesteht, dafs man das wort eigentlich nicht versteht, bleibt es seltsam, dafs die kinder dasselbe beiwort wie Memnon führen. doch das ist verständlich. an die knäblein des Euripides sollen wir nicht denken: die Thebaner opfern heroen, und diese denkt man sich, zumal wenn es Herakleskinder sind, gewappnet. dafs Pindar die altäre νεόδματα nennt, ist nicht weg zu deuten, aber es kann auch verstanden werden. bei der belagerung 479 waren die

Der kindermord. 823

als zahl der opfer acht an; die mythographen mühen sich mit der zahl ab, ohne erfolg; es kommt auf sie so wenig an wie auf die verschieden ersonnenen namen der kinder'®). den mord der Megara schliefsen Pindars worte aus, und die besseren berichte, z. b. die welche die kinder im feuer sterben lassen, tun desgleichen: er ist überhaupt in keiner von Euripides unbeeinflufsten überlieferung vorhanden''%). den feuertod bezeugt Phere-

vorstädte Thebens verwüstet, die altäre bedurften also eines neubaus; der cult selbst ist damit nicht als jung bezeichnet.

109) Die wichtigsten angaben stehen in dem Pindarscholion, bei Apollodor I 4,12; mit euripideischem contaminirt, aber doch nicht ganz ohne älteres Asklepiades im schol. A 369, schol. Lykophr. 38 (daraus schol Lucian. dial. deor. 13) Diodor IV 11, wo Skytobrachion hineinspielt; Nikolaos v. Damaskus III 369 Müll.

110) Als vulgata darf gelten, dafs Megara frau des Iolaos wird, so auch Plutarch Erot. 9. das war offenbar die im boeotischen culte geltende ansicht. das epyllion, welches Megaras namen trägt, liefert gar keine für die sage brauchbaren züge, wie zumal die behandlung des Iphikles neben Herakles lehrt. aber die absicht seines dichters dürfte ein wort der erklärung verdienen. was er erzählt, ist wenig und scheinbar ganz abgerissen. Megara und Alkmene sitzen in Tiryns, während Herakles im dienste des Eurystheus irgendwohin fortgezogen ist. sie verzehren sich in angst und sehnsucht. Megaras rede gibt wesentlich nur die exposition, aber die sonst gefafste mutter ist durch ein traumgesicht tief erschüttert, das sie erzählt nnd am ende ihrer rede, zugleich dem ende des gedichtes, fortwünscht, dnondunsras. der leser wird in dem traume die hauptsache sehn und natürlich den traum als einen wirklich vorbedeutenden betrachten. sein inhalt ist, dafs Herakles os ἐπὶ μισϑῷ beschäftigt ist einen graben zu ziehn. als er fertig ist, will er sein gewand anlegen, das er zu seinem geschäfte abgelegt hat. da schlägt ihm aus diesem eine lohe flamme entgegen, der er vergeblich zu entrinnen sucht, während Iphikles, als er ihm helfen will, wie tot hinfällt. das ende hat Alkmene nicht mehr geschaut, sie ist offenbar vor angst aufgewacht. der hellenistische dichter hat auf leser gerechnet, die sich dieses bild aus der altbekannten sage deuten würden, aber auf leser, die das bild mit dem gedanken verwechseln würden, und nach dem graben fragen, den Herakles gezogen hätte, hat er nicht gerechnet. das bild enthüllt so viel, dafs Herakles, wenn er mit dem werke, das er auf sich genommen hat, fertig sein wird, statt ruhe zu finden, einem plötzlichen unentrinnbaren unheil verfallen wird, vor dem ihn nichts retten kann, auch nicht seine irdische verwandtschaft: die kann den weg nicht gehen, den er gehen mufs. so ist es ihm ja gegangen; die Trachinie- rinnen geben dieser selben stimmung lebhaften ausdruck. die flamme des traumes bedeutet nicht die flamme des Oeta direct, sondern nur den gewaltsamen untergang. auf Iphikles ist eine empfindung übertragen, welche träumende sehr oft haben, beim besten willen und in höchster not nicht von der stelle zu können, schon von Homer (X 199) angewandt. der dichter, in allem vermenschlichend, hat den traum so ge- halten, dafs er keiner himmlischen offenbarung bedarf. so viel kann einer mutter das herz, unter dem sie ihn getragen hat, von dem sohne sagen, den sie von gefahr zu gefahr schreiten sieht: es ist keine ruhe für ihn, auch die vollendung, auf die er jetzt Ποῖ, wird sie ihm nicht geben. so kennt sie den πονηρότατος καὶ ἄριστος,

21”

324 Der Herakles der sage.

kydes, durch weichen er sich in der besseren mythographischen über- lieferung gehalten hat, und man darf ihn als ursprünglich ansehen, weil es so nahe lag, ihn durch anderes zu ersetzen, mag auch die kunde, die wir von den älteren dichterischen bearbeitungen besitzen, für diesen punkt versagen. besonders bedeutsam ist, dafs die verbrennung noch zu Alexanders zeit in Grolsgriechenland galt, wie ein gemälde des tarentinischen oder paestaner malers Assteas lehrt, der sehr anschaulich darstellt, wie Herakles allerhand hausrat zusammengeworfen und angezündet hat, und eben einen knaben in dieses feuer zu werfen im begriff ist'"). die poesie hat sich früh dieser geschichte bemächtigt. Nestor erzählte sie mit anderen sagen, die gleichfalls nur dem griechischen festlande angehören, dem Menelaos in den Kyprien. bier wird der wahnsinn des Herakles zuerst ausdrücklich erwähnt, den aber jedermann mit zum notwendigen rechnen wird. da er an die Kyprien anknüpfte, hat der dichter der homerischen Nekyia Megara dem Odysseus vorgeführt. deshalb wieder hat sie Polygnotos auf seinem bilde der Nekyia in Delphi gemalt und erscheint Megara mit den kindern auf den apulischen unterweltsvasen'”). es ist das eine stark wirkende gruppe, da ja der gegenstand dieser gemälde die heraufholung des Kerberos aus der unterwelt ist, und der maler hat ohne zweifel beabsichtigt, dem helden die opfer seines eignen wahnsinns vorzuführen. neben ihren kindern kann Megara auch nur als mit ihnen getötet erscheinen: darin offenbart sich aber nur der einflufs des Euripides. denn Polygnot hat Megara allein gemalt, und der bericht der Nekyia verbietet an ihren tod durch den gatten zu denken''”). auch Stesichoros und Panyassis hatten wie sie bei einem Eoeendichter ihn nannte, der den Alexandriner angeregt haben mag. was dieser aber bezweckte, war nur in zweiter linie, den leidenden Herakles als solchen darzustellen, obwol dazu die breite ausführung des kindermordes dient. es ist sein, wie überhaupt der besseren hellenistischen poeten, zweck, die allbekannten alten stoffe dadurch zu erneuern, dafs er das licht auf andere personen fallen lälst. für die sage sind mutter und gattin des helden nur relativ bedeutsam, so weil sie für ihn in betracht kommen: hier wird mutter und gattin hell beleuchtet, und die sage hat nur noch den relativen wert, diesen iypen individuelle persönlichkeit zu verleihen. das gedicht ist nicht hervorragend, aber mit den balladen unserer roman- tiker darf es ohne zu verlieren verglichen werden.

111) Monum. dell’ Instit. VIII 10. Alkmene und lolaos schauen zu, Megara entflieht in ein zimmer aus dem peristyl, wo das feuer brennt. man darf schliefsen, dals der maler die mutter, weil der ort Theben ist, lolaos, weil er später Megaras gatte ward, dargestellt hat. aufserdem ist Masia anwesend: sie allein kann ja dem beschauer sagen, dafs Her. wahnsinnig ist.

112) Z. b. auf der von Altamura, Neapel 3222.

113) Wie könnte es sonst von ihr blofs heifsen τὴν ἔχεν 'Augpsrpravos vos μένος αἰὲν ἀτειρής, A 210, zumal sie als schatten erscheint.

Der kindermord. 825

die geschichte erzählt; doch läfst sich über ste nichts genaueres ermitteln, als dafs sie den mord der kinder, nicht der mutter, durch den wahn- sinn motivirten ').

In der mythographischen überlieferung hat der kindermord seine feste stelle und seinen ganz bestimmten zweck: er löst Herakles von Theben und fällt vor die dienstbarkeit bei Eurystheus. so ist es schon bei Phere- kydes gewesen 15). da die verbindung der thebanischen und der argolischen sagen eine künstliche ist, so wird man zunächst geneigt sein, auf diesen zeitlichen ansatz nichts zu geben. allein das bedürfnis, welches die mytho- graphen befriedigen, mufs schon viel früher empfunden sein. was ant- wortete ein Thebaner des 6. jahrhunderts auf die frage “was hat denn euren Herakles gezwungen, seine heimat zu verlassen; warum hat er bei euch und für euch so wenig geleistet?” wozu die andere kam “ihr sagt, Herakles habe Megara, eures königs tochter, zum weibe gehabt; wo sind denn ihre kinder, wo leben ihre nachkommen?’ wir beantworten heute die frage so, dafs die peloponnesische dichtung die parallelen boeotischen traditionen verdrängt hat, dafs der name Herakles selbst eine fremde be- zeichnung war, die lange nicht alle taten des eingebornen parallelen heros erbte, und dals aus diesem grunde in der tat in Theben der adel nicht auf herakleisches blut anspruch gemacht hat. Amphitryon und lolaos haben auch von dem echten ᾿“λκαῖος vieles geerbt; lolaos sogar die Megara. aber der Thebaner des sechsten jahrhunderts konnte nur durch eine sage antworten: “Herakles hat wegen einer unfreiwilligen bluttat fliehen müssen’, das war die bis zum überdrufs in solchen fällen angewandte motivirung. “söhne hat er wol gehabt, aber er hat sie selbst getötet” so

114) Wenigstens so viel gestattet der in seiner vertrackten weise auf zwei stellen verzettelte und unklar gehaltene bericht des Pausanias zu erkennen (IX 11 und X 29). er sagt bei erwähnung des kindergrabes nichts, als dals die Θηβαῖοι die sache οὐδόν Ts ἀλλοέως «Στησίχορος καὶ Πανίασσις erzählen, und nur einen be- sonderen zug zufügen. da kein grab der mutier da ist, kann sie in Theben nicht für mitgetötet gegolten haben. in der beschreibung des polygnotischen bildes (welcher er die dichtereitate verdankt), sagt er denn auch, dafs Herakles sich von ihr getrennt habe. was er nun mit jenem οὐδὲν ἀλλοίως sagen will, ist dafs sein bericht über die dichter von der vulgata (d. ἢ. Euripides) nicht wesentlich abweicht, aufser in dem einen bier nicht hergehörigen stücke. dann muls aber das eine, allgemein ge- glaubte, auch für jene dichter angenommen werden: der wahnsinn. auf die todesart ist leider kein schlufs möglich.

115) Der kindermord stand im zweiten buche, für welches von Heraklessagen sonst nur die erzeugung, aber sehr viel andere sagen auch bezeugt sind, so dafs man den dodekathlos mit recht in das dritte setzt, aus welchem freilich nur das Geryones- abenteuer sicher bezeugt ist.

326 Der Herakles der sage.

ward die zweite dazumal vielleicht noch peinlichere frage beantwortet. die tat zu begründen lag dem Thebaner nahe genug. der hafs der Hera war gerade ihm in Heraklessagen geläufig, und dafs sie wahnsinn sendet, gerade solchen der zum kindermorde führte, wulste er auch. so war es ja dem Athamas und der Ino, so war es Agaue ergangen. die lat ent- ehrte den Herakles nicht, weil ihm das bewulstsein fehlte, und der wahn- sinn tat es auch nicht; dem war ja selbst Dionysos durch Heras groll ver- fallen. es ist also ganz verständlich, dafs die Thebaner so sich das problem gelöst haben, welches durch die allmählich eintretende verbindung der örtlich gesonderten sagenkreise mit notwendigkeit entstand. wenn in Theben neben dem tempel des gottes Herakles sein geburtshaus und daneben das mal gezeigt ward, welches seine kinder, gleichviel wie viele, gleichviel wie, aber von ihm selbst getötete, deckte, so ward dem beschauer recht sinnfällig, dafs Herakles als mensch seiner heimat nur für eine kurze zeit hatte angehören können, dafs ihm Heras eifersucht die heimat und ihn der heimat entzogen hatte: dem himmel aber hatte sie ihn nicht entziehen können.

So betrachtet hört der kindermord auf, an Herakles unbegreiflich zu sein, weil er in wirklichkeit ihn gar nichts angeht. es ist eine ge- schichte, welche ihrem wesen nach nichts ist als ein erzeugnis der com- binirenden reflexion''*?), ein bindeglied für zwei sagenkreise. in jedem von diesen steckt der echte Herakles: dessen heldenbild wird von keinem schatten einer schaudervollen freveltat getrübt, wie denn das wesen des himmlischen belfers eigentlich den gedanken an solche untat nicht erträgt. so ist denn auch der kindermord keinesweges in echt dorischen landen volkstümlich. auch die bildende kunst stellt ihn nicht dar: Assteas ist eine singularität. der thebanische cultus symbolisirt nichts weiter als die

115b) Dafs Alkathoos einen sohn Kallinolss erschlägt, weil er ihm beim opfer den tod seines älteren bruders ᾿σχέπολες meldet (Pausan. I 42, 6), hat mit der tat des Herakles keine ähnlichkeit, geschweige dafs es eine duhlette des kindermordes wäre. Alkathoos handelt so in ausübung seiner väterlichen gewalt, weil er die hand- lung des sohnes für οὐχ ὅσιον hält, er handelt formell gerecht, macht sich freilich selbst durch seine strenge kinderlos. das ist eine novelle angesetzt an ein monument, dessen wirkliche bedeutung man nicht mehr verstand. offenbar ist in der periegese des Pausanias neben dem, was auf die chronik des Dieuchidas zurückgeht, ein element, das die reste der stadt, die nach den katastrophen von 306 und 264 übrig waren, ohne wirkliche kenntnis zu deuten sucht. so ist das αἰσέμινεον offenbar das alte sitzungshaus der aigsuyaras, aber jetzt fabelt man, es wäre ein grab eines Aicsavos, und ᾿Ιφινόη, der die mädchen ihr har vor der hochzeit weihen, ist offenbar ehedem eine nebenform der ᾿Ιφιγόνη gewesen, keine königstochter, u. 8. w.

Der kindermord. die Heraklesreligion seit der archaischen zeit. 327

trauer darum, dafs Herakles kein boeotischer localheld ist, sondern eher ein argivischer. bedenken könnte nur erregen, dafs eine solche secundäre bildung so früh und nachhaltig in der poesie gewirkt hat. allein das homerische epos ist es, was sich ihrer bemächtigt hat, und dann der chalkidische chordichter: dem verfasser der Kyprien ist es so wenig wie oben dem Kreophylos zu verdenken, dals er Herakles menschlich fassen mochte. der mensch konnte sündigen und bülsen: je rührender die geschichte ward, und je weiter sie sich von dem wesen der Herakles- religion entfernte, um so brauchbarer ward sie dem dichter, dem diese religion fremd war. eben weil es ein dem gotte fremder zug war, hat die vermenschlichende poesie, erst die epische, dann die dramatische an ihn lieber angeknüpft als an Geryones oder Kerberos. Die Die gewalt der echten Heraklesreligion hat in ihrem nationalen kreise Heraklas-

ungebrochen bestanden, so lange die archaische cultur nicht gebrochen der Jarcbal-

war; nicht blofs aus den sagen, an denen sich das volk in lied und bild erbaute, sehen wir das, sondern es finden sich auch dichter, welche den grofsen einfachen gedanken klar aussprechen. mit knappen worten tut das Hesiodos: denn er selbst, der dichter der Theogonie, ist es, und zwar sind es die letzten worte, die sich mit sicherheit auf ihn zurück- führen lassen, welche Herakles unter den göttern einführen). er hat

116) Die vorzügliche arbeit von A. Meyer (de comp. Theogon. Berlin 87) hat in erfreulichster weise in diesem chaos ein licht werden lassen. aber freilich ist im einzelnen noch viel zu tun. so ist die schilderung der unterwelt, oder besser der welt aufser himmel und erde, deshalb nicht unhesiodisch, weil sie entbehrlich ist, und wenn auch an 735 881 gut anknüpfen könnte, so ist doch nichts triftiges dagegen einzuwenden, dafs der dichter neben den Hundertarmen, welche die übrigen Titanen im gefängnisse bewachen, den Atlas erwähnt, dessen strafe eine besondere ist, und die Nacht, für ihn eine so wichtige urgewalt, nun in der sphäre zeigt, wo sie in der jetzigen weltordnung wohnt. dals hier aber ein altes echtes stück vorhanden ist, folgt daraus, dafs zwei parallele erweiterungen daneben stehen, 736—45 und 807—19, nach deren beseitigung die einzelanstöfse zu schwinden scheinen. von dem Typhoeus- kampfe 820—80 sollte niemand mehr reden. es spricht sich und seiner kritik jeder selbst das urteil, der bezweifelt, dafs er formell ein junges machwerk ist, und inhalt- lich erst nach der gründung von Katane verfalst sein kann (vgl. den interessanten aufsatz von Partsch in den Philol. Abhdl. für ΜΝ, Hertz), und sogar viel später, als der Aetna im mutterlande bekannt geworden war, denn es gibt ja kein sicilisches epos. dafs die descendenz des Zeus hesiodisch ist, hat A. Meyer selbst erkannt, und auch mit recht die Metis als einen jetzt nicht mehr rein zu beseitigenden zusatz bezeichnet. nur den grund hat er nicht angeführt, der doch hier, wie für die obigen zusätze gilt: auch die Metis ist in doppelter gestalt erhalten, einmal in unsern handschriften, zum andern bei Chrysippos (Galen de Hipp. et Plat. 111351). es ist nicht hübsch, dafs unsere Hesiodausgaben ein solches stück ganz ignoriren. hat man

928 Der Herakles der sage.

nach vollendung der arbeiten auf dem wolkigen Olympos die Hebe gefreit

ὄλβιος ὃς μέγα ἔργον. ἐν ἀϑανάτοισιν ἀνύσσας

valeı ἀπήμαντος καὶ ἀγήραος ἤματα πάντα "7. ihm ist das grofse werk gelungen: so lebt er nun in ewiger seligkeit. und mit reichstem schmucke seines anspruchsvollen stiles, aber in demselben tone wiederholt dasselbe Pindar. “in den Olymp ist er eingetreten, nachdem er das ende von erde und meer gefunden und der schiffahrt die bahn befriedet. so wohnet er jetzt in der höchsten seligkeit bei Zeus, aufgenommen in die göttliche familie, vermählt der Heba, ein herr des güldenen hauses und eidam Heras”''*), und das erste nemeische gedicht hat Pindar eigentlich dem Herakles mehr als dem Chromios gewidmet, für den es bestimmt war. denn die aufgabe, das lob des siegers und seiner heimat, macht er würdig aber kurz ab und bahnt sich gewaltsam, wie er pflegt, den übergang wir menschen leben allzumal in mühsal und furcht und hoffnung: ich aber halte mich gern an Herakles und will von ihm bei gelegenheit dieser trefflichen tat eines trefflichen mannes eine alte geschichte erzählen”. und nun folgt, offenbar im anschlufs an ein altes gedicht, die schlangenwürgung des kindes, und wie Teiresias den eltern alles vorherverkündet hat,

aber in der descendenz des Zeus den stoff dieser hesiodischen partie erkannt, so ist damit gesagt, dals 930—37, 945. 6 und alles was auf 955 folgt fremdartig ist, und zu dem kitte gehört, welcher die Theogonie mit den Katalogen verband, aus welchen ja 987 schon eitirt wird (Herm. 18, 416). an die letzte göttin, mit welcher Zeus göttliche kinder gezeugt hat, schliefsen sich die sterblichen oder doch des götternamens unwürdigen, welche ihm auch götter geboren haben, Mais den Hermes, Semele den Dionysos, dessen gattin auch gott geworden ist, und Herakles: der war bekanntlich der letzte Zeussohn, und seine göttlichkeit ist in seiner ehe ausgesprochen. hier endet, was wir von Hesiods Theogonie haben; was folgte und wie viel, weils niemand.

117) Es ist ein arger sachlicher verstols, wenn man an die gigantomachie gedacht hat, um ἐν ἀϑανάτοισε mit dem nächsten verbum zu verbinden. die gigan- tomschie ist gar nicht die haupttat, Hesiodos hat auch die beteilignng des Herakles schwerlich gekannt; bei Pindar Nem. 1 sind die giganten nur ein exempel für die ἄνδρες σὺν πλαγίῳ κόρῳ στείχοντες, und jedes andere könnte ebenso gut stehen, wie denn Isthm. 3 Antaios steht. das μέγα ἔργον ist sein lebenswerk. aber ἐν ἀϑανάτοισε zu ändern ist auch falsch, es liegt ja das hauptgewicht auf der apotheose, deshalb ist eine etwas verschränkte wortstellung gewählt, die aber die recitation jeder zweideutigkeit überheben kann.

118) Hier ist ganz deutlich noch der unmittelbare übergang von der fahrt in den äufsersten westen, wo die sonne zu rüste geht und Atlas den himmel hält, in den himmelsgarten, vgl. zu v. 394.

Die Heraklesreligion seit der archaischen zeit. 329

alle die tiere des landes und meeres, scheusale, reilsende, recht und friedlose, die ihm zu bändigen, alle die menschen, wildeigennützige, frevelnden fulses aufser den bahnen des rechtes hinwandelnde, die ihm mordend zum rechte zn führen vom geschick beschieden war. ja, wenn die götter zum krieg der giganten schreiten, dann werden des Herakles pfeile . niederstrecken die himmelstürmenden riesen; und die blonden häupter der Erdensöhne schleifen im staube der mutter. er aber wird den köstlichen lohn für die mühen finden, im seligen hause den ewigen frieden: Hera führt ihm die Jugend als braut entgegen, an dem tische des Zeus begeht er die hochzeit: und in ewigkeit preist er des hehren weltenvaters regiment.

eine rhythmische paraphrase schien nicht unpassend; bedürfen doch die meisten einer vermittelung, um im Pindar nicht nur die poesie, sondern auch nur die gedanken zu finden. und es hilft hier eben so wenig auf die alten wie auf die neuen erklärer zu verweisen. sie stehn ratlos vor der willkür des dichters, der ganz ohne “inneren bezug ’''*) von Herakles redet. nun, vielleicht leuchtet unbefangenen gemütern ein, dafs es grols- artig ist, wie der stolze Aegide sein lied emporhebt von der kleinlichen aufgabe, das rennpferd eines sicilischen marschalls zu besingen, zu dem preise des heros, in dem sich das mannesideal seines standes verkörpert, an dem sich die χοιγναὶ ἐλπέδες πτολυπόνων ἀνδριῶν aufrichten. dals er aus dem himmel herabstiege und sein fabula docet zufüge, kann nur ein pedant von ihm verlangen.

Pindar ist der letzte prophet des Dorertums und seiner ideale. er ist auch der letzte, der den glauben an Herakles ungebrochen bewahrt hat. er selbst sah um sich eine neue welt, in welcher weder er noch seine ideale mehr raum hatten: die attische cultur. sie überflügelte nicht nur das dorische wesen, sie überwand es. und wenn sie auch aus sich ein absolut höheres neues hinzubrachte, so war doch darin ihr vor- gearbeitet, dafs die archaische cultur erstarrt war, und als unzulänglich selbst in den kreisen empfunden ward, in denen ihre wurzeln ruhten. auch die Heraklessage genügte um 500 nicht mehr dem herzen, weil das herz nicht mehr empfand wie um 800.

119) Dies gedicht und N. 10 dürfte man zunächst von den herrn erklärt wünschen, welche Pindar auf das kreuz des terpandrischen nomos schlagen.

980 Der Herakles der sage.

In unübersehbarer fülle war die masse der Heraklestaten gewachsen ; immer neue gefahren und immer neue wanderungen hatte das volk ihm auferlegt. die schale der irdischen müben ward also immer voller, mochte er auch in jedem neuen kampfe siegreich gewesen sein. die ewige selig- keit aber ist ein ewiges einerlei; von ihr läfst sich unter keinen voraus- setzungen viel erzählen. so hielt sie also in vieler augen den leiden und arbeiten nicht die wage. Herakles erhielt den charakter des dulders; sein geschick ward mehr beklagt als beneidet. so hat schon ein dichter in den Eoeen seine mutter ihn wiederholt πονηρότατον καὶ ἄριστον (fgm. 159.160) nennen lassen. und der dichter des Schildes legt ihm schon die unwillige klage in den mund, dafs sein vater Amphitryon sich schwer an den göttern vergangen haben müsse, da sich der eine sohn Iphikles in schande gestürzt hätte, αὐτὰρ ἐμοὶ δαίμων χαλεπούς ἐπέτελλεν ἀέϑλους (94). das ist die stimmung, aus welcher er auch bei Euripides und Sophokles klagt. wahrhaft erschütternd wirkt vollends seine anrede an Odysseus in der uoterwelt “du ärmster, hast du denn auch ein elendes geschick zu schleppen, wie ich es auf erden ertrug? der sohn des Zeus war ich, aber unermefsliches unheil war mein teil (A 613)”. so spricht freiich nur sein schatten, und der dichter verfehlt nicht hervorzuheben, dafs der heros selbst im himmel als Hebes gatte weilt''”*). aber es ist um die frohe zuversicht des glaubens geschehen, wenn auch nur der schatten des Herakles dem tode verfallen ist. aus dieser trüben auf- fassung ist der gedrückte und ermüdete held hervorgegangen, den uns spätere kunstwerke, und doch nicht nur späte, darstellen: ein schönes bild, gewifs; aber dafs das menschenleben eitel mühe und arbeit ist, ist darin auf die bedeutung herabgesunken, welche der verfasser des 90. psalmes mit diesem spruche verband, während der echte Herakles so dachte, wie wir den spruch umdeuten. so ist Herakles dazu gekommen, den jammer des menschenlooses darzustellen, und für diese betrachtungsweise waren die geschichten besonders erwünscht, welche ihn schwach und sündig zeigten, der kindermord, der frevel an Iphitos, die vergiftung und selbst- verbrennung. und indem man sich von diesem standpunkte aus ein voll- bild des charakters von dem heros zu entwerfen versuchte, ist die merk- würdige ansicht von dem Ἡρακλῆς μελαγχολικός entstanden, die kein geringerer als Aristoteles in geistvoller weise durchführt, indem er Herakles mif in die reihe der gröfsten staatsmänner, denker und künstler stellt, die alle μελαγχολεκοί gewesen waren'”). das ist in dem verbreiteten

119°) Vgl. Homer. Unters. 203. 120) Problem. 30, 1. dafs die lehre aristotelisch ist, kann nicht bezweifelt

Die Heraklesreligion seit der archaischen zeit. 331

worte von der melancholie der genialen naturen zur sinnlosigkeit ver- dreht, weil μελαγχολᾶν und melancholie kaum etwas mit einander zu tun haben; selbst Dürers Melancholie kann man zur erklärung der aristo- telischen gedanken nicht herbeiziehn. besser geschieht das durch die vergleichung, welche Aristoteles selbst gibt, dafs die schwarze galle auf die gemütsart etwa so wirkt wie ein köstlicher starker wein. wir dürfen eiwa sagen, dafs in der seele dieser höchstbegnadigten unter den sterb- lichen ein vulkanisches feuer brennt; so lange es nur in der tiefe treibt und wärmt, bringen sie hervor, was reicher und köstlicher ist, als sonst ein mensch vermag, aber wehe, wenn es durchbricht: dann verzehrt es alles und vernichtet sie selbst zuerst. schweres blut, schwerer mut: ““der blick der schwermut ist ein fürchterlicher vorzug’. sie sind mehr als die ἄνδρες καλοὶ κἀγαϑοί, die eingepfercht zwischen die schranken der σωφροσύνη den sichern weg ziehen, den die meilenzeiger des νόμος weisen. aber sie sind was sie sind und leisten was sie leisten nur im gewaltsamen bruche dieser schranken; und das büfsen sie, am schwersten im eignen innern. sie sind eben doch auch keine götter, denen allein das leben leicht ist. Aristoteles hatte ja einen solchen heros gesehen, und er nennt Platon auch in dieser reihe: seit wir die enttäuschung erlebt haben, die uns sein bild bereitet hat, verstehn wir, dals er μδλαγχολᾷ. wenn Herakles in die reihe der heroen des geistes und der sittlichen kraft eingeführt ist, so ist das in unserm sinne keine degradation, die gewalt der alten sagengestalt macht sich auch darin noch fühlbar. aber das ideal des höchsten menschentumes war doch ein anderes geworden; die Hellenen hatten gelernt, wo die grenzen der menschheit stehen, und dafs der ruhm, ein woltäter der menschheit'*') zu werden, nur nit dem eignen herzblut erkauft werden kann.

werden, namentlich die charakteristik von Platon, Sokrates, Lysandros ist bezeichnend. auch wird der inhalt als aristotelisch von den grammatikern (Erotien "Hoasisia« νόσοι) und Plutarch (Lysand. 2) citirt. die ἩΗρακλήη νόσος der späthippokratischen schrift über die weiblichen krankheiten I 17 (ll 623 Kühn) meint die epilepsie, es ist also ein parallelname zu ἱδρὴ νοῦσος und bedeutet nur die “ungeheuerliche’, wie “Ἡρακλεία λ:έϑος den wunderbaren magnetstein; so haben die grammatiker richtig erklärt (Erotian, Galen zu Epidem. ΥἹ 1, XVIlb 341 K). Herakles selbst ist nicht epi- leptisch wie Caesar und Muhammed gewesen, wol aber Alexander μιδλαγχολῶν wie Herakles.

121) Als δὐεργέτης βροτῶν hat Aristoteles wie Euripides den Herakles gefafst, in dem er natürlich eine geschichtliche person sah. als solchem sollen ihm die säulen des westens geweiht sein, Aelian. V.H. 2 (Rose fgm. 678 zieht zu wenig aus und verdirbt den sinn). die heroen als verehrer der ἀρετή feiert Aristoteles in seinem threnos auf Hermeias, und zwar stellt er Herakles und die Dioskuren zuerst,

332 Der Herakles der sage.

Aus derselben wurzel, welche den μελαγχολικὸς Ἡρακλῆς getrieben hat, ist schliefslich das gerade gegenteil auch erwachsen, der Herakles, der als vertreter der φεληδονέα eingeführt werden konnte'*"*). die breite masse mochte es nicht wort haben, dafs Herakles es auf erden so schlecht gehabt hatte; aber die himmlische belohnung am tische der götter war ihnen auch zu unsicher. für sie ist die sudauuovia ein irdisches gut, ist sie irdischer genuls. den konnten sie ihm auch bereiten. Athena und Hermes hatten ihn ja geliebt; Aphrodite und Dionysos waren ihm auch nicht feindlich. schenkten ihm jene die köstlichsten waffen und hielten sie ihm treue kameradschaft in allen fährlichkeiten, so vergalsen sie sein auch nicht, wenn er müde war und ruhe und trost bedurfie. so kühlte ihm Athena die heise stirn, und liefs ihm die warmen quellen allerorten entspringen, den schweifs abzuspülen: das schwesterlichste verhältnis mit der erhabensten himmlischen jungfrau ward schon in archaischer zeit auf das anmutigste ausgestaltet. aber neben diesem reinen bilde sehen wir auch Dionysos den vollen becher reichen und all seine muntern gefährten stellen sich ein. und gefällige nymphen und schöne königstöchter fehlten nirgend; selbst die frevler, die Herakles erschlagen mulste, pflegten hübsche töchter zu haben. er aber kommt ungeladen zu feste, weilt nicht lange und zahlt nicht gold: im sturm erringt er den minnesold. so ward er zuerst ein idealbild des dorischen ritters, “sein halbes leben stürmt’ er fort, ver- dehnt’ die hälft’ in ruh’. und im verlaufe der zeiten ward er ein geselle des dionysischen thiasos, ein schutzherr der epheben und der athleten, der fahrenden leute und der landsknechte: und das ideal, das diese leute haben, die ungemessene körperliche leistungsfähigkeit des “starken mannes’, der doch geistig zugleich in ihre sphäre gehört, ist im wesentlichen, wenn auch einige züge aus dem andern bilde sich einmischen und die ein- geborne erhabenheit nie ganz verloren geht, der Herakles, den die helle- nistische und zumal die römische zeit als lebendige potenz des volks- glaubens besessen hat. es genügt dafür die tatsache, dafs kaiser Commodus der νέος Ἡρακλῆς sein wollte. diese gestalt ist, wie natürlich, der modernen welt zunächst überliefert worden: so pflegt sich der gebildete von heute den Hercules vorzustellen; er abnt ja nicht, dafs die sage mehr ist als ein gefälliges und lascives spiel. oder aber er entsetzt sich über die heiden und die verworfenheit ihrer heiligen. das schwatzt er dann unbewufst den christlichen apologeten nach, die mit recht den

den ἀλεξίκακος und die σωτῆρες, natürlich, weil sie den himmel sich erworben haben,

schon ganz wie Horaz. 121®) Z.b. Megakleides bei Athen. XII 513.

Die Heraklesreligion seit der archaischen zeit. 833

Herakles bekämpften, der zu ihrer zeit in der phantasie der völker lebte. aber so jemand in diesem verzerrten bilde die hellenische religion selbst zu treffen meint, so versündigt er sich an dem heiligen.

Ein gott oder ein halbgoit war Herakles immer noch geblieben, auch in solcher verkümmerung; aber heilig zu sein hatte er eigentlich aufgehört, als die träger seiner religion ihren geschichtlich schaffenden beruf erfüllt hatten und einer neueren und höheren, der attischen cultur, erlagen. denn das Athen der grofsen zeit empfand sehr deutlich, dafs ihm Herakles ein fremder, dafs er ein Dorer war, und nicht nur die sagen geschichtlichen inhalts, in denen er wirklich nichts mehr war, sondern auch die von universaler bedeutung wurden in den hintergrund geschoben: trugen sie doch auch längst einen entschieden dorischen charakter. gewils ward die prächtige sagenfülle auch jetzt noch gern gehört; es werden wol noch mehr versuche gemacht sein als von dem einzig bekannten Panyassis, die fehlende Heraklee zu dichten, und die prosaische darstellung der heldensage, die jetzt das epos ablöste, hat gerade in diesem sagenkreise besondern erfolg gehabt. so wucherte die bildende kunst auch mit dem reichen schatz von Heraklesgeschichten, den ihr die archaische zeit bereits geformt überliefert hatte: allein das geschah nur durch das beharrungsvermögen und durch die lebenskraft der alten motive. ' die grofse kunst des 5. jahrhunderts hat für Herakles kaum etwas grolses getan. entscheidend aber ist, dafs die tragödie ihn verschmäht hat. das ist eine eben so merkwürdige wie augenfällige tat- sache. es kommt ja vor, dafs Herakles einmal in einer episode auftritt, wie im Prometheus des Aischylos. es kann auch nicht ausbleiben, dafs auf seine taten hier oder da hingewiesen wird. aber um seiner selbst willen war der heros, dem Pindaros wieder und wieder huldigt, gleichzeitig in Athen offenbar nicht darzustellen, wenigstens nicht ernsthaft. Aischylos hat, so viel bekannt‘*), auch nicht einmal ein satyrspiel aus seinem kreise verfalst. um so eifriger und erfolgreicher haben Ion und Achaios, Sophokles und Euripides den dorischen helden als burleske figur verwertet, und die Alkestis zeigt, dafs selbst in ernstester handlung diese charakteristik bei- behalten ward'”). auch die komödie hielt sich an den unerschöpflichen stoff; ihr war schon die epicharmische posse vorhergegangen, die selbst

122) Wir kennen von so wenigen satyrdramen des Aischylos den inhalt, und die namen sind zum teil so wenig bezeichnend, dafs sich darunter sehr wol eine Heraklesgeschichte verbergen kann.

123) Da Euripides dem Phrynichos in vielem folgt, darf man die burleske auf- fassung des Herakles ohne schwanken schon jenem zutrauen, vgl. oben 8. 92.

334 Der Herakles der sage.

die hochzeit mit Hebe travestirt hatte‘). man mufs diese tatsachen in ihrem gewichte schätzen, damit man die kühnheit würdige, welche darin lag, dafs Euripides als greis Herakles selbst zum gegenstande einer tragödie machte, welche die tiefe seines wesens mit unter die voraussetlzungen aufnahm, aber jeden schatten des burlesken dorischen wesens ausschlofs. ihm ist schleunigst Sophokles mit den Trachinierinnen gefolgt und hat ein anderes hauptstück der sage dramatisirt: beide freilich schon episch umgebildete geschichten übernehmend. andere versuche sind gemacht worden; aber ohne dauernden erfolg.

Sophokles hefs den Herakles selbst in seiner conventionellen archaischen stilisirung und rückte deshalb eine andere person in den mittelpunkt seines dramas. Euripides versuchte an der sage selbst fortzudichten, aber in einem sinne, welcher sie eigentlich aufhob. das folgende capitel wird zeigen, in welchem sinne er die gebrechlichkeit und die kraft der menschen- natur in Herakles zugleich verkörpert hat, wie er zugleich die sage ver- klärt und zerstört hat. es war das nur dadurch möglich, dafs er zu der Heraklesreligion kein verhältnis hatte, nicht blofs als Athener, sondern auch als sophist, dafs er aber als dichter die poesie zu würdigen wulfste, wie es nur je ein Dorer getan hatte. so machte er ein experiment damit, ein schöneres als andere zeitgenossen, aber doch gleicher art. nicht viel später hat Herodoros, ein Herakleote, also aus einer stadt, die wie wenige den heros hoch hielt, den ersten pragmatischen roman von Herakles geschrieben: hier erhielt er eine bildungsgeschichte, ward ein portrait von ihm ge- zeichnet, ward er ein heerkönig und politiker. wenn so die Dorer sich ihre heldengeschichte retten wollten, so zeigt das nur, dals der geist ver- flogen war. da verfuhren die sophisten würdiger und weit mehr im sinne der alten dichtung, welche Herakles als einen typus für ihre moralischen sätze ausnutzten. dazu gibt es selbst bei Pindar schon ansätze'”). wenn

124) Da Epicharm die Musen zu fischweibern gemacht hat, so kann man des ärgsten gewärtig sein. die bruchstücke geben nur die witzlosesten kataloge von den schätzen der Siculae dapes. sonst gehören sicher noch Ἡρακλῆς ὀπὶ τὸν ξωστῆρα und H. πὰρ Φόλῳ, Βοίσειρις und wahrscheinlich Aixvovers (so O. Jahn für Alxvorı, das zweimal überliefert ist) in die Heraklessage.

125) Ihm ist offenbar der zweifel aufgestiegen, wo denn Her. ein recht auf die rinder des Geryones hergehabt haben könnte. so hat er denn einmal ausgesprochen, dafs er Geryones für eben so löblich als Herakles hielte; er wolle nur von dem nicht reden, was Zeus nicht wolgefällig wäre (es ist das berufene fgm. 81 welches noch immer mit einem von Boeckh in daktyloepitriten umgeschriebenen satze be- haftet ist, den Aristides selbst als erläuterung bezeichnet, und den für poesie zu halten G. Hermann mit recht als einen mangel an poetischem gefühl gebrandmarkt

Die Heraklesreligion seit der archaischen zeit. 335

Prodikos von Keos den Herakles am scheidewege zwischen 4oesr; und ἩἩδονή selbst erfunden hat, d. h. selbst das alte motiv, das in Sophokles Koloıg reiner als in den Kyprien dargestellt war, von Paris auf Herakles übertragen, so hat er sich als einen würdigen sohn der insel des Simo- nides erwiesen: er oder genauer der verkünder seiner lehre, Xenophon, hat es jedenfalls bewirkt, dafs dieses eine stück den hellenischen wie unsern knaben den echten sinn des Herakles, wenn auch etwas farblos und derb moralisirend, vor augen führte'*). viel wirksamer und in ihrer art ein prachtstück ward die umprägung des Herakles zum heros des kynismus durch Antisthenes. es kommt dafür weniger auf den inhalt seines Herakles an als auf das bild, welches seitdem die Kyniker immer weiter ausbilden und auf allen gassen zur schau stellen. zwei der kyni- schen cardinaltugenden, αὐτάρχεια und φιλανϑρωπέα, besals Herakles von der ältesten zeit her; streifte man ihm den epischen und dorischen schmuck ab, so kam er nur um so reiner selbst zum vorschein. aber dafs er πονηρότατος war, dafs es ihm menschlich zu reden schlecht gieng, er von σεόνος zu πόνος schritt, Eurystheus und Hera ihn verfolgten, das nahm der Kyniker gern mit auf, und wenn die Athener über dorische auovola gescholten und gelacht hatten, so war dem Kyniker der our lieber, den so viel εὔφος nicht berührte. gelernt mulste er freilich haben,

hat). Pindar ist dann aber weiter gegangen und hat aus dem Geryonesexempel den berähmten satz gezogen νόμος 6 πάντων βασιλεύς, ϑνητῶν τὸ καὶ ἀϑανάτων, ἄγει δικαιῶν τὸ βιαιότατον ὑπερτάτᾳ χειρί (169). er hat nur sagen wollen, dafs ὅτε Ψομέ- ζεται δίκαιόν ἐστιν, dafs Herakles und die götter die ihm halfen den raub der rinder für νόμιμον hielten, und er nicht anders urteilen dürfte: aber damit sagte er im grunde dasselbe, was Eur. Hek. 799 zu der lästerlichen consequenz treibt, dafs die götter auch nur νόμῳ verehrt werden, und was der brave Xenophon, Mem.IV 4,20, aus frömmigkeit verdirbt. offenbar hatte Pindar, was ihm manchmal (auch mit den pytha- goreischen lehren Ol. 2) begegnet, eine neue lehre übernommen, ohne sich ihre für seine weltanschauung vernichtenden consequenzen klar zu machen. leider kann man weder sagen, wann er die Geryonesgedichte gemacht hat, noch für wen. das erste, bescheidnere, war ein dithyrambus. Peisandros von Rhodos soll Herakles δικαεό- τατος φονεὺς genannt haben: das klingt stark an Pindar an, beruht aber auf dem bedenklichen zeugen Olympiodor zu Alkibiades I: also ist vorsicht geboten. es klingt auch an das noch ungelöste rätsel der Kleobulina an, das in den dorischen διαλέξεις erhalten ist ἄνδρ᾽ εἶδον κλέπτοντα καὶ ἐξαπατῶντα βιαίως, καὶ τὸ βίᾳ δρᾶσαι τοῦτο δικαιότατον.

126) Auf einer herme im Vatican steht ΜΠ κίην παῖς εἰμί" βρέτας δ᾽ ἐστή- αττο Φηλιξ Ἡρακλέους οἰκῶ" οἶσϑά us κἀκ Προδίκου (Kaibel 831 *). die abhängig- keit des Prodikos von dem Parisurteil ist schon von dem philosophen erkannt, den Athenaeus im anfange von buch XII ausschreibt. es ist ein späterer peripatetiker, der wol besonders von Theophrast περὶ ἡδονῆς abhängt.

336 Der Herakles der sage.

denn so weit war Antisthenes Sokratiker, dafs er die ἀρετή in der φοόνησις sah und für lehrbar erklärte: aber sie war nicht schwer, und wol dem, der nicht erst die ganze last der torheit und der vorurteile zu verlernen hatte. so war Herakles auch hier wieder der rechte mann, der vollkommene mensch. aber er hatte seinen lohn in diesem leben; ge- nauer genommen, eine belohnung gab es nicht und brauchte er auch nicht. er war mensch, πογηρὸς und εὐδαέμων zugleich, er mochte menschlich fehlen, auch schliefslich krank werden und aussätzig: dann baute er sich einen scheiterhaufen und warf das wertlose leben weg'”). so vermochte der Kyniker die ganze Heraklesgeschichte seiner lehre dienstbar zu machen. diese lehre stand mit ihrer schätzung von diesseits und jenseits, menschenwürde und menschenpflicht zu der Heraklesreligion in fast polarem gegensatze: aber die typische bedeutung für das sittliche verhalten des mannes hat die gestalt des Herakles in ihr bewahrt, und so ist sie, wenn man alles recht erwägt, am letzten ende auch eine manifestation der volks- tümlichen religion : deren stärke und schwäche darin liegt, dafs sie in die alten schläuche immer neuen wein aufnehmen kann.

Als heros der Kyniker, als streiter für die civilisation, als allsieger in den kämpfen der [aust und der keule, aber nur zu leicht dem weine und der liebe erliegend hat Herakles durch die jahrhunderte fortgelebt,

127) Kurz und scharf findet man diesen kynischen Herakles bei Dion in der act rede: man muls sich nur hüten, bei diesem schriftsteller zu grofßse stücke auf eins der alten bücher des 4. jahrhunderts zurückführen zu wollen. wie solite er den Antisthenes anders behandelt haben als Platon und Xenophon, wo die ver- gleichung gestattet ist? der sophist Prometheus (33) dürfte freilich von ihm stammen. und auch der besondere hohn, der die goldenen äpfel trifft, die auch hier am ende des lebens stehen, pafst für einen, dem ihre besondere bedeutung noch geläufig sein konnte: Her. nimmt sie nicht selbst, er kann ja gold so wenig wie die Hesperiden essen. als er dann alt und schwach wird, baut er sich auf dem hofe den scheiterhaufen. hier ist die kritik der byzantinischen und modernen herausgeber possirlich. weil sie wissen, wo die sage den selbstmord ansetzt, machen sie aus dem hofe den Oeta (Οἴτῃ für αὐλῇ 34), wo man kynisch weiter fragen mufs, wozu die bergbesteigung, das konnte er doch wahrhaftig zu hause haben. von den Heraklestragödien der Kyniker ist adespot. 305 merkwürdig, von Cassius Dio (47, 49) als τὸ Hoanissow angeführt, der vers, den Brutus wiederholte, als er sich bei Philippi den tod gab τλῆριον dgern, λόγος ἄρ᾽ ἦσϑ᾽, ἐγὼ δέ σε ὡς ἔργον ἤσκουν, σὺ δ᾽ ae’ ἐδούλευσας run. so redet also eben der Herakles, der sich am scheidewege für die ἀρστή entschieden hatte: der dichter setzt Prodikos, oder vielmehr Xenophon voraus, und das δουλεύειν τύχῃ nimmt er aus der letzten rede des euripideischen Herakles (1357). dieser Herakles war also nicht mehr der rechte Kyniker, sonst würde er die τύχη verachten auch das antisthenische ideal war gewogen und zu leicht befunden. alies führt darauf, Diogenes oder Pseudodiogenes als verfasser anzuerkennen.

Deutungen der sage seit dem altertum. 837

während zu dem gotte die menschen in leid und freud sich hielten, denen er als solcher von den vätern her vertraut war, unhbekümmert um das was die philosophen in ihm suchten oder die dichter von ihm fabelten: da war er eben gott; das genügte der frömmigkeit, die glücklicherweise trotz jeder theologie bestehen bleibt.

Die theologen oder, wenn man das lieber hört, die mythologen versuchten sich auch seit den Stoikern, den erben der Kyniker, an dieser wie an jeder gestalt des volksglaubens und bemühten sich die fülle der erscheinungen mit einer formel zu erklären. da ward Herakles der ϑεῖος λόγος oder das feuer oder die sonne. man sieht, das ganz moderne ist in wahrheit alles schon da gewesen. interessanter ist vielleicht der versuch des gnostikers Justin den kynischen Herakles als einen gewaltigen diener des ’EAwelu (des gnostischen “vaters’), den gröfsten vor Jesus, in die neue religion aufzunehmen '*). darin liegt viel mehr wahrheit als in den physischen oder metaphysischen formeln: da ist doch wenigstens das göttliche als sittliche potenz gedacht. Kleanthes Chrysippos und ihre modernen adepten gehen von der voraussetzung aus, dafs die sagen eine hülle sind, unter welcher alte weisheit sehr einfache dinge verborgen lat. und der ungläubige gelehrte findet einen schlüssel, ein zauberkräftiges wort, da öffnet sich das verschlossene dem verständnis, der schleier vom bilde von Sais fällt ab, und man sieht zu seiner befriedigung, dafs eigent- lich nichts rechtes dahinter war. aber sehr scharfsinnig ist, wer dahinter kommt. mit dieser betrachtungsweise und ihrer selbstgefälligen erhaben- heit kann nicht concurriren, wer sich dabei bescheidet, dafs er die em- pfindung, welche vergangene geschlechter in dichterischem bilde nieder- gelegt haben, in sich selbst zu erzeugen versucht, indem er sich möglichst aller concreten factoren des lebens und glaubens bemächtigt, welche einst

128) Hippol. Refut. V 26. Elohim hat mit Eden (der Erde) in seltsamer weise den menschen gezeugt, sich aber dann in den himmel an die seite des “Guten gottes’ erhoben; ihm folgen seine 12 söhne; ihr gehören auch 12, mit und durch welche sie auf erden regiert. vergebens schickt Elohim den engel Baruch, u. a. zu Moses und den Propheten. da erweckt sich Elohim aus der Vorhaut einen grofsen propheten, Herakles, der besiegt die 12 Erdensöhne (die μητρεκοὶ ayyaloı): das sind die 12 kämpfe. und er würde die welt erlöst haben, wenn nicht Ὀμφάλη == Βαβέλ == Appodicn, die sinneslust, ihn bezwungen hätte. so bedurfte das erlösnngswerk der vollendung, die es fand, als der engel Baruch den 12 jährigen zimmermannssohn Jesus von Nazaret aufgesucht und ihm die wahrheit verkündet hatte. der liefs sich nicht verlocken, deshalb schlug ihn der höchste der μητρικοὶ ἄγγελοι Naas ans kreuz. da starb er, d. ἢ. er liefs den irdischen toten leib mit den worten “weib, da hast du deinen sohn (Joh. 19, 26)’ zurück und schwang sich empor zum ‘guten gotte’. Justin hat in

seinem buche die meisten hellenischen sagen in ähnlicher weise umgedeutet. v. Wilamowliz 1. 22

Deutungen der sage seit dem altertum.

338 Der Herakles der sage.

jene empfindung erzeugten, auf dafs er sie nachempfinden könne, wer also nicht klüger als die sage und der glaube sein will. das gilt ihrem gehalte. ihrer form aber sucht er sich zu bemächtigen, indem er sie als gedicht auffalst, was sie ja ist. deshalb eröffnen nicht die antiken oder modernen theo- oder myihologen das verständnis der naturreligion, sondern die grofsen dichter alter und auch neuer zeit. ihre gedanken und die gestalten und geschichten die sie schaffen sind den gedauken der natur- religion und den gestalten und geschichten der sage brüderlich verwandt. der Faust hilft zum verständnis des Herakles mehr als Kleanthes und Iamblichos, Creuzer und Max Müller.

Erst spät ist das verständnis des Herakles wiedergefunden. die moderne entwickelung mufste den weg von der antike, welche man zuerst wiederfand, der kaiserzeit, erst allmählich zu dem echten altertum empor- steigen. noch die grofsen männer, die das wirkliche Hellenentum er- weckten, baben Herakles nicht begriffen.

Winckelmann in dem hymnus auf den Torso feiert Herakles etwa so wie es ein hymnologe, also z. ὃ. Matris von Theben, zu der zeit getan haben mag, in welcher Apollonios jenes von Winckelmann in einer jetzt unbegreiflichen weise überschätzte und misverstandene werk für das Pom- peiustheater verfertigte'*). Zoega arbeitete wie ein trefflicher myihograph, besser noch als der echte Apollodor, aber man mag ihn doch vergleichen. Wieland schlug die bahnen des Prodikos wieder ein und wirkte mit seinem flach moralischen, aber dennoch auch jetzt noch genielsbaren werke stärker auf den jungen Faustdichter, als dieser eingestand. Goethen war Herakles der genialische kraftmensch und natursohn’”): da waren

129) Es befremdet zunächst, wird dem nachdenkenden aber ganz begreiflich, dafs die gebrüäder Goncourt im torso das höchste der antiken sculptur sehen und zu- gleich auf cet imbecile Winckelmann schelten. ihnen ist das echthellenische verhafst, und so sein prophet;; sie haben aber ganz recht, Winckelmann zu bekämpfen, wenn er seine vorstellungen vom echthellenischen in ein werk hineinträgt, das vielmehr einer cultur angehört, die den Goncourt sympathisch sein mufs, weil sie längst vom hellenischen entartet ist.

130) Belustigend ist, dafs Goethe sich Herakles als kolofs denkt und Wieland verhöhnt, der in ihm “einen stattlichen mann mittlerer gröfse’ erwartet hat. beide anschauungen sind im altertum auch mit einander in streit gewesen. aber Pindaros, der ihn doch zu schätzen wufste, hat Her. övorös μὲν ἰδέσθαι und μορφὰν βραχὺς im gegensatze zu den riesen Orion und Antaios genannt (Isthm. 3, 68). vier ellen (sechs fuls) oder vier und eine halbe (Herodor im schol. Pind., welches wirklich der ausschreiber Tzetzes zu Lyk. 662 verbessert), etwas gröfser als ein gewöhnlicher mensch (Piutarch bei Gell. 1 1), pflegt er geschätzt zu werden. anders muls natär- lich die bildende kunst vorgehen. die tradition Pindars will offenbar den dorischen

Deutungen der sage seit dem altertum. 339

züge vereinigt, die dem Kynismus angehörten, mit solchen, die etwa die bukolische poesie an dem naiven helden hervorgehoben hatte. Schillers Ideal und Leben gipfelt in dem gegensatze des auf erden gedrückten und im himmel verklärten Herakles. er beabsichtigte auch als gegenstück zu seiner “elegie’ eine ‘idylle” zu dichten, deren inhalt die hochzeit des Herakles mit der Hebe bilden sollte. die forderungen, welche er in der abhandlung über naive und sentimentalische dichtung für die idylle auf- stellt, sind in wahrheit gar nicht allgemein gemeint, sondern geben den gedanken, welchen er in seinem gedichte in die mythologische form kleiden wollte. “der begriff dieser idylle ist der begriff eines völlig aufgelösten kampfes sowol in dem einzelnen menschen als in der gesellschaft. .... einer zur höchsten sittlichen würde hinaufgeläuterten natur, kurz er ist kein anderer als das ideal der schönheit auf das wirkliche leben an- gewendet”. diesen gehalt also legte der philosophische dichter in das was ihm nur eine bequeme form war. sein gutes recht übte er damit; aber mit grund ist das gedicht unausgeführt geblieben: der gegensatz zwischen form und gehalt war zu grofs. und dem ernsten echten Hellenen- tum kann dies ideal der schönheit nur ein sentimentalisches phantasma sein. das hiefs mit dem mythos spielen wie Diotimos oder, wenn man lieber will, ihn philosophisch verflüchtigen wie Kleanthes.

In feierlichen, von tief religiösem und tief wissenschaftlichem sinne getragenen worten hat erst Philipp Buttmann 1810 zur feier des ge- burtstages Friedrichs des grolsen ausgeführt, dafs das leben des Herakles ein schöner und uralter mythos ist, darstellend das ideal menschlicher vollkommenheit geweihet dem heile der menschheit”. damit war das wesentliche gegeben: der keim war blofsgelegt, aus welchem der alte stamm der sage erwachsen ist, der in dem dodekathlos wenigstens, auf den auch Buttmann mit entschiedenheit hinwies, die eingeborne art rein erhalten hat. was nicht zu seinem rechte kam, war das nationale, das dorische, obwol Butitmann selbst sehr gut wulfste, dafs jeder alte mythos, auch wenn er universell gedacht ist, zunächst eine nationale bedeutung

mann und menschen im gegensatz zu den wüsten leibern der γηγενεῖς wie zu den eleganten loniern erfassen. weiter wird auch Herodoros nichts gewollt haben. aber die peripatetiker Hieronymos und Dikaiarchos (Clemens protr.2p.26 extr.) treiben phy- siognomonische speculationen, wenn sie auch an die tradition ansetzen. aus Clemens schöpft Arnobius IV 25, wo nur der name Hieronymus noch erhalten ist: es heilst das abhängigkeitsverhältnis verkennen, wenn man bei Arnobius ein besonderes Hiero- onymosbruchstück finde. ob aber Arnobius unmittelbar darauf Piutarch (für die kynische motivirung des todes, anm. 126) aus eigner kenntnis in die Glemensexcerpte einfügt, oder ob Clemens unvollständig erhalten ist, verdient ernste erwägung. 22*

340 Der Herakles der sage.

empfängt. diese notwendige ergänzung hat 1824 O. Müller in den Doriern geliefert. sein verdienst ist es, für die geschichtlichen sagen das auge geöffnet zu haben. es entgieng ihm auclı nicht, dafs der grundgedanke der Heraklessage ein stolzes bewufstsein der dem menschen inne- wohnenden eigenen kraft ist, durch die er sich, nicht durch vergunst eines milden huldreichen geschickes, sondern gerade durch mühen drang- sale und kämpfe selbst den göttern gleich zu stellen mag”. aber er hat das nicht als etwas für die Heraklessage specifisches betrachtet; wie er denn überhaupt bei Buttmann nicht genug gelernt hat.

Die moderne mythologie wähnt über diese halbvergessenen vorgänger weit hinaus zu sein, und zumal Buttmann hat keine starke wirkung aus- geübt. in wahrheit kann neben ihm und Müller kein dritter genannt werden, wenn man fragt, wer das wesen des Herakles erschlossen hat. was hier dargelegt ist, ist im grunde nicht mehr als der versuch, den beiden bedeutenden männern gleichmäfsig gerecht zu werden. diese er- kenntnis ist aber erst gewonnen als ergebnis der selbstkritik: denn» erfassen mufs jeder das, was er wirklich versteht, aus dem objecte selbst, und das verständnis eines religiösen gedankens wird ihm keiner wirklich vermitteln, für den diese religion im grunde doch nur ein object der forschung ist. das kann nur einer, der selbst den lebendigen glauben hat und ausspricht: und so mag bier der subjective dank dem grofsen Pindaros gezollt werden. am ersten nemeischen gedichte habe ich den Herakles verstanden. und wer meine worte liest, der möge selbst von dem propheten sich sein herz erschliefsen lassen; der moderne gelehrte kann ihm nur den weg weisen. so hoher und tiefer dinge verständnis will nicht erlernt sondern erlebt werden.

6. DER HERAKLES DES EURIPIDES.

Wann Euripides seinen Herakles auf die bühne gebracht hat, in ver- bindung mit welchen anderen stücken, gegen welche concurrenten, mit welchem erfolge, das alles und noch einige tatsächliche angaben über die erste aufführung, die geringere bedeutung für die würdigung des vorliegenden dramas haben, war seiner zeit urkundlich aufgezeichnet worden, und der antike leser fand es seit Aristophanes von Byzanz in seiner Euripidesausgabe vor dem texte des dramas angegeben. auch wir würden diese unschätzbaren notizen überliefert erhalten haben, wenn nicht die stumpfheit von zeiten, die mit solchen tatsachen nichts anzu- fangen wulsten, und in diesem falle noch besondere schreiberfaulbeit die vorbemerkungen dieser art ihrer wertvollsten bestandteile beraubt hätten‘). der verlust ist unersetzlich; immerhin läfst sich die entstehungszeit der tragödie zwar nicht auf’s jahr feststellen,. aber doch innerhalb ziemlich enger schranken der möglichkeit.

Zeit der entstehung und zeit der aufführung, das ist zweierlei; aber praktisch wird es nicht nur von den modernen philologen gleichgesetzt, sondern hat niemals unterschieden werden können. auch für Aristo- phanes von Byzanz und schon für Dikaiarchos gab es kein mittel, sich über das werden und wachsen des kunstwerks in der werkstatt des dichters zu unterrichten. sie datirten deshalb nach dem tage der geburt: wir würden am liebsten nach dem tage der conception datiren, aber wir müssen nun einmal darauf verzichten, von den werken der grofsen griechischen dichter eine entstehungsgeschichte zu schreiben. ohne zweifel entgeht uns so überaus viel des feinsten und persönlichsten; allein die bedeutung, welche die entstehungsgeschichte für eine anzahl unserer clas- sischen dramen hat, darf auf die attischen tragödien nicht übertragen

1) Vgl. oben 145 und δά, 1] 4.

Auffüh- rungszeit.

842 Der Herakles des Euripides.

werden. denn wenn diese so mühsam in wiederholten ansätzen zu stande gekommen wären wie Carlos und Egmont, so würden sie auch ähnliche incongruenzen der handlung oder der stiles zeigen. es fehlt auch im altertum nicht an solchen problemen; sie sind sogar recht zahlreich: nur finden sie sich nicht in der poesie. die werke des Herodotos und Thu- kydides, die beiden umfänglichsten des Platon, die meisten des Xenophon, mehrere des Demosthenes liegen uns und lagen dem altertum immer in einem zustande vor, welcher trotz dem mangel jeder verläfslichen sonstigen überlieferung probleme der entsteliungsgeschichte aufzuwerfen zwingt, die nicht minder wichtig und nicht minder endlos sind als im Homer und im Faust. und in den Wolken des Aristophanes würden wir auch den versuch eines dramatikers, ein mislungenes werk umzuarbeiten, selbst dann erkennen, wenn wir keine überlieferung hätten; den alten kritikern war die aufgabe leicht gemacht, da sie beide fassungen besafsen. im übrigen pflegen wir widersprüche und stilistische fehler, wo wir sie zu bemerken glauben, nicht den dichtern zuzuschreiben, sondern späterer entstellung; im allgemeinen gewils mit recht. dafs Sophokles und Euri- pides hie und da eine flüchtigkeit begehen mulfsten, aber kaum je durch absetzen und wiederaufnehmen einer dichtung disharmonieen hinein- tragen konnten, ist durch ihre ungemeine fruchtbarkeit bedingt. dürfen wir doch rechnen, dafs sie auf der höhe ihrer kraft vier stücke im jahre fertig stellten. das schliefst nicht aus, dafs der zeugungskräftige gedanke, der aus einem sagenstoffe eine tragödie macht, längst im bewufstsein des dichters vorhanden war, ebe dieser an die ausarbeitung schritt. aber dies verschlägt wenig, wenn nur das werk selbst aus einem gusse ist?). und wenn das werk fertig war, so fand sich, wenigstens als die dichter zu ansehn gelangt waren, sofort die vorher dem dichter wolbekannte gelegen- heit zur aufführung, auf die er demnach in ruhe jede rücksicht nehmen konnte, die ihm beliebte. wie die veröffentlichung des buches von statten gieng, wissen wir nicht; aber lange kann sie nicht hinausgeschoben sein, eben auch wegen der schnelligkeit und des reichtums der production. dafs der dichter für das buch änderungen gegenüber dem aufgeführten lexte vorgenommen hätte, ist eine möglichkeit, die man zugeben mag, aber aufser rechnung lassen muß?). handeln wir somit nicht unbedacht,

2) Es steht fest, dafs Lessing den stoff der Emilia schon als jüngling in angriff genommen hat; Goethe hat die Wahlverwaudtschaften mehr als ein menschenalter früher concipirt, als sie geschrieben sind: das sind für die beurteilung der dichter sehr wertvolle tatsachen, aber für die gedichte haben sie geringe bedeutung, denn diese sind in sich vollkommen einheitlich.

3) Die antiken erklärer haben öfter, z. b. zu den Fröschen des Aristophanes,

Aufführungszeit. 948

wenn wir abfassung und aufführung praktisch gleichsetzen, so wächst dadurch nur der wert der didaskalischen angaben, und wo sie fehlen, kann der versuch gemacht werden, sie einigermalsen zu ersetzen: was wir von indicien den verschiedenen partieen des dramas entnehmen, darf auf eine und dieselbe zeit bezogen werden.

Für den Herakles ist weitaus das wichtigste eine subjective äufserung des dichters, eine der wenigen ganz persönlichen stimmungsäufserungen, und schon als solche unschätzbar. der dichter läfst seinen chor, un- mittelbar nachdem er das alter verflucht und den wunsch nach einem doppelten leben als lohn für die tugend ausgesprochen hat, geloben, den Musen treu zu bleiben, welche auch dem alter treu bleiben ‘). kein fühlender leser kann verkennen, dafs das aus eigenster seele gesprochen ist. also alt war oder besser alt fühlte sich Euripides, aber in seiner poesie nicht gealtert. nun kann man das freilich nicht auf’s jahr aus- rechnen, wann ein mann sich alt fühlt, noch wann er es äufsern mag, aber nach antiker anschauung kann man das γῆρας vor dem sechzigsten jahre unmöglich beginnen lassen. wir mögen also zunächst uns bescheiden, zumal die geburt des Euripides kaum auf ein jahrzehnt sicher festgestellt werden kann, dafs er den Herakles nicht vor 424 gedichtet haben kann. das nächste würde dann wol sein, zu fragen, ob die resignirte und doch schaffenskräftige stimmung, durch die vergleichung mit anderen werken genauere datirung ermöglicht. allein das wird erst kenntlich, wenn der gehalt des dramas erfalst ist. und die moderne meinung hat vor solchen schlüssen aus dem geiste des werkes auf seine entstehungszeit eine starke scheu: versuchen wir also zunächst die anderen betreteneren pfade.

Die nächste hoffnung, durch zeitgenössische anspielungen einen ter- minus ante quem zu gewinnen, versagt: denn der spott der komödie hat diese tragödie verschont. Euripides selbst hat in der parodos seines Orestes eine scene des Herakles nachgebildet®); aber damit, dafs dieser vor 408 gedichtet ist, lernen wir nichts von belang. wichtig an sich ist, dafs die Trachinierionen des Sophokles nicht nur deutliche anklänge an den Herakles enthalten®), sondern geradezu durch ihn angeregt sind. mit der hypothese einer solchen umarbeitung gerechnet. allein es sind das ersicht- lich nur hypothesen, und sie schweben ganz und gar in der luft. vgl. oben s. 42.

4) Vgl. den commentar zu der dritten gesangnummer.

δὴ) Vgl. 11 237.

6) Vgl. zu v. 181, 1309, 1353, 1373 und F. Schroeder de iteratis apud tragicos Graecos 112. besonders bezeichnend S. Tr. 416 aus E. Hik. 569: Sophokles hat

arglos ein wort beibehalten, als er eine nebenfigur nach dem muster einer euripi- deischen stilisirte, welche mit den neuen künsten der rhetorischen charakteristik

344 Der Herakles des Euripides.

aber urkundlich ist auch dieses drama nicht datirt, und wenn auch for- male kriterien und ein par andere anklänge an sich wahrscheinlich machen, dafs es etwa im vorletzten jahrzehnt des 5. jahrhunderts verfafst ist, so ist das doch nicht mehr als eine bestätigung dessen, was sich auch sonst für das euripideische drama ausmachen läfst, während für das sophokleische gerade das verhältnis zu Euripides die wichtigste zeitliche relation ergibt.

Nicht viel festeren boden gewinnen wir durch die anspielungen auf geschichtliche ereignisse, welche man im Herakles gefunden hat. in der annahme solcher beziehungen ist häufig jedes mals überschritten worden; jetzt ist man ihnen gegenüber nicht selten zu zaghaft. es sollte doch über den methodischen grundsatz kein zweifel sein, dafs es zwar unerlaubt ist, irgendwelche anspielung auf aulsen liegendes anzunehmen, wo der poetische zweck allein ausreicht, dafs dagegen das verständnis aufserhalb des dramas gesucht werden muls, wenn es in ihm nicht gefunden werden kann. sodann aber ist eine notwendige distinction zu machen. es ist zweierlei, ob der dichter mit bewufster absicht und um vom publicum verstanden zu werden, auf etwas hindeutet, das mit seinem stoffe nichts zu tun hat, wie Shakespeare im Sommernachtstraum auf die jungfräuliche Königin, oder Euripides am schlusse seiner Elektra auf die flotte in den sicilischen gewässern, oder aber, ob der dichter unbewulst unter dem druck der ihn umgebenden gegenwärtigen verhältnisse dinge erwähnt oder gedanken ausspricht, zu denen der gegenstand selbst ihn nicht hin- leitete. dies sind eigentlich nur besonders starke beispiele des die ganze lebendige poesie beherrschenden anachronismus; z. b. die litterarischen beziehungen gehören dahin, die zwischen Sophokles Antigone und Herodot, Fausts erstem monologe und Herder bestehen. es leuchtet ein, dafs die beiden kategorien für die würdigung des dichters stark verschieden sind; für die chronologische ausbeutung aber kann man sie zusammen behandeln.

Ein beleg für die erste classe, also eine bewulste und für das ver- ständnis des publicums berechnete abschweifung vom stoffe ist im Herakles der streit zwischen Lykos und Amphitryon über den wert des bogen- schützen, ψόγος und ἔπαινος τοξότου, wie die handschrift am rande bemerkt. der stoff führte allerdings auf diese streitfrage hin. denn die überlieferte figur des bogenschützen Herakles stritt nicht nur mit den ehrbegriffen der dorischen adlichen und der gesellschaft, für welche sie den ton angaben’): die freiheitskriege waren dem volke als der sieg des

sorgfältig und bedeutsam ausgearbeitet war. nur in dem sinne darf man von nach- ahmung reden. 7) Vgl. oben 290, 11 s. 86, 92. die ehrbegriffe der archaischen zeit sprechen

Aufführungszeit. 345

hellenischen speeres über die asiatischen pfeile erschienen ®), und in Athen war durch den zufälligen umstand, dafs die mit der fernwafle ausge- rüsteten polizeimannschaften meistens staatssclaven nordischer herkunft waren, die verächtliche gleichsetzung des z0&0s17g mit dem Σκύϑης ent- standen’). somit konnte Euripides allerdings durch seinen stoff darauf geführt werden, Herakles wider die herabsetzung des schützen verteidigen zu lassen, und leicht mochte ihn seine neigung für sophistischen rede- kampf dazu verlocken, dieses ihema breiter zu behandeln als für die poesie zuträglich war. aber er hat viel mehr getan. er läfst den ver- treter der guten sache geradezu aussprechen dafs der schütze den zweck des krieges, vernichtung des gegners mit möglichst geringem eigenem ver- luste, besser erreicht als der hoplit, zumal dieser lediglich durch die schuld seines nebenmannes im gliede zu grunde geht, wenn sich nämlich die schlachtreihe löst. das fällt gänzlich aus dem rahmen der tragödie heraus; es findet aber in der geschichte des archidamischen krieges sein lebens- vollstes gegenbild. Athen hat seine schwerste niederlage, bei Delion, eben dadurch erlitten, dafs die hoplitenphalanx geworfen ward, und ihr rückzug durch keine leichte infanterie gedeckt war. den schönsten er- folg aber hatte leichte infanterie bei Sphakteria über die stolzen spar- tiatischen hopliten erfochten. man hat auch mit recht aus der kriegs- geschichte geschlossen, dafs der tüchtigste feldherr der zeit, Demosthenes von Aphidna, sich die ausbildung und verwendung leichter infanterie be- sonders hat angelegen sein lassen, ein vorläufer des Iphikrates, dessen peltasten später die lakedaimonische mora überwunden haben. diese ver- änderte wertschätzung der schützen spricht auch aus der euripideischen debatte, welche nur durch sie verständlich wird. dies wesentlichste ist damit erreicht: für die verletzung unseres künstlerischen empfindens werden wir. dadurclı entschädigt, dafs wir sehen, wie der dichter aus dem

am eindringlichsten die gedichte des Tyrtaios aus, die sich aber von denen des ionischen epos nicht weit entfernen. zo&dra λωβητήρ wird Alexandros gescholten (1 386). für die attische vorstellung ist besonders Soph. Aias 1120 bezeichnend, nicht lange vor Eurip. Her. gedichtet.

8) Diese anschauungen stehen in unmittelbarem zusammenhange mit den eben bezeichneten epischen. zeugnisse der grolsen zeit z. b. Aisch. Pers. 85, Herodot V 97, pseudosimonideische epigramme 105, 106 Bgk. später besonders schön Aristoteles im epigramm auf Hermeias.

9) Die schrift vom staate der Athener (nicht lange vor 424 verfalst) gibt die unzulänglichkeit der attischen hoplitenmacht zu, aber die schützen berücksichtigt sie nicht. übrigens gab es auch ein bürgerliches schätzencorps; es spielt nur gar keine irgend erhebliche rolle.

846 Der Herakles des Euripides.

vollen leben schöpft, und die stimmungen und strebungen seines volkes aufnimmt und dem volke gestaltet zurückgibt. was vor zeitlos absoluter kritik nicht besteht, gewinnt für die geschichtliche betrachtung einen be- sonderen wert, und wir hören auf, den dichter zu schelten, wenn wir uns vorstellen, wie laut der beifall der anhänger des Demosthenes ge- klungen haben wird; hätten sie nur auch die majorität in der volksver- sammlung gehabt. aber ein festes chronologisches indicium gewinnen wir damit noch nicht; nur so viel mögen wir sagen, dals seit der alles interesse auf sich ziehenden sicilischen expedition, und gar während des folgenden seekrieges kein raum mehr für diese debatten war, während die nächsten jahre nach Sphakteria und Delion die angemessensten scheinen. aber selbst so bleibt der spielraum 423—416. und selbst dieses nur, weil das lied vom alter verbietet, höher hinaufzugehen. an sich dürfte man wol für minder wahrscheinlich, aber nicht für unmöglich erklären, dafs Euripides die theoretischen gegensätze auf der bühne früher behandelt hätte, als die kriegerischen ereignisse sie praktisch hervortreten liefsen.

Eine andere zeitbestimmung hat man darin finden wollen, dafs der chor v. 687 den paean erwähnt, welchen die Anlıades dem Apollon singen. derselben tut auch der chor der Hekabe erwähnung, 453; die troischen gefangenen erwarten σὺν Anlıacıy κούραις die heiligen er- innerungen der insel verherrlichen zu sollen: es waren also zu diesem dienste aufser den delischen mädchen auch hierodulen herbeigezogen, welche im Herakles in der bezeichnung 4ηλεάδες ἀμφίπολοε mit ein- begriffen sind'‘). nun hat man hierin einen hinweis auf die stiftung des prächtigen vierjährigen festes der Delien gesehen, welche die Athener im frühjahr 425 vornahmen (Thuk. III 104). aber eine directe beziehung würde nur vorliegen, wenn Euripides attische chöre in Delos oder auch

10) Das wort ἀμφέπολοι entstammt im texte des Herakles einer conjectur, welche dem überlieferten Anlsadss das unentbehrliche substantiv liefert, aber ohne kenntnis der tatsächlichen delischen verhältnisse gemacht ist. und für die spätere zeit der delischen freiheit wird auch niemand glauben, dafs die delischen mädchen sclavinnen mit in ihren chor aufgenommen hätten, obwol die ganze bürgerschaft dort in wahrheit nur eine sippe schmarotzender küster war. aber für seine zeit bezeugt Euripides in der Hekabe die beteiligung von hierodulen, und das ist auch begreiflich; man denke an die von Pindar und Simonides verherrlichten korintbischen dienerinnen Aphrodites. zur zeit der vertreibung der Delier vollends müssen ja die Athener für die 4ηλεάδες einen ersatz geschaffen haben. die Hekabe bezeugt auch, dafs sclavinnen an der herstellung des peplos für die Athena Polias mitwirkten: im 2. jahrhundert v. Chr. ist das ein vorrecht nicht nur freier sondern vornehmer, viel- leicht gar eupatridischer Athenerinnen. Köhler, Mitteil. Ath. VIH 57.

Aufführungszeit. 347

nur das fest überhaupt nennte. er redet aber nur von den liedern und tänzen der Deliaden. diese sind natürlich zu allen zeiten vorhanden ge- dacht, eben deshalb auch zu Herakles zeit. die beziehungen Athens zur delischen religion '') sind uralt und waren dem Euripides sogar durch den cult seiner familie vertraut'”). das heilige schiff segelte nach Delos zur zeit, als die Frangoisvase entstand, zur zeit, wo Sokrates starb und Delos den Athenern gerade entfremdet war, zur zeit des Philochoros, wo es gleichfalls frei war: die Deliaden haben gerade im zweiten jahrhundert v. Chr., zur blütezeit des freien Delos, ehrengeschenke von vornehmen besuchern für ihren tanz erhalten; sie hatten offenbar diesen mehr als Apollon zu ehren getanzt”). man mufs die frage also so fassen: Euri- pides erwähnt die Deliaden, die es immer gegeben hatte und gab, in zwei dramen, die wir aus anderen gründen ziemlich in dieselbe zeit rücken, in welcher Athen die Delien stiftete: somit mag als wahrschein- lich gelten, dafs er den delischen cult deshalb herbeizog, weil Athen gerade auf ihn besonderen wert legie; aber eine zeithestimmung für die dramen ergibt das nicht‘). die Delien sind mit pracht gefeiert, so lange Euri-

11) Vgl. Töpffer Herm. 23, 321.

12) Vgl. oben 8. 5. ein städtisches Delion mit Töpffer anzunehmen hindert mich die dort vorgetragene auffassung unserer berichte.

13) So erhalten sie z. b. einen goldenen kranz als belohnung für ihren tanz von L. Scipio (Dittenberger syll. 367, 90) und von Ptolemaios Epiphanes (ebenda 139) u. 8. w. V. v. Schöffer (De Deli redus 139) hat mit sachlich verkehrter deutung die sovgag Δηλιάδες mit den chören der knaben (raidss) identificirt, welche an den Apollonien in einem Öffentlichen agon auftraten, für welchen Delier die choregie leisteten. das sind chöre wie die attischen knabenchöre an Panathenaeen Thargelien Dionysien u. 8. w. jungfrauenchöre in agonen kennt ionische sitte nicht; das be- deutet ja auch παῖς nicht. die AnAsadas der zeit des Semos von Delos tanzen nicht anders als die zur zeit des Euripides und des Homer. ihnen entsprechen die von auswärts nach Delos gesandten mädchenchöre, für welche der sage nach Eumelos (denn wer wird so etwas ernst nehmen), in geschichtlicher zeit Pindaros und Bakchy- lides lieder gedichtet haben: in einem solchen chore kam auch Kydippe. Schöflers im übrigen ganz vorzügliche arbeit verliert durch solchen vereinzelten misgriff natür- lich nichts von ihrem werte.

14) Wir würden vielleicht mehr sagen können, wenn wir die 4ηλιάδες des Kratinos kennten. denn diese enthielten die schilderung einer nos, in welcher γέροντες ϑαλλοφόροε vorkamen und der Eteobutade Lykurgos: das führt darauf, sie nach stiftung der Delien gedichtet zu denken, wo dann für Kratinos nur das jahr 424, und zwar die Dionysien, frei bleiben. aber nach Schöffers ausführungen (40) wird man nicht leugnen können, dafs attische theorieen schon vor 425 nach Delos giengen, und so ist das drama des Kratinos nicht sicherer aus diesem punkte zu bestimmen als der Herakles.

848 Der Herakles des Euripides.

pides lebte, und sollte nicht die bedeutung der delischen religion, welche von 476—54 in der form des delischen bundes zum ausdruck kommt, lebhaft empfunden sein, noch ehe sie die stiftung der Delien hervorrief? die politische bedeutung dieser stiftung war freilich gröfser, als die meisten jetzt erkennen"), aber nur wenn auf sie eine hindeutung vorhanden wäre, würden wir danach den Herakles datiren dürfen.

Aufsere Kann so aus den zeitgeschichtlichen anspielungen nicht eben viel entnommen werden, so lehren vielleicht die formalen kriterien mehr, verskunst und sprache. es ist für die vernachlässigung der tragiker be- zeichnend, dafs eben die zeit, welche sich sonst damit brüstet, litterar- geschichtliche fragen durch die mechanischen operationen der statistik zu lösen, für das drama keine gesiclitspunkte aufgefunden hat, die ihr nicht G. Hermann gezeigt hätte. das wichtigste ist in der tat das alt- bekannte. eine anzahl von dramen des Euripides weisen sich durch einen gemeinsamen altertümlicheren und strengeren stil als verwandt aus; es sind Alkestis Medeia Hippolytos Andromache Herakleiden. sie fallen alle teils nach urkundlichen angaben, teils nach sicheren geschicht- lichen anspielungen vor 425'%). von ihnen sondert sich eine zweite

15) Auch Schöffer, der den Athenern sonst gerechtigkeit widerfahren läfst, hat das nicht betont, dafs die stiftung eines panionischen festes, für den gott, welchem Athena die schirmherrschaft des Reiches abgenommen hatte, eben zu der zeit, wo das psephisma des Thudippos die Panathenaeen tendenziös als reichsfest ausgeslaltete, und gleichzeitig die tribute im gegensatze zur schatzung des Aristeides durch einseitigen legislativen act des attischen volkes angesetzt wurden, ein zuge- ständnis an die stimmung der gesandten ionischer bündner ist, und es ist auch für die parteiverhältnisse Athens bezeichnend, dafs Nikias der erste theore der Delien ist, während Kleon die herrschaft Athens als rugawvis predigt, gegen Aristophanes Babylonier vorgeht und die erhöhung der tribute durchsetzt. derselbe krieg, welcher die erhöhung der finanziellen und militärischen leistungen erzwang, und demgemäfs die reichseinheit stärkte, schärfte den stammesgegensatz gegen die Peloponnesier: und auf dafs der Milesier und Hellespontier und Nesiote sich als lonier mit dem Athener verbunden fühle, wie einst zu Aristeides zeit, sind die.Delien gestiftet. diese mehr föderative, bündnerfreundliche politik ist nur schwächer hervorgetreten als die ziel- bewufste der unitarier. und ihren vertreter Nikias hat sein ungeschick oder unglück auch hier nicht verlassen. die Delier selbst waren misvergnügt, und so kam es zu einer der zwangsmalsregeln, die dem Reiche mehr geschadet haben als die gerichts- hoheit, die kleruchien und die tribute.

16) Von der Andromache hat das richtig schon Aristophanes von Byzanz er- schlossen, schol. 445. die entgegengesetzten ausführungen von Bergk sind nur dafür lehrreich, wie dieser ebenso wunderbar gelehrte wie scharfsinnige mann scharfsinn und gelehrsamkeit dazu zu gebrauchen pflegt, die zeugnisse erst zu zerstören, damit er sie für seine eignen einfälle benutzen könne.

Aufführungszeit. äufsere form. 349

gruppe, welche das entgegengesetzte extrem vertreten, Helene, beide Iphigeneien, Phoenissen, Orestes, Bakchen, zu welchen von verlornen, aber genügend kenntlichen Andromeda Antiope Hypsipyle Bakchen treten: für sie alle mit ausnahme der taurischen Iphigeneia ist die entstehung im letzten jahrzehnt des dichters urkundlich bezeugt. dazwischen liegen zeitlich und stilistisch Hiketiden und Erechtheus 421 37), Alexandros und Troerinnen 415, Elektra 413, urkundlich oder durch geschichtliche an- spielungen datirt. in diese mittelgruppe gehört der Herakles und gehören aufserdem Hekabe und lon, doch so dafs Hekabe ihrer form nach in den meisten dingen siclı den älteren dramen anschliefst, wie sie denn auch Aristophanes vielleicht schon 423 parodirt'*), während Ion, für den nur die untere zeitgrenze 412 gesetzt werden kann'°), formal zu den späten dramen steht. zwischen beide gehört der Herakles.

Nur in einer so starken spielraum lassenden gruppirung wird ein vorsichtiger stilistische kriterien verwenden mögen; wer freilich den blick nur auf eine einzige erscheinung heftet, wird es leicht haben, bestimmter zu schlielsen. gemeiniglich legt man ausschliefslich wert auf den unter- schied, der jedem zuerst in die augen fällt, die häufigkeit der auflösungen im iambischen trimeter. das ist in der tat ein sehr wichtiges moment, wenn man nur die nötige umsicht übt”), und es weist den Herakles etwa zwischen Hekabe und Hiketiden. nicht minder wichtig wird eine bisher kaum beachtete erscheinung *), die nur in chorliedern hervortreten kann, die verkürzung des langvocalischen oder diphthongischen auslautes vor folgendem vocale, welche eigentlich nur in daktylischen oder doch daktylisch scheinenden fülsen zulässig ist. während Sophokles sich darin

17) Die wolüberlegten ausführungen von G. Lugge (Programm von Münster 1887) kommen zu einem ergebnis, welches zu complicirt ist, um richtig sein zu können. in dem momente, wo es sich um den abschlufs des friedens, den ersatz des Kleon als führer des demos und um die gegenüber Argos inne zu haltende politik handelte, sind alle äufserungen des Euripides verständlich. dafs die Athener sogleich in allen stücken getan haben sollten, wozu der dichter riet, ist nicht zu verlangen. für Argos interessirte man sich schon 424, Ar. Ritt. 464.

18) Wolk. 718 nach Hek. 162; der vers scheint den 423 aufgeführten Wolken anzugehören.

19) Vgl. Herm. 18, 242.

20) Mechanisches zählen beweist gar nichts. wenn z. b. eine hauptperson Hippolytos heifst, so ist der dichter gezwungen dreisylbige füfse zu brauchen; manch- mal will er auch malen wie Her. 935.

21) Es kann hier nur angeführt werden, was für den speciellen fall von wert ist; die wichtigkeit der sache wird erst klar werden, wenn die summe der er- scheinungen vorgelegt und in ihrem zusammenhange erläutert ist.

350 Der Herakles des Euripides.

sehr starke freiheiten erlaubt, arbeitet Euripides mit zunehmendem alter immer strenger, so dafs die dramen seines letzten jahrzehntes fast gar keine solche hiate mehr zeigen. der Herakles steht zu diesen; er ver- kürzt nur ein schliefsendes αὐ, den diphthong, welcher sich dazu am leichtesten herbeiläfst, in κλένεταε 1030, und aulserdem καί 1017, zwar in einem anapäst, der für dochmius eintritt; aber καέ hat in allen jahr- hunderten freiere behandlung gestattet. wollte man hiernach allein gehen, so würde der Herakles unter Troerinnen und Elektra herabgerückt werden müssen. aber es sind der verse, welche für solche hiate überhaupt die möglichkeit gewährten, sehr viel weniger als in jenen dramen, so dals sich von dieser seite nichts gegen einen etwas höheren ansatz sagen läfst, zumal dieselben ursachen auch bei den Hiketiden den entsprechenden erfolg gehabt haben.

Sehr stark ins gewicht fällt die anwendung des trochäischen tetra- meters in einer ganzen scene, allerdings einer solchen von höchster leidenschaft mit entsprechender steigerung auch des sprachlichen aus- drucks. die trochäen waren ein lebhaftes tanzmals und beherrschten des- halb, wie Aristoteles bezeugt, die älteste tragödie, wie wir sie auch in der epicharmischen posse und der aristophanischen komödie viel verwandt finden. wir lesen noch in den Persern des Aischylos eine trochäische scene; aber der ruhige dialog drängte das tanzmafs zurück, und so ver- wendet es Aischylos später nur am schlusse des Agamemnon in einer weise, wie sonst die anapäste, und ebenso verfährt Sophokles im schlusse des königs Oedipus. sonst fehlen die trochäen bis auf die scene des Herakles und eine ganz entsprechend lebhafte in den Troerinnen (444—61). dann aber greift die tragödie nach immer stärkeren mitteln. Euripides, der den ton angibt, nimmt neben den künsten des neuen ditbyrambus auch die der ältesten mehr musikalischen tragödie wieder auf. so lesen wir trochäische scenen oder scenenteile in Ion Helene beiden Iphigenien Phoe- nissen Orestes Bakchen Andromeda Archelaos, wozu noch Meleagros und Oidipus kommen, welche aus anderen gründen für etwa gleichzeitig mit dem Herakles gelten dürfen”). Sophokles hat sich etwas mehr zurück-

22) Nur scheinbar streiten mit der regel die bruchstäcke 30 und 808, die den älteren dramen Aiolos und Phoinix angehören: ἀλλ᾽ ὁμῶς | οἰκερός τιὸ αἰὼν πατρίδος ἐκλιπεῖν ὅρους und τἀφανῆ | τεκμηρίοισιν εἰκότως ἁλέσκεται. das satyrspiel Auto- Iykos zeigt auch tetrameter: das beweist nichts, da wir den stil und die zeit der satyrspiele nicht kennen. die deutschen können und wollen sich nur sehr schwer daran gewöhnen, dafs ihre s. g. nachbildungen antiker mafse einen ganz verschie-

denen charakter von den griechischen tragen; sie recitiren griechische trochaeen nach dem muster “nächtlich am Busento lispeln’ oder preisend mit viel schönen

Äufsere form. 351

gehalten; aber seine heiden letzten dramen, Philoktet und Oidipus Kol, haben doch auch ein par trochäen. an Euripides setzt dann wie in allem so auch in der rein dialogischen verwendung der trochäen die spätere komödie an.

Von den Iyrischen mafsen ist das dochmische in der tragödie zwar nicht entstanden, aber so viel und gern angewandt, dafs seine entwickelung wertvolle chronologische anlıaltspunkte bietet. während nämlich die ältere tragödie aufser den legitimen ersatzformen des dochmius neben diesem bakcheen und iamben verwendet, gehen*’Euripides und Sophokles schon in den zwanziger jahren dazu fort, eine reihe anderer glieder hineinzumischen, welche sich zum teil auf daktyloepitriten zurückführen lassen, aber daneben äufserst charakteristische dem volksliede entstammende formen zeigen, unter denen neben dem Reizianum”) der enoplios”) hervorragt. es läfst sich sehr wahrscheinlich machen, dafs wirklich alle diese zusätze volkstüm- lichen ursprung haben, und die dichter auf die quelle zurückgegangen sind, aus welcher sowol die vervollkommner der daktyloepitriten (die Chal- kidier) wie die erfinder der keinesweges volkstümlichen dochmien ge- schöpft hatten. da diese spielart der dochmien einen besonderen namen erhalten mufs, so mögen sie hiermit enoplische dochmien getauft sein. die beimischung enoplischer glieder fällt gemeiniglich zusammen mit dem aufgeben der responsion, doch nicht immer; sie war schon vorher in dochmischen liedern keineswegs notwendig. ferner aber tritt eine sehr starke, oft vorwiegende beteiligung der schauspieler an dem musikalischen vortrage ein, und zwar geht die lebhaftigkeit der action so weit, dals nicht nur die rhythmischen perioden, sondern sogar die einzelne rhyth- mische reihe sehr oft durch personenwechsel zerrissen wird, was Euri- pides wenigstens im trimeter noch lange (und so im Herakles) vermeidet. das sind zwei an sich verschiedene dinge, die aber deshalb beide in denselben liedern zuerst auftreten, weil die dochmien zu der lebhaften action, welcher sowol die polymetrie wie die zerreilsung der verse dient, am geeignetsten schienen. beides geht dann weiter; auch andere mafse werden so zerrissen, wovon namentlich die späten sophokleischen stücke Elektra Philoktet Oidipus auf Kolonos belege bieten, und es bildet sich eine wahrhaft potpourriartige vermischung aller möglicher versarten,

reden’. solcher torheiten mufs man sich entschlagen: die namen τροχαῖος und zopsios reden vernehmlich, und Aristoteles (rhet. III 8) geht so weit zu sagen τροχαῖος κορδακικώτερος" δηλοῖ δὲ Ta τετράμετρα,

23) Vgl. Π 8. 235.

24) Vgl. 11 s. 70.

352 Der Herakles des Euripider.

der gegenüber die enoplischen dochmien noch streng scheinen können. so überschaut man eine entwickelung, welche man natürlich mit der- selben weiteren spielraum lassenden vorsicht beurteilen mulfs, welche aber wenigstens über die zugehörigkeit eines dramas zu der oder jener gruppe keinen zweifel läfst. dafs die neue musik, der ditbyrambus, den tragikern vorbild gewesen sei, ist eine unabweisbare schlufsfolgerung. der Herakles hat nun die enoplischen dochmien in sehr breiter ausdehnung angewandt: die drei letzten gesangnummern gehören ihnen ganz an. aufserdem finden sie sich in Andromache (825—65), Troerinnen (241—91) Ion (762—-99. 1445—1509) Helene (625— 97), Iphig. Taur. (827—99) Phoenissen (103— 92) Orestes(173— 203. 1246— 1309. 1353—65) Bakchen (1017—23. 1153—99) *). in den beiden letzten und jüngsten stücken respondieren die dochmien meistens; dasselbe geschieht bei Sophokles in Aias (373— 76 = 387—91, 879 ---91 4 --- 925—60) und Elektra (848— 70. 1411—13==1433 bis 35); Trach. 879—95 folgt der weise des euripideischen Herakles. seine beiden letzten dramen, wie zum teil schon die Elektra und von Euripides die jüngsten, Phoenissen Orestes Iphig. Aul. Bakchen, zeigen dann die aus allen möglichen gemischten lieder. man würde hiernach geneigt sein, den Herakles zu den Troades etwa herabzuziehen, und vor 424 könnte man ihn gar nicht anzusetzen wagen.

Die entwickelung der sprache des Euripides ist noch viel zu wenig genau untersucht, um aus ihr für die vorliegende frage ein moment zu gewinnen. ganz bestimmt sondern sich auch sprachlich nur die dramen des letzten jahrzehntes ab, in welchen Euripides einerseits einer menge wörter der umgangssprache zutritt gewährt, so zu der komödie über- leitend, andererseits altertümliche wörter und formen von den alten dichtern aufnimmt, und wie die dithyrambiker in den chorliedern durch seltsame kühnheiten, wortschwall und selbst blofse wiederholungen musi-

25) Die Hekabe hat eine ganz ähnliche scene (683— 720), aber kein enoplisches glied, so viel die verderbnis erkennen läfst. in den Herakleiden hat der bearbeiter die vermutlich vergleichbare stelle getilgt. die Hiketiden enthalten wirklich keine solchen dochmien: da hat der dichter in den wechselgesängen das iambische mals fast ausschliefslich durchgeführt. die Elektra hat er bewufst im anschlufs an die ältere tragödie streng stilisirt: auch das zeigt den concurrenten. so ist der grofse dochmische wechselgesang nach dem muttermorde so einfach wie die dochmien des Aischylos und in Soph. Antigone; das kleine lied 585—95 hat jedoch ein dakty- lisches glied ἁμδτέραν τις ἄγει 590, wenn man der überlieferung glauben scheukt. vertreter der alten weise sind somit aufser Aischylos Soph. Antig. Oid. Tyr., Eur. Alk. Med. Hipp.; denn das klagelied des totwunden Hippolytos hat nichts von enoplischen zusätzeh und geht wenig über die lieder der lo im Prometheus hinaus.

Äufsere form. 858

kalische stimmung erzeugen will, während wirklich originelle wendungen spärlich werden. davon sondert sich der Herakles scharf ab. der sprache nach möchte man ihn, trotz einer anzahl barocker wendungen, den älteren dramen anreihen.

Das scheint sich zu widersprechen ; aber alle einzelnen erscheinungen erklären sich, sobald man nur anerkennt, dafs der dichter sich mit diesem drama besonders viel mühe gegeben hat, und sobald man sich über die gründe der sprachlichen und metrischen veränderungen klar wird. es ist doch nicht lüderlichkeit oder greisenhaftigkeit, was die kunst der beiden grofsen tragiker so stark verändert hat. im gegenteil, ihr rast- loser fleifs und ihre bewundernswerte empfänglichkeit hat sie nicht bei der alten manier beharren lassen. die belebung des trimeters durch die zulassung dreisylbiger fülse, die entfesselung der rhythmischen kunst, die ausgedehnte verwendung der schauspieler als sänger waren oder schienen doch verbesserungen. deshalb treten sie im Herakles auf, viel- leicht etwas früher als sonst, dagegen die mangelhafte originalität und die buntscheckigkeit der sprache und auch der versmalse stellt sich nicht mit absicht des dichters ein, sondern ist lediglich eine folge der über- hasteten production und des strebens nach effecten auf anderen gebieten, welche der dichter, dem sie schwerlich entgehen konnte, nicht gesucht, aber sich erlauben zu dürfen geglaubt hat. deshalb wird ein mit beson- derer liebe gepflegtes werk in diesen dingen einen altertümlicheren ein- druck machen, während es vielleicht durch die starke verwendung der neuen kunstmittel moderner scheint als es ist. wir müssen doch so wie so uns immer vorhalten, dafs die tragiker sich notgedrungen verschiedene farben auf der palette halten mufsten, da sie mit vier dramen zugleich hervortraten, die unmöglich alle übereins aussehen durften. so hat denn Euripides 2. b. den Ion und die Elektra ziemlich in denselben jalıren gedichtet, und spuren davon enthalten sie beide, aber der gesammteindruck ist doch ein sehr verschiedener; Ion zeigt die modernsten, Elektra archaische, besser archaistische züge. wer sich aber die stoffe und die tendenzen des dichters überlegt, wird in der verschiedenen stilisierung berechtigte ab- sicht nicht verkennen.

Die besondere liebe des dichters und zugleich die besonderheit des stoffes hat auch das bewirkt, dafs die prüfung und vergleichung der drama- tischen technik zwar die vortrefflichkeit des Herakles vor anderen dramen ins licht stellt, aber nichts neues über ihre zeitfolge lehrt. dafs Iris und Lyssa auf einem “die luft’ bedeutenden balkon in der höhe erscheinen, setzt freilich eine einrichtung der bühne voraus, die den älteren dramen

v. Wilamowltz 1. 23

354 Der Herakles des Euripides.

unbekannt ist, gibt also denselben terminus post quem wie alle andern indicien””). sonst mag noch angeführt werden, dafs der bote zum chore oder besser zum publicum kommt und nach seiner rede geht, ohne dafs etwas gelan ist, diese einführung der conventionellen bühnenfigur zu motiviren. darin liegt eine gewisse erstarrung der kunst, das ist manier, wie Euripides sie im alter in sehr vielen stücken zeigt. aber genaueres ergibt sich weder hieraus noch aus dem allerdings bemerkenswerten um- stande, dafs vor und nach dem botenberichte gesangstücke stehen, was sonst nur in Phoenissen und Bakchen der fall ist. es ist hier durch die ganz besondere erregung des chores motivirt, der zur rede keine fassung hat; wie ja auch die einführung der göttererscheinung mitten im stücke singulär ist. ist so das musikalische element um der besonderen wirkung willen hier in einer ausdehnung angewandt, die sonst erst später vor- kommt, so ist andererseits in den chorliedern der inhaltliche zusammen- hang mit dem drama der allernächste, und stehen sie überhaupt an gehalt in der euripideischen chorlyrik so hoch, dafs sie mit den erzeugnissen des letzten jahrzehnts stark contrastiren, wo z. b. Helene Elektra Phoe- nissen die Iphigeneien lieder enthalten, die ebenso gut in einem andern drama steben könnten. aber die Andromache steht darin wenig besser. oberflächlichem blicke scheint der Herakles in der mitte zu zerreifsen und eine doppelte handlung zu enthalten: das scheint ihn dann mit Hip- polyios Hekabe Herakleiden Andromache zusammenzurücken. aber Ale-

26) Vgl. II 8. 53. 201. auf demselben niveau wie die menschen bewegen sich die götter bei Aischylos und in allen prologen, wo sie ja noch allein sind; der Tod der Alkestis geht in das haus, welches Apollon verlassen hat. von der flugmaschine auf die bühne getragen werden sicher Athena in den Eumeniden, Thetis in der Andromache (λευκὴν αἰϑέρα πορϑμευόμενος Φϑίας πεδίων ἐπιβαίνει 1229). auf der flugmaschioe zieht Medeis ab; hat es auch Bellerophontes getan. das 8. g. ϑεολογεῖον, d. bh. erscheinen in der luft, ist bezeichnet aufser dem Her. in Elektra Ion Orestes, vorauszusetzen ist es ohne bezeichnung in Hiketiden Helene Iphig. Taur. Bakchen. schwierigkeiten kann die Athena des Aias und die Artemis des Hippo- Iytos machen, nicht weil die modernen sie auf das ϑεολογεῖον setzen, denn dazu ist gar kein anhalt (im Aias würde es sogar lächerlich sein, da Aias dann aus seinem zelte herauskommen und doch mit dem gesicht auf dieses hingewandt reden mülste), die schwierigkeit liegt darin, dafs Odysseus (15) und Hippolytos (1393) die hima:- lischen zunächst nicht sehen, ja es steht nirgend, dafs sie ihrer ansichtig werden, ausdrücklich. aber Aias steht Athena ganz nahe und sieht sie (χαῖρ᾽ Ayava, ὡς εὖ παρέστης 91), und niemand kann glauben, dafs Theseus nur eine stimme hört. es ist also anzunehmen, dafs die göttinnen zwar unter den schauspielern sich be- wegen, die dichter aber den eindruck des übersinnlichen dadurch wenigstens zur einführung erstreben, dafs die sterblichen nicht gleich die körperliche gegenwart der

'Äufsere form. gestaltung des stoffes. 355

xandros und Antiope waren ähnlich gebaut”). die gestaltung der cha- raktere läfst sich mit anderen dramen nicht vergleichen”); Herakles war überhaupt in der tragödie noch nicht ernsthaft genommen worden, und die anderen figuren sind nur in relation zu ihm gestaltet. und auch die darstellung einer wol öfter ähnlich eingeführten situation, wie die bedrohung der auf einen altar geflüchteten familie des Herakles, oder die behandlung des sittlichen problems der freundestreue läfst sich wenigstens fruchtbar nicht mit anderen dramen vergleichen”). was Euripides im Herakles gibt, ist aus sich verständlich, ist eben so eigenartig wie treff- lich: es ist der ganze Euripides darin, aber nicht der jüngling oder der greis.

Aber diese eigene art des dramas müssen wir zu erfassen suchen, ganz abgesehen von den chronologischen schlüssen, die sich etwa daraus ergeben könnten. denn wir möchten ja die zeit wissen lediglich um das drama und den dichter besser zu verstehen: das datum eines werkes zu ermitteln ist für die forschung wahrlich nicht selbstzweck. vielleicht aber wird sich am schlusse dieser betrachtung doch noch eine folgerung auch für die abfassungszeit ziehen lassen.

Das vorige capitel hat gezeigt, wie gering die bedeutung des kinder- Zertzltung mordes in der Heraklessage ist, und dafs er sogar in offenen widerspruch zu dem sinne dieser sage tritt, sobald er in den vordergrund gerückt wird. gerade dieser widerspruch hat Euripides gereizt; ihn wollte er offenkundig machen und in seiner weise lösen. dafür war vorbedingung, dafs die tatsache dem volke ganz allgemein als eine unbestrittene fest- stand: Herakles hat im wahnsinne seine kinder getötet. und da das volk eine solche geschichte sich nicht als naktes factum erzählt, sondern

götter bemerken, wozu für Hippolytos besonderer anlals war (86). die dichter haben eben schon die empfindung, es müsse für göttererscheinungen ein convenlionelles scenisches mittel der darstellung erfunden werden: dem bedürfnis hilft das ϑεολογεῖον ab. die abfassungszeit von Hippolytos Aias Andromache bestätigt sich so in sehr erfreulicher weise.

27) In beiden trat zwar ein nebenchor auf: aber ein solcher kann die einführung eines neuen motives nicht markiren, da er ja den anderen chor nicht ablöst.

28) Das ist sonst sehr wol möglich. z. b. sind die Troerinnen erst recht ver- ständlich, wenn man weils, dafs Andromache und Hekabe voraus liegen, letztere wieder setzt Sophokles Polyxene voraus; die lokaste in Euripides Oidipus und dann in den Phoenissen ist mit hinblick auf die des Sophokles gestaltet, von den Atreiden- fabeln zu schweigen.

29) Man überlege z. b. wie das motiv des jungfrauenopfers in Herakleiden Hekabe Erechtheus Iphigeneia Aul. immer mehr ausgearbeitet ist; daneben episodisch auf den Menoikeus der Phoenissen übertragen.

23*

356 Der Herakles des Euripides.

mit mehr oder weniger lebensvollem detail, so müssen wir als allgemein bekannt mindestens auch noch mitrechnen, dafs die kinder von Megara. der tochter des Kreon, stammten, dafs die tat in Theben geschah, und dafs Herakles um ihretwillen seine vaterstadt verlassen hat. es hat sich eben aber auch schon gezeigt, dafs die geschichte sowol in den Kyprien stand wie in einem gedichte des Stesichoros, und das homerische gedichıt war allgemein, Stesichoros auch sehr weiten kreisen bekannt, insbesondere aber hat Euripides nachweislich aus beiden vielfach anregungen empfangen. wenn er also diesen gegenstand behandeln wollte, so fand er hier den λόγος in der geltenden form, an die er ansetzen mufste. in den Kyprien konnte nun schwerlich dieses beispiel der geschichte viel ausführlicher erzählt sein als etwa in der Ilias die geschichte vom Thraker Lykurgos oder der gefangenschaft des Ares bei Otos. ob es bei Stesichoros breiter behandelt war, entzieht sich jeder vermutung, kann aber deshalb auch nicht vorausgesetzt werden. «dafs die thebanische localsage von Euripides nicht berücksichtigt ist, zeigt «die vergleichung mit Pindar. es ist natür- lich nicht nur von vornherein ein methodischer fehler, vor dem es übrigens schwer ist sich zu hüten, wollte man dem Euripides nur die kenntnis von den behandlungen der sage zutrauen, deren existenz uns bekannt ist: es ist nicht nur möglich, dafs ihm sehr viel ausgiebigere andere zu gebote gestanden haben können, ja es läfst sich noch zeigen, dals er einzelne züge übernommen hat, deren herkunft wir nicht kennen, und die doch, wenn unsere gewährsmänner zuverlässig sind, in den nam- haft gemachten dichtungen gefehlt haben. bei Euripides bewirkt Athena durch einen steinwurf, dafs Herakles, schon im begriffe Amphitryon zu töten, inne hält und in schlaf sinkt. es ist das zwar sehr wirkungsvoll, zumal für das seinen wahnsinn begleitende chorlied; allein die einwirkung Aihenas hat nicht nur für die ganze sonstige Ökonomie des dramas keine bedeutung, wird dem Herakles sogar nicht einmal bekannt, sondern sie wird durch einen das wunder bezweifelnden ausdruck des boten herab- gesetzt (v. 1002): das alles ist unbegreiflich, wenn der dichter diesen zug erfunden haben sollte. der erfinder wird die rettende einwirkung der göttin in einen wirksamen gegensatz zu der verderblichen der Hera ge- stellt haben. ja noch mehr: die retiende reinigende tat ist bei Euripides das werk des Atheners Theseus, nicht mehr der Athena. in seiner art liegt es die menschliche motivirung an die stelle des göttlichen wunders zu setzen: dann hat er aber wahrlich dieses wunder nicht selbst erfunden, sondern nur als ein überliefertes nebenstück äulserlich festgehalten. nun würde ein solcher abschlufs für das epos zumal ganz vortrefflich passen,

Gestaltung des stofles. 357

man meint zunächst, dafs in seinem stile eine ähnliche erfindung sich eigentlich von selbst aufdrängen müfste”). aber Pausanias behauptet, der von Athena geschleuderte stein wäre bei den litterarischen zeugen, die er anführt, nicht vorgekommen, hätle aber zu seiner zeit in Theben neben den gräbern der Herakleskinder gelegen. diese angabe mögen wir subjectiv bezweifeln, so viel wir wollen (und Pausanias”) kann sich nicht beschweren, denn er trägt als thebanische localsage vor, was seit Euripides die vulgata war, und hat selbst Kypria oder Stesichoros mit keinem auge gesehen): wir haben nun einmal keine mittel sie zu wider- legen, und sind somit gezwungen zu sagen: wir wissen nicht, wer dem Euripides den stoff überliefert hat, überliefert war ihm aber mehr, als wir bei einem vorgänger noch nachweisen können. auch die dreizahl der knaben°*), die wiederum der epischen weise so sehr nahe liegt, viel- leicht auch dafs er sie mit seinen lieben eigenen waffen erschlägt, darf unter das für ihn gegebene gesetzt werden.

Um so deutlicher ist das was Euripides aus eigener machtvollkommen- heit verändert hat. das sind im wesentlichen drei hauptstücke. er hat erstens den kindermord an das lebensende des Herakles gerückt. der Herakles, von dem wir hier scheiden, wird keinen kampf mit riesen und drachen mehr bestehen, er fühlt sich dem überwundenen Kerberos nicht mehr gewachsen. so ist denn auch alles was von heldentaten irgendwie bedeutsanı erschien, gelegentlich erwähnt, selbst die eroberung Oichalias:

30) Z.b. καὶ νύ κε καὶ πατέρ᾽ αὐτὸν ἀπόκτανεν Aupırol'ava,

εἰ μὴ ἄρ᾽ ὀξὺ νόησεν Adnvaln πολυβούλη, οὐρανόϑεν δὲ κατῆλϑε καὶ ἔλλαβε χειρὶ παχείῃ ὀκριόεντα λἀέϑον" τῷ δεξιτερὸν βάλε nabov Angızgvavıadao' 6 δ᾽ ὕπτιος ἐξετανύσϑη αὐλῆς ἐν κόπρῳ, στρεφεδίνηϑεν δέ οἱ ὅσσε, καὶ μανίης δεινός uw ἀτασϑάλον ὕπνος ἔπαυσα.

31) Da die prüfung von Pausanias arbeitsweise darauf führt, dafs er die dichter- citate aus der von ihm ausgeschriebenen beschreibung der lesche des Polygnot ent- nahm, welche lediglich die möglichen quellen Polygnots verfolgte, also auf die be- drohung des Amphitryon nicht einzugehen veranlafst war, so kann man mindestens als subjective vermutung hinstellen, dafs Pausanias den dichtern diesen zug absprechen zu dürfen glaubte, weil er ihn in seiner quelle nicht fand. der stein von Theben, σωφρονιστήρ genannt (sonst name des weisheitszahns), kann sehr wol erst auf grund der erfindung des Euripides hingelegt sein. die thebanischen altertümer sind in folge der zerstörung der stadt durch Alexandros Demetrios und die Römer besonders fragwürdig. da aber Euripides selbst darauf führt, dafs das motiv älter ist, mag auch der stein früber hingelegt sein: jedenfalls ist der stein in folge der poetischen

erfindung aufgekommen, nicht umgekehrt. 32) Vgl. bd. II 8. 4.

358 Der Herakles des Euripides.

nur die oetäisch aetolischen sagen mulfsten fortbleiben, denn die gattin Megara schliefst Deianeira aus. nichts desto weniger ist im einklange mit dem dodekathlos, den Euripides in seiner bedeutung wol verstand, das leben mit der dienstbarkeit bei Eurystheus gleich gesetzt. die reinigung der erde war die lebensaufgabe des Herakles (21), so lange er dabei beschäftigt war, durfte ihm Hera nichts zu leide tun (828). aber mit der vollendung seiner aufgabe erhielt Herakles im dodekathlos die ewige selig- keit: bier verfällt er dem elend. das zu ermöglichen ist künstlich das hilfsmotiv eingeführt, dafs die vollendung zwar sachlich aber noch nicht formell erfolgt ist, weil der Kerberos noch nicht abgeliefert ist. zum andern aber war eine selbstverständliche folge, dafs nicht die Hesperiden- fahrt, sondern die heraufholung des Kerberos das zwölfte abenteuer ist. der Herakles des Euripides kommt nicht mehr als gott in den himmel; dafs er aus dem schlund der hölle emporsteigt um die seinen zu reiten und zu vernichten ist zu dem wirkungsvollsten gegensatze ausgenutzt. Euripides copirte aber gerade hierin eine eigene ältere erfindung; in seinem ersten Hippolytos war, wie Senecas nachbildung lehrt, Theseus in der mitte des stückes unerwartet aus dem Hades heimgekehrt. und 80 lag es ihm denn auch hier besonders nahe, Theseus so einzuführen, dafs er eben von Herakles aus der unterirdischen haft erlöst war.

In dieser einführung des Thbeseus, welcher Herakles nach Athen zieht und ihm so eine neue heimat schafft, besteht die zweite hauptneuerung. das fällt als motiv der handlung nicht stark auf die sinne, und es hat auch die spätere sage unmöglich beherrschen können: es hätte ja die annexion des Herakles durch Athen bedeutet”). aber die kühnheit des dichters ist deshalb nicht niedriger zu schätzen. übrigens fehlte es ihm nicht an anknüpfungen, und er hat sie ausdrücklich hervorgehoben, wie gerade diejenigen pflegen, welche eine unwahrscheinliche neuerung ein- führen wollen. dafs die attischen Herakleen eigentlich Theseen wären, nur von ihrem eigentümer an seinen freund verschenkt, hat genau so, wie Euripides es hier erzählt, die attische chronik berichtet”): es ist die

33) Solche verbindung des boeotischen helden mit Athen würde als sage mög- lich gewesen sein, ja es würde ein ähnliches sich festgesetzt haben, wenn Boeotien dauernd mit Attika vereinigt worden wäre, wie es in den funfziger jahren, als Euri- pides jung war, vorübergehend erreicht war. die entfremdung erzeugt dagegen sagen wie die in Euripides Hiketiden behandelte, deren fassung aber auch je nach dem politischen winde wechselte, vgl. Isokrates Panath. 168.

34) Philochoros bei Plut. Thes. 35. der vorsichtige atthidograph nimmt 4 Theseen aus, die er also für alt hielt; und im osten des landes mag es deren wirklich gegeben haben. die uns bekannten Theseen, in der stadt und im Peiraieus,

Gestaltung des stofles. 889

officielle erklärung dafür, dafs der dorische heros allerorten, der stifter der attischen demokratie nirgend einen alten cult besafs. wenn aber Herakles bei lebzeiten einen so grofsen besitz in Attika gehabt hatte, so war der schlufs einfach genug, ihn dort auch eine weile wohnhaft zu denken. dafs Herakles sich in Eleusis hat weihen lassen, ehe er in die unterwelt hinabstieg, und zu dem behufe nicht nur von seinen blut- taten in Athen entsühnt, sondern durch adoption zu einem Athener ge- macht ist, hat ebenfalls in Attika officielle geltung gehabt*). Euripides erwähnt die weihung, und er durfte wahrscheinlich zu erfinden glauben, da auch sein Herakles in Athen entsühnt wird und in Athen sich nieder- läfst. übrigens fällt das etwa anstöfsige jenseits des rahmens der tragödie. wirksam für sie ist nicht das eingreifen des Atheners, sondern das des freundes. in dieser eigenschaft ist Theseus an die stelle des lolaos ge- treten, der in der thebanischen vorstellung nicht nur überhaupt diese rolle spielt, sondern gerade die Megara übernimmt, als Herakles aus dem vaterlande scheiden mufs, nach antiker vorstellung ein freundschaftsdienst, der beide teile ehrt”). den konnte Euripides seinen Thbeseus nicht auch

konnte er unmöglich ausnehmen, er mufste ja ihre stiftung im verlauf der chronik selbst erzäblen.

35) ᾿4φ᾽ οἵ καϑαρμὸς πρῶτον ἐγένετο φόνον, πρώτων ᾿41ϑηναίων καϑηράν- τῶν Ἡρακλέα ist die 17. epoche der parischen chronik. das gibt δη]δίβ zu den kleinen mysterien, Diodor IV 14 in Agrai, oder in Melite (Thesmophorien, schol. Ar. Frö. 501), oder Eumolpos reinigt ihn, also in Eleusis, Apollodor II 5, 12. zugleich ist er der erste geweihte ausländer, und es vollzieht desbalb Pylios die adoption, so auch Pilut. Thes. 33 und schon Speusippos an Philipp (630 Herch.); andere parallelstellen z. Ὁ. bei Deitmer de Hercule Att. 66. der name mahnt daran, dafs der zug gegen Pylos mit der weigerung der blutsühne durch Neleus motivirt zu werden pflegt. in der apollodorischen chronik ist die verbindung mit der Hades- fahrt hergestellt, und dafs er nur als myste zu ihr kraft fand, steht aufser bei Eurip. 617 in dem dialog Axiochos 3719: die vorstellung wird jedem leser der aristopha- nischen Frösche klar sein. der gläubige myste konnte sich den, welcher das jenseits ungestraft betreten hatte, nur auch als mysten denken: und da er das bedürfnis nach reinigung auch für gerecht vergossenes blut empfand und seine religion sie von ihm forderte, wie viel mehr für den heros. drittens wollte man in dem so viel in Athen verehrten heros keinen fremden sehen. der nämliche grund hat die adoption der Dioskuren hervorgebracht.

36) Dafls jemand auf dem totenbette seine frau oder tochter einem der erben vermacht, ist ebenso häufig vorgekommen wie es in den anschauungen von familie und ehe begründet ist. so hat es z. b. der vater des Demosthenes gemacht. es ist also für die Athener ganz in der ordnung, dafs Herakles in den Trachinierinnen des Sophokles den Hyllos zwingt seine kebse zu heiraten. der moderne sollte sich daran nicht mehr stofsen, als dafs z. b. Antigone zum zweiten male die leiche ihres

un

360 Der Herakles des Euripides.

leisten lassen, als er ihn an lolaos stelle setzte, und schon dieses legte ihm nahe, Megara mit ihren kindern fallen zu lassen. die gattin würde aber auch die einwirkung von vater und freund gestört, die mutter das mitleid von dem vater, der zugleich mörder ist, abgezogen haben: so hat Euripides sie das schicksal ihrer kinder teilen lassen, zum gröfsten vorteil für seine dichtung, übrigens auch für die späteren fassungen der geschichte vielfach malsgebend.

Die dritte neuerung ist die einführung des Lykos, welcher die familie des Herakles mit dem tode bedroht und von diesem dafür erschlagen wird. Euripides hat diese tat, in welcher sich die familienliebe- und die rettende gröfse des Herakles kurz vor dem gräfslichen, das die familie zugleich mit der gröfse des helden zerstört, für dessen charakteristik nötig gehabt und erfunden; Lykos ist selbst nur ein mittel zum zweck. dafs er ihn auch erfunden hat, sagt er so gut wie selbst (26. 31), indem er ihn als einen enkel des tyrannen Lykos einführt, der nach alter sage von den söhnen Antiopes, den boeotischen Dioskuren, vertrieben worden ist. jener Lykos war in der tat eine alte sagenfigur”), wahrscheinlich auch in der Antiopesage verireter Euboias, wie er, zu einem sohne des Pandion umgeformt, es auch in der attischen ist, oder besser gewesen ist, denn für uns ist der attische Lykos ganz verblafst. dieselben züge trägt bei Euripides sein enkel, gegen den als eindringling sich Thebens greise leidenschaftlich wehren. dafs er Megaras vater, könig Kreon, sammt seinen söhnen erschlagen hat, ist in diesem zusammenhange unerläfslich : nur 80 ist die bedrohung und hilflosigkeit der enkel des Kreon und söhne des Herakles hinreichend begründet. daran dafs derselbe Kreon Haimon und Megareus zu söhnen gehabt hat und den zug der Sieben überlebt, dürfen wir, trotzdem beide Kreon Menoikeus zum vater haben, nicht denken: die Herakles- und Oidipussage sind schlechthin incommensurabel, und Kreon erscheint in beiden nicht als dieselbe individuelle person, sondern als dieselbe füllfigur, die auch in anderen sagen, z. b. der korin- thischen, auftritt, wo blofs ein “könig’ nötig ist”). da der dichter seinen

bruders mit staub zu bewerfen für eine religiöse pflicht hält. unserer sitllichkeit läuft beides zuwider.

37) Es verdient bedacht zu werden, dals die Antiopesage in den Kyprien dicht neben dem wahnsinn des Herakles behandelt war. ob Lykos aber in ihnen vorkam, ist mit unserer kenntnis schwerlich je zu entscheiden.

38) Auch Κρέουσα ist, wo immer er auftritt, ein füllname. so ganz besonders in der attischen sage. als Ion, der eigentlich ein euböischer zuwanderer ist, zu einem Athener umgelormt werden sollte, mulste er eine tochter eines atlischen urkönigs zur mutter erhalten. die in der sage berühmten waren vergeben: so ward eine

Gestaltung des βἰοεβ, aufbau des dramas, 361

Lykos sofort wieder beseitigt, so hatte die erfindung gar keine bedenk- lichen folgen; nur in der euripideischen fabel, die ihn erzeugt hatte, hat dieser Lykos sein bischen leben gehabt”).

Diese drei neuerungen, welche Euripides mit dem überlieferten stoffe vornahm, sind in wahrheit nur consequenzen der inneren umgestaltung, welcher er die sage selbst unterzog. sie sind aber als gegebene gröfsen zu betrachten, wenn wir den aufbau des dramas prüfen wollen, dessen grundlage eine bestimmte form einer bestimmten geschichte ist. ob die überlieferung oder der dichter, ob dieser in einer bestimmt zu erfassenden absicht oder aus willkür und laune den grund gelegt hat, ist für die eigentlich dramatische ausgestaltung unwesentlich.

Euripides beabsichtigte Herakles die seinen erst retten, dann töten Aufbou des zu lassen. die ganze geschichte ihrer gefahr und rettung war freie neue erfindung; über sie mufste er den zuschauer genau unterrichten; das erforderte also verhältnismälsig viel raum. da die beiden parteien, welche sich in diesem teile des dramas gegenüberstehen, durch Herakles gleicher- mafsen vernichlet werden, bedurfte der dichter einer vermittelnden person, welche mit ihrer teilnahme sowol jenen wie dem Herakles zur seite stünde und die continuität des dramas wahrte. es mulste das eine verhältnis- mälsig wenig selbst betroffene, dem helden innerlich ergebene sein, die also die teilnahme des zuschauers nicht auf sich ablenkte, sondern nur auf die eigentlichen träger der handlung stätig und gesammelt hinführte. man könnte meinen, dazu wäre ja der chor da. aber das würde wol den vorschriften des Aristoteles, aber keinesweges der weise der grolsen dichter entsprechen. einer ästhetischen betrachtung, welche, wie die des Aristoteles, zwar absolute regeln geben will, aber mit der lediglich ge- schichtlich nicht begriffllich mit dem drama verbundenen institulion des chores als einer notwendigen rechnet, kann eine solche rolle mit recht als die angemessenste für den chor gelten. tatsächlich haben die dichter dem chor eine so conventionelle stellung niemals gegeben, sondern die

᾿Κρεουσα᾽ erfunden. der geschlechtsname des thessalischen fürstenhauses ist Ixo- sadas: aber es ist das fürstenhaus, deshalb heifsen sie Kosovdas, und natürlich findet sich später ein ahn Kedor.

39) Die einzige umbildung seiner rolle ist durch die unwissenheit und willkür spälester lateinischer grammatiker vorgenommen. zu Statius Theb. IV 570 ἐγ δέσπι nosco Lycum, welches auf den gatten Dirkes geht, lautet das scholion Aic est ergo Lycus, qui Megaram fillam suam Herculi dedit uxorem et ob hoc a lunone in furorem versus est et filios Herculis ex Megara susceptos Oxea et Leontiadem (d. i. Χρεοντιάδην: der andere name bleibt unsicher) occidit. tristis ergo propter morlem nepotum.

862 Der Heraklies des Euripides.

verschiedensten versuche mit ihm gemacht. die stärke der individuellen persönlichkeit, welche in diesem falle nötig gewesen wäre, hatte er aber für Sophokles und Euripides, so weit wir sie kennen, überhaupt nicht mehr. Euripides bedurfte also einer besondern person, die an wichtig- keit darum nichts einbüfst, dafs ihre bedeutung nur relativ ist. er hat dazu Amphitryon gewählt, und alles getan, ihn zwar in seiner sphäre zu halten, aber so voll und rund herauszuarbeiten, dafs sich der zuschauer diesen träger der umfänglichsten rolle wol gefallen lassen kann. Amphi- iryon ist zwar ehedem etwas gewesen; der ruhm seines Taphierzuges, der mit der geschichte von der erzeugung des Herakles zusammenhängt und deshalb allbekannt ist, wird mehrfach hervorgehoben; aber das dient nur dazu, dafs uns der hilflose nicht verächtlich wird. jetzt ist er greis; er kennt das leben und macht sich keine illusionen mehr. er hat nichts mehr zu fordern noch zu erwarten, darum aber auch nichts für sich zu fürchten. er übersieht nicht blofs die schwiegertochter und den tyrannen, sondern auch die stürmische unbedachtsamkeit des sohnes. dieser sohn ist sein alles; schwiegertochter und enkel schätzt er nur um des sohnes willen, dem bleibt er auch auf die gefahr nahe, ein opfer seiner raserei zu werden. und seine schwerste prüfung ist der endliche abschied von ihm. dafs er doch hoffen darf, dafs die einzig geliebte hand ihm die müden augen zudrücken wird, wenn sie endlich brechen werden, ist der letzte trost, den der zuschauer aus dem drama mitnimmt. Amphitryon ist der vater des Herakles. das empfinden wir und sollen wir empfnden, trotzdem das drama auf die vaterschaft des Zeus häufig und schon in dem ersten verse hinweist. dieser mythos wird conventionell beibehalten, wird inner- lich zugleich gedeutet und beseitigt: und schliefslich spricht Herakles geradezu aus, dafs Amphitryon sein vater ist, zu dem ja viel mehr die liebe macht als das blut. aber freilich, die gröfse des sohnes ist gerade für den vater zu überwältigend, als dafs er ihm innerlich einen halt geben oder gar ihn aufrichten könnte. gewohnt, dem willen des über- mächtigen sich zu fügen, hat er bei dem furchtbaren seelenkampfe des sohnes, den es zum selbstmorde zieht, nur ohnmächtige tränen. da ist eines ebenbürtigen eingreifen von nöten, eines solchen, den der mythos sich auch als göttersohn denkt.

Den chor hat die spätere tragödie sich immer mehr erlaubt dem alten pindarischen anzuähneln. er pflegt im laufe des dramas seine maske fast ganz zu vergessen und lediglich das instrument zu sein, mit welchem der dichter stimmungen betrachtungen erzählungen vorträgt, welche er an den ruhepunkten seiner handlung für angemessen oder doch für zu-

Aufbau des dramas, 968

lässig erachtet. dazu hat die entfaltung der wirklich dramatischen etho- poeie eben so mitgewirkt, wie die neigung der dichter, so frei wie Pin- daros mit ihrem instrumente zu schalten. es gilt das keinesweges blols für die tragödie. Aristophanes läfst die mit so viel witz und effect ein- geführte, meist in einem epirrhema eigens noch erläuterte maske des chors nach der parabase häufig fast ganz fallen. Wolken Wespen Vögel Mysten reden in dem zweiten teile ihrer stücke minder als solche, denn als choreuten des Aristophanes. schliefslich sehen wir in Ekklesiazusen und Plutos überhaupt nur noch die parodos erhalten, welche allerdings immer das mimische element stark ausgenutzt hatte. so denn auch die tragiker.. wie die bewohner von Kolonos zusammenlaufen, weil ihr Eumenidenhain entweiht ist, das ist von Sophokles mit vollem drama- tischem leben veranschaulicht, und auch das lob Athens, sein schwanen- gesang, geht vom lohe seines Kolonos aus. aber das lied, welches die zeit ausfüllt, während dem die geraubten mädchen befreit werden, ist schon ohne jede persönliche charakteristik, und das lied ὅστις τοῦ πλέονος μέρους ist vollends die individuelle klage des lebensmüden dichter. ob man die dichter schelten will, stehe dahin: jedenfalls sind nur so ihre dichtungen verständlich, und vielleicht freut sich mancher der nur so ermöglichten einblicke in ihre eigene seele. Euripides hat sich mit der maske seiner chöre selten grolse nıühe gemacht, .und wo er es getan hat, wie mit den Phoenissen, ist der erfolg selten erfreulich ®).

40) Etwas besonderes war der chor des Palamedes. da das drama im Hellenen- lager spielen mufste, Palamedes des verrats bezichtigt war, der chor aber seine partei zu halten hatte, weil er ja die sympathie von dichter und publicum hatte, so pafsten die bequemen chöre, Achaeer oder kriegsgefangene mädchen, nicht. das sollte man sich selbst sagen. nun haben wir das bekannte bruchstäck ἐκάνδτ᾽ ἐκάνετε τὰν πάνσοφον, Δαναοί, τὰν οὐδὲν ἀλγύνουσαν ἀηδόνα Μουσᾶν (590). das sind daktyloepitriten -]J- ur | vuu- | -w -iu-- |=u-- | -Ww--, und diese beweisen ein stasimon (sie kehren in dem anschliefsenden drama, den Troerinnen, häufig wieder). also war der chor kein hellenischer. es scheint, wir haben noch aus seiner parodos die selbstvorstellung, Yrsas Διονύσον ἱκόμαν, ὅς av Ἴδαν τέρπεται σὺν ματρὶ φίλᾳ τυμπάνων ἰακχοῖς (589, glykoneen, --w—--| -πυπιυπππυπππυυ-| τύύπῳυ - -: ich habe ϑυιὰς aus οὐσὰν gemacht (Nauck ϑύσαν»), und ἱκόμαν aus κόμαν. die ähnlichkeit mit andern eingangsliedern schätzt diese gestaltung. und ein schwarm von Dionysosdienerinnen, die sich in den schutz des Achaeerlagers begeben, um auf dem Ida ihren pflichten genügen zu können, ist sehr gut erfunden; die hierodulen der Phoenissen, die in Theben fest- gehalten sind, aber [ἂν Delphi bestimmt, und die Chalkidierinnen der Iphigeneia Aul. sind gute parallelen. übrigens ward durch diesen chor auch das erreicht, dafs ein gott am schlusse die unschuld des getöteten gar nicht zu proclamiren brauchte: die

964 Der Herakles des Euripides,

von den bekannten chören seiner tragödien sind mehr als zwei drittel weiblich, und zwar macht es wenig aus, ob es jungfrauen oder frauen sind, freie oder sclavinnen (ausnahmen wie die Hiketiden nicht gerechnet): greisinnen sind es nie. die minderzahl der chüre sind männlich, so gut wie immer ohne besondere charakteristik aufser dem lebensalter, diesem nach sind es fast immer greise, oder es macht doch wenig aus, wenn sie nicht als besonders hochbetagt geschildert werden; jünglinge sind sie nie“). mit anderen worten, Euripides hat im wesentlichen zwei typen, von denen er in der weise gebrauch zu machen pflegt, dafs er in einer trilogie zwei chöre weiblich, einen männlich hält; da der satyrchor dazu- kommt, ist das ganz begreiflich“). wenn wir ihn also im Herakles den chor aus greisen bilden sehen, so kann dazu in den andern stücken der tetralogie der anlals gelegen haben; doch ist es nicht nötig, solche ver- legenheitsausrede zu brauchen. der chor des Herakles führt sich als γέρων ἀοιδός wiederholt ein; Euripides hat ihm das geständnis in den

bakchen und die zuschauer wufsten, woran sie waren. aber Oiax schrieb den un- heilsbrief, den die wogen dem Nauplios bringen sollten (schol. Ar. Thesm. 771), und so bereitete sich durch den schlufs des Palamedes genau wie durch den prolog der Troerinnen das vor, was wir nicht schauen, was wir aber in der zukunft sicher voraussehen, der untergang der Hellenenfloite, der einen die von Troia heimzog, und nicht minder der anderen, die nach Sicilien fahren sollte.

41) Dafs die 17 erhaltenen dramen nur drei männliche chöre enthalten, ist ein zufall, den man corrigirt, sobald man die zahlreichen sonst bekannten chöre zurechnet, es sind 33 chöre zuverlässig bekannt, d. h. die hälfte aller den Alexandrioern bekannten; die nebenchöre (Hipp. Hiket, Phaeth. Erechth. Alexandr. Antiop.) sind dabei natärlich nicht gerechnet. wie verkehrt der einfall ist, den chor nach der hauptperson bestimmt sein zu lassen, könnten zwar Phoenissen und Alkestis schon lehren: aber wie sollten gar zu irgend einer person der Antiope Thebanische greise oder zum Aiolog mädchen passen?

42) Wir kennen die disposition der trilogieen 1) Alexandros (Troische greise, vertreter des volkes, an welche die mahnung Kassandras fgm. 929 allein gerichtet sein kann, nebenchor hirten), Palamedes (Bakch«n, vgl. anm. 40), Troades. 2) Kre- terinnen, Alkmeon (mädchen 67) Telephos (Argeier, wie die Acharnerparodie lehrt) und statt der satyrn der männliche chor der Alkestis. 3) Bakchen, Alkmeon (mädchen 75) Iphigeneia Aul. (mädchen): also alle drei weiblich, aber da hatte der jüngere Euripides nicht mehr die wahl. 4) Medeia (frauen) Diktys (7) Philoktet (Lemnier): man wird die klagende Danae des Dikiys lieber neben frauen als neben Seriphier stellen. 5) Erechtheus (frauen, nebenchor soldaten), Hiketiden (greisinnen, nebenchor knaben). 6) Helene und Andromeda, beide mit ähnlich gehaltenem weiblichem chor; hier fehlen die dritten stücke: in dem letzten falle wird man an eine abwechselung glauben, also keinen weiblichen chor, wie in der Iphigeneia etwa, wahrscheinlich finden. weitere gesicherte beispiele von bekannten und zusammengehörigen chören sind bisher nicht ermittelt.

Aufbau des dramas. 365

mund gelegt, das er selbst als γέρων ἀοιδός abgibt. für sich und seine der tragödie fern liegenden persönlichen Aufserungen war ihm diese maske genehmer als die weibliche, die sonst allerdings näher gelegen hätte; denn die teilnahme des chores contrastirt mit der verlassenheit der Herakles- kinder und contrastirt auch mit der festen herrschaft des Lykos über Theben. deshalb hat der dichter besonderer hilfsmotive bedurfi. er unterscheidet die parteien in Theben, die braven alten und die bösen jungen, welche nur leider die macht haben, da die alten ganz kampf- untüchtig geworden sind. man könnte versucht sein, hierin eine poli- tische spitze zu sehen, da Aristophanes so gern die verschiedenen stim- mungen der attischen bürgerschaft als die ewig gleichen gegensätze von alt und jung falst, und Euripides auch in den Hikeliden auf die ehr- geizige jugend schilt (232). aber darauf ist hier kein wert gelegt, denn die zwistigkeiten innerhalb der bürgerschaft sind nur so lange vorhanden, als es gilt, sowol die sympathie wie die machtlosigkeit des chores fest zu stellen. hätte Euripides den jugendtollen staatsverderbern eine lection erteilen wollen, so würde sein Lykos ihre politik entwickeln. vielmehr hat er den chor nur durch ein charakteristicum ausgezeichnet, den adels- stolz. dafs sie Sparten sind, Lykos ein hergelaufner Euboeer, schärfen sie wieder und wieder ein, und auch an Herakles rühmen sie, wenn auch unter verschiedener schätzung, vor allem den adel. es weist das in dieselbe richtung wie die debatten über die vaterschaft des Zeus. und wie jener mythos im letzten teile zerstört oder vielmehr im höheren sinne wahr gemacht wird, so hören wir auch über den adel, dafs freilich das blut ihn nicht macht, aber adel ist auch in der sittlichen welt: er zeigt sich im leiden viel mehr als im handeln, denn das ist schwerer. diesen adel fordert Theseus (1228), beweist Herakles durch die tat. Amphitryon und der chor sind die personen, über die der dichter niit sich vorab im reinen sein mulste, ehe er an die ausarbeitung des dramas gieng. sind sie einmal erfalst, so ergibt sich der aufbau des ersten teiles fast von selbst, sobald man nur die manier, die Euripides nun einmal sich gebildet hatte, walten läfst. er verwendet regelmäfsig den prolog und das erste chorlied ausschliefslich zur expusition: die situation, welche er voraussetzt, wird noch im zustande der ruhe gezeigt; die handlung beginnt erst nach dem ersten liede. in diesem falle war sehr viel zu erzählen, die neugeschaffenen voraussetzungen des dichters. beginnen mulste er so, dafs die gefahr der familie des Herakles zwar dringend und unabwendbar, aber noch nicht unmittelbar todbringend war. dann mulste dieser zustand eintreten, die spannung der zuschauer aufs

966 Der Herakles des Euripides.

äulserste getrieben werden, Herakles erscheinen und retten. es war er- forderlich, dafs Lykos oder doch seine partei zum worte und zur erschei- nung kam; in dem momente, wo Herakles wiederkehrte, konnte er jedoch nicht gegenwärtig sein, sonst hätte er sofort den tod finden müssen, was die schicklichkeitsbegriffe verboten; zudem würden zu viel personen zu- gleich auf der bühne gewesen sein. so ergaben sich die vier scenen, die wir vorfinden 1) prolog und parodos, welche die exposition geben, 2) con- fict zwischen Lykos und der Heraklespartei, der sich ia diesem falle nur in worten abspielen kann, und dessen ausgang von vorn berein sicher ist. 3) die höchste not und das erscheinen des retters. 4) der tod des Lykos. hinter 2 3 4 sind pausen in der handlung, also standlieder des chores angezeigt. die molive, welche diesen aufbau der scenen ermög- lichen, sind angemessen aber billig. die von Lykos bedrohten personen sind an einen altar geflüchtet, er bestimmt sie dieses asyl zu verlassen durch die drohung, sie auf dem altar verbrennen zu lassen, bewilligt ihnen aber einen kurzen aufschub, damit die kinder sich mit leichen- gewändern schmücken, und läfst sie während dieser zeit unbewacht (eine unwahrscheinlichkeit, die der zuschauer kaum bemerken wird). in dieser frist kommt Herakles und braucht nun blofs im hause die ankunft des Lykos abzuwarten, um ihn ohne mühe zu überwinden. der ganze vor- gang entspricht den sitten der zeit, welche viele beispiele für die Aucht von hilflosen an altäre darbietet, aber auch von umgehungen und ver- letzungen des asylrechtes. die handlung kann in diesem teile keinen grolsen eindruck machen. die charaktere liefern nur teilweis ersatz. Lykos ist nicht mehr als ein gewöhnlicher bühnenbösewicht; religion und sitte sind ihm vorurteile, gott und tugend ein wahn, und er renom- mirt mit seiner schlechtigkeit; die verbrechen, zu denen ihn seine ἀναέ- δεια, der mangel an jedem sittlichen gefühle, treibt, proclamirt er als gerechtfertigt durch die politische klugheit (ἀσφάλεια), ist aber schliels- lich, wie jeder verbrecher, dumm und geht mit frechem schritte in das garn. solch einen bösewicht denkt sich der Athener am liebsten als tyrannen, und dazu gehört auch, dals er ein parvenu ist, ohne erziehung und manieren (σχαιός 299). ein naives publicum wird an dieser figur und ihrer bestrafung seine freude haben; damit hat Euripides aber nur für das parterre, zum teil nur für die gallerie gearbeitet. wenn die gegenpartei blofs mit den entsprechenden farben gezeichnet wäre, edelmut und hilflosigkeit, todesfurcht und ergebenheit, unschuld und seelenadel, so würde das auch nur für ein ganz gewöhnliches theaterstück gut sein. und die sophistische rhetorik, die in Amphitryons reden wider Lykos sich

Aufbau des dramas. 367

breit macht, ist für den modernen leser wahrlich kein ersatz, war es in Athen nur für die anhänger des specifisch modernen stils, der in die poesie eigentlich nicht gehört. wol aber hat Euripides sich hier als echten dichter wenigstens an einer figur bewährt, die dem fühlenden leser noch heute das herz bewegt, wenn ihn auch die rhetorik kalt läfst, und die allerdings den erfahrenen kenner der bühnenwirkung überall, auch so weit sie in stummem spiele besteht“), verratende führung der handlung, nur zu einem kühlen beifall veranlafst. die gattin des Herakles ist kein typus wie Lykos und hat nicht blofs eine relative bedeutung wie Amphitryon, sie ist ein individuum. der kündiger des weiblichen herzens hat sich in den wenigen reden, die er Megara geliehen hat, nicht verleugnet. da ist zwar die äufserung der empfindung durch die engen bande der sitte zurückgehalten, welche nun einmal für die attische frau galt: aber es bedarf für den leser nur der achtsamkeit (für den schau- spieler also nur des verständigen benutzens der bandweisungen des dichters), um zu bemerken, welches feuer der leidenschaft in ihr kocht. sie kommt mit ihren reden immer an einem anderen ende an, als sie beabsichtigt hat, oder mufs gewaltsam zu ihrem thema zurückspringen. die empfindung und der affect ist stärker als sie. und empfindung und affect der frau hat recht gegenüber der besonnenen kälte des greises und dem cynischen verstandesmenschen Lykos, ja selbst gegenüber dem was Megara ihrem verstande gemäfs wider ihre empfindung sagen will. in all ihrer schwäche ist die vornehme frau dem gekrönten plebejer über- legen, und vor ihr, die in ihrem gatten ihren einzigen adel sieht, ver- bleicht die an sich gerechtfertigte ruhmredigkeit der spartischen echt- bürtigkeit des chores. in ihrer muttersorge und mutterhoffnung liegt endlich auch das beschlossen, was der zuschauer und noch mehr der leser von interesse für die Herakleskinder hat, die der dichter nur als stumme personen eingeführt hat“). die mutter durfte der tragiker sich ganz

43) Dem nachzugehen ist aufgabe der einzelerklärung. der leser des dramas mufs sich jede scene gespielt denken; das ist für den anfänger schwer. aber wer sich in die antiken sceniker (Plautus und Terenz eingeschlossen) eingelebt hat, wird sie in dieser kunst nicht nur meisterhaft, sondern selbst Shakespeare weit überlegen finden. ihre poesie gibt noch jetzt, ohne bühnenanweisungen, fast immer ein ganz geschlossenes bild, und jede person hat ihren festen platz. sie haben oflenbar die scenen in ihrer phantasie als gespielte erfunden, und dafür gesorgt, dals sie so ge- spielt würden, wie sie sie empfunden hatten. die modernen erklärer sind freilich meist jedes theatralischen sinnes bar, und gar wenn ein moderner regisseur ein antikes drama einstudirt dafs gott erbarm'.

44) Euripides hat ja kinder in Alkestis Andromache Hiketiden eingeführt; hier

968 Der Herakles des Euripides.

geben lassen: der gattin verwehrte die attische schicklichkeit die empfin- dungen frei zu äufsern, die Megara wie gewils unzählige frauen Athens wol im herzen hegten, aber von eigensinniger sitte darin zu verschliefsen gezwungen waren. Euripides ist für attische verhältnisse an die äufserste grenze des erlaubten in der scene des wiedersehens gegangen: unsere freiere und gesundere auffassung des ehelichen verhältnisses wird dadurch nur stärker daran erinnert, dafs hier ein gebiet ist, auf welchem das fünfte jahrhundert die freiheit der menschlichen empfindung noch nicht erreicht hat.

Das unheil soll ganz unerwartet über Herakles hereinbrechen; so ist denn nicht die leiseste hindeutung darauf in dem ganzen ersten teile. die zuschauer, die noch ganz unvorbereitet waren, müssen eine erschüt- terung erfalıren haben, die durch mark und bein gieng“), und dem iheaterdichter sollte man den erreichten effect zu gute halten, auch wenn er wirklich sein drama nicht zur wahren einheit herausgearbeitet hätte. man vergleiche doch bei Seneca die wirkung des prologes, welcher die zukunft enthüllt): da ist das interesse des lesers an der reitung der kinder in wahrheit vorab vernichtet, denn, wenn sie doch fallen müssen, möchte er ihnen höchstens den tod von vatershand ersparen. für Euri- pides erwuchs aber allerdings die notwendigkeit, gewissermalsen von neuem anzuheben, einen zweiten prolog zu schreiben. er exponirt das folgende durch die einführung von Iris und Lyssa. scharf gliedert er durch den wechsel des versmafses diese scene. denn Lyssa, der wahn- sinn, ist, so lange ruhig geredet wird, eine göttin wie andere: ihre trochäen aber zeigen sie am: werke, sie dienen bereits der aufgabe, den

hat er es wol unterlassen um nicht den ersten leil noch mehr zu belasten und das interesse zu zerstreuen. es ist kein schade, denn seine kinder singen nicht was kindern in den betreffenden situationen zukommt, sondern was der dichter für die kinder und die situationen empfand. namentlich das lied des knaben an der leiche der mutter in der Alkestis gehört zu seinen gröbsten zeichenfehlern. vgl. zu v. 469.

45) Ich habe die erfahrung gemacht an personen, welchen der stoff ganz fremd war. das grauenvolle, plötzliche, dämonische war so überwältigend, dafs vor ihm alles andere verschwand. die torheit, den wahnsinn in den titel zu setzen, hat Euripides nicht begehen können, der überhaupt keine zusätze zu dramentiteln kennt, aber auch die grammatiker haben den zusatz nicht gemacht, der in den handschriften und allen citaten fehlt. erst in der Aldina erscheint er nach dem vorbilde der tragödie des Seneca, welche die modernen gelehrten Hercules furens sur unterscheidung des H. Oetaeus so zubenannt hatten.

46) Dafs Lessing in seiner jugendarbeit, der vergleichung des Seneca und Euripidea, anders urteilt, ist nicht befremdlich; er steht dort noch im banne der regeln, die er selbst späler gesprengt hat,

Aufbau des dramas. 369

wahnsinn des Herakles zur anschauung zu bringen. die sendung des wahn- sinns konnte Euripides nur als ein verbrechen Heras ansehen, einen hohn auf die göttlichkeit der göttin. ihm war sie nicht heilig, er scheute sich nicht sein urteil auszusprechen, aber sie war doch im cultus die himmelskönigin, und so mied er sie selbst einzuführen, zumal sie das interesse zu stark abgezogen haben würde. Iris, die dienerin, hat er dagegen mit wenigen strichen meisterlich aber rücksichtslos mit der ge- hässigkeit gezeichnet, welche er gegen jeden Aargıc hat, der sich zum werkzeuge der tyrannenlaune erniedrigt und im gefühle seiner verkauften freiheit gern wichtig macht. als xjgv&“), oder noch besser als kammer- zofe Heras erscheint Iris, die nicht nur zu dem verbrechen ihrer frau willig hand anlegt und die hohe götlin Lyssa hofmeistert, sondern bei

47) Der hafa des Euripides gegen die herolde ist schon im altertum bemerkt (Or. 895 mit schol.). schon die Herakleiden enthalten die bissige stelle, ‘alle herolde lügen das doppelte und berichten, sie wären nur mit genauer not mit dem leben davongekommen’ (292). Erechtheus und Hiketiden zeichnen zwei solche ge- sellen, just während die fremden gesandtschaften in Athen zum Nikiasfrieden ver- sammelt sind. Talthybios in Hekabe und Troerinnen ist ein braver mann, aber er schämt sich seines amtes (Tr. 786), und erhält doch von Kassandra, die er ohne arg λάτρις genannt hat, dieses schimpfwort ins gesicht zurückgeschleudert, er sei selbst λάτρες, als κῆρυξ ὃν ἀπέχϑημα πάγκοινον βροτῶν (424. 26. 25 so zu ordnen). nun war der herold nicht ehrlos wie der praeco, es war sogar der ἡταερηκαίς dazu nicht qualifizirt (Aischin. 1, 20), aber es war doch ein gewerbe, dessen man sich etwas schämte (rede wider Leochares 4), noch Theophrast (char. 6) erklärt es für das handwerk eines ἀπονενοημένος. die officielle schätzung war anders, wie natür- lich. abgesehen von den alten zeiten, welche in Athen und Paros (Knevxidn Archi- lochos) geschlechter von herolden entsteben liefsen, kam sich in den zeiten der restaurirten demokratie Eukles sehr stolz vor und vererbte amt und ruhm den seinen (Andok. I 112, CIA 11 73), ja er hat sich einen ahn gezeugt; denn weil der herold des rates im 4. jahrhundert Eukles hiefs, hat ein historiker jener zeit einen solchen für die schlacht von Marathon erfunden (Plut. de glor. Ath.3). die subalternbeamten sind in der selbstverwaltung ebenso wichtige wie bedenkliche elemente. der oligarch rechnet es zur demokratischen tendenz, die processe der bündner nach Athen gezogen zu haben, weil es dann die herolde besser haben (IJoA. 49. 1, 16). weshalb sie das taten, ist nicht klar, die auctionssporteln können es nicht machen (Bekk, An. 255. Harp. κηρυκεῖα); es sind zum teil aber sporteln gewesen (CIA I 37. 38, leider unver- ständlich), aber wol mehr trinkgelder. das publicum hat immer mehr geurteilt wie Euripides. der Hermes in Aischylos Prometheus hat nur einen leisen zug, der im Frieden und vollends im Plutos des Aristophanes ist ganz ein gemeiner κῆρυξ. und die aristophanische Iris, wol auch schon die des Achaios, hat auch etwas von den euripideischen zügen. die kammerzofen trifft das übertreibende wort des Hippolytos 646; sie sind in der griechischen litteratur sonst wenig ausgebildet. die τροφός ist meist nur confidente.

v. Wilamonlis I. 24

870 Der Herakles des Euripides.

jeder gelegenheit einschärft, dafs ‘wir’, die herrschaft und sie selbst, also belieben.

Lyssa unterscheidet sich nur im namen von den andern verderben und tod bringenden dämonen, welche in der archaischen kunst besonders zahl- reich sind, auch auf der bühne der grofsen zeit eingebürgert, wenn auch vielleicht nicht so häufig, wie in der späteren eflecthaschenden zeit ἢ). wie die mythischen genealogien dieser wesen wechseln, so auch ihr name, zumal da den späteren die alte erhabene bedeutung der Erinys schwand, so dafs diese sich auch mit anderen höllenwesen vermischte und als der bekannteste der allgemeine name ward. so heilst denn der dämon des euripideischen Herakles selbst bei einem berichterstatter Erinys; Euri- pides redet neben ihr von Ποιναί, ein name der auch sonst vorkommt, Assteas (oben s. 324) läfst dem kindermorde Mavi« zuschauen, u. 8. w. es kommt auf den namen also wenig an. aber Lyssa selbst war unter diesem namen von Aischylos in der dramatisirung der Pentheussage ein- geführt®), und da sie auf einem vasenbilde der edelsten malerei in ionischer, nicht attischer form _1v0(0)« heilst“), so war sie dem maler aus der litteratur bekannt. auch Euripides selbst hatte zwar nicht Lyssa, aber eine wahnsinn sendende Erinys in dem drama eingeführt, welches man am liebsten mit diesen scenen des Herakles vergleichen möchte, das aber bisher ganz unklar ist, dem Alkmeon*'), den er 438 mit Telephos

48) Die Armut des aristophanischen Plutos wird für eine ᾿Ερενὺς ἐκ τραγῳδέας gehalten, 422. Ποιναὶ ἐν ταῖς τραγῳδίαις Aischin. 1, 190. im costüm einer Erinys läuft der 8, g. kynische philosoph Menedemos herum, Diogen. Laert. 6, 102. eine ganze reihe solcher personificationen führt das verzeichnis der masken für das repertoir der hellenistischen zeit an, das bei Pollax IV 141 steht; auch Lyssa ist darunter u. dgl. m. eine anzahl von darstellungen auf vasen verzeichnet Körte, über die dar- stellung psychologischer aflecte in der vasenmalerei.

49) In den Xantrien 163. es sind worte, die “ύσσα ἐπιϑειάξουσα ταῖς Βάκχαες sprach. doch bleibt die möglichkeit, dafs sie nur in einer botenrede standen. eine sichere herstellung des inhaltes der aischyleischen Pentheusdramen ist noch nicht gelungen.

50) Ann. dell’ instit. 1885.

51) Tatian 24 κατὰ τὸν Εὐριπίδην μαινόμενος καὶ τὴν Aluualovos μητρο- κτονίαν ἀπαγγέλλων, μηδὲ τὸ οἰκεῖον πρόσεστι σχῆμα, κέχηνεν δὲ μέγα καὶ ξίφος πεοριφέρεε καὶ κεκραγὼς πίμπραται καὶ φορεῖ στολὶν ἀπάνθρωπον. der bericht des seine vorlage plump wiedergebenden rhetors läfst unklar, welche rolle der schauspieler gab, der den muttermord erzählt; man denkt zunächst an Alkmeon selbst, aber dafs er im wahnsian eine besondere maske getragen hätte, ist unglaub- lich, und eher dürfte das costüäm der Erinys zu grunde liegen, und der verkehrte und unverständliche ausdruck “er brennt schreiend’ auf die fackeln der göttin ia der quelle bezogen sein. dafs sie vorkam, hatte ich längst geschlossen, ehe ich auf

Aufbau des dramas, 871

und Alkestis aufgeführt hatte. aber man würde keiner zeugnisse bedürfen um zu erkennen, dafs Lyssa bereits eine wolbekannte bühnenfigur war, ehe sie Euripides hier einführte. denn er hat sie ihrem eigenen wesen entfremdet. sie warnt vor dem frevel, beurteilt also ihre natur selbst als etwas gleichsam aufser ihr. damit ist die personification des wahnsinns innerlich aufgehoben. und das war nur möglich, wenn die phantasie sich so stark daran gewöhnt hatte den wahnsinn, weil er dämonisch wirkt, in der gestalt eines dämons zu sehen, dafs dieser dämon eine persönlichkeit auch abgesehen von der sphäre seines wirkens scheinen konnte. auf diesem wege sind freilich sehr viele göttliche gestalten zu umfassender, wol gar zu universaler potenz gekommen; ist doch der gottes- begriff selbst zunächst nur ein prädicatsbegriff und hat sich allmählich nicht nur zu einem subject erhohen, sondern das, wovon er die göttlich- keit prädicirte, zu seinen prädicaten gemacht. aber so lange eine personi- fication ganz durchsichtig ist, verstöfst eine solche erhebung in das uni- verselle wider den natürlichen sinn, wider die logik und die religion. ein “ύσσα σωφρονοῦσα ist eine contradictio in adjecto und eine blas- phemie so gut wie die frivolität Heras und die verworfenheit der Iris. für Euripides ist beides gleich bezeichnend: ihm sind alle göttlichen figuren ja doch nur conventionelle fictionen einer religion, die seinen vorstellungen vom wesen der gottheit widerspricht. wenn er den volks- glauben, indem er ihm folgt, ad absurdum führt, so ist es ihm ganz genehm.

Erst mit dem momente, wo Lyssa sie selbst wird, der dichter also in die bahnen der echt mythischen vorstellungen zurücklenkt, hebt sich auch sein gedicht wieder zu der höhe einer reinen wirkung. ‘er hat hier eine seiner höchsten leistungen erreicht; aber es liegt nur zum teil an äußserlichkeiten, wenn diese partie so wenig anerkennung bei den modernen gefunden hat. allerdings war die überlieferuug bis vor kurzem unvollkommen bekannt, so dafs die scenische anlage des grofsen chor- liedes ganz verkannt war; auch mulste eine sprache, welche sowol den wahnsinn als dämon wie die dämonische erschütterung der betroffenen, eine sprache, welche also das wunder sinnfällig zum ausdruck bringen

diese stelle aufmerksam ward, weil Servias, oder vielmehr Asper zu Aen. 7, 337 bemerkt, bei Euripides sage die Furie se non unius esse potestatis, sed se fortunam, se nemesin, se falum, se esse necessilatern (gm. 1011). das war etwa οὐ γὰρ πέφυκα δυνάμεως κρατεῖν was ἀλλ᾽ εἰμὶ νέμεσις καὶ τύχη καὶ μοῖρ᾽ ἐγὼ, ἐγὼ δ᾽ ἀνάγκη. eine solche Erinys hat in keiner von Euripides behandelten sage platz aufser der von Alkmeon.

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972 Der Herakles des Euripides.

wollte, an die grenze des erlaubten gehen und alle mittel ihrer macht aufbieten. es kommt aber mehr hinzu. der dichter operirt hier mit all dem reichtum mythischer bilder, welche seiner zeit zur verfügung standen: das ist dem modernen fremdartig, doch ist das mit fleils und folgsamkeit der phantasie wol zu ergänzen. etwas ganz eigenarliges dagegen ist die darstellung des wahnsinns nicht nur, sondern auch des grausenhaften verbrechens, ohne dafs doch das geschehende geschaut wird: die wirkung auf die seele ohne wirkung auf das auge. den wahn- sinnigen selbst einzuführen würde Euripides nicht gescheut haben: dafs er es konnte, zeigt sein Pentheus. aber die blutigen verbrechen vertrug das feingefühl des volkes nicht, das nun einmal rohbheiten, wie sie Shake- speares tragödien entstellen und ohne das attische vorbild auch die heutige bühne beherrschen würden, schlechthin ablehnte; vielleicht nur weil es das spiel zu ernsthaft nahm. vielleicht aber waren vielmehr seine dichter so weise, einzusehen, dafs sie so die seele viel tiefer erschüttern könnten. dafs dem so ist, beweist wieder am besten Seneca, der wieder den fehler des vorbildes hat verbessern wollen, übrigens einige entschuldigung hat, da er ja nur für die recitation dichtet. das stand also für Euripides von vorn herein fest, dafs er die kinder nicht auf der bühne umbringen lassen konnte. die herkömmliche poetische technik bot ihm als ersatz sowol den botenbericht wie das ekkyklema, welches die unmittelbar auf die katastrophe folgende situation zu zeigen ermöglichte. er konnte also in einem doppelten reflexe die tat veranschaulichen, durch die epische er- zählung, welche wesentlich ohne trübung durch das medium eines be- richterstaiters wirkt, und durch die Iyrische beleuchtung seitens der beteiligten nach der tat, also die mitteilung der frischen teilnehmenden empfindung an den zuschauer. von beidem hat Euripides gebrauch ge- macht, beide teile mit grofser liebe ausgearbeitet, im botenbericht mit dem epos ausdrücklich fast rivalisirend, die folgende gesangnummer mit allen mittela der neuen ausdrucksfähigen musik ausstattend. aber das hat ihm nicht genügt. er hat in der person Lyssas die mythische ver- sinnlichung des psychischen affectes zur einleitung verwandt, und er hat die sonst häufig und auch von ihm für den tod des Lykos schon ver- wandte sitte, einzelne rufe hinter der bühne ertönen und von dem chore gedeutet werden zu lassen, in einziger art erweitert und gesteigert, einmal dadurch, dafs sie die einzelnen acte der drinnen vorgehenden handlung hervorheben, zum anderen dadurch, dafs die rufe selbst nichts tatsäch- liches melden, sondern der chor in visionärer erleuchtung die erläuterung gibt, so dafs der zuschauer, ohne sich davon rechenschaft geben zu können,

Aufbau des dramas. 878

in das reich des wunders mit entrückt wird. es gibt nur eine vergleich- bare scene, die visionen Kassandras vor der ermordung des Agamemnon und diese selbst. die vergleichung mag der leser anstellen und sich im einzelnen überzeugen, dafs die beiden dichter jeder in seiner art ein höchstes erreicht haben.

Die wahnsinnsscenen haben im altertum wenigstens den verdienten erfolg gehabt; die in ihrer art ebenso vollkommene schlufsscene dagegen viel weniger. es ist das begreiflich, denn sie gehört in form und gehalt weit eher auf eine moderne bühne, selbst hier aber würde sie von den breiten philistermassen nicht gewürdigt werden, denen die Natürliche tochter und der schlufs des Tasso zu wenig handlung haben. in der tat, wie Goethe auf der höhe seiner kraft und künstlerischen reife in den liefen des einfachsten strengst stilisirten dialoges die leidenschaften, begierden und schmerzen der menschenseele begräbt, weil er gelernt hat, dafs nicht was wir äufserlich erdulden, sondern was im herzen be- schlossen bleibt, das wahrhaft tragische ist, so dafs das äulsere auge meint, es geschähe gar nichts: ebenso hier. sobald Herakles erwacht, ist handlung scheinbar nicht mehr vorhanden. er erfährt was er getan hat, will sterben, Theseus kommt, sie reden hin und her, aber nicht der zuspruch des Theseus, sondern ein freiwilliger, scheinbar ganz unver- mittelter entschluls bestimmt den Herakles nach Athen zu ziehen. ist das nicht etwa blofs eine zu weit ausgesponnene schlufsscene ohne inneren wert? dann hätte Euripides schwer gefehlt, denn er führt eine neue person ein, auf deren erscheinen er kurz aber verständlich schon früh vorbereitet hat (619), und die er bei ihrem auftreten nicht nur selbst sich sehr passend einführen lälst, sondern durch ein kleines Iyrisches stück hervorhebt: nach der bühnenpraxis ist also Theseus als eine wesentlich in die handlung eingreifende figur gekennzeichnet. aber allerdings, Theseus tut nicht viel, und er ist nicht einmal mit bestimmten farben als ein individueller charakter gekennzeichnet, und die immerhin nicht verächt- liche erwägung schlägt nicht durch, dafs in Athen für Athener Theseus einer besonderen charakteristik nicht bedarf, da er ja immer vertreter Athens und seiner φιελοξενία und εὐσέβεια ist. denn Euripides hat gerade hier am wenigsten mit den populären instincten der zeitgenossen gerechnet: wenn er Theseus nur als menschen und freund einführt, so muls er eben diese beschränkung gewollt haben.

Auch das kann nicht unabsichtlich sein, dafs die äufsere form der letzten scene so grell von der vorigen absticht. der chor wird geradezu als nicht vorhanden behandelt; selbst bei dem auftreten des Theseus, wo

874 Der Herskles des Euripides.

doch eine gesangpartie eingelegt ist, schweigt er. und statt der bewegten bilder und des lebhaften spiels, nicht blofs in der wahnsinnsscene, sondern auch im ersten teile, verharrt nun Herakles, an dem unser interesse hängt, unbeweglich vor der säule sitzend, und treten erst Amphitryon, dann The- seus nur ein par mal an ihn heran: im wesentlichen bewegt sich nur das gespräch hin und her, nicht die redner, und wenn der schlufs ein pla- stisches bild voll rührendsten affectes bietet, Herakles seinen arm um des freundes schulter schlingend und schwankenden schrittes von der bühne fortziehend®), so hebt der dichter hervor, dafs dieses bild als widerspiel des ungleich reicheren gedacht ist, welches die scene des rettenden Herakles abschlofs. in allem dem ist der wille unverkennbar, etwas anderes, neues, schlicht menschliches im gegensatze zu dem herkömm- lichen, bunt mythischen zu liefern. es darf nicht verschwiegen noch verschleiert werden, dafs der contrast dieser scene zu der vorigen, ja zu dem ganzen drama, beiden teilen eintrag tut, dafs das ganze werk wesent- lich hierdurch einen disharmonischen eindruck macht: werfe den stein auf den dichter, wer von dem sohne einer anderen zeit und einer neuen bildung fordert zu dichten wie Aischylos, oder von dem, der an Aischylos unmittelbar angesetzt hat, zu dichten, wie dann erst wieder Goethe ge- dichtet bat, ohne nachfolge zu finden. wer nur verstehen will, der soll lernen, dafs diese disbarmonie im vollkommenen einklange steht zu der disharmonie in der seele des dichters, und dafs er aus der vollsten em- pfindung einer grofsen dichterseele bewulst disharmonisch geschaffen hat. Gehalt des Euripides hat den Herakles der sage verstanden in seiner gröfse und hat ihn ganz als voraussetzung seines dramas übernommen. des ist zeuge der erste teil, der den ἀλεξέχακος und χαλλένεχος in dieser eigenschaft handelnd einführt, der in den drei grofsen chorliedern die Heraklessage in ihrer erhabenheit verherrlicht, einschliefslich der überwindung des Alters, der erwerbung der ewigen jugend, ja der gotteskindschaft selbst, und zwar hat Euripides die sage keinesweges nur im mythischen gewande erfalst, er streift es vielmehr gerade von besonders bedeutsamen zügen ab und enthüllt die reine religiöse empfindung. von diesem augenpunkte betrachtet erheben sich jene herrlichen lieder erst zu organischen bestandteilen des dramas, und erscheint die blödsichtigkeit moderner beurteiler in ihrer ganzen erbärmlichkeit, welche sie für locker mit dem drama verbunden halten können. aber Euripides hat das ideal der dorischen @ges« nicht mehr 52) Es sei daran erinnert, dafs die grofse malerei der polygnolischen zeit eine

solche gruppe dargestellt hatte, welche vielfache nachbildung und umbildung erfuhr. Benndorf Heroon von Gjöl Baschi 114.

Aufbau des dramss. gehalt des dramas. 875

als genügend, ja nicht mehr als sittlich gelten lassen können. der glaube an den eingebornen menschenadel, der aus eigener kraft das gute kann, sich mit eigener faust den himmel erstreitet, der glaube an die menschliche αὐτάρκδια ist überwunden. der mensch ist schwach, glaubt Euripides, er weils nicht das gute, und wenn er’s weils, wird des fleisches schwäche ihn das gute nicht vollbringen lassen. und die Heraklessage zeigt den menschen vollends nur als den mann der tat, der gewaltsamen blutigen: Euripides kennt eine höhere sittlichkeit, und er weils, dafs die dorische mannestugend, die ἀρετά und εὐγένεια des ϑρασυμήχανος an sie nicht heranreicht. Euripides weils, μεσεῖ ϑεὸς τὴν βέαν : gewalt wird frieden nicht schaffen, am wenigsten im eigenen herzen. er nimmt deshalb die ganze gröfse des Herakles der sage nur auf, um ihre unzulänglichkeit zu zeigen, den allsieger selbst zu einem bilde der menschlichen sünd- haftigkeit und schwäche zu machen. dazu schien ihm die an sich so unwesentliche geschichte vom kindermorde eine handhabe zu bieten. aber er hat sie nicht nur äulßserlich zu einem exempel benutzt, er hat vielmehr selbst die schickung Heras, die eine begründung des wahn- sinns gewesen war, um Herakles die verantwortung für die bluttat zu nehmen, zu einem äufserlichen mittel der veranschaulichung gemacht: die tat aber ist eine folge der herakleischen eignen natur geworden. das dorische mannesideal beruht auf einer ungeheuren überschätzung der menschengröfse: die führt nicht in den himmel, die führt zum grüfßsen- wahnsinn.

Von diesem augenpunkte aus versteht man erst die neuerung des Euripides, dafs Herakles seine kinder erschlägt, gerade als seine lebens- aufgabe erfüllt ist, oder wie Herakles selbst es bitter bezeichnet, dafs diese tat sein dreizehnter ἄϑλος ist. die tiefste erniedrigung ist an die stelle der verklärung getreten, mit welcher der dodekathlos schlofs. trotz der verzerrenden ausführung mufs man Seneca zugestehen, dafs er für die tendenz der euripideischen dichtung die richtige empfindung gehabt hat, wenn er seine Iuno fürchten läfst, dafs Herakles seiner dienstbarkeit ledig gott wird werden wollen. auch Euripides stellt uns sinnfällig die frage, was wird der xaAAlvıxog tun, wenn er nichts mehr zu bezwingen hat. so lange ihn die aufgabe seines lebens von arbeit zu arbeit rief, blieb er sittlich, hielten ihn die schranken der menschheit. jetzt gibt es nichts mehr zu bezwingen, jetzt ist er frei. wie wird er die freiheit benutzen ? wir sehen es. die welt hat er überwunden: nur einer ist noch übrig, er selbst: dem erliegt er. da er sich von dem letzten gerecht vergossenen blute reinigen will, schrickt er zurück. der blutdunst, in dem er sein

376 Der Herakles des Euripides.

leben lang gewandelt ist, hat seinen sinn umnachtet, er kann aufser ihm nicht leben. hervorbricht ein wilder hafs, zunächst gegen den aufirag- geber, dessen joch er nun doch los ist, hervorbricht eine grenzenlose eitelkeit, die sich selbst zum sieger ausruft, eine sinnlose zerstörungslust, die Mykenes mauern aus den fugen reisen will: er ruht nicht, bis er wieder blut vergielst, sein eigenes blut. so rast er bis zur physischen erschöpfung. und keinesweges ist der ausbruch der raserei in seinem charakter unvorbereitet. als er die gefahr der seinen erfahren hat, ἤδη er ebenso in jähem sinnlosem zorne auf, will ganz Theben zusammen- schlagen und würde ohne die besonnenheit seines vaters durch diese hitze seinen ganzen anschlag gefährdet haben. nicht minder verstockt er sich in eitlem trotze, als er seiner untat inne geworden ist; nicht mitleid, trauer, tränen hat er, er lästert die götter, er weidet sich an seinen heldentaten, er will sterben trotz den göttern, αὐϑαδίέᾳ. sein verbrechen kommt aus derselben wurzel seines wesens wie seine heldengröfse: die welt zu bezwingen, die welt in trümmer zu schlagen reicht die dorische ἀρετα vielleicht aus. aber sie ist nicht göttlich, weil sie nicht mensch- lich ist. erst der mensch, der sich seiner schwäche bewulst ist, wird den wahren menschenadel zu üben stark genug sein, sich zu bezwingen und sich zu bescheiden.

Das ist es, wozu Theseus, nicht der held, sondern der mensch und seine liebe eingeführt wird. des freundes bedarf Herakles, auf den er sich stütze, der ihm die last des lebens tragen helfe. die liebe scheut sich nicht vor der befleckung menschlicher sünde, sie weils dafs der Quch nicht ansteckt, und vor der reinen menschenliebe weichen die Erinyen, die das verstockte herz bewohnen: diese entsühnung ist es, welche Theseus dem Herakles bietet, darum preist dieser in seinem letzten worte den wert dieser freundesliebe, an der Amphitryon (55) und Megara (559) ver- zweifelt hatten. und diese liebe hat sich Herakles verschafft durch eine tat, die ihm kein schicksal und kein Eurystbeus auftrug, durch eine tat freiwilliger hingabe, darum die einzige, an die er auch in tiefster ver- bitterung gerne gedenkt (1235)*). die menschheit hat ihre eigene un- zulänglichkeit einsehen gelernt in bittersten erfahrungen, darum genügt ihr die Heraklesreligion nicht mehr: aber sie hat auch die himmlische kraft erkennen gelernt, mit welcher sie die wunden lindern kann, die sie sich selbst in ihrer überhebung schlägt: die kraft der liebe.

53) So fällt auch starkes licht auf das wort des Herakles und des chores, dafs die rettung der kinder eine freiwillige tat ist (583): nur das &xovoso» kann etwas sittliches sein.

Gehalt des dramas. 877

Aber diese hoffnungsfreudigen töne sind nicht die einzigen, in welche das drama ausklingt, ja es sind nicht die welche am meisten ins ohr fallen; der dichter schlägt sie an, ahnungsvoll mehr und in ein anderes reich des empfindungslebens weisend, als dem sein held und die helden seines volkes angehören. es ist ja nicht der appell der freundschaft, welchem Herakles sich ergibt: er nimmt die kraft des letzten entschlusses wenigstens scheinbar aus eigner seele. Euripides wollte Herakles als ideal der selbstgenügenden menschenkraft trotz alledem darstellen, nur nicht das der archaischen, sondern das der sophistenzeit. darin liegt eine ge- wisse incongruenz, eine schädigung des wunderbaren freundschaftsmotivs, gewils: aber darin liegt zugleich die tiefste offenbarung seines eigenen glaubens. Herakles der sohn des Zeus, den Hera verfolgt, Hera und ihre eifersucht, die ganze bunte götterwelt und die heldensage, das ist ja alles nicht wahr, das ist ja nichts als eine gotteslästerliche erfindung der dichter. wenn es eine gottheit gibt, so darf ihr nichts von menschen- ähnlichkeit und beschränktheit anhaften. so schlägt Herakles mit den waffen des Xenophanes die ganze schöne welt in trümmer. seine eigenen gotteslästerungen fallen damit freilich hin: aber um so entseizlicher lastet auf ihm der fluch seiner eigenen menschlichen sünde. und ob es einen solchen sittlichen gott gibt, darauf erfolgt keine antwort. das ist ant- wort genug: der helle jubelruf über die göttliche gerechtigkeit, den der chor vorher erhoben hat (772), gehört nicht nur dem teile des dramas an, der die voraussetzungen der mythen fest hielt, er ist sofort durch Iris und Lyssa lügen gestraft. nein, Herakles lehrt uns etwas anderes: “elend’ ist das stichwort seiner letzten rede. das leben ist auf seinen wert hin geprüft und hat die probe schlecht bestanden: so urteilte im angesicht des todes auch Amphitryon (502). aber der schlofs daraus was die menge schliefst, geniefse das heut: Herakles sieht tiefer. aber er lebt weiter, er trägt dies sclaventum selbst und bittet die seinen, ihm tragen zu helfen. ach, zu leben ist unendlich schwerer als das leben fortzuwerfen: aber das ist menschenadel und menschenmut, den schritt der feigheit nicht zu tun. so überwindet der weltenüberwinder sich selbst; aber ach, wozu? dem elend und der schwachheit des daseins fest und ohne illusion ins auge zu schauen, und zu sprechen: ich trag’ es dennoch**).

53) In Georg Forsters briefen aus Paris findet sich dieselbe gesinnung wieder, die Herakles und Euripides hier äufsern: und vielleicht hilft diese äufserung der verzweiflung dem leser am besten dazu, den tiefen schauder nachzuempfinden, den Euripides erwecken will, aber erst erweckt, wenn man durch die hülle der stilisirung hindurch dringt “für mich kann weiter nichts mehr sein als arbeit und mühe

878 Der Herakles des Euripides.

Schopenhauer hat ja wol in der tragödie die predigt des pessimismus gehört, unfähig, wie die philosophen meistens sind, zu würdigen, dafs die poesie und zumal ihre älteste und machtvollste erscheinungsform, die sage, ein vollbild der in einer bestimmten zeit und cultur vorhandenen stimmungen und weltanschauungen gibt, also jederzeit optimistisch und pessimistisch zugleich ist. aber der Herakles des Euripides in dieser seiner letzten und bedeutsamsten rede ist allerdings eine erschütternde predigt von menschenschwäche und weltelend. sehr verbreitet und eben wieder aus der wurzel philosophischer abstraction erwachsen ist das bestreben, eine jede tragödie auf die formel einer “grandidee’ zurückzuführen. das ist nun wol nichts als eine der formen des verderblichen irrtums das fabula docet für älter als die fabel zu halten, des irrtums, die sage zu vergessen, im drama .speciell irgend einer toten formel nachzujagen, statt in der handlung, dem μῦϑος, die hauptsache zu sehen, und in der drama- tisirung eines μῦϑος die tätigkeit des dichters zu begreifen. und vor diesem irrtum sollte doch wahrlich Aristoteles jeden bewahren. aber es könnte allerdings verführerisch sein, in dieser pessimistischen rede die tendenz des Euripides offenbart zu sehen; ein anderer möchte geneigt sein, die sprüche von der freundschaft gewissermafsen als leitmotiv zu verfolgen. vor allen solchen misgriffen bewahrt, abgesehen davon, dafs keine einzelne solche formel die tiefe des ganzen dramas erschöpft, die erkenntois, dafs die sage und der dichter als individuum in seinem ver- hältnis zu ihr, wie er ihr folgt und von 1}} abweicht, das verständnis erst aller einzelnheiten, dann des ganzen liefert. das ist freilich schwerer zu erlangen, als wenn man sich eine formel aus dem vorliegenden drama destillirt. und es wird sich in einem kurzen schlagwort nicht zusammen- fassen lassen. die Heraklessage hat Euripides in sich aufgenommen, sie hat er aus seinem geiste neugeboren, nicht die vereinzelte geschichte vom kindermorde, sondern den innersten gehalt der ganzen sage. mit gewalt- lätiger, man mag sagen, pietätloser hand hat er zerschlagen, was seiner weltanschauung nicht genügte, in anderem wieder ist die sage stärker

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um was? um elende selbsterhaltung in einem genuls- und freudeleeren dasein. hundertmal habe ich nun schon erfahren, dafs es gröfser ist zu leben als zu sterben. jeder elende hund kann sterben. aber wenn hernach der teufel oder wer ist der schadenfrohe zähnefletschende geist in uns, der so einzusprechen pflegt? wenn der fragt, was ist dir nun die gröfse? bist du nicht ein eitler narr, dich für besser als andere zu halten? mein gott, da versink’ ich in meinem staub, nehme meine bürde auf mich und denke nichts mehr als: du mulfst, bis du nicht mehr kannst. dann hat's von selbst ein ende.” sechs wochen darauf ist Forster gestorben. (Iulian Schmidt gesch. d. deutschen litt. Ill 217.)

Gehalt des dramas, 879

gewesen als er. ganz individuelles hat er eingemischt, ganz conventio- nelles hat er beibehalten. ohne zweifel ist der eindruck nicht rein und nicht einheitlich, den das kunstwerk macht. das merkt man nur um so besser, wenn man das einzelne versteht; aber hat er einen reinen ein- druck erzielen wollen? in der seelenstimmung, welche aus der letzten rede spricht, wird ein dichter eher die disharmonie suchen. vielleicht hat Euripides das getan.

Da stehen wir schliefslich doch an einem punkte, wo nur eine kenntnis der intimsten lebensschicksale aufklärung geben könnte, wo also vielleicht selbst dann kein wissenschaftliches ergebnis möglich wäre, wenn uns das datum der aufführung des Herakles bekannt, und die schätze der alexan- drinischen bibliothek erhalten wären. um so mehr wird man sich vor einem raschen und nur zu billigen gesammturteil hüten. wol aber läfst sich eines erkennen. die letzte rede des Theseus verträgt sich eigentlich nicht mit dem motive der freundschaft, und nicht gern wird man sich damit helfen, dafs Euripides die polemik des Xenophanes aufgenommen hätte, ohne ihr eine andere als dialektische bedeutsamkeit geben zu wollen. so hat sich in den versöhnenden schluß ein bitteres neues moment eingedrängt, unwillkürlich, aus der seelenstimmung des dichters heraus. das gelöbnis ἐγχαρτερήσω βίοτον stimmt wunderbar zu dem gelöbnis οὐ παύσομαι τὰς Χάριτας. man glaubt zu empfinden, wie dem dichter eine bittere erfahrung leben und poesie verleiden will, er aber sich gewaltsam aufrafit, auch in sich den menschenadel findet, duldend auszuharren, obwol ihn das leben eine sclaverei der zuyn dünkt, nur dafs ihm der dichterberuf kraft verleiht, weil ihm der gott gab zu sagen was er leidet. und in der tat, wer seine tätigkeit in seinem greisenalter über- blickt, ihre fieberhafte hast, ihre friedlosigkeit, die verbitterte, welt und menschen verachtende stimmung, und daneben die einzige freude eben an der poetischen und, was für ihn dasselbe ist, der philosophischen tätig- keit, der kann sichs gar wol so vorstellen, dafs er das gelöbnis erfüllt, das er im Herakles gegeben hat, erfüllt bis zum letzten atemzuge, in den Bakchen alle die wilden geister vorführend, die ihn in dem rasenden taumel hielten, und von denen er sich in der neuen umgebung dadurch los zu machen suchte, dafs er sie verkörperte*), und doch von den Musen

64) Dies der sinn der Bakchen. es kann niemand den Euripides ärger ver- kennen, als wenn er in ihnen eine bekehrung zum glauben der alten weiber sieht. Teiresiag ist mit nichten der träger seiner ideen, und Dionysos, der so grausam an Pentheus sich rächt, ist mit nichten sein gott. er dramatisirt diesen mythos, führt

die in ihm liegenden conflicte durch: ihm gehört nur die stimmung an, das gefühl des friedens nach den orgien und durch die orgien.

880 Der Herskles des Euripides.

selbst immer an neue aufgaben gewiesen, deren keine ihn oder uns voll befriedigen kann. diese düstere weltanschauung, diese verbitterung ist noch nicht vorhanden ın Hiketiden und Erechtheus 421, sie beherrscht in wahrhaft furchtbarer weise die troische tetralogie 415: wir werden geneigt sein den Herakles zwischen diese jahre zu rücken. 421 ist Euri- pides ein glühender verehrer seines heimischen staates und dient der politik desselben: 415 spricht er ihr hohn und prophezeit dem vater- lande den untergang. in die zwischenzeit fällt seine verbindung mit Alkibiades. wir werden es niemals beweisen können, aber wir haben das recht darüber zu sinnen, und wer den dichter lieb gewonnen und an seiner sphäre lang gesogen hat, der hat auch das recht als seinen glauben auszusprechen, dafs das schicksal, welches Euripides leben verdüstert hat, in desselben unheilvollen mannes dämonischer gröfse liegt, welche auch seinem vaterlande verhängnisvoll geworden ist, dafs er es nicht verwunden hat, sich in Alkibiades getäuscht zu haben. στείχομεν olxzeol καὶ πολύ- xlavıoı τὰ μέγιστα pilwy ὀλέσαντες. so schliefst der Herakles: das hat einen tiefen sinn, auch wenn wir es wider Euripides absicht in das Schau- persönliche umdeuten. spielerver- Es mag dem eigenen nachdenken überlassen bleiben, all das licht teilung. „ich selbst zu suchen, das nun auf das einzelne zurückfällt, nachdem das ganze verstanden ist. denn es ist ein eitles bemühen, die schönheiten eines wahren kunstwerkes erschöpfen zu wollen. so wird man auch die absicht des dichters jetzt leicht darin würdigen, dafs er den ganz neuen gedanken seines letzten teiles eine so stark von den scenen des wahn- sinns abweichende gestalt gegeben hat: die exodos ist nicht ohne grund im stile des modernen dramas gehalten. aber eines muls an der drama- turgie noch hervorgehoben werden, das zunächst überraschend wirkt: der titelbeld wird von dem tritagonisten gegeben. stellen wir zunächst die tatsache fest. zuverlässige überlieferung über die rollenverteilung gibt es nicht und kann es nicht geben. wir sind also auf rückschlüsse aus den dramen selbst angewiesen, und diese werden dadurch erschwert, dafs der dichter ja nicht ein sondern vier dramen zugleich auf die bühne brachte und somit mehr momente in rechnung ziehen mulste, als uns kenntlich sind. dafs der dichter aber seine schauspieler vorher kannte, ist für die zeit der grofsen dichter unzweifelhaft. eine trilogie ist uns nun wenigstens erhalten, und ein einigermalsen denkender leser der Orestie kann nicht darüber schwanken, dafs in ihr der erste schauspieler Kassandra und Orestes gibt, der zweite Kiytaimnestra Elektra Kilissa Pythias Athena, pr dritte den rest der rollen. der zweite schauspieler hat an

Gehalt des dramas. Schauspielerverteilung. 381

versen ziemlich so viel zu sprechen wie die beiden andern zusammen, er hat mehrere melodramatische partieen (anapäste) zu recitiren und ein par kleine strophen zu singen: aber er hat nur frauenrollen. der dritte schauspieler hat nur zu recitiren, schöne lange reden hat er zu halten, aber nur als Apollon etwas lebhafter zu spielen. dagegen die grofse musikalische und schauspielerische leistung fallt den zwei rollen des pro- tagonisten allein zu, von denen eine sich durch zwei dramen zieht. sein erstes auftreten hat der erfahrene bühnenmeister bis hinter die mitte des ersten dramas aufgespart. wir bemerken an diesem deutlichen beispiel, was auch allgemeine erwägung lehrt, dafs namentlich die forderungen an gesang und spiel den ersten schauspieler zeigen, während die blofse reci- tation auf den dritten weist”). cin streben nach gleichmäfsiger belastung ist oft selbst im einzelnen drama kenntlich, und man wird darauf acht geben, es wird jedoch auch stark verletzt”) und, wie die Orestie zeigt, nicht einmal in der trilogie immer ausgeglichen. im Herakles nun singt nur einer, Amphitryon, und er ist fast das ganze stück hindurch auf der bühne, seinem vertreter kann keine zweite rolle gegeben werden, und er ist unbedingt protagonist. rechnet man weiter, welche personen mit ihm auftreten, so ist sofort kenntlich, dafs ein schauspieler Herakles Lykos, der andere Megara Theseus gibt, und auf diese in zunächst ungewisser weise

65) Den Kreon in Sophokles Antigone pflegt man dem trilsgonisten zu geben, obwol er bedeutende gesangpartieen hat und bei moderner aufführung sogar in störender weise das interesse auf sich zieht. man schenkt dabei dem Demosthenes glauben, der behauptet, Aischines wäre tritagonist gewesen und hätte den Kreon gespielt (19, 247, aufgenommen ohne neue pointe 18, 180), der wie alle tyrannen dem untergeordnetsten zufiele. aber was ein redner demosthenischer zeit sagt, ist überhaupt unglaubwärdig, und wenn es voliends der gemeine neid und hal spricht, wie hier, ist die lüge an sich wahrscheinlicher. Demosthenes will verse des Kreon wider Aischines wenden, deshalb greift er diese rolle auf; vieileicht hat jener sie gespielt, vielleicht auch nicht. aber zur tritagonistenrolle mulste sie Demosthenes machen, um seine beleidigungen los zu werden. was kümmert ihn die wirkliche rollenverteillung? die ökonomie des dramas lehrt, dafs Kreon deuteragonist ist. übrigens ist Aischines schwerlich ein schlechter schauspieler gewesen: so mag er denn den Kreon gespielt haben.

66) So hat in der Medeia der protagonist, der die titelrolle spielte, ziemlich so viel zu sprechen wie die beiden anderen zusammen genommen. er hat aber nur ein par anapäste, kein einziges gesangstück. wie trefflich das zu Medeias cha- rakter pafst, ist klar: man würde sehr gern die anderen dramen der trilogie ver- gleichen, aber es ist nichts zu erkennen; Philoktet ohne Iyrische klagen wird uns schwer zu denken. dafs irgend ein drama ganz ohne einzelgesang gewesen wäre, ist für die blöütezeit unglaublich. die erhaltenen Herskleiden beweisen eben darin ihre überarbeitung.

982 Der Herakles des Euripides.

sich die beiden göttinnen verteilen. da nun Megara und Lyssa weitaus die stärksten anforderungen an das spiel machen, so wird man sie einem darsteller und zwar dem deuteragonisten geben. so erzielt man eine gleich- mäfsige belastung der schauspieler”), aber Herakles ist allerdings trita- gonist. das stimmt vorzüglich zu dem, was oben über die geringen an- forderungen gesagt ist, welche diese rolle an das spiel stellt, und dafs es den modernen zunächst befremdet, macht für die sache nichts aus. wol aber wird man beherzigen, dafs der dichter für die haltung seiner personen keinesweges blofs sachliche rücksichten nehmen mufste, sondern mit dem materiale an darstellern rechnete, das ihm zur verfügung stand. indessen für den wahren künstler liegt ja in der gesetzten schranke kein hemmnis; er wird den ihm zugemessenen raum so ausfüllen, dafs die schranke nur als ein rahmen um das fertige bild erscheint, wie Pheidias seine giebel- gruppen componirt hat. aber für die beurteilung der einzelnen dramen und noch mehr der trilogie ist diese beobachtung in ähnlicher weise Nacheirc fruchtbar wie die oben besprochene bildung der einzelnen chöre*®).

kung des Welchen erfolg der Herakles bei der ersten aufführung gehabt hat, wissen wir nicht. aber die wirkung, die er auf den würdigsten richter ausgeübt hat, zu erkennen ist uns vergönnt: er hat Sophokles zur dich- tung der Trachinierinnen angeregt. die einzelnen verse, in welchen sich ein unbewufster aber deutlicher auschlufs an Euripideische verse zeigt""), beweisen freilich nur, dafs Sophokles das euripideische stück gekannt und sorgfältig gelesen hat, und das ist nicht wunderbar, da sein stil im alter in jeder beziehung so sehr stark von Euripides beeinflufst ist. aber auch sein Herakles wird bei einem opfer rasend, begeht eine wilde tat (um die sich freilich keiner viel kümmert) und wird uns, während dies nur erzählt ist, danach zunächst schlafend gezeigt, indem die umstehenden die laute äufserung ihrer teilnahme vergeblich zu bemeistern suchen. auch sein Herakles hadert mit seinem unseligen geschicke und weidet sich an der aufzählung seiner taten. schliefslich geht er zur selbstverbrennung,

57) Amphitryon hat etwa 300 verse, die beiden anderen 20 und 40 mehr.

58) Helene und Andromeda zeigeu einen für ein sentimentales weib geschickten sänger und neben ihm einen ähnlich für rührende männerrollen geeigneten zweiten sänger. die arie des castraten im ÖOrestes ist offenbar für diese ganz bestimmte person (παραχορήγημα verfalst. auch in den komödien ist ähnliches zu bemerken; Aristophanes mufste eines geschickten knirpses sicher sein, wenn er in den Acharnern die tochter des Dikaiopolis und den Nikarchos als redner, daneben die kleinen Odo- manten und die megarischen ferkelchen einführte; diese reden nicht und sind in der mehrzahl, aber ein par jungen fand er leicht als ststisten zur begleitung.

69) Vgl. oben 8. 373. hinzuzufügen noch Tr. 1112 nach Eur. Her. 135. 877.

Schauspielerverteillung. nachwirkung des dramas,. 383

der euripideische geht in den tod zwar nicht, aber für die welt ist er dennoch auch tot. beide dramatisiren das ende des heros, beide eine geschichte, welche ihn in sünde verstrickt zeigt: das vorige capitel hat in ganz anderem zusammenhange beide sagen neben einander stellen müssen. es ist also wirklich die beziehung beider dramwen zu einander viel näher, als es zunächst scheinen mag: aber das ist natürlich, sind es doch die beiden einzigen der eigentlichen Heraklessage entnommenen tragödien ®). dafs er das schicksal des Herakles überhaupt zu dramati- siren wagte, darin liegt die entscheidende anregung, die Sophokles von seinem rivalen empfangen hat. gearbeitet hat er, wie sich von selbst versteht, in seinem eignen sinne, und dem lag die pietätlosigkeit des Euripides wider die sage ebenso fern wie die tiefe ethisch religiöser specu- lation. deshalb machen auch die Trachinierinnen auf den ersten blick leicht einen altertümlicheren eindruck als der Herakles. Sophokles hat sich be- rechtigt gehalten, schlecht und recht der sage zu folgen, wie sie eben war, ganz wie in der Elektra. aber keinesweges weil er die in ihr liegenden austöfse nicht empfand, sondern weil sie für ihn etwas tatsächlich gegebenes war. er hili sich denn auch mit der verlegenheitsausrede, die jeden stein gleich gut oder schlecht aus dem wege räumt, “es ist nun einmal gottes wille, da wird’s schon recht sein’. τοῦ λόγου οὐ χρὴ φϑόνον προσεῖναι, Ζεὺς ὅτου πράκτωρ φανῇ (251), das gilt dem verkauf in die sclaverei, und das schlufswort ist οὐδὲν τούτων ὅτε μὴ Ζεύς 5). hätte er, der doch selbst eine Heraklescapelle gestiftet hatte, den leben- digen Dorerglauben gehabt, so würde mindestens eine glänzende hin- deutung auf die apotheose nicht gefehlt haben, aber das “ende der mühen’ bedeutet innerhalb des dramas lediglich den tod, und nur in der letzten rede des Hylios steht eine schüchterne hindeutung, dafs man noch nicht wisse, was da kommen werde, neben einer scharfen anklage des Zeus, die stark nach Euripides klingt“). so ist denn der Herakles des Sophokles

60) Mitrechnen mag man noch Eur. Alkmene, vgl. oben s. 298, zu der viel- leicht Sophokles Amphitryon eine parallele bildete.

61) Nur vereinzelt wird ein zu starker zug gemildert, so der mord des Iphitos, 277, der nur döAg begangen sein soll: der bruch des gastrechts, das eigentlich ent- scheidende, ist damit eliminirt. aber, mufs der genauer überlegende fragen, ist denn der totschlag durch list als solcher verwerflich, mufs er mit Inreia bestraft werden? ἀπόλλυμαι δόλῳ ruft doch auch Lykos bei Euripides, und δόλῳ wird Aigisthos in den Choephoren bewältigt. so mislingt diese sorte apologetik immer.

62) Die vielbeanstandeten verse haben den sinn “verzeiht mir, dafs ich meinem vater zur selbstverbrennung behilflich bin, und bedenkt, wie sehr Zeus pflichtver- gessen handelt, indem er seinen sohn 80 zu grunde gehen läfst. das kann ja noch

884 Der Herakles des Euripides.

an tiefe und innerer bedeutsamkeit weder dem des Euripides noch dem der sage auch nur von ferne vergleichbar. das soll er aber auch gar nicht. Sophokles handelt wie der ionische epiker, dessen werk ihm mindestens sehr viel von seinem stoffe gab. er gibt weder den universellen noch den natio- nalen heros, sondern einen heros, wie es viele gibt. mit bedacht ist des- halb, wo nicht der anschluls an die sage oder auch an Euripides irre führte, die beziehung des Herakles zu Hellas und zur ganzen welt zurückgedrängt, und die tragödie in das einzelne haus und die familie verlegt. dabei bat Herakles verloren. der sophokleische wird nur dem imponiren, der a priori vor allem sophokleischen in bewunderung erstirbt. dagegen ist es auch hier dem Sophokles gelungen, unser lebhaftestes interesse zu fesseln, indem er eine figur aus dem zweiten in den ersten rang zog, der er dann in der individuellen beschränkung ein wahrhaft menschliches leben verlieh. Deianeira macht die Trachinierinnen zu einem des Sophokles würdigen gedichte, da schafft er mit liebe aus dem vollen, und dieser partieen soll man sich freuen, olne zu schelten, dafs das drama nur kümmerlich durch orakelsprüche zu einer äufserlichen einheit zusammen- gehalten wird, dafs der zweite teil an sich keinen hohen wert hat, und dafs von Herakles und seinen taten wirklich nur noch die namen übrig geblieben sind. nur würde man Sophokles schweres unrecht tun, wenn man seine dichterkraft nach solchen werken schätzen wollte, wo er nicht am mythos selber neuschaffende hand anlegt, sondern in dem vorsuchen und in der ausarbeitung zurückgestellter nebenmotive ein vorläufer der alexandrinischen epik ist.

Für die gestaltung der geschichte von Herakles, die als die allgemein giltige die ganze folgezeit beherrscht, haben die Trachinierinnen erfolg gehabt, nicht blofs in ihren trefflichen teilen, sondern auch für Herakles. das war nicht zu verwundern. die folgezeit empfieng die meisten sagen in der tragisch umgeformten gestalt, weil die tragiker die letzten grofsen sagendichter gewesen waren. in der Heraklessage hatten sie nicht viel geleistet, um so fester hielt man das wenige. das gleiche gilt von dem Herakles des Euripides, doch mit wesentlicher einschränkung. seine grofsen neuerungen, die ansetzung des kindermordes am ende des lebens und die einführung des Theseus, sind mit der fülle der Heraklessagen, mit dem dodekathlos und dem oetäischen kreise unvereinbar. sie mufsten also beide aufgegeben werden, wenigstens wenn man das ganze leben erzählte; in anders werden (d. h. Zeus wird Herakles in den himmel nehmen), wie es hier aber

sich darstellt, haben wir die trauer, Zeus die schande davon, und Herakles mufs elend sterben”. was dann der chor mit dem schlufswort berichtigt.

Nachwirkung des dramas, 385

einzelgeschichten hat sich aber selbst die erste gehalten. den Lykos hat man dagegen allgemein festhalten können und hat es getan. die bildende kunst hat weder das sophokleische noch das euripideische drama berück- sichtigt: sie hat die entscheidenden anregungen für die bearbeitung der Heraklessage schon von der archaischen zeit erhalten, und die Heraklesver- ehrer hatten auch in späterer keine veranlassung gerade diese gegenstände dargestellt zu wünschen. dagegen hat die poesie in dem euripideischen werke stark gewirkt; es gehörte zu den zwar nicht in der schule behan- delten, aber doch zu den viel gelesenen, und wenn es uns also auch nur ein glücklicher zufall erhalten hat, so würden wir es doch in seinen wesent- lichen zügen wieder herstellen können.

Dies zu zeigen hat mehr wert als die stellen zu häufen, welche eine beeinflussung durch Euripides verraten®). für ihn selbst lernt man frei- lich auch dadurch nichts, aber es dürfte etwas für uns beherzigenswertes herauskommen.

Denken wir also einmal, der Herakles wäre selbst verloren, und wir wollten ihn aus den bruchstücken herstellen. was würden wir erreichen der titel"Hoaxing zunächst sagt gar nichts. dafs Herakles in der raserei sich einbildet zu wagen zu fahren, berichtet Dion (32, 94) und führt v. 947—49, allerdings entstellt, an, aus denen sicher zu entnehmen ist, dafs die raserei erzählt ward. eben diesen zug hebt Philostratos (Imag. 2,23) hervor, und da dieser rhetor auch noch für andere einzelheiten, die ein- führung einer Erinys (wie er für Lyssa sagt) und die fesselung des Herakles, sich auf die bühne und die dichter beruft, so haben wir das recht sein ganzes angebliches gemälde in die poesie zurückzuübersetzen, aus der er es zusammengestümpert hat. so gewinnen wir den inhalt des botenberichtes: Herakles gerät beim opfern in wahnsinn, glaubt nach Mykene zu fahren und die Eurystheuskinder zu töten, tötet aber Megara und seine söhne. erst erschielst er zwei (dabei würden wir also die feinere abwechselung des Euripides verlieren, der einen sohn erschlagen lälst), dann die mutter mit dem jüngsten, die sich in ein gemach geflüchtet hat. sein gesinde versucht ihn vergeblich zurück zu halten; schliefslich haben sie ihn aber doch gebunden. aufserdem ist die personification des

63) Nur auf eins sei hingewiesen, Antikleides, ein merkwürdiger, weil nicht leicht in die fächer unserer litteraturgeschichte einzuordnender mann, der sowol die sagengeschichte wie die Alexanders behandelt hat, erzählt, dafs Herakles nach voll- endung seiner arbeiten von Eurystheus zu einem opferschmaus geladen wird, und, weil er eine zu kleine portion bekommt, drei söhne des Eurystheus erschlägt, deren namen Antikleides natürlich anzugeben weils (Athen. 157): das ist eine deutliche

entlehnung aus Euripides. ein buch, in dem das stehen konnte, war ein roman. v. Wilamonlız 1. 25

986 Der Herakles des Euripides.

wahnsinns von Euripides selbst auf die bühne gebracht, also in einer scene vor dem botenbericht. leicht würden wir dann noch eine stelle, die sich auf das reinigungsopfer bezieht, dem botenberichte einreihen (Didymos in schol. Fried. 959 und bei Athen. IX 409. Eur. v. 928. 29). dafs Herakles, also gebunden, selbst vorgeführt ward, ergibt weiter der öfter citirte vers 1245, und die angabe, dafs in diesem drama der glaube an die ansteckende kraft des blutbefleckten berührt worden sei (schol. Eur. Or. 73): denn diese combination zu machen dürfen wir uns schon zutrauen. wenn Herakles im botenberichte gebunden ward, nachher auf der bühne blutbesudelt anwesend war, so ist die einführung des ekky- klemas mit sicherheit zu erschliefsen. wie wir uns freilich weiter helfen sollten, würden die fragmente nicht lehren, denn dafs 1349, 50 in schwer interpolirter gestalt bei Stobaeus (108, 12) stehen, wir also den spruch ver- nebmen, wer nicht das geschick zu tragen weils, wird auch nicht im stande sein, dem geschosse des feindes entgegen zu treten’, würde die lösung schwerlich ergeben. und dafs die rettung der 14 kinder aus Kreta, also eine Thbeseustat, erwähnt ward (Servius zu Aen.6, 21), mülste zunächst nur verwirren. allein mit diesen kenntnissen bewaffnet könnten wir zuver- sichtlich an die tragödie des Seneca gehen, und ohue schwanken aus ihrem zweiten teile den zusammenhang nehmen, in den die namentlich erhaltenen citate sich einordnen. Herakles kommt mit Theseus aus dem Hades, also nach der bezwingung des Kerberos, also am ende seines lebens, unerwartet nach Theben. in raserei erschlägt er frau und kinder; als es ihm zum bewulstsein kommt, will er sich töten, entschliefst sich aber auf die bitten seines vaters und des Theseus mit diesem nach Athen zu ziehen um sich dort entsühnen zu lassen: ja selbst einen schimmer von der stimmung des euripideischen Herakles hat Seneca bewahrt. wenn er die mahnung hört nunc Hercule opus est, perfer hanc molem mali (1239), sie abweist veniam dabit sibi ipse qui nulli dedit? laudanda feci iussus: hoc unum meumst (1261), und schlielslich entscheidet succumbe virtus, perfer imperium patris, eat ad labores hic quoque Herculeos labor, vivamus, so ist das zwar für uns jetzt, die wir den echten hören, ein unge- pügender nachklang, aber er gibt doch von der stimmung des echten eine gar nicht verächtliche vorstellung. und ganz abgesehen davon, wie gut es einem kenner des Euripides gelingen möchte, die zusätze der copie zu entfernen: das ist augenfällig, dafs wir den schlufs des dramas inhalt- lich, so weit es die handlung angeht, in der hauptsache richtig recon- struiren mülsten. aber Seneca würde uns noch weiter helfen. dafs Euripides den Herakles aus der hölle nur emporgeholt hätte, um ihn

Nachwirkung des dramas. 387

seine kinder erst retten zu lassen, dafs das opfer, bei dem er rasend wird, das siegesopfer für den tod des Lykos auch bei ibm gewesen wäre, und der erste teil des dramas also die bedrohung Megaras und der kinder durch Lykos enthalten hätte, das würde Seneca sicher lehren, und dann würde die mythographische vulgata bestätigend eintreten, neben einer anzahl anderer stellen, die zu häufen keinen zweck hat, das die zgayw- dovusva des Asklepiades citirende scholion A 269 Meyapa Κρέοντος τοῦ Θηβῶν βασιλέως γημαμένη Ἡρακλεῖ παῖδας ἔσχεε Θηρίμαχον χαὶ Κρεοντιάδην καὶ Δηικόωντα “), βαδίζοντος δὲ αὐτοῦ εἰς ἄδου ἐπὶ τὸν τοῦ κυνὸς ἄϑλον Avxos τῶν Θηβῶν βασιλεὺς πεισϑεὶς Ἥρᾳ καταστέφει τοὺς Ἡρακλέους παῖδας ἵνα ϑύσῃ. οὐ γὰρ αὑτὸν ἐπανήξειν Wero. παραγενόμενος δὲ Ἡρακλῆς ἀναιρεῖ αὐτὸν καὶ τοὺς ἐκείνου παῖδας" μανεὶς δὲ διὰ τὴν Ἥραν xreiveı τοὺς ἰδίους. ἔμελλε δὲ καὶ τὸν ἀδελφὸν Ἰφιχλέα, εἰ μὴ ἔφϑασεν AInva κωλύσασα. wir wollen das spiel nicht zu weit treiben und dahingestellt sein lassen, in wie weit sorgfältige erwägung aller varianten die möglichkeit einer wiederherstellung der einzelnen züge bieten könnte; über sie würden auch die sachverständigen sich schwer geeinigt, und irrtümer würden sehr leicht geltung gewonnen haben“). dafs der inhalt des euripideischen Herakles sehr wol bekannt sein würde, dafs er gar nicht hätte verloren werden können, weil das drama die mythographische vulgata beherrschte, ist die hauptsache. sie ist unzweifelhaft, sie zeugt für den erfolg des dramas am besten, und sie gibt uns die lehre für die methode. aus den bruch- stücken selbst destillirt freilich nur selten jemand eine tragödie; deshalb können wir von den komödien ja wirklich so wenig wissen. aber aus der sagenüberlieferung mufs sich ein drama mehr oder minder herstellen lassen, welches in ihr epoche gemacht hat. Nauck hat in der vorrede

64) Therimachos und Deikoon, daneben aber Aristodemos nennt ausdrücklich als von Euripides erwähnt schol. Pind. Isthm. 4, 104, dem wir, wie die mythogra- phischen studien jetzt stehen, doch nur die zahl glauben würden.

65) Einen irrtum, fürchte ich, würden wir begehen. wir würden nach Seneca annehmen, dafs Lykos die Megara mit heiralsanträgen behelligt hätte, zumal wir in schol. Lykophr. 38 Avxov βιαζόμενον τὴν γυναῖκα Μεγάραν eine bestätigung finden würden. und doch ist das falsch. wir können uns aber trösten: wir würden dann nur ein wirklich euripideisches motiv in einen zusammenhang bringen, der es an sich wol erträgt. es ist das motiv, welches Euripides zuerst im Diktys, dann im Kresphontes angewandt hat. Polyphontes Merope bestürmend gibt in der tat eine ganz analoge situation: sie hat Seneca in das andere stück übertragen. der scholiast ist zufällig mit ihm zusammengetroffen. er wie andere brechungen des inhalts unseres Herakles kann lehren, wie wenig auf diese kleinen züge verlafs ist, mit denen mythographen und historiker heut zu tage so besonders gern operiren,

388 Der Herakles des Euripides.

seiner kleinen ausgabe der Euripidesfragmente die namentlichen bruch- stücke von Herakleiden Herakles Elektra zusammengestellt, zum beweise, dafs es ein eitles bemühen wäre, aus ihnen den inhalt zu gewinnen. das ist wahr und falsch. denn aus den par zeilen geht es freilich nicht, aber das ist auch der falsche weg. vom stofle hat man auszugehen, die litteratur mufs man beherrschen und soll wissen, dals nur wer die ganze entwickelung einer sage verfolgt, wer auch zugleich auf ihre bedeutung und herkunft eingeht, damit er die trümmer der sagenüberlieferung richtig einordnen könne, eine einzelne fassung, epos oder drama, herstellen kann wenn dies epos oder drama durchgedrungen ist. das aber ist die wesentliche vorfrage, die man praktisch natürlich nicht früher oder später beantwortet, als man dies gedicht herstellt oder ein anderes. so würden wir von Euripides Elektra gar nichts wissen, weil sie erfolglos geblieben ist; dafs sie das ist, könnten wir ermitteln. so sehen wir, dafs wir den inhalt des Herakles an vielen orten überliefert baben, so weit er die sage beherrscht; wo er ihr widerspricht, im schlusse, verdanken wir die kenntnis lediglich Seneca, also einem besonderen glücksfall. diese metho- dische lehre, was man finden kann, und wie man suchen soll, sei hier zum schlusse an einem praktisch überflüssigen aber keinen widerspruch zulassenden exempel eingeschärft. schliefslich beweist sie doch auch nur, was dies ganze buch beweist, dafs die tragödie nur in der verbindung mit der sage verstanden und gewürdigt werden kann, ganz wie das epos.

U

Druck von J.B. Hirschfeld in Leipaig.

EURIPIDES HERAKLES

ERKLÄRT

ΟΝ

ULRICH VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF

BAND II

mn

BERLIN WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG 1889

EURIPIDES HERAKLES

TEXT un COMMENTAR

VON

ULRICH VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF

BERLIN WEIDMANNSCHE. BUCHHANDLUNG 1889

VORBEMERKUNG.

Wie es im allgemeinen um die überlieferung des Herakles steht, ist im 3 capitel des ersten bandes dargestellt. der folgende commentar behandelt textkritische fragen unmittelbar nicht eben häufig; implicite mufs freilich eine zutreffende erklärung auch die gewählte textgestalt recht- fertigen. indessen sind noch einige worte über den kritischen apparat und die äufsere form des textabdruckes nötig.

Was in den beiden handschriften, Laur. 32, 2 (C) und Laur. Abb. Flor. 172 (P) wirklich steht, ist bisher ungenügend bekannt: erst diese ausgabe ist auf der echten überlieferung aufgebaut. es ist das die von C, aber nur von C, ehe es durch die correctoren der renaissance (c) verwüstet ward. die erste hand ist fast immer noch zu erkennen; dazu bietet aber P eine äufserst wertvolle hilfe, denn es ist eine abschrift desselben originales, aus dem C stammt, zwar sehr fehlerhaft und nicht ohne willkür ge- schrieben, und nur in ganz wenigen geringfügigen dingen geeignet C zu verbessern, aber namentlich für die lesung von Οὐ unter correctur und rasur eine sichere hilfe. auch zur scheidung der wertlosen correcturen in C von den eintragungen zweiter hand (C*), welche aus der vorlage stammen, verhilft am sichersten P, denn es stimmt oftzu C?. da der kritische apparat nur die überlieferung geben will, so war der gewiesene weg der, dafs fortgeworfen werden mulste erstens alles was von c stammt, es sei denn dafs es richtige conjecturen sind, zweitens die zahlreichen offenkundigen febler von P. in dingen, wo dieser notorisch unzuverlässig ist, wie der personenverteilung, ist er gar nicht berücksichtigt. dagegen mufste erwähnt werden was immer C' enthalten hat, auch wenn es ein von ΟΡ berichtigter fehler ist: denn es kann ja aus dem originale

stammen. es ist vielleicht nicht richtig, dafs die stellen nicht bemerkt v. Wilamowitz IL 1

2 Vorbemerkung.

sind, wo nur noch eine rasur zeigt, dals in C vor der jetzigen zu P stimmenden lesart etwas anderes gestanden hat.

Orthographie, krasis, elision, prosodie, interpunction, versabteilung ist vom herausgeber nach eigenem ermessen gesetzt. die handschrift ist viel zu jung und zu fehlerhaft, als dafs ihr zeugnis ins gewicht fallen könnte. in einzelnen fällen ist auch derartiges erwähnt, aber das sind ausnahmen; in wahrheit hätte noch vieles fortbleiben können. immerbin ist so erreicht, dafs der apparat ganz knapp ist: diesem streben zu liebe sind auch aus an- tiken citaten nur die lesarten angeführt, welche den text verbessern. es wird aber namentlich für einen anfänger sehr belehrend sein, sowol diese vari- anten alle zu durchmustern wie auch die zahlreichen stellen zu überlegen, wo der apparat im texte eine lesart enthält, die durch moderne conjectur gefunden war, aber nichts zu ihr bemerkt wird, weil sie überliefert ist und nur durch die renaissancecorrectoren verdrängt war. es kann beides ja leicht aus Kirchhoffs grofser ausgabe genommen werden.

Dieser und anderen älteren ausgaben, namentlich Musgrave Beck, sind die angaben über die apographa von C, die ältesten drucke und emendatoren entnommen; es mag sein, dals eine oder die andere con- jectur moderner gelehrten auch aus zweiter hand genommen ist. die benutzung der originalen arbeiten von Musgrave, Reiske, Wakefield, Dobree, Eimsley, hat gezeigt, dafs unsere tradition von den älteren leistungen aller- dings bereichert und berichtigt werden kann. es sind deshalb nicht selten mehrere namen für eine verbesserung genannt, auch von modernen ge- lehrten. für den wissenden ist daraus manches zu lernen; dem un- wissenden schadet es nichts und für die wahrheit sind alle namen gleich- giltig. daraus dafs modernste namen fast gar nicht erscheinen, schliefse man nicht gleich auf mangelnde kenntnis der jüngsten “errungenschaften . indessen war die aufgabe, deren lösung versucht ist, wirklich eine zu schwere, und zu viel silber war aus unangebrochnem schachte zu schlagen, als dafs es sich verlohnt hätte, alle schutthalden zu durchstöbern.

Die äufsere einrichtung des druckes entfernt sich in manchen dingen von der geläufigen weise und schliefst sich teils der handschriftlichen überlieferung, teils der besonders durch Hephaestion überlieferten praxis der antiken grammatik an. der personenwechsel ist, wo keine zweideutig- keit entsteht, durch die paragraphos bezeichnet. die εἴσϑεσις, das ein- rücken, ist angewandt um zu zeigen, wie weit die synaphie in den lied-

Vorbemerkung. 3

mafsen reicht; im dialoge hat das alinea seine ung geläufige rhetorische bedeutung. strophen oder in nichtstrophischen gedichten perioden, auf- treten und abtreten der personen ist im anschlufs an Hephaestion be- zeichnet. doch hat die praxis einige modificationen der zeichen gefordert: denn nicht eine repristination verschollener wertloser dinge, sondern das praktische bedürfnis ist leitend gewesen. die unechten verse sind in unserer weise eingeklammert, nicht aufgespielst, und das kreuz be- deutet nicht, dafs zu der stelle etwas zu bemerken ist, sondern dafs sie verdorben ist und noch nicht geheilt. die interpunction bemüht sich, keine regel zu befolgen, sondern dem verständnis des einzelnen satzes zu dienen, so viel sie kann. allerdings bemerkt man immer wieder, dafs sie das ungenügend tut. bestrebungen, wie die des Nikanor mit seinem abstrusen system, und die rabbinischen anweisungen für die recitation oder auch die zeichen und beischriften unserer musikalischen texte lernt man schätzen: hier kann ein erfinder sich wirklich eine krone verdienen. wenn wir vorzeichnen könnten, wie ein satz gelesen und betont werden soll, so würde die bessere hälfte der erklärung ohne weiteres geleistet sein.

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ΥΠΟΘΕΣΙΣ ἩΡΑΚΛΈΟΥΣ.

Ἡρακλῆς γήμας ἹΜεγάραν τὴν Κρέοντος παῖδας ἐξ αὐτῆς ἐγέννησε ..... καταλιπὼν δὲ τούτους ἐν ταῖς Θήβαις αὐτὸς εἰς “doyos ἦλϑεν Εὐρυσϑεῖ τοὺς ἄϑλους ἐκπονήσων" πάντων δὲ περι- γενόμενος ἐπὶ πᾶσιν εἰς Audov κατῆλϑε καὶ πολὺν ἐκεῖ διατρέψας χρόνον δόξαν ἀπέλιπε παρὰ τοῖς ζῶσιν ὡς εἴη τεϑνηκώς" στασιά- σαντες δὲ οἱ Θηβαῖοι πρὲς τὸν δυνάστην Κρέοντα “ὐχον ἐκ τῆς Εὐβοίας κατήγαγον ......

Dies ist der rest einer nacherzählung des dramas; sie hängt mit der mythographischen litteratur, nicht mit Aristophanes von Byzanz zusammen. vgl. Bd. 1 3. verstümmelt sind die meisten dieser vorbemerkungen zu den scholienlosen dramen, weil ein schreiber zu wenig raum für sie zwischen zwei dramen ausgespart hatte. dafs sie auf diese weise vom corTector nachgetragen wurden, zeigt die praxis in C selbst.

Hinter ἐγέννησε fehlt die zahl 3 oder die drei namen, obwol Euri- pides sie nicht nennt. denn die mythographen liefsen keine person anonym und hier wissen wir durch schol. Pind. Isthm. 4, 104, dafs man sogar zu wissen glaubte, welche namen Euripides gemeint hatte: d. h. die dreizahl war bei irgend jemand anders auch vorhanden und da standen die namen: denn aus der hypothesis hat der grammatiker, der im 1. jahrh. n. Chr. jenes scholion geschrieben hat, nicht geschöpft. κατήγαγον zeigt, dafs Lykos aus Theben stammte, d. ἢ. dafs im unmittelbaren anschlufs von seinem abn, dem Thebaner Lykos, erzählt war.

In P steht ein unvollständiges personenverzeichnis, das aus der vor- lage stammen kann. indessen haben solche verzeichnisse für attische dramen keinen zweck und waren der guten grammatik fremd, vgl. Bd.13.

ΑΜΦΙΤΡΥΩΝ.

Τίς τὸν Διὸς σύλλεκερον οὐκ οἶδεν βροτῶν,

Aoysiov ᾿μφιτρύων᾽, ὃν ᾿Αλκαῖός ποτε

ἔτιχϑ᾽ Περσέως, πατέρα τόνδ᾽ Ἡρακλέους;

ὃς τάσδε Θήβας ἔσχον, ἔνϑ᾽ γηγενὴς

Σπαρτῶν στάχυς ἔβλαστεν, ὧν γένους "άρης δ

ἔσωσ᾽ ἀριϑμὸν ὀλίγον, οἱ Kaduov πόλιν

τεχνοῦσι παίδων παισίν" ἔνϑεν ἐξέφυ

Κρέων Mevoıx&wsg παῖς, ἄναξ τῆσδε χϑονός.

Κρέων δὲ Meyagas τῆσδε γίγνεται πατήρ,

ἣν πάντες ὑμεναίοισι Kaduelol ποτε 10

λωτῷ συνηλάλαξαν, ἡνέκ᾽ εἰς ἐμοὺς

δόμους κλεινὸς Ἡρακλῆς νιν ἤγετο.

λιπὼν δὲ Θήβας, οὗ κατῳχίσϑην ἐγώ,

ἹΜεγάραν τὸ τήνδε πενϑερούς τὸ παῖς ἐμὸς

Aoysia τείχη καὶ Κυκλωπίαν πόλιν 15

ὠρέξατ᾽ οἰχεῖν, ἣν ἐγὼ φεύγω κτανὼν

Ἠλεχτρύωνα. συμφορὰς δὲ τὰς ἐμὰς

ἐξευμαρίζων καὶ πάτραν οἰκεῖν ϑέλων

καϑόδου δίδωσι μισϑὸν Εὐρυσϑεῖ μέγαν,

ἐξημερῶσαι γαῖαν, εἴϑ᾽ Ἥρας ὕπο 2

κέντροις δαμασϑεὶς εἴτε τοῦ χρεὼν μέτα.

καὶ τοὺς μὲν ἄλλους ἐξεμόχϑησεν πόνους,

τὸ λοίσϑιον δὲ Ταινάρου διὰ στόμα

βέβηκ᾽ ἐς Ἅιδου τὸν τρεισώματον κύνα

ἐς φῶς ἀναξων --- ἔνϑεν οὐχ ἥκει πάλιν. 3 γέρων δὲ δὴ τις ἔστι Καδμείων λόγος,

ὡς ἦν πάρος Δίρκης τις εὐνήτωρ Avxog

τὴν ἑπτάπυργον τήνδε δεσπόζων πόλιν,

1 οἶδε ny deest persaepe; non notatur 2 Ἀμφιτρύωνα C! elisio plerum- que neglecta, sed restituta C*P vel c, raro notatur 3 £rixrev error ex neglecta elisione iam in archetypo natus Ἡραχλέος ita plerumque; orthographica raro notantur 4 ἔσχεν: em Wil 11 λοτῷ 15 Κυχλωπίαν P Κυχλωπείαν C

19 χαϑόλου: em Reiske

6 ΕΥ̓ΡΙΠΙΔΟΥ

τὰ λευκοπώλω πρὶν τυραννῆσαι χϑονός,

Αμφίον᾽ ἠδὲ Ζῇϑον, ἐχγόνω Διός" 30 οὗ ταὐτὸν ὄνομα παῖς πατρὸς κεκλημένος,

Καδμεῖος οὐκ ὧν ἀλλ᾽ ἀπ᾽ Εὐβοίας μολών,

κεείνδι Κρέοντα καὶ χτανὼν ἄρχει χϑονός,

στάσει νοσοῦσαν τήνδ᾽ ἑπεσπεσὼν πόλιν.

ἡμῖν δὲ κῆδος ἐς Κρέοντ᾽ ἀνημμένον 35 κακὸν μέγιστον, ὡς Eoıxe, γέγνεται.

τοὐμοῦ γὰρ ὄντος παιδὸς ἐν μυχοῖς χϑονὸς

καινὸς οὗτος τῆσδε γῆς ἄρχων “ύκχος

τοὺς Ἡραχλείους παῖδας ἐξελεῖν ϑέλει

χεανὼν δάμαρτά ϑ᾽, ὡς φόνῳ σβέσῃ φόνον, κἄμ᾽, εἴ τε δὴ χρὴ κἄμ᾽ ἐν ἀνδράσιν λέγειν

γέροντ᾽ ἀχρεῖον, μή ποϑ᾽ οἵδ᾽ ἠνδρωμένοι

μήτρωσιν ἐκπράξωσιν αἵματος δίκην.

ἐγὼ δέ (λείτεδε γάρ με τοῖσδ᾽ ἐν δώμασι

τροφὸν τέκνων οἰχουρόν, ἡνίκα χϑονὸς 1) μέλαιναν ὄρφνην εἰσέβαινε, παῖς ἐμός)

σὺν μητρὶ τέχνα, μὴ ϑάνωσ᾽, Ἡρακλέους

βωμὸν καϑίζω τόνδε Σωτῆρος Διός,

ὃν χαλλινέχκου δορὸς ἄγαλμ᾽ ἱδρύσατο

Μινύας κρατήσας οὑμὸς εὐγενὴς τόχος. 50 πάντων δὲ χρεῖοι τάσδ᾽ ἕδρας φυλάσσομεν,

σίτων ποτῶν ἐσθῆτος, ἀσερώτῳ πέδῳ

πλευρὰς τιϑέντες" Ex γὰρ ἐσφραγισμένοι

δόμων καϑήμεϑ᾽ ἀπορίᾳ σωτηρίας.

φίλων δὲ τοὺς μὲν οὐ σαφεῖς öpu φέλους, 55 ol δ᾽ ὄντες ὀρϑῶς ἀδύνατοι προσωφελεῖν.

τοιοῦτον ἀνθρώποισιν δυσπραξία"

ἧς μήποϑ᾽ ὅστις καὶ μέσως εὔνους ἐμοὶ

τύχοι, φίλων ἔλεγχον ἀψευδέστατον.

METAPA.

πρέσβυ, Ταφίων ὅς ποτ᾽ ἐξεῖλες πόλεν 60 στρατηλατήσας κλεινὰ Καδμείων δορός" 35 ἀνηγμένον: em Musgravii amicus, Dobree 38 χλεινός: em Elimsley Dobree 40 δάμαρτα ὡς C! δάμαρτ᾽ ὡς C*P: em Barnes

ΒΡΑΚΛΗΣ. 7

ὡς οὐδὲν ἀνθρώποισι τῶν ϑείων σαφές. ἐγὼ γὰρ οὔτ᾽ ἐς πατέρ᾽ ἀπηλάϑην τύχης, ὃς εἵνεκ᾽ ὄλβου μέγας ἐκομπάσϑη ποτέ, ἔχων τυραννέδ᾽ ἧς μαχραὶ λόγχαι πέρι 65 ὑπηδῶσ᾽ ἔρωτι σώματ᾽ εἰς εὐδαίμονα, ἔχων δὲ τέχνα" κἄμ᾽ ἔδωχε παιδὶ σῷ, ἐπίσημον εὐνήν, Ἡρακλεῖ συνοικίσας. καὶ νῦν ἐχεῖνα μὲν ϑανόντ᾽ ἀνέπτατο, ἐγὼ δὲ καὶ σὺ μέλλομεν ϑνήσκειν, γέρον, τὸ οἵ ϑ᾽ Ἡράκλειοι παῖδες, οὗς ὑπὸ πτεροῖς σῴξω νεοσσοὺς ὄρνις ὡς ὑφειμένους. οἱ δ᾽ εἰς ἔλεγχον ἄλλος ἄλλοϑεν πέτνων »ὦ μῆτερ“ αὐδᾷ „od πατὴρ ἄπεστι γῆς; τί δρᾷ, πόϑ᾽ ἥξει;" τῷ νέῳ δ᾽ ἐσφαλμένοι 75 ζητοῦσε τὸν τοχόνε᾽ " ἐγὼ δὲ διαφέρω λόγοισι, μυϑεύουσα. ϑαυμάζων δ᾽, ὅταν πύλαι ψοφῶσε, πᾶς ἀνίστησιν πόδα, ὡς πρὸς πατρῷον προσπεσούμενοι γόνυ. γῦν οὖν τίν᾽ nid’ πόρον σωτηρίας 80 ἐξευμαρέξζῃ, πρέσβυ; πρὸς σὲ γὰρ βλέπω. ὡς οὔτε γαίας ὄρι᾽ ἂν ἐκβαῖμεν λάϑρᾳ" φυλακαὶ γὰρ ἡμῶν κρείσσονες κατ᾽ ἐξόδους" οὔτ᾽ ἐν φίλοισιν ἐλπίδες σωτηρίας

ἔτ᾽ εἰσὶν ἡμῖν. ἥντιν᾽ οὖν γνώμην ἔχεις 85 λέγ᾽ ἐς τὸ κοινόν, un ϑανεῖν ἕτοιμον ῃ. AMD. ϑύγατερ, οὔτοι ῥάδιον τὰ τοιάδε 88 φαύλως παραινεῖν σπουδάσαντ᾽ ἄνευ πόνου" χρόνον δὲ μηκύνωμεν ὄντες ἀσϑενεῖς. 87 λύπης τι προσδεῖς φιλεῖς οὕτω φάος; 9

καὶ τῷδε χαίρω καὶ φιλῶ τὰς ἐλπέδας.

xayw' δοκεῖν δὲ τἀδόκητ᾽ οὐ χρή, γέρον.

ἐν ταῖς ἀναβολαῖς τῶν κακῶν ἔνεστ᾽ ἄχη.

δ᾽ ἐν μέσῳ μὲ λυπρὸς wv δάκνει χρόνος.

γένοιτ᾽ ἂν οὕτω, ϑύγατερ, οὔριος δρόμος 95 ἐκ τῶν παρόντων τῶνδ᾽ ἐμοὶ καὶ σοὶ χαχῶν,

62 ϑείων Ps. lustin expos. fid. 8: ϑεῶν 64 ὃς C!: ὡς ΟἽΡ οὕνεχ᾽ ὄλβου Canter: οὐχ ἐν ὄδλδβω TI ὑποπτέρους: em Pierson 72 ὑφειμένη: em Kirch- hoff 74 ποῖ: em Eimsley 17 ϑαυμάζω: em Kirchhoff 80 πόρον Musgrave: πέδον 88 χρέσσονες 8Ttraiec. Wil 95 γένοιτ᾽ ἂν αἱ 9.:em Wil

8 ΕΥ̓ΡΙΠΙΔΟΥ

ἔλθοι 7’ ἔτ᾽ ἄν παῖς οὑμὸς εὐνήτωρ δὲ σός.

ἀλλ᾽ ἡσύχαζε καὶ δακρυρρόους τέχνων

πηγὰς ἀφαίρει καὶ παρευχήλεε λόγοις,

κλέπτουσα μύϑοις ἀϑλίους κλοπὰς ὅμως. 100 κάμνουσι γαρ τοι καὶ βροτοῖς αἷ συμφοραί,

καὶ πνεύματ᾽ ἀνέμων οὐχ ἀδὶ δώμην ἔχει,

οἵ τ᾿ εὐτυχοῦντες διὰ τέλους οὐκ εὐτυχεῖς"

ἐξίσταται γὰρ πάντ᾽ ἀπ᾽ ἀλλήλων δίχα.

οὗτος δ᾽ ἀνὴρ ἄριστος, ὃς ταῖς ἐλπίσι 103 πόέποιϑεν αἰεί" τὸ δ᾽ ἀπορεῖν ἀνδρὸς xaxoü.

ΧΟΡΟΣ.

ὑψόροφα μέλαϑρα καὶ γεραιὰ δέμνι᾽ ἀμφὶ βάκτροις ἔρεισμα ϑέμενος ἐστάλην ἰηλέμων

γέρων ἀοιδὸς ὥστε πτολεὸς ὄρνις, 110 ἔπεα μόνον καὶ δόχημα νυκτερω-

πὸν ἐἔννύχων ὀνείρων, τρομερὰ μέν, ἀλλ᾽ ὅμως πρόϑυμ᾽,

τέκεα τέκεα πατρὸς ἀπάτορ᾽,

γεραιὲ σύ τὸ τάλαινα μᾶ- 115

τερ, τὸν Aida δόμοις

πόσιν ἀναστενάζεις.

μὴ πόδα κάμητε βαρύ τε κῶλον, ὥστε πρὸς πετραῖον 10 λέπας ζυγοφόρος Exau’ ἄναντες ἅρματος

βάρος φέρων τροχηλάτοιο πῶλος. λαβοῦ χερὸς καὶ τέπλων, ὅτου λέλοι-

se ποδὸς ἀμαυρὸν ἔχνος"

γέρων γέροντα παρακόμιζ᾽, 125 ξύνοπλα δόρατα νέα νέῳ 17] τὸ πάρος ἐν ἡλίκων πόνοις 126

ξυνὴν τιοτ᾽, εὐχλεεστάτας πατρίδος οὐκ ὀνείδη. ΞΕ

97 ἔλϑοι τέ av 101 βροτοῖς αἱ schol. Pind. Pyth. 3,160: βροτῶν αἱ 106 ἀεὶ C* hoc non semper refertur. 107 ὑπώροφα: em Musgrave 110 γέρων Nauck: γύόων [13 μὲν Tyrwhitt: μόνον 114 20: em Hermann 119 un προχάμητε πόδα: em Wil 121. 2 λέπας ζυγηφόρον χῶλ᾽ aver- τας ὡς βάρος φέρον τροχηλάτοιο πώλου: ζυγοφόρος ἅρματος πῶλος Nauck, em Wil 123 χερῶν: em Wil 126 traiec. Eimsley πόνοισι: corr. 6

ΒΡΑΚΛΗΣ. 9

ἔδετε, srar&pog ὡς γοργῶπες αἵδε προσφερεῖς ὀμμάτων 180 αὐγαέ, τὸ δὲ κακοτυχὲς οὐ λέλοιπεν ἐκ τέκνων,

οὐδ᾽ ἀποίχεται χάρις.

Ἑλλὰς ὦ, ξυμμάχους 185 οἵους οἵους ὀλέσασα τούσδ᾽ ἀποστερήσῃ. >

ἀλλ᾽ εἰσορῶ γὰρ τῆσδε xolpavov χϑονὸς Avxoy περῶντα τῶνδε δωμάτων πέλας.

ΛΥΚΟΣ.

τὸν Ἡράχλειον πατέρα χαὶ ξυνάορον, 140 δἷ χρή μ᾽, ἐρωτῶ, χρὴ δ᾽, ἐπεί γε δεσπότης ὑμῶν καϑέστηχ᾽, ἱστορεῖν βούλομαι" τέν᾽ ἐς χρόνον ζητεῖτε μηκῦναι βίον; τίν᾽ ἐλπίδ᾽ ἀλκήν τ᾽ εἰσορᾶτε μὴ ϑανεῖν; n τὸν παρ᾽ Auön πατέρα τῶνδε κείμενον 145 πιστεύεϑ᾽ ἥξειν; ὡς ὑπὲρ τὴν ἀξίαν τὸ πένϑος αἴρεσϑ᾽, εἰ ϑανεῖν ὑμᾶς χρεών, σὺ μὲν καϑ' Ἑλλαδ᾽ ἐκβαλὼν κόμπους κενούς, ὡς σύγγαμός σοι Ζεὺς ἐκοινώνει τέχνου, σὺ δ᾽ ὡς ἀρίστου φωτὸς ἐκλήϑης δάμαρ. 150 τί δὴ τὸ σεμνὸν σῷ κατείργασται πόσδε, ὕδραν ἕλειον ei διώλεσε κτανὼν τὸν Νέμειον ϑῆρ᾽; ὃν ἐν βρόχοις ὁλὼν βραχίονός pro’ ᾿ ἀγχόναισιν ἐξελεῖν. τοῖσδ᾽ ἐξαγωνέζεσϑε; τῶνδ᾽ ἄρ᾽ εἵνεκα 155 τοὺς Ἡρακλείους παῖδας οὐ ϑνήσκειν χρεών; δ᾽ ἔσχε δόξαν οὐδὲν ὧν εὐψυχίας, ϑηρῶν ἐν αἰχμῇ τἄλλα δ᾽ οὐδὲν ἄλκιμος, ὃς οὔποτ᾽ ἀσπίδ᾽ ἔσχε πρὸς λαιᾷ χερὶ οὐδ᾽ ἡλϑε λόγχης ἐγγύς, ἀλλὰ τόξ᾽ ἔχων, 100 κάκιστον ὅπλον, τῇ φυγῇ πρόχειρος ἦν. ἀνδρὸς δ᾽ ἔλεγχος οὐχὶ τόξ᾽ εὐψυχίας, ἀλλ᾽ ὃς μένων βλέπει TE χἀντιδέρχεται τραχεῖαν ἄλοχα, ταξιν ἐμβεβὼς δορός.

180 πατρὸς CP: yo. πατέρος C 146 ὥσϑ᾽: em Matthiaee 149 ἐχοινώνει Pflugk: τέχοε νέον τέχνου add Wil: om C, γόνον P 155 οὕνεχα P οὔ- verev C 157 ὃς ἔ.: em Wil 164 δορὸς ταχεῖαν d. τ. &: em Wecklein Wil

BEE PM

10 ΕΥ̓ΡΙΠΙΔΟΥ

Eyeı δὲ τοὐμὸν οὐκ ἀναίδειαν, γέρον, 165 ἀλλ᾽ εὐλάβειαν" olda γὰρ καταχτανὼν Κρέοντα πατέρα τῆσδε καὶ ϑρόνους ἔχων. οὐκ οὖν τραφέντων τῶνδε τιμωροὺς ἐμοὶ χρήζω λιπέσϑαι, τῶν δεδραμένων δίκην. AM. τῷ τοῦ Διὸς μὲν Ζεὺς ἀμυνέτω μέρει 1% παιδός" τὸ δ᾽ εἰς ἔμ᾽, Ἡράκλεις, ἐμοὶ ueilsı λόγοισι τὴν τοῦδ᾽ ἀμαϑίαν ὑπὲρ σέϑεν δεῖξαι" κακῶς γάρ σ᾽ οὐχ ἐατέον κλύειν. πρῶτον μὲν οὖν τἄρρητ᾽ (ἐν ἀρρήτοισε γὰρ τὴν σὴν νομίζω δειλίαν, Ἡράκλεες) 11 σὺν μάρτυσιν ϑεοῖς δεῖ μ᾽ ἀπαλλάξαι σέϑεν. Διὸς κεραυνὸν ἠρόμην τέϑριππά Te, ἐν οἷς βεβηκὼς τοῖσι γῆς βλαστήμασι Γίγασι τιλευροῖς πτήν᾽ ἐναρμόσας βέλη τὸν καλλίνιχον μετὰ ϑεῶν ἐχώμασε" 180 τετρασχελές ϑ᾽ ὕβρισμα, Κενταύρων γένος, Φολόην ἐπελϑών, κάκιστε βασιλέων, ἐροῦ τίν᾽ ἄνδρ᾽ ἄριστον ἐγχρίνειαν ἄν, οὐ παῖδα τὸν ἐμόν ὃν σὺ φὴς εἶναι καχόν, Δίρφυν τ᾽ ἐρωτῶν σ᾽ ἔϑρεψ᾽ ᾿Αβαντίδα --- 185 οὐκ ἄν σέ γ᾽ αἰνέσειεν" οὐ γὰρ ἔσϑ᾽ ὅπου ἐσθλόν τι δράσας μάρτυρ᾽ ἂν λάβοις πάτραν. τὸ πάνσοφον δ᾽ εὕρημα, τοξήρη σάγην, μέμφῃ" κλύων νῦν van’ ἐμοῦ σοφὸς γενοῦ.

ἀνὴρ ὁτειλίτης δοῦλός ἔστι τῶν ὅτελων 190 ϑραύσας Te λόγχην οὐκ ἔχει τῷ σώματι 198 ϑάνατον ἀμῦναι, μίαν ἔχων ἀλκὴν μόνον" 1% καὶ τοῖσι συνεαχϑεῖσιν οὖσι un ἀγαϑοὶς 191 αὐτὸς τέϑνηκε, δειλίᾳ τῇ τῶν πέλας. 192 ὅσοι δὲ τόξοις χεῖρ᾽ ἔχουσιν εὔστοχον, 105

ἕν μὲν τὸ λῷστον, μυρίους οἱστοὺς ἀφείς, ἄλλοις τὸ σῶμα ῥύεται μὴ κατϑανεῖν, ἑκὰς δ᾽ ἀφεστὼς πολεμίους ἀμύνεται τυφλοῖς ὁρῶντας οὐτάσας τοξεύμασι,

168 ἐμοὺς: em Camper 177 χεραυνὸν Wil: χεραυνόν τ᾽ C! χεραυνόν δ᾽ C?P 184 χαχὸν Nauck: δοχεῖν 185 δίρφην: eın Musgrave 186 σέ γ᾽ αἶνέ- σαιε Wil: ἐπαινέσειε Ο, γ᾽ ἐπ- ΟἽΡ, σ᾽ en- Reiske 189 γίνου: em Barnes 191. 2 traiec. Wil 194 μέαν Tyrwhitt: γ᾽ ἂν

HPAKAHZ. 11

τὸ σῶμά τ᾽ οὐ δίδωσι τοῖς ἐναντίοις, 200 ἐν εὐφυλάκτῳ δ᾽ ἐστέ" τοῦτο δ᾽ ἐν μάχῃ σοφὸν μάλιστα, δρῶντα πολεμέους κακῶς σῴζειν τὸ σῶμα, μὴ ᾽κ τύχης ὡρμισμένον. λόγοι μὲν οἵδε τοῖσι σοῖς ἐναντίαν γνώμην ἔχοντες τῶν καϑεστωτων πέρι. 205 παῖδας δὲ δὴ τί τοὐσδ᾽ ἀπεοχτεῖναι ϑέλεις; τί σ᾽ οἵδ᾽ ἔδρασαν; ἕν τί σ᾽ ἡγοῦμαι σοφόν, εἰ τῶν ἀρίστων τἄχγον᾽ αὐτὸς ὧν χαχὸς δέδοικας. ἀλλὰ τοῦϑ᾽ ὅμως ἡμῖν βαρύ, εἰ δειλίας σῇῆς καετϑανούμεϑ᾽ εἵνεκα, 210 χρὴν σ᾽ ὕφ᾽ ἡμῶν τῶν ἀμεινόνων παϑεῖν, εἰ Ζεὺς δικαίας εἶχεν εἰς ἡμᾶς φρένας. εἰ δ᾽ οὖν ἔχειν γῆς σκῆπτρα τῆσδ᾽ αὐτὸς ϑέλεις, ἔασον ἡμᾶς φυγάδας ἐξελθεῖν χϑονός" βίᾳ δὲ δράσῃς μηδέν, πείσῃ βίαν, 215 ὅταν ϑεοῦ 001 πνεῦμα μεταβαλὸν τύχῃ. φεῦ" γαῖα Κάδμου" καὶ γὰρ ἐς σὲ ἀφίξομαι λόγους ὀνειδιστῆρας ἐνδατούμενος" τοιαῦτ᾽ ἀμύνεϑ᾽ Ἡραχλεῖ τέχνοισί τε; ὃς εἷς Πινύαισι πᾶσι διὰ μάχης μολὼν 220 Θήβαις ἔϑηκεν ὄμμ᾽ ἐλεύϑερον βλέτεειν. οὐδ᾽ Ἑλλάδ᾽ ἤνεσ᾽, οὐδ᾽ ἀνέξομαί ποτε σιγῶν, κακίστην λαμβάνων ἐς παῖδ᾽ ἐμόν, ἣν χρὴν νεοσσοῖς τοῖσδε πῦρ λόγχας ὅπλα φέρουσαν ἐλθεῖν, ποντίων καϑαρμάτων 2% χέρσου τ᾽ ἀμοιβάς, ὧν ἐμόχϑησεν πατήρ. τὰ δ᾽, τέκν᾽, ὑμῖν οὔτε Θηβαίων πόλις οὔϑ᾽ Ἑλλὰς ᾿ρκεῖ" τιρὸς δ᾽ ἔμ᾽, ἀσϑενῇ φίλον, δεδόρκατ᾽, οὐδὲν ὄντα πλὴν γλώσσης ψόφον" δώμη γὰρ ἐκλέλοιπεν ἣν πρὶν εἴχομεν, 280 γήρᾳ δὲ τρομερὰ γυῖα κἀμαυρὸν σϑένος. εἰ δ᾽ νέος τε κἄτι σώματος κρατῶν, λαβὼν ἂν ἔγχος τοῦδε τοὺς ξανϑοὺς πλόκχους

203 ὡρμισμένους: em Reiske Musgrave 4104 τοῖσι τοῖς CI 215 βίαν Alav: em Reiske Tyrwhitt 226 ἐμόχϑησας: em 5 πατήρ Beiske: χάριν 224 χρην 227 rad’ οὐ: em Elimsiey 228 φίλου: emc 229 ψόφων: eme

232 ἣν uti semper; non notatur

12

ΧΟ.

“«Υ̓͂Κ.

ΧΟ

234 πέρᾳ 2236 chorinota deest 241 ἐλϑόντας: em Dobree 245 οὐχ apogr.: οὐ 248 στενάζετε: em Heath

em Brodaeus em Kaibel τους: em Pierson πείρεις C! 254 ὁρίσματα: em Stephanus marg., αἱρεῖτε in textu 257 ἐμῶν Dobree Wil: νέων 259 ἂν πόνησα C*

ΕΥ̓ΡΙΠΙΔΟΥ

καϑηματωσ᾽ ἄν, ὥστ᾽ ᾿Ατλαντιχῶν πέραν φεύγειν ὅρων ἄν δειλίᾳ τοὐμὸν δόρυ.

ἄρ᾽ οὐκ ἀφορμὰς τοῖς λόγοισιν ἀγαϑοὶ ϑνητῶν ἔχουσι, κἂν βραδύς τις λέγειν;

σὺ μὲν λέγ᾽ ἡμᾶς οἷς πε:τύργωσαι λόγοις,

ἐγὼ δὲ δράσω σ᾽ ἀντὶ τῶν λόγων χακῶς.

ἄγ᾽, οἱ μὲν Elınwv’, οἱ δὲ Παρνασοῦ πτυχς MO

τέμνειν ἄνωχϑ᾽ ἐλθόντες ὑλουργοὺς δρυὸς

κορμούς" ἐπειδὰν δ᾽ ἐσχομισϑῶσιν πόλει,

βωμὸν πέριξ νήσαντες ἀμφήρη ξύλα ἐμπίέμπρατ᾽ αὐτῶν καὶ πυροῦτε σώματα

πάντων, ἵν᾽ εἰδῶσ᾽ οὕνεχ᾽ οὐχ κατϑανὼν κρατεῖ χϑονὸς τῆσδ᾽ ἀλλ᾽ ἐγὼ τὰ νῦν τάδε.

ὑμεῖς δέ, πρέσβεις ταῖς ἐμαῖς ἐναντίοι γνώμαισιν ὄντες, οὐ μόνον στενάξετε τοὺς Ἡρακλείους παῖδας, ἀλλὰ καὶ δόμων τύχας, ὅταν χάσκητε, μεμνήσεσϑε δὲ δοῦλοι γεγῶτες τῆς ἐμῆς τυραννίδος.

γῆς λοχεύμαϑ᾽, οὗς Aons σπείρει ποτὲ

λάβρον δράκοντος ἐξερημώσας γένυν,

οὐ σκῆπτρα, χειρὸς δεξιᾶς ἐρείσματα, ἀρεῖτε καὶ τοῦδ᾽ ἀνδρὸς ἀνόσιον κάρα χαϑαιματωσεϑ᾽, ὅστις οὐ Καδμεῖος ὧν ἄρχει, κάκιστος, τῶν ἐμῶν, ἔπηλυς ὦν; ἀλλ᾽ οὐκ ἐμοῦ γε δεσπόσεις χαίρων ποτέ, οὐδ᾽ ἁπόνησα πόλλ᾽ ἐγὼ καμὼν χερὶ ἕξεις" ἀπέρρων δ᾽ ἔνϑεν ἦλθες ἐνθάδε ὑβριζ᾽" ἐμοῦ γὰρ ζῶντος οὐ κτενεῖς ποτε τοὺς Ἡρακλείους παῖδας" οὐ τοσόνδε γῆς ἔνερϑ᾽ ἐκεῖνος χρύπεεται λιπὼν τέχνα. ἐπεὶ σὺ μὲν γῆν τήνδε διολέσας ἔχεις,

δ᾽ ὠφελήσας ἀξίων οὐ τυγχάνϑδι"

κἄπειτα πράσσω πόλλ᾽ ἐγώ, φίλους ἐμοὺς ϑανόντας εὖ δρῶν, οὗ φίλων μάλιστα δεῖ.

248 βωμῶν: 249 δόμου:

250 χάσχητε Wil: πάσχῃτε 252 Χο Stephanus: Aug. λόχευμα

255 ἀρεῖτε C

HPAKABHZ. 18

δεξιὰ χείρ, ὡς ποϑεῖς λαβεῖν δόρυ, ἐν δ᾽ ἀσϑενείᾳ τὸν πόϑον διώλεσας. ἐπεί σ᾽ ἔπαυσ᾽ ἄν δοῦλον ἐννέποντα με “0 καὶ τάσδε Θήβας εὐκλεῶς φκήσαμεν, ἐν αἷς σὺ χαίρεις. οὐ γὰρ εὖ φρονεῖ πόλεις στάσει νοσοῦσα καὶ καχοῖς βουλεύμασιν" οὐ γάρ. nos’ ἄν σὲ δεσπότην ἐκτήσατο. γέροντες, αἰνῶ" τῶν φίλων γὰρ εἵνεκα 216 ὀργὰς δικαίας τοὺς φίλους ἔχειν χρεών" ἡμῶν δ᾽ ἕκατι δεσπόταις ϑυμούμενοι πάϑητε μηδέν. τῆς δ᾽ ἐμῆς, ᾿Αμφιτρύων, γγώμης ἄκουσον, ἣν τί σοι δοκῶ λέγειν. ἐγὼ φιλῶ μὲν τέκνα" πῶς γὰρ οὐ φιλῶ 250 ἅτικτον, ἁἀμόχϑησα" καὶ τὸ κατϑανεῖν δεινὸν voullw' τῷ δ᾽ ἀναγκαίῳ βροτῶν ὃς ἀντιτείνει, σκαιὸν ἡγοῦμαι τρόπτον. ἡμᾶς δ᾽, ἐπειδὴ δεῖ ϑανεῖν, ϑνήσκδιν χρεὼν μὴ πυρὶ καταξανϑέντας, ἐχϑροῖσιν γέλον 285 διδόντας, ovuol τοῦ ϑανεῖν μεῖζον κακόν. ὀφείλομεν γὰρ πολλὰ δώμασιν καλά" σὲ μὲν δόκησις ἔλαβεν εὐκλεὴς δορός, ὥστ᾽ οὐχ ἀνεκτὸν δειλίας ϑανεῖν σ᾽ ὕπο" οὑμὸς δ᾽ ἀμαρτύρητος -εὐκλεὴς πόσις, 400 ὡς τούσδε παῖδας οὐκ ἂν ἐχσῶσαι ϑέλοι δόξαν κακὴν λαβόντας" οἱ γὰρ εὐγενεῖς κάμνουσι τοῖς αἰσχροῖσι τῶν τέκνων ὕπερ" ἐμοί τὸ μίμημ᾽ ἀνδρὸς οὐκ ἀπωστέον. σκέψαι δὲ τὴν σὴν ἐλπέδ᾽ 7, λογίζομαι. 295 ἥξειν νομίζεις παῖδα σὸν γαίας ὕπο; καὶ τίς ϑανόντων ἠλϑεν ἐξ “4ιδου πάλιν; ἀλλ᾽ ὡς λόγοισι τόνδε μαλϑάξαιμεν ἄν; ἥκιστα" φεύγειν σκαιὸν ἄνδρ᾽ ἐχϑρὸν χρεών, σοφοῖσι δ᾽ εἴκειν καὶ τεϑραμμένοις καλῶς" 500 ὅᾷον γὰρ αἰδοῦς ὑποβαλὼν φέλ᾽ av τέμοις. ἤδη δ᾽ ἐσῆλϑέ u’ εἰ παραιτησαίμεϑα

ME

269 πόϑον Plutarch. an seni sit. g. r. p. 18: πότμον 282 βροτῶν Nauck: τρόπῳ 282 τρόπον Nauck: βροτόν, βροτῶν Porson 285 αἰσχροῖσι Stephanus: ἐχϑροῖσι γέλων 301 ὑπολαβών : em Brunck γράφεται φίλ᾽ ἂν τελοῖς C marg.

14 | ΕΥ̓ΡΙΠΙΔΟΥ

φυγὰς τέκνων τῶνδ᾽ ἀλλὰ καὶ τόδ᾽ ἄϑλιον, πενίᾳ σὺν oixsog περιβαλεῖν σωτηρίαν" ὡς τὰ ξένων πρόσωπα φεύγουσιν φίλοις 805 ἕν ἦμαρ ἡδὺ βλέμμ᾽ ἔχειν φασὶν μόνον. τόλμα μεϑ᾽ ἡμῶν ϑάνατον, ὃς μένει σ᾽ ὅμως" προκαλούμεϑ᾽ εὐγένειαν, γέρον, σέϑεν. τὰς τῶν ϑεῶν γὰρ ὅστις ἐχμοχϑεῖ τύχας, πρόϑυμός ἐστιν, προϑυμία δ᾽ ἄφρων. 810 χρὴ γὰρ οὐδεὶς μὴ χρεὼν ϑήσει ποτέ. ΧΟ. εἰ μὲν σϑενόντων τῶν ἐμῶν βραχιόνων ἦν τίς σ᾽ ὑβρίζων, ῥᾳδίως ἔπαυσά τἄν᾽ γῦν δ᾽ οὐδέν ἐσμεν. σὸν δὲ τοὐντεῦϑεν σκοπεῖν ὅπως διώσῃ τὰς τύχας, ᾿Αμφιτρύων. 815 AM. οὔτοι τὸ δειλὸν οὐδὲ τοῦ βίου πόϑος ϑανεῖν ἐρύχει μ᾽, ἀλλὰ παιδὶ βούλομαι σῶσαι τέκν᾽" ἄλλως δ᾽ ἀδυνάτων ἔοικ᾽ ἐρᾶν. ἰδού, πάρεστιν ἴδε φασγάνῳ δέρη κεντεῖν φονεύειν ἱέναι πέερας ἄπο. 32 ulay δὲ νῷν δὸς χάριν, ἄναξ, ἱκνούμεϑα" κεεῖνόν us καὶ τὴηνδ᾽ ἀϑλίέαν παέδων πάρος, ὡς μὴ τέκν᾽ εἰσίδωμεν, ἀνόσιον ϑέαν, ψυχορραγοῦντα καὶ καλοῦντα μητέρα πατρός τε πατέρα. τἄλλα δ᾽ 7 πρόϑυμος el 825 πρᾶσσ᾽" οὐ γὰρ ἀλκὴν ἔχομεν ὥστε μὴ ϑανεῖν. ME. xayw σ᾽ ἱκνοῦμαι χάριτε προσϑεῖναι χάριν, ἡμῖν iv’ ἀμφοῖν εἷς ὑπουργήσῃς διπλᾶ" κόσμον πάρες μοι παισὶ προσϑεῖναι νεκρῶν, δόμους ἀνοίξας (νῦν γὰρ ἐκκεκλήμεϑα), 330 ὡς ἀλλ᾽ ταῦτα γ᾽ ἀπολάχωσ᾽ οἴκων πατρός. AYK. ἔσται τάδ᾽" οἴγειν κλῆϑρα προσπόλοις λέγω. κοσμεῖσϑ᾽ ἔσω μολόντες" οὐ φϑονῶ πέπλων. ὅταν δὲ κόσμον περιβάλησϑε σώμασιν, ἥξω τερὸς ὑμᾶς νερτέρᾳ δώσων χϑονί. 8385 ΜΕ. τέκν᾽, ὅμαρτεῖτ᾽ ἀϑλίῳ μητρὸς ποδὲ

305 φίλοι: em Matihiae 3808 προσχαλούμεϑ᾽ C! 311 χρεὼν Porson: ϑεῶν 313 ἐπαύσατ᾽ av: distinxit Hartung 319 hiatum sign. Wil 320 πάτρας: em Brodaeus 325 Matthise: εἰ 328 ἡμῖν om (0? λείπει τμημίον vor στίχου): suppl. c 330 ἐχχεχλείσμεϑα

HPAKAHEZ.

πατρῷον ἐς μέλαϑρον, οὗ τῆς οὐσίας ἄλλοι κρατοῦσι, τὸ δ᾽ ὄνομ᾽ ἔσϑ᾽ ἡμῶν ἔτι. AM. Ζεῦ, μάτην ἄρ᾽ ὁμόγαμόν σ᾽ ἐκτησάμην, ἱμάτην δὲ παιδὸς τὸν νεὼν ἐκλήζομεν" σὺ δ᾽ ἦσϑ᾽ ἄρ᾽ ἥσσων ᾿δόκεις εἶναι φίλος. ἀρετῇ σε νικῶ ϑνητὸς ὧν ϑεὸν μέγαν" παῖδας γὰρ οὐ προὔδωκα τοὺς Ἡρακλέους. σὺ δ᾽ ἐς μὲν εὐνὰς κρύφιος ἠπίστω μολεῖν, κταλλότρια λέκτρα δόντος οὐδενὸς λαβών" σῴζειν δὲ τοὺς σοὺς οὐκ ἐπίστασαι φίλους. ἀμαϑής τις εἶ ϑεός, δίκαιος οὐκ ἔφυς. >

ΧΟΡΟΣ.

αἴλινον μὲν ἐπ᾽ εὐτυχεῖ μολπᾷ Φοῖβος ἱἰαχεῖ,

τὰν καλλίφϑογγον κειϑάραν ἐλαύνων ττλήχτρῳ χρυσέφ᾽" ἐγὼ δὲ τὸν γᾶς ἐνέρων τ᾽ ἐς ὄρφναν

μολόντα παῖδ᾽, εἴτε Ζιός νιν εἴπω

εἴτ᾽ ᾿Αμφιτρύωνος ἷνιν,

ὑμνῆσαι στεφάνωμα μόχϑων δι᾽ εὐλογίας ϑέλω. γενναίων δ᾽ ἀρεταὶ πόνων τοῖς ϑανοῦσιν ἄγαλμα.

πρῶτον μὲν Διὸς ἄλσος ἠρήμωσε λέοντος, βύρσᾳ δ᾽ ἀμφεκαλύφϑη,

15

805

360

ξανϑὸν χρᾶτ᾽ ἐπινωτίσας δεινῷ χάσματι ϑηρός.

τὰν τ᾽ ὀρεινόμον ἀγρίων Κενταύρων ποτὲ γένναν ἔτρωσεν τόξοις φονίοις, ἐναίρων πτανοῖς βέλεσιν. ξύνοιδε Πηνειὸς καλλιδίνας

μακραί τ᾽ ἄρουραι τιεδίων ἄχαρποι

xal Πηλιάδες ϑεράπεναι

%5

810

σύγχορτοίέ ϑ᾽ Ὁμόλας ἔναυλοι, πεύκαισιν ὅϑεν χέρας

πληροῦντες χϑόνα Θεσσαλῶν ἱππείαις ἐδάμαζον.

τάν TE χρυσοκάρανον δόρχα ποικιλόνωτον

816

350 χαλλίφϑιτον: em Stephanus 352 ὄρφνην 361 βύρσα Wil: πυρσῷ 364 ὀρεινόμων: em Canter 371 τ᾿ ὁμόλις 3713 πληροῦντες P: πλη-

ροῦντας Ü 376 δόρχαν

16 ΕΥ̓ΡΙΠΙΔΟΥ͂

συλήτειραν ἀγρωστᾶν xselvas ϑηροφόνον ϑεὰν Οἰνωᾶτιν ἀγάλλει. ξΞΞΞ

τεϑρίππων τ᾽ ἐπέβα 880 καὶ ψαλίοις ἐδάμασε παλους Διομήδεος,

αἵ φονίαισι φάτναις ἀχάλιν᾽ ἐϑόαζον κάϑαιμα σῖτα γένυσι, χαρμοναῖσιν ἀν-

δροβρῶσι δυστράπεζοι" 885 πέραν δ᾽ ἀργυρορρύτων Ἕβρου διε-

πέρασεν ὄχϑων Ἰυκηναίῳ πονῶν τυράννῳ.

ἀνὰ τὸ Πηλιάδ᾽ ἀχτὰν

“Ἵγαύρου παρὰ πηγὰς 800 Κύχνον ξεινοδαΐχταν

τόξοις ὥλεσεν, Aupavalas οἷκήτορ᾽ ἄμεικτον.

ὑμνῳδούς τε κόρας

ἤλυϑεν ἑσπέριον ἐς αὐλάν, χρύσεον πδεάλων 805 ἀπὸ μηλοφόρων χερὶ καρπὸν ἀμέρξων,

δράκοντα πυρσόνωτον, ὅς σφ᾽ ἄπλατον ἀμ- φελικτὸς ἕλικ᾽ ἐφρούρει,

χτανών᾽ ποντίας 9 ἁλὸς μύχους εἰσ- 400 έβαινε, ϑνατοῖς γαλανείαν τιϑεὶς ἐρετμοῖς"

οὐρανοῦ ϑ᾽ ὑπὸ μέσσαν

ἐλαύνει χέρας ἕδραν,

"Arlavros δόμον ἐλϑων, 405 ἀστρωπούς τε κατέσχεν οἴκους εὐανορίᾳ ϑεῶν. zum

τὸν ἱππευτάν τ᾿ ᾿Αμαζόνων στρατὸν

Μαιῶτιν ἀμφὶ πολυπόταμον

ἔβα δὶ Εὔξεινον oldua λίμνας, 410 tiv’ οὐκ ἀφ᾽ Ἑλλανίας ἄγορον ἁλίσας φέλων,

κόρας ᾿Τρείας φᾶρος χρυσεόστολον μέτα,

377 ἀγρώσταν 519 οἰνόα tiv’: yo. τὴν ἀγάλλει εἰ supra & (ζτ C marg. 384 χαϑ' αμα 385 ἀνδροβῶσι 386 ἀργυρορρύταν Ἕβρον διέπερασ᾽ ὄχϑον: em Wil 4388 ava Wil: τόν 391 K. δὲ ξενοδαίχταν: em Kirchhoff 396 χρυσέων: em Wakefield 4391 μηλοφόρων P: μηλοφόρον C 398 σφ᾽ add. Hermann 402 ταλανίας: γαλανείας Heath, em Wil 412 ἀγορῶν: em ec 413 Ἀρείας πέπλων χρ. φάρος: 'A. μετὰ χρ. φ. Nauck, em Wil

ΗΡΑΚΛΗΣ. 17

ζωστῆρος ὀλεϑρίους ἄγρας. 415 τὰ κλεινὰ δ᾽ Ἑλλὰς ἔλαβε βαρβέρου κόρας λάφυρα, καὶ σῴζεται Ἰυκήναις.

τάνζεε μυριόχρανον πολύφονον xuva “έρνας 40 ὕδραν ἐξετπεύρωσεν ' βέλεσί τ᾿ ἀμφέβαλ᾽ ἰόν, | τὸν τρισώματον οἷσιν ἔχτα βοτῆρ᾽ Ἐρυϑείας. --- δρόμων τ᾽ ἄλλων ἀγάλματ᾽ εὐτυχῦ (5 διῆλθε τόν ve πολυδάκρυον ἔπλεουσ᾽ ἐς "Aıdav, πόνων τελευτάν" ἕν᾽ ἐχπεραένει τάλας βίοτον οὐδ᾽ ἔβα πάλιν. στέγαι δ᾽ ἔρημοι φίλων, τὰν δ᾽ ἀνόστιμον τέκνων 430 Χάρωνος ἐπιμένει πλάτα βίου κέλευϑον ἄϑεον ἄδικον" ἐς δὲ σὰς χέρας βλέπει δώματ᾽, οὐ παρόντος. 485

ei δ᾽ ἐγὼ σϑένος ἥβων,

δόρυ τ᾽ ἔπαλλον ἐν αἰχμᾷ

Καδμείων τὸ σύνηβοι

τέκεσιν ἂν προταρέσταν

ἀλκᾷ᾽ νῦν δ᾽ ἀπολείπομαι τᾶς εὐδαίμονος ἥβας. ΞΞΞ > 440

AN ἐσορῶ γὰρ rovode φϑιμένων ἔνδυτ᾽ ἔχοντας, τοὺς τοῦ μεγάλου δή ποτε παῖδας τὸ πρὶν Ἡρακλέους, ἄλοχόν τε φίλην ὑπὸ σειραίοις 45 ποσὶν ἕλκουσαν τέχνα καὶ γεραιὸν πατέρ᾽ Ἡρακλέους. δύστηνος ἐγώ, δαχρύων ὡς οὐ δύναμαι κατέχειν γραίας ὄσσων ἔτι πηγᾶς. 450

MET'APA. Εἶεν" τίς ἱερεύς, τίς σφαγεὺς τῶν δυσπόετμων [7 τῆς ταλαίνης τῆς ἐμῆς ψυχῆς φονεύς]

418 σώζετ᾽ ἐν: em Pflugk 420 πολύφωνον: em Stephanus 422 ἰὸν add Wil. Wecklein 426 τὸν πολυδάχρυτον: em Wakefield 428 ἐχπεράνη. em Heath 435 δώματ᾽ οὐ Musgrave: σῶμα τοῦ 443 ἔνδυμ᾽: em Heath

452 del Paley

v. Wilamowlts II 2

18 ΕΥ̓́ΡΙΠΙΔΟΥ

ἕτοιμ᾽ ἄγειν τὰ ϑύματ᾽ εἰς "Aıdov τάδε.

τέκν᾽, ἀγόμεϑα ζεῦγος οὐ καλὸν νεκρῶν, ὁμοῦ γέροντες καὶ νέοι καὶ μητέρες. 455 μοῖρα δυστάλαιν᾽ ἐμή τὸ καὶ τέχνων, τούσδ᾽ οὗς πανύστατ᾽ ὄμμασιν προσδέρκομαι. ἐτέκομεν ὑμᾶς --- πολεμίοις δ᾽ ἐϑρεψάμην ὕβρισμα κἀπέχαρμα καὶ διαφϑοράν.

φεῦ" πολύ γε δόξης ἐξέπεσον εὐέλτειδος, 460 ἣν πατρὸς ὑμῶν ἐκ λόγων ποτ᾽ ἤλπισα. vol μὲν γὰρ Aoyos ἔνεμ᾽ κατϑανὼν πατήρ, Εὐρυσθέως δ᾽ ἔμελλες οἰκήσειν δόμους τῆς καλλικάρπου κράτος ἔχων Πελασγίας, στολήν τὸ ϑηρὸς ἀμφέβαλλε σῷ κάρᾳ 465 λέοντος ἧπερ αὐτὸς ἐξωπλίζετο" σὺ δ᾽ ἦσϑα Θηβῶν τῶν φιλαρμ΄των ἄναξ, ἔγκληρα πεδία τἀμὰ γῆς κεκτημένος, ὡς ἐξέπειϑες τὸν κατασττείρανεά σε, ἐς δεξιᾶν τὸ σὴν ἀλεξητήριον 410 ξύλον καϑίει δαίδαλον, ψευδῆ δόσιν. σοὶ δ᾽ ἣν ἔπερσε τοῖς ἑκηβόλοις ποτὲ τόξοισι δώσειν Οἰχαλίαν ὑπέσχετο. τρεῖς δ᾽ ὄντας ὑμᾶς τριπετύχοις τυραννίσι πατὴρ ἐπύργου, μέγα φρονῶν εὐανδρίᾳ. 415 ἐγὼ δὲ νύμφας ἠχροϑινιαζόμην κήδη συνάψουσ᾽ ἔκ τ᾽ ᾿ϑηναίων χϑονὸς Σπάρτης ve Θηβῶν ϑϑ᾽, ὡς ἀνημμένοι κάλῳς πρυμνησίοισι βίον ἔχοιτ᾽ εὐδαίμονα. καὶ ταῦτα φροῦδα" μεταβαλοῦσα δ᾽ τύχη 480 νύμφας μὲν ὑμῖν Κῆρας ἀντέδωκ᾽ ἔχειν, ἐμοὶ δὲ δάκρυα λουτρὰ δυστήνῳ φέρειν, πατὴρ δὲ πατρὸς ἑστιᾷ γάμους ὅδε, Aıönv νομίζων πενϑερόν, κῆδος πικρόν. ὦμοι, τίν᾽ ὑμῶν πρῶτον τίν᾽ ὕστατον 485

454 vexpöv: em apogr. 456 ἐμῶν: em Kirchhoff 458 ἔτεχον μέν: em Wil 460 γε ὅ. ἐξέπαισαν ἐλπίδες: em Η. Hirzel Kirchhoff 465 ἀμφέβαλες: em Canter 469 ἐξέπειϑε: em Hermann 470 re Musgrave: δὲέ 471 δαιδάλου: em Dobree Hermann 474 ὑμᾶς add Canter 475 ἐπ᾽ ἀνδρία: em Elmsley 482 δύστηνος : em Fix φέρειν Bothe: φρενῶν 484 πιχρόν Reiske: πατρὸς

ΒΡΑΚΔΗ͂Σ. 19

πρὸς στέρνα ϑῶμαι; τῷ προσαρμόσω στόμα;

τίνος λάβωμαι; πῶς ἂν ὡς ξουϑόπτερος

μέλεσσα συνενέγκαιμ᾽ ἄν ἐκ πάντων γάους,

ἐς ἕν δ᾽ ἐνεγκοῦσ᾽ ἀϑρόον ἀποδοίην δάχρυ;

φίλτατ᾽, εἴ τις φϑόγγος εἰσακούεται 490 ϑνητῶν παρ᾽ “Ἅιδῃ, σοὶ τάδ᾽, Ἡράκλεις, λέγω" ϑνήσκει πατὴρ σὸς καὶ τέκν᾽, ὄλλυμαι δ᾽ ἐγώ,

n πρὶν μακαρία διὰ σὲ ἐκλῃζόμην βροτοῖς.

ἄρηξον, ἐλϑέ, καὶ σκιὰ φανηϑίέ μοι"

ἅλις γὰρ ἐλθὼν κἄν ὄναρ γένοιο σύ. 405 [κακοὶ γὰρ εἰς σέ γ᾽ οἱ τέκνα κτείνουσι σά.

ΑἈΜΦΙΤΡΥΩΝ. σὺ μὲν τὰ νέρϑεν εὐτρεπῆ ποιοῦ, γύναι, 491 ϑανεῖν γάρ, ὡς ἔοικ᾽, ἀναγκαίως ἔχει" 502 ἐγὼ δὲ σέ, Ζεῦ, χεῖρ᾽ ἐς οὐρανὸν δικὼν 498 αὐδῶ" τέχκνοισιν εἴ τι τοισίδ᾽ ὠφελεῖν μέλλεις, ἀμύνειν, ὡς Tax οὐδὲν ἀρκχέσεις. δ00

καίτοι χέκλησαι πολλάκις" μάτην πονῶ.

ἀλλ᾽, γέροντες, μικρὰ μὲν τὰ τοῦ βίου,

τοῦτον δ᾽ ὅπως ἥδιστα διαπεράσετε

ἐξ ἡμέρας ἐς νύκτα μὴ λυπούμενοι. 505 ὡς ἐλπίδας μὲν χρόνος οὐχ ἐπίσταται

σῴζειν, τὸ δ᾽ αὑτοῦ σπουδάσας διέπτατο.

ὁρᾶτ᾽ ἔμ᾽, ὅσπερ περίβλεπτος βροτοῖς

ὀνομαστὰ πράσσων, καί μ᾽ ἀφεέλεϑ᾽ τύχη

ὥσπερ πτερὸν πρὸς αἰϑέρ᾽ ἡμέρᾳ μιᾷ. δ10 δ᾽ ὄλβος μέγας τε δόξ᾽ οὐκ old’ ὅτῳ

βέβαιός ἐστι. χαίρετ᾽ " ἄνδρα γὰρ φίλον

πανύστατον νῦν, ἥλικες, δεδόρκατε.

ME. ἔα, πρέσβυ, λεύσσω τἀμὰ φίλτατ᾽, τί φῶ; οὐκ᾽ οἶδα, ϑύγατερ᾽ ἀφασία δὲ κἄμ᾽ ἔχει. 515

ὅδ᾽ ἐστὶν ὃν γῆς νέρϑεν εἰσηκούομεν εἰ μή γ᾽ ὄνειρον ἐν φάει τι λεύσσομεν.

490 φϑόγγον εἰσαχούσεται: em Nauck 495 xa» ὄναρ Wil: ἵκανον ἄν 496 del cum 495 Ὠίπάοτί. 497 εὐπρεπῆ C! 502 huc revocavit Wil 508 δρᾶτέ μ᾽ 516.7 personarum notas add Kirchhoff 2x

20 ΕΥ̓ΡΙΠΙΔΟΥ͂

τί φημί; ποῖ᾽ ὄνειρα κηραίνουσ᾽ δρῶ; οὐκ ἔσϑ᾽ 00° ἄλλος ἀντὶ σοῦ παιδός, γέρον. δεῦρ᾽. τέκν᾽, ἐκχρίμνασϑε πατρῴων πέπλων, δ ir’ ἐγκονεῖτε, μὴ μεϑῆτ᾽, ἐπεὶ Διὸς Σωτῆρος ὑμῖν οὐδέν ἐσθ᾽ ὅδ᾽ ὕστερος.

ΗΡΑΚΛΗΣ.

χαῖρε, μέλαϑρον πρόπυλά 9’ ἑστίας ἐμῆς, ὡς ἄσμενός σ᾽ ἐσεῖδον ἐς φάος μολών. ἔα" τέ χρῆμα, τέκν᾽ δρῶ πρὸ δωμάτων δ25 στολμοῖσι νεκρῶν κρᾶτας ἐξεστεμμένα, ὄχλῳ τ᾽ ἐν ἀνδρῶν τὴν ἐμὴν ξυνάορον, πατέρα τὸ δαχρύοντα᾽ συμφορὰς τίνας; φέρ᾽ ἐκπύϑωμαι τῶνδε πλησίον σταϑείς, τί καινὸν ἡμῖν ἦλϑε δώμασιν χρέος; 580 AM. φίλτατ᾽ ἀνδρῶν, φάος μολὼν πατρί, ἥκεις, ἐσώϑης εἷς ἀκμὴν ἐλϑαν φίλοις; HP. τί φής; τέν᾽ ἐς ταραγμὸν ἥκομεν, πάτερ; ME. διολλύμεσθϑα" σὺ δὲ, γέρον, σύγγνωϑθί μοι, δὶ πρόσϑεν ἥρπασ᾽ σὲ λέγειν πρὸς τόνδ᾽ ἐχρῆν" 58 τὸ ϑῆλυ γάρ πως μᾶλλον οἰκτρὸν ἀρσένων, καὶ τἄμ᾽ ἔϑνῃσκε very’, ἀτεωλλύμην δ᾽ ἐγα. ΗΡ. Ἄπολλον, οἵοις φροιμίοις ἄρχῃ λόγου. ME. τεϑνᾶσ᾽ ἀδελφοὶ καὶ πατὴρ οὑμὸς γέρων. πῶς φής; τί δράσας δορὸς ποίου τυχών; 540 Avxos σφ᾽ καινὸς γῆς ἄναξ διώλεσεν. ὅπλοις ἀπαντῶν νοσησάσης χϑονός; στάσει" τὸ Kaduov δ᾽ ἑπτάπυλον ἔχει κράτος. τέ δῆτα πρὸς σὲ καὶ γέροντ᾽ ἦλθεν φόβος; xıelvew ἔμελλε πατέρα χἀμὲ καὶ τέκνα. 565 τί φής; τί ταρβῶν ὀρφάνευμ᾽ ἐμῶν τέκνων; μή ποτε Κρέοντος ϑάνατον ἐκτεισαίατο. κέσμος δὲ πέπλων τίς ὅδε νερτέροις πρέπων;

520 ἐχχρήμνασϑε 528 γρ. συμφορᾶς τινος συμφορὰς T.... C in mar- gine laeso 530 γύναι τί χαινὸν ἦλθε: γύναι del Elmsley, ἡμῖν suppl Wil (ἦλθε τοῖσδε δ. Elmsley) 531 ᾿άμφ. Elmsley Dobree: Mey. 541 κλεινός: corr Eimsley Dobree 543 δ᾽ Dobree: γ᾽ 548 πέπλων Wil: παίδων πρέπων apogr: πέπλων

ἨΡΑΚΛΗΣ. 21

ϑανάτου τάδ᾽ ἤδη περιβόλαι᾽ ἐνήμμεϑα. καὶ πρὸς βίαν ἐϑνήσκετ᾽; τλήμων ἐγώ. 550 φίλων γ᾽ ἔρημοι" σὲ δὲ ϑανόνε᾽ ἠκούομεν. πόϑεν δ᾽ ἐς ὑμᾶς ἥδ᾽ ἐσῆλϑ᾽ ἀϑυμία; Εὐρυσϑέως κήρυκες ἤγγελλον τάδε. εἰ δ᾽ ἐξελείπετ᾽ οἶκον ἑστίαν τ᾿ ἐμήν; - βίᾳ, πατὴρ μὲν ἐκπεσὼν στρωτοῖ λέχους, 655 κοὐκ ἔσχεν αἰδῶ τὸν γέροντ᾽ arıuacar; αἰδῶ γ᾽" ἀποικεῖ τῆσδε τῆς ϑεοῦ πρόσω. οὕτω δ᾽ ἀπόντες ἐσπανίζομεν φίλων; φίλοι γάρ εἶσιν ἀνδρὶ δυστυχεῖ τίνες; -- μάχας δὲ Μινυῶν ἃς ἔτλην ἀπέπευσαν; 560 ἄφιλον, iv’ αὐϑίς σοι λέγω, τὸ δυστυχές. HP. οὐ ῥίψεϑ᾽ "Audov τάσδε περιβολὰς κόμης καὶ φῶς ἀναβλέψεσϑε τοῦ κάτω σχότου φίλας ἀμοιβὰς ὄμμασιν δεδορκότες; ἐγὼ δέ (νῦν γὰρ τῆς ἐμῆς ἔργον χερός) 665 πρῶτον μὲν εἶμε καὶ χατασχάψω δόμους καινῶν τυράννων, κρᾶτα δ᾽ ἀνόσιον τεμὼν δίψω κυνῶν ἕλκυσμα᾽ Καδμείων δ᾽ ὅσους κακοὺς ἐφηῦρον εὖ παϑόντας ἐξ ἐμοῦ, τῷ καλλινέχῳ τῷδ᾽ ὅπλῳ χειρώσομαι" 570 τοὺς δὲ πετερωτοῖς διαφορῶν τοξεύμασι γεκρῶν ἅπαντ᾽ Ἰσμηνὸν ἐμπλήσω φόνου, Δίρκης τε νᾶμα λευκὸν αἱμαχϑήσεται. τῷ γάρ μ᾽ ἀμύνειν μᾶλλον δάμαρτι χρὴ καὶ παισὶ καὶ τεκόντι; χαιρόντων πόνοι" 5% μάτην γὰρ αὐτοὺς τὠνδε μᾶλλον ἤνυσα. κἄδει μ᾽ ὑπὲρ τῶνδ᾽, εἴπερ οἵδ᾽ ὑπὲρ πατρές, ϑνήσκειν ἀμύνοντ᾽" τί φήσομεν καλὸν ὕδρᾳ μὲν ἐλϑεῖν ἐς μάχην λέονεί τε Εἰρυσϑέως πομπαῖσι, τῶν δ᾽ ἐμῶν τέκνων 580 οὐκ ἐκπονήσω ϑάνατον; οὐκ ἄρ᾽ Ἡρακλῆς καλλένικος ὡς πάροιϑε λέξομαι. ΧΟ. δίκαιά τοὔσϑ᾽ ἑκόντα σ᾽ ὠφελεῖν τέχνα

549 ἀνήμμεϑα: emKirchhofft 551 y’add Hermann 557 αἰδώς: em Nauck

563 σχότους 568 ἕλχημα: em Reiske 575 τεχόντι Wakefield Wil: γέροντι

577 χαὶ dei: em Wil 583 Χο add Tyrwhitt. τοὺς τεχόντας ὠφελεῖν: distinx Wil

22 ΕΥΡΙΠΙΔΟΥΙ͂

πατέρα τὸ πρέσβυν τήν τὸ κοινωνὸν γάμων. AM. πρὸς σοῦ μέν, παῖ, τοῖς φίλοις εἶναι φίλον 585 τά τ᾿ ἐχϑρὰ μισεῖν" ἀλλὰ μὴ ᾽πείγου λίαν. HP. τί δ᾽ ἐστὶ τῶνδε ϑᾶσσον χρεών, πάτερ; AM. [πολλοὺς πένητας, ὀλβίους δὲ τῷ λόγῳ δοκοῦντας εἶναι συμμάχους ἄναξ ἔχει, οἱ στάσιν ἔϑηκαν καὶ διώλεσαν πόλιν 590 ip’ ἁρπαγαῖσι τῶν πέλας, τὰ δ᾽ ἐν δόμοις δαπάναισι φροῦδα διαφυγόνθ᾽ ὑπ᾽ ἀργίας.] ὥφϑης ἐσελθὼν πόλεν᾽ ἐπεὶ δ᾽ ὥφϑης, ὅρα ἐχϑροὺς ἀϑροίσας μὴ παρὰ γνώμην πέσῃς. HP. μέλει μὲν οὐδὲν εἴ us πᾶσ᾽ εἶδεν πόλις" 595 ὄρνιν δ᾽ ἰδών τιν᾽ οὐκ ἐν αἰἱσίοις ἕδραις, ἔγνων πόνον τιν᾽ ἐς δόμους πεπεωκότα" ὥστ᾽ ἐκ προνοίας κρύφιος εἰσῆλθον χϑόνα. καλῶς" ἐσελθὼν νῦν πρόσειπέ 3 ἑστίαν καὶ δὸς πατρῴοις δώμασιν σὸν ὄμμ᾽ ἰδεῖν. 600 ἥξει γὰρ αὐτὸς σὴν δάμαρτα καὶ τέκνα ἕλξων φονεύσων, κἄμ᾽ ἐπεισφάξων ἄναξ᾽ μένοντι δ᾽ αὐτοῦ πάντα σοι γενήσεται τῇ τ᾿ ἀσφαλείᾳ κερδανεῖς" πόλιν δὲ σὴν μὴ πρὶν ταράξῃς πρὶν τόδ᾽ εὖ ϑέσϑαι, τέκνον. 605 δράσω τάδ᾽" εὖ γὰρ εἶπας" εἶμ᾽ ἔσω δόμων. χρόνῳ δ᾽ ἀνελθὼν ἐξ ἀνηλίων μυχῶν “4ıdov Κόρης τ᾽ ἔνερϑεν οὐκ ἀτιμάσω ϑεοὺς προσειπεῖν πρῶτα τοὺς κατὰ στέγας. ἦλϑες γὰρ ὄντως δώματ᾽ εἰς “Audov, τέκνον; 610 καὶ ϑῆρά γ᾽ ἐς φῶς τὸν τρέκρανον ἤγαγον. μάχῃ κρατήσας ϑεᾶς δωρήμασιν; μάχῃ" τὰ μυστῶν δ᾽ ὄργι᾽ εὐτύχησ᾽ ἰδών. -- καὶ κατ᾽ οἴκους ἐστὶν Εὐρυσϑέως ϑήρ; Χϑονίας νιν ἄλσος ἙἭ, ρμιών τ᾽ ἔχει πόλις. 615 οὐδ᾽ oldev Εὐρυσϑεύς σε γῆς ἥκοντ᾽ ἄνω; οὐκ οἶδεν" ἦλθον τἀνθαδ᾽ εἰδέναι πάρος. χρόνον δὲ πῶς τοσοῦτον ἡσϑ᾽ ὑπὸ χϑονί; Θησέα κομίζων ἐχρόνισ᾽ ἐξ ““τδου, τιάτερ. δ88---92 del Wil 593 ἐπελϑων: em Kirchhoff 599 προσελθών: em Wil

2 604 d&L Dindorf: re 608 T’addReiske 611 τρικάρανον 614 Κύρυσ- ϑέος 617 ἐλθὼν τ. εἰδέναι: em Wil 619 ἐξ add Canter (ἐν ce)

AM

HP.

ΗΡΑΚΛΗ͂Σ, 28

καὶ ποῦ στιν; γῆς πατρέδος οἴχεται πέδον; 620 βέβηκ᾽ ᾿ϑήνας νέρϑεν ἄσμενος φυγών. ἀλλ᾽ el’ ὁμαρτεῖτ᾽, τέκν᾽, ἐς δόμους πατρί" καλλίονές τἄρ᾽ εἴσοδοι τῶν ἐξόδων πάρεισιν ὑμῖν. ἀλλὰ ϑάρσος ἴσχετε καὶ vauar’ ὄσσων μηκέτ᾽ ἐξανίετε᾽ 63 σύ τ᾿, yuyar μοι, σύλλογον ψυχῆς λαβὲ τρόμου τὸ παῦσαι᾽ καὶ μέϑεσϑ᾽ ἐμῶν πέπλων" οὐ γὰρ πεδρωτὸς οὐδὲ φευξείω φέλους. α, οἵδ᾽ οὐκ ἀφιᾶσ᾽ ἀλλ᾽ ἀνάπτονται πέπλων τοσῷδε μᾶλλον" ὧδ᾽ ἔβητ᾽ ἐπὶ ξυροῦ; 680 ἄξω λαβών γε τούσδ᾽ ἐφολκίδας χεροῖν, γαῦς δ᾽ ὡς ἐφέλξω" καὶ γὰρ οὐκ ἀναένομαι ϑεράπευμα τέκνων. πάντα τἀνϑρώπων ἴσα" φιλοῦσι παῖδας οἵ τ᾿ ἀμείνονες βροτῶν οἵ τ᾽ οὐδὲν ὄντες" χρήμασιν δὲ διάφοροι, 635 ἔχουσιν, οἱ δ᾽ οὔ" πᾶν δὲ φιλότεχνον γένος. Ξ

ΧΟΡΟΣ.

veösag μοι φίλον" ἄχϑος δὲ τὸ γῆρας alel βαρύτερον Altvas σκοπέλων ἐπὶ κρατὶ κεῖται, βλεφάρων σκοτεινὸν 64 φάος ἐπικαλύψαν. μὴ μοι μήτ᾽ Jomrıdog τυραννέδος ὄλβος εἴη, μὴ χρυσοῦ δώματα πλήρη 645 τᾶς HBag ἀντιλαβεῖν, καλλίστα μὲν ἐν ὄλβῳ, καλλίστα δ᾽ ἐν πενίᾳ. τὸ δὲ λυγρὸν φϑονερόν τε Γῆ- ρας μισῶ" κατὰ κυμάτων 650 δ᾽ Eppoı μηδέ ποτ᾽ ὥφελεν ϑνατῶν δώματα καὶ πόλεις ἐλϑεῖν, ἀλλὰ κατ᾽ αἰϑέρ᾽ αἰεὶ πτεροῖσι φορείσϑω. “- 68

625 ἐξανύετε: corr Heath 627 φευξιῶ 629 ἀφιᾶσιν 631 ὅδ το Μυθ- grave: τὸ dd θ40 χεῖσαι: em apogr. 642 φάρος: em Canter 648 γ᾽ C! 649 φϑονερόν Wil: φόνιον

24 EYPINIAOYT

ei δὲ ϑεοῖς ἦν ξύνεσις καὶ σοφία κατ᾽ ἄνδρας, δίδυμον av ἥβαν ἔφερον φανερὸν χαρακτὴρ ἀρετὰς ὅσοισιν μέτα, καὶ ϑανόντες 660 εἷς αὐγὰς πάλιν ἁλίου δισσοὺς ἄν ἔβαν διαύλους, δυσγένεια δ᾽ ἁπλοῦν ἂν εἶχε ζοᾶς στάδιον, καὶ τῷδ᾽ ἣν τούς τε κακοὺς ἂν 665 γνῶναι καὶ τοὺς ἀγαϑούς, ἔσον ἅτ᾽ ἐν νεφέλαισιν ἄ- σερων ναύταις ἀριϑμὸς πέλει. γῦν δ᾽ οὐδεὶς ὅρος ἐκ ϑεῶν χρηστοῖς οὐδὲ κακοῖς σαφῆς, 610 ἀλλ᾽ εἱλισσόμενός τις aly πλοῦτον μόνον αὔξει. πα

οὗ παύσομαι τὰς Χάριτας Movoaıg συγκαταμιγνύς, ἀδίσταν συζυγίαν. 675 μὴ ζῴην μετ᾽ ἀμουσίας, αἰεὶ δ᾽ ἐν στεφάνοισιν εἴην. ἔτι τοι γέρων ἀοιδὸς κελαδεῖ ἤναμοσίγαν" ἔτι τὰν Ἡρακλέους 650 καλλίνικον ἀείδω. παρά τε Βρόμιον οἰνοδόταν παρά ve χέλυος ἑπτατόνου μολπὰν χαὶ AlBvy αὐλὸν οὔπω καταπαύσομεν 65 ἹΜούσας, αἵ μ᾽ ἐχόρευσαν. “ὦ

παιᾶνα μὲν Ankıaöeg

ὑμνοῦσ᾽ ἀμφίπολοι τὸν “ατοῦς εὔπαιδα γόνον eillooovoaı καλλίχοροι" 6% παιᾶνας δ᾽ ἐπὶ σοῖς μελάϑροις

κύχνος ὡς γέρων ἀοιδὸς στολιᾶν ἐχ γενύων

xelaönow‘ τὸ γὰρ Ev

659 ἀρετῆς 660 μέτα χαὶ ϑνατοὶ ἐς αὐγὰς: em Reiske 661 ἀελίου

664 ζωᾶς στάδιον Reiske: βιοτάν 665 τῷδε τοὺς: em Porson 674 Μούσαις Dio Chrys. 32, 100 alii: ταῖς Μούσαις 675 ἡδίσταν 676 un Stobaeus 831,5:7 681 aelow: em Elmsley 682 oldorav CP: em cp 688 ἀμφί- 7040: Reiske: ἀμφὶ πύλας 690 χαλλίχορον: em Hermann 691 παιᾶνα: em c

HPAKAHZ. 25

τοῖς ὕμνοισιν ὑπάρχει. 635 Διὸς παῖς" τὰς δ᾽ εὐγενίας

πλέον ὑπερβάλλων ἀρετᾷ

μοχϑήσας ἀκύμον᾽ ἔϑηκχεν βίοτον βροτοῖς,

πέρσας δείματα ϑηρῶν. m 700

ΛΥΚΟΣ.

ἐς καιρὸν οἴκων, Aupırguwv, ἔξω περᾷς"

χρόνος γὰρ ἤδη δαρὸς ἐξ ὕτου πέπλοις

κοσμεῖσϑε σῶμα καὶ νεχρῶν ἀγάλμασιν.

ἀλλ᾽ εἶα, παῖδας καὶ δάμαρϑ᾽ Ἡρακλέους

ἔξω κέλευε τῶνδε φαίένεσϑαει δόμων, 705 ἐφ᾽ οἷς ὑπέστητ᾽ αὐτεπάγγελτοι ϑανεῖν.

ΑΜΦΙΤΡΥΩΝ.

ἄναξ, διώχεις μ᾽ ἀϑλίως πεπραγότα ὕβριν ϑ᾽ ὑβρίζεις ἐπὶ ϑανοῦσι τοῖς ἐμοῖς" χρὴν σε μετρίως, κεὶ κρατεῖς, σπουδὴν ἔχειν. ἐπεὶ δ᾽ ἀνάγκην προστιϑεῖς ἡμῖν ϑανεῖν, 710 στέργειν ἀνάγκη, δραστέον δ᾽ σοὶ doxei. ποῦ δῆτα ἹΜεγάρα; ποῦ τέκν᾽ ᾿Αλχμήνης γόνου; δοκῶ μὲν αὐτίν, ὡς ϑύραϑεν εἰκάσαι, τί χρῆμα; δόξης τίνος ἔχεις τεχμήριον; ἱκέτιν πρὸς ἁγνοῖς ἑστίας ϑάσσειν βάϑροις 115 ἀνόνητα γ᾽, ἱκετεύουσαν ἐκσῶσαι βίον. - καὶ τὸν ϑανόντα γ᾽ ἀναχαλεῖν μάτην πόσιν. δ᾽ οὐ πάρεστιν οὐδὲ μὴ μόλῃ ποτέ. οὔκ, εἴ γε μή τις ϑεῶν ἀναστήσειέ vır. γξώρει πρὸς αὐτὴν χἀχχόμιζε δωμάτων. 720 μέτοχος ἂν εἴην τοῦ φόνου ὅρασας τόδε. ἡμεῖς, ἐπειδὴ σοὶ τόδ᾽ ἔστ᾽ ἐνθύμιον, ol δειμάτων ἔξωϑεν ἐκπορεύσομεν

696 ἀρετᾷ add Nauck (ἀρεταῖς Tyrwhitt) 698 τὸν ἄχυμον ἔϑηχεν: em Wil 701 περᾷ: em Heaih 106 ὑπέστητέ γ᾽: emed. Brubach 714 τίνος Boissonade Wil: τῇσϑ᾽ 115 βόϑροις : em Stephanus 111 ἀνακαλεῖ: em Hermann 120 χάἀχχόμιζε Elmsley: χαὶ χόμιζε .

26 ΕΥΡΙΠΙΔΟΥ͂

σὺν μητρὶ παῖδας. δεῦρ᾽ ἕπεσϑε, πρόσπολοι,

ὡς ἂν σχολὴν λεύσσωμεν ἄσμενοι πόνων. 1 σὺ δ᾽ οὖν 19’, ἔρχῃ δ᾽ ol χρεών᾽ τὰ δ᾽ ἄλλ᾽ ἴσως

ἄλλῳ μελήσει. προσδόκα δὲ δρῶν κακῶς

κακόν τι πράξειν. γέροντες, ἐς καλὸν

στείχει, βρόχοισι δ᾽ ἀρκύων δεδήσεται

ξιφηφόροισι, τοὺς πέλας δοκῶν κτενεῖν, 730

ö παγκάκιστος. εἶμι δ᾽, ὡς ἴδω νεχρὸν

πέπεοντ᾽" ἔχει γὰρ ἡδονὰς ϑνήσκων ἀνὴρ

ἐχϑρὸς τίνων τὸ τῶν δεδραμένων δέχην. >

ΧΟΡΟΣ.

μεταβολὰ κακῶν"

μέγας πρόσϑ᾽ ἄναξ 785 πάλιν ὑποστρέφει '

βίοτον BE “Ἅιδα.

ἰώ

δέκα καὶ ϑεῶν παλίρρους πότμος. --

ἦλθες χρόνῳ μὲν οὗ δίκην δώσεις ϑανών, 10 ὕβοεις ὑβρίζων εἰς ἀμείνονας σέϑεν. ——

χαρμοναὶ δακρύων ἔδοσαν ἐκβολάς" T πάλεν ἔμολεν πάρος οὕποτε διὰ φρενὸς ἤλ- 145 T rıoe παϑεῖν γᾶς ἄναξ.

ἀλλ᾽, γεραιοί, καὶ τὰ δωμάτων ἔσω σχοπῶμεν, εἰ πράσσει τις ὡς ἐγὼ ϑέλω. <

ΛΥΚΟΣ.

lu μοί μοι. --

τόδε κατάρχεται μέλος ἐμοὶ κλύειν . Ἴ50 φέλιον ἐν δόμοις"

125 λύσωμεν: em Canter 129 δεδήσεται Pierson: γενήσεται 136 ἐς aldavy: em Wil 740 praefixum ’4up. sustulit Hermann 143 Xo praefixum 141 γεραιέ: em Kirchhoff

ἨΡΑΚΛΗΣ. 27

ϑάνατος οὐ πόρσω.

βοᾷ

φόνου φροίμιον στενάζων ἄναξ. “---

ΛΥΚΟΣ. πᾶσα Κάδμου γαῖ᾽, ἀπόλλυμαι δόλῳ. καὶ γὰρ διώλλυς᾽ ἀντίποινα δ᾽ ἐκτίνων 155 τόλμα, διδούς γε τῶν δεδραμένων δίκην.

τίς ϑεοὺς ἀνομίᾳ χραίνων, ϑνητὸς ὦν, T ἄφρονα λόγον οὐρανίων μακάρων κατέβαλ᾽ ὡς ἄρ᾽ οὐ σϑένουσιν ϑεοί;

γέροντες, οὐκέτ᾽ ἔστι δυσσεβὴς ἀνήρ. 100 σιγᾷ μέλαϑρα᾽ πρὸς χοροὺς τραπώμεϑα. « «ζ [φέλοι γὰρ εὐτυχοῦσιν οὺς ἐγὼ ϑέλω.]

χοροὶ χοροὶ καὶ ϑαλίαι μέλουσι Θήβας ἱερὸν κατ᾽ ἄστυ. μεταλλαγαὶ γὰρ δακρύων, 165 usrallayal συντυχίας. . . . ἔτεκον ἀοιδάς. βέβακ᾽ ἄναξ καινός, δὲ παλαίτερος κρατεῖ, λιμένα λιπάν γε τὸν Axspöysıov' 770 doxnuaswv ἐχτὸς ἦλθεν ἐλπίς. ——

ϑεοὶ ϑεοὶ τῶν ἀδίκων μέλουσι καὶ τῶν ὁσίων Ängeır. ö χρυσὸς & τ᾽ εὐτυχία φρενῶν βροτοὺς ἐξάγεται δύνασιν ἄδικον ἐφέλκων. TI Χρέγου γὰρ οὔτις ῥόπαλον εἰσορᾶν ἔτλα γύμον παρέμενος, ἀνομίᾳ χάριν διδούς" ἔϑραυσεν ὄλβου κελαινὸν ἅρμα. ἘΞΞ TO

Ἰσμήν᾽ στεφαναφόρει, ξεσταί ἑπταπύλου πόλεως ἀναχορδύσατ᾽ ἀγυιαί,

152 πρόσω 155 ἀντάποινα: em Canter 757 τίς 9.: em Wil 762 del Nauck 768 βέβαχεν χλεινός: em Pierson 773 μέλλουσι: em Canter 175 φρονεῖν: em L. Dindorf 777 οὔτις ἔτλα τὸ πάλιν (bonarov Wil) εἰσ.: traiec. Hermann 181 Ἰσμηνῶ στεφανοφορία: em Tyrwhitt 782 ἑπτάπυλοι: em Stephanus

28 ΕΥ̓ΡΙΠΙΔΟΥ͂

ΖΔίρκα 3’ & καλλιρρέεϑρος, σύν τ᾿ ᾿“ἦσωπιάδες κόραι 785 βᾶτε λιποῦσαι πατρὸς ὕδωρ συναοι- δοί, Νύμφαι, τὸν Ἡραχλέους xalliyıxoy ἀγῶνα. Πυϑίου devdowrı πέτρα 10 Μουσῶν 3’ Ἑλιχωνιάδων δώματα, ἀχεῖτ᾽ εὐγαϑεῖ κελάδῳ ἐμὰν πόλιν ἐμὰ τείχη, Σπαρτῶν ἕνα γάιος ἐφάνη χαλκασπέδων λόχος, ὃς 735 γᾶν τέκνων τέχνοις uerauel- βει, Θήβαις ἱερὸν φῶς.

λέκερων δύο συγγενεῖς εὐναί, ϑνατογενοῦς re καὶ Διός, ὃς ἦλϑεν ἐς εὐνὰς 800 νύμφας τὰς Περσηΐέδος" ὡς πιστόν μοι τὸ παλαιὸν ἢ- δη λέχος, w Ζεῦ, τὸ σὸν [οὐχ] ἐπ᾿ ἐλπέδιε φαν- ϑη λαμπρὰν δ᾽ ἔδειξ᾽ χρόνος 805 τὰν Ἡρακλέος alxay' ὃς γᾶς ἐξέβα ϑαλάμων, Πλούτωνος δῶμα λιπὼν νέρτερον. χρείσσων μοι τύραννος ἔφυς δυσγένει᾽ ἀνάχτων᾽ 810 T νῦν ἐσορᾶν φαίνει ξιφηφόρων ἐς ἀγα΄- γων ἅμιλλαν, εἰ τὸ δίκαι- ον ϑεοῖς ἔτ᾽ ἀρέσκει. m =

ἔα ἔα" 815 Go’ ἐς τὸν αὐτὸν πίτυλον ἥκομεν φόβου, 184 χαλλιρέεϑουρςρ 785 ᾿Ασωπίδες: em Hermann 186 nareog ὕδωρ βᾶτε A.: traiec. Wil 189 ἀγῶνα" w: em Wil 192 ἀχεῖτ᾽ Wil: ger’ 193 mol: emc re τείχη: em Heath 794 yarog Wil: γένος ἔφανε: em Hermann 801 ὡς Musgrave: χαὶ 804 ovx del Wil 805 ἔδειξεν 810 ἧδυς γένει: distinx Canter 812 ξιφηφόρον C!

HPAKAHZ. 29

γέροντες, οἷον φάσμ᾽ ὑπὲρ δόμων ὁρῶ; ——

φυγῇ φυγῇ γωϑὲς πέδαιρε κῶλον, ἐκποδὼν ἔλα. um

ὦναξ Παιάν, 82) ἀπότροπος γένοιό μοε πημάτων. >

ΙΡΙΣ.

ϑαρσεῖτε Νυχτὸς τήνδ᾽ δρῶντες ἔχγονον “ύσσαν, γέροντες, κἀμὲ τὴν ϑεῶν λάτριν, Ἶριν" πόλει γὰρ οὐδὲν ἥκομεν βλάβος, ἑνὸς δ᾽ ἐπ᾽ ἀνδρὸς δώματα σερατεύομεν, 825 ὅν φασιν εἶναι Ζηνὸς ’Aknunvng τ᾽ ἄπο. πρὶν μὲν γὰρ ἄϑλους ἐκτελευτῆσαι πικροῦς, τὸ χρή νιν ἐξέσῳζεν, οὐδ᾽ εἴα πατὴρ Ζεύς νιν κακῶς δρὰν οὔτ᾽ ἔμ᾽ οὔϑ᾽ Ἥραν ποτέ" ἐπδὲὶ δὲ μόχϑους διεπέρασ᾽ Εὐρυσϑέως, 830 Ἥρα προσάψαι κοινὸν αἷμ᾽ αὐτῷ ϑέλει παῖδας κατακτεέναντι, συνθέλω δ᾽ ἐγω. ἀλλ᾽ el’, ἄτεγκτον συλλαβοῦσα καρδίαν, Νυκτὸς κελαινῆς ἀνυμέναιε παρϑένε, μανίας τ᾽ ἐπ᾽ ἀνδρὶ τῷδε xal παιδοχτόνους 885 φρενῶν Tapayuovg καὶ ποδῶν σχερτήματα ἔλαυνδ κένει, φόνιον ἐξίει κάλων, ὡς ἄν πορεύσας δι᾽ ᾿Αχερούσιον πόρον τὸν καλλίπαιδα στέφανον αὐϑέντῃ φόνῳ γνῷ μὲν τὸν Ἥρας οἷός ἐστ᾽ αὐτῷ xulos, 840 μάϑῃ δὲ τὸν ἐμόν" ϑεοὶ μὲν οὐδαμοῦ, τὰ ϑνητὰ δ᾽ ἔσται μεγάλα, μὴ δόντος δίκην.

ATZZA.

ἐξ εὐγενοῦς μὲν πατρὸς ἔκ Te μητέρος

πέφυκα, Νυκτὸς Οὐρανοῦ τ᾿ ap’ αἵματος"

τιμὰς δ᾽ ἔχω τασδ᾽, οὐκ ἀγασϑῆναι ϑεοῖς, 845 οὐδ᾽ ἥδομαι φοιτῶσ᾽ ἐπ᾽ ἀνθρώπων φέλους.

825 σώματα: em Scaliger 828 τὸ χρῆν margo C 831 χαινόν: em Wakefield 833 σὴν λαβοῦσα: em apogr. 845 δ᾽ ed. Hervag.: τ΄ ϑεοῖς Hartung: φίλοις

80 EIPEBAOT

παραινέσαι δέ, πρὶν Φφαλεῖσαν εἰσιδεῖν,

Ἥρς ϑέλω σοέ τ᾿, ἦν πέϑησϑ᾽ ἐμοὲς λόγοις. arı'e δδ᾽ οἐχ ἄσημος ers ἐπὶ χϑονὶ

οἴτ᾽ ἐν ϑεοῖσιν οὗ ar μ᾽ ἐσπέμπεις δόμοες, 5850 ἄβατον δὲ χώραν zai ϑάλασσαν ἀγρέαν ἐξι μερώσας ϑεῶν ἀνέσενσεν μόνος εκιμὰς πεετνοίσας ἀνοσέων ἀνδρῶν ὕπο" σοέ τ᾿ οὐ παραινώ μεγάλα βοίλεσϑαε καχά. μὴ σὺ νοτϑέτει τὰ 9’ Ἥρας χἀμὰ μηχανήματα. 855 ἐς τὸ λῷον ἐμβιβαζω σ᾽ ἴχνος ἀνεὶ τοῦ καχοῖ. - οὐχὶ σωφρονεῖν γ᾽ ἔπεμψε δεῖρό σ᾽ κὶ Διὸς δάμαρ. Ἥλιον μαρτειρόμεσϑα δρωώσ᾽ δρᾶν or βοίλομαε. εἰ δὲ dr u’ Ἦρᾳ 9’ ἱποιργεῖν σοέ τ᾽ ἀναγχαίέως ἔχει τάχος ἐπιρροίβδειν I’ ὁμαρτεῖν ὡς κενηγέτῃ κίνας, 5060 εἶμέ γ᾽" οἴτε πόντος οἵἴτω πίμασε στένων λάβροις οὔτε γῆς σεισμὸς πκεραινοὲ τ᾽ οἶσερος ὠδῖνας πνέων, ol’ ἐγὼ σεάδια δραμοῖμαι στέρνον ei: Ἡραχλέουις" καὶ καταρρήξω μέλαϑρα καὶ δόμοις ἐπεμβαλω, τέκν᾽ ἀποχεείνασα πρώτον᾽ δὲ κανὼν οὐχ εἴσεται. 5865 [παῖδας οἷς ἔτικε᾽ ἐναίρων πρὶν ἂν ἐμὰς λύσσας ἀφ᾿] ἦν ἰδοὶ χαὶ δὴ zısacası κρᾶτα βαλβίδων ἄπο χαὶ διασερόφοις ἑλέσσεε σῖγα γοργωποὺς πόρας, ἀμπνοὰς δ᾽ οὐ σωφρονέξει, ταῦρος ὡς ἐς ἐμβολήν, δεινὰ μυχᾶται δὲ Κῆρας ἀνακαλῶν τὰς Ταρεάρου. 810 τάχα σ᾽ ἐγὰ μᾶλλον χορεύσω καὶ καταυλίσω φόβῳ. στεῖχ᾽ ἐς Οἴλυμπον πεδαίρουσ᾽, Ἶρε, γενναῖον πόδα"

ἐς δόμους δ᾽ rueis ἄφαντοε δισόμεσϑ᾽ Ἣραχλέους. >

ΧΟΡΟΣ.

ὀτοτοτοτοτοῖ, στέναξον᾽ ἀποχεερεξαι 915 σὸν ἄνϑος πόλεος, Δεὸς ἔχγονος. μέλεος Ἕλλας. & τὸν εἰεργέταν

850 σύ Hartung: γέ 653 hiatum sign. Wil $55 χαμὰ Reiske Heath: zaxa 556-8 signa personarum huc revocat Musgrave. in codice praefiza 657—9 856 λῶστον: em Nauck ἐμβιβαζονσ᾽: em Musgrave 560 ε: em apogr. 461 λάβρος: em Wil 863 σταδιαδραμοῖμαι εἰ o supra altero. 566 del Wil ἔτιχτεν αἱρῶν, yo. ἔτιχτ᾽ ἐκαίρων C marg. 867 ἦν 8: δεινός: em Canter 5158 ἀπόχειρέ τε: em Canter 1 πόλεος εἰ ἐς saprascı. C

ἨΡΛΑΚΛΗΣ. 81

ἀποβαλεῖς, ὀλεῖς μανέαισιν «“ύσσας χορευϑέντ᾽ ἐναύλοις. > βέβακεν ἐν Ölpeoıcıy & πολύστονος, 880 ἅρμασι δ᾽ ἐνδίδωσι κέντρον ὡς ἐπὶ λώβᾳ Νυκτὸς Γοργὼν ἑκατογκεφάλοισιν ὀφέων ἰα- χήμασι «““ύσσα μαρμαρωπός. = > ταχὺ τὸν εὐτυχῆ μετέβαλεν δαίμων, 885 ταχὺ δὲ πρὸς πατρὸς τέκν᾽ ἐκπνεύσδται. —— >

ΑΜΦΙΤΡΥΩΝ. ἰώ uoı μέλεος" --- iu Ζεῦ, τὸ σὸν γένος αὐτίκ᾽ ἄγονον λύσσαδες ὠμοβρῶτες ἄδικοι Ποιναὶ xaxoloıy ἐχπετάσουσιν . m > 890

ἰὼ στέγαι κατάρχεται χόρευμα τυμπάνων ἄτερ οὐ βρομίῳ κεχαρισμένα ϑύρσῳ. —— >

ἰὼ δόμοι “περοσφάγματ᾽ οὐχὶ τὰς Ζιηιονυσιάδος βοτρύων ἐπὶ χεύμασι λώβας. = » 896

φυγῇ, τέκν᾽, ἐξορμᾶτε. δάιον τόδε, δάιον μέλος ἐπαυλεῖται" χυναγετεῖ τέχνων διωγ- μόν οὔποτ᾽ ἄκραντα δόμοισι “ύσσα Baxyevası. —— >

αἰαῖ κακῶν.

αἰαῖ δῆτα, τὸν γεραιὸν ὡς στένω 900 πατέρα τὰν Te παιδοτρόφον μάταν τέχεα γενγᾶται.

883 ἑχατὸν χεφαλαῖς: em Reiske; -οεσιν Wil 886 ἐπνεύσατε: em

887 Ἀμφ. add Wil; C aut C* in spat. vac. paragraphos habet ante

890 893 900 901 904 906 910 912 (&A.) 914 916; ante 917 χορ. 919 ἐξαγγ. 921 dyy.: 909—20 olim emendata; reliqua dist. Wil 888 ro σὸν ἰὼ Ζεῦ C sed litterie suprapositis correxit ἄγονον αὐτίχα: traiec. Wil 889 λύσσα δέ σ᾽ ὠμόβροτος: em Wakefild_ ἀποινόδιχοι δίχαι: em Wil 894 πρὸς αἵματ᾽ : em Wil

898 τὸ τέχνων: em Hermann 902 & add Musgrave

82 ΕΥ̓ΡΙΠΙΔΟΥ

ἰδοὺ ἰδου, 905 ϑύελλα σείεε δῶμα, συμπίπεει στέγη. --- n, τί δρᾶς, Διὸς παῖ, μελάϑρῳ; τάραγμα ταρτάρειον ὡς ἐπ᾽ Ἐγκελάδῳ ποτέ, Παλλάς, ἐς δόμους πέμπεις. —— >

ΑΓΓΕΛΟΣ. λευκὰ γήρᾳ σώματ᾽ ΧΟ. ἀνακαλεῖς us τένα 910 βοᾶν; ἄλαστα τὰν δόμοισι. μάντιν οὐχ ἕτερον ἄξομαι. στέναζεϑ᾽, ὡς στεναχτά. --- δάιοι φόνοι δάιοι δὲ τοκέων χέρες. 915

οὐκ ἄν τις εἴποι μᾶλλον πεπόνϑαμεν.

πῶς παισὶ στεναχτὰν ἄταν, ἄταν πατέρος, ἀμφαένεις; [λέγε] τένα τρόπον ἔσυτο ε- όϑεν ἐπὶ μέλαϑρα κακὰ τάδε τλήμονας 920 re παίδων ψυχάς; = >

ἱερὰ μὲν ἦν πάροιϑεν ἐσχάρας Διὸς καϑάρσι᾽ οἴκων, γῆς ἄνακτ᾽ ἐπεὶ κτανὼν ἐξέβαλε τῶνδε δωμάτων Ἡρακλέης" χορὸς δὲ καλλίμορφος εἷστήκδε τέχνων 925 πατήρ τε ἹΜεγάρα τ᾽" ἐν κύκλῳ δ᾽ ἤδη κανοῦν εἵλικεο βωμοῦ, φϑέγμα δ᾽ ὅσιον εἴχομεν. μέλλων δὲ δαλὸν χειρὶ δεξιᾷ φέρειν ἐς χέρνιβ᾽ ὡς βάψειεν ᾿Αλκμήνης τόκος ἔστη σιωπῇ καὶ χρονέζοντος πατρὸς 950 παῖδες προσέσχον ὄμμ᾽" δ᾽ οὐκέϑ᾽ αὑτὸς ἦν, ἀλλ᾽ ἐν στροφαῖσιν ὀμμάτων ἐφϑαρμένος, δίζας τ᾽ ἐν ὄσσοις αἱματῶπας ἐκβαλὼν ἀφρὸν κατέσταζ᾽ εὔτριχος γενειάδος. ἔλεξε δ᾽ ἅμα γέλωτι παραπεττληγμένῳ 985 „raree, τί ϑύω πρὶν κτανεῖν Εὐρυσϑέα

908 ᾿Εγγελάδω 911 supra alterum ἄταν αὖ C quod facile referas δὰ ver- sum superiorem, (post χέρας 915). 919 λέγε del Wil 920 ἔσντο ἢ: Esovro C

921 τύχας: em Wil 924 ἐξέβαλε om C!Pi add C*P% 925 τέχνων Canter: πέπλων 980 πάρος: em Musurus 931 οὐχέτ᾽ αὐτὸξ 933 aluareo- πους 934 εὐτρίχου 936 ϑὺμωῶ: em Stephanus

HPAKAHZ. 88

χκαϑάρσιον πῖρ καὶ πόνους διπλοῦς ἔχω,

ἐξὸν μιᾶς μοι χειρὸς εὖ ϑέσϑαι τάδε;

[ὅταν δ᾽ ἐνέγκω δεῦρο κρὰτ᾽ Εὐρυσϑέως,

ἐπὶ τοῖσι νῦν ϑανοῦσιν ἁγνιῶ χέρας) 90 ἐχχεῖτε πηγάς, δίπτετ᾽ Ex χειρῶν κανᾶ.

τίς μοι δίδωσι τόξα, τίς δ᾽ ὅπλον χερός;

πρὸς τὰς Ἰυκήγας εἶμι" Aalvodaı χρεὼν

μοχλοὺς δικέλλας ϑ᾽, ὡς τὰ Κυκλώπων βάϑρα

φοένικε κανόνι καὶ τύχοις ἡρμοσμένα 945 σερεπτῷ σιδήρῳ συντριαεινώσω πάλιν."

ἐκ τοῦδε βαίνων ἅρματ᾽, οὐκ ἔχων, ἔχειν

ἔφασκε δίφρου τ᾽ εἰσέβαινεν ἄντυγα

χάϑεινε, κέντρῳ δῆϑεν ὡς ϑείνων, χερί.

διπλοῦς δ᾽ ὀπαδοῖς ἦν γέλως φόβος I ὁμοῦ. 930 καί τις τόδ᾽ εἶπεν, ἄλλος εἰς ἄλλον δρακών

»παίζει πρὸς ἡμᾶς δεσπότης 7, μαένδται;"“

δ᾽ elon’ ἄνω τε καὶ κάτω χατὰ στέγας,

μέσον δ᾽ ἐς ἀνδρῶν᾽ ἐσπεσὼν Νίσου πόλεν

ἥκειν Eyaoxe, δωμάτων τ᾿ ἔσω βεβώς 955 κλιϑεὶς ἐς οὗδας ὡς ἔχει σκευάζεται

ϑοίνην. διελθὼν δ᾽ ἐν μονῇ βραχὺν χρόνον

᾿Ισϑμοῦ ναπαίας ἔλεγε προσβαίνδιν πλάκας"

κανταῦϑα γυμνὸν σῶμα ϑεὶς πορπαμάτων

πρὸς οὐδέν᾽ ἡμιλλᾶτο κἀχηρύσσετο 9600 ὑπ᾽ αὐτὸς αὑτοῦ καλλίνικος οὐδενὸς

ἀχοὴν προσειπών. δεινὰ δ᾽ Εὐρυσϑεῖ βρέμων

ἦν ἐν ἸΠυκήναις τῷ λόγῳ. πατὴρ δέ νιν

ϑιγὼν κραταιὰς χειρὸς ἐννέπει ταδε

„w παῖ, τί πάσχεις; τίς τρόπος ξενώσεως 965 τῆσδ᾽; οὔ τί που φόνος σ᾽ ἐβάκχευσεν νεχρῶν,

οὺς ἄρτι καένεις“" δέ νιν Εὐρυσϑέως δοχῶν

πατέρα προταρβοῦνϑ᾽ ἱχέσιον ψαύειν χερὸς

ὠϑεῖ, φαρέτραν δ᾽ εὐτρεπῆ σκευάζεται

καὶ τόξ᾽ ἑαυτοῦ παισέ, τοὺς Εὐρυσϑέως 910

939. 40 del Wil 941 ῥιπτεῖτ᾽ 942 δ᾽ add Barnes 944 ὡς ra

Wahkefield: ὥστε 945 τὐχαις: em Brodaeus 946 συντριαινώσειν: em Stephanus

πόλιν: em Scaliger 949 ϑένρων 953 εἷρπεν 955 r’add Wil 956.6’

ἐς: οἷα Wil &xel:emDobree 951 εἰς βραχὺν χρόνον μονῆς: ἐὰ Wil 960 zage-

χκηρύσσετο: emReiske 961 αὐτὸς πρὸς αὑτοῦ: em Wil 962 ὑπειπών: em Wil v. Wilamonlis II. 3

94 ΕΥ̓ΡΙΠΙΔΟΥ͂

δοκῶν φονεύειν. οἱ δὲ ταρβοῦντες φόβῳ

ὥρουον ἄλλος ἄλλοσ᾽, ἐς πέπλους μὲν

μητρὸς ταλαίνης, δ᾽ ὑπὸ χέονος σχιᾶν,

ἄλλος δὲ βωμὸν ὄρνις ὡς ἔπτηξ᾽ ὕπο. .

βοᾷ δὲ μήτηρ „w τεκών, τέ δρᾷς, τέκνα 919 κτείνεις;“ βοᾷ δὲ πρέσβυς οἰκετῶν τ᾿ ὄχλος.

δ᾽ ἐξελίσσων παῖδα κέονος κυκλῶν

τόρνευμα δεινὸν ποδός, ἐναντίον σταϑεὶς

βάλλει πρὸς ἥπαρ᾽ ὕπτιος δὲ λαΐνους

ὀρϑοστάτας ἔδευσεν ἐκπνέων βίον. 950 δ᾽ ἡλάλαξε κἀπεκόμπασεν τάδε

„eis μὲν νεοσσὸς ὅδε ϑανὼν Εὐρυσϑέως

ἔχϑραν πατρῴαν Exılvwv πέπτωχέ μοι."

ἄλλῳ δ᾽ ἐπεῖχε τόξ᾽, ὃς ἀμφὶ βωμέαν

ἔπτηξε χρηπῖδ᾽ ὡς λεληϑέναι δοχῶν. 985 φϑάνει δ᾽ τλήμων γόνασε προσπεσὼν πατρὸς

καὶ πρὸς γένδιον χεῖρα καὶ δέρην βαλών

„u φίλτατ᾽“ αὐδᾷ ,μή μ᾽ ἀποχτείνῃς, πάτερ᾽

σός εἶμι, σὸς παῖς, ov τὸν Εὐρυσϑέως ὀλεῖς."“

δ᾽ ἀγριωπὸν ὄμμα Γοργόνος στρέφων, 990 ὡς ἐντὸς ἔστη παῖς λυγροῦ τοξεύματος,

μυδροχεύπον μίμημ᾽ ὑττὲρ κάρα βαλὼν

ξύλον καϑῆχε παιδὸς ἐς ξανϑὸν xapa,

ἔρρηξε δ᾽ ὀστᾶ. δεύτερον δὲ παῖδ᾽ ἑλών,

χωρεῖ τρέτον ϑῦμ᾽ ὡς ἐπισφάξων δυοῖν. 995 ἀλλὰ φϑανει νιν τάλαιν᾽ ἔσω δόμων

μήτηρ ὑπεκλαβοῦσα καὶ κλήει πύλας.

δ᾽ ὡς ἐπ᾽ αὐτοῖς δὴ Κυκλωπίοισιν ὧν

σχάπτει μοχλεύεει ϑύρεερα, κἀκβαλὼν σταϑμὰ

δάμαρτα καὶ παῖδ᾽ ἑνὶ κατέστρωσεν βέλει. χἀνϑένδε πρὸς γέροντος Innevsı φόνον"

ἀλλ᾽ ἦλθεν εἰκών, ὡς δρᾶν ἐφαίνετο,

Παλλὰς κραδαίνουσ᾽ ἔγχος ἐπέλογχον χερὶ

κἄρριψε πέτρον στέρνον εἰς Ἡραχλέους,

ὃς νιν φόνου μαργῶντ᾽ ἐπέσχε κὰς ὕπνον 1005

911 χύχλω: em Wil 918 τόρ. ευμα C, τόρευμα P: C! restituerunt Dobree Matthiae 980 ὀρϑοστάδας 981 ἠλάλαζε Ο" 990 Γοργόνοστρέφων

995 dveiv C! 998 Κυχλωπείοισιν ἌΡ 1003 ἐπὲ λόφω χέαρ: em Canter 1005 μαργῶντος ἔσχε: em Nauck

ΒΡΑΚΛΗΣ. 35

καϑῆκχκε᾽ πίτνει δ᾽ ἐς πέδον, πρὸς κίονα

γῶτον πατάξας, ὃς πεσήμασι στέγης

διχορραγὴς ἔχειτο xonnidwy ἔπι.

ἡμεῖς δ᾽ ἐλευϑεροῦντες ἐχ δρασμῶν πόδα 1010 σὺν τῷ γέροντι δεσμὰ σειραίων βρόχων 1009 ἀνήπτομεν πρὸς κίον᾽, ὡς λύίξας ὕπνου

μηδὲν προσεργάσαιτο τοῖς δεδραμένοις.

εὗδει δ᾽ τλήμων ὕπνον οὐκ εὐδαίμονα,

παῖδας φονεύσας καὶ δάμαρτ᾽. ἐγὼ μὲν οὖν

οὐκ οἷδα ϑνητῶν ὅστις ἀϑλιώτερος. = 1015

ΧΟΡΟΣ.

φόνος ἣν ὃν Agyolig ἔχει πέτρα τότε μὲν περισαμότατος xal ἄπιστος Ἑλλάδι τῶν Δαναοῦ παέδων. τὰ δ᾽ ὑπερέβαλε, παρέ- Öpaue τὰ τότε καχὰ...... τάλανι διογενεῖ κόρῳ. “““»

μονοτέχνου Πρόχνης φόνον ἔχω λέξαι 1021 ϑυόμενον ἸΠούσαις" σὺ δὲ τέχνα τρίγον᾽, δάιε, τεκόμενος, λυσσάδι συγκατειργάσω μοέρᾳ. = >

τίνα στεναγμὸν 1025 γόον φϑιτῶν φδὰν τίν᾽ Al- δα χορὸν ἀχήσω; ““}»

φεὺ φεῦ" ἔδεσϑε, διάνδιχα χκλῇϑρα κλίγνεται ὑψιπύλων δόμων. 1080 ἰώ uoı‘ ἔδεσϑε δὲ τὰ τέκνα πρὸ πατρὸς ἄϑλια κείμενα δυστάγου ebdovzog ὕπνον δεινὸν ἐκ παίδων φόγου" περὶ δὲ δεσμὰ καὶ τεολύβροχ᾽ ἁμμάτων 1085 ἐρείσμαϑ᾽ Ἡράκλειον

1010.9 traiec. Pierson Reiske 1009 σειρεύων βρόχω: em Pierson Reiske

1016 πάτρα: em Hartung 1018 τό τὲ μέν C! ἄριστος: em Reiske

1020 rad’ 1023 zolyova τεχόμενος δαῖς: δάιε Canter, traiec. Wil 1025 καὶ Kirchhoff: ἐς (αἰαῖ Hartung) 1021 τίν᾽ Dobree Kirchhoff: τὸν

1032 δὲ τὰ Wil: ade πρὸς. em © 1034 ἐχποδών: em Dobree 8

36 EYPITIAOY

ἀμφὶ δέμας τάδε λαΐνοις ἀνημμένα xlocıy οἴκων. δ᾽ ὥς τις ὄρνις ἄπτερον καταστένων ὠδῖνα τέκνων, πρέσβυς ὑστέρῳ ποδὲ 1040 πικρὰν διώχων ἤλυσιν πάρεσϑ᾽ ὅδε. m >

ΑΜΦΙΤΡΥΩΝ.

Καὸμεῖοι γέροντες, οὐ σῖγα σῖγα τὸν ὕπνῳ παρδι- μένον ἐάσετ᾽ ἐχλαϑέσϑαε xaxwr. κατὰ σὲ δαχρίοις στένω, πρέσβυ, καὶ τέχεα καὶ τὸ xal- λένιχον κάρα. = > 1045

ἑκαστέρω πρόβατε, un κτυπεῖτε, un βοᾶτε, μὴ τὸν εὔδι᾽ ἰαύονθϑ᾽ ὑπνώδεά τ᾽ εὐνᾶς Eyelpere. 1050 οἴμοι φόνος ὅσος ὅδ᾽ aa διά μ᾽ ὀλεῖτε --- κεχυμένος ἐπαντέλλει. >

οὐκ ἀτρεμαῖα ϑρῆνον αἰάξετ᾽, γέροντες; Τ᾽ δέσμ᾽ ἀνεγδιρόμενος χαλάσας ἀπολεῖ πόλιν, 1055 ἀπὸ δὲ πατέρα, μέλαϑρά τὸ καταρρήξει. = >

ἀδύνατ᾽ ἀδύνατά μοι. σῖγα, πνοὰς μάϑω" φέρε πρὸς οὖς βάλω. --- εὕδει; --- ναί, εὕδει 1060 ὕπνον ἄυπενον ὀλόμενον, ὃς ἔκανε μὲν ἄλο- χον ἔχανε δὲ τέκδα songs: Ψψαλμῷ. [τοξεύσας] —— > |

στέναζέ νυν στενάζω. 1085 τέκνων ὄλεϑρον --- ἰώμοι. σέϑεν τε παιδός. --- αἰαῖ.

πρέσβυ σῖγα σῖγα"

1038 ἀνημμέν᾽ ἀμφὶ: em Elmsliey οἰκεῖν: em Brodaeus 1041 λύσιν»: em Canter 1046 χαλλίνεικον C! 1050 εὖ διαύοντα: corr. Reiske Kirchhoff

1052 διαμολεῖτε Χο add. Hermann κεχυμένον CO! ἐἐπαντέλλοι: corr. apogr. 1054 ἀτρεμέα αἰάζετ᾽: em Hermann 1055 μὴ (sed in rasıra CH καταράξη: καταρρήξῃ Hermann, em Pflugk 1061 ὕπνον ὕπνον: em Dobree μέν add Wil 1064 τοξεύσας del Madvig 1065—68 Χο. or. v. Aup. or. τ. ο. Χο ἰώμοι (ἰώμοιμοι P) o. τ. π. al. αὖ ne. Aug, o. o.: corr. Hermann

HPAKAHZ. 37

παλίντροπος ἐξαγνεγειρόμενος στρέφεται" φέρε, ἀπόκρυφον δέμας ὑπὸ μέλαϑρον κρύψω. 1010 ϑάρσει" νὺξ ἔχει βλέφαρα παιδὶ σῷ. “““ >

δὁρᾶϑ᾽ ὁρᾶτε. τὸ φάος ἐκλιπεῖν μὲν ἐπὶ κακοῖσιν οὐ φεύγω τάλας, ἀλλ᾽ εἴ μὲ κανεῖ πατέρ᾽ ὄντα, πρὸς δὲ χακοῖς καχὰ μήσεται 1075 πρὸς Ἐρινύσι 9’ αἷμα σύγγονον ἕξει τότε ϑαγεῖν σ᾽ ἐχρῆν, ὅτε δάμαρτι σᾷ φόνον ὁμοσπόρων ἔμελλες πράξειν περίκλυστον ἄστυ Ταφίων πέρσας. “““ > 1080

φυγὰν φυγᾶν, γέροντες, ἀποπρὸ δωμάτων διώχετε, φεύγετε μάργον ἄνδρ᾽ ἐπεγειρόμενον. τάχα φόνον ἕτερον ἐπὶ φόνῳ βαλὼν. ἀν᾽ αὖ βακχεύσει Καδμείων πόλιν. ““ > > 1085

Ζεῦ, τί παῖδ᾽ ἤχϑηρας ὧδ᾽ ὑπερκότως τὸν σόν, χαχῶν δὲ πέλαγος ἐς τόδ᾽ ἤγαγες;

ΗΡΑΚΛΗΣ. ἔα" ἔμπνους μέν εἶμι καὶ δέδορχ᾽ ἅπερ με δεῖ, αἰϑέρα τε καὶ γῆν τόξα ϑ᾽ Ἡλίου τάδε" 1000

ὡς ἐν κλύδωνι καὶ φρενῶν ταράγματι

πέπεωκα δεινῷ καὶ πνοὰς ϑερμὰς πνέω

μεκτάρσι᾽ οὐ βέβαια πνευμόνων ἄπο.

ἰδού, τέ δεσμοῖς ναῦς ὅπως ὡρμισμένος

“γεανέαν ϑώραχα καὶ βραχίονα 1095 πρὸς ἡμιϑραύστῳ λαΐνῳ τυκίσματι

ἧμαι, νεκροῖσι γείτονας ϑάχους ἔχων;

1069 ἐξεγεέρ.: em Hermann 107270 μὲν φάος ἐχλ. ἐπὶ: corr. Wil 1073 τάλας φεύγω: (ταὶ. 03 (non c), οὐ edit. Hervag. 1079 ἐπράξειν Ο' ἐχπράξειν CP: corr. Wil 1080 Ταφ. περ. ἄστ.: traiec. Wil 1081 φυγᾶ φυγᾶ: em Wakefield Wil

1084 add Wil 1085 avaßaxyevosı: em Nauck 1086 Herculis notem a v. 1089 huc revoc. Heath 1089 ἔμπους ΟΡ! 1098 πλευμόνων C* 1096 πρόσειμι ϑραυστῶ: em Elmsliey τειχίσματι: em Fix 1091 7 μὲν: em Musgrave ἔχω: em Musgrave

88 ΕΥ̓ΡΙΠΙΔΟΥ

πεερωτὰ δ᾽ ἔγχη τόξα τ᾽ ἔσπαρται πέδῳ πρὶν παρασπίζοντ᾽ ἐμοῖς βραχίοσιν ἔσῳζε πλευρὰς ἐξ ἐμοῦ τ᾿ ἐσῴζετο. 1100 οὔ που κατῆλθον αὖϑις εἰς “Αιδου πάλιν Εὐρυσϑέως δίαυλον ἐντολαῖς δραμών; ἀλλ᾽ οὔτε Σισύίφειον εἰσορῶ πέτρον, οὐ δώματ᾽ οὐδὲ σκῆπτρα Anuntgog κόρης. ἔκ τοι πέπληγμαι" ποῦ ποτ᾽ ὧν ἀμηχανῶ; 1105 on, τίς ἐγγὺς πρόσω φέλων ἐμῶν, δύσγνοιαν ὅστις τὴν ἐμὴν ἰάσεται; [σαφῶς γὰρ οὐδὲν olda τῶν εἰωθότων. AM. γέροντες, ἔλϑω τῶν ἐμῶν καχῶν πέλας; ΧΟ. κἀγώ γε σὺν σοί, μὴ προδοὺς τὰς συμφορᾶς. 1110 ΗΡ. πάτερ, τί κλαέεις καὶ συναμπίσχῃ κόρας τοῦ φιλτάτου σοι τηλόϑεν παιδὸς βεβώς; AM. τέκνον el γὰρ καὶ κακῶς πράσσων ἐμός. - πράσσω δ᾽ ἐγώ τι λυπρὸν οὗ δακρυρροεῖς; -- κἂν ϑεῶν τις, εἰ πάϑοι, καταστένοι. 1115 μέγας γ᾽ χόμπος, τὴν τύχην δ᾽ οὔπω λέγεις. ὁρᾷς γὰρ αὐτός, εἰ φρονῶν ἤδη κυρεῖς. ein’ εἴ τι καινὸν ὑπογράφῃ τὠμῷ βίῳ;

- καί σ᾽ εἰ βεβαίως εὖ φρονεῖς ἤδη σκοπῶ. 1121 παπαῖ, τόδ᾽ ὡς ὕποπτον ἠνέξω παάλεν. 11 εἰ μηκέϑ᾽ Audov βάχχος εἶ, φράσαιμεν ἄν. 1119 οὐ γάρ τε βαχχεύσας ys μέμνημαι φρένας. 1122

λύσω, γέροντες, δεσμὰ παιδὸς vi δρῶ; καὶ τόν γε δήσαντ᾽ εἴπ᾽" ἀναινόμεσϑα γαρ. τοσοῦτον ἔσϑι τῶν κακῶν" τὰ δ᾽ ἀλλ᾽ ἔα. 1135 ἀρκεῖ σιωπὴ γὰρ μαϑεῖν βούλομαι; 3 “- ic. ͵ , -- u Ζεῦ, παρ᾽ Ἥρας ae’ ὁρᾷς ϑρόνων τάδε; ἀλλ᾽ τι κεῖϑεν πολέμιον πεπόνϑαμεν; - τὴν ϑεὸν ἐάσας τὰ σὰ περιστέλλου κακά.

1098 δ᾽ Hermann: τ τ᾽ Canter: δ᾽ 1101 οὕπω: em Dindorf 1102 δίαυλον εἰς ἄιδου μολών: ἐντολαῖς Pierson, δραμών Wil 1103 πτερόν: em Brodaeus 1104 Πλούτωνα τ᾽ οὐδέ: em Wil 1108 del Wil 1110 προδῷς: em Stephanus 1115 ἀχανϑεὼν τις εἴπαϑ᾽ οἱ καταστένοι (στένει ΟἽ, correxit ipse): distinxit Canter 1119.21 traiec. Wil (1118.19 post 21 Nauck) 1119 un χαϑ᾽: em Canter ἐχῳράσαιμεν: em Musgrave 1126 ἀρχεῖ" σιωπή (σιωπῷ P) οὐ βούλομαι: em Heath

ΗΡΑΚΛΗΣ. 89

ἀπωλόμεσϑα᾽ συμφορὰν λέξεις τινα. 1130 ἰδού, ϑέασαι τάδε τέχνων πεσήματα.

οἴμοι" τίν᾽ ὄψιν τήνδε δέρκομαι τάλας;

ἀπόλεμον, παῖ, πόλεμον ἔσπευσας τέχνοις.

τί πόλεμον εἶπας; τούσδε τίς διώλεσεν;

σὺ καὶ σὰ τόξα καὶ ϑεῶν ὃς αἴτιος. 1135 τί φής; τί δράσας; κάκ᾽ ἀγγέλλων πάτερ.

μανείς" ἐρωτᾷς δ᾽ ἀϑλι᾽ ἑρμηνεύματα.

-- καὶ δάμαρτός εἰμ᾽ ἐγὼ φονεὺς ἐμῆς;

μιᾶς ἅπαντα χειρὸς ἔργα σῆς τάδε.

alal’ στεναγμῶν γάρ με περιβάλλει νέφος. 1140 τούτων ἕχατι σὰς καταστένω τύχας.

ποῦ δ᾽ οἵἷσερος ἡμᾶς ἔλαβε, ποῦ διώλεσεν; 1144 ὅτ᾽ ἀμφὶ βωμὸν χεῖρας ἡγνίζου τευρί. 1145

3 4 3 ᾿

γὰρ συνήραξ᾽ οἶκον ἐν βαχχεύμασιν; 114) οὐκ οἶδα πλὴν ἕν" πάντα δυστυχεῖ τὰ σά.

οἴμοι" τί δῆτα φείδομαι ψυχῆς ἐμῆς 1146

τῶν φιλτάτων μοι γενόμενος παίδων φονεύς, xoun εἶμι πέτρας λισσάδος πρὸς ἅλματα, φάσγανον πρὸς ἧπαρ ξξακοντίσας τέχνοις δικαστὴς αἵματος γενήσομαι, 1150 σάρχα τὴν νεᾶνιν ἐμπρήσας πυρί δύσκλειαν μένει μ᾽ ἀπώσομαι βέου; ἀλλ᾽ ἐμποδών μοι ϑανασίμων βουλευμάτων Θησεὺς ὅδ᾽ ἕρπει συγγενὴς φίλος τ᾽ ἐμός" ὀφθησόμεσϑα, καὶ τεκνοχτόνον μύσος 1155 ἐς ὄμμαϑ᾽ ἥξει φιλεάτῳ ξένων ἐμῶν. οἴμοι, τί δράσω; ποῦ κακοῖς ἐρημίαν εὕρω, πτερωτὸς κατὰ χϑονὸς μολών; φέρ᾽ ἀλλὰ πέπλων κρατὶ περιβάλω σκότον. αἰσχύνομαι γὰρ τοῖς δεδραμένοις κακοῖς 1160 καὶ τῷδε προστρόπαιον αἷμα προσβαλῶν. [οὐδὲν κακῶσαι τοὺς ἀναιτίους ϑέλω.]

1130 ἕξεις: em Brodaeus τίνα 1133 σπεύσας: em c 1144.5 traiec. Wil 1142 βάχχευσ᾽ ἐμὸν: em Wil 1146 δή γε: em Schaefer 1151 τὴν νεᾶνιν Wil: τὴν ἐμὴν 1156 φιλτάτων: em Reiske 1157 ποῖ: em Nauck χαχῶν: em Kirchhoff 1159 ἀλλὰ πέπλων Wecklein: ἄν τε σχότος {161 προσλαβών: em Wil 1162 del Wil

40 ΕΥ̓ΡΙΠΙΔΟΥ

ΘΗΣΕΥ͂Σ.

ἥκω σὺν ἄλλοις οἱ παρ᾽ ᾿Ασωποῦ ῥοὰς μένουσιν ἔνοπλοι γῆς ᾿44ϑηναίων κόροι σῷ παιδί, πρέσβυ, σύμμαχον φέρων δόρυ. 1165 κληδὼν γὰρ ἦλϑεν εἰς Ἐρεχϑειδῶν πόλιν ὡς σχῆἥπερα χώρας τῆσδ᾽ ἀναρπάσας Auxoc ἐς πόλεμον ὑμῖν καὶ μάχην καϑίσταται. είνων δ᾽ ἀμοιβὰς ὧν ὑπῆρξεν Ἡρακλῆς σώσας με νέρϑεν ἤλϑον, εἴ τι δεῖ, γέρον, 1170 χειρὸς ὑμᾶς τῆς ἐμῆς συμμάχων.

ἔα" τέ νεχρῶν τῶνδε πληϑύεε πέδον; οὔ που λέλειμμαι καὶ νεωτέρων καχῶν ὕστερος ἀφῖγμαι; τίς τάδ᾽ ἔκεεινεν τέχνα; ξένος γεγῶσαν τήνδ᾽ öpw ξυνάορον; 175 οὐ γὰρ δορός γε παῖδες ἵστανται πέλας, ἀλλ᾽ ἄλλο πού τι καινὸν εὑρέσχω κακόν.

AM. τὸν ἐλαιοφόρον ὄχϑον ἔχων ἄναξ ΘΗ. τί χρῆμά μ᾽ οἰκεροὶῖὶς ἐκάλεσας προοιμέοις; ἐπάϑομεν πάϑεα μέλεα πρὸς ϑεῶν. 1180 οὗ παῖδες οἵδε τίνος, ἐφ᾽ οἷς δακρυρροεῖς; ἔτεχε μέν νιν οὑμὸς ἷνις τάλας, κεχόμενος δ᾽ ἔχανε, φόνιον αἷμα τλάς. εὔφημα φώνει. --- βουλομένοισιν ἐπαγγέλλῃ. 1185 δεινὰ λέξας. οἰχόμεϑ᾽ οἰχόμεϑα πτεανοί.

&xaroyxepalov βαφαῖς ὕδρας. 1190 τί φής; τί δράσας; --- μαινομένῳ πιεετύλῳ πλαγχϑείς. 1188, 89

Ἥρας ὅδ᾽ ἀγών" εἰς δ᾽ ὅδ᾽ οὖν νεχροῖς, γέρον; 1119] ἐμὸς ἐμὸς ὅδε γόνος πολύπονος, ὃς ἐπὶ

1112 οὔπω τι fi. ε. οὕπω εἰ οὔτι): em Dindorf 1114 ἀφεῖμαι: em apogr. 1175 ξυνάορον P, συνάορον C 1177 τί που: em Wil 1178 ἄναξ add Hermann 1181 τένες: em Wil Wecklein 1182 νιν add Eimsley 1183 ἔχτανε: em Matthiae 1190 traiec. Wil 1191 ἀγών τίς δ᾽ ὅδ᾽ οὖν Reiske: εἰς δόλου 1192 ὃς add Canter

ΗΡΑΚΛΗΣ. 41

δόρυ γιγαντοφόνον ἦλϑεν σὺν ϑεοῖ- σι Φλεγραῖον ἐς πεδίον ἀστειστάς. φεῦ φεῦ" τίς ἀνδρῶν ὧδε δυσδαίμων ἔφυ; 1105 οὐκ ἂν εἰδείης ἕτερον πολυμοχϑότερον πολυ- πλαγκετότερόν τὸ ϑνατῶν. τέ γὰρ πέπλοισιν ἄϑλιον κρύπτει κάρα; αἰδόμενος τὸ σὸν ὄμμα καὶ φιλίαν ὁμόφυλον 1200 alua ze παιδοφόνον. ἀλλ᾽ ὡς συναλγῶν γ᾽ ἦλθον, ἐκκάλυπτέ νιν. τέκνον, πάρες ἀπ᾽ ὀμμάτων πέπλον, ἀπόδικε, ῥέϑος ἀελίῳ δεῖξον" 1205 βάρος ἀντίπαλον δαχρύοισιν ἁμιλλᾶται, ἱκετεύομεν ἀμφὶ σὰν γενειάδα καὶ γόνυ καὶ χέρα προσπέτνων πολύ τε δάκρυον ἐκβάλλων. la παῖ, κατάσχεϑε λέοντος ἀγρίου ϑυμόν, ὡς 1210 δρόμον ἐτεὶ φόνιον ἀνόσιον ἐξάγει, xaxa ϑέλων κακοῖς συνάψαι, τέκνον. “- >

ΘΗ. εἶεν" σὲ τὸν ϑάσσοντα δυστήνους ἕδρας αὐδῶ φίλοισιν ὄμμα δεικνύναι τὸ σόν. 1215 οὐδεὶς σκότος γὰρ ὧδ᾽ ἔχει μέλαν νέφος, ὅστις κακῶν σῶν συμφορὰν χρύψειεν ἄν. τί μοι προσείων χεῖρα σημαένεις φόβον; ὡς μὴ μύσος us σῶν βάλῃ τπρροσφϑεγμαάτων; οὐδὲν μέλεε μοε σύν γε σοὶ πράσσειν χκαχῶς" 1220 καὶ γὰρ ποτ᾽ εὐτύχησ᾽" ἐκεῖσ᾽ ἀνοιστέον, ὅτ᾽ ἐξέσωσάς μ᾽ ἐς φάος νεχρῶν πάρα. χάριν δὲ γηράσχουσαν ἐχϑαίρω φίλων καὶ τῶν καλῶν μὲν ὕστις ἀπολαύειν ϑέλει, συμπλεῖν δὲ τοῖς φίλοισι δυστυχοῦσιν οὔ. 1225 ἀνίστασ᾽, ἐκκάλυψον ἄϑλιον χάρα, βλέψον πρὸς ἡμᾶς. ὅσεις εὐγενὴς βροτῶν, T φέρει τὰ τῶν ϑεῶν γε πτωματ᾽ οὐδ᾽ ἀναίνεται. HP. Θησεῦ, δέδορκας τόνδ᾽ ἀγῶν᾽ ἐμῶν τέχνων;

1190 εἰδίης Οἱ 1202 εἰς συναλγοῦντ᾽ : em Wakefield 1206 δαχρύοις συναμ.: εἴα Ἠοδηη 1209 πολὺ Wil: πολιόν ἐχβαλών: εὰ Wil 1211 ὅπως: em Elmsley 1212 βρόμον: em Reiske 1216 ἰδ᾽ εἰ σκότους: em Canter 1218 φόνον: em Wil 1219 βαλεῖ

42 EYPIDIAOY

ἤκουσα καὶ βλέποντι σημαίνεις xaxa. 1230 τί δῆτά μου κρᾶτ᾽ ἀνεκάλυψας ἡλίῳ; εἰ δ᾽; οὐ μιαίνεις ϑνητὸς ὧν τὰ τῶν ϑεῶν. φεῦγ᾽, ταλαίπωρ᾽, ἀνόσιον μίασμ᾽ ἐμόν. οὐδεὶς ἀλάστωρ τοῖς φίλοις ἐκ τῶν φίλων. ἐπήνεσ᾽᾽" εὖ δράσας δέ σ᾽ οὐκ ἀναίνομαι. 1235 ἐγὼ δὲ πάσχων εὖ τότ᾽ οἰχτίρω σε νῦν. οἰκτρὸς γάρ εἶμι τἄμ᾽ ἀποκτείνας τέκνα. κλαίω χάρεν σὴν ἐφ᾽ ἑτέραισι συμφοραῖς. ηὗρες δέ γ᾽ ἄλλους ἐν κακοῖσε μείζοσιν; ἅπτῃ κάτωϑεν οὐρανοῦ δυσπραξίᾳ. 1240 τοιγὰρ παρεσχκευάσμεϑ᾽ ὥστε καὶ περᾶν. δοκεῖς ἀπειλῶν σῶν μέλειν τι δαίμοσιν; -- αὔϑαδες ϑεός, πρὸς δὲ τοὺς ϑεοὺς ἐγώ. ἔσχε στόμ᾽, ὡς μὴ μέγα λέγων μεῖζον πάϑης. γέμω καχῶν δή, κοὐκέτ᾽ ἔσϑ᾽ ὅπῃ τεϑῇ. 12 δράσεις δὲ δὴ τί; ποῖ φέρῃ ϑυμούμενος; -- ϑανών, ὅϑενπερ ἦλϑον, εἶμι γῆς ὕπο. - εἴρηκας ἐπιτυχόντος ἀνθρώπου λόγους. σὺ δ᾽ ἐκτὸς ὧν γε συμφορᾶς με γνουϑετεῖς. πολλὰ δὴ τλὰς Ἡρακλῆς λέγει τάδε; 1250 οὐκ οὖν τοσαῦτά γ᾽" ἐν μέτρῳ μοχϑητέον. εὐεργέτης βροτοῖσι καὶ μέγας φίλος; οἵδ᾽ οὐδὲν ὠφελοῦσί μ᾽, ἀλλ᾽ Ἥρα κρατεῖ. -- οὐχ ἂν σ᾽ ἀνάσχοιϑ᾽ Ἑλλὰς ἀμαϑίᾳ ϑανεῖν. -- üxove δή νυν, ὡς ἁμιλληϑῶ λόγοις 1255 πρὸς νουϑεεήσεις σὰς ἀναπτύξω τέ σοι ἀβίωτον ἡμῖν νῦν τε χαὶ πάροιϑεν ὃν. πρῶτον μὲν ἐκ τοῦδ᾽ ἐγενόμην ὅστις κτανὼν μητρὸς γεραιὸν πατέρα προστρόπαιος ὧν ἔγημε τὴν τεκοῦσαν Alxunvnv ἐμέ. 1260 ὅταν δὲ κρηπὶς un καταβληϑῇ γένους ὀρϑῶς, ἀνάγκη δυστυχεῖν τοὺς ἐχγόνους. Ζεὺς δ᾽, ὅστις Ζεύς, πολέμιόν μ᾽ ἐγείνατο Ἥρᾳ (σὺ μέντοι μηδὲν ἀχϑεσϑῆς, γέρον" πατέρα γὰρ ἀντὶ Ζηνὸς ἡγοῦμαι σὲ ἐγώ) 1265 1237 πάρειμι: em Reiske 1241 xal περᾶν Wil: κατϑανεῖν 1249 δ᾽

Wakefleld: γ᾽ 1251 ἐν Hermann: εἰ 1254 σ᾽ add Barnes 1256 vor- ϑεσίας: em Pierson

HPAKAHZ. 43

ἔτ᾽ ἐν γάλακτί τ᾽ ὄντε γοργωποὺς ὄφεις ἐπεισέφρηκε σπαργάνοισι τοῖς ἐμοῖς n τοῦ Διὸς σύλλεκτρος, ὡς ὀλοίμεϑα. ἐπεὶ δὲ σαρκὸς περιβόλαι᾽ ἐχτησάμην ἡβῶντα, μόχϑους οὕς ἔτλην τί δεῖ λέγειν; 1770 srolovg nor’ λέοντας πελωρίους Τυφῶνας Γίγαντας τετρασκελῆ κενταυροπληϑῆ πόλεμον οὐχ ἐξήνυσα; τήν τ᾿ ἀμφίκρανον xal παλιμβλαστῆ κύνα ὕδραν φονεύσας μυρίων τ᾽ ἄλλων πόνων 1275 διῆλθον ἀγέλας κἀς νεκροὺς ἀφικόμην, “Αιδου πυλωρὸν κύνα τρέχρανον ἐς φάος ὅπως πορεύσαιμ᾽ ἐντολαῖς Εὐρυσϑέως. τὸν λοίσϑιον δὲ τόνδ᾽ ἔτλην τάλας πόνον, παιδοκτονῆσας δῶμα ϑριγκῶσαι κακοῖς. 1280 ἥκω δ᾽ ἀνάγκης ἐς τόδ᾽" οὔτ᾽ ἐμαῖς φίλαις Θήβαις ἐνοικεῖν ὅσιον" ἣν δὲ χαὶ μένω, ἐς ποῖον ἱερὸν φέλων πανήγυριν εἶμ᾽; οὐ γὰρ ἄτας εὐπροσηγόρους ἔχω. ἀλλ᾽ Ἄργος ἔλθω; πῶς, ἐπεὶ φεύγω πάτραν; 1255 φέρ᾽ ἀλλ᾽ ἐς ἄλλην δή τιν᾽ ὁρμήσω πόλιν; κἄπειϑ᾽ ὑποβλεπώμεϑ᾽ ὡς ἐγνωσμένοε, γλώσσης πικροῖς κέντροισι κληδουχούμενοι »νοὐχ οὗτος Διός, ὃς τέκν᾽ ἔχτεινέν ποτε δάμαρτά τ᾽; οὐ γῆς τῆσδ᾽ ἀποφϑαρήσεταε;"“ 129 [κεχλημένῳ δὲ φωτὶ μακαρίῳ ποτὲ ; ai μεταβολαὶ λυπηρόν, δ᾽ αἰεὶ κακῶς ἔστ᾽, οὐδὲν ἀλγεῖ, συγγενῶς δύστηνος ὧν.] ἐς τοῦτο δ᾽ ἥξειν συμφορᾶς οἶμαί more‘ φωνὴν γὰρ ἥσει χϑὼν ἀπεννέπουσά μὲ 1295 μὴ ϑιγγάνειν γῆς καὶ ϑάλασσα μὴ περᾶν πηγαί ze ποταμῶν, καὶ τὸν ἁρματήλατον Ἰξίον᾽ ἐν δεσμοῖσιν ἐκχμιμήσομαι. [καὶ ταῦτ᾽ ἄριστα μηδέν᾽ “Ἑλλήνων μ᾽ ὁρᾶν,

1267 ἐπεισέφρησε 1271 πελωρίους Plutarch de fort. Alex. 110: τρισω- μάτους 1272 τετρασχελεῖς : em Reiske 1279 φόνον: em Reiske 1283 παν. φίλων: traiec, Nauck 1291—93. 99. 1300 del Wil (alii alia sustulerant)

1293 συγγενῶς Stob. 104, 4: συγγενῶν 1291 ἁρματηλάτην: em Musgrave 1299. 1300 sic C in marg., in textu und’ ἐν Ἑλλήνων βορᾶ ἐν τοῖσιδ᾽ εὖτ.

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HPAKAHZ. 45

καλὸς γὰρ ἀστοῖς στέφανος Ἑλλήνων ὕπο ἄνδρ᾽ ἐσθλὸν ὠφελοῦντας εὐχλείας τυχεῖν. 133 κἀγὼ χάριν σοι τῆς ἐμῆς σωτηρίας τήνδ᾽ ἀντιδώσω" νῦν γὰρ el χρεῖος φίλων. [ϑεοὶ δ᾽ ὅταν τιμῶσιν οὐδὲν δεῖ φίλων" ἅλις γὰρ ϑεὸς ὠφελῶν, ὅταν ϑέλῃ.] HP. οἴμοι, πάρεργα μὲν τάδ᾽ ἔστ᾽ ἐμῶν κακῶν" 1810 ἐγὼ δὲ τοὺς ϑεοὺς οὔτε λέκερ᾽ μὴ ϑέμες στέργειν νομέζω, δεσμά τ᾽ ἐξάπτειν χεροῖν οὔτ᾽ ἠξίωσα πώποτ᾽ οὔτε πείσομαι, οὐδ᾽ ἄλλον ἄλλου δεσπότην πεφυκέναι. δεῖται γὰρ ϑεός, εἴπερ ἔστ᾽ ὀρϑῶς ϑεός, 1345 οὐδενός" ἀοιδῶν οἵδε δύυστηνοι λόγοι. ἐσκεψάμην δὲ καίπερ ἐν κακοῖσιν ὧν μὴ δειλίαν ὄφλω τιν᾽ ἐχλιπὼν φάος" ταῖς ξυμφοραῖς γὰρ ὅστις οὐχ ὑφίσταται, οὐδ᾽ ἀνδρὸς ἄν δύναιϑ᾽ ὑποστῆναι βέλος. 1850 ἐγκαρτερήσω βίοτον" εἶμε δ᾽ ἐς πόλιν τὴν σὴν χάριν τὸ μυρίαν δώρων ἔχω" καὶ γὰρ πόνων δὴ μυρέων ἐγευσάμην, ὧν οὔτ᾽ ἀπεῖπον οὐδέν᾽ οὔτ᾽ ἀπ᾿ ὀμμάτων ἔσταξα πηγάς, οὐδ᾽ av φόμην ποτὲ 1855 ἐς τοῦϑ᾽ ἱκέσϑαι, δακρυ᾽ ἀπ᾽ ὀμμάτων βαλεῖν" γῦν δ᾽, ὡς ἔοιχε, τῇ τύχῃ δουλευτέον. εἶεν" γεραιέ, τὰς ἐμὰς φυγὰς δρᾷς, ὁρᾷς δὲ παίδων ὄντα u’ αὐϑέντην ἐμῶν" δὸς τούσδε τύμβῳ καὶ περίστειλον vexpovg 1360 δακρύοισι τιμῶν (ἐμὲ γὰρ οὐκ ἐᾷ νόμος) πρὸς στέρν᾽ ἐρείσας μητρὶ δούς τ᾿ ἐς ἀγκάλας, κοινωνίαν δύστηνον, ἣν ἐγὼ τάλας διώλεσ᾽ ἄκων. γῇ δ᾽ ἐπὴν κρύψῃς νεκρούς, οἴκει πόλιν τήνδ᾽, ἀϑλίως μέν, ἀλλ᾽ ὅμως 1365 ψυχὴν βιάζου τἀμὰ συμφέρειν κακά. w τέκν᾽, φύσας καὶ τεχιὺν ὑμᾶς πατὴρ

1338. 39 del Nauck 1340 μὲν add ed Brubach. 1345 ὀρϑῶς Clemens str. 5 p. 691: ὄνεως CP cum Plutarcho de stoic. repugn. 40 1346 ἀοιδῶν Clem. et Plut.: ἀοιδῶν δ᾽ 1351 βίοτον Wil: ϑάνατον 1352 μυρίων: em Wakefield 1353 χαί γαρ Wil: ἀτάρ 1354 οὐδέν 1362 ἀγγάλας 1364 ἐπὰν 1367 χαὶ τεχών C! χω C*P: em Wil

46

ΘΗ.

ΕΥ̓ΡΙΠΙΔΟΥ

ἀπώλεσ᾽, οὐδ᾽ ὥνασϑε τῶν ἐμῶν καλιῦν, ἀγὼ παρεσκεύαζον ἐκμοχϑῶν βίου

εὔκλειαν ὑμῖν, πατρὸς ἀπόλαυσιν καλήν. σέ τ᾽ οὐχ ὁμοίως, τάλαιν᾽, ἀπώλεσα ὥσπερ σὺ τἀμὰ λέκτρ᾽ ἔσῳζες ἀσφαλῶς, μαχρὰς διαντλοῦσ᾽ ἐν δόμοις οἰχουρίας. oiuoı δάμαρτος καὶ τέχνων, οἴμοι δ᾽ ἐμοῦ, ὡς ἀϑλίως πέπραγα κἀποζεύγνυμαι

τέχνων γυναικός τ᾽" λυγραὶ φιλημάτων τέρψεις, λυγραὶ δὲ τῶνδ᾽ ὅπλων κοινωνίαι. ἀμηχανῶ γὰρ πότερ᾽ ἔχω τάδ᾽ μεϑῶ,

πλευρὰ τἀμὰ προσπίενοντ᾽ ἐρεῖ τάδε “ἡμῖν τέκν᾽ εἶλες καὶ δάμαρϑ᾽" ἡμᾶς ἔχεις παιδοκτόνους σούς." εἶτ᾽ ἐγὼ τάδ᾽ ὠλέναις οἴσω; τέ φάσκων; ἀλλὰ γυμνωϑεὶς ὅπλων, ξὺν οἷς τὰ κάλλιστ᾽ ἐξέπραξ᾽ ἐν Ἑλλάδι, ἐχϑροῖς ἐμαυτὸν ὑποβαλὼν αἰσχρῶς ϑάνω; οὐ λειπτέον ταδ᾽, ἀϑλίως δὲ σῳστέον.

ἕν μοί τε, Θησεῦ, σύγκαμ᾽" ἀγρίου κυνὸς κόμιστρ᾽ ἐς Apyog συγκατάστησον μολών, λύπῃ τι παίδων μὴ πάϑω μονούμενος.

γαῖα Kaduov πᾶς ve Θηβαῖος λεώς, κείρασϑε, συμπενϑήσατ᾽, ἔλϑετ᾽ ἐς τάφον παίδων, ἅπαντας δ᾽ ἑνὶ λόγῳ πενϑήσατε ψεχρούς τε κἀμέ᾽ πάντες ἐξολωλαμεν Ἥρας μιᾷ πληγέντες ἄϑλιοι τύχῃ. ἀνέστασ᾽, δύστηνε᾽ δακρύων δ᾽ ἅλις. οὐκ ἄν δυναίμην᾽ ἄρϑρα γὰρ πέπηγέ μου. καὶ τοὺς σϑένοντας γὰρ χαϑαιροῦσιν τύχαι. φεῦ" αὐτοῦ γενοίμην πέτρος ἀμνήμων καχῶν. παῦσαι" δίδου δὲ χεῖρ᾽ ὑπηρέτῃ φίλῳ. ἀλλ᾽ αἷμα μὴ σοῖς ἐξομόρξωμαε πέπλοις. ἔχμασσε, peldov μηδέν᾽ οὐκ ἀναίνομαι. παίδων στερηϑεὶς παῖδ᾽ ὅτιως ἔχω σ᾽ ἐμόν. δίδου δέρῃ σὴν χεῖρ᾽, δδηγήσω δ᾽ ἐγα.

1370

1375

188

13855

139

1460

1369 ἐκ μόχϑων: em Reiske βίᾳ: em Dobree 1370 ἀπόλλυσιν: em 1377 δὲ Hermann: ze 1386 «9Alov: em Wil 1391 ἅπαντες: em Dobree Hermann :1393 ἀϑλίῳ: em Nauck

Canter

AM. HP. OH. HP.

AM.

ΧΟ.

ΠΡΆΚΛΗΣ. 47

ζεῦγός γε φίλιον" ἅτερος δὲ δυστυχίς. πρέσβυ, τοιόνδ᾽ ἄνδρα χρὴ κτᾶσϑαι φίλον. n γὰρ τεχοῦσα τόνδε πατρὶς εὔτεκνος. 1405 Θησεῦ, πάλιν us στρέψον, ὡς idw τέκνα. ὡς δὴ τὸ φίλτερον τοῦτ᾽ ἔχων ῥᾳφων ἔσῃ; ποϑῶ, πατρός τε στέρνα προσϑέσϑαι ϑέλω. ἰδοὺ τάδ᾽, παῖ" τἀμὰ γὰρ σπεύδεις φίλα. οὕτως πόνων σῶν οὐκέτι μνήμην ἔχεις; 1410 ἅπαντ᾽ ἐλάσσω κεῖνα τῶνδ᾽ ἔτλην xaxd. εἴ σ᾽ ὄψεταί τις ϑῆλυν ὄντ᾽, οὐχ αἰνέσει. ζῶ σοε ταπεινός; ἀλλὰ πρόσϑεν οὔ, δοκῶ. ἄγαν γ᾽ κλεινὸς Ἡρακλῆς οὐκ el νοσῶν. σὺ ποῖος ἦσϑα νέρϑεν ἐν κακοῖσιν ὦν; 1415 ws ἐς τὸ λῆμα παντὸς ἦν ἥσσων ἀνήρ. πῶς οὖν ἔμ᾽ εἶπας ὅτι συνέσταλμαι καχοῖς; πρόβαινε. HP. χαῖρ᾽, πρέσβυι AM. καὶ σύ μοι, τέκνον. ϑάφϑ᾽ ὥσπερ εἶπον παῖδας. --- ἐμὲ δὲ τίς, τέχνον; ἐγώ. πότ᾽ ἐλθών; ἡνίκ᾽ ἄν ϑάψῃς τέκνα 1420 καὶ σὲ eis ϑήνας πέμψομαι Θηβῶν ἄπο. ἀλλ᾽ ἐσκόμιζε τέχνα, δυσκόμιστ᾽ ἄχη. ἡμεῖς δ᾽ ἀναλώσαντες αἰσχύναις δόμον Θησεῖ πανώλεις ἑψόμεσϑ᾽ ἐφολκίδες. ὅστις δὲ πλοῦτον σϑένος μᾶλλον φίλων 1425 ἀγαθῶν τιεπᾶσϑαι βούλεται, κακῶς φρονεῖ. > στείχομεν οἰκεροὶ καὶ πολύκλαυτοι, τὰ μέγιστα φέλων ὀλέσαντες. 3

1403 γε Reiske: de 1404 paragraphus praefixa C 1407 ro Wil: τι

1408 ve Musgrave: γε 1410 personae nota deest C, deinde paragraphi usque

ad 1421, nisi quod 11 et 19—21 Herculis nota adest, 1412 aup. 1412 εἰσόψεται ὄντα χοὺὐχ ἂν αἰνέσῃ: em Musgrave 1413 προσϑεῖναι doxw: em Iacobs

1414 ποῦ χεῖνος ὧν: em Wil (νοσῶν Musgrave Jacobs) 1415 ἧς ἄν: em Her-

mann 1417 ἔτ᾽ einng: em Wil 1418 πρόσβαινε: emReiske 1421 πῶς

He. εἰς A.:

em Wil 1422 δυσχόμιστα γῆ: em Wil

- - ---.αφὠω in -«“ π΄ .

COMMENTAR,

Des äufsere Ein attisches drama ist für eine bestimmte gelegenheit gedichtet, führung. das Dionysosfest. an einem bestimmten orte, auf heiligem boden, ange- sichts eines bestimmten publicums, des souveränen volkes und seiner gäste, in einer bestimmten herkömmlichen weise wird es aufgeführt werden. das weils der dichter voraus und damit rechnet er. dem modernen leser liegt es also ob, sich mit der phantasie an den ort in die zeit und in die empfindung zu versetzen, mit der der Athener am festtag in den heiligen bezirk des gottes gieng; losmachen mufs er sich von allem modernen und dafür die voraussetzungen, die für den alten dichter und zuschauer gleichermafsen bestanden, ohne arg und ohne zwang mitmachen. Am schwersten ist das mit der stimmung zu leisten, und die mah- nung des erklärers kann am wenigsten dazu tun, sie im leser zu erzeugen: er selbst wird sie haben, wenn er zu seinem geschäfte beruf hat. es ist religiöse stimmung. “das liebliche fest ist gekommen, es grünen und blühen feld und wald; auf hügeln und höhn, in büschen und hecken üben ein fröhliches lied die neuermunterten vögel. jede wiese sprolst von blumen in duftenden gründen, festlich heiter erglänzt der himmel und farbig die erde.” der gott ist wieder da, der jedes hochgefühl des lebens weckt, der die menschenseelen befreit und entzückt und beseligt. er ist auch ein strenger, furchtbarer gott; er weils auch des menschen bestes teil, das grauen und den schauder, auf die seele zu senken; auch die nacht und den tod durchdringt sein hauch: aber heute waltet die lichtseite vor. das fest ist minder heilig und frommer schauer voll als das blumenfest, das einen monat früher begangen ist. es wendet sich minder an das einzelne herz, gar nicht an die familie, wie jenes auf- erstehungsfest des frühlings und der lieben, die man hinabsenkte zum winterschlafe im kalten grabe: es wendet sich dafür an die grofse gemein- schaft des volkes. eine stiftung des Peisistratos ist dieses Dionysoslest, noch höher gehoben durch das freie Athen. und neben, auch wol vor der rein religiösen stimmung hebt ein in wahrheit auch religiös empfun- dener patriotismus die herzen.

Das äufsere der aufführung. 49

Ist doch der hauptact des festes, der feierliche zug, welcher das bild des Dionysos von Eleutherai aus der vorstadt in den heiligen bezirk

‘südlich der burg trägt, zugleich eine schaustellung der macht des atti-

schen Reiches. da schreiten von allen attischen colonien die festgaben und festgesandten einher, sowol von den wirklichen tochterstädten in Thrakien und auf den Inseln, wie von den grofsen und kleinen Reichs- städten, die so weit sie ionisch sind, durch geschichtliche fiction für colonien gelten, so weit sie andern stammes sind, als colonien behandelt werden. da werden die überschüsse des Reichsschatzes aus dem letzten jahre, werden vermutlich auch die von den festdeputationen mitgebrachten jährlichen tribute einhergetragen: die macht des Reiches stellt sich ohne scheu in dem dar was sie bedingt, den γεῦρα τῶν πραγμάτων. und wenn sich in dem heiligen bezirke die gäste und die würdenträger des staates auf die bänke niedergelassen haben, das volk sitzt oder steht, wie es gerade kommt, so ist die gemeinde versammelt. das gilt rechtlich; denn der herold ist da, und wenn er eine verordnung ausruft, eine belohnung, die einem einzelnen geworden, verkündet, so hat das abschliefsende gültigkeit. auch der einzelne bürger kann verkünden oder verkünden lassen, dafs er einen sclaven frei läfst: die gemeinde ist zeuge und der mann ist frei. aber auch tatsächlich ist das volk zur stelle: da sitzt der rat, die eigent- lich regierende körperschaft; die leute haben als abzeichen nur den myrten- kranz im har, und mancher trägt selbst am festtag den einzigen schäbigen rock, den er besitzt: aber er hat das stolze bewufstsein, herr zu sein. und daneben sitzen die ofliziere in ihren roten mänteln, und die priester, und die 9 beamten, an ihrer spitze heute nicht der könig, sondern der jahr- beamte, der das spiel ausgerichtet hat, mit der vom rate und volke gesetzten festcommission. da werden auch die preisrichter sitzen wir wissen nicht, wie sie bestellt wurden, noch worauf man bei ihrer bestellung sah. den ehrenplatz aber hat der priester des gottes, bei dem das volk zu gaste ist: und das volk liest die freundschaft seines gottes in dem pur- purnen gesichte’). die zeit ist nun freilich vorbei, wo der gott oder der staat die pflichten des gastgebers auf sich nahm, und knaben mit körben voll backwerk und wein durch die reihen der zuschauer giengen?). dazu ist jetzt die vieltausendköpfige versammlung zu grofs. gleichzeitig sind die spiele immer mehr ausgedehnt worden. man kann nicht wol wie ehedem gefrühstückt erst zu dem gotte gehn, so wenig wie in die volksversammlung ;

1) Schol. Arist. Frö. 308. Hesych ἑδρεὺς Διονύσου. 2) Philochoros bei Athen. ΧΙ 464. in der komödie kam verteilung von nasch- werk auch später vor, wie noch Aristophanes Wesp. 59 bezeugt. v. Wilamowlız 11. 4

δ0 Commentar,

einen leib brotes, ein par zwiebeln knoblauchknollen oder sonst einen imbils nimmt man mit; sonst heifst es lange stunden hungrig musik hören. und so geht es mehrere tage vom frühesten morgen an. denn das leben hat einen andern zuschnitt als in unserer zeit, wo gas und glühlicht die natur verkehrt: wie zu jeder volksversammlung, ruft auch zu dieser, ins theater, Eos, wenn sie aufsteigt, nicht wenn sie sinkt.

Das theater aber, was ist es? das dach ist das himmelszelt, die er- leuchtung besorgt die gottessonne, und wer nicht auf einer der holzbänke einen platz findet, sei es als ehrengast, sei es für geld, der sitze auf dem felsen Athenas. der abhang ist geräumig, und zu sehen und zu hören ver- mag der Athener: augen und ohren sind wacker. drunten aber ist ein kreisrunder gepflasterter platz, da werden sie tanzen; und dahinter ist ein hölzernes gerüste, hoch genug den schall zurück zu werfen, hemalt als facade eines hauses, und ein altar ist davor; vielleicht steht er auf einer estrade, einige stufen über dem in diesem falle nicht benutzten tanzplatz. das mag sein wie es wolle; es kommt wenig darauf an. die harrenden zuschauer sind es gewohnt, dafs hinten ein haus steht. wo sie es zu denken haben, in Theben oder Troia oder im Hades, wissen sie noch nicht, aber sie denken wie Hamlet, schauspieler können nichts geheim halten, warten wir bis sie’s ausplaudern; auch wem der altar gehört, werden wir dann erfahren. iheaterzettel fehlen, aber das weils man, dafs Euripides heute den Herakles auf die Bühne bringt, dafs der reiche so und so aus dem demos N. N. die choregie besorgt: der wird’s nicht an sich fehlen lassen. und auch die schauspieler, wenigstens den pro- tagonisten, kennt man: auch der kämpft um einen preis wie der dichter und chorege. auch den chor hat man schon gesehen; beim proagon, ein par tage vorher, im odeion hat er sich vorgestellt; aufserdem sind’s ja bürgersleute selbst, wahrscheinlich aus der phyle des choregen, und ihre vettern gevattern und nachbarn sind mit unter den zuschauern, sitzen neben denen der concurrirenden chöre: es haben viele ihr per- sönliches kleines interesse an dem wettkampfe, das freilich kein poe- tisches ist, aber das spiel erst recht zum volksspiel macht. und dann geht auch der streit um die poesie durch das publicum. da sind die jungen, die Thrasymachos und Prodikos gehört haben und auf Euri- pides schwören, aber sie sind die minorität; die älteren und gar die greise, die ihrem jugendgenossen Euripides nie verziehen haben, dafs er mit ihnen nicht schritt halten wollte, schauen unwillig darein. nun gar heute, wo ein Herakles aufgeführt werden soll. das ist unerhört: soll der dorische fresser gar ernsthaft genommen werden: wir sind doch

Das äufsere der aufführung. δ1

nicht in Sparta. oder gibt es wieder ein skandalon, wie mit Aiolos und Bellerophontes

Doch die phantasie versagt: ihr spiel mülste leer und trüglich werden. wer sich nicht selbst täuscht, sei es mit den seifenblasen [reier fiction, sei es mit den dunstigen bildern, die die modernen aus 1000 citaten, die nichts beweisen, mühsam zusammengequalmt haben, der mufs gestehen, dals er eigentlich nicht weils, wie eine tragoedie gespielt ward.

Gleich den anfang weils er nicht: wie kamen die personen an ihren platz, den sie beim beginn des dramas einnehmen ? doch wol vor den augen der zuschauer? wann hatte also die illusion des publicums nicht mehr schau- spieler und lanzplatz, sondern Amphitryon und Theben zu erblicken? und so läfst sich denn auch über die ausstattung wenig mehr als allgemeinheiten sagen. denn das muls streng festgehalten werden: grammatikerzeugnisse schauspielerstatuen reliefs mosaiken u. s. w. gehen die zeit der grolsen dichter nichts an. das bezieht siclı alles auf eine praxis, die sich zwar auf grund der altattischen entwickelt hat, aber mit dieser nun und nimmer identificirt werden darf. wenn wir ein tragisches vasenbild finden wie die Neapler satyrvase, dann mag man sehen, was von jenen späteren dar- stellungen, bildlichen und schriftlichen, verwendbar ist: zunächst ist nicht- wissen besser.

Das ist ja sicher, die schauspieler und tänzer trugen masken und erstere wenigstens waren durch kleidung, frisur und beschuhung mög- lichst in das übermenschliche gesteigert. auch ihr costüm entsprach nicht dem leben, wie es war, sondern wie es zwei menschenalter früher gewesen war. wie in der tracht der musiker, hatte sich auch hier die archaische, prächtige, uns zuerst so unhellenisch anmutende tracht ge- halten. wie die frauenbilder, die aus dem schutte des alten Poliasheilig- tums emporgestiegen sind, nicht wie die korbträgerinnen des neuen tem- pels haben wir uns Antigone zu denken. Amphitryon, Megara, Lykos hat der dichter nicht charakterisirt, weil sie die typen von greis, frau, könig tragen. wir können nur die kleinigkeit sicher sagen, dafs der könig einen grünen mantel trug.”) Iris ist ein geflügeltes junges weib in langem gewande; als güötterbotin kennzeichnet sie der heroldstab.‘) Lyssa ist vom dichter beschrieben. ein schauerliches, abschreckendes

3) Arist. Ritt. 1406 mit schol.

4) Wie man sie sich dachte, lehrt die schale des Brygos (Mon. d. Iust. IX 46), welche einen stoff darstellt, den nachmals Achaios in einem satyrspiel behandelt hat; wir kennen ihn nicht. sie hält hier keinen stab, was in der geschichte be- gründet gewesen sein wird. auf der Francoisvase hat sie ihn.

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53 Commentar.

antlitz, schlangenhar, in der hand den stachel: nicht wie der edle stil der attischen Akteonvase, noch auch wie der sentimentale Hellenismus des Assteas sie bildet, sondern wie die scheusäler der schwarzfigurigen vasen, wenigstens annähernd, ist sie zu denken. auch den Herakles beschreibt der dichter. er ist bärtig (934) trägt ein langes prachtvolles gewand, mit dem er sich das haupt verhüllen kann (959. 1159), köcher und bogen hängen an der seite, die hand führt die keule. die löwenhaut wird zwar im chorlied erwähnt, aber nicht an dem gegenwärtigen helden: sie ist nicht anzunehmen, denn auch die andern dramen, in welchen er vor- kommt, erwähnen sie nicht. der Herakles der Neapler satyrvase hat sie zwar wie eine kurze chlamys um den arm geschlungen, trägt aber einen harnisch und darunter nur einen kurzen chiton, was in dem besonderen stoffe des bestimmten gedichtes liegen mufs. dafs die maske des Herakles schon conventionelle züge trug, ist möglich; nur denke man nicht an den uns geläufigen typus, der erst von Lysippos geschaffen ist. sicher ist, z. b. durch die Alkestis, dafs das publicum Herakles erkannte, auch ohne dafs sein name genannt ward. dasselbe gilt von Theseus, wie z. b. Hik. 87 zeigt, und hei einer in Athen so häufigen figur ist das viel weniger zu verwundern, als dafs es Theseus in der bildenden kunst über- haupt zu keinem typus gebracht hat: wie er auf der bühne erschien, ist ganz unbekannt. feste figur ist auch der bote; das zeigt seine ein- führung hier wie sonst oft; aber auch sein costüm kennen wir nicht. der chor endlich ist nicht anders gekleidet zu denken als die attischen greise oben im zuschauerraum. den einzigen schmuck bilden die kränze (677), die nicht die kampfgenossen des Amphitryon, sondern die attischen tänzer am Dionysosfest tragen: also ein sinnfälliger bruch der illusion. sie haben den langen mantel um (123), wie die Athener, und führen lange stücke wie jene. schon diese tracht verbietet bei dem tanze an irgend welche balletsprünge zu denken, gesetzt auch die attische εὐσχη- μοσύνη würde sie an solchen personen ertragen. aufserdem kommen zur verwendung etliche statisten, die bewaffneten begleiter des Lykos, die öfter erwähnt werden, und solche sind auch im gefolge des Theseus anzunehmen, denn ohne begleitung treten fürsten nicht auf, weil der ansehnliche attische bürger und seine frau es auch nicht tun. für die statisten hatte der chorege gewohnheitsmälsig zu sorgen®). aufserdem hat er dem Euripides diesmal eine “extraleistung’ (napayopnynua) ge-

5) Hippokrates νόμος, ungebildete ärzte sind gleich τοῖσε παρεισαγομένοισι προσώποισιν ἐν τῆσε τραγῳδίησιν" ὡς γὰρ ἐκεῖνοι σχῆμα μὲν καὶ στολὴν καὶ πρόσω- πον ὑποκχριτοῦ ἄχουσιν, οὐκ εἰσὶ δ᾽ ὑποκριταί, οὕτω κτό.

Das äufsere der aufführung. 63

stattet: die drei knaben, welche die Herakleskinder darstellen. sie mulsten freilich für das stumme spiel ordentlich einexercirt sein, aber attische jungen werden sich für die ehre und das vergnügen und allenfalls etliche getrocknete feigen genug bereit gefunden haben.

Die darstellung erfordert keine besonderen scenischen mittel. die götlinnen erscheinen auf einem balcon oben an der hinterwand, den die zuschauer als “in der luft” so willig gelten lassen wie den schauplatz als Kadmeia, der vielleicht in zwei stunden Larisa sein wird. wenn nicht ausdrücklich gesagt wäre, dafs die erscheinung über dem dache sich be- finde, so könnte man eben so gut die göttinnen auf die bühne kommend denken, wie es noch in Alkestis und Hippolytos geschieht: offenbar ist dieser götterplatz erst eine erfindung der zwanziger jahre, im gefolge des maschinengottes aufgekommen: denn die flugmaschine, die Aischylos so oft anwendet, auf der noch Medeia abfährt, darf damit nicht verwechselt werden.

Seit alten zeiten herkömmlich ist das ekkyklema. der chor sagt 1098, es würden die türen aufgetan, und gleich darauf erscheint dem zuschauer Herakles in mitten der verwüstung, die er auf dem hofe angerichtet hat. man darf nicht glauben, dafs lediglich eine grofse tür geöffnet würde: in diesem falle würden alle zu weit seitlich sitzenden zuschauer nichts sehen, auch würde dann Amphitryon nicht nebenher auftreten, sondern im hause sein, und Theseus müsste gar drinnen mit Herakles verhandeln. das reden vom öffnen der türe ist vielmehr eine conventionelle bezeichnung für das “herausrollen’, das die komödie nakt bezeichnet. aus der hinter- wand wird ein gestell vorgeschoben, auf welchem die notwendigen per- sonen und requisiten vorher angemessen gruppirt sind; es bleibt bis zum schlusse des dramas sichtbar, wo es mit Amphitryon (statt Herakles) hinein- gerollt wird. es war also keineswegs sehr grols. so hat die damalige maschinenkunst das problem gelöst, eine scene innerhalb des hauses dar- zustellen, und so viel wir wissen hat man sich dabei beruhigt, ohne irgend anstofs zu nehmen; noch des Demophilos Onagos hat in der schlufsscene davon gebrauch gemacht; ob auch der übersetzer, will ich nicht ent- scheiden.

Es ist wenig was wir wissen; aber 68 genügt, um klar zu stellen, dafs die darstellung für uns etwas fremdartiges, steifes, sagen wir es nur, etwas barbarisches haben würde. wenn man aber die fremdartig- keit überwände (und man vergilst wol nur, dafs man das gegenüber den archaischen köpfen und den vasenbildern des Euphronios auch hat tun müssen, die doch die incarnation des echten Athenertums sind),

δ4 Commentar.

so würde der eindruck der des tiefsten religiösen ernstes sein, elwa wie Masaccio heilige geschichten erzählt. die gewaltige dramatische kraft steckt selbst in der sprache hinter der hülle einer conventionellen stilisirung, durch welche viele flüchtigere betrachter nicht dringen. alle diese hüllen mufs der erklärer oder übersetzer beseitigen: dann wird erst recht deut- lich, wie wenig diese poesie gealtert ist. sie würde mit modernen mitteln behandelt auch jetzt auf der bühne überwältigend wirken nur die ekelhafte nachahmung nichtsnutziger äulserlichkeiten, das archaeologische zwitterwesen in verbindung mit stumpfsinnigen übersetzungen “in den versmafsen der urschrift’ oder noch schlimmer gestümpertem griechisch verekelt sie gründlich, wenigstens für jeden gesunden menschen. zum futter für bildungsphilister sollte das Dionysische spiel zu schade sein. τὰ ἱρὰ ἐόντα πρήγματα ἱροῖσιν ἀνθρώποισι δείκνυται, βεβήλοισε δὲ οὐ ϑέμις πρὶν τελεσϑέωσιν ὀργίοισιν ἐπιστήμης.

Erster auftritt, prolog 1---10θ.

Rede Am- Euripides hat sich für die expositionsscenen seiner tragödien ganz phltryone. poste regeln gebildet, die schon in der Alkestis gelten und, so viel be- kannt ist, keine ausnahme erleiden. er beginnt die handlung niemals schon im prolog, d. h. der scene, welche dem einzuge des chores vor- hergeht (wie Soph. in Ant. O T.), teilt aber in ihm dem publicum ganz ausführlich die voraussetzungen mit, die er für sein drama macht. aulser- dem nennt möglichst in den ersten versen die redende person sich und den ort der handlung, beides mit zufügung des pronomens öde (v. 3. 4). getrieben hat den Euripides zunächst kunstsinnige überlegung: er hat den begriff der exposition als eines intregrirenden teiles des dramas scharf gefalst und, äbnlich wie die gleichzeitige rhetorik die teile der rede, ganz rein herausarbeiten wollen. ferner verschmähte er in ebenso bewufster weise die gemeine spannung des publicums zu erregen, die nur in der neugier besteht, was wird daraus: der zuschauer soll nicht weniger wissen als die handelnden personen, sondern mehr. er hat darin ganz wie Lessings theorie geurteilt, nicht wie Lessings praxis: der ἀναγνωρεσ- uog des Nathan würde nicht so ganz abfallen, wenn der zuschauer durch einen prolog unterrichtet wäre, in wie naher beziehung Nathan, Tempel- herr, Saladin, Klosterbruder stünden. so weit hat also Euripides ganz recht. aber die ausführung ist der manier verfallen und hat den spott des Aristophanes mit recht erfahren. indessen ist auch diese manier nur die ausartung eines berechtigten strebens, Euripides wählte oft sehr

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vers 1—10. bB

wenig bekannte stoffe und sprang noch öfter mit den überlieferten ge- schichten sehr willkürlich um. folglich mufste er sehr viel erzählen. so ist hier die person des Lykos seine erfindung, angeknüpft an einen tyrannen gleichen namens, der in der Antiopesage vorkam, auf welche deshalb 29 verwiesen wird. das mufste also erzählt werden, aber die vorhergehenden geschichten sind die vulgata und bedurften diese breite nicht. besonders schleppend wird der eingang durch die häufung des relativischen anschlusses ὃν 2, ὃς 4, ἔνϑα 4, ὧν 5, οἵ 6, ἔνϑεν 7. in- des sind sie nicht alle dem τές οὐκ οἶδεν untergeordnet, denn allbe- kannt ist nur Amphitryons name, weil er mitgalte des Zeus ist. das andere wird erzählt. also beginnt mit 4, genau da wo das local ge- nannt wird, der zweite satz, und in diesem konnte Amphitryon von sich nur in erster person reden. auch wirkt die declamation belebend: denn nur die ersten drei verse können als frage gesprochen werden. 1 Bei der häufigen treunung der ehen, der regelmäßigen, oft testamen- tarisch bestimmten wiederverheiratung der wittwen ist das verhältnis des σύλλεχτρος σύγγαμος (149) ξυγγεννήτωρ παίδων ein pietätsverhältnis geworden. so falst es nicht blofs Sophokles (0. T. 253), sondern selbst Platon (Ges. 874°). auch Tyndareos wird in ehrerbietung Ζηνὸς öyo- λεκερον κάρα angeredet (Or. 476). seltener begegnet das unter frauen, doch steht σύγγαμος Andr. 836, wo ein edles wort gesucht wird. 5 σταχῦς: die u-stämme haben im nom. und acc. die länge noch viel- fach in der tragoedie bewahrt. im leben war die kürze in den mehr- sylbigen wörtern ganz, in den zweisylbigen fast ganz durchgedrungen, so dafs die späteren an der alten echten messung anstols nahmen. 7 τεκνοῦν gewöhnlich zeugen’; aber auch ganz normal “mit kindern ver- sehen’, also im passiv “nachkommenschaft haben’, A. Ag. 752, E. Phoin. 868 Laios ἐτεχνώϑη, schol. πεατὴρ ἐγένετο. zu dieser stelle stimmt noch genauer die tragische glosse sexvwosı" surexyov zuorsi Hesych. die Sparten, welche übrig blieben, waren nach der festen tradition fünf: aber in der dritten generation hatten sie Theben mit nachkommenschaft angefüllt. 10 ἠλάλαζον αὐτὴν ὑμεναίοις σὺν λωτῷ. ἀλαλάζειν “jauchzen’ ist nicht transitiv, aber ὑμεναίοις ἀλαλάζειν kann so gebraucht werden, weil es den transitiven begriff ὑμνεῖν umschreibt, vgl. 690. οἱ δ᾽ ὑμέναιοι συνη- λάλαζον τῷ λωτῷ. jubellieder und flötenspiel vereinigten sich zum preise Megaras.

irgend ein pedant hat sich ausgedacht λωτός die pflanze hätte langes o, λωτός die flüte kurzes. so lehrt schol. Vatic. Eur. Phoen. 787, Eust.

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56 Commentar.

zu B776 M 283 und so schreibt C meist. unsinnig, da λωτός die flöte nur bedeutet, weil sie aus lotos gemacht ist. auch entscheidet oft das metrum. der gebrauch ist dem Euripides gewöhnlich, fehlt Pind. Aisch. Soph., kann also durch Eur. den spätern übermittelt sein. er hat selbst für flötenklang “lotosnachtigallen gewagt λωτένας ἀηδόνας fg. 923. 11 dafs Herakles als haussohn bei Amphitryon wohnen bleibt, mufs der dichter erfinden, um einen einheitlichen schauplatz für sein drama zu haben. die hochzeitsfreude im gegensatz zu dem unglück der späteren ehe auszuführen ist ein herkömmliches motiv im drama; dafs das hoch- zeitsfest deshalb etwa von der sage besonders verherrlicht wäre, ist damit nicht gesagt.

15 Κυχλώπιος und Κυχλώπειος findet sich beides. auf die überlieferung, die hier schwankt, ist in solchen dingen kein verlafs, aber man wird, wo man kann, das correcte setzen, d.h. von dem consonantischen stamme Κυκλώπ-ιος. 998 stimmt auch die überlieferung zu.

Κυκλώπια τείχη bezeichnet Mykenai, schon bei Pind. fgm. 169 Bgk.‘, denn nur seine mauern und die Tirynthischen, nicht die der burg von Argos, sind von Kyklopen erbaut, d. h. von riesen, welche unter diesem namen an allen ufern des saronischen meeres, auch in Athen, gewohnt haben sollten. dafs die modernen sie für ein zugewandertes volk erklären, ist schwindelei. indem Eur. Argos und Mykenai zusammen nennt, will er nicht zwei reiche bezeichnen, sondern trägt den verhältnissen seiner zeit rechnung, in welcher Mykenai nicht mehr bestand, sein gebiet zu Argos gehörte. Eur. gebraucht beide namen, manchmal die orte, immer das reich identificierend, Aischylos meidet in der Orestie den nanıen Mykenai, weil Athen mit Argos freundlich stand und die zerstörung der berühmten rivalin erst vor wenig jalıren geschehen war. Sophokles Elektra zieht Mykenai vor, rückt es aber mit dem markte von Argos und dem Heratempel, der von beiden städten weit abliegt, zu einem schönen gesammtbilde zusammen, das der verdirbt, der es poesielos mit der wirk- lichkeit in übereinstimmung bringen will.

18 ἐξευμαρέζων᾽ εἰμαρὲς ποιούμενος, gebildet wie das spätere ἐξευτε- λίζω und ἐξευτρετείζω El. 75. unten 81 steht das medium mit scharfen bedeutungsunterschied ; dort ist das object nicht die zu erleichternde last, sondern das mittel, welches sie erleichtert, wie man nodum expedire und consilium expedire sagt. das geschick des Amph. war noch gar nicht er- leichtert, aber die übernahme der dienstbarkeit geschah zu diesem zwecke. das particip steht also in dem sinne, in welchem das praeteritum des prae- sensstammes so oft steht; man nennt es dann impf. de conatu. in wahrheit

vers 11—23. 57

ist allen modi dieses stammes der gebrauch gemeinsam, dafs der verbal- begriff nicht effectiv (ἐνεργείᾳ) sondern potential (δυνάμει) zu verstehen ist. die oft verkannte erscheinung bedarf eines namens; im folgenden sind solche praesentia als dynamische bezeichnet.

ϑέλειν sagt die tragoedie im dialog ausschliefslich, die alte komoedie ἐϑέλω. die verkürzte form kommt schon im epos einzeln vor, ist auch auf ionischen alten steinen belegt, war aber noch seltener und schien vornehmer. aus der Iyrık kann ϑέλω nicht in die tragoedie gekommen sein, weil Pindar es nicht kennt. die ältere kunstprosa scheint nach der überlieferung geschwankt zu haben, hat aber das tragische ϑέλω mindestens auch verwandt: die jüngere (Isokrates) hat ausschliefslich ἐϑέλω. es hatte sich nämlich nun das leben für die kürzere form ent- schieden, die also in komoedie und späterer prosa ausschliefslich herrscht. folglich schien nun ἐϑέλω vornehmer. gleichzeitig ward das epos neu belebt und hielt sich natürlich auch an ἐϑέλω, so Kallim. Apollon. immer, Tlieokrit auch bis auf eine stelle in einem jugendgedichte (Κύκλ. 26). die nachahmer, selbst der Homeriker des gedichts 25, kennen die regel nicht. 20 der wahnsinn erscheint dem Hellenen als der stachel einer bremse, die ja οἷστρος heifst, (so in der Iofabel sinnlich; sie heilst ὀδύναις xev- τροδηλήτοισι ϑυιὰς “Ἥρας A. Hik. 563), oder als treibstachel, mit dem die wahnsinnsendende gottheit ihr χεῆμα antreibt. so unten Lyssa. auch wenn die liebe x&yzo« hat (Hipp. 39. 1305), so sendet Aphrodite oder Eros wahnsinn. denn Aphrodite ist wie eine biene (Hipp. 564 vgl. 1s. 25) Eros auch (Ps. Theokrit 19). denn auch er äursinseı κεήμασιν, Soph. Ant. 780 (wie ein olozgoc). selbst Apollon führt, wenn er prophetischen wahn- sinn sendet, den stachel; Vergil Aen. 6, 101 ea frena furenti concutit et stimulos sub pectore vertit Apollo. also Heras stachel bedrohte, Herakles schon früh: das ist vorbedeutend.

Hera ist als handelnde person gedacht, daher “H. ὕπο; das schicksal nur als das was Her. bei seinem tun begleitet, daher τοῦ χρεὼν μέτα, wie diese praeposition bei Eur. und in der prosa zu abstracten tritt, μεϑ᾽ ἡσυχίας re ὁρᾶν u. dgl. die inversion der praeposition ist zwar der kunstprosa und komoedie nicht ganz fremd, ward aber im 4. jahrhundert als durchaus dichterisch empfunden (Ar. poet. 22). niemand liebt die inversion so sehr wie Eur., der meistens wie hier die praeposition an das versende stellt und dadurch den vers zu einer straffen einheit zusammen falst.

22 ἐκμοχϑεῖν durch μοχϑεῖν überwinden, ähnlich ἐχπονεῖν 531. 23 λοίσϑιος ein wort unbekannter herkunft, das zuerst in einem jungen homerischen gedichte, den Athla, aufkommt, aber in den formen λοῖσϑος

58 Commenitar.

λοισϑήιος. ganz vereinzelt in der Iyrik und bei den späteren epikern (Apollon. Theokrit einmal, nicht Kallimachos). im drama ist es häufig, doch hat es Aisch. erst in der Orestie. der adverbiale gebrauch des neutrums mit artikel überwiegt.

der wechsel der tempora, ἐξεμόχϑησεν, βέβηκεν, οὐχ ἥκει entspricht dem tatbestand und enthält kein praejudiz. aber das ethos ist doch völlige resignation, als ob es hiefse iv’ ἐχπεραένει βίοτον οὐδ᾽ ἔβα πάλιν 429.

2 28 deonolw wird, wie natürlich, gewöhnlich mit dem genetiv verbunden, als denominativ; wenn also hier der accusativ steht, so hat das eine be- sondere absicht, zumal der vers beides ertragen würde. es ist der unter- schied, der xgareiv τινός “stärker als jemand sein’ von xgareiv τινά, “jemand in gewalt haben, trennt: für unsere empfindung also ein gra- dueller. das wort hat einen ganz andern klang als τυραννῆσαε.

29. 29 τύραννος hat nicht den geringsten gehässigen beigeschmack, aber unter einen δεσπότης stehen nur sclaven, 258. wir stehen im banne der späteren entwickelung, der Platon die wege gewiesen hat, und müssen das so wiedergeben “die tyrannei des Lykos lag auf dem lande, bis die Zeus- söhne die herrschaft errangen’.

s0 30 welche sagenform über den conflict der Zeussöhne mit Lykos Euri- pides und sein publicum hier voraussetzen, ist nicht wol zu sagen, da seine Antiope für alle zukunft diese geschichte fixirt hat: die war damals noch nicht geschrieben, hat aber schwerlich älteres einfach wiedergegeben. Zethos und Amphion sind Jie namen der ‘Dioskuren’ in Theben; die namen sind aber secundär, da es von diesen brüdern auch einzelsagen gibt (Amphion Niobe; Zethos Aedon), und gelten nicht im cultus: da heifsen sie Διὸς κόροι “Zeussöhne’. die vordorische bevölkerung hat an sehr vielen orten ein göttliches zwillingspar verehrt, stralend schön, jung und kraftvoll, immer einträchtig zusammenwirkend. man dachte sie sich rettung in höchster not bringend zu wasser und zu lande, als ϑεοὶ σωτῆρες. zur veranschaulichung ihres wesens bildete sich daher eine geschichte, wie sie einer hilflosen person (meist mutter oder schwester) in letzter stunde unverhofft zum heile erschienen wären. im anschlufs an die ge- schichten individualisirten sich die gestalten, und so unterschied man die Tyndariden in Sparta (und Aetolien: Πολυδεύκης, der ganz süfse, ist der form nach aetolisch, und es gibt dort sagen von Leda und ihren kindern), Apharetiden in Messenien, Molioniden in Elis, Antiopesöhne in Boeotien: in Argos und Athen hat sich der alte name νακες ‘die herren’ erhalten. in Boeotien, wo die ebne pferdezucht einigermafsen gestattete, und der zugewanderte adel, der übrigens diese alten culte nicht sehr pflegte, das

vers 28—31. 59

lebensideal bestimmte, dachte man die Zeussöhne sich auf weilsen rossen heransprengend, daher hier λευχόπωλοι, und Phoen. 606, wo sie gerade- zu ϑεοί heifsen. das ist aber erweislich secundär: denn Zethos und Am- phion reiten nicht. nicht anders in Sparta, dessen Dioskuren Eur. Hel. 640. 1495 sich auch so denkt. da das reiten eine spät gelernte kunst ist, mufs man davon für das wesen der götter überhaupt absehen. noch viel später und fast ausschliefslich für die κατ᾽ ἐξοχὴν sogenannten Dioskuren ist eine verbindung mit den sternen aufgekommen (zuerst bei Eur., diesem geläufig). als die schiffer sich nämlich auch in den schutz dieser Jeol σωτῆρες gestellt hatten, glaubte man ihre erscheinung im St. Elmsfeuer zu bemerken, das als stern galt. nur noch eine spielerei unfrommer zeit ist die deutung des sternbildes der zwillinge auf die lakonischen oder auch boeotischen Dioskuren. die auf die Kyprien zurückgehende sage, nach welcher Kastor und Polydeukes verschiedene väter haben und einen tag um den andern beide leben, den andern tag beide tot sind, gehört nicht mehr der religion an, lebt auch nicht in ihr. es ist aber bezeichnend, dafs die s. g. vergleichende mythologie diese geschichte (nebenher gröb- lich mifsversteliend), die versternung und das reiten zum ausgangspunkte nimmt, um die Dioskuren als morgen- und abendstern glücklich zu ver- einzeln.

ἠδέ hat die Iyrik und Aischylos anstandslos aus dem epos übernommen. bei Soph. und Eur. kommt es noch ein par mal vor (noch Hek. 323) und gegen ende ihres lebens gar nicht mehr. Aristophanes hat es nicht, wol aber Eupolis, in anapaesten 4ly. 1. 31 πατρὸς κεκλημένος "nach dem vater benannt’. ταὐτὸν ὄνομα epexe- getischer zusatz. in dieser verbindung setzt die alte sprache mit vorliebe den blofsen genetiv, die πεῶσις πατρική, wie die grammatik ihn auch nennt, was leider durch das blasse yeyırn verdrängt ist. πόλις Παλλά- δος κεκλημένη Ion 8, τοῦ πάππου ᾿τιϑέμην Φειδωνίδην Ar. Wolk. 65 u. 8. w. die spätere prosa kann das nicht mehr, sondern mufs praepo- sitionen, ἀπεό, in Ἰὰς und χοινὴ auch ἐπτέ, dem genetiv zusetzen. dies ist nämlich in wahrheit der verlauf: die casus haben ihre eigene kraft und treten in beziehung zu nomina und verba; die praepositionen sind adverbia localer bedeutung. als nun die sprache das bedürfnis empfindet das notwendig vieldeutige verhältnis eines casus neben einem verbum zu bestimmen, beginnt sie ein adverbium hinzuzufügen; das rückt bald an das verbum, dann gibt es composita, bald an das nomen, dann wird allmählich eine praeposition daraus. dieser prozels steigert sich immer mehr: die sprache braucht immer gröfseren aufwand von mitteln. aber

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60 Commentar.

eine praeposition kann selbst niemals erklären, weshalb sie den oder den casus regiert, weil sie es eigentlich ja nicht tut.

33 χτείνει ---χτανὼν ἄρχει. das verbum wiederholt, weil der tod Kreons die vorbedingung für die herrschaft des Lykos ist. ähnlich wieder- holend 593, in ionischer und ionisirender prosa ganz gewöhnlich.

34 ἐπὶ -εσπεσών, weil die tyrannis die zweite νόσος ist, die zur στάσις tritt, vgl. zu 542. überliefert ist ἐπεεσπεσών und so häufig an stellen, wo das metrum nicht entscheidet, eig. eine volle sicherheit ist unmöglich zu erzielen, denn Eur. selbst könnte nicht sagen, wie er im einzelnen falle gesprochen haben wollte: gesprochen, denn geschrieben hat er ἐς. in Athen sprach man das nach i klingende lange e: das zeigt die komödie und die schrift, sobald sie auch diese dinge fest bezeichnet. das kurze e ist ionisch. aber so ist constant in der alten prosa überliefert, deren dialekt mit der tragödie übereinstimmend ionisirt. also kann das fremde für wahrscheinlicher gelten. und jedenfalls kommt auf die überlieferung in der tragödie nichts an, und haben die dichter blofs E geschrieben. folglich ist es am vorsichtigsten, das auch zu tun; wer will, kann ja den hybriden diphthong sprechen.

39 Eur. hat immer die unbequeme umschreibung οὗ Ἡράκλειοι παῖδες oder ähnlich, nie Ἡρακλεῖδαι. er war dazu gezwungen, nicht etwa weil der name Herakliden für die Herakleskinder festgestanden hätte, welche Eurystheus verfolgt hat und nach denen die dramen Ἡραχλεῖδαε heifsen, sondern weil Ἡρακλεῖδαι überhaupt nicht patronymische, sondern genti- licische bedeutung hat, die abgesehen vom epos und seinen nachahmungen für diese bildung gilt; Eurystheus verfolgt auch das geschlecht, also ein- schliefslich weiber und clienten. es ist ganz ebenso wie Claudii, das nicht die kinder des Clauzus, sondern das geschlecht bedeutet.

40 hier zeigt die wortstellung, dals es nur auf die kinder ankommt, 47 steht gar σὺν μητρὶ τέχνα. der grund folgt 42 ἠνδρωμένοι.

41 die parenthetische restriction gibt Amph. weil er schon ἠνδρωμένοι im sinne hat, denn er selbst ist kein ἀνήρ mehr. denn dies wort hat, weil es zunächst das geschlecht hervorhebt, seit dem homerischen ἀνέρες ἐστὲ φίλοι die prägnante bedeutung des seine männlichkeit betätigenden mannes, zunächst auch in geschlechtlicher beziehung (Eur. Hipp. 491. S. Trach. 551), sodann als kämpfer (Aadr. 591. I. A 945).

43 μήτρωες “die mütterlichen verwandten’, üfter bei Pindar, hier speciell avus et avunculi.

45 τροφός pflegt nur femininisch gebraucht zu werden. Eur. hat es vom manne noch EI. 409, doch ist die stelle nicht ganz sicher. hier zeigt

1 vers 33—53. 6 1

die verbindung mit οἰχουρόν, dafs der ausdruck mit absicht gewählt. ist, weil Amph. nicht mehr ἐν ἀνδράσιν ist, denn auch das οἰκουρεῖν ist specifisch weibersache.

47 σὺν μητρὶ τέκνα, nicht τέκνα καὶ μητέρα, weil Megara zwar ihrer kinder geschick teilt, aber als nebenperson; zu ϑάνωσιν ist aber σὺν μητρὶ τέκνα subject.

49 ἄγαλμα ist πᾶν ἐφ᾽ τις ἀγάλλεται (schol. Ar. Thesm. 773). so sind schöne und gute kinder ἀγάλματα der eltern (Hik. 370, Aisch. Ag. 207) oder des vaterlandes (Hik. 631). für Herakles sind die ἀρεταί (368) oder die ἀϑλα (425) ἀγάλματα. daneben die sinnliche bedeutung schmuck (703), welche auch tadelnden beigeschmack erhalten kann, “blofse deco- ration’ (El. 348). endlich besteht schon die ganz concrete bedeutung “statue’, auch cultstatue (das idol der taurischen Artemis I. T. 87). daran ist hier nicht zu denken; der altar ist ein ruhmeszeichen für den sieg, wie der delische lorber ὠδῖνος ἄγαλμα Δίας Hek. 461. allerdings ist der altar auch Διὸς ἄγαλμα, wie Pindar Nem. 10, 67 einen grabstein ἄγαλμ᾽ ”Alda nennt, Aisch. die ixernolaı ayaluar’ αἰδοίου Διός (Hik. 192), Gorgias im schlufs des epitaphios die τρόπαια Διὸς μὲν ayal- ματα, ἑαυτῶν δ᾽ ἀναϑήματα. Insc. gr. ant. 488 redet eine portraitstatue Χάρης εἰμὶ .... ἄγαλμα “πόλλωνος.

50 Her. hat Orchomenos unterworfen, daher der acc. Μινυῶν κρατήσας würde nur besagen, dals er sie geschlagen hätte. die suprematie des boeotischen Theben ist durch den untergang des orchomenischen reiches der Minyer begründet, wahrscheinlich erst im siebenten jahrhundert: das ist also die haupttat des thebanischen Herakles, deshalb hier von Eur. öfter erwähnt, obwol das ereignis zu jung war, als dafs es von der sage be- sonders verherrlicht worden wäre, vgl. zu 280. die gründung eines Zeus- altars ist erfindung des dichters, der an die τρόπταια seiner zeit denkt, und den gegensatz braucht 522.

53 ἐκσφραγέζειν δόμων. διὰ σφραγέδων διαπράττεσϑαι, στε δόμων ἔξω εἶναι, gesucht für ἐκκλήειν. Lykos hat den confiscirten palast ver- siegelt, wie es attische sitte ist. so versiegelt Helene (Or. 1608) den nachlafs ihrer schwester, nachdem deren kinder zum tode verurteilt sind, ἀποσφραγέζεται. auch χατασφραγέζεσϑαι hat Eur. Hyps. 762; das kommt freilich schon bei Empedokles 370 vor. die tmesis dx γὰρ ἐσφραγισμένοι wird im drama als solche empfunden, da die praeposi- tionen, welche bei Homer entsprechend ihrer adverbialen natur noch be- weglich sind, mittlerweile mit dem verbum verwachsen sind; aber die tragüödie und einzeln auch die alte komödie haben sich die altertümliche

583

54

55

5

--ὃ

62 Commentar.

freiheit bewahrt, z. b. unten 1059, 1084 und oft in der leichten form wie bier, dafs nur eine partikel zwischentritt, aber es geht so weit dafs selbst ein anderes verbum mitten eintreten kann. ἐν δ᾽ παγχρατὴς ὕπνος Avsı πεδήσας Soph. Ai. 675 mag als musterbeispiel gemerkt werden. 54 χαϑήμεϑ᾽ ἀπιορέᾳ “wir sitzen in hülflosigkeit’. der dativ hat locative nicht instrumentale bedeutung.

55 σαφής ist das was sich als das was es ist augenfällig darstellt, σαφὴς aea ein fluch der sich erfüllt (Hipp. 890); uavysısg σαφής ein seher, dessen sprüche sich bewahrheiten (Soph. Ὁ. T 390), so dafs αἔνεγμ᾽ elıcev οὐ σαφὼς σαφές Troad. 625 gesagt werden kann, "das rätselwort war dunkel gesagt, aber es traf zu’. τὸ σαφές zu erkennen verspricht der wissenschaftliche schrifisteller seinem leser als lohn, so Thukyd. 122, Hippokr. τε. aex. ἰητρ, 1. dies sind seltenere verbindungen ; φέλος σαφὴς scheint sprüchwörtlich, Or. 1155 οὐκ ἔστιν οὐδὲν κρεῖσσον φίλος σαφής. Xenoph. Mem. II 4, 1 πάντων χτημάτων κράτιστον φέλος σαφὴς καὶ ἀγαϑός.

56 ὀρϑώς φέλος ist der, welcher φέλος in der art ist, welche dem begriffe vollkommen entspricht. amicus ita uti nomen possidet Plautus Bacch. 386 so ὀρϑῶς ϑεός unten 1245, ὀρϑῶς πατήρ Alk. 636, ὀρθῶς φίλος noch Soph. Ant. 99 und in der copie dieser stelle I. T. 610. die specu- lation der lonier war schon um 500 begrifflich-sprachlichen problemen nahe getreten (für uns nachweislich zuerst Herakleitos), und hatte das axiom aufgestellt, dafs die worte und die begriffe sich vollkommen deckten, jedes ding das wäre, was es hiefse, und umgekehrt. die kunst das zu zeigen ist die etymologie, oder wie sie Protagoras nannte, die ὀρϑοέτιεεα. indem diese lehre von den grofsen sophisten auf die kyniker, von diesen auf die stoiker übergieng, hat sie die weittragendste bedeutung erhalten. ihre wurzeln liegen aber schon in viel älterer theologischer speculation und daher beschränkt sie sich nicht auf philosophische kreise. Aischylos sucht das 000» der namen nicht anders als Eurip. Sieb. 405,829, Ag.700. so scheint es dafs er den bei Hekataios noch Teydevg (vgl. τένϑης der prasser) genannten gegner des Dionysos (Phot. s. v.) um der etymologie willen zu Πενϑεύς gemacht hat. mit den angegebenen bedeutungen von σαφής und ὀρϑὼς spielt Eur. I. A.559 τὸ ὀρθῶς ἐσϑλὸν σαφὲς dei. 57 τοιοῦτον: ἄφιλον, 559. 561. diese freundlosigkeit, auf die auch Me- garas rede hinausläuft (84) ist das stichwort des ersten teiles, Her. (585) und Theseus strafen es lügen, und das drama klingt in dem preise der echten freundschaft aus.

59 59 Amph. wünscht jedem wolmeinenden, dafs ihm die erfahrung erspart

bleibe, welche das unglück notwendig mit sich bringt, dafs das vertrauen auf freundschaft trügerisch ist. der acc. φέλων EA. a. zu paraphrasiren ὥστε ἀψευδέστατα τοὺς φίλους ἐλέγχειν. der acc. ist der casus des objects, als solcher tritt er auch bei intransitiven verben auf, nämlich als apposition zu dem objecte, welches diese neben dem abstracten begriff der action enthalten, und so kann er auch zu einem solchen objecte appositionell hinzutreten, wenn es durch einen ganzen satz gegeben ist, wie hier δυσπραξίας τυχεῖν, und es macht nichts aus, wenn der schein entsteht, als ob dieser acc. apposition eines andern accusativs wäre. Bakch. 9 öow ζῶσαν φλόγα, ἀϑάνατον Ἥρας ὕβριν, d.i. φλὸξ ζῇ ὕβριν ἀϑα- γατον, dafs die flamme nicht verlischt, verewigt den frevel. unten 426 ἔπλευσ᾽ ἐς &day, πόνων τελευτάν. nicht der Hades, sondern die Hades- fahrt ist das ende der mühen. 675 Xagırsg Μούσαις σγηχαταμειγνύς, ἁδίσταν συζυγέαν: die vereinigung von Chariten und Musen macht den holdesten verein aus. ἔσελευσαν varoy ὄχημα λεινοπόροισιν αὔραις I. T. 410 πλέομεν γὰρ ἐπὶ νηὶ ὀχούμενοι ἀνέμοις. A. Choeph. 199 συμπενϑεῖν ἐμοὶ ἄγαλμα τύμβου καὶ τιμὴν πατρός. d. h. διὰ τοῦ πένϑους κοσμεῖται ö τύμβος δὲ πατὴρ τιμᾶται. 8. Ο Κ. 92 κέρδη μὲν οἰχήσοντα τοῖς δεδεγμένοις ἄτην δὲ τοῖς τέμψασιν, ἀ. ἢ. ἐμοῦ μετοιχοῦντος οἱ μὲν κερδανοῦσιν οἱ δὲ βλαβήσονται. E. Phoen. 211 Ζεφύρου ἱππεύοντος κάλλιστον κελάδημα, d.h. ἐκ τῆς τοῦ ἀνέμου πγοῆς ἡδὺς συνέσταται κέλαδος. A. Ag. 226 ἔτλα ϑυτὴρ γενέσϑαι ϑυγατρὸς τιολέμων ἀρωγὰν καὶ τιροτέλεια ναιῦν, wo man irren würde, wollte man die accusative als apposition zu dem im nomen actoris ver- borgenen ϑύσεν auflassen. das älteste beispiel wol 2 735 τις Axawv δέψεε χειρὸς ἑλὼν ἀπὸ πύργου, λυγρὸν ὄλεθρον. das bekannte ayys- λίην ἐλϑεῖν Homers, “einen botengang tun’, ist gleichartig; wie dies von Aristarch verkannt ist, irren und ändern viele vielerorten. inbesondere wird die handlung qualificirt durch zusätze wie ἀμοιβάς, unten 226, δίκην A. Choeph. 144, μισϑόν Eur. El. 231, xapuornv S. Ai. 559, σοινάς S. El. 565, ἀτεόλαυσιν, Hec. 77 u. 8. f. selbst ἔλεγχον kehrt wieder Soph. O T. 603 τὠνδ᾽ ἔλεγχον πεύϑου τὰ χρησϑέντα. es ist dieser gebrauch, welcher die 8. g. praepositionen χάριεν, δέκην, τρότιον erzeugt hat, und die verwendung vom accusativ des neutrums, die wir adverbiell nennen, πρόϑυμα στέλλεσϑαι (113) κάλλιον, κάλλιστα νικᾶν ist im grunde auch dasselbe. auch τέλος, πέρας, τὸ τελευταῖον und ähnliches ist accusativisch zu fassen, denn Pindar Nem. 11, 14 hat rs- λευτὰν ἁτεάντων; oft freilich mag selbst den Griechen der unterschied von nominativischen appositionen zum ganzen satze (vgl. zu 196) nicht

Rede Megaras,

64 Commentar.

zum bewulstsein gekommen sein, zumal das neutrum, ursprünglich indecli- nabel, nominativ und accusativ nie unterscheidet.

während dem greise die sachliche exposition zukam, hat die leiden- schaftliche frau das za 9og der situation zur darstellung zu bringen. der gang ihrer rede ist nur durch den affect, welcher die logische disposition zerreilst, zu verstehen. ganz ruhig hebt sie an, stellt einen allgemeinen satz auf, und disponirt den beweis mit ovre als einen mehrgliedrigen. ἐγὼ γὰρ οὔτε πατρὸς οὖσα ἀσϑενοῦς οὔτε ἀνδρὶ ἀσϑενεῖ ἐκχδοϑεῖσα ὅμως ἐδυστύχησα sollte es heifsen. aber als sie den vater nennt, fallt ibr ein, dafs schon dieser ein guter beleg für denselben allgemeinen satz ist. wieder disponirt sie scheinbar logisch, ἔχων τυραννίδα, ἔχων δὲ τέχνα. aber da stockt sie; die brüder muls sie verschweigen, und sich selbst diesem untergeordneten gliede subsummiren, wodurch freilich dem sinne nach der versprochene doppelte nachweis geliefert wird, aber den abschlufs des gedankens und des satzes vergilst sie, denn die gelegentliche erwähnung ihrer kinder drängt alles in ihrer seele zurück. sie verweilt bei ihrer schilderung. die rührung übermannt sie, und sie bricht in die bitte um einen rettenden gedanken an Amph. aus, obwol dessen rede die hilflosigkeit offen gestanden hatte, und ihre eigne hegründung der bitte die möglichkeit der erfüllung abschneidet. so sehen wir sie völlig ver- zweifelt, sobald sie überlegt, aber die leidenschaft mag und kann nicht immer überlegen.

60 60 über den zug des Amph. gegen die Taphier zu 1073. in Theben gab

es auch die an alte stiftungen geknüpfte tradition von einem grofsen siege das Amphitryon über Jie leute von Euboia, deren könig Chalkodon er erschlagen hatte (Pausan. IX 17, 3; 19, 3). das dürfte in Theben ein viel berühmterer kampf gewesen sein, als der mit den fernen Taphiern, und hier, im gegensatze zu der tyrannis des Lykos von Euboia, würde er viel besser passen. aber Eur. konnte, auch wenn er die localsage kannte, doch nur von der poetisch verherrlichten, also seinem publicum bekannten, gebrauch machen.

63 ἀπελαύνεσϑαι attisch nicht belegt, wol aber bei Herodot VII 205 ἀπελήλατο τῆς φροντίδος περὶ τῆς βασιληίης. ἐς πατέρα “in der richtung, in hinsicht auf’ öfter bei Eur. unten 1416. Orest. 540 μακάριος πέφυκα πλὴν ἐς ϑυγατέρας, Ion 569 ἐς σὴν ἀνεύρεσιν ϑεὸς ὀρθῶς Expave. sogar von einem nomen abhängig Φαέδρας ἔρως ἐς σέ Hipp. 1430, τὴν ἐς τάσδε τέρψιν Soph. OK 1121. τύχη τὸ ἐπιτυχεῖν, diese grundbedeutung wird im 5. jahrh. noch stets empfunden.

66 66 sinnlose worte, deren heilung unmöglich scheint, da sowol die “lanzen’

vers 60 -- 16. 65

wie das‘springen’ wie die‘leiber’ ungehörig sind, so dafs der sitz der ver- derbnis unbestimmt bleibt. denn erwartet wird die gewöhnliche schätzung der ἰσοδαίμων τυραννές. die verbesserung dürfte im anschlufs an fgm. 846 γὰρ τυραννὶς πάντοϑεν robsvera: δεινοῖς ἔρωσιν zu suchen sein. 68 ἐπέσημον εὐνήν ist nicht apposition zu ἐμέ, sondern zu dem verbal- begriff, wie 59. denn die berühmtheit des eidams erhöht das glück des Kreon. 69 ἀνέπτατο vgl. zu 510. 72 die tragödie wendet ὄρνες mit kurzem i an (stamm ogvı); das ist ein ionismus, denn das volk sprach es lang (stamm ορνε9), wie die komödie zeigt. der “vogel’ ist für den Athener die henne. hier ist das bild aus- geführt, ähnlich Herakl. 10 Andr. 441; es ist aber so gewöhnlich, dafs nie- mand an eine metapher denkt, wenn νεοσσός für kind gesagt wird. 73 der rasche wechsel des numerus hier und 79 ist zwar an sich an- gemessen und sprachgemäfs (199), veranschaulicht aber doch durch seine häufigkeit den affect der redenden. die kinder fragen die mutter “wo ist der vater’, und da sie keinen bescheid erhalten, laufen sie in kindlichem eifer in hof und garten, nachzusehen, ob er nicht irgendwo stecke. solche züge unmittelbarer lebenswahrheit sind häufig bei Eur., nur in der künstlichen rede manchmal für uns nicht sofort kenntlich, und nicht immer gelungen, vgl. 469. er erinnert darin an die liebenswürdige weise der grofsen attischen vasenmaler: und wenn etwas, hat er das auge für das charakteristische delail in den malerstudien seiner jugend gewonnen; aber freilich lebt in der malerei nur dasselbe streben nach individualisirung wie in der sophistik. 74 überliefert ist στοῦ πατὴρ ἄπεστι γῆς. das ist an sich gut, heifst aber “wohin ist der vater fort’: danach fragen die kinder nicht. 75 τὸ νέον ‘die art des νέος᾽ Ion 545 μωρίᾳ τοῦ νέου. das neulrum des adjectivs statt langatmiger und secundär gebildeter abstracta setzen zu können ist der vorzug der alten sprache. 76 die mutier macht dem spiele ein ende, indem sie den kindern ein märchen erzählt. μυϑεύω (noch Ion 197 und herzustellen I. A. 789) hat sich Eur. für diese bedeutung gebildet, weil μῦϑος im attischen nur noch als “märchen’ in gebrauch war (Ar. Wesp. 1179 Plat. Phileb. 14° mit schol. u. d.). die tragödie hielt die alte und im ionischen dauernde be- deutung ‘rede’ aufrecht, und das ionische besafs das von Eur. gemiedene verbum μυϑεῖσθαι, aber eben auch im sinne von “erzählen'. Hekataios begann sein buch, das sich hewufst in gegensatz zu den “mythen’ stellte, “Ex. ὧδε μυϑεῖται.

τ. Wilamowlız II. 5

8

4

Absehlufs der scene.

9ὺ

66 Commentar.

διαφέρειν “tragen bis zu ende, so gals man darüber hinwegkommt’. das ist mit einem sächlichen object, βέον, πόλεμον gewöhnlich, auch ein modaler (eigentlich instrumentaler) dativ kann dazu treten, δάχρυσε βίον διοίσειν Hipp. 1142. das mediale futur steht absolut S. Ai. 512, Rhes. 982, dazu das verbaladjectiv δεοιστέον "man muls zu ende kommen’ Hipp. 491 (so überliefert und notwendig; in den ausgaben zerstört). danach ist διαφέρειν τοὺς παῖδας λόγοισι verständlich, wenn auch kein ganz gleiches beispiel vorliegt. διαφέρειν τινά im sinne von διαφορεῖν (zer- reifsen) ist fern zu halten (Bakch. 753, wol auch A. Choeph. 69.) λόγοισε ‘mit blofsen worten’, unzählige male in der sophistenzeit, wo auch λέγειν “worte machen’ ist (Hipp. 665). also λόγοισι διαφέρω “ich täusche sie darüber hinweg’, μυϑεύουσα “indem ich märchen erzähle”. 78 eine weile hören die kinder zu: aber das erste beste geräusch ruft ihre eingeschläferte sehnsucht nach dem vater wach. die ganze schil- derung bezieht sich auf die jüngstvergangene zeit, wo sie noch nicht aus dem hause vertrieben waren. | 81 ἐξευμαρίζεσϑαι vgl.zu 18. ἐξευμαρίσϑη " παρεσκευάσϑη Hesych. 86 ἕτοιμον ‘dann ist der tod für uns bereit’. dieser gebrauch ist ein atticismus, schon bei Solon 4, 7 οἷσιν ἑτοῖμον ὕβριος ἐκ μεγάλης ἄλγεα πολλὰ παϑεῖν. das zeitlich unmittelbare eintreten wird als bezeichnung für die unmittelbare logische consequenz verwandt. 88 oxymoron. an sich ist es bequem (ῥάδιον, 1409) statt tätlich (δεὰ πόνου) zu helfen, die billige (φαύλως) mühe (σπουδή) eines guten rates (παραινεῖν, ähnlich 16]. 1017 Hypsip. 757) aufzuwenden. aber in einer solchen lage (εὰ τοιάδε), wo es tod und leben gilt, wird das leichte zur last. also “es tut mir zwar leid, dafs ich nichts besseres habe als eine kümmerliche ermahnung aber ich habe eben nichts anderes’. darauf folgt der rat, zeit zu gewinnen, der für Megaras temperament nur eine verlängerte marter bedeutet, von Amph. 95 fig. richtiger geschätzt wird. in der hdschr. steht vs. 86 am schlufs von Megaras rede, so dafs sie den gedanken, zeit zu gewinnen, aufwirft, sei es nun zustimmend oder ab- jehnend, denn auch das bleibt dann zweifelhaft. Amphitryons antwort sagt dann gar nichts, Megaras kritik 90 ist ohne anlafs und die ganze scene ohne sinn und verstand. ihre absicht ist ja, greis und weib in der ver- schiedenheit ihres empfindens zu zeigen und ihr verhalten gegen Lykos 275, 316 zu motiviren. 90 ‘die verlängerung unserer lage kann nur neues unglück bringen, und würde nur aus feiger furcht vor dem tode erklärlich sein’.

91 91 mit feiner wendung lehnt Amph. den vorwurf des βίου πόϑος (316)

er

vers 78—102. 67

ab; gern das sonnenlicht zu schauen gibt er zu, wie Pheres (Alk. 691): das ist menschlich und berechtigt, und von der zukunft erwartet er nicht λύπη sondern die erfüllung der ἐλπές.

92 diesen glauben hat Megara verloren. adöxnsa‘ οὐχ ἔστι προς- 92

doxäy. vgl. die schlufsformel Alk. 1161 καὶ τὰ δοκηϑέντ᾽ οὐχ ἐτελέσϑη, τῶν δ᾽ ἀδοκήτων πόρον ηὗρε ϑεός.

95 “ein umschlag kann eintreten, wenn wir nur warten’: ohne die be- ziehung der bedingung in οὕτω fehlt ein notwendiges glied.

99 er weist sie an ihr geschäft, wie sie es 76 selbst bezeichnet hat. es 9

ist damit das stumme spiel für Megara während der nächsten lieder und reden vorgezeichnet. dafs πηγὰς ἀφαιρεῖν nicht sinnlich vom trocknen, sondern vom stillen der tränen durch zuspruch zu verstehen ist, zeigt ὀργὰς ἀφαιρεῖν Med. 456. λόγοι hier wie 77, μῦϑοι also wie in μιϑεύουσα zu verstehen.

101 κάμνειν hier nur “matt werden’ A. Eum. 908 καρπόν ve γαίας καὶ βοτῶν ἐπίρρυτον ἀστοῖσιν εὐθενοῦντα μὴ κάμνειν χρόνῳ, wo auch der dativ des enifernteren objectes steht, den hier ein citat gerettet hat. βροτῶν συμφοραί, wie überliefert ist, würde neben πνεύματα ἀνέμων misverständlich sein: dem würde ϑεών συμφοραί entsprechen.

101. 102 wir müssen die vergleichung als solche kenntlich machen, die 102

alte sprache kommt mit copulativer verbindung aus: ein tiefgreifender unterschied. musterbeispiel Pindar ol. 2 schlufs ψαμμὸς ἀρεϑμὸν ὑπο- πέφευγε, καὶ κεῖνος ὅσα χάρματ᾽ ἄλλοις ἔϑηχε, τίς ἄν φράσαι δύναιτο. E. Andr. 687 ξηρὰ βαϑεῖαν γῆν ἐνίχησε σπορᾷ, νόϑοι re πολλοὶ γνησίων ἀμεένονες. hier tritt mit der blofsen copula auch das dritte glied hinzu, weil auch dieses als völlig gleichartig bezeichnet werden soll. “ganz ebenso wie auch das glück nicht ewig ist (οὐ δεατελοῦσιν εὐτυχοῦντες, denn ταχὺ τὸν εὐτυχῆ μετέβαλεν δαίμων 885). denn alles geht im leben in doppelter richtung auseinander”. der vers 103 fehlt in einem citat (Stob. 110, 7), aber dann ist δέχα nicht zu verstehen, und geht die pointe der ganzen stelle verloren. Eur. citirt hier den Herakleitos, allerdings wol nur wenigen im publicum verständlich, obwol es in Athen nicht an lehrern dieser philosophie, wie Kratylos, fehlte. dafs Eur. sie studirt hätte, berichtet der stoiker Ariston (Diog. Laert. II 22, IX 11), woraus allerdings nur folgt, dafs die stoiker bei ihren heraklitischen studien auf die übereinstimmung allbekannter euripideischer verse aufmerksam wurden und stellen wie die vorliegende richtig verstanden. die lehre Heraklits von der “δδὸς ἄνω κάτω ula καὶ würn (Heraklit 69)’ ist als ausdruck des ewigen wechsels ein fundamentalsatz. Ps.-Hippokrates de victw I 5 χωρεῖ πάντα καὶ 5%

Te τ ῶ͵ἅεὕσε πο Er U m - αι

68 Commentar.

ϑεῖα xal ἀνθρώπινα ἄνω xal κάτω ἀμειβόμενα --- φοιτᾷ κεῖνα ὧδε καὶ τάδε κεῖσε τιᾶσαν ὥρην, διαπρησσόμενα κεῖνά τε τὰ τῶνδε, τάδε τ᾽ αὖ τὰ χείνων. benutzung des Herakleitos ist öfter kenntlich in so fern das unerbittliche gesetz des wechsels regiert, geschieht alles nach dem χρειύν, und dieses weltprinzip nennt Heraklit, den stoikern vorarbeitend, sowol φύσιες (fgm. 10) wie λόγος wie χρεών (γενόμενα srayra κατ᾽ ἔριν καὶ χρεών fgm. 62, so für χρεώμενα zu lesen nach der paraphrase λοιδοροῦντες τὴν φύσιν ὡς ἀγνάγχην καὶ πόλεμον οὖσαν Plutarch de soll. an. 7), und gibt zu, dafs die alleinige weisheit den namen Zeus zwar ablehnt (als nicht ausreichend) aber doch annimmt (als immerhin einen versuch der bezeichnung) 65: so fragt Eur. Tr. 884 ob Zeus luft sei, nach Diogenes von Apollonia, oder ἀνάγκη φύσεος nach Heraklit (xas« φύσιν == ἀγαγχαῖον Hypsipyle 757) oder νοῦς βροτῶν nach dem pseudepicharmischen lehrgedichte (νόος δρῇ). an Heraklit (64. 66. 67) knüpfen die berufenen fragen an, ob nicht das leben tod, der tod leben sei (Phrixos 830 Polyid. 639), die dann eben deshalb bei den Stoikern nachklingen (Cicero Somn. Seip. 14. Seneca cons. ad Marc. 21, beide aus Poseidonios). das traumorakel nennt er λαϑοσύνα νυχτωπός (1. T. 1289), weil Heraklit die seelentätigkeit des traumes bezeichnet hatte ὅσα εὕδοντες ἐπιιλανϑάνονται (2). Heraklit sagt, dafs für die gölter gut und böse nicht besteht, τῷ ϑεῷ καλὰ πάντα καὶ δίκαια, ἄνϑρωποε δὲ μὲν ἄδικα ὑπειλήφασιν, δὲ δίχαια (61, die worte von Por- phyrios umgestaltet): Eur. läfst daraus die lästerlichsten consequenzen ziehen (Ion 450 τὰ τῶν ϑεῶν καλὰ μιμούμεϑα) Indem er die hand- lungen der götter einsetzt, welche Jie sage erzählt, natürlich um diese zu discreditiren. der spruch des Heraklit μεταβάλλον ἀναπαύεται (83) ist in der euripideischen form μεταβολὴ τεάντων yAvav (Or. 334) sprich- wörtlich geworden. mehrere dieser berührungen können trügerisch scheinen: tatsache ist aber, dafs man die mehrzahl der euripideischen stellen ebenso wie die vorliegende beanstandet und beseitigt hat, also wol zu ihrem vollen verständnis der bezug auf etwas auflsen liegendes nötig ist.

105 105 da alle dinge wechseln, so ist tapferkeit, das was man hofft fest zu halten, den glauben nicht zu verlieren. ἐλσπές ist oft (2. b. unten 804. Hipp. 1105) das was das N. T. πιέστες nennt: ἔστε δὲ nlarıg τεραγ- μάτων ἐλπιζομένων ὑτιόστασις (Hebräerbrief 11, 1), wo ınan aber keinen ausgang (πόρος 80) sieht, sich den ausgang selbst vorzustellen, ist feigheit. 2Asctdog ἐν τῷ ἀπύρῳ ἰσχύς Thuk. 2 62. so klingt der prolog doch vordeutend mit einem hofinungsvollen accorde aus.

Parodos. Versmafs. 69

Erste gesangnummer: parodos 107—36.

Ein strophenpar in iambischem mafse und eine trochäische epode. der ganz ungewöhnliche umschlag des rhythmus erklärt sich dadurch, dafs die strophen auf dem zuge des chores gesungen werden, die epode, nachdem er seinen standort erreicht hat. ganz ebenso ist die parodos des Kyklops angelegt, wo nur das versmafs nicht umschlägt. in den Phoenissen steht zuerst ein strophenpar mil epode, dann in anderem versmals ein anderes strophenpar, trochäisch wie hier; auch die verteilung des inhalts entspricht genau. es ist das ein anschlufs an aischyleische weise.

Die iamben sind ganz einfach und völlig in Euripides art, der sie viel verwendet hat; z. b. enthalten die Hiketiden viele ähnliche lieder, aber auch die komödie bevorzugt dieses mals, weil es ein altionisch volks- tümliches ist. um iamben sofort richtig zu lesen mu[s man nur wissen und nie vergessen, dafs die metrische einheit das metron ist s-. -, also jedes gedicht, jede periode eines gedichtes, sich als eine summe von solchen einheiten darstellen lassen mufs. die anlautende sylbe ist, weil sie eine senkung ist, indifferent, d. h. kann lang und kurz sein. auflösungen beider längen sind im vollständigen metron innerhalb der reihe verstattet; so folgen 116 sechs auf einander. das katalektische metron erträgt sie nicht. endlich kann eine, am liebsten die erste, es können (was hier nicht vorkommt) auch beide senkungen unterdrückt werden. dies muls in strophe und antistrophe übereinstimmend geschehen; auflösungen un( indifferente sylben brauchen nicht übereinzustimmen, wenn man das auch lieber sieht. die gliederung der strophe in perioden geschieht durch die katalexe oder durch hiatus resp. syllaba anceps, was die griechische theorie “schlufs mit kurzer sylbe’ βραχυκαταληξέα nennt. (Hephaest. r. ποιήμ. 130, 131 Gaisf. so überliefert). bis zu einem solchen ruhepunkte, der fermate, sind, oder sind doch für unsere beobachtung, die metra eng mit einander verbunden. wir pflegen für diese bindung synaphie zu sagen: die alten sagten auch μεσοσυλλαβέα (schol. Eur. Med. 1085). die vorliegende strophe zerfällt in vier perioden von 4. 6. 5. 10. metra. ein punkt hinter der zahl soll hier wie im folgenden katalexe bedeuten. die letzte periode ist besonders umfangreich und ihre metra sind alle bis auf das vorletzte vollständig: das ist ein besonders beliebter strophen- abschlufs.

die epode ist trochaeisch. dies mafs ist nach Aischylos, der es sehr liebt, ganz in den hintergrund getreten, und es gibt überhaupt aulser dieser einen strophe kein gedicht in seiner weise. denn die zahlreichen trochae-

Versmafs.

70 Commenlar.

ischen lieder, welche, Eurip. in seinen letzten jahren dichtete, und deren berühmtestes muster, in der parodos der Phoenissen, von den metrikern als μέτρον Εὐριπίδειον angeführt wird, sind im bau verschieden und vollends die trochaeen in gemischten liedern, wie sie eben auch erst den letzten 15 jahren des Sophokles und Eurip. angehören, lassen sich gar nicht vergleichen. das charakteristische ist, dafs die trochaeen zwar in langen reihen fortgehen, aber die senkungen sehr oft unterdrückt werden, häufig die zweite, nicht selten beide, am seltensten nur die erste. das ist genau so in den daktyloepitriten Pindars, die ja eben auch daktylo- trochaeen sind. bevorzugt sind perioden von 2 und 4 metra, aber es kommt jede summe von metra vor. hier, wo keine responsion hilft, ist die periodenteilung unsicher. die synaphie ist für 11 metra möglich: wahrscheinlich ist die absetzung eines dimeters vor dem letzten, geson- derten; ob vorher 4. 5. oder 5. 4. metra zu teilen sind, mufs dahin stehen. dafs zwei metra aus lauter kürzen bestehen, ist etwas ungewöhn- liches. den abschlufs bildet ein vers aus anderem geschlechte, einer der oft so gebraucht wird und in vielen liedern erscheint. dennoch wird man hier lieber die analogie befolgen, dafs Aischylos in seinen trochaeischen liedern oft einen vers, keineswegs blofs am ende, aus einem bestimmten geschlechte einmischt, dem daktylischen: also bezeugend, dafs seine tro- chaeen ein trieb aus derselben wurzel sind, der auch die pindarischen daktyloepitriten entstammen. und auch die hier vorliegenden glieder finden sich bei ihm. dieser vers hat die form ----.u-u|-u-u-o. er ist von Archilochos bereits in dieser form verwandt und stammt wirklich aus uraltem volksbesitze: scheint doch die verbreitetste form des Saturnius mit ihm identisch. auch in Alkmans partheneion wiegen ähnliche verse vor. er besteht aber aus zwei gliedern, welche auch ursprünglich durch wortende unter denselben bedingungen, wie sie für die diaerese d. h. die sonderung zweier integrirender versglieder galten, von einander ge- trennt blieben, wovon jedoch das drama oft abweicht. das zweite glied ist der nur von Sappho stichisch verwandte ithyphallicus, der als clausel eine überaus weite verwendung findet; er erscheint hier fast immer rein. da- gegen das erste glied hat nur die drei hebungen fest, die senkungen werden so frei behandelt, wie man es wol in italischer und germanischer metrik, aber nicht in griechischer gewöhnt ist. beispiele mögen es zeigen. Eoaouoviön Χαρέλαε Archilochos, ’Egaouoridn Βάϑιπτε Kratinos in der parodie jenes verses, ἀστῶν δ᾽ οἱ μὲν κατόπισθεν Archilochos (alle drei bei Hephaestion cap. 15). ἐπόρευσας ἐμὰν ἄνασσαν Eur. Hipp. 755. τὸ δ᾽ ἄκαιρον ἅπαν ὑπέρβαλλόν τε un προσείμην Eur. fgm. 885;

Parodos. Inhalt. 71

die auflösung ist mit grund sehr selten. der ganze vers, genauer sein erstes glied, hat enhoplios geheifsen; er hat sich selbst in der neuern komödie, allerdings bei Diphilos, der ihr seinem wesen nach nicht ange- hört, gehalten (Athen. 499°), und wir besitzen noch ein grabepigramm aus Kyzikos, wie es heifst, aus dem 1. jahrhundert (wahrscheinlich älter), das ihn stichisch anwendet, Kaibel epigr. 8745. vgl. G. Hermann el. doctr. metr. 590. mehr wird in den dochmischen liedern von ihm zu sagen sein, zur fünften gesangnummer.

Da das lesen der epode vielleicht zuerst schwierigkeiten macht, mag hier das sclema stehn, obwol es eigentlich überflüssig ist.

- -- UVUYUIYI UND NV U “ᾧ -

Die beiden strophen liefern die selbstvorstellung des chores. wir erfahren das notwendige, dals er ein kampfgenosse des Amphitryon ist, also mit derselben partei sympathisirt wie der zuschauer, und dals er ganz schwach ist, also jeder gedanke an eine tätliche hilfe für die Herakles- kinder ausgeschlossen ist.

Wenn Euripides greise einführt, so charakterisirt er sie dadurch, dafs ibnen das gehen schwer fällt, oder dafs sie gar bei einiger aufregung zu boden fallen, und er trägt die farben für unser gefühl zu stark auf (Peleus Andr. 551. 1077, Kadmos und Teiresias Bakch. 364, der pfleger des Agamemnon ΕἸ. 490, lolaos Herakl. 602. 731, der pfleger des Erech- theus Ion 727. 739. 1172). in der Elektra und im Ion klagen die leute beim auftreten darüber, wie mühsam sie bergauf gehen mülsten; das ist in Delphi wie hier durch den dargestellten ort motiviert, da der Apollon- tempel und die Kadmeia über der stadt liegen; in der Elektra hat der dichter das bequeme motiv auf den von ihm geschaffenen schauplatz übertragen. dals die personen und der chor einen wirklichen aufstieg gemacht hätten, ist nicht zu denken, denn gesetzt auch, sie wären ein par stufen gestiegen (was möglich ist), so könnte doch hier die zweite strophe unmöglich noch unterhalb derselben oder gar während des hinauf- steigens gesungen sein, und die mehrzahl der dramen gestattet gar nicht an ein hinaufklettern des chores zu denken. den abhang gebietet der dichter dem publicum durch seine willige illusion hinzuzudenken. die epode gibt dann kurz den eindruck wieder, den die auf dem altar sitzende gruppe dem chore macht, der ihr nun gegenüber steht.

Inhalt.

Einzel- erklärung.

109

110

72 Commenlar.

108 der palast hat einen hohen giebel; die privathäuser hatten und haben in Griechenland flache dächer, aber vornehme menschenwohnungen werden sich in der anlage von den götterwohnungen nicht unterschieden haben.

γεραιὰ δέμνια: das beit des greises. Amph. pflegte still zu liegen (555); er ist nicht bettlägerig, aber er hütet das haus, und da man nicht zu sitzen pflegt und auf derselben xAlyn liegend, wo man nachts schläft, sogar zu essen, auch für die nachtruhe keine grofse vorbereitung (wie in der luxu- riösen epischen zeit) gemacht wird, so ist “zu hause sitzen’ und “zu bette liegen’, ziemlich dasselbe. da der chor Amph. im bette zu finden er- wartet, weils er von der confiscation des hauses noch nichts, wol aber im allgemeinen von der gefahr für die kinder. 109 ἀμφί kann in sinnlicher bedeutung nur von dem gesagt werden, was von etwas anderem umfalst wird, also “suche dir einen stützpunkt, in- dem du den stab umfalst” der gang schwankt um den festen punkt, den stab, herum und würde ohne diesen die richtung und haltung ver- lieren. man mufs zu dieser erklärung greifen, weil ἔρεισμα ϑέμενος sich nicht als periphrase für ἐρεέδεσθϑαι betrachten läfst; ἐρεέδεσϑαε ἀμφὶ βάχτρῳ könnte man nur etwa von der schlange des Asklepios sagen. die stäbe selbst sind ἐρεέσματα χερός (253), weil χεὶρ τοῖς βάχτροις ἐρείδεται. das verhältnis dieses dativs ist das instrumentale, erträgt also den zusatz von ἀμφὲ nicht.

ἰήλεμος gehört zu den wenigen worten, welche auch im attischen den jonischen vocalismus ihrer herkunft gemäfs beibehalten. das sind völker- namen wie Aatijzıg (642), danach auch πολεῆτες (Hipp. 1126) ᾿“δρεη- γός (Hipp. 736) Θρῇξ mit ableitungen, oder fremdwörter wie ἐἰήλεμος τεήρα (A. Pers. 662), vielleicht noch eins und das andere. in den fliexions- sylben gilt natürlich die attische aussprache. die form der völkernamen schwankt auch auf den gleichzeitigen steinen. 110 γέρων ἀοιδός nennt sich der chor, weil er eben ein chor ist und singt. das ist für unseren ralionalismus wider die illusion, aber ganz in der weise der tragödie, vgl. 682. jenes lied nimmt 691 das wort γέρων ἀοιδός auf und erläutert, wenn nötig, den “grauen vogel’ als den schwan. denn das schwanengefleder ist von alters her ein bild der grauen farbe. Aisch. Prom. 795 nennt die I'galaı χυχνόμορφοε, Ar. Wesp. 1064 κύκνου πολεώτερος, E. Bakch. 1362 πολιόχρως x.') es scheint dafs dadurch erst

1) Wenn Pratinas (1, 5) in seinem tanzliede, d.h. seinem dithyrambos, von dem chore redet der im gebirge schweift οἷά τὸ κύκνον ἄγοντα ποικιλόστερον μέλος, so ist das adjectiv zu μέλος zu ziehen, und die grofse kühnheit anzuerkennen, dafs er das lied des vogels buntgefiedert’ nennt, weil seine weisen bunt sind. die antike

vers 108—110. 73

die vorstellung entstanden ist, dafs die “greisen’ schwäne am schönsten sängen, und daraus wieder, dafs es die sterbenden täten (dies zuerst bei Aischyl. Ag. 1444). doch läfst Eur. El. 151 auch einen schwan um den tod seines vaters klagen: da ist es einfach der singvogel. als solcher galt er von vornherein den Hellenen und zugleich als zugvogel aus dem norden, den man in scharen auf den gewässern Thrakiens (am Hebros und Strymon) und Asiens (am Kaystros) traf. selbst der name xuxvoc ist nur der ‘sänger’, doch mit onomatopoetischer umbildung der redu- plicationseilbe, wie das entsprechende ciconia auch anomal vocalisirt ist. weil der schwan von den Hyperboreern kommt wie Apollon, gehört er diesem zu, und daher seine rolle in der delischen sage. das schnee- weilse gefieder wird zuerst einmal von Eur. hervorgehoben, aber an einem besonderen schwane, dem, in dessen gestalt Zeus der Leda genaht ist (Hel. 216). auch hat schon Hellanikos den namen Kyknos bei dem troischen helden auf seine weilse haut beziehen wollen (schol. Theokr. “έρ. 49). das ist aber schlechter rationalismus. Kyknos erscheint in der troischen sage als ein böser könig, sei es von Tenedos (das erst nach seinen sohne Tennes benannt sein soll, also vorher einen andern namen gehabt haben muls, der “εύκοφρυς ist gemäls dem könig “schwan’), sei es von der später von dem Lesbiern dauernd besetzten und mit Apollon- culten übersäeten troischen küste. der aeolische held Achilleus erschlägt ihn. diese Aeoler stammen aus dem südlichen Thessalien, Achilleus gar aus der gegend, wo die thessalischen und delphischen Dorer ihren helden Herakles einen bösen könig Kyknos überwinden lassen. Herakles tut dies im dienste des Apollon. das ende beider Kyknos ist die metamor- phose. man könnte diese als secundär betrachten, und mülste doch den Herakleskampf als eine umbildung des Achilleuskampfes betrachten. aber ein name Kyknos kann nur ein redender sein: in Athen begegnet er in der familie des sehers Philochoros, und auch dieses apollinische handwerk pflegt erblich zu sein. und an denselben gestaden, wo Kyknos fallt, erzählt man seit alten zeiten von der verwandlung von Keyx und Halkyone. folglich wird man als grundlage anzunehmen haben: der schwan, Apollons diener, war früher ein böser könig und feind Apol- lons, den in seinem dienste der aeolische (später der dorische) held er- schlagen hat. natürlich war beiden völkern diese bedeutung verloren, als die uns bekannten sagen formulirt worden sind. Kyknos, der könig grammatik betrachtet in solchen fällen das zweite glied des compositums als abun-

dirend; das ist zu äufserlich, aber besser als die modernen zweifel. in der tat hat es in ξουθόπτεροῦ μέλισσα, ὁμόπτερος u. a. eine sehr schwache kraft.

74 Commentar.

der Ligurer, der um Phaethon klagt, ist der singschwan in seiner heimat. in Eur. Phaethon singen ebendeshalb die schwäne auf dem östlichen Okeanos, an dem das stück spielt, in der morgenfrühbe. ob die endlosen reihen von vögeln, mit denen die töpfer der ältesten griechischen zeit ihre ware bemalt haben, schwäne oder gänse (entsprechend der rolle, welche diese in der Odyssee spielen) vorstellen, ist um so fraglicher, als selbst späte künstler den schwan der Leda oft für unsere augen als eine unansehnliche gans bilden. mit einer andern gottheit als Apollon hat der schwan in alter zeit nichts zu tun. wenn er in der bildenden kunst mit Aphrodite verbunden wird, so kommt das nur daher, dafs man die epiphanie dieser göttin künstlerisch mit deu formen auszudrücken versucht hat, welche für die epiphanie des Apollon eine religiöse be- deutung hatten: es ist also nur für die formensprache der kunst von belang, nicht für das wesen der göttin.

111 111 die schilderung des alters wie 239, kurz und scharf φωνὴ καὶ oxıa γέρων ἀνήρ Meleager 513 u. dgl. das sind variationen eines volkstüm- lichen spruches, Aiolog 25 φεῦ φεῦ, παλαεὸς alvos ὡς καλὼς ἔχεε" γέροντες οὐδέν ἐσμεν ἄλλο πλὴν ὄχλος καὶ σχῆμ᾽, ὀνείρων δ᾽ ἕρπο- μὲν μιμήματα, (ὄχλος καὶ σχῆμα, statt die acteurs nur noch der figu- rantenchor auf der bühne des lebens, um die misverstandenen worte durch ein bild zu erklären. ὄχλος πρεσβυτεκός Aristoph. Wesp. 540 Plut. 786) γοῦς δ᾽ οὐκ ἔνεστιν. in weit edlierer weise, aber doch mit denselben typischen zügen schildert sich der chor in der parodos des Agamemnon.

ἔπεα steht singulär, in minder erhabener rede ψόφος; λόγος oder λόγοι würde nicht sowol den leeren klang als den irrealen inhalt oder den gegensatz zu ἔργον bezeichnen. “die tugend ist doch kein leerer schall’: das ist λόγος: τλῆμον ἀρετή, λόγος ἄρ᾽ 1,09” ἐγὼ δέ σε ὡς ἔργον ἤσχουν sagt Brutus bei Philippi (Cassius Dio 47, 49 fgm. adesp. 305, offen- bar aus einer kynischen Heraklestragödie). dagegen Shakespeares “worte worte, nichts als worte‘, ist ἔπη τάδ᾽, οὐδὲν πλὴν ἔπη. δόκημα für das was nur im doxeiv eine existenz hat, hat sich Eur. gebildet. in Argos sagte man so für δόγμα (κατὰ τὸ δόχημα τοῦ συνεδρίου τῶν Ἑλλήνων Cauer delect. 58 aus der zeit 338---90).

113 113 τρομερὰ und πρόϑυμα gehört zu dosalnv.

114 114 die altionische und auch die altattische sprache, diese aber nur in gehobener rede, setzt gern ein mit « privativum gebildetes adjectiv statt nakt von jemand auszusagen, dafs er das und das entbehre, ἄπαις γόνου, ἀνέστιος olxov, ἀπαϑὴς νόσου, zum teil in sehr kühnen wen- dungen wie ἀχάλχωτος ἀσπίδος, ἀνήνεμος χειμώνων, ayslıwy φίλων.

vers 111--- 119. 75

das ist schön und dichterisch, denn es erhöht das sinnlich plastische der rede. aber Eur. erlaubt sich auch, wie hier, das adjectiv vom selben stamm zu bilden wie den folgenden genetiv παέδων ἄπαις Andr. 612, ἄφελος φίλων Hel. 524. ähnlich hat Platon im greisenalter τεμῆς --- ἄτιμος πάσης Ges. 774.

115 die adjectiva welche auf ein unbetontes -αεος ausgehen, verlieren im 115 altattischen häufig den zweiten bestandteil des diphthonges; so γεραεός σαλαιός δίκαιος φιλαϑήναιος u.a. es war aber, wie es scheint, nicht sitie, diesem verluste auch in der schrift denselben ausdruck zu geben wie in Πειραεύς ποεῖς ἀεί oder bei langem vocale in öAaa u. a., wo volle inconsequenz herrscht.

116 ’4löng mit langer anfangssylbe ist im attischen selten, welches die 116 verkürzte form (Aıdog εἴσω u. dgl.) nicht anwendet. doch ist die länge auch EI. 142 Hik. 922 (νῦν ’Aiöng iambisches metron) frgm. 930 (aller- dings mit sicherheit auf den Peirithoos bezogen, also von Kritias) ge- sichert, und sie stammt aus dem altionischen iambos, Semonides 1, 14. δόμοις ist locativ. so verwendet das drama den dativ in voller freiheit, und die syntax wird die constructionen dieses casus nur dann begreifen, wenn sie damit rechnet, dafs er zwei volle casus vertritt. musterbei- spiel Bakch. 67 τίς ὁδῷ; τίς μελάϑροισιν.

119 “werdet nicht müde, wie das pferd, welches den wagen einen berg 119 hinanziehen soll’. Zassus tamquam caballus in clivo Petron 134. bis in solche sphaere mufs man hinabsteigen, um eine parallele zu dem gleichnis zu finden, das uns unedel dünkt; und in der tat sind die jüngeren tragiker zwar an metaphern reich, und Eur. (denn Soph. hat wenig eigene bilder, aber einzelne besonders schöne, und steht an sinnlicher plastik des ausdrucks sehr zurück) ist unerschöpflich in umbildungen alter motive, aber mit kühner hand in das volle leben zu greifen, wie Aischylos tut (essig und öl Ag. 362, schlappohriger hund 1229, füllen das der hafer sticht 1640, ἀνὴρ πεπαίτερος μόρων Myrmid.), verhindert ihn der kapp- zaum des stiles. auch hier hat er das δημῶδες als gegensatz zum conven- tionell erhabenen, also nur durch umbildung gewagt. da ist zuerst der ἵππος Ißvxsıog, der ποτὶ γήρᾳ ἀέκων σὺν ὀχέσφι ϑοοῖς ἐς ἅμιλλαν ἔβα (fgm. 2), citirt von Platon Parmenid. 136°. dies berühmte bild wird nach zwei seiten umgeformt, einmal von Soph. El. 25 ὥσπερ γὰρ ἵππος εὐγενὴς κἂν γέρων ἐν τοῖσι δεινοῖς ϑυμὸν οὐκ ἀπώλεσεν ἀλλ᾽ ὀρϑὸν οὖς ἔστησεν, auf welchen ἵππος Σοφόκλειος mit nachbildung der platonischen stelle Philostrat. vit. soph. 11 23 deutet. entgegengesetzt hat die altkynische schule ἵππου γῆρας von dem elenden ende des zum

76 Commentar.

karrengaul heruntergesunkenen renners gebraucht, und das ist sprich- wörtlich geworden, Dion Chrys. VI 41, (kynische quellen), Plutarch as seni sit ger. resp. 9, paroemiographen. auch Cicero fand wol ein so despectirliches wort in einem griechischen tractat vor, als er den Cato schrieb, aber er setzte lieber die würdige auffassung, die ihm in ennia- nischen versen im gedächinis war sicus fortis equus, spatio qui saepe supremo vicıt Olympia, nunc senio confedu quiescit. (Cato mai. 14); während Horaz ep. I 1, δ᾽ natürlich auch unter dem eindruck der griechischen bilder, näher am Ἰβύκειος ἵππος hlieb, solve senesceniem mature sanus equum, ne peccei ad eziremum ridendus εὐ ılia ducat. Eur. nun führt einen chor von greisen ein, ὧν ῥώμη μὲν ἀπήμβλυνται, ϑυμὸς δὲ μεγοινᾷ, und darum pafst auf sie der vergleich mit dem steif gewor- denen schlachtrofs. er bedient sich aber zur charakteristik, wie er pflegt, ihrer körperlichen gebrechlichkeit, die ilınen den aufstieg schwer macht. da das gerade auch für das steife pferd zutrifft, hat er diese vulgäre wendung gewagt; dabei kam es auf die altersstufe des pferdes nicht mehr besonders an, und so blieb diese beziehung unausgesprochen. dafs πώλος gesetzt ist, besagt keinen altersunterschied, denn Eur. pflegt πῶλος und zwiınög ganz synonym mit ἵππος und ἱππεκός zu selzen. die verse sind schwer entstelit überliefert, ὥστε πρὸς nergaivr λέπας ζυγηφόρος κῶλον ἀνέντες ὡς βάρος φέρον τροχηλάτοιο πώλου. aber wenn man den sinn und das versmafs erfalst hat, kann man das meiste mit sicher- heit erledigen. erfordert ist erstens ein substantiv im nominaliv gehörig zu ζυγηφόρος, zweilens ein genetiv gehörig zu τροχηλάτοιο. der zweite kann σιώλου nicht sein, das erste mufs den sinn ‘pferd’ haben: folglich ist πώλου durch den einflufs des nebenstehenden genelivs aus στὥλος entstanden. der fehlende genetiv ist ἀσεήνης ὄχου ἅρματος, so elwas: der fehlt also ganz. ζυγηφόρος geht nicht in den vers, also ist die form zu ändern. χώλον ist gar nicht in die construction zu bringen, also ist es entweder verdorben oder wahrscheinlicher dittograpbie zu πῶλος, welches an sein adjectiv gerückt ward. somit ist sicher πρὸς sısrgaior λέπας ζυγοφόρος -u—u-v- βάρος φέρων τροχηλάτοιο πῶλος, und in der lücke, wo 7εἰχί [κώὠλον] ἀνέντες wg stehl, fehlt sicher der be- griff “wagen’; es fehlt aber, wie die sylbenzahl zeigt mehr. nun ist σπερὸς λέτεας 80 weit von φέρων entfernt, dafs man eine vermitielung erwartet: mindestens ἄνω, denn auf die steigung kommt es an; ferner ist der ver- gleichungssatz so umfänglich, dafs man ein verbum, also am besten das- selbe wie im haupisatz, wünscht. allem wird genügt, wenn man wagt

(ἔκαμ᾽ ) ἀναντες(ἄρματγος.

vers 121—128. 77

121 λέπας ist eine nebenform von λέγεος die schale (wie δέρος: δέρας, 121 βρέτος : βρέτας, σέβος : σέβας) und erscheint, wie die meisten ähnlichen wörter, nur im nom. acc. metaphorisch kann es also nur eine kahle fels- kuppe bezeichnen, vgl. πέτρη Aerrgag Theokr. 1, 40, die landschaft A&rcgeov, wul auch der berg Aerservuvos auf Lesbos. auch die gram- matiker haben es verstanden (schol. Apoll. Rh. 1 1266; Eustath. zu ® 455 mischt fülschlich λόφος ein). lebendig war das wort, so viel zu sehen ist, nur in Sicilien, wo das Axgaiov λέπας am wege von Syrakus nach Akrai lag, ein wirkliches λεστρὸν ὅρος (über cava Culatrello, Lupus Syrakus 5. 57 Thuk. 7, 78). auch der älteste litierarisch nachweisbare gebrauch des wortes ist correct, Simonides 117, von den Kranichbergen bei Megara. aber die Athener haben, ungewifs woher, das wort als ein fremdes aufge- griffen und fälschlich auch für ein waldgebirge gebraucht, Aischyl. Ag. 298 Κιϑαιρῶνος λέπας, und Eur. Ino 415 μικροῦ γὰρ ἐκ λαμιτῆρος Ἰδαῖον λέπας πρήσειεν ἄν τις. spätere und zwar geringe dichter haben das wort vereinzelt aus Eur. aufgegriffen; in wahrheit war es verschollen. τροχηλάτοιο. der epische (fälschlich sog. thessalische) genetiv ist nach dem vorgang von epos und Iyrik in chören durchaus zulässig. am ende seines lebens hat Eur., aber er allein, ihn einzeln auch im dialog ver- wandt Archel. 230. 123 wie 125 zeigt, ist der kräftigere angeredet, also aus ὅτου ein geneliv 123 zu χερὸς καὶ πέπλων zu entnehmen. von πέπλος ist der plural für ein gewand gebräuchlich: die hand kann nur im singular stehn, weil nur eine gemeint ist. 124 ἀμαυρός wird nicht nur von den grammatikern (Orion Et. M. s. v.) 14 sowol als “dunkel? wie als “schwach” erklärt, sondern die tragiker ver- wenden es in beiden bedeutungen: ‘dunkel’ wiegt vor, doch öfter in So- phokles OK. und bei Eur. hier und 231 ist schwach’ offenbar gemeint. in wahrheit ist dies das richtige, denn das wort ist eine aeolische neben- form zu ἀμαλός (ἀμα-υρός wie λε-τυρός γα-ἴρος ἀγα-υρός) und über die bedeutung läfst der lahme könig Amauros von Tenedos (Herakleil. Pont. nroAır. 23) so wenig zweifel wie über die herkunft. die verwech- selung ist unter dem einflufs des attischen ἀμυδρός entstanden. Hesiod gebraucht das wort richtig. bei Homer steht nur in der jüngsten schicht der Odyssee 824 εἴδωλον ἀμαυρόν, gemeint als ἀμενηνόν, aber wie die scholien zeigen, als ἀμυδρόν misverstanden. 128 ὀνείδη ist apposition zum subject, nicht als accusativ nach 59 zu 128 erklären: das zeigt der numerus. von selbst ergänzt man die bittere kritik der gegenwart οὗ δὲ νῦν νεανέαε δισχλεοῦς πατρέδος αἴσχη.

78 Commentar.

130 130 die kinder sind echte Herakleskinder; sie haben die feurigen augen des vaters, das schwere leben und die χάρες. diese ist immer etwas reci- prokes, sowol die freundliche gesinnung oder tat, wie die gesinnung oder tat, welche diese erwidert. also lebt in den söhnen die χάρες des Herakles, weil sie wie er zu woltätern der menschen berufen sind, und weil sie wie er auf den dank der menschen anspruch haben. näher führt das der schlufssatz aus, in dem sich die ergebenheit des chores ebenso wie seine hoffnungslosigkeit äufsert. denn dafs in ihm die χάρες lebendig ist, ist ausnahme; die meisten haben den toten woltäter vergessen. denn χάρις τοῦ ϑανόντος ταχεῖα διαρρεῖ 8. Ai. 1267.

πατρός kurz für τῶν τοῦ πατρὸς ὀμμάτων. solche gekürzte ver- gleichungen kann keine sprache entbehren ; musterbeispiel κόμαε Χαρέ- τεσσιν ὅμοιαι P 26.

προσφερής mit dem genetiv ist singulär. aber es finden sich öfter adjectiva die mit σύν oder ὅμο componirt sind, also nach der gewöhn- lichen regel den dativ verlangen, weil für die empfindung das verhältnis der gemeinschaft oder teilhaftigkeit vorwiegt, mit dem genetiv z. b. συμπρεπὴς γυναιχῶν A. Hik. 458. selbst περέπεδεν hat Soph. (Ai. 534) mit dem genetiv verbunden. ξυνὸς δμευνέτιδος βωμός ein gedicht des dritten jahrhunderts (Kaibel Epigr. 781, 8) ἀράχνης ἐναλιγκίοις πέπλοις Philoxenos 3, 5. im auge wohnt die αἰδώς und deshalb für den Hellenen die schönheit (Klearch bei Ath. ΧΙ 564 führt es nach Aristoteles aus und belegt es mit vielen erlesenen versen. häufig bei späteren); im auge wohnt auch der trotzige mut, das γοργόν, vor dem der feige das auge niederschlägt. dies γοργόν ist wie für γοργῶπις “ϑήνη so für Herakles charakteristisch. als ihn Hermes als sclaven ver- kaufen will, fürchtet er keinen käufer zu finden σὲ δ᾽ εἰσορῶν πᾶς τις δέδοικεν" ὄμμα γὰρ πυρὸς γέμει, ταῦρος λέοντος ὡς βλέπων ἐς ἐμβολήν. Syleus 690.

132 132 χακοτυχής hat allein Eur, nach εὐτυχής gebildet (Hipp. 669. 679. Med. 1274), καχοτυχεῖν nur Thuk. 2, 60 καχοτυχῶν ἐν εὐτυχούσῃ scarglödı, durch die antithese gemildert. die sophistik, der beide schrift- steller huldigen, hat viele solche künstliche bildungen ersonnen, die in der lebendigen sprache nicht durchgedrungen sind.

151 137 στερεῖσθαι ist nicht privari sondern carere, deshalb kann das particip aoristi ὀλέσασα stehn. an der leiche des Hippolytos sagt Theseus Hipp. 1460 οἵου στερήσεσϑ᾽ ἀνδρός, der chor in den Hiketiden 793, der kinderlos geworden ist, νῦν δ᾽ ὁρῶ σαφέστατον καχόν, τέκνων στερεῖσϑαι. Thuk. III 39 “wenn ihr eine abgefallene stadt einnehmt und

vers 130—139. 79

zerstört τῆς ἐκεῖθεν προσόδου τὸ λοιπὸν στερήσεσϑε. auch das activ ἀποστερεῖν bedeutet nicht "berauben’ sondern “vorenthalten.

Zweiter auftritt 138-347.

138. 39 diese beiden verse spricht der chorführer; sie bilden die äufser-Interloquien liche vermittelung zwischen dem liede und dem folgenden dialoge und führen zugleich die neuauftretende person ein. diese ganz conventionelle manier gilt bei Soph. Eur. Aristoph. ganz in gleichem mafse. Aisch. be- dient sich ihrer auch schon öfter (Pers. 150, 246, Sieb. 369 Ag. 489 Ch. 730. in den Hiketiden vertritt Danaos den chorführer, in den Eume- niden schlofs die maske des chors eine solche verwendung aus), aber doch noch ziemlich frei, und der Prometheus zeigt gar kein beispiel, weicht also von der späteren sitte auffällig ab.

ἀλλὰ γὰρ fordert immer die ergänzung des gedankens, welchen der vorausgenommene satz mit γάρ begründet. wird dieser gedanke ausge- sprochen, so folgt er asyndetisch, ἀλλ᾽ εἰσορῶ γὰρ ᾿ἱππόλυτον" ἔξω zwvös βήσομαι τόπων Hipp. 51—53. in dem vorliegenden wie in vielen anderen fällen ist aber nur der gegensatz zu irgend etwas ausgesprochen ; dazu ergänzt die handlung das was der redende nicht sagt. “aber wir können nicht weiter singen, nicht mit Amphitryon reden, denn Lykos kommt.’

περᾶν ist nur vorwärts gehen; I.,ykos kommt desselben weges wie der chor, aus der stadt. Bakch. 212 Πενϑεὺς πρὸς οἴκους περᾷ. zu πέλας δωμάτων vgl. den allerdings nicht euripideischen vers Heraklid 657 σὺ πρῦσϑε ναοῦ τοῦδ᾽ ὅπως βαίης πέλας, wo ἡμῶν nicht ohne härte hinzuzudenken ist. die trabanten, welche den Lykos begleiten, 240. 332. 723, erwähnt der chor nicht, weil sie herkömmlich das gefolge der könige bilden, vgl. oben s. 52.

Lykos kommt um den tod seiner feinde endlich zu erzwingen. er Rede des will sie zum letzten male auffordern sich dem tode gutwillig zu stellen; tun sie das nicht, so will er sie zwar nicht vom altar reilsen (was er 722 schliefslich doch mit Megara tun will), aber auf dem altar verbrennen. es würde für den fortgang des stückes ganz genügend sein, wenn Lykos seine absicht schon jetzt, nicht erst 240, ausspräche. statt dessen wird zunächst ein ganz mülsiges wortgefecht geführt, nicht eigentlich ein ἀγὼν λόγων, denn Lykos führt seine ansicht nicht des näheren aus, sondern gibt nur dem Amphitryon die themata für dessen grofse epideixis. diese ist also dem dichter selbstzweck gewesen, und er hat dem rhetorischen das dramatische interesse geopfert.

80 Commentar.

Die rede des Lykos ist ganz einfach disponirt; man mufs nur das rankenwerk der stilisirung entfernen, welches das ethos getrieben hat. ‘ergebt euch in den tod, da euer widerstreben sowol nutzlos als unbe- rechtigt ist (140—56). Herakles steht ganz ohne grund ım rufe der tapferkeit (157—64). mein handeln ist durch die pflicht der selbster- haltung geboten (165—69). hierin ist aber der zweite teil eine ab- schweifung, welche man nicht nur als überflüssig, sondern als störend empfindet, wie sie denn ohne schaden für diese rede weggelassen werden kann. sie ist somit nur als προπαρασχευή für die entgegnung des Amphitryon da. das zeigt sich auch äufserlich darin, dafs in diesen versen die persönliche anrede aufgegeben ist; denn mit solcher beginnt die rede, und Amphitryon 149 und Megara 150, 51 erhalten jede ihr teil. zu Amph. kehrt Lykos 165 zurück, offenbar weil der alte sich anschickt auf die schmähungen zu erwidern. aber die kritik des bogenschützen ist an niemand auf der bühne, d. h. in wahrheit an das publicum gerichtet.

Um die gedankenfolge des ersten ieiles zu verstehen mufs man er- kennen was das leitende ist. Lykos will sagen ἐρωεῶ ὑμᾶς, μέχρι πόσου διατρίβειν βοίλεσϑε ζῶντες, ἐπειδὴ σωτηρίαν οὐδεμέαν ἔχετε τοῦ Ἡρακλέους τεϑνεῶτος. ϑαυμάζω δὲ καὶ τὸ ἄκαιρον πένϑος ὑμῶν, οὐδὲν γὰρ εἴργασται τῷ Ἡρακλεῖ ἐφ᾽ τις τοῖς παισὶν αὐτοῦ φείσε- ται. allein die lebhaftigkeit und der hohn des redenden hat dies logische verhältnis vielfach verdunkelt. 1) tritt zu dem einfachen ἐρωτῶ ein neben- satz, der die folgende frage ganz verselbständigt hat. “ich frage euch, wenn es sich ziemt: es ziemt sich aber, da ich ja euer herr bin’. das ist bitterster hohn, weil Lykos scheinbar die mode mitmacht, seine rede mit der captatio benevolentiae zu beginnen, ob er denn wol sich die freiheit nehmen dürfe. ähnliche gedauken sind bei den rednern gewöhnlich, bei Eur. z.b. El. 300 λέγοιμ᾽ ἄν εἰ χρή. χρὴ δὲ πρὸς φίλον λέγειν τύχας βαρείας τὰς ἐμὰς κἀμοῦ τεατρός" “es schickt sich vielleicht nicht an sich, dafs ich, eine frau, eine rede halte, aber da du ein freund bist und ich auch von meines vaters unglück zu reden habe, so schickt es sich wol’. Hek. 234—38. nach weiteren praeambeln εἰ δ᾽ ἔστε τοῖς δούλοισι τοὺς ἐλευϑέρους μὴ λυπρὰ --- ἐξιστορῆσαι, σοὶ μὲν εἰρῆσϑαι χρεών, ἡμᾶς δ᾽ ἀχοῦσαε τοὺς ἐρωτῶντας τάδε. “bitte, stehe mir rede, wenn ich, die sclavin, dir eine bescheidene frage vortragen darf’. das sind situationen, wo die höf- lichkeit angebracht ist, hier hebt die motivirung des tyrannen genugsam hervor, dals er seine opfer höhnt. 2) die begründung dafür, dafs der widerstand aussichtslos ist, wird in die form zweier rhetorischer fragen ge- kleidet, sodafs diese nicht nur unter sich, sundern auch mit der voran-

vers 134—149. 81

gehenden frage, die allein den inhalt des ἐρωτᾶν bildet, coordinirt er- scheinen. hier mus die richtige recitation dem misverständnis vorbeugen. 3) der folgende mit wg eingeleitete satz begründet den inhalt der fragen des Lykos durchaus nicht, und am wenigsten die unmittelbar vorhergehenden rhetorischen fragen. πιστεύετε τὸν Ἡρακλέα ἥξειν; ὡς ὑπὲρ τὴν ἀξίαν πενϑεῖτε ist sinnlos. begründet wird vielmehr dafs Lykos überhaupt fragen mufs, ἐρωτῶ ὑμᾶς, τί μηκύνετε τὸν βίον" ὡς ὑπὲρ τὴν ἀξίαν σπενϑεῖτε. ähnlich I. T. 540; als die priesterin der skythischen göttin eine auffallende vertrautheit mit griechischen verhältnissen zeigt, sagt Orestes zig el ποϑ᾽; ὡς ev πυνϑάνῃ τἄφ᾽ Ἑλλάδος; ὡς begründet es, weshalb er darauf kommt nach ihrer herkunft zu fragen. übrigens ist ὡς in diesen fällen und verwandten (2. b. 1. T. 660) in wahrheit nichts als ‘wie’ und gehört zu den adverbialen wörtern ev, ὑπὲρ τὴν ἀξίαν. das begründende liegt nur in seiner qualität als relativum, und es ist im grunde dieselbe verwendung wie von olov 817. 4) scheinen nur die κόμπστοι der Megara widerlegt zu werden, nicht die des Amphitryon; was dazu verleitet hat, nach 149 den ausfall eines verses anzunehmen. aber das ist täuschung. die anrede Megaras 151 ist nur dadurch gegeben, dafs eine andere anrede vorhergieng, und Lykos das wort ἀνὴρ ἄριστος aufgriff. in wahrheit ist Herakles, wenn er nichts geleistet hat, noch viel weniger sohn des Zeus als ἀνὴρ ἄριστος, also ist auch Amphitryon widerlegt. 5) könnte befremden, dafs Lykos zuerst nur vom tode derer spricht, welche er an- redet, 156 vom tode der Herakleskinder. aber diesen gilt in wahrheit alles; ihre ἐπέξροττοι sind nur ein annex. darüber ist der zuschauer aufser durch die allgemein griechische anschauung durch den prolog aufgeklärt. 145 xsluevoy παρ᾽ “Audn mit absicht gewählt. für Lykos ist Her. nicht 145 als einer der in die hölle hinabgestiegen ist drunten, sondern er liegt wie jeder verstorbene unter der erde. 147 dafs man ϑαυμάζω, δεινόν ἔστιν u. dgl. mit ei verbindet, ist triviale 147 lehre. es ist das aber nur ein beispiel für die anschauung der Griechen, in dem was wir für das object einer empfindung oder wahrnehmung halten, die bedingung derselben zu finden, zumal wenn die stimmung des redenden dahin neigt, von dieser bedingung lieber los zu kommen. so hier πένϑος αἴρεσϑαι, εἰ ϑανεῖν χρεών. aber eine genaue parallelstelle habe ich nicht. 149 der vers ist verstümmelt, aber sicher herzustellen. denn es genügt 149 nicht aus dem überlieferten ὡς σύγγαμὸς σοι Ζεύς blofs den ruhmes- titel für Amph. zu gewinnen, den er im ersten verse des prologs vor- bringt, da sich hier ja alles um die frucht jenes “mitgatten’ verhältnisses v. Wilamowitz IL 6

82 Commentar.

dreht, um Herakles. also ist zu sagen, "dafs Zeus als dein mitgatte Herakles erzeugt habe’. die form des ausdrucks läfst sich aus der erwiderung finden (170), nach welcher Lykos von einem anteil beider väter an Herakles ge- redet hat. man gewinnt also ἐχοινώνει aus dem überlieferten τέκος νέον, und hat τέχγου am schlusse zuzusetzen.

151 151 es konnte nicht heifsen τέ δὴ σεμνόν, denn darauf würde die antwort gewesen sein, ὕδραν, λέοντα διώλεσεν. durch die setzung des artikels ergibt sich der sinn τέ δὴ nos’ ἔσειν ἐχεῖνο τὸ σεμνὸν λεγόμενον. mit abundirendem gebrauche des artikels wie Τίευρ᾽ ἐμὶν τὸ χαλὸν πεφιλημένε Theokr. 3, 1, hat dies also nichts zu tun.

152 152 ὕδρος ist eine wasserschlange, die sich besonders von fischen nährt, nach dem glauben der Griechen aber im sommer zur ἔχεδνα wird, aufs land kriecht und sehr giftig ist. wenn Lykophr. 1313 ὕδρος für δράκων setzt, so ist das katachrese; bei Euphorion 55 steht es in eigentlichem sinne. das fabelwesen allein führt den weiblichen namen Ὕδρα. diesen behält zwar Lykos bei, aber durch den zusatz ἕλειος macht er aus dem eigennamen doch einen gatiungsnamen und erweckt so ziemlich die nie- drige vorstellung eines ὕδρος.

153 153 hier bedient sich der flache unglaube desselben mittels, mit dem so oft der rationalismus anstößige überlieferungen beseitigt, eines etymolo- gischen gewaltactes. der stärkste μηρός-ὅμηρος Bakch. 286—98. seit Hesiodos etymologisiren die Hellenen so gut wie alle. hier hat das nicht viel mehr zu bedeuten als was es ist, ein schlechter witz. Lykos selbst verzichtet darauf, die anderen grofstaten in ähnlicher weise zu beseitigen.

155 155 ἐξαγωνίζεσθϑαι ist nichts als ein wenig verstärktes ἀγωνέζεσϑαι ‘darauf wollt ihr euch berufen?’ überaus häufig sind im drama die bei- spiele von verben, die ohne nennenswerte steigerung der bedeutung ein ἐξ erhalten, lediglich um klangvoller und vornehmer zu wirken. die kühnheit steigert sich im laufe der zeit, und ist besonders bei Sophokles zur manier geworden. Ζ. b. ἐξαγγέλλειν ἐκμιμεῖσϑαι ἐκκαυχᾶσϑαι ἐχ- χομψεύεσθαι ἐκϑεᾶσϑαι ἐκχχινεῖν ἐκλήγειν ἐκσημαίνειν ἐχφυλάσ- σειν; selbst sehr gewöhnliche verba wie ἐξεπέστασϑαι, ἐξαμαρτάνειν, ἐχδιδάσκειν, ἐξαναγχκάζειν sind im grunde gleicher art. auch vor composita tritt ein solches 2x, neben den gewöhnlicheren ἐξαπολλίναι ἐξανευρίσκεεν findet sich ἐκπροτιμᾶν ἐξεπεύχεσϑαι ἐξυπηρετεῖν ἐξα- ποφϑείρειν ἐξαποξύνειν τ. 5. w. es ist begreiflich, dafs einzelnes an- stofs erregt, aber er schwindet, wenn man die fülle der erscheinungen übersieht, was jeder mit dem lexicon in der hand tun kann.

εἵνεκα und Evexa ist beides gut attisch, Eyexev nicht, obwol Eur. sich

vers 151—158. 88

dasselbe in anapästen vereinzelt gestattet hat (Med. 1086). die verwech- selung mit dem seit ältester zeit als conjunction verwandten oüvex« ist factisch schon im 7. jahrhundert in Athen vorgekommen CIA IV 422, 4 βαλόμενος νίχεσεν Ἐπαίνετος hövexa röde (ha fälschlich wiederholt; an unvollstäudigkeit zu denken kein grund), und im 5. jahrhundert CIA IV 491, 8 ἀρετῆς οὕνεκα. allein dies denkmal einer hetäre ist plebejisch, und der fehler kommt wenigstens in allen sorgfältig geschriebenen docu- menten nicht vor. mit recht wird er also trotz dem überwiegenden zeugnis der handschriften überall aus der litteratur dieser zeit getilgt. 210 ist das echte überliefert. 157 überliefert ist ὃς ἔσχε d. dann würde aus den worten τοὺς ᾿Ηρα- 157 κλείους παῖδας der name Ἡρακλῆς herausgehört werden müssen. das ist ganz tadellos, vgl. 263. aber ein relativer anschlufs ist hier unmöglich, weil die vorigen verse nicht nur den volltönenden abschlufs eines satzes, sondern einer ganzen gedankenreihe bilden, während hier ein neuer abschnitt begiant. daher ist δ᾽ herzustellen, verdorben unter dem ein- flufs von 159. 158 Eur. gebraucht ἔγχος αἰχμή δόρυ ganz im sinne von πόλεμος μάχη" 158 Hik. 22 τό τ᾽ ἔγχος τήν τὸ δυστυχεστάτην στρατείαν, wo das er- klärende wort folgt, schon durch das ἀπὸ κοινοῦ gestellte adjectiv eng verbunden ; dafür gibt es wol keine parallele. ἐν αἰχμᾷ unten 437, Phoen. 1273 schreiten die feindlichen brüder zum einzelkampf αἰχμὴν ἐς μίαν χαϑέστατον. ganz so einmal Herodot VII 152 ἐπειδή σφι πρὸς Aaxsdaruovlovg κακῶς αἰχμὴ ἑστήκει. andere wendungen der tragiker oder Iyriker wie αἰχμᾶς ἀχόρεστος, παρμένοντας αἰχμᾷ und vollends das in αἰχμάλωτος lebendig gebliebene αἰχμῇ ἑλεῖν stehen anders, da die grundbedeutung noch fühlbar ist. auch δόρυ ist selbst in den noch am ehesten vergleichbaren stellen, wie S. Ant. 670 δορὸς ἐν χειμῶνι, lange nicht so kühn gesetzt wie unten 1193 γιγανεοφόνον ἐς δόρυ ἤλϑεν oder Ion 997 ϑειῦν ὅτ᾽ ἦλθεν ἐς δόρυ. ferngehalten mufs der collective gebrauch des singulars werden, wie Herakl. 275 ἥξω πολλὴν Aogeos "Apyelov λαβὼν πάγχαλκον alyunv, oder δόρυ Autol. 245, 5. OK 1525, ἀσπίς Phoen. 78, bei späteren ἵπσεος die reiterei nach ionischem vorbild, das von den alten Athenern nur Aisch. Pers. 302. 315 befolgt

ähnlich wird der wert der kämpfe mit ungeheuern gegenüber dem wirklichen kriege herabgesetzt Hik. 314, beide male von ungerechten be- urteilern. aber es lag dies urteil dem sophistischen zeitalter recht nahe, das die pietät für die sage verloren hatte, und Eur. würde an sich einen solchen kampf mit bestien nie haben verherrlichen können.

δ᾽

84 Commentar.

160 160 “eine ganz elende παῖε" xaxsorov ὅπλων “die schlechteste waffe” würde leere übertreibung sein und voraussetzen, dafs nicht zwei ganz be- stimmte waffen verglichen würden.

161 161 in περόχεερος sind eigentlich zwei wörter zusammengefallen. der ältere gebrauch ist durch eine hypostase aus σερὸ χεερῶν entstanden und be- zeichnet das was bei der hand ist, A. Prom. 54 xal δὴ πρόχειρα ψέλια δέρκεσϑαι πάρα. das andere ist eine bildung wie πρόϑυμος πρό- φρων und bezeichnet, dafs die hand, wie dort ϑυμός oder φρήν, in irgend einer richtung voraus ist, also einer person oder sache entgegenkommt. diese bedeutung erfordert den zusatz dessen, wozu man rasch bei der hand ist, mag das ausdrücklich gesagt werden oder sich von selbst ergänzen. angeschlossen wird es durch die praepositionen πρός oder eig; natürlich kann der infinitiv ohne jede praeposition in alter sprache stehen. an sich ist auch der dativ gut, wie etwa τροφαῖς ἕτοιμον ἵππων Pind. Ol. 4, 14, aber er ist ganz vereinzelt.

162 162 einen groben fehler würde begehen, wer verbinden wollte οὔκ ἔστι τὰ τόξα ἔλεγχος εὐψυχίας ἀνδρὸς. so nahe das zu liegen scheint, so sicher schliefst es vom sinne abgesehen schon die wortstellung aus- οὐ τὰ τόξα ἐλέγχει τὸν ἄνδρα ὅτι εὔψυχός ἐστιν, alla τὸ μένειν αὑτόν. die genetive ἀνδρὸς und εὐψυχίας stehen parallel, erst das ganze, die person, dann der teil, die eigenschaft derselben, auf welche es ankommt. auch diese art zu reden ist ein ausflufs der energischen auf die hauptsache losgehenden, die logische hypotaxe verschmähenden weise der alten sprache, fremd bis auf weniges der schulgerechten manier der späteren, deren rhetoren sie das σχῆμα Ἰωνικόν nennen, Lesbonax 8. 182 Valck.') das gewöhnliche wie ἅπεεσϑαί τέγος χερός, βάλλειν τινὰ τὸν ὦμον ist bekannt, namentlich wenn es sich um körperteile handelt, wie das musterbeispiel yuyafxa τε Inoaro ualoy 258, unten 179 Tiyacı πλευροῖς πτήν᾽ ἐναρμόσας βέλη. doch auch da stöfst man sich an stellen wie Soph. OK 113 καὶ σύ μ᾽ ἐξ ὁδοῦ πόδα χρύψον (wo der fußs genannt ist, weil seine bewegung nötig ist und niemand ἐμὸν πόδα κρύψον beanstanden würde). eben so gut ist aber auch jede

1) Stark ist allerdings das von Lesbonax angeführte beispiel συνέβη τρωθῆναι τὸν ᾿Αλέξανδρον ἵππον, und gehört wol einem künstelnden Asianer an, etwa Hege- sias. derselbe bezeugt dort für Homer E 461 ein beispiel dieser figur, welches weder in unsern handschriften noch in unsern ausgaben den verdienten platz gefnnden hat Τρῶας δὲ στίχας orAos Apns ὄτρυνε μετελϑών. zwar haben einige alte kritiker diese lesart, die sie als xos»n7 bezeichnen, gehalten, aber falsch erklärt, indem sie

den einen accusativ mit usteAdw» verbanden. aber die alten schlimmbesserungen Tegas oder Τρώων wogen und wiegen vor.

vers 160---163. 8ὅ

innere eigenschaft ein teil Plat. Prot. 311? ἀποπειρώμενος τοῦ Ἵππο- χράτους τῆς dwung, oder ein gesprochenes wort Hel. 82 σύγγνωθι δ᾽ ἡμῖν τοῖς λελεγμένοις, und alles was in irgend einer notwendigen be- ziehung steht EI. 330 ἄρα σοὶ τύμβῳ ἀμύνεε, vgl. auch zu 170. aulserdem erwarten wir als gegensatz zu τόξα ein zweites substantiv, οὐ τὰ τόξα ἐλέγχει, ἀλλὰ τὸ μένειν. aber das ist nur für unsere starr logische betrachtung nicht vorhanden, in wahrheit genügt dem der lebendige volle satz ὃς ueveı, und nur der relativische anschlufs be- fremdet zunächst, weil kein wort da ist, an welches angeschlossen wird und weil wiederum unsere logik condicionale form des satzes erwartet. 282 τῷ δ᾽ ἀναγκαίῳ βροτῶν ὃς ἀντιτείνει, σκαιὸν ἡγοῦμαι τρόπον, bis auf die reihenfolge der sätze ganz gleich. Soph. OK 263 κἀμοέγε ποῦ ταῦτ᾽ ἐστίν, οἵτινες βάϑρων ἐκ τῶνδέ μ᾽ ἐλαύνετε. 163 derselbe begriff, stehen bleibend den anblick aushalten, ist doppelt 168 ausgedrückt, dasselbe object gehört zu beiden verben und jedes von ihnen hat sein participium. μένων βλέπει ἄλοκα καὶ ἀντιδέρκεται τάξιν ἐμβεβώς. ἀντιδέρκεσϑαι hat Eur. sich neu gebildet, und ἀντε- βλέπειν meint er auch: die praepos. steht gewissermalsen ἀπὸ κοινοῦ, vgl. 239. τάξις δορός auch Phoen. 694. τάξις ist der technische name für das infanterieregiment, was wir mit dem homerischen und dann wieder makedonischen namen galay& nennen. die beiden pha- langen stehen einander starrend von speeren gegenüber; da Eur. für die eine den eigentlichen namen verwandt hat, sucht er für die andere ein bild und nennt sie die “starrende furche’, vergleicht sie also mit dem anblick eines gerstenfeldes, dessen starre ähren über die furche hängen. die ähnlichste stelle ist Vergil Aen. ΧΙ 662 wirimque phalanges stant densae strictisgue seges mucronibus horret ferrea, welchem Ennius Ann. 287 fit ferreus imber vorschwebt; Verg. Aen. ΧΙ 601 ferreus hastis horret ager, wo die scholien auf anderes ennianische wie Scipio 5 sparsis hastis longis campus splendet et horret verweisen. den regen von eisen hat auch Pindar Isthm. 4, 17 τραχεῖα vıpag πολέμοιο, und ähnliches gibt es mehr. aber alles das ist leichter als die &Ao&, weil dies wort durchaus nur den einschnitt der furche in den boden bezeichnet und danach metaphorisch z. b. die wunde (βαϑεῖαν aloxa τραύματος Rhes. 796). hier kann das verständ- nis nur durch τραχύς vermittelt werden, das für das starren der waffen so stehend ist wie horrere (Tyrt. 12, 22 δυσμενέων φάλαγγας τρηχείας). aber dies wort ist conjectur für ταχεῖαν und δορός auch erst durch con- jectur an den schlufs des verses vom anfange versetzt. die lesart kann also nicht für vollkommen gesichert gelten. der sinn aber ist durch den

86 Commentar.

zusammenhang gefordert, und die entgegnung des Amph. setzt ihn voraus. der mut zeigt sich darin, dals der hoplit, der in reih und glied steht, beim anprali der feindlichen schlachtreihe schlufs und richtung hält. in der tat zeigt die kriegsgeschichte, dafs überaus oft schon beim anmarsch eine phalanx den mut verliert (οὐχ ὑπέμειναν), kehrt macht und sich in der flucht zerstreut, wo sie dann von den verfolgern mühelos nieder- gemacht werden. den disciplinirten Spartiaten passirt das nicht, wol aber den Athenern, wie Eupolis (11 561 Mein.) von einem sagt ἐξεπλάγῃ γὰρ ἰδὼν στίλβοντα τὰ λάμβδα, das lakonische schildzeichen.

165 ἀναέδειαν --- εὐλάβειαν scharfe durch paronomasie hervorgehobene antithese in der art der gorgianischen rhetorik. ἀναεδής ist in Lykos munde “schonungslos’, wie die alte bedeutung ist, z. b. πόντος ἀναιδής. aber die andern sprechen ihm mit der αἰδώς die scham ab, 557.

167 167 die prosa mülste τοὺς ϑρόνους αὐτοῦ sagen; die poesie ist mit diesem

pronomen so sparsam wie gerade die classische immer auf das genau logische gerichtete prosa verschwenderisch.

169 169 δέκην: ὥστε δίκην δοῦναι, acc. wie 59.

Amphi-

tryons ant- wort.

Sie ist als eine rhetorische epideixis disponirt und stilisirt. das prooe- mium 170—74 entbehrt allerdings der captatio benevolentiae, die nicht her- gehört und exponirt auch nicht die person des redenden; das persönliche ist für den epilog aufgespart. es wird nur der verzicht auf eine beleuchtung des vorwurfes 149 ausgesprochen, dessen widerlegung nur durch ein tätliches eingreifen dessen zu erbringen ist, dem eigentlich der vorwurf galt. der redner will nur den unverstand (die ἀμαϑέα vgl. 347. 1254) des Lykos be- weisen. er tut das im anschlufs an dessen vorwürfe, indem er 1) die helden- kraft des Her. beweist, und zwar, wie vor gericht, durch zeugenaussagen. dabei wird ein streich gegen den vorredner geführt, dem für sich keine zeugen zu gebote stehen. 2) wird der wert des bogenschützen an sich dargelegt, und der des hopliten dabei herabgesetzt. 3) wird der auffor- derung des Lykos ein anderer vorschlag entgegengestellt und zugleich ihre begründung zwar nicht bestritten, aber folgerungen daraus gezogen, welche ihn entehren. die teile sind alle scharf als solche hervorgehoben ; damit ist die ἀμαϑέα des Lykos bewiesen. nach einer pause, welche durch eine interjection bezeichnet ist, folgt 4) eine strafrede wider Theben und Hellas, weil sie den kindern nicht helfen, und das eingeständnis, dafs der redner auch nicht helfen kann. indem er so seine nur durch das alter an jeder betätigung verhinderte überlegenheit über seinen gegner hervor- hebt, hat er für die ganze rede einen klangvollen epilog gefunden. die ethopoeie ist mit bedacht gehandhabt. der dichter sagt selbst, dafs der

vers 165—170. 87

redner βραδὺς λέγειν isi (237) und läfst ihn sich selbst als οὐδὲν πλὴν γλώσσης ψόφον bezeichnen (229). die breite und umständlichkeit soll also greisenhaft sein; auch die ohnmächtigen drohungen und prahlereien gehören zum typus des greises in der antiken poesie. dem dramatischen interesse dient einmal die anrede an Theben, denn sie ersetzt die fehlende begrüfsung des chores, und bereitet dessen mutige rede 252—74 vor; zweitens wird der vorschlag, dafs Lykos sich mit der verbannung der kinder begnügen solle, nur gemacht, damit ihn Megara 302 ablehnen kann, obwol sie nicht direct darauf bezug nimmt. Lykos ignorirt ihn, und in der tat ist er in einer für Lykos so verletzenden weise vorgebracht, dafs niemand ihn ernst nehmen kann, und überhaupt ist das gebahren des Amph., der selbst schimpfworte nicht scheut, derart, dafs ganz unbegreiflich wird, wie der tyrann sich so viel bieten lassen kann. sein schweigen ist eben nur erklärlich, weil der dichter seine epideixis voll austönen lassen will, oder vielmehr der rhetor. nur als rhetorisches schaustück ist die rede gemeint, und mag sie dem dichter allenfalls verziehen werden: mit den meisten reden des Thukydides und Antiphons tetralogieen braucht sie allerdings die vergleichung nicht zu scheuen.

170 antwort auf 149. τῷ τοῦ Διὸς μέρει παιδός : beide genetive hängen 110 von dem einen nomen ab; Ζεὺς μέρος ἔχει τοῦ παιδός. die nicht seltene erscheinung, dals zwei genetive bei einem nomen stehn hat sehr verschiedene gründe. selbstverständlich sind die stellen, in denen der eine genetiv vom andern abhängt, Aristoph. Frösch. 505 κατερεικτῶν χύτρα ἔτνους; leicht auch die, welche einen genetiv, meist den besitzer bezeichnend, an ein nomen mit genetiv schliefsen, die also zu einem begriff schon verwachsen sind, Soph. OK. 668 εὐέππου τᾶσδε χώρας τὰ χράτιστα γᾶς ἔπαυλα, Trach. 1191 τὸν Οἴτης Ζηνὸς ὕψιστον πάγον, Hesiod. Erg. 253 ἀϑάνατοι Ζηνὸς φύλακες ϑνητῶν ἀνθρώπων (obwol die wächter nur des Zeus sind, wie der beamte des königs ist, und in einem citate Ζηνὸς πρόπολοε daraus geworden). wir können in solchen fällen meist ein zusammengesetztes wort bilden, “des Zeus erhabener Oetagipfel, des Zeus unsterbliche menschenwächter”. schwieriger erscheint uns schon, wenn ein genetiv schmückend hinzutritt, wo wir ein adjectiv erwarten, das meistens wirklich die sprache dem dichter nicht darbot (denn die prosa kann nur im höchsten stile so etwas wagen), so unten δαχρύω» --- ὄσσων πηγαί 450, ἄδου περιβολαὶ κόμης 562, etwa gleich δακρυηραὶ ὄσσων πηγαί, vexgixal κόμης περιβολαί, Hik. 54 τάφων χώματα γαίας. auch hier entsprechen oft unsere composita, wie “der gräber erdhügel’. irreführend ist nicht selten das σχῆμα Ἰωνικόν, wo vielmehr

11

88 Commentar.

die beiden genetive parallel stehen, unten 572 νεχρῶν ἅπαντ᾽ Ἰσμηνὸν ἐμπλήσω φόνου, wo νεκρῶν nicht von φόνου abhängen kann, da die leichen selbst in den Ismenos geworten werden, A.Eum.449 ἔστ᾽ ἂν πρὸς ἀνδρὸς αἵματος καϑαρσίου σφαγαὶ καϑαιμάξωσιν εὐθήλου βοτοῦ d.h. μέχρι οὗ ἂν ἀνήρ τις (selbst kann der befleckte es nicht) σφάξας χοῖρον γαλαϑηνὸν χαϑήρῃ αὐτὸν τῷ αἵματι περιρράνας. Soph. Ai. 309 ἐν δ᾽ ἐρειπίοις νεχρῶν ἐρειφϑεὶς ἕζετ᾽ ἀρνείου φόνου (zu welcher stelle Lobeck den gebrauch ausführlich bespricht). aber die am häufigsten verkehrt aufgelafsten oder gar beanstandeten stellen sind erst die, wo, wie hier, ein doppelter genetiv dadurch herbeigeführt wird, dafs ein satz der kürze und der unterordnung wegen in ein nominales satz- glied verwandelt wird. Aristoph. Wesp. 1073 ἥτες ἡμῶν ἔστιν ἡπένοια τῆς ἐγχεντρίδος d. i. τί ἡμεῖς διὰ τῆς ἐγκενερίδος ἐπινοοῦμεν. Aisch. Ag. 1242 τὴν Θυέστου δαῖτα παιδείων κρεῶν Thuk. 1 25 κατὰ τὴν τῶν Φαιάκων προενοίχησιν τῆς Κερχύρας (Th. geht in diesem gebrauche sehr weit; fast immer hat Krüger richtig erklärt). hierher ge- hört diese stelle. das sind alles von der älteren sprache ganz unbefangen zugelassene bildungen, die höchstens in besonderen fällen schwierigkeit machen sollten. selten dagegen ist es, dafs ein genetiv von einer in einem nomen befindlichen präposition regiert wird; tritt dazu noch ein genetiv, so erscheint uns das noch fremdartiger, aber nicht eigentlich in dem doppelten genetiv liegt der anstols. ἄστρων ἄν ἔλθοιμ᾽ αἰϑέρος σερὸς aysolag Phoen. 504 (τὰ ἄσερα τοῦ αἰϑέρος ἀνατέλλει, so allein möglich; αἰϑέρος hat ein citat gerettet, codd. und schol. haben sinnlos ἡλέου dafür) Sosiphanes Meleager 1 ψευδὴς σελήνης αἰϑέρος χαται- βατίς (ἡ σελήνη καταβιβάζεται τοῦ αἰϑέρος).

ἀμύνειν meint nicht das eintreten mit worten. wenn ein Zeus hilft, tut er es mit der tat, das braucht nicht erst gesagt zu werden. hier wird es vollends deutlich durch die antithese Aoyoıce 172; es liegt aber auch in ἀμύνειν selbst, vgl. 500. natürlich beweist Zeus durch die hilfe die bestri tene tlıesis. die vaterschaft des Amph. ist nicht bestritten, so dafs er nicht (was auch absurd sein würde) seinen teil an Herakles hervor- hebt, sondern nur das, was zu tun seine sache ist. 171 τό γ᾽ εἰς ἐμέ so viel als ὅσον εἰς ἐμέ. εἰς in dieser verbindung, wofür häufiger ἐπέ steht (ἐπέ mit dativ ist quod penes me est), erklärt sich aus dem gebrauche, der zu 63 behandelt ist.

174 174 ἄρρητος schillert hier in den beiden bedeutungen, die es entwickelt

hat “was man nicht nennt’, (ἄρρητα leoa) und "was so abscheulich ist, dafs man es gar nicht sagen kann’. Amph. will erst τὴν δειλίαν ἀπαλ-

vers 171—180. 89

λαάξαε sagen, aber er bringt das wort nicht über die lippen, und fügt daher den zwischensatz ein. 177 das praeteritum hat seine volle bedeutung. Amph. hat die zeugen nicht zur stelle, er hat sich nur sein urteil auf ihr zeugnis hin gebildet. seine rede befolgt die form der attischen gerichtsrede; in dieser ist es gar nicht selten, dafs die zeugen nicht aufgerufen, sondern ihre in der vor- untersuchung gemachten aussagen als belege vorgebracht werden. Arog gehört auch zu τέϑριετεπα. Zeus blitze schleudernd neben dem bogenschielsenden Herakles auf dem wagen ist der mittelpunkt der ver- breitetsten darstellung der gigantomachie in der schwarzfigurigen vasen- malerei; das ist also die vorstellung welche bis zu den Perserkriegen die malfsgebende war, und die neuen compositionen, insbesondere der schild der Parthenos, hatten sie noch nicht aus der phantasie, wenigstens der älteren generation, verdrängt. 179 σχῆμα Ἰωνικόν zu 162. πλευραῖς βέλη ἐναρμόξζω ist ein kühner ausdruck, und das epitheton πεηνά hebt die kühnheit noch mehr hervor. denn ἐναρμόξζω ist ‘einfügen’. der schiffszimmermann συγαρμόξει σχά- φος Hel. 232. bezeichnet wird also, dals der schufs genau zwischen den rippen hindurch in die edlen teile dringt, Her. also mit der fernwaffe auf das genaueste zielt. ähnlich führt Eteokles Phoen. 1413 einen Janzenstofs durch den bauch des gegners und ἔγχος σφονδύλοις ἐνήρμοσεν. 180 von dem siegesfeste nach dem Giganteukampfe wissen wir nichts, wol aber schilderte das epos, welches unter dem titel Titanomachie öfter, einmal unter dem der Gigantomachie angeführt wird, wie selbst Zeus mitten unter den göttern tanzte (Athen. I 22°). die alten dichter “ver- wechseln’ Titanen und Giganten, wie wir sagen; in wahrheit ist die differenzürung ursprünglich identischer wesen nicht durchgedrungen. es lälst sich nicht entscheiden, ob hier zu τὸν χαλλίνεκον aus dem verbum äxwuagey das nomen χώμον herauszunehmen ist wie 680, oder ob καλλένεκος substantivisch gedacht ist, wie Med. 45 χαλλένεκον olos- ται, weil es tatsächlich auf dasselbe hinauskommt. der χαλλένεχος war ein lied, so benannt nach dem refrain τήνελλα καλλίνεκος, zur begrüfsung des siegers z. b. in Olympia gesungen; es war auch ein tanz, den Her. nach dem gelingen seines letzten abenteuers getanzt haben sollte (Hesych. 8. v.), wie Zeus nach dem Titanenkampf tanzt. und so sehen wir am schlusse von Aristophanes Acharnern den sieger mit dem chore den καλλί- yıxog tanzen und singen: und das ist allerdings ein χῶμος. Eur. denkt sich die götter auf diesem zuge zu wagen, wie man sich ja den sieger überhaupt fahrend denkt, vgl. zu 780.

119

90 Commentar.

181 181 die zwei mit ve τὸ verbundenen sätze 181 185 sind auch zunächst parallel gedacht, frage die Kentauren, frage die Dirphys, wer der gröfste mann sei: sie werden dir Herakles nennen. allein ein sehr glücklicher einfall, der dem Amphitryon plötzlich kommt, läfst ihn den inneren paral- lelismus verlassen, um eine viel kräftigere pointe zu gewinnen. zunächst sollen die ungeheuer verhört werden, welche Her. bezwungen hat. die feinde dazu aufzurufen ist eine natürliche und geläufige wendung (Hipp.977 Kallim. hymn. 3,221). dann sucht er für den weltenruhm des Her. irgend einen beliebigen winkel, verfällt auf die von ihm verachtete heimat des Lykos, dafs aber diese auf die frage, wer ist der beste mann (denn dieser inhalt folgt für ἐρωτῶν 185 aus ἐροῦ 183) den Her. nennen wird, ist doch nicht so ganz einleuchtend, da Her. dort nichts besonderes getan bat. also springt Amph. um, läfst die construction fallen und sagt nur “nun lassen wir dahin gestellt, wen sie nennen wird, so viel ist sicher: dich wird sie nicht nennen, denn du hast nicht einmal deine freundschaft zum zeugen für eine tüchtige tat, geschweige deine feinde’. diese persön- lich aggressive wendung der deduction bereitet sich schon durch die :anrede 182 vor.

ὕβρισμα das abstractum concret wie 459, aber in activer bedeutung, dort passiv. letzteres ist ganz gewöhnlich, aber auch z. b. πανουργίας τέχνημα activisch für den ränkevollen S. Phil. 928, u. dgl. unter dem einflusse dieser stelle nennt Sophokles Tr. 1096 die Kentauren στρατὸν ϑηρῶν ὑβριστήν.

die hochebene Pholoe, oberhalb des eigentlichen Elis gelegen und der ort der herakleischen Kentauromachie, hat den Kentauren Pholos, der dem magnetischen Cheiron entspricht, als eponymos erhalten, der schon bei Stesichoros 7 vorkommt, während dies die älteste erwähnung der Pholoe ist. aber dieser zufall darf eben so wenig als der trügliche schein, dafs ®oAon von ®oAog grammatisch stammen könnte, dazu ver- leiten, den Kentauren für älter als den ortsnamen anzusehen: der epo- nymos kann in wahrheit ganz etwas anderes als ein Kentaur gewesen sein. wenn Lucan VII 449 u. d. die Pholoe nach Thessalien verlegt, so hat den in geographie, wie die meisten Römer, erstaunlich unwissenden poeten die Kentauromachie verführt, vgl. zu 364.

183 183 ἐγχρένειν in der bedeutung “anerkennen, gelten lassen’ ist der späten gelehrten sprache geläufig. οὗ Zyxgırousvor ῥήτορες sind die 10 classiker, quodsi me Iyricis vatibus inseres ist ἐὰν δὲ καὶ ἡμᾶς ἐν τοῖς Avgixolg ἐγχρίνῃς. dieser gebrauch ist zwar nicht peripatetisch, aber in anderen schulen des 3. jahrhunderts vorhanden. Chrysipp schrieb szsel τοῦ

vers 181-188. 91

ἐγκρένειν τοὺς ἀρχαίους τὴν διαλεχετικὴν σὺν ταῖς ἀποδείξεσι πρὸς Ζήνωνα Diog. Laert. VIIL 201. Timon streitet πρὸς τοὺς τὰς αἰσϑήσεις μετ᾽ ἐπιμαρτυροῦντος τοῦ νοῦ ἐγκρένοντας IX 114. derselbe gebrauch ist aber auch platonisch, wie denn die ganze litterarisch kritische auswahl für die lectüre auf anregungen Platons und nicht des Aristoteles zu- rückgeht. Rep. 11 377" ἐπιστατητέον τοῖς μυϑοποιοῖς καὶ ὃν μὲν ἄν καλῶς ποιήσωσιν (nämlich μῦϑον) ἐγκριτέον, ὃν δ᾽ ἂν μή, ἀποχρε- τέον. ebenso Ges. VII 802". Rep. VI 486° ἐπιλήσμονα ψυχὴν ἐν ταῖς ἱκανῶς φιλοσόφοις μὴ ποτε ἐγχρίνωμεν. dals Platon das wort nicht gebildet hat, sondern aus der ionischen philosophie enllehnt, zeigt diese allerdings vereinzelte stelle (denn Beller. 287, 3 τρεσσῶν δὲ μοιρῶν ἐν- χρινῶ νικᾶν μέαν ist verdorben, da das futurum keine erklärung zulälst). doch sagt wenigstens Demokrit (Stob. ecl. eth. II 9 2 Wachsm.) ἀνϑρώ- ποισε κακὰ ἐξ ἀγαθῶν φύεται, ἐπήν τις τἀγαϑὰ un ἐπιστεῆται ποδηγετεῖν μηδὲ ὀχεῖν εὐρόπως (so zu lesen für εὐπόρως)" οὐ δίκαιον δὲ ἐν καχοῖσι τὰ τοιάδε κρένειν ἀλλ᾽ ἐν ἀγαθοῖσιν. dals der dichter, wie freilich der sinn gebot, nicht ἐν ἀνδράσιν ἀρίστοις sondern ἄνδρα ἄριστον sagt, anticipirt allerdings die entwickelung des wortgebrauches um mehr als ein jahrhundert, wenigstens für unsere kenntnis. 184 mit bitterkeit stellt er sich hier auf Lykos standpunkt und läfst seine 184 vaterschaft gelten, aber der überlieferte schlufs des verses ὃν σὺ φὴς εἶναι δοχεῖν kann nicht richtig sein. das würde heifsen ‘von dem du behauptest, dafs er es zu sein schiene, nämlich scaig ἐμός᾽. denn eine beziehung auf οὐδὲν ὧν 157 kann nicht vorliegen; das mülste μηδὲν εἶναε heifsen, und δοχδὲν ist überhaupt verkehrt, da der zusammenhang höchstens ertragen würde ‘von dem du behauptest, dafs er nichts als den schein der tapferkeit hätte’, was nicht dasteht. nur so viel ist an diesen erklärungsversuchen richtig, dals die allgemeine beurteilung des Ε Lykos, nicht blofs die der vaterschaft des Zeus, berücksichtigt gewesen in muls, also ein gegensatz zu ἀνὴρ ἄριστος sich in δοχεῖν verbirgt. ‚ie vermutung, welche xaxo» dafür setzt, trifft den nagel auf den kopf, und sie ist nicht unwahrscheinlich, denn in dieser partie sind mehrfach die versschlüsse verloren oder verdorben oder falsch ergänzt 149 164 168 203 226 228. 185 der hohe berg in Mitteleuboia hat den namen “ίρφυς bis heute 185 erhalten, aber in Delphi geändert, oder vielmehr zurückgebildet, denn es ist derselbe name wie σελφοί, und in dem euboeischen gotte ᾿“΄πόλλων Ζελφίνιος ist auch die form immer gewahrt geblieben. die Abanten ge- hörten ursprünglich nach Phokis, wo der name in”4ßaı, dem alten orakel,

92 Commentar.

dauerte. es ist möglich, dafs sie wirklich durch die einwandernden Boeoter nach Euboia gedrängt wurden, wo sie jüngere partieen der Ilias ansetzen; doch ist in histofischer zeit Euboia nur von dichtern als aban- tisch bezeichnet, und Herodot, der die homerische überlieferung natürlich respectirt, läfst gleichwol die Abanten aus Euboia nach Ionien ziehen (1146).

186 186 es ist freilich ein ganz gewöhnliches anakoluth, dafs nach der setzung eines parlicips im nominativ die rede umschlägt und ein hauptsatz mit anderm subject folgt (z. b. Ino 415 μεχροῦ γὰρ ἐκ λαμπτῆρος Ἰδαῖον λέπας πρήσειεν ἄν τις, καὶ πρὸς ἄνδρ᾽ εἰπὼν ἕνα, πύϑοινε᾽ ar’ ἀστοὶ πάντες (ἢ) χρύπτειν χρεών. besonders häufig bei Aisch.), dafs aber hier der dichter um des rhetorischen eflectes willen die construction zerreifst, ist oben gezeigt. danach ist zu interpungiren und zu recitiren.

αἰνεῖν hat ursprünglich die bedeutung ‘sagen’, die freilich aufser in αἶνος nur noch vereinzelt anklingt, dann aber probare, Antiope 194, 2 un τὰ κινδυνεύματα αἰνεῖτε, Androm. 785 ταύταν ἤνεσα ταύταν καὶ φέρομαε βιοταν, also dem ἐγκρένειν auf das genaueste entsprechend; so hier. daraus hat sich dann die dem Eur. besonders geläufige bedeutung “beschliefsen, zusagen’ entwickelt.

dem verbreiteten gebrauche von οὐδαμοῦ entsprechend findet sich ver- einzelt οὐχ ἔσϑ᾽ ὅπου für “in keiner weise’, οὐκ ἔσϑ᾽ ὅπως. Soph. 0. Τ. 449 οὐ γὰρ ἔσϑ᾽ ὅπου μ᾽ ὀλεῖς, Ai. 1069 οὐ γὰρ ἔσϑ᾽ ὅπου λόγων ἀκοῦσαι ζῶν ποτ᾽ ἠϑέλησ᾽ ἐμῶν.

195 193. 4 waren hinter 191. 2 zu rücken, weil sie die worte δοῦλος τῶν ὅπλων erklären. der hoplit hat 1) nur eine waffe; nach deren verlust ist er also wehrlos. 2) steht er im gliede, und wenn seine nebenmänner feige den rücken wenden, so ist er verloren. der bogenschütze hat 1) eine unbegrenzte masse geschosse, 2) setzt er sich nicht den feinden aus. wie fadenscheidig die sophistische argumentation in allen stücken ist, braucht nicht gezeigt zu werden. als die attischen hopliten bei Delion wegliefen, worauf Eur. zielt, vgl. I cap.&, gieng der hoplit Sokrates so festen schrittes zurück, wie er vorgegangen war, und keiner der verfolger wagte sich an ihn.

192 192 οἱ πέλας, wie im N. T. πλησέον, bezeichnet die menschen, mit denen wir in keiner andern als einer zufälligen und vorübergehenden berührung stehen, die nicht unsere οἰχεῖοε ἐπιτήδειοι ἀναγκαῖοι sind; das deutsche “unsere nächsten’ gibt den sinn ganz schlecht wieder, und ein spruch wie ἀγαπήσεις τὸν πλησίον σου ὡς σεαυτόν wird dadurch seiner ganzen kraft und bedeutung entkleidet; meist trifft das französische autrui den richtigen sinn. im alten attisch ist οὗ σπεέλας sehr häufig.

vers 186—196. 93

die beiden dative τοῖς συνταχϑεῖσιν οὖσι μὴ ἀγαϑοῖς und δειλίᾳ τῶν πέλας stehen parallel, indem dieselbe sache zweimal in verschiedener wendung, positiv und negativ ausgedrückt wird; vgl. 257 u. dgl. dafs eine person im instrumentalen dativ steht, ist hier nur scheinbar, denn nicht die συνεαχϑέντες sondern τὸ τοὺς συνταχϑέντας μὴ ἀγαϑοὺς εἶναι ist der grund des unterganges; der redende empfindet also nur ein ab- stractum. 195 800: ἔχουσιν ἀφεὶς ---ύσεται. dafs von einer unbestimmten allgemeinheit, die im plural gegeben ist, zu einer ebenso unbestimmten einzelnen person übergegangen wird, ohne dafs der wechsel des numerus irgend wie vermittelt wird (wie es spätere prosa durch ein τὸς zu tun pflegt), ist eine ganz gewöhnliche erscheinung. so gut das also hier ist, so wenig ist es möglich 203 δρώντα- ρμισμένους zu verteidigen, denn da gehören beide participia zu demselben verbum σῴζειν, bezweckt der wechsel nichts, ist ein anakoluth durch keine unübersichtliche periode ent- schuldigt und würde endlich der pluralaccusativ, zu πολεμέους wenigstens zunächst bezogen werden.

195

196 die in poesie und prosa gewöhnliche vorausschickung eines τὸ δὲ 198

δεινότατον, τὸ δὲ κεφάλαιον, wird fälschlich als ellipse erklärt. es ist vielmehr eine apposition zu dem ganzen folgenden satze, und πρῶτον μέν, τέλος δέ, καὶ τὸ τελευταῖον u. dgl. sind grammatisch ganz dasselbe.

τὸ λῷστον das vorteilhafteste. in dieser bedeutung lebt der alte comparativ Awsoy weiter, doch nur in der formel, die man beim be- fragen der orakel und der gott in der anwort anwendet λῷον καὶ ἄμεινον εἶναι (schon in der Telemachie β 141 λωέτερον καὶ ἄμεινον, ein zeichen für die jugend des gedichtes), oder doch ähnlich, wie in einem attischen weihepigramm 6. jahrhunderts (CIA IV 371.) τέχνην Awıov ἕξειν. der superlativ λῴστος ist in gegenden gebildet, weiche den comparativ zwei- sylbig sprachen, zuerst Theogn. 255 in einem alten spruche. das epos kennt nur den comparativ und zwar nur den singular des neutrums ohne casus obliqui, Aisch. und Eur. singular und plural des neutrums im superlativ und den singular des comparativs (A. Pers. 526, E. unten 856 Med. 911), immer in der bedeutung des zuträglichen, ratsamen, für den betreffenden erwünschten. Aisch. Kar. 94, wo λῴστα στρα- τοῦ “das edelste schönste’ zu sein scheint, ist verdorben und dieser ge- brauch nicht glaublich. das spätere ionisch hatte das wort aber auch persönlich gebraucht, λωέων γυνή Semonides 7, 30, und dem folgt Soph. Ai. 1416 λῴονε ϑνητῶν, der auch λῴστος ἐντόπων Phil. 1171 in loben- dem sinne hat. das ist durchaus nicht attisch; λῷστε hat Platon oft,

94 Commentar.

aber es hat immer einen ironischen beigeschmack (sehr deutlich Phaid. 116° ἦν ἀνδρῶν λῷστος von dem gutartigen kerkermeister); dafs es vulgär war, zeigt das ἀνθρώπιον λῷστον des satyrspiels Kykl. 185. der vers Phrixos 829, 3 Ζεὺς λῷστος μηδὲν ἔνδικον φρονεῖ ist eine jüdische oder christliche fälschung, wie denn das bruchstück in einer schrift steht (Iustin de monarchia), die selbst eine fälschung von fälschungen strotzt. die komödie kennt weder λῷον noch λῴῷστος (Ar. Vög. 823 ist bis zur unverständlichkeit verdorben, Telekleides Augıxr. 4 δᾷστοι für λῴῷστοι verbessert). die atticisten werfen mit dem längst abgestorbenen worte töricht um sich. λώεος gehört zu Any, wie Log zu ζῇν; wie neben ζώς ζώιος steht, hätte es auch einen positiv λώεος geben können, aber τὰ λώια in dem pseudotheokritischen gedichte Anyal 32 ist wol eine misbildung für λῴονα. πολὺ λώια im sinne von πολὺ μᾶλλον, Theognis 853, ist ganz unbegreiflich.

197 197 dafs ἄλλοις instrumentaldativ ist und zu dvssaı gehört, ergibt sich aus

dem zusammenhange. an sich könnte es mit ἀφείς verbunden werden “auf andere abschiefsend’ (wie Hipp. 1324 ἀρὰς maıdi ἀφῆκας, Hipp. 438 ὀργαὶ εἰς σὲ ἀπέσκηψαν), aber dann entsteht eine unleidliche tauto- logie, weil das λῷῴστον mit dem σοφόν 202 zusammenfällt. dem μέν 196 entspricht das δέ hinter &xag 198, aber den gegensatz bildet nicht das erste glied, sondern der ganze gedanke ‘er schiefst von ferne und setzt sich nicht aus, sondern bleibt gedeckt’.

19 199 ovralsıy verwendet der correcte epische stil nur für stich- oder

biebwunden, wie Aristarch regelmäfsig zu bemerken pflegt (Lehrs Ar. cap. II). dafs die dramatiker sich daran nicht kehren, ist natürlich, da ja schon die jüngsten teile des epos schwanken, die aristarchische schule verfehlte aber nicht, die “unwissenheit der νεώτεροι, anzumerken, schol. Hipp. 684, und übertrug es sogar, um ein ζήτημα zu lösen, auf τιτρώσκειν, das bei Homer ‘verletzen’ bedeutet, schol. Andr. 616.

20 200 δίδωσε “gibt preis’. IA. 1397 δέδωμε σῶμα τοὐμὸν Ἕλλαδι.

Kykl. 295 die hellenischen tempel Φρυξὶν οὐ δεδώκαμεν. mit anderer nuance dog μοι σεαυτόν S. Phil. 84, gib dich mir, meinen planen, hin. auch ohne object, musterbeispiel ἡδονῇ δοὺς Phoen. 21. die spätere sprache hilft mit präpositionen nach, προδιδόναι ἐπιδιδόναι παρα- διδόναι ἐνδιδόναι.

%3 203 ὡρμισμένος, wie das schiff das an einem steine des ufers festgebunden

ist, 1094. mit der τεύχη, dem zufall, verbunden ist das ein oxymoron.

205 205 τὰ καϑεστῶτα νόμιμα, oder ol x. νόμοι ist das geltende recht,

auch blofs εὰ καϑεστεῶτα (Herodot 159 am ende). ein allgemein aner-

vers 191-- 215. 95

kannter satz heilst del χαϑεστώς Thuk. 176. das was in der öffent- lichen meinung über uns gesagt wird heilst πᾶς λόγος ἐς ἡμᾶς χαϑεστώς Thuk. 173. danach kann hier va χαϑεσεῶτα nur den ob- jectiven tatbestand bedeuten, über welchen Lykos und Amph. subjectiv verschieden urteilen, τὴν ἐναντίαν γνώμην ἔχουσε. man erwartet frei- lich den begriff “über das aufgeworfene thema’, was in gewöhnlicher rede τὰ προχείμενα heilst, also nicht καϑεσε. sondern παρεστώτων wie Phoen. 1309 A. Ag. 1053 und so sehr oft (danach zu erklären πρὸς τὸ παρεστὸς Arist. Ritt. 564), und es dürfte so zu ändern sein. 206 δή deutet an, dafs Amph. nun endlich zu dem kommt, um was es 206 sich praktisch handelt. 207 Amph. macht sich einen einwand. er hat den Lykos der ἀμαϑέα 207 geziehen (172. 189), das kann er in diesem einen falle nicht, denn der feigling Lykos hat allerdings grund die heldenkinder zu fürchten. nur ist es um so ungerechter, dafs die guten in der hand des elenden sind. “doch, wie dem auch sei (δὲ δ᾽ οὖν 213), du bist könig und willst es bleiben’ damit lenkt er zu seinem eigentlichen vorschlag zurück. wie wenig ernst dieser gemeint ist, zeigt sich in der gerade hier besonders rücksichtslosen grobheit, wird doch sogar das wort δειλέα gebraucht, das in verbindung mit Herakles Amph. gar nicht in den mund nehmen wollte. auch die senile geschwätzigkeit ist hier besonders stark; 211. 12 sind fast überflüssig. 211 χρῆν σὲ ὑπὸ τῶν ἀμεινόνων ἡμῶν παϑεῖν würde es in prosa 211 lauten, denn die logik fordert, dafs ἡμῶν apposition sei. die lebendige rede zieht das persönliche vor. 215 das land zu meiden erbieten sie sich, so erscheint ihnen nur der 215 tod als βέαιον. das βιαίως oder πρὸς βίαν ἀποϑνήσκειν erscheint allgemein als eine steigerung des schrecklichen, das an sich im tode liegt (unten 550, Antiphon 1, 26), wie denn häufig einem zum tode bestimmten der selbstmord als gnade gewährt ward. βία ist die verabscheuungs- würdige rohe gewalt geworden, während sie bei Homer einfach die körper- kraft ist, und in Athen könnte man Bin Hoaxlesein nur noch im tadel sagen, μεσεῖ γὰρ ϑεὸς τὴν βίαν Hel. 903 ganz wie Ps. Iustin. ad Diognet. 7 βία γὰρ οὐ πρόσεστε τῷ ϑεῷ. dasselbe gilt von μένος Aixı- νόοιο, denn μένος ist im attischen nur noch ‘zorn, wut’ Aristoph. Ach. 600 πυρὸς μένος, Wesp. 424 Eur. Hipp. 954. ebenso haben bekanntlich

2) 903. 4 sind mit unrecht verworfen; sie bilden die erklärung der vorher-

gehenden bitte, und an sie erst hat der interpolator angesetzt. denn 905—24 sind allerdings unecht,

96 Commentar.

ϑυμός und ὀργή ihre bedeutung gewechselt. darin liegt ein stück ge- schichte hellenischer selbsterziehung zur σωφροσύνη und εὐσχημοσύνη. aus dem naturmenschen mit seiner elementaren kraft und: begierde ist unter der lehre von μέτρον ἄριστον, καιρὸν ὅρα, παντὶ μέσῳ τὸ κράτος ϑεὸς ὥπασε der culturmensch geworden, der ἀνὴρ μέτριος, dessen ethik Aristoteles am vollkommsten gerade dann zusammenfalst, als eine neue zeit diese schranken bricht: denn die überschreitung des menschlichen nach oben durch Alexander und Demetrios Poliorketes, nach unten durch Dio- genes und Krates ist allerdings durch die opposition gegen die demokra- tische weltanschauung motivirt, die nur die miltelstrafse und schliefslich nur das mittelmäfsige gelten lafst.

216 216 πνεῦμα μεταβάλλει “der wind schlägt um’, mit einer von dem seevolke kaum noch empfundenen metapher. daher unten 480 uera- βαλοῦσα δ᾽ τύχη. in ϑεοῦ πνεῦμα mischt sich aber die ebenfalls gewöhnliche metapher ein, welche die stimmung der seele in richtung auf jemand πνεῦμα nennt. πεγεῦμα ταὐτὸν οὔποτ᾽ οὔτ᾽ ἐν ἀνδράσιν φίλοις βέβηκεν οὔτε πρὸς πόλιν πόλει S. OK. 616, also “wenn die göttliche gunst sich von dir abwendet.’ vgl. 739.

217 217 καὶ εἰς σέ γὰρ ist zu verstehen. “ich komme nämlich bei meiner austeilung von vorwürfen auch zu dir. in einem solchen scheinbar anticipirten satz mit γάρ (in wahrheit begründet er nichts, als dafs der betreffende angeredet wird, ist also gar nicht anticipirt) hat καὶ γάρ keine stelle. dagegen wird καὶ im drama sehr oft von dem worte weggerückt, zu dem es eigentlich gehört Hipp. 224 τί κυνηγεσίων xal σοε μελέτη; für τί καὶ μελέτη σοι κυνηγεσίων. 390 λέξω δὲ xal σοι τῆς ἐμῆς γνώμης ὅὃδόν für λέξω δέ σοι καὶ τὴν ὁδὸν τῆς γνώμης " Bakch. 501 καὶ ποῦ στι für ποῦ καὶ ἔστι.

εἰς σ᾽ ἀφίξομαι ist überliefert und schreibt man. über eig zu 34. das betonte pronomen kann aber nicht ganz verschluckt sein, vielmehr muls in solchem falle eine synaloephe wie im lateinischen und roma- nischen stattgefunden haben; es ist also voll zu schreiben. die torheit, sich den logischen hauptaccent auf einer verschluckten sylbe liegend zu denken hat 1. Bekker, hom. bl. II 229, treffend gekennzeichnet.

220 220 Eur. verschmäht in eigennamen den anapäst auch innerhalb des verses durchaus nicht. El. 313 μήτηρ δ᾽ ἐμὴ Φρυγίοισιν Ion 285 τιμᾷ σφε Πύϑιος ἀστραπαί τε Πύϑιαι Orest. 1335 σύγγονόν τ᾽ ἐμὴν Πυλάδην τε. die lustigen figuren des satyrspiels und die komödie hatten die freiheit längst, also ist höchstens die selbstbeschränkung der tragiker wunderbar. allerdings ist dies das älteste nachgewiesene beispiel.

vers 216—229. 97

der vers kann nichts anderes bedeuten als dafs Her. ganz allein eine entscheidungsschlacht mit den Orchomeniern bestanden hat. wir kennen keine solche sagenform; vielmehr ist Her. entweder der führer einer frei- schar (Diodor IV 10) oder geradezu der heerführer der Thebaner, und diese tradition darf wenigstens als eine gute epichorische gelten, da Her. πολέμαρχος ist (Apollod. bibl. II 4, 11), d. ἢ. den titel führt, der in den einzelnen boeotischen städten wirklich dem feldherrn zukommt. in diesem abenteuer tritt auch Her. stets als hoplit auf, ein zeichen für die jugend der ganzen geschichte, vgl. zu 50. dafs Eur. einer ganz andern ver- schollenen tradition folgt, kann nicht befremden. 221 τιϑέναι zu setzen, wo die prosa παρέχεεν braucht, ist dem drama 221 mit dem epos (φάος ἑτάροισιν ἔϑηκεν) und der Iyrik (χάρματ᾽ ἄλλοις ἔϑηκεν Pind.01.2,99) gemeinsam. Med. 383 ϑανοῦσα ϑήσω τοῖς ἐμοῖς ἐχϑροῖς γέλον. l[ür den accusativ tritt der infinitiv ein, d. h. das verbum in nominaler form, welche jeden casus vertritt, Tr. 1056 γυναιξὲ σωφρο- νεῖν ϑήσει. 222 ‘ich konnte Hellas nicht loben, weil es undankbar war, und ich werde 222 auch nicht davon schweigen. so ist der gedanke gefalst, und so ist auch noch construirt, aber in der lebhaftigkeit der rede ist das zweite glied zwischeneingeschoben, οὐδ᾽ Ἑλλάδ᾽ ἤνεσα οὐδ᾽ ἀνέξομαι σιγῶν χακίστην λαμβάνων, so dafs der zusammenstofs der parti- cipia, wenn man nicht richtig recitirt, verwirrend wirken kann. solche anticipationen sind den Griechen sehr geläufig, II 322 τοῦ δὲ Θρασυ- μήδης ἔφϑη ὀρεξάμενος πρὶν οὐτάσαι, οὐδ᾽ ἀφάμαρτεν, ὦμον ἄφαρ, wo der accus. von ὀρεξάμενος abhängt. A 738 ὅλον ἄνδρα, κόμισσα δὲ μώνυχας ἵππους, Movlıov. N4AT6 μένεν Ἰδομενεύς, οὐδ᾽ ὑπεχώρει, Aivyslay. Kykl. 121 σπείρουσιν, τῷ ζῶσι, Ζήμητρος στάχυν. vgl. unten 975. 225 ποντίων καϑαρμάτων χέρσου Te gesuchte und beliebte incongruenz, 225 da entweder beide male der genetiv oder beide male ein adjectiv erwartet wird. 1159 πτερωτὸς κατὰ χϑονὸς μολών. Pind. N. 11, 45 ueya- λανορέαις ἐμβαίνομεν ἔργα ze πολλὰ μενοινῶντες Pyth.10,29 γαυσὶν οὔτε πεζὸς ἐών (mit ἀπὸ κοινοῦ gestelltem οὔτε). Empedokles 270 μεμειγμένα, τῇ μὲν ἀπ᾿ ἀνδρῶν, τῇ δὲ γυναιχοφυῆ. und so sehr häufig ähnliches. 227 anrede der kinder lediglich aus der rhetorischen absicht, den ἔλεος 227 für den epilog zu erregen. 229 ein für uns anstölsiges verweilen bei den schwächen des alters aus 229

derselben absicht. vgl. zum ersten chorlied. v. Wilamowitz 11, 1

98 Commentar.

22 232 für die erste person des praeteritums wendet Eur. nicht mehr blofs die richtig aus ἔα zusammengezogene form an, sondern er läfst als erster die durch die falsche analogie der aoriste, wie ἔβην ἐστάλην, ent- standene form ἦν zu, schon 438, Alkest. 655: es ist also in allen fällen, wo das versmafs nicht entscheidet, nicht ganz sicher, ob er auch das richtige bewahrt hat. die byzantinischen schreiber haben aber erweislich das falsche gegen die ältere tradition eingeschwärzt (Didymos im schol. Hek. 13. Rhesos 63 im papyrus Achmin), so dafs die jetzt geltende praxis, das sprachlich correcte herzustellen, wo es nur angeht, das vorsichtigste und geratenste ist.

33 233 ἔγχος ist unbestimmt: dafs es ein speer ist, erfährt man 239; es könnte eben so gut ein schwert sein, vgl. 1002. ‘blond’ sind Lykos locken nur um die jugend zu bezeichnen. vgl. 362.

234 über die grenzen des Atlas zu 394. als äufserste ferne bei Eur. 2. b. noch Hipp. 1053.

ein weibliches nomen 7 πέρα, das gegenüberliegende land, hat im ionischen sich seit Homer nur noch im accusativ πέρην erhalten, der durchaus nur noch als praeposition trans empfunden wird. aber im attischen ist noch einmal, im ältesten stücke des Aisch., der genetiv er- halten, ἐκ πέρας Ναυπακχτίας Hik. 262, und sehr oft πέραν und πέρα. dieses schreiben wir ohne iota, weil die grammatiker es nicht mehr ver- standen, vermutlich wider den gebrauch der dichter des 5. jahrhunderts, denen man den unterschied des locativs und accusativs zutrauen muls, zumal Eur. Her. 81 auch πέραϑεν hat. demnach war hier, wo das ziel bezeichnet ist, der accusativ herzustellen, den die parallelstelle des Hipp. bewahrt hat. man pflegt das wort nur zu brauchen, wo das scheidende ein wasser ist. die Dorer hatten das wort auch; ein Πέραιον lag bei Korinth, auf Thera heifst ein mann Περαεύς (Inscr. Gr. Ant. 450), Περαία heifst mit festem namen der festlandsbesitz der Rhodier, und in nachahmung davon haben die jüdischen ethnarchen das Ostjordanland ebenso genannt: in Athen ist der ortsname geschwunden und dachte man nicht mehr an die etymologie der Πειραῆς, weil deren insel mit dem festland längst verwachsen war. der unechte diphthong macht schwierigkeit, die sich zwischen τὸ πέρας (so auch aeolisch) und πεῖραρ, πείρατα wiederholt.

2335 235 der consecutivsatz mit ὥστε wird noch als ein wirklicher satz em- pfunden, so dafs φεύγειν ἄν steht, wie ἔφευγεν ἄν notwendig stehn müfste. ἄν könnte auch fehlen: dann würde nicht ein satz zu grunde liegen, sondern der infinitiv ein nomen vertreten.

der ohren 236 seit die tragödie ihre festen formen hat, zu welchen der kampf

vers 232—236. 99

zweier personen in rede und gegenrede gehört, ist es sitte, diesen reden beiden oder doch der ersten ein par chorverse folgen zu lassen (meist zwei oder auch vier, einzeln drei oder fünf, nie blofs einen) deren auf- gabe wesentlich ist, den abschlufs zu markiren und den aufbau der scene fühlbar zu machen. in folge dessen werden diese verse immer leerer an inhalt, zumal auch die individualität des chores immer schattenhafter wird. festgestellt hat sich diese praxis, wie so viel ähnliches, in der zeit, aus der wir keine dramen besitzen, 460—40, durch die damals jungen dichter. denn Sophokles in der Antigone und Euripides in der Alkestis halten schon die regel inne. Aischylos kennt keine solchen redegefechte, aber den keim hat auch hier der alte meister gelegt. seine epeisodia tragen noch die spuren davon, dafs sie aus langen reden des einen schauspielers ent- standen sind, und der dichter trägt sorge, die länge durch zwischenreden oder noch lieber gesänge des chores zu beleben z. b. Choeph. 972 fig. Ag. 281 fig. Prom. 436 fig. 786 fig. und dahin gehören die kurzen strophen, welche in den Sieben auf jede doppelrede folgen, die einem kämpferpare gelten. ein chor von Danaiden oder Eumeniden kann nur als partei mit- reden und in der sonst ähnlich gebauten scene Ag. 1372 ffg. ist der chor auch partei. bei Eur. ist die sitte völlig zur manier geworden und wenig ist für den leser so unerquicklich wie diese trivialitäten.

ἀφορμή ist im eigentlichen sinne “das wovon man ausgeht’, also z. b. die “operationsbasis’ Thuk. 190. der krüppel sagt bei Lysias (24, 24) “führe ich ein herausforderndes sykophanten- und junkerleben? das erlauben mir armem krummem teufel meine mittel nicht” οὐ τοιαύταις ἀφορ- μαῖς τοῦ βίου χρῶμαι. technisch nennt man so das “anlagecapital” Xen. πόρ. 4, 34. Demosth. für Phorm. 44. während Aisch. Soph. das wort gar nicht, die komödie selten hat, wendet es Eur. öfter an. kinder sind eine ἀφορμὴ εὐδαιμονίας Ion 472, sogar in einem chorlied; die ver- bannte Medeia (342) bittet um einen tag frist, sich einen zufluchtsort und eine ἀφορμή für ihre kinder zu suchen. aber öfter noch ist es bei ihm ein technisch rhetorischer ausdruck, wie hier “der gute mann findet für seine reden (das ist τοῖς λόγοισιν) immer apopual’. Hek. 1238 in eben sol- chem zwischenspruche des chores χρηστὰ πράγματα χρηστῶν ἀφορ- μὰς ἐνδίδωσ᾽ ἀεὶ λόγων. Bakch. 266 im prooemium der gegenrede ‘es ist für den weisen mann leicht zu reden, wenn er τῶν λόγων καλὰς ἀφορμὰς λάβῃ. Phoen. 198 “die weiber in ihrer klatschsucht σμικρὰς ἀφορμὰς ἣν λάβωσι τῶν λόγων πλείους ἐπεσφέρουσε (nicht eigent- lich ἀφορμάς, sondern was sie von sich an deren stelle μηδὲν ὑγιές hinzutun)‘. die ἀφορμή einer rede ist also das für sie “gegebene”,

8

Rede des Lykos.

100 ΄ Commentar.

ihre “operationsbasis’, ihre ὕλη, die materie an der sich die inventio be- tätigt, das “anlagecapital’ mit dem sie wuchert. in der aristotelischen und hermagoreischen rhetorik wird das wort nicht verwandt, wol aber gehört es zu dem wortschatze, den Anaximenes als einen schon fest geprägten aus älterer technik übernommen hat. er führt cap. 3 die ἀφορμαέ aus, die man hat, wenn es gilt eine neuerung zu widerraten oder zu em- pfehlen; 38 sagt er abschliefsend, man soll sich gewöhnen κατὰ τὰ πεπραγμένα τοὺς λόγους ἀποδιδόναι (das sind die euripideischen zgay- ματα in der Hekabe), dann wird man nicht blofs in den ἀγῶνες, sondern auch in den ἄλλαι öyuklaı πλείστας καὶ τεχνικωτάτας ἀφορμᾶς be- sitzen; man soll das aber auch auf den βίος übertragen, was dann des breiteren ausgeführt wird: das ist die moralische wendung, die Eur. in Hek. Her. und in sophistischer antilogie auch Bakch. gibt. da liegt also zu tage, dafs Eur. und Anaximenes von demselben alten rhetor abhängen, der sich durch die moralische wendung als ein sophist, kein blolser tech- niker, ausweist. Eur. hat seine unterweisung früher empfangen als von Gorgias einflufs die rede sein kann: das führt auf Thrasymachos von Chal- kedon, und wirklich, unter den werken dieses viel zu wenig geschätzten mannes gab es apogual (Suid. s. v.), die freilich niemand, der sich um die wortbedeutung gekümmert hat, für einen generaltitel halten kann. er hat auch ἔλεοι geschrieben, und das ist wieder eine hauptstärke der euripide- ischen beredsamkeit. Theophrast, der den Thrasymachos richtig gewürdigt hatte, schreibt ihm die begründung der μεχεὴ λέξις zu: das ist auch nach der ansicht der peripatetiker die euripideische. übrigens wird zwischen beiden männern eine wechselwirkung anzunehmen sein, denn Thrasy- machos ist ungefähr gleichzeitig mit Eur. gestorben, und kann schon lange vor 427, wo er zuerst erwähnt wird, tätig gewesen sein, aber für älter als Eur. oder im eigentlichen sinne seinen lehrer kann man ihn nicht halten.

Der tyrann macht endlich dem nutzlosen wortgefecht ein ende und tut was er von vorn herein vor hatte. sein charakter ist durch die bomba- stische sprache und den plumpen hohn gezeichnet. es ist ein hohler renommist, wie die barbaren Thoas der Iph. T. und Theoklymenos der Helene. fast lächerlich wirkt es, dafs in Theben nicht holz genug für einen scheiterhaufen vorhanden sein soll, sondern eine expedition in die berge gemacht werden muls, wie im 3P (das allerdings wol diesen mis- griff bewirkt hat), und man wird versucht, den opfern zu zürnen, dafs sie den notwendigen aufschub mehrerer tage nicht benutzen. die hoch- mütige behandlung des chores ist dazu da, den tyrannen im verhältnis zu Theben zu kennzeichnen.

vers 237. 101

237 πυργοῦν. zu 475. xaxwg steht mit nachdruck am schlusse, obwol 237 es auch zu λέγε gehört. die antike grammatik nennt jede erscheinung, welche ein wort, das zu zwei sätzen gehört, nur ein mal setzt, σχῆμα κατὰ χοινόν oder ἀπὸ xoıyov. die modernen beschränken es auf aufser- gewöhnliche fälle verschiedener art, haben es zudem bei Römern, die ihrerseits von Alexandrinern abhängen, zunächst beobachtet und die classische poesie teils nicht richtig beurteilt, teils vernachlässigt. ein fall wie dieser ist gar nicht besonders poetisch, Ar. Lys. 180 παντᾶ x’ ἔχοι καὶ τᾷδε γὰρ λέγεις καλῶς, wo freilich, wie unzählige male, verkehrt geändert ist. nur die wortstellung ist nicht die gewöhnliche. darauf läuft vieles hinaus, unten 1091, Hipp. 402 ἐμοὶ ein μήτε Aavdaveıy καλὰ uns’ αἰσχρὰ δρωσῃ μάρτυρας τιολλοὺς ἔχειν. Tro. 1210 οὐχ ἵπποισι γικήσαντά σε οὔδ᾽ ἥλικας τόξοισι. Anakreon 94, 3 Πουσέων τε καὶ ἀγλαὰ δῶρ᾽ ᾿Αφροδίτης, Kenophanes bei Sext. adv. log. 1 49 ἀμφὶ ϑεῶν τε nal ἅσσα λέγω περὶ πάντων. demnach ist das σχῆμα eigentlich so zu definiren: ein satzglied, welches für zwei sätze unbedingt nötig ist, steht erst beim zweiten. so besonders häufig bei präpositionen, Hesiod Aspis 149 7 da νόον se καὶ dx φρένας εἵλετο φωτῶν. Alkman 22 ϑοί- ναις δὲ καὶ ἐν ϑυσίαισι. Aisch. Sieb. 1032 μητρὸς ταλαένης κἀπὸ δυστήνου πατρός, Pers. 492 αγνητικὴν γαῖαν ἐς τὸ ακεδόνων, Ag. 656 χειμῶνι τυφῶ σὺν ζάλῃ τ᾽ ὀμβροκεύπῳ, Soph. Ant. 366 ποτὲ μὲν κακόν, ἄλλοτ᾽ ἐπ᾽ ἐσθλὸν ἕρπει, Eur. Herakl. 756 μέλλω τᾶς πατριωτίδος γᾶς, μέλλω καὶ ὑπὲρ δόμων, 1. T. 887 βάρβαρα φῦλα xal δι᾽ ὁδοὺς ἀνόδους στείχων. es kann aber ebenso gut ein appo- sitioneller begriff (adjectiv, abhängiger genetiv, adverb u. dgl.) sein. Aisch. Ag. 115 κελαινὸς τ᾽ ἐξόπιν ἀργός (d. i. uelaurevyog und λευκό- sevyog vgl. Porphyr. zu 2 315), 589 ἅλωσιν Ἰλίου 7’ ἀνάστασιν, 1319 ἀνὴρ δυσδάμαρτος ἀντ᾽ ἀνδρὸς ϑάνῃ, Choeph. 41 μέμφεσϑαι τοὺς γᾶς ἔνερϑεν τοῖς χτανοῦσί τ᾽ ἐγκοτεῖν, Soph. ΕἸ. 929 ἡδὺς οὐδὲ μητρὶ δυσμενής, Ο. T. 802 κῆρυξ τε κἀπὶ πωλικῆς ἀνὴρ ἀπήνης (nicht gut, weil misverständlich), Eur. Hik. 22 ἔγχος τήν τὸ δυστυχεστάτην στρατείαν, Med. 36 στυγεῖ παῖδας οὐδ᾽ δρῶσ᾽ εὐφραίνεται, Phoen. 984 μαντεῖα σεμνὰ “Τοξίου τ᾿ ἐπ᾽ ἐσχάρας. Hel. 1042 πεδίων ἄπει- ooı βαρβάρου τ᾽ ἐσμὲν χϑονός, Pind. Pyth. 4, 195 γύχτας τὸ καὶ πόντου κελεύϑους üuara τ᾽ εὔφρονα. Plat. νόμ. 4, 715” οὔτε πολι- τείας οὔτ᾽ ὀρθοὺς νόμους. in einfacher prosa ist es kaum zu glauben. also z. b. derjenigen überlieferung, die es Herodot 7, 209 hat, zu mis- trauen (πρὸς βασιλήην τε nal καλλίστην πόλιν A, xal und πόλιν fehlt R). besonders auffällig, aber besonders häufig (namentlich bei Pindar)

1023 Commentar.

sind die fälle, wo das zweite satzglied eine correlative partikel enthält, durch welche man erst erfährt, dafs die entsprechende zu dem ersten hinzu- gedacht werden mufs, A. Choeph. 294 δέχεσϑαι οὔτε συλλύειν τινά, Ag.532 Πάρις οἴτε συντελὴς πόλις. Eur. Hipp. 550 δρομάδα vald’ ὅπως τε βάκχαν. hier ändern alle, weil sie es verkennen, trotzdem dals derselbe dop- pelte vergleich Hel. 543 steht, und so häufig: in wahrheit liegt es auf der hand, dafs solche constructionen viel eher zerstört als fälschlich eingesetzt sein müssen, und es lassen sich auch dafür beispiele liefern; doch wer- den die proben wol genügen, die tatsache festzustellen.

240 240 wald ist also schon damals erst im gebirge zu finden. der Parnassos ist zur nachbarschaft Thebens auch 790 gerechnet. er ist weit entlegen, und ein Thebaner würde eher an den Kithairon gedacht haben: aber der gehörte nach attischer anschauung nicht zu Theben, vgl. 1163, und nur in der Pentheus- und Oedipussage gibt der Athener das alte verhältnis notgedrungen zu.

1 241 δρῦς ist baum’, oder allenfalls “laubbaum’, nicht “eiche’. das ist die ursprüngliche bedeutung, und Eur. nennt z. b. den pfahl, mit dem der Kyklop geblendet ist, δρυὸς ἔρνος (615): der war bekanntlich von olivenholz.

248 243 ἀμφήρη νήσαντες gehört zusammen. die mit-neng gebildeten adjec- tive haben meist nur die bedeutung des stammes (χαλκήρης μεσσήρης χλοήρης, ro&ı,ong oben 188); es ist also nur eine steigerung desselben begriffes der fülle, für den schon σεέρεξ da ist; auch dies bombast ἐν ἤϑεε.

4 244 ἐμπίμπρατ᾽ αὐτῶν καὶ πυροῦτε σώματα ist im grunde dieselbe verschränkte wortstellung die in besonderen fällen ἀπὸ κοινοῦ genannt zu werden pflegt.

46 246 τάδε ist nicht mülsig, sondern es ist plump höhnende beschränkung. ἀλλ᾽ ἐγὼ τὸ νῦν ἐπὶ τοσοῦτόν γε κρατῶ ὥστε ὑμᾶς οὕτως Ötarı- ϑέναι. deutlich beschränkend, aber mit geringerer kraft Heraklid. 641 1. A. 537.

241 247 πρέσβεις im sinne von πρεσβῦται ungewöhnlich, aber gesichert durch A. Pers. 842. das participium gehört appositionell zu dieser anrede.

249 249 δόμων τύχας: olxelag; weil diese bedeutung notwendig ist, muls der plural für den überlieferten singular hergestellt werden. denn jeder einzelne soll für sich und die seinen zittern.

250 250 xaoxsıy "den mund auftun, mucksen, mustire’. S. Ai. 1227; gewöhn- lich ist nur aorist und perfect. das praesens (welches in classischem griechisch nur χάσχω ist, nie χαένω) steht dynamisch “den mund auf- machen wollt’.

vers 240—253. 108

251 auch das ist tyrannischer hohn, dafs er die untertanen als sclaven be- zeichnet.

eine längere rede des chorführers ist überhaupt selten, weil der chor Rede um nicht zum reden da ist, und kommt nur vor, wenn er in die handlung des cheres. eingreift, wie Hik. 263, Hel. 317. das tut er bei Aisch. immer, aber dieser wendet längere iambische reden nur vor oder nach einem gesange des chores an, Ag. 489 Eum. 244. der chor ist am meisten gereizt durch den vorwurf der δουλδέα, denn das kränkt ihn in seinem adel. er ver- sucht deshalb den streich zu führen, den Amph. 235 nur aus alters- schwäche unterlassen hat. er schmäht den plebejer, weist den vorwurf ab, dafs ihm die sache der kinder nicht ein oixeioy wäre da lälst er ohnmächtig den stab sinken und gesteht die schwäche wie Amph. wie kommt er dazu? es ist keine vermittelung zwischen 266. 67. warum gehn sie Lykos nicht zu leibe? wie verhält sich der dagegen? ein wort hören wir nicht; Lykos straft den chor überhaupt mit verachtung. mit sicherheit wird hier also stummes spiel ergänzt: es muls etwas während der rede des chors geschehen, was diesen zu dem verzichte 267 bringt. offenbar weicht Lykos nicht zurück, sondern bietet mit seinen trabanten dem chore die spitze: und deren gefällte Janzen oder gezückte schwerter ge- nügen für die zuschauer völlig, das zurückweichen der greise zu motiviren. 252 die drachensaat des Kadmos, aus der die Sparten hervorgehn, pflegt 252 nicht dem Ares zugeschrieben zu werden, dessen sohn der drache war, und der die masse der erdgebornen hopliten fällte. Aisch. Sieb. 412 σπαρτῶν ἀπ᾽ ἀνδρῶν ὧν άρης ἐφείσατο. allein da dem Kadmos dieser ihr selbstmord zum heile gereicht hat, so lag es nahe, dem gott, der den mord bewirkte, auch die aussaat zuzuschreiben. zu dieser stelle stimmt Pherekydes bei schol. Apoll. Rhod. 3, 1178, wo Ares dem Kadmos die aussaat der drachenzähne angibt. auch Eur. sagt nicht, dafs Ares den drachen getötet habe, sondern höclıstens dafs er die zähne ausgebro- chen oder ausbrechen gelehrt hat. 253 ἐρημοῦν zu 359. λάβρος accentuiren wir falsch, weil das littera- 253 risch allein noch erhaltene wort von den grammatikern für ein compo- situm gehalten ward (Herodian 1 203 Etym.M). es ist in wahrheit Aaße- eög und seine bedeutung zunächst “umfassend, reichlich’, οὖρος λάβρος ἐπαιγέζων, λαβρον κῦμα (O 625, unten 861) im epos. diese bedeu- tung galt im ionischen noch im 5. jahrhundert (vom regen Herodot VIII 12, nasenbluten Hippokrat. epidem. I 16), ward von der hohen poe- sie überhaupt festgehalten und drang in den homerischen verbindungen einzeln in die schriftsprache. nahe lag die wendung zum übertriebenen,

104 Commentar.

ungünstigen, λαβραγόρης “reden wie ein wasserfall’ in dem späten ge-

dichte Ψ (479. 474 λαβρεύομαι), λάβρος ἀνήρ Theoguis 634. auch dies

in der hohen poesie. λάβρος στρατός der geschwätzige demos Pind. P.

2, 37. gleichzeitig kam aber auch die bedeutung “gierig” meist “gierig

nach frafs’ auf, die sich aus der wurzel selbst entwickelt hatte; es ist

eigentlich “zupackend’. diese bedeutung ist der späteren zeit die geläufigere, übrigens auch sie nicht bei guten stilisten der prosa. sie gilt hier, wie

Pind. Pyth. 4, 244, wo des Kolchischen drachen maul auch λαβρόταταε

y&yveg hat. Eur. und Pind. lieben das wort sebr, das beiden nur die poe-

tische tradition überlieferte.

257 den vorwurf der δυσγένδια schleudern sie ihm im ärger doppelt,

positiv und negativ, ins gesicht. Ion 607 ἐλθὼν ἐς οἶκον ἀλλότριον

ἔπηλυς ὦν. κάκιστος geht das moralische an und steht für sich.

258 258 dafs er sein landesherr ist (ἄρχει τῶν ἐμῶν) kann der chor nicht leugnen: aber die παρρησέα, die persönliche freiheit, soll er ihm nicht nehmen. δεσπόζειν hier und 274 in der gehässigen bedeutung, vgl. 28.

29 259 πολλὰ xauw» gehört zusammen; es ist homerische reminiscenz; andrerseits ἐπόνησα χερί.

260 260 ἀπέρρων (poetisch=ärropFeıgouevog 1290) mülste eigentlich partic. aor. sein: aber das drama wendet nur den praesensstamm an, der somit aushelfen mufs. ebenso wird λεύσσω behandelt, vgl. zu 725.

262 262 οὐ τοσόνδε: ὥστε χἀμὲ ἐπιλαϑόμενον ὧν ἐμόχϑησεν πατὴρ τοὺς παῖδας περιιδεῖν ἀποθνήσγοντας. aus Ἡρακλείους παῖδας ent- nimmt man den eigennamen leicht, auf den sich ἐχεῖνος bezieht. S. Trach. 260 πόλεν τὴν Εὐρυτείαν" τόνδε γὰρ ueralrıoy ἔφασκε. schon schwie- riger Pind. Nem. 8, 21 ὄψον δὲ λόγοι φϑονεροῖσιν" ἅπτεται δ᾽ ἐσλῶν αἰεί, nämlich der φϑόνος. Ion 336 αἰδούμεϑα--- ἀργὸς ϑεός, nämlich die αἰδώς.

284 264 διολέσας ἔχεις darf nicht als paraphrase von δεώλεσας gefalst werden, sondern beides hat seine volle kraft; es ist xdxsnoas τὰ xaxıosa ποιή- σας. das zeigt die antithese ὠφελήσας ἀξίων οὐ τυγχάνει.

266 266 “und da macht man mir den vorwurf der πολυπραγμοσύνη" mit bezug auf das yaoxsır 250. πολυπραγμονεῖν ist für die tragödie eine zu ἀγοραία λέξις, aber πολλὰ πράσσειν in dem sinne hat Eur. öfter, Hipp. 785, Antiop. 193.

%9 269 “in deiner schwäche liegt es mit, dafs dein sehnen zerstört ist’. die logik könnte verführen statt τὸν πόϑον das πτοϑούμενον zu fordern, weil ja nicht die sehnsucht, sondern nur ihre erfüllung zerstört ist: dafs das schief geurteilt wäre, kann der deutsche leicht einsehen, wenn er nur

=

vers 251---216. 108

‘wunsch’ für σπεόϑος einsetzt. weit kühner sagt Soph. Tr. 196 τὸ ποθοῦν ἕκαστος ἐκχμαϑεῖν ϑέλων οὐκ ἂν μεϑεῖτο, πρὶν καϑ᾽ ἡδονὴν κλύειν. “von seinem wunsche läfst keiner der hören will, ehe er zur genüge gehört hat’. noch Plutarch de virt. οἱ vit. 2 kann von den träumen sprechen als εἰδώλοις καὶ φάσμασιν εἰς οὐδεμέαν ἡδονὴν οὐδὲ τε- λεέωσιν τοῦ ἐπιϑυμοῦντος τελευτῶσιν.

272 χαίρεις" ἐνερυφᾷς ταῖς Θήβαις. χαίρειν eben so prägnant S. Ο. T. 1070 von einem adelsstolzen weibe ἐᾶτε τήνδε πλουσίῳ χαίρειν γένει. der gewöhnliche gebrauch des particips χαέρων, 258, ist mit diesem seltenen im grunde identisch.

Megara hat bisher geschwiegen, aber wir wissen aus dem prolog, dafs sie weder hofft noch zu transactionen geneigt ist. so lehnt sie kurz und würdig die hilfe des chors ab, und begründet den vorschlag, gut- willig in den tod zu gehen, mit der rücksicht auf die ehre des Her. und die εὐγένδια, auf die sie alle anspruch machen. das würde genügen und einen reinen eindruck machen; aber auch hier hat der dichter der rhetorik seinen tribut gezollt: 295—306 möchte man los sein, und leicht erkennt man, dafs diese verstandesmälsigen erwägungen in diesen mund und an diese stelle schlecht passen, denn plötzlich abspringend kehrt Meg. 307 genau zu dem zurück, wovon sie 295 abbog. in dem mittelstück wird die hoffnung des Amph. 97 als illusorisch, und sein vorschlag 206 als aussichts- los und nicht einmal an sich befriedigend erwiesen; rhetorisch vortrefl- lich und mit feinen sentenzen, nur nicht dramatisch, und störend, weil es von der vollendeten ethopoeie der umgebung um so stärker absticht. 275 ἐπαινῶ (αἰνῶ ist nur poetisch) ἐπήνεσα (unten 1235), καλῶς λέγεις, καλλιστα sagt der Athener, wenn er ein compliment oder eine einladung dankend ablehnt, z. b. Ar. Frö. 505 Xen. Symp. 1, 7 Isaios 2, 12. Plut. quomod. adul. poet. aud. 22' zu Hesiod Erg. 643 νῇ᾽ ὀλίγην αἰνεῖν, μεγάλῃ δ᾽ ἐνὶ φορτία ϑέσϑαι" τῷ μὲν αἰνεῖν σημαίνεται τὸ ἐπαινεῖν" αὐτῷ δὲ τῷ ἐπαινεῖν ἀντὶ τοῦ παραιτεῖσθαι νῦν κέχρηται, καϑάπερ ἐν τῇ συνηϑείᾳ καλῶς φαμὲν ἔχειν καὶ χαίρειν κελεύομεν, ὅταν μὴ δεώμεϑα μηδὲ λαμβάνωμεν. bei καλῶς oder κάλλιστα kann freilich, wie bei unserem “danke? eine zweideutigkeit entstehen. “danke ja’ heifst εὖ σοι γένοιτο oder εὐδαιμονοίης Ar. Ach. 457. Frö. 1417. Eur. Alk. 1137. auch im Telephos stand es; in welcher form ist unsicher, da εὐδαιμονοίης, εὖ σοι γένοιτο, καλῶς Eye μοι überliefert ist (fgm. 702). αἰνεῖν τ. Ὁ. noch Phoen. 613. 1683. I. A. 506.

212

Rede Megaras.

276 ὀργή wendet Eur. ohne erkennbaren unterschied im sing. und plur. 276

an. dixalag “in gerechter sache’.

106 Commentar.

21277 δεσπόταις : sie gibt die gewaltherrschaft als tatsächlich zu, nimmt aber der aufforderung einem Lykos zu gehorchen das gehässige, indem sie ihr durch den plural eine allgemeine wendung gibt.

480 280 man erwartet πσῶς γὰρ οὐκ ἂν φιλοέην, doch schmiegt sich in der lebhaften antithese der modus auch sonst an. Phoen. 899, 900 “Bovisı” ; “καὶ πῶς οὐ Yin”. 8. ΕἸ. 922 “οὐχ οἶσθα" “πῶς δ᾽ οὐκ ἐγὼ xaroıda”. es liegt nahe πῶς γὰρ οὔ; als ein glied für sich abzuteilen und dann φιελώ ἅτικτον ἁμόχϑησα als correlat zu φελῶ τέκνα zu fassen. das ist wol lebhafter, aber Eur. hat es nicht so gewollt, denn er vermeidet es vor dem letzten iambus stark zu interpungiren, und zwar weit mehr als seine herausgeber. wesentlich dadurch, dafs er die einzelnen trimeter möglichst in sich abgeschlossen baut, also anfang und ende jedes verses möglichst wenig zerreifst, hat er die grofse glätte und den gleichmäfßsigen wolklang seiner verse erreicht, vollendend was Aischylos in demselben streben begonnen hatte. Sophokles dagegen befolgt ein anderes princip; er verwischt die trennung der einzelnen verse, der komödie darin näher stehend, und zieht daraus die consequenzen rücksichtslos, bekanntlich bis zur elision am schlusse des verses.

481 281 ἁμόχϑησα “mit denen ich mich geplagt habe’, fast gleich ἄϑρεψα. l. A 207 Axılma τὸν Θέτις τέκε καὶ Χείρων ἐξεπόνησεν, woraus man freilich den griphos gemacht hat Ἥσσων ἀλγήσας παῖδα τὸν Ex Θέτιδος, Tryphon x. τρόπων 4.

283 283 wir sagen “wenn jemand das und das tut, ist es eine torheit”'; griechisch schliefst man die person relativisch an, setzt aber dann nach dem σχῆμα Ἰωνικόν einen engeren abstracten begriff. ganz wie hier Alexis Ποιητής 1. ἔδει, ὅστις χρηστὸς ἦν ἡδύς τ᾽ ἀνήρ, τὰ σῦκα προς- Ξτεϑέντα δηλοῦν τὸν τρόπον. “feigen im namen sykophant sollten doch eigentlich den charakter bezeichnen, wenn einer ein milder angenehmer mann wäre”.

σχαιός ist auch metaphorisch der gegensatz zu δεξιός, aber es geht mehr auf das benehmen im menschlichen verkehre. Chrysippos definirt die σκαιότης als ἄγνοια τοῦ προσφιλὼς ἅμα καὶ κεχαρισμένως ἀνθϑρώ- ποῖς ὁμιλεῖν (bei Plutarch quomodo adul. poet. aud. 31..); so entspricht ἀπαίδευτος und lateinisch ineptus. wider die notwendigkeit zu zetern und zu verlangen, dafs die dinge sich nach uns richten, ist allerdings ein mangel an lebensart und bildung: aber es ist doch für die frau be- zeichnend, dafs ihr die torheit oder bosheit (299) nicht als solche zu- wider ist, sondern weil sie sich nicht zu benehmen weils. das schickliche vertritt beim weibe das sittliche.

vers 277—293. 107

290 Her. ruhm steht fest auch ohne zeugen. εὐχλεής ἐστι, κἂν μηδεὶς 290

αὐτῷ τὴν ἀρετὴν μαρτυρήσῃ. Meg. gibt dem Amph. eine verdiente kritik seiner declamation 176. man sagt gewöhnlich ἀμάρτυρος (schon Thuk. II 41); ein verbum ἀμαρευρδῖν existirt nicht, eine veranlassung zu der weiterbildung ist nicht zu schen. aber die tragödie oder vielmehr die poesie überhaupt sieht darin einen schmuck, neben einfache bildungen wie ἄφοβος, χρυσόκολλος, καλλίπυργος, νυχκτέφρουρος, δορυσσόος εὔχκυκλος ὑψιγενής ἄπυρος scheinbare ableitungen denominativer verba zu setzen, ἀφόβητος (8. OT 885 im sinne von ὀλέγωρος) χρυσοκόλλητος (E. Phoen.2) xaAlınvoywzog (Bakch. 19) νυχτεφρούρητος (A.Prom. 861) δορυσσόητος (S. Ai. 1187) εὐκύκλωτος (Aristophon (Φιλωνέδης) vıpı- γέννητος (A. Eum. 43) ἀπύρωτος (Hom. #270) und so unzähliges. einzeln ist auch nur eine solche weiterbildung gebräuchlich, z. b. δὐόρ-- γητος (selbst Hippokrates π. ἀέρ. ὑδ. For. 19), das dann εὐοργησία erzeugt; &vopyog sagt man gar nicht, wol aber δύσοργος neben δυσόρ- γητος.

293 κάμνω auf das geistige gebiet übertragen “mutlos, gedrückt sein”, ἀλλαγᾷ λόγου, “durch getäuschte hoffnung’ A. Ag. 482. σοῖς xaxols Med.1138. πάϑᾳ Pind.Pyth.8,48. dieser gebrauch ist wol auf die grofsen dichter des 5. jahrhunderts beschränkt. ganz anders xauveıy ὑπὲρ αὐτῆς Thuk. 11 41, für das vaterland mit anstrengung tätig sein, wo Eur. μοχ-- ϑεῖν sagen würde. er hat auch κάμνω absolut “matt werden, nach- lassen’ oben 101, mit particip der tätigkeit worin, fgm. 1058, mit dativ Pindar P. 1,90 un xauvs δαπάναις. ἔν τινι κάμνειν in bezug auf etwas in verlegenheit sein, ἐν ᾧπερ νῦν ἐκάμνομεν Hek. 1144 “wo jetzt für uns die schwache seite war’. δὲ πρὸς Ἴλιον ἐν τῷδ᾽ Exauvs νόστος I. A. 966, “wenn es daran lag, dals der zug nicht von statten gieng”. in diesem falle, wie in der übertragung auf das geistige gebiet könnte voosiy dafür eintreten (vgl. 1414), und der gebrauch hat sich wol so entwickelt, weil χάμνειν wirklich für ‘krank sein’ gewöhnlich war. aber der schöne, schon bei Homer beginnende euphemismus, “die denen die kraft einmal versagt hat’ καμόντες, oder ‘die müden’, genauer mit unserem vulgären ausdruck “die abgefallenen’ xexunwrsg für die toten zu sagen, konnte dazu auch führen. dagegen kennt Jas classische griechisch nichts was zu dem homerischen xaue für κάμε τεύχων zurückführte, während doch πονδῖν im attischen dichterisch (289), στονᾶν im dorischen gewöhnlich diese bedeutung erhalten kann. die stilmischerei der senilen rhetorik greift auf das homerische zurück, z. b. Himerius ec. 17 ende, οἱ χάμνοντες τὴν ἱστορίαν. hier liegen also die vermittelndem glieder

293

108 Commentar.

zwischen Homer und dem modernen gebrauche, wo xauvsıy zwar nicht zroıelv, aber πράττειν oder ποιεῖσϑαι ist.

2584 284 ein guter beleg für den unterschied von praesens und aorist, der handlung in der dauer und im einmaligen acte. ϑνήσκειν ist eine linie, Javsiy ein punkt.

285 285 xazasalvysıy wird nur metaphorisch gebraucht, während das simplex ξαίνω in guter zeit nur technisch wolle krempeln’ ist oder doch auf dieser grundlage weiter entwickelt wird. plebejisch πολλὰς κατὰ τοῦ γώτου ξαίνειν “etliche überziehen’, Demosth. 19,197, δάχρυσε παρειὰς Salyovoa Antipater Sid. Anth. Pal. VII 464 ist nach καταξαένειν gebildet. Saiveodaı = τρύχεσϑαι nachchristlich, dann aber in allen kreisen gewöhnlich, aufser den ganz alticistischen. χαταξαένεσϑαι ist zunächst eine todesart bei welcher die glieder zerrissen und zerfleischt werden, also steinigung (Hik. 503) sturz vom felsen (Ion 1267) blitzschlag (Lykophr. 561). dann die entstellung durch dauernde oder wiederholte einwirkung, hunger (Hipp. 274), tränen (Tro. 509), allgemein πόνοι (Tr. 760, Med. 1030). für den feuertod mag das unzulreffend scheinen, wenn man an das reinliche aschenhäufchen in der urne denkt: aber ein halbverbrannter leichnam, wie die in Mykene gefundenen, verdient die bezeichnung ὡς κατεξάνϑη δέμας wahrlich. und Megara braucht auch nur im sinne zu haben, wie ein brennendes scheit holz xaradalyeraı um den ausdruck für die ihr widerliche todesart zu wählen: gerade der gegensatz der feuer- bestattung und des feuertodes gibt ihr die kräftige und besondere wen- dung ein.

mehrfach ist in tragödie und komödie ein accusativ γέλων überliefert, allein immer so dafs eine zweisylbige form nötig ist, aber über die quan- tität des o nichts zu erkennen. γέλων würde ein sprachfehler sein, für den keine treffende analogie vorliegt. wol aber haben die Aeoler und danach Homer y&Aog γέλον gesagt, ganz wie ἔρος ἔρον. dieses nun ist auch bei den tragikern erhalten, γέλον aber auch bei Homer meist in γέλων entstellt, und erst von den modernen zu ehren gebracht: dasselbe wird also auch mit γέλον in der tragödie und komödie zu tun sein.

281] 287 δώμασιν: unserer familie. δόχησις εὐχλεής δορός “der ruf be- rühmter kriegstat’, d. ἢ. des zuges gegen die Taphier 60. die attraction des adjectivs vom nomen rectum auf das nomen regens wie 468. δόκησις hier ganz = δόξα, 292 entspricht δόξα xaxn “ruf der feigheit’. der eigentliche sinn, action des δοκεῖν, wiegt sonst vor, wird aber gern im gegensatz zu dem σαφές prägnant entwickelt, Hel. 119 geradezu wahn’, doch wird da mit dem worte gespielt. es ist im 5. jahrhundert nicht

ο ΚΒ %

vers 284—299. 109

selten (Eur. Thuk., auch Herodot Soph.). dann schwindet es bis auf ganz vereinzelte fälle. der classischen prosa ist es fremd: die atticisten holen

es aber wieder vor.

289 Lykos flieht 235 δειλέᾳ bis an den rand der welt. Amphitryon 289 darf nicht ὑπὸ δειλίας sterben. der dativ ist instrumental, die feigheit bewirkt sein fliehen. ὑπό mit dem genetiv des abstractums gibt nur den umstand an unter welchem’ die handlung geschieht. jenes würde

in prosa durch dıa τὴν δειλέαν, dies durch μετὰ δειλίας wiedergegeben werden. ebenso z. b. ὑπ᾽ εὐχλείας Hipp. 1299. dafs auch ein abstractum gedacht werden kann wie eine person wirkend, so dafs sie jemand unter sich’ bringt, also ὑπὸ τοῦ λοιμοῦ ἀποθανεῖν so gut wie ὕπ᾽ Ayul- λέως ürı., beruht auf einer ganz anderen vorstellung.

294 für sich macht sie, der allein die wirkliche εὐγένδεα von den Sparten 4 her zukommt, und die allein wirklichen mut hat, nichts als die rücksicht auf ihren gatten geltend: das ist eine charakterisirung der echten rechten frau, die viele blasphemien bei Eur. aufwiegt. und es ist bezeichnend, dafs diese charakterisirung in dem liegt, was die frau nicht sagt, und der flüchtige leser nicht merkt.

296 die erde ist eine decke, die über dem toten liegt, und unter der 296 kommt der auferstehende hervor. daher ὕπό. Homer 56 αὖτις ἀνα- στήσονται ὑπὸ ζόφου ἠερόεντος.

297 χαέ in der antwort die ad absurdum führt, zu 509. 297 298 den einwurf bezeichnet ἀλλά, und das würde ausreichen; ὡς gibt 208 ihn als ein glied fremder erwägung. “aber du urteilst so, entsprechend dem dafs —”. εἷς steht also im grunde nicht anders als 305, wo wir

es causal übersetzen. die rhetorische form genau so Hipp. 1013 ἀλλ᾽ ὡς τυραννεῖν ἡδύ ἥχιστα.

299 sie erwägt gar nicht die chancen einer einwirkung auf Lykos, denn 299 sie weist es von vornherein ab mit einem ungebildeten menschen sich einzulassen, der seiner natur nach unempfänglich für rücksichtsvolle be- handlung ist. dem gebildeten gegenüber macht man mit nachgiebigkeit den anfang, und dann kommt es überhaupt zu keinem conflict. der gedanke kehrt bei Eur. wieder, aber minder fein pointirt, Herakl. 459, ‘der σοφός soll wünschen nur mit einem σοφός in feindschaft zu ge- raten, weil er dann auf αἰδώς rechnen kann’. Hypsip. 759 “für die σώφρονες soll man σπειϑώ haben (d. ἢ. καὶ πεέϑειν καὶ πείϑεσϑαι), τοῖς μὴ δικαίοις δ᾽ οὐδὲ συμβάλλειν χρεών, sich nicht einmal auf eine so äufserliche berührung einlassen, wie die συμβόλαια bewirken”. φέλα τέμνειν freundschaft schliefsen, ebenso φέλεα μοι τεμεῖ Hik. 375.

110 Commentar.

φιλότητα καὶ ὅρκια πιστὰ ταμόντες Homer Γ 73. in αἰδοῦς vno- βάλλειν ist der partitive genetiv nicht anders gesetzt als in ὑποβαλεῖτε τῶν Μιλησίων ἐρίων Eubulos IIpoxe. 1. oder wie der genet. bei φϑονεῖν steht 333. man nimmt von seiner αἰδώς und legt es dem gegner unter: darauf gründet sich seinerseits die rücksicht. ὑποβάλ- λεεν τινέ jemand etwas an die hand geben, technisch vom souflleur eben so wie von dem der die rolle einstudirt; zu Eur. zeit wol noch nicht so beschränkt. aber auch das können wir nachbilden “wenn man sanfte töne anschlägt, tönen sie ähnlich zurück’.

802 302 εἰ c. optat. syntaktisch hier eben so berechtigt wie 279 ἢν δοκῶ.

wir übersetzen etwas anderes als einen bedingungssatz, und es ist ja auch keiner: es steht aber im griechischen dieselbe satzform, welche auch für die bedingungssätze verwandt wird, zur bezeichnung dessen, was nur hypothetisch in der vorstellung eines subjects besteht. und dem entspricht, dafs in diesen sätzen ganz dieselben modi erscheinen wie in denen, welche wir allein als hypothetische sätze behandeln. der optativ mit ἄν nach εἰ läuft also der grammatischen logik zuwider, und gute schriftsteller wenigstens haben ihn trotz allen scheinbaren belegstellen nicht gebraucht.

803 303 Eur. beruft sich häufig auf sprichwörter: das hier angeführte scheint

sonst nicht vorzukommen.

801 307 unwillig, dafs Amph. nicht nachgibt, bricht sie ab, und wiederholt

nach weiberart ihre aufforderung zum zweiten dritten male. die asyndeta sind also für das ethos bezeichnend.

809 309 ὅστις τὰ πεπρωμένα xal ἐκ ϑεῶν γιγνόμενα μετὰ μόχϑου καὶ

811

ταλαιπωρίας ἐχποδὼν ποιεῖν σπουδάζει, οὐχ ὅτι δειλός ἔστι, ἀλλ᾽ ἀμαϑίαν ὀφλισκάνει διὰ τῆς ἀκαίρου ἀνδρείας. also auch wenn es nicht feigheit sein sollte, dafs Amph. nicht sterben will, so ist es torheit, weil der widerstand vergeblich ist; seinem adel tut er aber auch so zu nahe: ὅστις εὐγενὴς βροτῶν φέρει τά Toı πεπερωμέν᾽ οὐδ᾽ ἀναένεται 1227. wirklich schlägt sie damit auch bei Amph. durch. Heraklid. 615 μόρσιμα δ᾽ οὔτε φυγεῖν ϑέμις, οὐ σοφίᾳ τις ἀπώσε- ται, ἀλλὰ μάταν πρόϑυμος ἀεὶ πόνον ἕξει. 1. Τ. 910 ἔν τις πρό- ϑυμος 7 (wenn einer lust und liebe zur sache hat), σϑένειν τὸ ϑεῖον μᾶλλον εἰκότως ἔχει. --- ἐκμοχϑεῖ steht dynamisch; die bedeutung wie ἔχπονεῖν 581.

311 neben dem substantiv χρεών steht hier als verbum χρή; so schon Aisch. Cho. 930 xaveg γ᾽ ὃν οὐ χρῆν᾽ καὶ τὸ μὴ χρεὼν παϑε. unten 828 und Hek. 260 ist ein nomen xor oder χρῆν (so in der Hekabe die überwiegende überlieferung und 828 am rande) überliefert. Eurip. ver-

vera 302—318. 111

stand seine sprache so wenig wie alle grammatiker bis aufH.L. Ahrens: er hat zuerst (denn Pind. Nem. 7, 44 ist verdorben) das praeteritum ἐχρῆν, während Aisch. Soph. Herodot noch χρῆν bewahren. in wahrheit ist χρή ein substantiv, das die formen χρῇ χρῆναε xosin χρῆν χρῆσται durch zusammensetzung mit dem verbum substantivum erzeugt; es ist aber er- starrt, und somit gibt es τὸ χρὴ ὃν χρηόν χρεών und τὰ χρὴ ἐόντα: so noch erhalten bei Demokrit (Stob. ecl. II 9, 3 Wachsm. flor. 44, 15, von den herausgebern trotz Ahrens nicht in frieden gelassen). es ist also nicht zu verwundern dafs Eur. etwas früher noch τὸ χρή gesagt hat. τὸ χρὴν läfst sich sprachlich für das attische nicht rechtfertigen.

312 wenn der chor auch seine ergebenheit von neuem furchtlos, ähnlich wie Amph. 235, beteuert, so gibt er doch zu, dafs Meg. recht hat, und er also ihrem entschlusse nicht mehr widerstrebt. die consequenz mag er nicht aussprechen und schiebt also das dem Amph. zu.

314 οὐδὲν ὧν hier einer der nichts kann, 157 einer hinter dem nichts ist, 635 οὐδὲν ὄντες die menschen die “gar nichts sind’ im gegensatz zu der minderzahl der irgendwie ἀμείνονες, der elite, Andr. 1077 οὐδέν εἶμι, “ich bin hin’. und so in vielen andern nuancen.

316 Amph. weist die kritik Megaras (289. 307) zurück, aber er gibt ihr das zu, wogegen er sich 92 sträubte.

317 τὸ δειλὸν ϑανεῖν ἐρύκει με. 197 ῥύεται un κατϑανεῖν. 326 οὐχ ἔχομεν ἀλκὴν ὥστε μὴ ϑανεῖν. Thuk. III1 τὸν ὅμιλον --- εἶργον τὸ μὴ ---- κακουργεῖν. A. Prom. 920 οὐδὲν ἐπαρχέσει τὸ μὴ οὐ τεεσεῖν. Herodot. 186 εἴ τὶς αὐτὸν δύσεται τοῦ μὴ χκατακαυϑῆναι. so viele möglichkeiten des ausdrucks hatte das 5. jahrhundert und, mit ausnahme der letzten, auch die tragödie. ihrer syntaktischen natur nach verschieden, waren sie praktisch ganz gleichwertig geworden.

318 ἰδού zeigt dafs Amph. jetzt den altar verläfst; die nächsten verse, dafs seine schutzbefohlenen dasselbe getan haben: dafs sie es tun, ist nirgend bezeichnet. das ist nicht in der weise der tragödie; noch weniger, dafs νῷν 321 grammatisch ohne beziehung steht. zu πάρεστε δέρη pa- σγάνῳ kann sehr gut ein epexegetischer infinitiv treten, auch zwei, wenn erst aus ihnen beiden sich der gewünschte sinn ganz ergibt (vgl. 837), und es mag sich ein drittes verbum anschliefsen, zu dem vielleicht nicht mehr der hals, sondern Amphitryon ganz als object zu denken ist. trotzdem kann das überlieferte χεντεῖν φονεύειν ἱέναι πετρῶν ἄτιο nicht un- mittelbar anschliefsen, einfach weil man einen hals mit dem schwerte abhaut, nicht durchsticht. es fehlt also ein vers etwa der art πεάρεστι μήτηρ σὺν τέχνοισιν ἀϑλία. χεντεῖν (vgl. Hek. 387) φονεύειν gibt

Abschluls der scene.

316

317

112 Commentar.

jetzt den begriff “ihr mögt an uns herumstechen, so lange bis wir tot sind.

321 321 da er nun einmal nachgegeben hat, redet Amph. und so auch sofort Meg. den Lykos mit unterwürfigem respect an; und gleich bitten sie sich bei ihm etwas aus. daran nimmt die griechische geschmeidigkeit keinen anstols: ποουλύπου ὀργὴν ἔσχε τέκνον, ist ihr wahlspruch. so wirft z. b. Teukros in Soph. Aias mit der insinuation um sich, dafs Odysseus ein bankert des Sisyphos wäre: kaum ist jener für sein anliegen eingetreten, so ist er ihm γεραιοῦ σπέρμα “Ἰαέρτου πατρός 1393.

825 323 ἀνόσιον ϑέαν apposition zur aclio verbi wie 59.

πρᾶσσε, zumal als nachsatz und im anfang des verses, ist viel mehr als “tu es’, es ist τελεέωσον, διάπραξον, A. Ag. 1669 πρᾶσσε, zıalvov 1290 πράξω" τλήσομαι τὸ κατϑανεῖν. Choeph. 779 ἄγγελλ᾽ ἰοῦσα, ἡτρᾶσσε, τἀντεταλμένα, wo der imperativ zwischengeschoben ist in der art die zu 222 erläutert ist. Homer X 181, und öfter danach, ἔρδ᾽" ἀτὰ οὔ τοι πάντες ἐπαινέομεν ϑεοὶ ἄλλοι. mit recht steht immer der präsentische imperativ. die bedeutung ist fast immer verkannt.

329 329 ganz ebenso Hipp. 631 κόσμον προστιϑεὶς ἀγάλματι, und auch an sich uptadelhaft. uns moderne verletzt freilich die wiederholung des- selben wortes an derselben stelle des verses, wo es zwei trimeter vorber stand; aber dabei ist der wechsel der bedeutung zu bedenken, der dem, für den die sprache lebte, die wiederholung verbarg, und überhaupt ist die furcht vor der wiederholung eine ganz moderne stilistische empfindung.

881 331 ὡς ἀλλὰ ταῦτά γ᾽ ἀπολάχωσι. man mag ἀλλά in solchen wen- dungen, die in der tragödie (doch nicht Aisch.) komödie und bei Platon häufig sind, mit ‘wenigstens’ übersetzen, wie unsere vulgärgrammatik lehrt, besser mit “denn doch wenigstens’, vergesse aber nicht, dafs vor ἀλλά ein glied des gedankens fehlt, und eigentlich eine pause zu machen ist, vielleicht auch noch gemacht ward. “öffne das haus damit die kinder | nicht es besitzen, wie sie sollten aber doch so viel davon haben”. Ar.Wolk. 1364, der sohn erklärt Simonides für einen schlechten dichter ; | der vater erzählt ἔπειτα δ᾽ ἐκέλευσ᾽ αὐτὸν ἀλλὰ uvpalvnv λαβόντα τῶν «Αἰσχύλου λέξαε τέ μοι. das will er auch nicht. der alte bezwingt seinen ärger nochmals σὺ δ᾽ ἀλλὰ τούτων λέξον τι τῶν νεωτέρων.

“ich liefs ihn nicht was ich wollte tun, aber doch von Aischylos etwas | singen’. “nun du magst so weit deinen willen haben aber vortragen mufst du mir etwas, wenn auch etwas modernes’. vor den imperativen mag man vulgär z. b. auch sagen “nun meinethalben, aber .....’” natürlich ist eine ellipse nur für den gedanken vorhanden, der noch nicht in worte

vers 321—337. 113

gefalst ist: etwa immer einen satz mit el μὴ weggelassen zu denken, ist wider das wesen jeder sprache. man denke sich in Andromaches klage den vorletzten vers fort, so versteht man die entstehung und bedeutung der specifisch attischen, praktisch sehr oft verkannten redeweise. “dich werden nakt die würmer fressen; und doch hast du so viel schöne ge- wande zu haus. aber die will ich alle verbrennen οὐδὲν σοί γ᾽ ὄφελος, ἐπεὶ οὐκ ἐγχείσξαι αὐταῖς, ἀλλὰ πρὸς Τρώων καὶ Τρωιάδων κλέος εἶναι. Χ 514.

λαγχάνω ist das technische wort für den antritt der erbschaft: es steht also hier mit bitterstem rechte. auch die praeposition hat ihre ganze kraft. Herodot IV 115 ἀπολαχόντες τῶν κτημάτων τὲ inı- βάλλον. den sühnen, in denen der olxog fortlebt, standen die ganzen πατρῷα allein zu. 332 das simplex o&ysıy ist in Athen nur noch in hoher poesie zulässig, 332 während es im volksgebrauch wahrscheinlich aller andern stämme, sicher der verwandten lonier, fortbestand. die jüngere flexion des präsensstammes, ἀνοιγνύναι, ist dagegen im 5. jahrhundert noch nicht zu der herrschaft gelangt, die sie in der jungen atthis behauptet. 333 φϑονεῖν ist als denominatives verbum eigentlich intransitiv, “scheel 888 sehen’, daher das was so angesehen wird in den dativ gehört. da es wenigstens seit der zeit, die wir übersehen, besonders von dem kargenden, mit bösem blicke höchstens misgünstig gebenden oder verstattenden ge- sagt wird, tritt ein scheinbares object dazu, das worauf sich das scheel- sehen wider jemand richtet; so könnte hier οὗ φϑονῶ ὑμῖν πέπλους stehen. σεέπλων ist der einfache partitive genetiv vgl. 301. ein Franzose wird an keiner solchen stelle anstofsen, weil seine sprache den “teilungs- artikel” besitzt. die attische prosa geht mit dem genet. partit. sparsamer um als die κοιφγή. 335 die prosa würde ἥξω ὑμᾶς δώσων χϑονέ sagen, indem sie logisch 385 unterordnet; die poesie nimmt in ihrem rascheren gange das sinnlich nähere vorweg, ἥξω πρὸς ὑμᾶς, und überläfst dann dem hörer, hieraus sich das object zu δώσων zu ergänzen. 720 χώρει πρὸς αὐτὴν κἀκκό- uıbe: in prosa χώρεε κομεῶν αὐτήν.

dem befehle des Lykos folgend hat sofort einer der trabanten die siegel vom hause entfernt und aufgeschlossen. jetzt ziehen sie alle im gefolge des tyrannen ab: die familie des Her. bleibt also frei und ohne be- wachung. das alles ist durch dramaturgische rücksichten geboten; um die triviale wahrscheinlichkeit kümmern wir uns nicht.

337 οὐσία “das wesen’, das was real vorhanden ist im gegensatze zu 337 v. Wilamowltz 1. 8

114 Commentar.

“ὄνομα᾽, wie oft auch σῶμα gebraucht wird, hat Eur. aus der philoso- phischen sprache seiner zeit aufgenommen, für uns als erster, und vergeb- lich sucht man nach dem, welcher das wort gewagt hat: dafs es selbst ein Ionier nur unter attischem einflufs getan hat, liegt in der form. οὐσία = τὰ ὄντα, das vermögen, ist in Athen geläufig, Thukyd. Antiph. die komödie haben es, und das hat auch Herodot, vermutlich eben aus Athen. gleichzeitig ist ebenda ἐξουσία aufgekommen, und das ist auch in das drama (doch noch nicht Aisch.) gedrungen. noch etwas früher ıschon Aisch.) παρουσία und ἀπουσία, für welches Herodot das richtige ἀπεστώ noch bewahrt; derartige bildungen (wie eveorw αἰενεστι) haben nur bei wenigen Athenern im 5. jahrhundert noch eingang ge- funden, um dann rasch durch die aus dem volke aufsteigenden neu- bildungen ersetzt zu werden. ovola ‘vermögen’ ist nicht zulässig in hoher poesie, denn Eur. Hel. 1253 wg ἄν παρούσης οὐσίας ἕχαστος n ist allerdings ein stark sophistisches spiel mit dem verbum substan- tivum, entspricht aber einem ὡς ἄν ἑκάστῳ ἐκ τῶν παρόντων ὑπάρχῃ. Erechth. 356 τὰς οὐσίας γὰρ μᾶλλον τὰς ἁρπαγὰς τιμᾶν δίκαιον ‘das was man hat ist mehr wert als das was man sich nimmt’. aber allerdings kommt das wort an allen drei stellen doch mit beziehung auf die habe vor. S. Trach. 911, E. lon 1288 ist das wort in bis zur sinnlosigkeit entstellten versen überliefert. mit diesen worten geht Meg. in das haus und nimmt die kinder mit. Amph. folgt, nachdem er einen schauspielerisch wirksamen abgang’ durch eine invective gegen Zeus bewirkt hat. seine verzweiflung ist vollkommen, aber der zuschauer schöpft gerade daraus hoffnung, dafs an der rettung der Herakleskinder und an der gerechtigkeit gottes verzweifeln dasselbe ist.

339 339 öuoyauov vgl. 1. im anschlufs hieran nennt Soph. Tr. 1149 die Alkmene Jıög μάτην ἄκοιτιν.

840 340 Amplhı. bezweifelt nicht die vaterschaft des Zeus, obwol das nahe liegt und selbst vom chore geschieht 354, weil Zeus nicht hilft. denn wenn Her. nicht des Zeus sohn ist, so hat dieser keine veranlassung einzuschreiten, und der ganze vorwurf ist hinfällig. das ἥσσων ἢ) δόκεις φέλος 341 fordert für das vorhergehende etwa einen gedanken wie μάτην δὲ παιδὸς σωτῆρα σ᾽ ἐχλήζομεν, wir haben dich bisher als den Zeig σωτήρ betrachtet, dem Her. diesen altar gestiftet hat, und der ihn be- schützte und bis zu ende beschützen sollte (dies auch getan hat 829). aber wie sich dieser oder ein anderer passender gedanke aus den über- lieferten schriftzügen gewinnen läfst, ist bisher nicht erkannt.

sı5 345 man sagt immer mit dem artikel τἀλλότρια πράττειν, τἀλλότρια

vers 339— 347. 115

Öserıyeiy u. dgl. es hat immer vulgären klang, der hier recht am platze ist. 346 ἥσσων φίλος durch den parallelismus μέγας ϑέος gegen das be- 346 quemere ἧσσον φέλος gesichert. auch sagt man φέλος μέγιστος 8. Phil. 586, μέγας φέλος unten 1252. 347 ϑεός, obwol vor einem vocal, mit synizese zu sprechen; im dialoge 347 nur noch Or. 399; eine freiheit, Jie für die abfassungszeit wol auch in betracht kommt.

die schlufsreihe des in der sophistenzeit gewils gewaltig packenden enthymems ist folgende, “wenn Zeus sich die freiheit nimmt einen sohn zu zeugen, aber nicht die vaterpflichten auf sich nimmt, so stehen wir vor dem dilemma, entweder versäumt er die pflicht, weil er sie nicht begreift (wie etwa ein barbar), oder weil er trotz besserem wissen sie unterläfst (wie ein schurke): in beiden fällen steht er an ἀρετή (intellectueller oder moralischer) unter dem braven menschen. die drifte möglichkeit, die jedem zunächst einfällt, dafs er trotz wissen und wollen nicht kann, ist vorher ausgeschlossen, denn dafs er μέγας ϑεός ist, wird so wenig bezweifelt wie das factum. die lösung, die verwerfung der mythen, gibt erst Herakles 1341, der auch die wirklich sonst nur noch mögliche consequenz streift, dafs Zeus kein rechter gott sei. die betonung der ἀμαϑίέα ist für die werdezeit der auf erkenntnis gebauten ἀρετή charak- teristisch. die ἀμαϑίέα der gütter, die aus den sagen folgt, hebt Eur. oft hervor z. b. I. T. 386. Tr. 972. Hipp. 951. mit dem Jilemma, ἀξύνετος ἄδικος operirt auch Thuk. öfter, 2. b. III 42 in der rede des Diodotos und VI 40 in der des Athenagoras. ἀμαϑέα ist keineswegs ein negativer begriff, und hat einen ganz andern wert als“unwissenheit’ oder auch inscitia: Isokrates 17, 47 stellt μανέα καὶ ἀμαϑία zusammen, um die geistesverfassung zu bezeichnen, aus der ein handeln hervorgeht in dem “kein sinn und verstand’ ist. das wort ist in folge dessen der wählerischen demosthenischen zeit zu kräftig und verschwindet in ihr fast ganz.

Zweite gesangnummer. Stasimon.

Der inhalt des liedes ist ganz einheitlich und dem entspricht die form. das ganze wird durch einen rhythmischen refrain zusammenge- halten. so benennt man passend die erscheinung, dafs hinter jeder strophe, streng auch im inhalt gesondert, ein und dasselbe rhythmische gebilde erscheint, drei pherekrateen und ein: priapeus d. ἢ. glykoneus

und pherekrateus; hinter dem letzten strophenpar sind es vier phere- 88

116 Commentar.

krateen vor dem priapeus. diese form hat Euripides nicht erfunden. wir besitzen von Aischylos noch zwei lieder mit diesem refrain; das eine ist ein feierliches segenslied für Argos, oder sagen wir besser für das vater- land, nicht blofs das der Danaiden, sondern auch das der choreuten, in den Hiketiden; es sind drei strophenpare mit dem refrain, der aus zwei pherekrateen und priapeus besteht. ein strophenpar ohne den- selben folgt (630— 709). das andere ist ein danklied, das der chor des Agamemnon nach dem falle von Troia singt (367—488) ebenfalls drei strophen, derselbe refrain wie in den Hiketiden; auch hier folgt ohne refrain eine strophe (epode). dies ganze lied ist iambisch; das der Hiketiden beginnt mit einer aeolischen strophbe, in welcher dochmien auftreten, so ihre herkunft verratend, geht dann aber in iamben über, welche in der letzten strophe unvermischt sind. dieselben rhythmen und denselben übergang zeigt das vorliegende euripideische lied. wir haben es hier offenbar mit der nachbildung altgeheiligter feierlicher weisen zu tun, denn die übereinstimmung der gedichte ist eine besonders grofse, nachahmung nicht denkbar, und Euripides gibt einen directen hinweis auf religiösen gesang, wenn er sein lied ein widerspiel der apollinischen hymnen nennt. in diesen haben wir also das vorbild zu suchen. wo Apollon das αἴλενον zu singen pflegte, erfahren wir durch Aischylos, denn der hat in dem ersten liede des Agamemnon den refrain αἵλινον angewandt dr’ εὐτυχεῖ μολπᾷ. die weise jenes liedes aber stammt ἐκ τῶν κεϑαρῳδικῶν γόμων, wie wir von Aristo- phanes (Frö. 1281) hören, zu dessen zeit sie schon für etwas veraltet galt; wie wir denn auch diese rhyihmen (das κατὰ δάκευλον εἶδος), 50 häufig sie bei Aischylog gewesen sind, nur verkümmert in der späteren tra- gödie antreffen. das vorbild der drei lieder mit dem rhythmischen refrain ist natürlich nicht derseibe kitharodische nomos, aber wol auch irgend eine der alten weisen (γόμοι), von denen wir nichts als die namen kennen. wir haben uns zu denken, dafs in ihr die dreizahl der stropben herkömm- lich, versmals und melodie der schlufssätze vorgeschrieben, in den vorher- gehenden partien dem dichter freigestellt waren. dafs die vorbilder einen wirklichen refrain enthielten, ist unwahrscheinlich, da Euripides und vollends Aischylos diesen nicht vermieden haben würden. ganz undenkbar ist, dafs etwa die gemeinde den rhythmischen refrain gesungen hätte, wie man wol aus modernem sinne gedacht hat. erstens ist das nicht in der antiken weise; denn der cult kennt unsern begriff gemeinde nicht (vgl. bd. 1.2). zweitens gehört das was in dem rhythmischen refrain steht, un- löslich mit dem vorhergehenden zusammen. das euripideische lied und

Zweite gesangnummer. 117

das des Agamemnon zeigen sogar einen ganz besonders strengen ge- dankenfortschritt vom ersten bis zum letzten worte. das der Hiketiden ist anders gebaut: dort wird derselbe segenswunsch viermal in den vier strophenparen in immer neuer formulirung wiederholt: aber die worte des refrains mufs man in die strophen einbeziehen, um das lied zu verstehn. es ist also der gipfel der verkehrtheit, wenn man für die refrains, oder auch andere teile, andere sänger anzunehmen wagt als für das ganze. die mafse des refrains sind bei Aischylos und Euripides gleich gebaut. der pherekrateus hat meist die form -- -- -uu->; anlautender trochaeus bei Eur. 2. b. 375. 6, Aisch. Ag. 381, iambus hier 390. 404, A. Hik. 684, da ohne entsprechung. tribrachys Eur. 420. 22. 37. 39 respondirend, 396 ohne responsion'); Aisch. hat ihn nicht; der glykoneus ist -s-uu-u-

Die erste strophe besteht fast ausschliefslich aus denselben vers- gliedern. das schema ist folgendes

-uv-w. u=-]|---uvu-- priap. ..- -w= |v-- —- -uv- 2 glyk. ω-πω- - WW elUoo U-V- .-W-VU.o

5 -- NY Um u = --UV-uU-|-[2- vv-v- 2 Εἰ γι. =-- - WwW-U-|-I>-vuv-vu priap.

Die responsion ist eine überaus strenge, nicht nur die formen des glykoneus sind in strophe und antistrophe dieselben (im zweiten verse steht der daktylus an letzter stelle), sondern auch die indifferenten sylben stimmen fast überall überein. versschlufs ist durch die katalexe nach dem 1. 3. 4. 5. verse gesichert; nach dem 2. und 4. durch hiatus. es ist möglich 6 und 7 zu verbinden, möglich 1 2 7 in seine glieder zu zerlegen. dafs der schliefsende priapeus zu verbinden ist, zeigt die ana- logie; für die übrigen ist nichts auszumachen. doch spricht für die vor- genommene verteilung ein weiteres moment. offenbar ist nämlich inner- lich die strophe wieder, wie das ganze lied, dreigeteilt, in der weise, dafs die vier ersten und die vier letzten versglieder in sich eine einheit bilden und einander entsprechend ein fremdartiges umschliefsen, in ihnen selbst aber die verse chiastisch stehn; also dies ist die form

ar |

1) Wenn man nicht ἄν τὸ aus τάν re zu machen vorzieht; vgl. unten.

118 Commentar.

meist ist in solchen gebilden die anordnung a a b gewählt (die pindarische form, strophe strophe epode, ist das grofsartigste und bekannteste beispiel), aber auch diese ist häufig zu belegen. die einfache, a a b, in einfachster gestalt stellt sich hier in dem’ mittelstücke v. 3—5 dar. ihr a zerfällt in zwei glieder (man erkennt das in dieser versgattung, der aeolischen, an dem zusammenstols zweier hebungen oder dem vorhandensein einer indifferenten sylbe), „_.-, im aeolischen belegt z. b. in einer bei Alkaios beliebten kleinen strophe als schliefsendes glied, (form ", giykon. «Ἢ glykon. + u - u - fgm. 15, 49—51; da die glieder durch synaphie ge- bunden sind, pflegt man sie nicht abzusetzen und hält die gedichte für stichisch gebaut), und - Οὐ -._-., das zweite glied des sapphischen elf- sylblers. der schlufsvers, 5, ist der oben s. 70 besprochene enoplios, in verbindung mit aeolischen reiben aulser der dort citirten stelle des Hippolytos z. b. bei Sophokles Ὁ. T. 886, auch bei Eur. 1.T.402'). man wird endlich nicht verkennen, dafs der iambische tonfall dieser periode einigermalsen auf die iamben der folgenden stropbe vorbereitet.

In dieser vereinigen sich das aeolische und das iambische versmals, die in der ersten und dritten rein gehalten sind. der aeolische teil bildet wahrscheinlich eine periode; doch ist im texte das erste glied abgesondert, weil für dieses allein dazu die möglichkeit ist. die glieder sondern sich durch den zusammenstofs der hebungen. das erste hat die in aeolischen reihen überaus häufige gestalt - - - „. - (Maecenas alavis); das zweite ist ein glykoneus, der den daktylus an erster stelle und die zweite hebung auf- gelöst hat. die letztere freiheit ist zwar der originalen aeolischen Iyrik notwendig fremd, da diese die sylben zählt, aber doch schon in der chor- lyrik vereinzelt, im drama in immer steigender häufigkeit vorhanden. das dritte glied ist ein daktylischer heptameter, wie in dieser versgattung normal ist, rein daktylisch gehalten. daktylische reihen sind schon in der originalen aeolischen poesie zahlreich und zu allen zeiten in glykoni- schen liedern zugelassen. allerdings vermeidet Pindar so lange daktylische glieder, aber z.b. Alkman im abgesange des Partheneions und Soph. Ant. 339

1) An dieser stelle gehen iamben vorher, und es ist nicht zu bestreiten, dafs sich die feste messung - - = u— vu nicht nur als ionischer dimeter messen läfst, sondern als solcher belegbar ist (Med. 151 ff... ioniker aber wechseln mit iamben; als iambische dimeter mit anaklasis im zweiten metron lassen sich v. 3. 4. unserer strophe fassen, und mancher würde diesen teil vielleicht gern iambisch messen, da in den beiden andern strophen des liedes iamben sind. allein die verbindung von ionici a maiore, der mangel einer katalexe am ende der periode und die unzweifel- haften enoplier des liedes in der I. T., die neben dem fraglichen stehen, sprechen gegen diese construclion.

Zweite gesangnummer. 119

gehen noch weiter darin. der rest der strophe ist iambisch. die katalexe sondert zwei perioden, eine von 6, eine von 7 metra. in der zweiten ist zweimal die erste, einmal die zweite senkung unterdrückt. besonders zu bemerken Ἕβρου διεϊπέρασεν ὄχ᾽ϑων --ι μυχοὺς εἰσ᾿έβαινε ϑναϊτοῖς. also ist die senkung vor einer aufgelösten länge unterdrückt: das ist häufig genug und schliefst die erklärung dieser erscheinung aus, dafs die auf eine unterdrückte senkung folgende länge länger wäre als zwei kürzen: es sei denn, dafs sich jemand zu dem widersion versteigt, eine verlängerte kürze, die doch nicht lang wird, zu glauben.

Ganz einfach ist die dritte strophe. es sind zwei iambische perioden von 8 und 16 metra, gesondert durch die katalexe. nur im anfang hat der dichter eine retardirung des rhythmus gesucht, indem er die zweite senkung des ersten, die erste des zweiten metrons unterdrückte, wie es oft geschieht: sonst ist nur ein par mal die erste unterdrückt. durch die responsion der auflösungen, durch den satzbau, durch lautliche an- klänge (πολυπόταμον πολυδάχρυον 409. 426) ist der parallelismus bis ins kleinste durchgeführt. wie die rhythmischen perioden dieser iambischen teile des liedes immer stärker schwellen, immer majestätischer rollen, um durch den rhythmischen refrain immer wieder zurückgeworfen zu werden, das ist der rechte ausdruck für das gefühl von Herakles heldenhafter herrlichkeit die doch so jäh ihr ende gefunden haben soll. das ganze lied ist in der form von aischyleischer fülle und erhaben- heit, wie sie Euripides nicht oft anstrebt, selten erreicht, Sophokles auch nicht einmal anstrebt.

Der tod des Herakles gilt als ausgemacht; der der seinen steht un- mittelbar bevor. der chor will dem Herakles ein grablied singen, aber in der art, dafs er die taten des helden zu einem grabkranze flicht, wie Pindar das siegeslied sehr häufig mit dem kranze oder der binde des siegers vergleicht. die einzelnen taten sind die reiser des kranzes. aber durch diesen inhalt wird das grablied zum loblied, der ϑρῆνος zum ὕμνος. darin findet der chor eine analogie zu dem klagerufe allıyo», welchen Apollon (d. h. der pythische nomos, den Apollon selbst erfunden hat und singt) als epiphonema seines siegesliedes anwendet. Aristophanes von Byzanz hat mit berufung auf unsere stelle die richtige theorie aufge- stellt, dafs der αἴλενος sowol ὕμνος wie ϑρῆνος wäre (bei Athen. XIV 619°), worin ibm die späteren folgen (z. b. schol. Orest. 1390. Hesych. allıyog). er hätte sich auf Homer (3 570), wo der Alvog bei der weinlese gesungen wird, und auf Hesiod berufen können, der (in den scholien zu jener stelle) von Linos Uranias sohn berichtet, ὃν δὴ ὅσοι βροτοί εἶσιν

120 Commentar.

ἀοιδοὶ καὶ xıdagıoral πάντες μὲν ϑρηνοῦσιν ἐν εἰλαπίναις τε χοροῖς τε, ἀρχόμενοι δὲ Alvov καὶ λήγοντες καλέουσιν. d.h. auch lieder zum male und reigen beginnt und schliefst der ruf αἴλεγον, der ın diesen sehr jungen versen schon auf einen Musensohn Linog bezogen wird. solche sagen gibt es viele und schöne, aber sie sind secundär, und in Athen ignorirt man sie im 5. jahrhundert: das primäre ist der ruf αἴλινον, den man als klageruf deutete, obwol er auch in festlichen ge- sängen verwandt ward; Epicharm nannte so das lied der weberinnen (Athen. XIV 618). Euripides nennt ihn einmal den ruf barbarischer toten- klage (Or. 1395), was auch nur eine solche ausdeutung ist und kein zeugnis für die berkunft. die laute‘linon’ αἴλενον bedeuten so wenig wie “lemon’ ἰήλεμον oder ὕμήναον etwas bestimmtes, sondern ahmen naturlaute des jauchzens oder klagens nach, wie romanische und germanische volks- lieder zahlreiche ähnliche verzeichnen. erst als die entwickeltere musik mannigfaltigere töne gefunden hatte, bildeten sich einerseits aetiologische geschichten aus, welche den sinn nachlieferten, den man vermifste, und empfand man andererseits einen widerspruch darin, dafs die schwermütigen weisen auch bei freudigem anlasse ertönten. der Athener euripideischer zeit hörte die gesänge etwa dorischer winzerfeste mit ähnlichem befremden, wie der moderne culturmensch die klagenden weisen der naturvölker, die für sein ohr klagend tönen, während jene ganz vergnügt dabei sind. lieder und gebräuche, welche einen Linos als person angehen, sind also relativ Jung, oder doch der Linos ist erst spät hineingezogen (dies gilt von dem argivischen feste χυγοφόντις, das durch ein gedicht in Kallimachos Aitia, von Linos und Koroibos, bekannt ist) und natürhch kann die person Linos nirgend wirklich volkstümlich sein. das angebliche volkslied, das ihn behandeln soll (Bergk carm. pop. 2), ist nichts als die entstellung von 4 hexametern, die als solche in einer besseren redaction der Homer- scholien stehen'). diese verse mögen wol so alt sein wie die erwähnung des Hesiod; sie besagen nichts mehr, als dafs Linos der erfinder der weise “im rechten takte’ (ἐν ποδὲ δεξιτερῷ) gewesen sei und die Musen ihm klagelieder singen. ἐν ποδὲ δεξιτερῷ wird also wol das original des vorliegenden liedes gewesen sein, oder auch dieses selbst. die bedeutung des musikalischen ausdruckes ist dunkel. irgend wer hat dann den Linos als alten weisen sänger zum lehrer des Herakles gemacht; das war zuerst ganz ernsthaft. denn da Her. das ideal des dorischen mannes ist, dieser aber beim kitharisten lesen und singen lernt, so mufs das auch Her. bei jemand getan haben. ein vasenbild des Pistoxenos (um 500) zeigt den

1) Dies ist mittlerweile genauer dargelegt von Maass Herm. 23.

Zweite gesangnummer. 121

Herakles mit seinem pädagogen zur schule gehend, in der der fleifsigere bruder schon vor dem kitharisten Linos sitzt (Ann. dell’ Inst. 1871 F); Her. möchte sichtlich lieber mit dem speere spielen, den er trägt. wir erfahren die geschichte als eine ernsthafte in der litteratur erst durch spätere (Theo- krit Hoaxi. 105 und mythograplıen, bei welchen aber auch die folgende fabel eingang findet), aus älterer zeit nur die parodie, dafs der plumpe Boeoter Herakles seinem lehrer Her. den kopf mit der laute eingeschlagen hätte: das ist die erfindung des satyrspiels, und zwar wird sie mit recht auf den Linos des Achaios von Eretria zurückgeführt, der den lıals gegen Theben noch ganz anders als ein Athener aus seiner heimat mitbrachte. er hat vollen erfolg gehabt, denn nicht nur nimmt schon der sophist Alki- damas die erfindung als geschichte auf (Palamed.25), sondern sie erscheint auch schon auf einer attischen vase aus der zeit des Achaios (0. Jahn, Ber. sächs. ges. 1853 taf. 10). natürlich existirt der schwank für Eur. so wenig wie für sein publicum: die erwähnung des Linos würde hier sonst lächerlich wirken.

Einen kranz von heldentaten flicht der chor dem toten helden: elf zählt er auf, die zwölfte ist die Hadesfahrt. sie hat mit dem tode ge- endet doch als der chor so weit ist, da wird in ihm das gefühl über- mächtig, dafs es wider jedes recht und jede innere wahrscheinlichkeit ist, Herakles tot zu denken. die kinder sollen das los der vaters teilen: o nein, vielmehr er mufs sie erretten. mit directer anrede wendet sich der chor an Her. der glaube ist stärker als die wahrscheinlichkeitsrechnung (ἡ ἐλπὶς δοκεῖ τὰ ἀδόχητα 105. 92). doch das gefühl der eignen ohn- macht, des hilflosen alters läfst auch diesen glauben nicht kraft gewinnen. zwar nicht der chor, aber wol der zuschauer fordert mit seinem glauben das erscheinen des Her.: d. h. die nächste scene.

Die 12 kämpfe sind hier löwe, kentauren, hirschkuh, rosse, Kyknos, äpfel, Triton, Atlas, Amazonen, hydra, Geryones, Kerberos. der dichter hat die zahl inne gebalten, obwol er sie nicht hervorhebt. nur neun gehören dem alten kreise der 12 an, über den bd. I,5. Triton und Atlas sind zwar sehr bekannt, aber in der festen tradition, von der Eur. nicht abweicht, mit der Hesperidenfahrt verwachsen, also lediglich um der zahl willen als selbständige ausgeführt. aufserdem ist Kyknos, ein aulserhalb des Peloponnes besonders berühmter kampf, genannt. es fehlen die vögel, die zwar in der vasenmalerei des sechsten jahrhunderts vorkommen, aber immer zurückgetreten sind und von der vornehmeren poesie verschmäht werden, dann der stier und der eber, die Eur. lieber mit menschlichen gegnern vertauscht hat, da ihm der bestien übergenug

122 Commentar.

schien. der eber ist zudem sehr oft mit der Kentauromachie, allerdings der eleischen, verbunden. die neun kämpfe, welche auf dem metopen des Theseions dargestellt sind, stimmen zu den 9 cyclischen des Eur., wenn man eber und kentauren gleich setzt. die ordnung hat Eur. ge- ändert und die behandlung ganz ungleichmäßig gehalten. der löwe dient nur dazu, dem helden seine typische tracht zu geben, die zweite strophe zeigt ihn als beschützer der friedensarbeit auf den feldern, die drei folgenden erzählen je einen zug, nach Thrakien, Hesperien, Skytbien. das vorletzte ephymnion macht ganz kurz mit hydra und Geryones die zahl voll: die letzte strophe ist dem letzten zuge, dem ohne heimkehr, gewidmet. ein bruchstück der Temeniden (740) erzählt in anapaesten einen kampf, den mit der hindin, und man hat vermutet, dafs dort eine ähnliche aufzäblung der kämpfe vorkam, was aber wegen der anapaeste wenig glaublich ist und durch die nicht anzutastenden worte ἄϑλων ἕνα δεινὸν ὑποστάς ganz ausgeschlossen wird. wol aber hatte Aischylos in den Herakleiden ein ähnliches lied, wie ja auch die situation dort ähnlich war; erhalten ist ein bedeutendes bruchstück über Geryones (veröffent- licht im Greifswalder prooemium 1877 de Rhesi scholiis).

81 351 πλήχτρῳ. das e dieses stammes ist durch brechung aus a ent- standen, erscheint deshalb nur in den ionischen mundarten, und man sollte an sich in chorliedern der tragödie die alte vocalisation erwarten. sie ist jedoch auf das einzige nomen srAaya beschränkt; darin ist a häufig überliefert, sonst überwiegt das e so stark, dafs die seltenen ausnahmen (z. b. πεπλαγμένος A. Sieb. 896) zu beseitigen sind. es war also nur in πληγή die alte form dem sprachbewufstsein noch gegenwärtig. wozu kommt, dafs zAaya im drama noch in der ganzen weite des begriffes * schlag’ vorkommt, während “πληγή im leben vorwiegend im plural mit der bedeutung “prügel, schläge’ erscheint, und auch im singular nur einen einzelnen jener schläge zu bezeichnen pflegt.

884 354 der zweifel an der vaterschaft des Zeus ist durch die lästerung des Amphitryon 340 herbeigeführt. der chor meint, dafs das heroentum des Her. so grofs ist, dafs die herkunft dafür nicht ins gewicht fällt. vgl. 695. ἶνες ein verschollenes wort, das nur bei Aisch. und Eur. auftritt; woher sie es haben, steht dahin. in gebrauch erhalten war es im kyprischen dialekt (stein 40, 2 Deecke), da dieser aber am meisten mit dem home- rischen sich berührt, so ist wahrscheinlich, dafs die tragödie ἶνες aus dem epos entlehnt hat. die conjectur, welche ἦνες in dem paean des Isyllos von Epidauros hergestellt hat, kann hiernach nicht bestehen: denn die Iyrık kennt es nicht.

vers 351— 364. 128

355 Aug. ἶνιν στεφάνωμα μόχϑων ὑμνῆσαι. hier ist es sehr deutlich, %5

dafs στ. u. apposition zu ὕμνος ist, d.h. dem im verbum latenten object. grammatisch liegt also der fall ganz wie in den zu 59 erläuterten bei- ‚spielen, die erscheinung ist hier nur offenkundiger.

356 ἄγαλμα schmuck vgl. zu 49. doch spielt der begriff des νεκρῶν 356

ἀγάλματα (703) hinein. der kranz des liedes wird auf ein grab gelegt. 359 das liebliche tal von Nemea sticht noch heute stark von dem kahlen und rauhen gebirge ab, welches sich zwischen ihm und Kleonai und Argos hinzieht. in diesem wohnte der löwe und seine verwüstung scheint ur- sprünglich dem nemeischen tale, nicht dem des Inachos gegolten zu haben. Pindar Ol. 13, 44 nennt Nemea χόρτος λέοντος (vgl. zu 371). Phalaikos Anth. Pal. XIII 5 Νέμειον av λειμῶνα. der Zeustempel lag in einem cypressenhain (Pausan. II 15), und darum reden auch Pindar (Nem. 2, 9) und Simonides (13) vom ἄλσος Aıög. wie Her. dem erlegten untier λασιαύχενα βύρσαν abzieht, erzählt breit und matt ein dem Theo- krit ohne jeden anlafs und sinn beigelegtes epyllion, das man Ἡρακλῆς λεοντοφόνος zu nennen pflegt (Th. 25, 273).

ἐρημοῦν “leer machen, entblöfsen’, doch ohne jeden nebenbegriff der gewaltsamen oder der unerwünschten handlung, ist im drama gewöhnlich. so auch ἐρημία 1158. Ä

359

362 νωτέζω Phoen. 654 im sinne von σὰ νῶτα περισκχετάζω. so hier 362

das deutlichere compositum “vom rücken her bedecken’. die erscheinung des Her., welche Eur. im auge hat, ist der feste typus der archaischen kunst. Her. trägt das vliefs so um den rücken, dafs der rachen auf seinem haupte ruht, die tatzen sind vorn zusammengebunden, so dafs ein wirkliches festanliegendes kleidungsstück daraus gemacht ist, und ἀμφεκαλύφϑη zutrillt: allerdings nur, wenn es von dem ganzen vliels gesagt wird, d. ἢ. βύρσᾳ für das überlieferte πυρσῷ hergestellt wird, das überhaupt unerklärlich ist. blond ist Her. wie heroen es zu sein pflegen, weil das volk die jedesmal seltenere farbe höher schätzt.

364 Eur. versetzt hier die Kentauromachie nach Thessalien, oben 182 364

nach Elis. in der Heraklessage ist Elis älter; aber die Kentauren sind mit vielen anderen namen von orten helden göttern dorthin erst aus Thessalien importirt, nicht von den Eleern, sondern von ihren vorgängern, den Pyliern, d. h. den auswanderern aus Thessalien, die auch Minyer oder sogar Lapithen heifsen. die thessalische Kentauromachie kennt als ihre gegner die Lapithen, darunter als führer Peirithoog und (wenigstens soweit wir davon hören) Theseus; Herakles ist nur durch misverständnis oder dorischen patriotismus in sie hineingezogen.

124 Commentar,

die Kentauren werden hier wie öfter so geschildert, daf® man sie für die mythischen vertreter eines reitervolkes halten könnte und schon im altertum gehalten hat. das ist aber verkehrt. denn sie wohnen im wilden waldgebirge, Pelion und Ossa (deren nördlichste kuppe die hier zuerst erwähnte Homole ist), und ihre älteste bildung ist ganz mensch- lich, nur dafs an den menschlichen rücken ein pferdehinterteil ansetzt. die alte sage hebt an ihnen auch nicht das zerstampfen der fluren hervor, sondern wüste sinnliche gier nach wein und weibern, wie sie denn auch ihren ursprung auf solche sinnlichen verirrungen zurückführt (Pindar Pyth. 2). sie sind also in ihrem wesen “wilde waldmenschen’, identisch mit den Silenen, deren älteste körperbildung auch mensch und pferd mischt, nnd die zuerst auch als mädchenräuber auf thasischen und ver- wandten münzen erscheinen wenn das nicht wirklich Kentauren sein sollen. die alte poesie nennt auch beide direct “wilde bestien’ ϑῆρες und φῆρες (dies nur thessalisch und aus dem dialect mit der sage ge- wandert). der Kentaur Pholos ist sohn eines Silen und einer Eschen- nymphe. die etymologie ist unsicher, aber die verbindung mit xeyreiv ganz gut möglich (vgl. λάσταυρος zu λάσϑη, ya-ügog zu γά-νυμαι} die vergleichung mit den indischen Gandharven ist (von der lautlichen abweichung abgesehen) inhaltlich ebenso widersinnig wie die erklärung der Kentauren als bergströme, welche scheinbar sein würde, wenn die verwüstung der äcker, die Eur. hier schildert, nicht schon eine umbildung und ausdeutung der fabel wäre, entstanden, als das pferd in ihrem wesen VOTWOog.

8066 366 die pfeilschüsse sind für die ungeheuer nicht unmittelbar tötlich, aber die pfeile sind vergiftet, φόνεα, und so bewirken die gefiederten ge- schosse doch “eine tötliche wunde’. der ausdruck ist stark überladen, und die pointe von ἔτρωσεν ἐναίρων, wo man ἔναιρε τρώσας erwartet, ge- sucht. man pflegt deshalb ἔστρωσε zu schreiben, allein das verbum wird aulser von spätlingen nur da gebraucht, wo die metapher vom glätten der aufgewühlten meeresfläche fühlbar ist (wie Mndw» ἐστόρεσαν δίνα- μεν Pseudosimonides 90), und aufserdem wird in dieser bedeutung nur der aorist ἐστόρεσα verwandt.

861 367 das epische lehnwort ἐναίρω hat Eur. im gegensatze zu Aisch. Soph. nur noch in chorliedern zugelassen, denn der einzige dialogvers, unten 866, ist unecht. er hat auch ἐναρέζω vermieden, was jene noch haben.

800 369 al ἄρουραι τῆς Θετταλικῆς πεδιάδος καρπὸν οὐκ ἔφεδρον ὑπὸ τῶν Κενταύρων καταπατούμεναι.

81 370 ϑεράπναι" αὐλῶνες, σταϑμοί Hesych. in dieser bedeutung tritt

Tr .

vers 366—375. 125

das wort bei Eur. öfter auf, dem es spätere entlehnen. dafs es älter ist, zeigt der vordorische ortsname Θεράτεναι in Lakonien.

371 σύγχορτος braucht Eur. mehrfach für ὁμοτέρμων, darin ist das wort 371 χόρτος (hortus, cohors, garten) in seiner ursprünglichen bedeutung er- halten, denn es bedeutet zunächst das zum hause gehörige dem privat- eigentum überlassene, gegen das gemeindeland abgegrenzte ackerstück. das kann zum hofe gemacht werden (ἐν χόρτου κόπροισιν Hom. 22 640, αὐλῆς X. A 773), oder zum garten und gemüseland (hortus), oder zur weide für die haustiere: so entsteht die im griechischen gewöhnliche be- deutung “ἡ futter für’s vieh’, welche der viehische Kyklop des Eur. auf seine nahrung überträgt (507); öfter wird das derivatum xopsalw, aber immer plebejisch, von menschen gesagt.

372 ὅϑεν πεύκαισιν χέρας πληροῦντες. wenn wir sagen, dafs die 872 verba der fülle den genetiv regieren, so heifst das eigentlich, dafs die Griechen bei ihnen nicht das was man hat bezeichnen, sondern das wovon man einen teil hat; der genetiv ist partitiv. ist nun dieses ver- hältnis ausgedrückt, wie hier mit ὅϑεν, so kann der teil, durch welchen etwas voll wird, nur durch den instrumentalen dativ gegeben werden.

374 ἐδάμαζον ist mehr als bezwingen, es ist “schalten und walten wie 814 mit einem bezwungenen’, streift also ganz nahe an ὑβρέζειν. Phoen. 363 ὄψῃ δαμασϑὲν ἄστυ Θηβαῖον παρϑένους πορϑουμένας, wo noch die spielende vertauschung der verba hinzukommt. vgl. zu 883.

375 Eur. gibt bier die sage in einfachster form. die ebene von Argos 375 erleidet flurschaden durch eine hindin, welche von den bergen herab- kommt, die Argos von Arkadien scheiden. diese gehören der Artemis, welche in dem bergdorfe Οἰνώα (so Oros bei Steph. Byz. unter Oivyn und Hesych. Oivwärey, beide mit bezug auf diese stelle. bei Pausan.

11 25, 2 steht fälschlich Οἰνόη; der name kehrt als Βοενώα in Elis wieder Strab. VIII 338) einen tempel hat. ihr weiht also Her. die erschlagene jagdbeute. nur noch ein archaisches vasenbild (Gazette arch&ol. II 28) stimmt zu dieser guten durchsichtigen sagenform: auf ihm übergibt Her. das erjagte tier der Artemis. sonst ist die geschichte durch ver- kehrung des verhältnisses der Artemis und sonstige ausschmückungen fast unkenntlich gemacht. ob die hindin dem rotwild oder (wie hier) dem damwild angehört, entscheidet die sage nicht, gibt ihr aber immer ein geweih, was seit alter zeit eine streitfrage für die zoologen und gram- matiker geworden ist (Aristophanes v. Byzanz bei Aelian Tiergesch. VII 39 und sonst). das geweih ist golden: das tier kann natürlich kein gemeines

126 Commentar.

gewesen sein, und die sage hat immer etwas von seiner wunderbaren her- kunft zu berichten gewulst.

871 377 man würde von συλᾶν in einem liede συλάτειρα erwarten, wie man sich umgekehrt im dialog (E. El. 23. 268) über ποινάτωρ wundert. allerdings sind das inconsequenzen, die die dichter vermieden haben würden, wenn sie entweder ihre wörter nach grammatischen regeln ge- bildet, oder lediglich die volkssprache befolgt hätten. allein die poesie hat eine durch die jahrhunderte zwar in beständigem wechsel, aber doch in beständiger continuität überlieferte kunstsprache, und wir haben zu lernen, wie sie sich in den einzelnen fällen mit den verschiedenen ein- flüssen abgefunden haben. ποινάτωρ ist ein altes wort; szowäy ist ausgestorben: da bleibt der alte vocal. συλήτειρα ist eine neubildung: die folgt der lebendigen aussprache. ἀγρῶσται, ἐργάται, ϑηρευταί Hesych. hier gilt die erste bedeutung; hirten bedeutet es bei Sophokles fgm. 92 (wie zu vermuten, da der vers aus dem Alexandros ist) und bei dem nachahmer desselben, dem verfasser des Rhesos 266. man leitete es aber von ἀγρός ab (Herodian zu E 158) und betonte es danach. dagegen Apollonios Rhod. IV 175 setzt es für ϑηρευταί, und daher stammen die anderen glossen (z. Ὁ. Bekk. An. I 213); da'es so gefalst von ἀγρώσ- σειν kommt, so ist die betonung ἀγρωστῆς gefordert. aber die tragiker haben gegen Apollonios die rechte bedeutung der glosse gewahrt. das zeigt das femininum ἄγρωστις, das appellativisch “gras’ d. h. die pflanze welche rasen und wiesen bildet, bezeichnet. folglich hängt das wort mit ἀγρός, nicht mit ἄγρα zusammen. da ἄγρωσεις ionisch ist, wird es auch das masculinum sein. übrigens ist das σ anorganisch; ἀγρώτης ὡς ἠπειρώτης findet sich daneben Bakch. 564, ϑῆρας ἀγρώτας, ἀγρό- τειρα El. 168, femininum zu ἀγρότης, das aber schwerlich ein richtiges wort ist, sondern eher misbildung für das aeolische ἀγρέτης = αἱρέτης *jäger’, aber eine alte 218): somit wird man auch ἀγρώστης und ἀγρώ- τῆς neben einander dulden müssen.

ss2 382 Eur. erlaubt sich neben dem intransitiven natürlichen gebrauche von ϑοάζω (schnell sein), einen transitiven πόνον ϑοάζω Bakch. 65, πτέρυγας ϑοάζω I. T. 1141: so hier σῖτα γόνυσι ϑοάζω; darin ist der begriff des essens noch nicht ausgedrückt, also tritt eine adjectivische apposition zum subject, δυσεράπεζοι, dies wiederum durch den modalen dativ ἀνδροβρῶσε χαρμοναῖς erläutert, wodurch wir erfahren, dafs die blutige speise menschenfleisch ist, die tätigkeit des verbums erhält endlich ganz im allgemeinen noch einen adverbiellen zusatz ἀχάλινα, wie τρο- μερά 113, welcher durch den locativ φάτναις erweitert ist: denn dafs

vers 377389. 127

dies zu verbinden ist, zeigt die stellung und der oflenbare sinn: die pferde werden nicht wie andere mit einem halfter an die krippe ge- bunden, weil sie zu wild sind, sie stellen sich aber am futterplatz ein und bleiben da, weil ihnen das menschenfleisch so gut schmeckt. der ganze satz ist in jedem einzelnen gliede correct, aber die häufung macht ihn nicht nur schwülstig, sondern auf den ersten blick schwer über- sichtlich. τράπεζα vom futterplatz eines tieres hat Pindar, und zwar gerade auch von den rossen des Diomedes gesagt (fgm. 316 Bgk.‘). der sitz des Diomedes pflegt bei den Bistonen zu sein (auch bei Eur. Alk. 485. 1022), weil diese in der nähe von Habdera wohnen, und Habderos als ein opfer der Thrakischen rosse galt. Eur. lälst hier den Her. bis in das Hebrosgebiet ziehen, d.h. ihn das freie Thrakien, im archidamischen kriege ein mächtiges königreich, bezwingen; die Bistonen waren längst durch die berührung mit der hellenischen cultur über ihre primitive rohheit erhoben und fielen in den bereich der attischen macht, das abenteuer mufste also, wie so viele andere, weiter in die ferne gerückt werden. die ufer des Hebros heifsen “silberfliefsend’, nicht weil der fluls silberklares wasser hat, ἀργυροδίνης wie der Peneios bei Hom. B 753, sondern weil Thrakien eines der silberreichsten länder war, wo deshalb auch die prägung (z. b. in Habdera, doch auch bei den Thrakern) früh und stark geübt ward. ähnlich heifst der Tmolos χρυσόρους Bakch. 154, weil der lydische Aufs Paktolos goldsand führt, die felsen am Baetis, wo das silberreiche Tartessos liegt, ἀργυρόριζος, Stesichoros5. dafs die silber- gruben Thrakiens im gebiete des Nestos und um Krenides (das spätere Philippoi) liegen, also nicht am Hebros, macht nichts aus: Eur. denkt an den silberreichtum der Tbraker, deren hauptstrom der Hebros ist. 389 Kyknos lauerte den wanderern auf der völkerstrafse von nord nach 389 sud (von Tempe nach Thermopylae) am flusse Anauros auf (an der stelle des späteren Demetrias (Strab. 436), erschlug sie und baute seinem vater Ares von den häuptern der erschlagenen ein heiligtum, bis Herakles einmal von norden her (d. ἢ. eben auf der strafse) in das defilde kam und nach härtestem kampfe den frevier und seinen vater bezwang. es ist eines der in poesie und bildender kunst am meisten gefeierten abenteuer und wird in verschiedenster weise ausgeschmückt und mit anderen zügen des Her. verknüpft. aber nirgend bedient sich Her. der pfeile: das ist also freie erfndung des Eur., der um der debatte über den wert der schützen willen nur diese eine waffe in diesem liede her- vorhebt. dafs Her. als überwinder des Kyknos den Achilleus verdrängt hat, s. zu v. 110. andererseits ist Antaios ein in Kyrene aus dem thessa-

128 Commentar.

lischen Kyknos erst gemachter gegner (zeigt sich bei Pindar Isthm. 3, 73), der repraesentant der eingebornen, mit redendem namen (‘Gegner’), der eben so gut auch einmal freundlich vorkommt (Pind. Pyth. 9, wo eine Danaossage auf ihn übertragen wird). wie Triton und Atlas ist Antaios später aus der Kyrenaika immer weiter westlich verschoben, schliefslich bis Tanger.

das Peliongebirge liegt östlich vom Anauros, aber es ist der einzige einem jeden gleich bekannte geographische name der gegend, also ge- eignet auch die übrigen verständlich zu machen, denn der Anauros ist ein ganz geringer bach, und Amphanaia, welches Eur. als heimat des Kyknos nennt, kommt nur noclı einmal unter dem namen Jugavalor in einer küstenbeschreibung aus demosthenischer zeit (beims. g. Skylax 64) vor, wodurch wir seine lage unweit Pagasai lernen. dafs es später verschwunden ist, liegt wol daran, dafs die gründung von Demetrias (im jahre 293) viele kleine orte vernichtet hat; aber auch früher kann es um so weniger auf allgemeines verständnis gerechnet baben, als ein gleich- namiges dorf in Doris lieg. man hat die Pelionküste in die malische geändert, weil das Pelion seitab liegt und der golf in den der Anauros fliefst der malische heilst. aber das ist falsch: die gegend ist nicht malisch, sondern magnetisch. ob man die überlieferung τάν re Πηλιάδ᾽ ἀκτάν in ἄν re oder ava re ändern soll, kann man schwanken. die leichtere änderung ἄν re genügt zugleich dem versmals besser; aber die über- lieferung ist synkopirten formen der praepositionen nicht günstig, selbst in zusammengesetzten wörtern, obwol da diese nicht nur in der dichter- sprache, sondern in allen dialekten mit ausnahme des attischem nachweis- bare erscheinung sich nicht ganz vertreiben liefs. wahrscheinlich wird zu- sammenfassende betrachtung gegen unsere praxis, die im texte befolgt ist, entscheiden.

890 390 πηγαί im plural bedeutet gewässer (1287), nicht quelle. Kyknos wohnt an der küste. so bezeichnet Aisch. Pers. 311 mit πηγαῖς Νείλου yar- τονῶν die persische provinz Aegypten, nicht etwa die Nilquellen. das e ist aus a gebrochen, kommt aber in unserer tragikerüberlieferung eben so oft mit dem originalen wie mit dem attischen vocalismus vor, so dafs eine entscheidung über den wirklichen gebrauch der dichter mislich ist: dafs sie geschwankt hätten, ist nicht glaublich.

παρά mit accus. eigentlich ‘längs’. der dativ könnte eben so gut stehen und scheint uns natürlicher. aber der flufs ist eine linie, und wenn wir eine handlung an ihm localisiren wollen, so können wir uns eben so gut einen punkt dieser linie wie dieselbe als ganzes denken, indem

vers 390 -- 394, 129

der einzelne punkt unbestimmt bleibt. παρ᾽ Aawrcou ῥοάς unten 1163, παρ᾽ ὄχϑας Hel. 491, παρὰ πηγαῖς Ion 1075 u. s. w.

394 am westrande ist das meer nicht mehr fahrbar; es wohnt da der 391 “alte der tiefe’, ἅλιος γέρων im allgemeinen genannt, im speciellen Porkos = Phorkys, Nereus, Aigaion, in dieser sage fast immer Triton; doch steht ἅλιος γέρων auf dem argivischen bronzerelief aus Olympia (Ausgrab. IV 19), und diesen namen gibt Eur. Hipp. 744 mit ποντο- μέδων wieder. er wehrt den schiffern die fahrt. jenseits ist nämlich ein herrlicher garten, in welchem die quellen der ewigen seligkeit rinnen und der harım steht, auf dem die goldenen äpfel der unsterblichkeit wachsen. die Erde bat diese gaben gespendet, als Zeus und Hera hochzeit hielten: in diesem garten hat ihr brautbett gestanden. die nymphen, welche diesen garten versorgen, wie das andere “mädchen” mit jedem garten tun, sind die Hesperiden, die mädchen des westens, die seit Hesiod (Theog. 275. 518) immer als λειγύφωνοι, aoıdol u. dgl. bezeichnet werden, obwol sie in der sage von dieser gabe keinen gebrauch mehr machen'). die goldenen äpfel zu holen ist des Herakles aufgabe (ursprünglich die letzte, d.h. er erkämpft sich den eintritt unter die götter). als ihm der meer- greis den weg verwehrt, bezwingt er ihn im ringkampfe (eins der be- liebtesten bilder auf vasen des sechsten jahrhunderts, aber auch z. b. auf dem fries von Assos, also selbst in dem äufsersten aeolischen winkel bekannt: in Athen im siebenten jahrhundert in einem giebelrelief und in gewaltigen plastischen gruppen auf der burg dargestellt, die zu Eur. zeit freilich längst im schutte vergraben lagen, dem sie 1888 entstiegen sind), überwindet noch anderen widerstand, gelangt schliefslich hin, tötet den drachen, (wobei meist die Hesperiden helfen, denn Her. handelt τοῦ χρεῶν μέτα) und bricht die äpfel. der garten der götter und alles was dazu gehört, ist ursprünglich für sich ohne verbindung mit der Heraklessage als etwas dauerndes gedacht, es ist eine parallele vorstellung zu dem homerischen Olymp, dem götterberge. die Dorer gehen darin mit den Germanen, dals sie die gütter in einem garten wohnen lassen, während die Ionier und Aeoler mit den Indern gehen und an einem berge im norden fest- halten, ja die dorischen vorstellungen werden erst durch die germanischen ganz verständlich. doch zeigt eine herrliche strophe des Eur. (Hipp. 743),

1) Ursprünglich haben sie ohne zweifel dem göttlichen pare das brautlied gesungen, und da das beilager eigentlich himmel und erde vollziehen, und der be- stand der welt an der erhaltung der äpfel der unsterblichkeit hängt, so sind diese ihre wärterinnen die hüterinnen der zukunft: sie singen das lied des schicksals, in der nordischen mythologie ist auch dieser zug weiter ausgebildet.

v. Wilamowltz IT. 9

180 CGommentar.

dafs er die sage zu würdigen wulste. gemeiniglich erscheint sie aber nur noch in verbindung mit der Heraklesfahrt, deren älteste zusammen- hängende schilderung, von Pherekydes, man aus den mythographen (Pseu- doeratosthenes, Pseudoapollodor, Servius zu Aen. IV 484 u. a.) namentlich aber den scholien zu Apollonios Rhod. herstellen kann. doch sind da schon, wie auch hier, fremde bestandteile zugetreten. die Peloponnesier (aber die vordorische bevölkerung) dachten sich nämlich, dafs ein Titan, der 'träger’ (“Ἄτλας oder Τάνταλος, das ist dasselbe) genannt, dazu ver- dammt wäre den himmel zu tragen, der dann etwa als ein zeltdach über der erde zu denken ist. dieser Atlas ist zugleich der ahnherr der peloponnesischen völker') durch seine sieben töchter, und ward wol im peloponnesischen hochgebirge stehend gedacht (seine tochter Maia wohnt im innern der Kyliene und der drache, der die äpfel bewacht, hat den namen von dem flusse Ladon, in dem sich die nordarkadischen gewässer sammeln), jedenfalls nicht im äufsersten westen. dahin rückte er erst unter dem einfluls der dorischen vorstellungen. wenn die Dorer den Atlantiden als herren gegenübertraten, so hatte ihr Herakles auch dem Atlas es gleichgetan und auf seinem stiernacken den himmel gehalten. zeitlich war für dies abenteuer der zug nach dem westen von selbst gegeben, und eben so natürlich wurden die hesperischen nymphen (die mädchen des westens) zu Atlantiden®). dals Atlas zu einem blofsen grenzwächter für die säulen wird, die grenzsteine zwischen himmel und

1) Auch Τάνταλος als vater des Πέλοψ bedeutet nichts anderes: πόλον ist volks- name für die bewohner der Πελόπων vnaos.

2) Hesiod selbst (theog. 215) nennt sie kinder der Nacht. das erfindet er nicht, wie er es mit den andern kindern derselben getan hat, die denn auch lauter abstracta sind, und so entsteht der scheinbare widerspruch, dafs die Hesperiden, die doch nicht böse sind, zwischen lauter übeln stehen. Hesiod befolgt hier die tradition, denn es ist einleuchtend, dafs die in der obigen anm. bezeichneten wesen ewig, also kinder der Nacht sein müssen. dieselbe abstammung gab das hesiodische gedicht, aus dem fgm. 251 stammt und wol viel in der geschichte des Pherekydes. durch verwechselung mit Graen und Gorgonen werden Phorkys und Keto eltern der Hes- periden (schol. Apoll. Rhod. IV 1399, quelle fehlt). Pherekydes selbst wufste sich die sängerinnen des schicksals, die gleichzeitig blofse meer- oder gartennymphen sein sollten, nicht mehr vorzustellen, und so stellte er ihnen als seherinnen νύμφαι dsös καὶ Θέμεδος zur seite (Apollod. 11 5 11), die durch ein misverständnis dann wieder mit den Hesperiden identificirt sind (schol. Eur. Hipp. 742), von denen sie erst dif- ferenziirt waren. andere umarbeitungen der hesiodischen theogonie, wie die des Akusilaos und die auf den namen des Epimenides verfertigte, wollten die töchter der Nacht zu bösen dämonen machen nnd identificirten sie deshalb mit den Harpyien, Philodem de relig. p. 43 Gomp.

vers 394. 131

erde, ist ein eben so kläglicher rationalismus, wie seine umdeutung in ein gebirge (obwol in beiden ein stück richtiger auffassung liegt), und nur der zufällige umstand, dafs das schlechte gedicht, in dem die erste misbildung vorgetragen ist, zur Odyssee gehört 52), hat sie geadelt und Aischylos Prom. 430 und Euripides Hipp. 746 gezwungen sich mit ihr abzufinden. dafs dagegen Euripides den Atlas für einen berg erklärt hätte, wie Philochoros behauptet hat (auf den Eusebius in den Kanones zu Abr. 378 zurückgeht), ist eine falsche ausdeutung eben der stelle des Hippolytos.

als die Hellenen über das meer nach westen fuhren, trat ihnen die möglichkeit nahe, den göttergarten zu suchen, woran die Dorer in den schluchten der nördlichen Balkanhalbinsel nicht gedacht hatten. so entstand die erste localisirung des Atlas und der Hesperiden und des Triton im innern der grofsen Syrte'), wo die gefahren der seefahrt, die untiefen des meeres, die wüstheit der küsten das walten des schiffahrt wehrenden meergreises bestätigten. das ist spätestens im achten jahr- hundert geschehen, und der Triton ist daselbst verblieben, noch jenseits der stadt, die man aus diesem glauben heraus Ἑσπερίς nannte. ganz verdrängt ist diese vorstellung überhaupt nie; sie wirkt in der liby- schen geographie des Herodotos nach, und wir besitzen noch in Apol- lonios Argonautika eine poetische darstellung, welche durchaus auf diesem boden steht. auch hat der Herakleszzug zu den Hesperiden immer die spuren davon bewahrt. wenn Her. in dem vorliegenden liede in die schlüfte des meeres steigt und ruhige fahrt für die ruderschiffe der menschen erwirkt, so hat die Syrte eben so diese vorstellungen erzeugt wie in den gleich anzuführenden pindarischen stellen. die er- öffnung des westens durch die hesiedelung Siciliens verschob aber not- wendig wenigstens für die bewohner dieser pflanzstädte den begriff des äulsersten westens, und die nunmehr westlichste stadt Himera brachte in Stesichoros (um 600 oder später) einen dichter hervor, der den neuen anschauungen das übergewicht zu verschaffen im stande war. wie der Geryoneszug nun nach Iberien gieng, so rückte der Atlas an die stelle, welche er seitdem behauptet, und wenn auch nicht der garten der götter, so haben doch die (in ältester urzeit mit ihm identischen) inseln der

1) Es gibt eine spur davon, dafs noch früher Atlas an die westküste des Pelo- ponnes gerückt ward. denn Maia soll den Hermes in Pylos geboren haben, und die Hermesgrotte ist dort geblieben. überhaupt ist der westrand ihrer insel den Peloponnesiern lange das ende der welt gewesen, wo die Hadespforte, Πύλος, lag, und die rinder des Helios, dessen haus im westen steht, oder auch des Hades grasen.

9%

182 Commentar.

seligen ebenfalls ihren platz dort im westen bewahrt, vor allem aber war der Okeanos erreicht, d. h. die physikalische theorie Ioniens, dafs die erde eine auf dem weltstrom schwimmende insel sei, bestätigt. so gewann das “ende der schiffahrt” und “das ende der welt’ eine ganz neue be- deutung. Triton, der zu fest localisirt war, ward fallen gelassen (wie der ehemals so beliebte stoff denn auch der bildenden kunst und poesie sehr rasch im laufe des 5. jahrhunderts entschwindet), seine rolle im Herakles- abenteuer Nereus zugewiesen, und die säulen, welche dem menschlichen unternehmungsgeist das “bis hierher und nicht weiter’ zurufen, eigent- lich aber die säulen sind, die in der Odyssee Atlas, oder bei Hesiodos Aigaion (schol. Pind. Nem. 3, 38) bewacht, wurden ein werk des Herakles. Pindar Isthm. 4, 52 γαίας ze πάσας καὶ βαϑυχρήμνου πολιᾶς ἅλος ἐξευρὼν ϑέναρ ναυτιλίαισι τε πορϑμὸν ἁμερώσας (nämlich Herakles), Nem. 3, 20 oux&rı πόρσω ἀβάταν ἅλα κιόνων ὕπερ Ἡρακλέος περᾶν εὐμαρές, ἥρως ϑεὸς ἃς ἔϑηκχε ναυτιλίας ἐσχάτας μάρτυρας κλυτάς" δάμασε τὸ ϑῆρας ἐν πελάγεϊ ὑπερόχους, διά τ᾽ ἐρεύνασε τεναγέων ῥοάς" ὅὁπᾶ πόμπιμον κατέβαινε νόστου τέλος καὶ γᾶν φράδασσε. die spätere zeit hat die säulen zwar oft erwähnt, erwähnt wol auch die wanderung durch die untiefen der Syrte (Seneca Herc. 319), aber sie hat das rechte verständnis und damit das rechte interesse verloren. denn der hellenische geist liefs sich auch durch die schrecken des Okeanos nicht bannen, Herakles aber ward durch die philosophen aus dem ideal der dorischen manneskraft zu dem der menschenkraft: so verkehrt sich seine hesperische tat in ihr gerades gegenteil (wozu stellen wie die pin- darischen anhalt boten): Her. bricht die strafse von Gibraltar und eröffnet der schiffahrt das weltmeer, so z. b. Seneca H. O. 1240, Diodor IV 18 (bier ist gerade dies ein zusatz Diodors zu seiner vorlage: aus einem speculativen geographen, Timaios oder Poseidonios. die übereinstimmung mit den Römern spricht für letzteren). Pompon. Mela 15, Plin. N. H. III 4 u. s. w. man mufs diese entwickelung übersehen, um die euripideische strophe verstehen zu können, in welcher sonst die befriedung des meeres zwischen der tötung des drachen und dem Atlasabenteuer ganz unklar ist, wie denn auch Eur. eben so wie Pindar einen überlieferten zusammenhang von geschichten festhält, der für die dichter selbst als ein ganz äufser- licher erscheinen mulste. 396 396 μῆλον das schaf hat ursprüngliches 6, μῆλον der apfel ist aus μᾶλον gebrochen, trotzdem steht hier und Hipp. 742 der ionische vocalismus. und auch die landschaft MaAlg, die von den äpfeln heilst, nenut die

vers 394—408. 188

tragödie MniAls. die von ihrer form MäAog genannte insel, die den apfel im wappen hat, kommt nicht vor.

398 ἕλικα: κύκλον Hesych. κύκλος hat in der attischen gelehrtensprache 398

das ältere ionische wort ersetzt: nur für die windungen der gedärme ist es erhalten, weil die medicin vorwiegend ionisch blieb. die astronomie hat es schon bei Aristoteles fast durchgehends durch κύκλος ersetzt. aber in dem collegienheft über Eudoxos astronomie aus den jahren 193—190 v. Chr., das wir besitzen, heifst der χύκλος ζῳδίων noch ein par mal ἕλιξ. so aus alter quelle noch Aetius (Stob. I 211 Wachsm.) ebenso ist es in der mathematik (für jede gewundene linie) und architektur (für die volute) und in der mechanik (für die schraube) technisch verwandt. der accusativ wird durch das in dem adjectiv ἀμφέλεκτος enthaltene verbum bedingt, ebenso 408 ἱππευτὰν σερατὸν ἀμφὶ αιῶτιν λίμναν die praeposition durch das im nomen verbale ἔππευτάς empfundene verbum, und so oft. späte sprache kann nicht einmal mehr in figura etymologica ἕλεκα ἐλέττεσϑαι sagen, sondern braucht selbst da eine prae- position, z. b. εἰς Galen 11 578.

das durch das participium aoristi χεαναν bezeichnete zeitverhältnis be- zieht sich auf die in dem partic. futuri ἀμέρξων, nicht die in dem haupt- verbum ἤλυϑεν bezeichnete handlung.:

401 das impf. εἰσέβαινε zeigt, dals die befriedung des meeres ge- 401

legentlich der im aorist erzählten fahrt nach dem hofe des westens eintrat und erzählt wird. stünde der aorist, so würden wir dies aben- teuer als ein späteres verstehen; es gieng aber dem Hesperidenabenteuer voran. das Atlasabenteuer folgte: da steht ἐλαύνδι.

406 die gotteshäuser sind ἀσερωποί, weil sie im sinne des dichters der 406

himmel selbst sind, dieselbe vermischung, welche den berg Olympos zu einem namen für den himmel gemacht hat.

εὐανορίᾳ durch menschenkraft, ἀνήρ wird in voller stärke empfunden, weil ϑεὼν daneben steht. 408 der Amazonenzug erscheint hier wie meistens in poesie und bildender kunst als eine expedition vieler heroen, ähnlich dem Argonautenzuge. er ist dazu geworden, weil die Aegineten ihren helden Telamon daran be- teiligen wollten, vgl. Pindar Nem. 3, 38, wo das scholion Hesiodverse an- führt, fgm. 172. und die ältere Theseussage hatte niemals von einem einzelzuge erzählt. dafs die Amazonen Skythinnen sind und am nord- ufer des Pontos wolınen, ist die im attischen glauben des 5. jalırh. feststehende ansicht; dem entspricht ihre charakteristik als reitervolk. uns ist es geläufiger sie in Kappadokien am Thermodon zu denken; das

409

411

184 Commentar.

beruht auf der kleinasiatischen sage, die im epos und dann wieder nach den Alexanderzügen geltung hat. sie ist der niederschlag historischer erinnerungen an die einfälle skythischer (d. h. iranischer, früher auch turanischer völker), von denen nur die spätesten als solche im geschicht- lichen gedächtnis der menschen geblieben sind. als die seefahrenden Aegi- neten und Athener dann völker, auf welche der Amazonencharakter zutraf, nur noch am nordufer des Pontos fanden, wechselte natürlich auch der sitz ihrer vertreter in der sage. speciell schildert das ἱππάζεσϑαε der weiber und sonstige Amazoneneigenschaften, wie das ausbrennen der rechten brust, Hippokrates (sr. ἀέρ. ὑδ. τόπο. 24) von den Iaveo- μάται, die περὲ τὴν λίμνην τὴν Παιώῶτεν wohnen.

ἱππευτὰς στρατός reitervolk. das seltene wort erscheint wieder von einem reitervolke, den Libyern, bei Pindar Pyth. 9, 123. die Hellenen waren das nicht, höchstens ἱππῆς, wie schon die epischen helden heifsen, die nur zu wagen fahren. und die landschaftlichen verhältnisse haben überall höchstens einen berittenen adel aufkommen lassen.

ἔβα στρατόν ein recht bezeichnendes beispiel für die schrankenlose kühnheit, mit welcher die dichtersprache jedes ziel einem verbum der bewegung im acc. beigeben kann.

409 πολυπόταμος ist das charakteristische für das ganze Skythenland, nicht blofs die Maeotis, welche übrigens in der vorstellung der Hellenen für ziemlich so grofs als der Euxeinos galt.

Εὔξεινον olöua λίμνας. wenn ein nomen von einem andern abhängt, so pflegt dieses einen adjectivischen zusatz eher als das im genetiv stehende anzunehmen, auch wenn der zusatz eigentlich dem genetiv zukommt. das grammatisch bequemere und nähere überwiegt vor dem logischen ver- hältnis, vgl. zu zaua πεδέα γῆς 467.

411 ἁλίζω mit langem a hat Eur. noch Heraklid. 403; sonst fehlt es dem drama und auch bei Pindar. dagegen hat Herodot ἁλέη == σύλλογος, Empedokles 150 ἀλεσϑείς Ξε ἀολλισϑείς, Hippokrates rz. φυσῶν 8 öxöray δὲ ξυναλισϑῇ ἀϑροισϑὲν τὸ πλεῖστον τοῦ αἵματος, und kurz vorher ist gar das epische ἑαλῃ überliefert. bei Hesiod hat sichere emendation ἁλέας hergestellt, das spondeisch zu lesen ist (fgm. 141). Kallimachos (figm. 89) hat ἁλέες im sinne von ἄϑροι. wie schon die alten richtig ver- standen haben, ist dies aus ἀολλέες (ἀξολεέες) contrahirt; dafs das wort dem ionischen sprachgebiet angehört, zeigt sich auch darin, dafs Kalli- machos es in choliamben braucht. alla == ἐχκλησία, ἁλίέασμα == ypr- φισμα begegnet auf dorischem sprachgebiet (in korinthischen pflanzstädten, auf Sicilien, in Argos u. d.), aber die quantität des a ist unbekannt, und

vers 409---419. 185

die ableitung unmittelbar von Falıg ebenso gut möglich. ἡλέαια hat nichts damit zu tun; das wort ist nur attisch, hat kein festes heta, und ein unreines a wird niemals zu e gebrochen; es kommt von Helios und hat zuerst ein bestimmtes local bezeichnet. aber die irrtümer sind alt, und ἁλεαία für ἀλέα, z. b. in Mykenai Ἐφ. ἀρχ. 87, 156, ist eine misch- bildung. 412 das wort φάρος war aus dem lebendigen gebrauche verschwunden, 412 die dichter verwenden es also für jedes kleidungsstück, Sophokles Tr. 916 für bettdecken, Eur. hier für den leibgurt. dieser ist ein wesentlicher teil der bewaffnung, da er den unterleib deckt, wo der panzer nicht mehr hinreicht (Aristarch Lebrs? 121). er gehört der heroischen bewaff- nung an; Alkaios hat noch in seiner rüstkammer ζώμματα πόλλα (65); später kommt er ab. zur erböhung des schutzes ist er mit metall be- setzt, wenn er kostbar sein soll, also mit gold, χρυσεόστολος. --- ähnlich sagt Iolaos Herakl. 215 φημέ ποτε σύμπλους γενέσϑαι ζωστῆρα τὸν πολυκτόνον μέτα Θησεῖ. 415 ἄγρας accusativ als apposition des im ganzen satze befindlichen 415 tätigkeitsobjects, vgl. zu 59. 417 dem verse ist zu entnehmen, dafs das beutestück jm tempel der 47 Hera zwischen Argos und Mykenai gezeigt ward. das wird dadurch be- stätigt, dafs der gürtel für Admeta, die tochter des Eurystheus und priesterin der Hera, geholt werden sollte (Apollod. bibl. II, 5, 3). der tempel brannte 423 vollständig ab. doch ist das als chronologisches moment für die abfassungszeit des dramas unverwendbar: solche reliquien sind unver- gänglich. 419 die häupterzahl schwankt für die Hydra wie für den Kerberos, sowol 419 in der poesie wie in der bildenden kunst, weil nur die vielheit wesentlich ist. diese sage hat von alters her so feste gestalt, dafs eine andeutung wie 2ferrupwos genügt, sie im detail zu veranschaulichen.

πολύφονον κύνα Adovag ist apposition zu μυρεόκρανον ὕδραν. Lerna ist persönlich zu verstehen, die orisnymphe, deren verhalste dienerin die schlange ist. der“hund’ bezeichnet zunächst nur den diener und erfordert dann den zusatz des herren; so nennt Aisch. die greife und die adler κύνες Διός, Pindar den Pan κύων Ῥέας (fgm. 96), Pythagoras die planeten Deg- σεφόνας (des mondes) κύνες, Aristoteles fgm. 196. die Erinyen, welche den Orestes verfolgen, sind die κύνες μητρός (A. Choeph. 1054), oder im allgemeinen Κωκυτοῦ κύνες (Aristoph. Frösch. 472). das ist ursprüng- lich ganz edel gedacht, wie sich denn Klytaimnestra bei Aisch. wegen ihrer treue und wachsamkeit mit einem haushunde vergleicht (391), ebenso

186 Commentar.

bei Aristophanes Kleon gegenüber dem Demos seinem herren, Ritt. 1023. aber es mischten sich doch sehr bald auch andere charakterzüge des hundes ein, wie denn die meute der Erinyen ganz das wesen der blut- hunde annimmt, und dafs Aristophanes ähnlich dachte, zeigt der hunde- procefs der Wespen. so erscheint bei Soph. und Eur. das bild nur noch für eiwas verhafstes.. damit schwindet die nötigung das herrenver- bältnis auszudrücken. von der Sphinx sagte Aischylos, dafs sie irgend ein gott sendete δυσαμεριᾶὰν πρύτανιν κύνα, Sophokles nennt sie ohne weiteres ῥαψῳδὸς κύων (0. T. 391), und so heilst die hier “έρνας κύων genannte hydra unten 1274 ἀμφέκρανος καὶ παλειμβλαστὴς κύων. Kallimachos (an Delos 228) hat in überaus feiner weise die Iris als χύων Ἥρης geschildert, indem er statt der alten derben symbolik ein aus- geführtes gleichnis gesetzt hat.

44 424 dals Geryones mit pfeilen getötet wird, ist zwar der ältesten er- scheinung des Her. gemäls und findet sich in den zahlreichen darstel- lungen des abenteuers auch noch in späterer zeit. allein es ist unge- gewöhnlich, weil man sich Geryones völlig gewappnet zu denken gewöhnt hatte. Eur. bevorzugt die pfeile aus demselben grunde wie bei Kyknos 391.

425 425 die correlate satzverbindung δρόμους τ᾽ ἄλλους διῆλϑε καὶ εἰς “Aıdov ἔπλευσεν ist wider unsere art zu denken; es ist ein beispiel für die im griechischen überaus häufige art ein glied dadurch besonders hervorzuheben, dafs man in einem mit ze vorgeschobenen satze aussagt, es gebe noch vieles andere, was man nur übergelie. man täuscht sich, wenn man in solchen fällen bei dem redenden den gedanken an irgend etwas bestimmtes, was er weglassen wollte, voraussetzt, und wenn das hier auch an sich zutrifft, so ist doch eben das dutzend voll und konnte schicklicherweise nichts mehr folgen. aber namentlich bei den rednern ist die praeteritio nichts als eine form der bervorhebung, und in ἄλλως τὸ καὶ τἄλλα καὶ u. dgl. fragt niemand, was denn das andere sein sollte oder könnte. vgl. 1275. es ist also ganz verkehrt hinter διῆλϑε stark zu interpungiren.

δρόμων ἀγάλματα εὐτυχῆ διῆλϑε d.h. διῆλϑε τοὺς δρόμους εὐτυ- χῶς ὥστε ἀγάλματα γενέσϑαι. ἀγάλματα 48. 355. διελϑεῖν bis ans gewollte ende gelangen, attisch, schon Solon 36, 15 ταῦτα διῆλθον ὡς ὑπεσχόμην.

428 426 von δάχρυ bildet man richtig ἄδαχρυς πολύδαχρυς U. a. von δακρύω ebenso richtig πολυδάχρυτος ἀδάχρυτος, in diesen wörtern ist das v natürlich lang. beide bildungen kennt sowol Homer wie die tragiker. πολυδάκρυος ist zwar keine falsche bildung, weil δάκρυον

vers 424—430. 137

besteht, aber eine secundäre und um ihrer überflüssigkeit willen nicht gerade wahrscheinlich. es stammt vermutlich aus einem alten fehler des homerischen textes. P192 haben die meisten handschriften μάχης sroAv- δακρύτου, die beste sroAvdaxpvov; so hat schon Zenodot gelesen, da Apollonios Rhod. 11 916 πολυδάκρυον hat. und als zeuge für dieselbe form könnte Tyrtaios 11,7 mafsgebend sein, wenn sich nicht das schwanken der überlieferung zwischen πολυδακρύτου und πολυδακρύου wieder- holte. so bleibt diese stelle bei Eur. hier ist nun πολυδάκρυτον über- liefert und fehlt die notwendige copula, die freilich mit unbedingter sicher- heit zu ergänzen ist. es ist aber wahrscheinlicher, dafs ein schreiber auf grund der falschen lesung bei Homer πολυδάκρυτος hineingebracht hat, als dafs Eur. das wort auf grund jenes fehlers einmal mit falscher messung gebraucht hätte (beispiele dafür gibt es sonst auch im drama). dann ist das πεολυδαχρύτου der handschrift nur ein beleg für den spä- teren Homertext, Euripides selbst aber ein zeuge für den älteren fehler zıoAvdaxevov. denn dafs der dichter des P ohne jede veranlassung von dem correcten und gebräuchlichen genetiv roAvdaxevog abgewichen wäre, ist nicht zu glauben, dieser also bei Homer von Bentley hergestellt, bei Tyrtaios herzustellen. aber der tragödie ist auch adaxgvog neben ἄδακρυς zuzugestehen.

427 πόνων τελευτᾶν nicht zu Aıöng apposition, sondern zur action des 427 verbums vgl. zu 59. denn die πόνοι sind die arbeiten des Her. deren letzte die Hadesfahrt war; in diesem zusammenhange würde der tod ganz verkehrt im allgemeinen als ende der menschlichen mühen bezeichnet. 431 Charon mit seinem schiffe ist im 5. jahrhundert populär, aber nicht 431 eher als in der orphischen poesie des sechsten nachzuweisen, insbesondere kennt die echte Heraklessage ihn so wenig wie die Nekyia der Odyssee. der bericht bei Servius zu Aen. 6, 392 geht nicht auf die alten Orphica, sondern auf den Orpheus des Lucanus. in der ältesten gestalt des Charon sind ganz wie in der des Thanatos die burlesken züge vorwiegend. dann wird er immer mehr geadelt, bis er in dem neugriechischen glauben die rolle des todesgottes selbst übernimmt.

430 τὰν δ᾽ ἀνόστιμον βίου χέλευϑον. der artikel steht eben so wie 430 das adjectiv ἀνόστιμος (vgl. zu 1102) anknüpfend, “und eben diesen weg, von dem du wie alle menschen nicht zurückgekehrt bist’. der weg heifst kühn ἄδικος ἄϑεος nicht im allgemeinen, wie er ἀνόστιμος ist, SOn- dern weil sie ihn wider gott und recht gehen. der verschiedenen be- ziehung der attribute entspricht ihre verschiedene stellung im satze. aus dieser erwägung, wie unverdient das schicksal der kinder ist, geht

138 Commentar.,

das gefühl hervor, dafs Her. rettende hände, wenn es noch götter und recht gibt, eingreifen müssen. aber ebenso knüpft an oseyas ἔρημοι φέλων das bekenntnis der eigenen ohnmacht an.

453 438 der Grieche hört in σύνηβος nur aequalis, nicht die ἥβη, aber es

44

©

ist natürlich, dafs die genossen auch die verjüngung teilen. so ersetzt das wort die aufnalıme des bedingungssatzes 436. denn wie die correspon- direnden re re zeigen, ist zu verbinden und zu verstehen, εἰ γὰρ ἐγὼ ἥβων, καὶ αὐτὸς ἄν ἡμυνόμην τοῖς παισὶ χαὶ ol ἡλικιῶται οἱ ἐμοί, ὁμοίως νέοι ὄντες, προστάται αὐτῶν ἂν ἐγίγνοντο. προπαρέσταν ist also dritte person plur. solche epischen formen sind zwar selten im drama, aber es steht 2. b. ἔσταν noch Phoen. 1246, ἔβαν unten 662 und A. Pers. 18, von passiven aoristen ἔχρυφϑεν Hipp. 1247, κατένασϑεν gar bei Aristophanes Wesp. 862, allerdings in anapaesten, die sich oft zu tragischer höhe erheben.

über αἰχμὴ für πόλεμος vgl. 158; hier ist die zusammenstellung mit dem sinnlich gebrauchten δόρυ schwülstig. Troad. 346 οὐχ ὑπ᾽ αἰχμᾶς οὐδ᾽ ὑπ᾽ Aeyelov δορός und gar Hekab. 101 λόγχης αἰχμῇ dogı- ϑήρατος πρὸς ᾿Αχαιῶν, paraphrase von αἰχμάλωτος. 440 εὐδαέμων ist im 5. jahrhundert in seiner echten bedeutung noch lebendig, während xaxodaluwr so sehr der gemeinen rede verfallen ist, dafs es nur einmal in einer stelle, wo auch sonst vulgarismen wilden schmerz charakterisiren (Eur. Hipp. 1362) vom drama gewagt ist. εὐδαέ- μων ist also ἀγαθοῦ δαίμονος τυγχάνων oder τοῦ δαίμονος ἀγαϑοῦ τυγχάνων (Ar. Ritt. 111 τοῦ δαίμονος --- τεύξομαι κακοδαέμονος) und bestimmt sich in seiner jedesmaligen bedeutung nach dem δαέμων, der gemeint ist. wol ist es meist nichts als ὄλβιος, bezeichnet den zustand ὅταν δαίμων ev διδῷ (1338), und in solchem falle ist δαέμων von τύχῃ nicht sehr verschieden. gleichwol bleibt ein gradunterschied, denn die εὐχη kommt von zuyxarsıy und wird also von der philosophie dem αὐτόματον gesellt. auch in εὐτυχέα hört man das ‘treflen’, das suyyaveır, Plat. Euthyd. 279. dagegen ist die eudauuoria das τέλος der philosophie wie der staatskunst, vgl. Aristoteles polit, H 1828). Sophokles läfst εὐδαίμονες sein, οἷσι χαχῶν ἄγευστος αἰών (Ant. 582), was keinem sterblichen zu teil wird; Eur. gesteht dem menschen die εὐτυχία zu, die δὐδαιμονίέα nicht (Med. 1229). die εὐδαεμονέα ist ein inneres glück, weil der dämon ein geist ist: οὐκ ἐν βοσκήμασιν οἶκεῖ οὐδ᾽ ἐν χρυσῷ" ψυχὴ οἰκητήριον δαίμονος sagt Demokritos (Stob. 60]. 1 7, 3 ἢ. der dämon aber ist nur dem gnädig, der zu ihm im rechten verhältnis steht. τοῦ δαίμονος ἀγαϑοῦ τυγχάνει ev πρὸς τὸν δαίμονα διακείμενος.

vers 438---444. 189

so wird εὐδαέμων der unterscheidende vorzug von Hellas gegenüber den barbaren (Eur. I. T. 1482), Athens gegenüber der übrigen welt ([. T. 1088, Tr. 209). den eindruck, den der sterbende Sokrates macht, schildert Platon Phaed. 58° εὐδαίμων ἀνὴρ ἐφαίνετο --- μηδ᾽ εἰς ἄδου ἰόντα ἄνευ ϑείας μοίρας ἰέναι: er besals die εὐδαεμονέα, und sie zeigte sich am klarsten im unglücklichsten augenblicke seines lebens. dagegen war der fehl- schufs des Kroisos, dafs er die εὐευχέα mit der εὐδαεμονέα verwechselte. keine sprache kann das wort nachahmen:: sie sind eben alle höchstens surv- χεῖς, nur die attische ist εὐδαέμων. die ganze tiefe der sittlichkeit, welche die volksseele schon in den ahnungsvollen zeiten durchdrang, welche die sprache bildeten, liegt in dem worte, das zugleich lehrt, wie die Sokratik nichts ist als die entfaltung einer blüte, zu der der keim zugleich mit dem hellenischen volke entstanden ist. denn es liegt in εὐδαέμων die einfachste und doch tiefste lösung des weltenrätsels, dafs der mensch nur so weit glücklich ist, als er gut ist, freilich auch dafs dies glück nicht erworben wird, sondern vom dämon kommt: es ist das glück, welches Schiller in seinem wundervollen gedichte geschildert hat. dadurch kann man sich von dem werte des wortes überzeugen, dals man versucht es mit εὐτυχής zu vertauschen; so würde 425 δρόμων ἀγάλματα εὐδαέ- μονα διῆλϑε sinnlos, hier τᾶς εὐτυχοῦς ἥβας lächerlich sein. & sudal- μων Ἶβα bedeutet “das hüchste gut, die jugend’, jene ἦβα, welche Her. im himmel als lohn für sein mühevolles leben erhalten hat. das beiwort hat so starken ton, dals es noch in der seele des hörers nachklingt, als nach einer langen scene der chor mit dem fluche wider das alter sein lied anhebt.

Dritter auftritt, 441836.

Der chorführer bricht den gesang ab, weil die opfer aus dem schlosse zurückkehren. 441 ἀλλὰ γάρ wie 138. die kinder sind mit festlichen gewändern und 441 namentlich mit wollbinden im hare so geschmückt, wie die toten bei der feierlichen ausstellung, πρόϑεσις, von welcher viele vasengemälde, nament- lich λήκυϑοι, uns eine vorstellung geben. die erwachsenen haben auf eigenen schmuck verzichtet. 444 Herakles war einst grols (μέγας δήποτε wie Hik. 1131 εὐδοκέμων 444 δή nor’ ἐν Muxnvaıs), jetzt ist seine grölse vorbei: er kann seinen kindern nicht helfen. und die kinder sind παῖδες τὸ πρὶν Ἡρακλέους, sie haben keinen vater mehr, auch dieses verhältnis ist inhaltsleer ge- worden. sie sind “des einstmals grofsen Herakles weiland kinder’. der

140 Commentar.

chor kann sich in seinem verzweiflungsvollen schmerze nicht genug tun mit bezeichnungen des zustandes, wo es mit allem vorbei ist, was Herakles war und was er besals.

445 445 ὑπὸ ποσὶν sind die kinder, wie man in stehender formel sagt, dafs die rosse ὑφ᾽ ἅρμασιν sind, “unten an’. die wendung kam Eur. wol, weil er ein ähnliches bild wählte, obwol die kinder nicht ziehen, sondern gezogen werden. Megaras fülse sind für die kinder σεδέραιοι, weil sie mit den eignen nicht vorwärts kommen. denn wenn die jochpferde nicht genügen, so spannt man ein leinpferd, σεέραιος, daneben. 80 tut es Patroklos, II 152. Orest. 1016 kommt Pylades und stützt den kranken Orestes, ἰϑύνων νοσερὸν κῶλον Ὀρέστου ποδὶ κηδοσύνῳ παράσεερος.

47 447 πατέρα hängt natürlich von δρῶ ab, nicht von ξἕλχουσαν.

450 450 δαχρύων γραίας ὄσσων πηγάς: ein ganz Correcter, wenn auch ab- sonderlicher ausdruck, zunächst ist nicht die träne grau, sondern das auge das sie weint, ist das eines greises. das epitheton ist von dem accusativ attrahirt, vgl. zu 468; hier war das besonders nötig um die häufung von genetiven zu vermeiden. der doppelte genetiv aber steht, weil ὄσσων zunyal zu einem begrilfe, ähnlich wie in unsern compositis, verwachsen ist “augenwasser der tränen’. vgl. zu 170.

Mekaras ab-451 496. M. kommt gefalst und mit sich fertig heraus und erwartet den tod sofort. da Lykos nicht da ist, kann sie ihre empfindung noch einmal Aufsern. “so geht es zu ende, meine kinder. ich habe euch ge- boren und erzogen in der frohesten zuversicht und hoffnung, und nun ist das alles anders. wir müssen elend sterben. lebet wol’. so würde die rede verlaufen, wenn sie so ausgeführt wäre, wie zuerst der ge- danke in M. aufsteigt, aber, gott sei dank, hier hat Eur. zwar nicht seine rhetorik vergessen, aber doch eingesehen, dals ein weib in dieser lage die gedanken nicht schulgerecht entwickelt. 457 zerbricht der unmut den schon begonnenen satz, statt ἐτέκομεν ὑμᾶς nal ἐϑρεψάμεϑα εὐέλ- srıöeg sagt sie ‘ich gebar euch aber erzogen habe ich euch nur als die opfer von spott und mord der feinde. ach ja, die hoffnungen, die ich auf Her. worte baute, haben getrogen’. und erst dann lenkt sie auf diese hoffnungen zurück, bei denen sie verweilt, mit jener kleinmalerei der kinderstube wie im prolog. “und das ist vorbei’ so ruft sie sich selbst 480 zur sache und schildert nun mit convenlionellen, wenn auch kräf- tigen farben die not des momentes. dann aber wird das gefühl wieder frei. einen um den andern schlielst sie die knaben zum abschied in die arme, zum abschied nein, es ist nicht möglich: Her. kann sie nicht verlassen, und mit einer leidenschaftlichen beschwörung des gatten schlielst

vers 44 -- 454. 141

plötzlich umschlagend die rede, also genau im gegensatze zu der stimmung des einganges, ähnlich wie das grolse chorlied widerwillig fast auf einen hoffnungsvollen accord ausklang. dort dämpfte ihn der chor selbst, hier tut es Amphitryon, der wiederum als der resignirte greis neben dem heifs fühlenden weibe steht. er spricht das letzte abschiedswort. sie sind fertig; der henker mag erscheinen: der retter kommt. 451 εἶεν. mit einem worte der ungeduld beginnt sie, der jeder verzug 41 nur peinvoll war, 94.

ἱερεύς wird hier erklärt durch σφαγεὺς um es noch bitterer zu sagen. aber der ἱερεύς ist ganz eigentlich der, welcher die weihung an dem opfertiere vornimmt, d. ἢ. es schlachtet. so ist Thanatos der ἱερεὺς ϑανόντων Alk. 25, der die toten weiht. der löwe der in die herde fällt ist ἱερεύς τις ἄτης A. Ag. 735, und der ganze wortstamm ἱερὰ ῥέζειν, ἱερεύειν, ἱερεῖον hat diese blutige bedeutung angenommen, die gewils nicht ursprünglich ist, aber für die uns kenntliche cultur durchaus gilt.

ein interpolator, der Megara nicht unter die ϑύματα rechnen mochte, hat das bild zerstört durch den albernen zusatz 452 τῆς ταλαίνης τῆς ἐμῆς ψυχῆς φονεύς, und zugleich den satz, denn der infnitiv ἄγειν steht epexegetisch zu den nomina ἱερεὺς σφαγεύς, und davon hängt τὰ ϑύματα τάδε mit dem prädicativen adjectiv Erosua ab. “wer ist der schlächter, da sie bereit sind, diese opfer in den Hades zu führen ?”. den activischen infinitiv von ἕτοιμα abhängen zu lassen, so dals 453 einen satz für sich bildet, wird angesichts der starken neigung der sprache für solchen ausdruck (vgl. zu 1226) nicht für unmöglich gelten dürfen, aber zumal das passiv ἀγόμεϑα 454 sofort aufgenommen wird, scheint die härte doch gar zu grofs. man würde dann σεέλλεσϑαι, πορεύεσϑαι, ἀνάγεσϑαι erwarten. 454 ζεῦγος ist hier nicht par, sondern ganz eigentlich gespann. es ist 454 ein ungleiches und deshalb nicht schönes gespann, wenn alt und jung, kind und mutter mit einander im joche gehen. mit grofser kunst ist das wort γνόοι ausgewählt, das also zu beiden ζεύγη gehört. der schrift- steller περὶ ὕψους 23 hatte wol grund diesen vers als beleg für die pathetische wirkung der ἐνάλλαξις ἀριϑμῶν zu loben neben Soph. 0.T.1403 yauoı ἐπτεδείξατε πατέρας ἀδελφοὺς παῖδας, alu ἐμφύ- λιον, νύμφας γυναῖκας μητέρας U. 8. W. 456 das pronomen steht mit recht beim relativ, nicht bei dem substantir, denn nicht zu der reflexion, wie schwer das geschick sei, sondern zum anblicken gehört es. den blick aber wendet Meg. auf ihre kinder, als sie sie nennt: daher steht κούσδε vor dem relativ. es entspricht also

142 Commentar.

in uaserer kommatisch gewordenen sprache “welch ein geschick, meines und das meiner kinder; da sind sie, und zum letzten male sehe ich sie’. es ist mit der schlimmbesserung swvd’, die der handschrift noch fehlt, eine schönheit zerstört. den abschreiber hat freilich nur bestimmt, dafs er die seit Homer bestehende freiheit nicht kannte, das relativum an den zweiten platz im satze zu rücken.

458 458 ἔτεκον μὲν ὑμᾶς ist statt ἐτέκομεν v. überliefert, nicht blofs ohne jeden sinn, und den wirklich vom dichter beabsichtigten kühnen umschlag zerstörend, sondern auch metrisch sehr häfslich. denn einen anlautenden anapäst durch ein augment zu erzeugen haben sich die tragiker erst in der allerletzten zeit ihrer verwahrlosten metrik gestattet.

460 460 δόξα εὔελτεις wie δόξα εὐτλήμων A.Pers.28, evayysloc E. Med. 1010. εὔελπις ist nur in activischer bedeutung (καλὰ &Arıllwv) gehräuchlich und anders steht es auch hier nicht; die eigenschaft des subjectes ist nur auf seine tätigkeit (das meinen) übertragen, und daran schliefst sich bequem ein relativsatz, der das verbum nun aus dem adjectiv aufgreift. logisch würde es heifsen εῆς δόξης ἐξέπεσον, εὔελπις γενομένη ἐκ τῶν Ἧρα- κλέους λόγων. übrigens könnte man δόξαν ἐλπέζειν auch ohne diese vermittelung sagen, τεροσῆλϑθεν ἐλτείς, ἣν φοβουμένη πάλαι τὸ μέλλον ἐξετηκόμην γόοις Or. 859 (wo ἐξετηκύμην γόοες als paraphrase von ὠδυρόμην den accusativ τὸ μέλλον regiert, vgl. 10). die attraction des relativs ἥν ist lediglich um die genetive nicht zu häufen unterblieben.

462 462 die verteilung der drei reiche an seine söhne und die symbolische investitur derselben mit den drei hauptstücken seiner rüstung läfst Eur. den Her. nach eigener erfindung vornehmen, unbekümmert darum, dafs von einem erbrechte weder auf Argos noch auf Theben die rede sein konnte, und das mythische Oichalia von den historischen staaten stark absticht. anstöfsig ward das nicht, weil Argos und Theben wirklich in den händen der Herakleiden sich befanden, nach Oichalia niemand fragen konnte. des dichters zwecke aber waren dichterische. er stellt die liebe des Her. zu seinen kindern in das hellste licht und liefert zugleich zu dem heroischen gemälde des chorliedes das menschliche gegenstück.

464 464 καλλικάρπου Πελασγίας : gemeint ist von Eur. das peloponnesische Argos, oder vielmehr der ganze Peloponnes mit der hauptstadt Argos- Mykene. auf ihn trifft die fruchtbarkeit in wahrheit sehr wenig zu und selbst von der argolischen ebene nur in beschränktem mafse. aber er bezog den alten delphischen spruch γαέης μὲν πάσης τὸ Πελασγικὸν "Aeyos ἄμεινον (1. Ὁ. in den scholien zu Theokrit 14,48) ohne zweifel auf den Peloponnes, obwol er in wahrheit dem Argos in der Pelasgiotis, der

vers 458—467. 148

fruchtbaren Thessalischen ebene galt. es war eben io sehr alter zeit durch eine aus jenen ländern nach der Argolis und andern strichen des Pelo- ponnes einwandernde vordorische bevölkerung mit vielen anderen namen auch Argos und Pelasgia mit sammt ihrem ruhme nach dem süden über- tragen, wo sie dann haften geblieben sind. ganz deutlich in dem bis über Thessalien hinaus sich erstreckenden reiche des königs Pelasgos von Argos in Aischylos Hiketiden. die homerische bedeutung "4eyog == Pelo- ponnes, ’4gy&ıoı == Hellenen ist auch nur eine folge dieser völker- und machtverhältnisse; vgl. bd.15. bei Euripides ist Πελασγέα auch ohne γῆ dies reich, Argos im engeren, der Peloponnes im weiteren sinne (Hik. 368, so weit die verderbnis erkennen läfst, Or. 960), und so dann bei Ephoros. vgl. die sachkundige behandlung der frage durch Apollodor bei Strabon V 221: ihre volle aufklärung gibt freilich erst das licht geschichtlicher betrachtung.

465 der löwe vertritt Argos, weil er da zu hause ist, denn an den Kithairo- 465 nischen doppelgänger denkt niemand aufser Boeotien.

466 es ist eine eigentümlichkeit altgriechischer rede den gattungsbegriff 468 adjectivisch neben das individuum oder die species zu stellen, welche ihn am vollkommensten repraesentirt. Pind. Isthm. 3, 45 τόλμᾳ ἐριβρεμδτᾶν ϑηρῶν λεόντων. S.Ai.817 ἀνδρὸς Ἕκτορος. TheokritEAev.52 ϑεὰ Κύ- πρὲς (gemacht nach 230 ϑεὸς ἄλλοτ᾽ Ir’ ἄλλῳ Ζεὺς ἀγαϑόν τὸ κακόν τε διδοῖ); wir müssen dann den gattungsbegriff potenziren (untier, held, grofse göttin). verbindungen wie ἄνδρες στρατιῶται, ’AYnvyaloı haben nicht die geringste verwandtschaft hiermit; da tritt vielmehr zu ἄνδρες ein einschränkender zusatz.

467 die vorliebe für wagen wird an Thessalern Boeotern Kyrenaern her- 467 vorgehoben, und speciell für Theben sind πολυάρματος (8. Ant. 148) χρυσάρματος εὐάρματος (schol. Pind. Pyth. 2 einl.) gewöhnliche bei- wörter. aus den verhältnissen historischer zeit ist das nur für Kyrene ver- ständlich, wo die verschollene epische sitte der streitwagen sich erhalten hatte. die wagenkämpfe in Onchestos erwähnt im 7. jahrhundert der home- rische Apollonhymnus. aus Theben ist Pagondas, der erste sieger mit dem wagen in Olympia, 680, Θεσσαλὲ ποικιλόδιφρε hat der gott in einem verschollenen orakel als anrede gebraucht (Pollux 7, 112 u. d.). also ist der schlufs unvermeidlich, dafs die Thessaler und Boeoter, nahverwandte völker, diese sitte festgehalten hatten, als sie in dem übrigen Hellas, wo das bergland sie auch meist verbot, abgekommen war. weiter folgt, dals jene einwanderer die wagen nicht aus den schluchten der Balkangebirge mitgebracht hatten, sondern bei der bevölkerung der ebenen vorfanden.

144 Commentar.

diese wich vor ihnen, aber die übung der wagenkämpfe nahm sie mit: daher erscheinen sie im epos, keinesweges, wie man in kurzsichtigem pragmatismus gemeint hat, aus der berührung mit den Asiaten in Asien. von den Asiaten haben die Griechen, zuerst die Magneten, vielmehr das reiten gelernt.

468 468 τἀμὰ πεδέα γῆς “die fluren meines landes”. es ist im griechischen ein völlig zu recht bestehender sprachgebrauch, dafs ein adjectiv zu dem regierenden substantiv tritt, auch wenn es dem sinne nach eigentlich nur zu einem von jenem abhängigen genetiv gehört. die rhetorik nennt das enallage; in wahrheit konnte eine flectirende sprache kaum anders ver- fahren. man macht sich das klar, sobald man sich die substantiva nur zu einem compositum verwachsen denkt. “himmlische lebenskraft, austra- lische pflanzenwelt, gesunder menschenverstand, griechische götterlehre” sind wol verstattet, und die “reitende artilleriecaserne’’, der “lederne hand- schubmacher” sind ganz sprachgemäls, mögen die pedanten es nicht ver- stehen und in ihrem papiernen deutsch durch reitende-artillerie-caserne ersetzen. γραέας ὄσσων sınyag 450 ist nicht anders. σὸν ἄνϑος πόλεος 875, ϑυραῖα φρονήματα ἀνδρῶν Hipp. 395 “die gesinnung fremder leute”. σκευῇ τῶν ὅπλων ξυντεϑαμμένῃ Thuk. I 8 “an der art (der mode, dem stil vgl. 6 αὕτη σκευὴ κατέσχεν) der waffen, die mitbegraben waren”. τὸ σὸν ἄγαλμα, τὸ σὸν ἵδρυμα πόλεος ΗΚ. 651. "den schmuck, das fundament deiner stadt’.

409 469 der knabe hat seinen vater gebeten “lafs mich könig von Theben werden”. ein zug des häuslichen lebens wie 74. Troad. 1181 ist Astyanax oft zu seiner grofsmutter in das bett gekrochen und hat ihr versprochen wie gut er für ihr grab einmal sorgen wird. Bakch. 1318 hat Pentheus seinen grofsvater umarmt, ihm die wangen gestreichelt und gefragt wer tut dir was zu leide, ich will ihn bestrafen. ähnlich die Alexan- driner, Kallimachos an Art. 5. die kleine Artemis sitzt auf Zeus schofs und bittet um ewige jungfräulichkeit. es zeigt sich, dafs die dichter zwar das streben besitzen die kleinen züge des wirklichen lebens aufzu- nehmen, dafs sie aber traurig fehlgreifen, weil sie sich in die kinderseele nicht versetzen können: die beiden haben gewils nicht mit kindern gespielt. wie anders ein dichter, den man heute verachtet und der jenen allerdings nicht das wasser reicht, aber deshalb unbefangener in das niedere leben blickt, 337: der kleine Odysseus geht mit dem grofsvater im obstgarten spazieren und bettelt ihm junge veredelte bäumchen ab; der alte schenkt sie ihm und unterweist ihn über die einzelnen und ihre pflege.

470 470 die keule war zu Eur. zeit das wappen von Theben oder wol genauer

!

vers 468—472. 145

des boeotischen bundes, sowol schildzeichen wie münzzeichen, gewils auch stempel.

δαέδαλον steht nicht gleichwertig neben ἀλεξητήρεον; zwei gleich- wertige epitheta setzt Eur. überhaupt nicht zu demselben worte, sondern ἀλεξητήριον ξύλον ist ein begriff, erst in der vereinigung bedeutet es die keule, δαέδαλον steht nach und ist nur schmückend. das interesse Megaras verweilt selbst einen augenblick bei dem lieblingsstück ihres ge- mals, daher schickt sie das wort nach “die keule, die schön geschmückte’, die keule hat man sich keinesweges so zu denken, wie sie die kunst dar- stellt, die das beiwerk als nebensache zu behandeln liebt. es ist nicht ein nakter baumstamm, sondern mit ehernen buckeln beschlagen χαλκοβαρὲς ῥόπαλον, Apoll. Rh. 11196, χαλκοῦν war es in der Heraklee des Peisandros (schol. zu der stelle), und daher ein werk des Hephaistos (Diodor IV 14). eine andere keule nennt Eur. σεδηροβρεϑὲς ξύλον (Meleag. 535). es gehen in der schilderung von Herakles bewaffnung, wie überhaupt in seiner ge- schichte, die beiden strömungen neben einander her, einmal den helden würdig zu schmücken, wo denn alle götter sich um ihn bemühen, und er so erscheint, wie es der dorische adliche für sich selbst wünscht. dahin gehört die kostbare geschmiedete keule. die andere tendenz ist an sich die ältere, dafs Her. alles durch eigene kraft ist, und da zeigt sich seine αὐτάρκεια auch darin, dafs er sich die keule selbst von einem ölbaume bricht (Apollod. II 4, 11 u. ö.), die löwenhaut selbst abzieht u. dgl. m. diese tendenz hat in der nachdorischen zeit die überhand zu- rückgewonnen, und Eur. folgt ihr sonst, läfst auch die keule 993 nur von holz sein. hier stand es Megara an, die kostbarkeit zu loben: da folgt der dichter unbekümmert um einen widerspruch einem anderen ὦν λόγος. 411 ψευδῇ δόσιν, denn die schenkung ist niemals wirklich geworden. 411 accusativ wie 59. Hel. 35 δοκεῖ μ᾽ ἔχειν, κενὴν δόκησιν, οὐκ ἔχων. 472 dem kleinsten verspricht er Oichalia, das er mit dem bogen erobert 472 hatte, und weil dieses sein drittes stück so schon erwähnt wird, denken wir von selbst, dafs es dem kinde mit zufallen sollte. es ist also un- berechtigt den ausfall von versen anzunehmen, welche das ausdrücklich hervorgehoben hätten. dafs Megara für alle söhne gleich viel worte, Eur. dreimal fünf verse hätte verwenden müssen, ist vollends nicht zu ver- langen. vielmehr ist wirklich Oichalia den grofsen staaten nicht gleich- artig und ganz nach verdienst kürzer behandelt.

Eur. setzt hier eine sage voraus, nach welcher Her. mit seinen pfeilen den berühmtesten bogenschützen der vorzeit, Eurytos, sammt seinen söhnen, bezwungen hat. von dieser älteren sage sind nur noch spuren

v. Wilamowitz IL 10

146 Commentar.

erhalten, keine zusammenhängende darstellung, aber sowol in der bild- lichen wie in der schriftlichen überlieferung. Oichalia liegt dann in Thes- salien oder, vielleicht vorwiegend, in Messenien. zwar in einem homerischen gedichte behandelt, aber trotzdem jünger als diese von Hesiod erzählte, von jungen teilen der Odyssee vorausgesetzte sage, war die geschichte von Her. leidenschaftlicher liebe zu lole, um derentwillen er die burg ihres vaters Eurytos, Oichalia in Nordeuboia, bricht und alle ihre verwandten erschlägt. Eur. berichtet das Hipp. 540. es ist möglich, aber bisher noch gänzlich un- gewils, ob dies epos schon den tod des Herakles auf dem Oeta und die eifer- sucht Deianeiras mit hineinzog. dafür spricht, dafs das opfer des Her. auf dem Kenaion und der mord des Lichas, der das unheilsgewand brachte, ein alter zug ist. aber die ganze spätere zeit steht im banne dieser vorstellung, weil Sopbokles Trachinierinnen so sehr wie nur ganz wenige dramen dieses dichters die tradition beherrschen; Sophokles aber hat verschieden geartete züge mit einander verbunden, nicht immer so dafs man die nähte nicht erkennte, und dafs man Oichalias fall, den er allerdings mit loles liebe, also nach dem homerischen epos, motivirt, und des helden tod kaum gesondert denken kann, ist unzweifelhaft erst sein werk. nach dem durchschlagenden erfolge der Trachinierinnen hätte Eur. Oichalia kaum überhaupt erwähnen können: aber dies drama ist ja erst durch seinen Herakles hervorgerufen.

475 475 πυργοῦν in metaphorischem sinne ist ein wort, das dem baulustigen 5. jahrliundert so gut wie ausschliefslich angehört. man sagt πυργοῦσϑαε sich brüsten, στολῇ A. Pers. 192, λόγοις oben 258, “πυργοῦν extollere Ἔρως, Τροίαν ἐπύργωσας, ϑεοῖσιν κῆδος ἀναψάμενος Troad. 844, ἀοιδαῖς εὐδαιμονίας Hik. 992 und so hier: nie ohne einen beigeschmack des unberechtigten übertriebenen hochmuts, der vor dem fall kommt. Pind. Soph. fehlt das wort. hier dynamisches imperfect.

416 476 ἀκροϑινεάζομαε nur hier und schon von den alten (Poll. 2, 161) aus dieser stelle notirt. es steht sehr gesucht für “das beste auslesen’. axpo- 3ivıov wendet Eur. nur von dem an, was einem gotte dargebracht wird, denn das ist auch das schönste beutestück, Heraklid. 861, fur welches das wort in technischem gebrauche wol damals allein noch war und blieb. aber als ehrengabe an einen menschen hat es Aisch. fgm. 178. ähnlich steht λωτέσματα für ἄνϑη, ἄωτος, Aisch. im prolog der Europa, Eur. Hel. 1593. mit bewahrung des bildes ἀπολωτεεῖ Hik. 449, geziert von dem opfer Iphigeneias τίς u’ ἀπολωτιεῖ 1. A. 792. λωτίσασϑαε für “das schönste wählen’ A. Hik. 963.

471 477 das futurum συνάψουσα allein angemessen, denn Meg. konnte noch

vers 475—488. 147

keine verlobungen in aussicht nehmen, sondern höchstens, wie mütter pflegen, sich bei allen mädchen, die eine begehrenswerte partie einmal zu werden versprechen, im stillen denken “das könnte einmal etwas für meinen ältesten sein’. unbefangen nennt Eur. jetzt die hauptstädte seiner zeit, denn diese allein geben dem hörer unmittelbar den begriff vornehmster und einflulsreichster verbindung. 479 das bild von den ankertauen ist nur halb ausgeführt; wir verlangen 419 eigentlich statt βέον εὐδαίμονα ἔχοιτε wieder einen bildlichen ausdruck, etwa βίον καλῶς ὡρμισμένοι εἶτε. aber das ist antike sitte; vgl. zu 729. die verwandtschaft hält den einzelnen wie die ankertaue, oder viel- mehr wie die um die steine des bollwerks geschlungenen taue (1094) das schiff auf der rhede. genau dasselbe bild Med. 770. auch ἄγχυρα für das, was das leben hält, ist nicht selten, z. b. Hek. 80. S. Phaidr. 619. 481 sowol die vergleichung von hochzeit und tod wie der rhetorische 481 ersatz concreter figuren durch poetische personificationen gehört zu den τόποι xoıyol der poesie und trägt überall für uns ein conven- tionelles gepräge. die poesien, in welchen das einstmals frisch und original war, sind verschollen, werden aber wol die ϑρῆνοι gewesen sein; die grabepigramme, welche naturgemäfs mit diesen sich berühren, sind voll davon. die Äneeg, auch unten 870 als todbringende scheusale gedacht, gehören auch in einen vorstellungskreis, den die attische cultur, wie alles fratzenhafte, eigentlich überwunden hatte. in der archaischen zeit ganz gewöhnlich sind sie in der Euripides gleichzeitigen kunst kaum noch vorhanden. 483 dafs die mutter des bräutigams bei der hochzeit ein bad auszurüsten 483 hatte, sagt auch lokaste Phoen. 348. es ist natürlich an attische sitte zu denken. dafs dort von einem knaben oder mädchen aus der aliheiligen quelle Kallirrhoe-Enneakrunos am Ilisos badewasser geholt ward, ist sehr bekannt; dafs das bad der braut mit besonderen feierlichkeiten begangen ward, ebenfalls, und das ist natürlich. aber diesen gebrauch hier kann ich so wenig erläutern, wie ich den sinn der handlung verstehe. 488 die biene die über alle blumen fliegt, aus allen süfsigkeit saugt und 488 so durch ihren fleils die unvergleichliche götlerspeise, für die natur- völker eins der köstlichsten wunder, erzeugt, ist fast das einzige insect, welches in erhabener attischer poesie zu gleichnissen genommen wird: denn selbst die cicade kommt nicht vor. als sammlerin des sülsen Aristoph. Vög. 750, des süfsen aus bittren kräutern Simon. 47, so sam- melt sich Megara hier aus abschiedsklagen den bittren genulfs der tränen. auf der alten festen erwähnung der biene in der Ilyrischen poesie 10*

148 Commentar.

beruht auch die festhaltung des schwerlich damals noch verstandenen beiworts ξουϑός, ξουϑόπτερος; Eur. hat es von der farbe verstanden, da er von der ξουϑὴ γένυς der nachtigall redet, Hel. 1111. andere verstanden schnell’ (Chaeremon 1), und noch mehr erklärungen sind auf- gebracht (Hesych s. v.).. wir können um des heros Xuthos willen wol sagen, dafs das wort ionischen ursprungs ist, aber was es wirklich be- deutet hat, wissen wir nicht, da es alle unsere gewährsmänner als eine glosse verwenden, die sie nicht verstehen, und eine dieser bedeutungen herauszugreifen und darauf hin eine etymologie zu suchen ebenso un- methodisch ist wie die spiele der alten grammatiker. dafs bei ihnen die farbe meist angegeben wird, liegt nur an dem sicher trüglichen anklang an ξανϑός, denn weder die biene noch die nachtigall noch der ἱσεπα- λεκερύων sind fuchsrot oder honigbraun (gelb ist der griechische honig nicht).

492 492 ϑνήσχει ὄλλυμαι so lieber mit abwechselung als mit anapher, die rhetorisch stärker ist. vgl. 537. 754. 434 drei imperative, weil man die toten dreimal ruft, Homer ı 65, Aristo- phanes Frö. 1176 in der erklärung des eingangs der Choephoren. doch stehen die drei imperative nur der form nach gleich, ἄρηξον ἐλϑέ geben zusammen erst den gewollten sinn ‘komm zu hilfe‘, ähnlich wie 320, 837.

45 495 ἅλις als praedicat auch für eine person ist correct, ἅλες νοσοῦσ᾽ ἐγώ S.0.T.1061. ἅλες --- Ἐἠρεχϑεὺς ἄναξ E. Ion 723. es wird als neu- trum gedacht und hat da analogien, z.b. Androm.86 Ἑρμειόνῃη οὐ σμικρὸν φύλαξ; wir nur vulgär “Hermione als wächterin ist keine kleinigkeit’. hier hat der interpolator, der mehreren reden einen schlufsvers zugesetzt hat (1108. 1161) sich gemüfsigt gefühlt, die beschwörung durch die be- gründung sinnlos zu machen xaxol γὰρ εἰς σέγ᾽ οἱ τέκνα κτείνουσε σά, ohne zu bedenken, dafs Lykos nicht blofs im verhältnis zu Her., sondern überhaupt χαχός ist, und dafs der grund dafür, dafs Her. selbst als geist noch retten kann, in seiner gröfse und nicht in der erbärm-

Ampht- lichkeit seiner gegner liegt.

‚om er, Amphitryon teilt die hoffnung nicht. er weist Megara an die zurüstungen für den tod, von denen sie sich hatte ablenken lassen, und seine anrufung des Zeus ist auch nur eine form für das eingeständnis der rettungslosigkeit. dann will er nur dem chor lebewol sagen, γέροντες χαίρετε hat er auf der zunge; da stölst er an diesem worte an, das für das trostlose menschen- leben so wenig zuzutreffen scheint; er gibt also eine kritik ab. das leben ist nicht viel wert, aber wenn man sich nur resignirt und vom morgen nichts erwartet, dann kann man des heute froh werden. denn dafs

vers 492—505. 149

menschenglück und ruhm keinen bestand hat, dafür ist er ein beispiel. nachdem er so den begriff genauer umgrenzt hat, spricht er den scheide- gruls χαίρετε aus. 502 dieser vers ist hierher versetzt, weil er passend den grund angibt, 502 weshalb Megara sich statt nutzloser hilferufe auf den tod einrichten soll, und weil ὡς ἔοικε in sehr erwünschter weise andeutet, dafs auch von dem einzigen, der allenfalls helfen könnte, nichts zu erwarten ist. wo der vers überliefert ist, nach 501, ist weder die anknüpfung mit γάρ, noch die restriction wg Eorxey irgendwie zu verstehen. 498 χεῖρε ist elidirt; man erhebt beide arme beim beten.

δικεῖν (== iacio) nur im indic. infin. particip aoristi bei Pindar Aisch. Eur. erhalten, bei diesem zuerst im Herakles hier und 1205, dann in den sprachlich verwilderten dramen Or. Phoen. Bakch., nur hier und Choeph. 98 im dialog. es ist eine aus der chorischen Iyrik geholte glosse, wahrscheinlich dorischer herkunft, denn das einzige wort, in dem der stamm sonst noch lebt, di(x)axog, findet sich zwar allgemein, schon in den jüngsten schichten des epos, aber in leibesübungen gaben die Dorer den ton an.

σέ αὐδῶ te appello, nachher ἀμύνειν imperativisch. schon die wort- stellung führt auf diese auffassung, nicht auf xelsuw σ᾽ duuvsıy wie 1215, dann aber muls σέ ja den ton haben, denn Amph. verweist der Megara die nutzlose anrufung des Her. nicht der tote, sondern der μέγας ϑεὸς kann füglich angerufen werden. das unterlälst er denn auch nicht; obwol es auch aussichtslos ist. gemäfs diesem gedankengang müssen die glieder abgesetzt werden. 500 ἀμύνεεν scheint in solchen anrufungen, die ja der cultus oft bringen 500 mufste, stehende formel gewesen zu sein. Kallim. Del. 226 braucht es nicht nur so, sondern setzt es auch an den ausgang des vierten fulses im hexameter, wo seine technik sonst einen daktylus fordert, also deutlich mit der absicht, dafs der leser die formel anerkenne, weil sie allein die ausnahme entschuldigt. 505 das particip λυπούμενοι hat condicionale bedeutung; daran hängt 505 das verständnis der ganzen gnome. es ist trübselige volksmoral, wurzelnd eigentlich noch in der homerischen anschauung vom werte des jenseits, den hier Eur. auf das diesseits überträgt. später gerade in grabgedichten oft zu rohem hedonismus verzerrt. kein geringerer als der schatten des Dareios bei Aischylos scheidet vom chore mit dem rate (Pers. 840) ὑμεῖς δὲ πρέσβεις, χαίρετ᾽, ἐν χακοῖς ὅμως ψυχὴν διδόντες ἡδονῇ καϑ᾽ ἡμέραν" ὡς τοῖς ϑανοῦσι πλοῦτος οὐδὲν ὠφελεῖ.

1580 Commentar.

506 506 “jeder tag hat seine plage.”’ das stammt aus Matth. 6, 34 un μερε- urnonse εἷς τὴν αὔριον" γὰρ αὔριον μεριμνήσει ἑαυτῆς" ἀρκετὸν τῇ ἡμέρᾳ κακία αὐτῆς. aber das evangelium begründet dies damit, dafs der mensch zunächst das reich gottes und seine gerechtigkeit suchen soll. das hatte mit andern worten Demokritos gesagt (Stob. flor. 5,24) &ge- στον ἀνθρώπῳ τὸν βίον διάγειν ὡς πλεῖστα εὐθυμηϑέντι καὶ ἐλά- χιστα ἀνιηϑέντι" τοῦτο δ᾽ ἂν εἴη, εἴ τις μὴ ἐπὶ τοῖσι ϑνητοῖσε τὰς ἡδονὰς ποιοῖτο. Eur. redet in der form ähnlich; das morgen hat schon das seine zu besorgen und deshalb keine zeit sich um die er- füllung dessen zu bemühen, was wir von ihm erwarten. den sinn wieder- holt er Antiope 196 τοιόσδε ϑνητῶν τῶν ταλαιπώρων βίος" οὔτ᾽ εὐτυχεῖ τὸ πάμπαν οὔτε δυστυχεῖ [εὐδαιμονεῖ δὲ καὖῦϑις οὐχ εὐδαι-. μονεῖ eine törichte dittographie, vgl. zu 440]: τέ δῆτ᾽ ἐν ὄλβῳ μὲὴ σαφεῖ (vgl. zu 55) βεβηκότες οὐ ζῶμεν ὡς ἥδιστα μὴ λυπούμενοι.

δ09 509 χαέ mögen, ja müssen wir mit “und doch’, “und da’ übersetzen, aber damit werden wir der syntaktischen verbindung nicht gerecht. denn diese wirkt dadurch, dafs sie lediglich copulativ ist. ἑσπέρα ἣν καὶ ἦλθεν ἄγγελος, διενοοῦντο καὶ ἔδρασαν τοῦτο. 80 lehrt die vul- gäre syntax, dafs auf griechisch ein einfach mit xai anschlielsender satz steht, wenn im lateinischen cum mit dem indic. perf. steht. immer gibt die sprache schlechthin nichts als die copulative verbindung, die übrigens auch dem latein nicht fehlt. das wird am ausdrucksvollsten, wo, wie hier, der tatsächliche parallelismus, der bezeichnet wird, der wahrscheinlichkeit oder erwartung zuwiderläuft, diese also ganz ohne dafs es gesagt wird, durch die tatsachen ad absurdum geführt wird, welche copulirt werden. daher denn xai so oft im dialog fragen einleitet, die eine für den gegner vernichtende tatsache constatiren oder consequenz ziehen. ein beispiel oben 297. ein xalsoı oder auch ein χᾷτα würde das logische verhältnis schärfer bezeichnen, aber stilistisch ganz etwas anderes, modernes, aber in wahrheit viel weniger starkes sein.

510 510 so leicht wie man eine feder in die luft bläst. πτδρὸν πρὸς αἰϑέρα ein sehr kühnes beispiel von dem anschlufs eines nomens mit praepo- sition an ein nomen, was der adverbiellen natur der praepositionen an sich zuwider ist, für manche, wie σύν μετά ἄνευ ziemlich leicht ge- stattet, dagegen von solchen, die eine bewegung bezeichnen, fast durchweg fern gehalten wird. Homer y 293 ainsiaı εἰς ἅλα πέτραι, wo das ad- jectiv einem dxro&xovoaı entspricht, E. Hel. 96 ἅλμ᾽ ἐπὶ Eipoc, wo der verbalbegriff zu tage liegt, Troad. 1320 κόνις ἴσα κάπνῳ πεέρυγε πρὸς αἰϑέρα, in anderer weise kühner, weil πτέρυγε für ἀναπετομένη steht,

vers 506-- 511. 151

aber deshalb auch nicht ganz analog dieser stelle: das ist aber ταῦρος

ἐς ἐμβολήν unten 869. ἀναπτῆναι für “vernichtet werden’ ist 80 ge- wöhnlich, dafs man darin kaum noch die metapher spürt, ϑανόνε᾽ ἀνέ- πτατὸ oben 69. das hat zu diesen kühnen umbildungen geführt, damit die metapher wieder als solche kräftig wirke. auf den einfall, aus ἀφεέ- Asro ein verbum ἀφαερεῖταε zu ergänzen, wird nicht kommen, wer die praeposition πρός nicht vergifst, und bedenkt dafs das subject τεύχη in das bild nicht pafst.

511 die logik fordert einfach ἔγνωκα ὅτε οὐ βέβαιός ἔστε oder sonst 511 die constatirung der tatsache. da aber Amph. mit seinem beispiel operiert hat, so zieht er, trotzdem er die entschiedenste negation meint und ver- standen wissen will, die bescheidene form οὐκ olda ὅτῳ βέβαιός ἔστι vor. man mufs das nur richtig recitiren, die umbiegung des ausdrucks fühlbar machen: dann wird es schon wirken.

514 um die spannung der zuschauer zu erhöhen, bleibt der kommende? zeder- nicht nur längere zeit für sie unsichtbar, sondern wird seine person mit mehrdeutigen umschreibungen bezeichnet.

515 ἀφασία κἄμ᾽ ἔχει: οὐδ᾽ ἐγὼ ἔχω τί φῶ. 515 516 εἰσηκούομεν: ebenso ἤγγελλον 553. das impf. besagt hier nicht, 516 dafs das melden eine im verhältnis zu einer anderen dauernde oder wiederholte oder nur dynamische tätigkeit gewesen wäre. es ist das prae- teritum des praesenstammes und alle seine bedeutungen schreiben sich daher. das praesens gibt die verbale tätigkeit absolut, und sein praeteritum legt sie relativ in die vergangenheit. also τὰ ἀγγελλόμενα ἦν τὰ καὶ ra’. in diesem sinne ist es aufzufassen, wenn Thukyd. z. b. seine reden durch παρήνεε, ἔλεγε rorads einleitet. an dieser stelle könnte praesens perfect aorist auch gesetzt sein, wenn das hören oder gehört haben ohne jede zeitliche relation oder andererseits blofs der empfang der kunde als einmaliger act bezeichnet werden sollte. man muls sich das an concreten beispielen klar machen, damit man sich von dem wahne frei macht, als lielsen sich die griechischen tempora mit denen irgend einer sprache syntak- tisch gleichsetzen, und andererseits damit man die fülle der erscheinungen auf ihre wirkliche wurzel, das griechische denken, zurückführen lerne. 517 “vielleicht sehen wir nur ein iraumbild am hellen tage, wie du es 517 ja beschworen hast (495)”. Amph. verhält sich noch ungläubig, oder es

ist ihm doch die wirklichkeit fast wunderbarer als ein wunder. Vergil ecl. 8, 108 cernimus, an qui amans ipsi sibi somnia fingunt entspricht genau. traum am hellen tage bezeichnet das wesenlose, ὄναρ ἡμερό-" φανεον A. Ag. 82.

152 Commentar.

518 518 Megara stutzt noch einen augenblick, τό φημί; dann weist sie solches schwanken weit von sich: das ist kein gebilde ihrer sehnenden sorge, das ist Her. leibhaftig. ποῖος in dieser weise, ein wort des vorredners als unangemessen (&ro,c0v) aufgreifend, ist aus der sprache des lebens genommen, wo es sehr häufig ist. S. Tr. 427 hat es einmal zur charakte- risirung eines plebejers. Eur. noch Hel. 567 in lebhaftestem unwillen. Megara vergifst also auch hier die εὐσχημοσύνη.

xnoalvw bedeutet seiner herkunft nach ‘schädigen’, so in dem ältesten beispiel A. Hik. 999, und dann in später χοενή (Diels doxogr. 8. 12). es stammt wol sicher aus dem ionischen. Eur. hier und Hipp. 223, und danach Soph. Tr. 29 brauchen es intransitiv von quälender sorge und sehnsucht. auch das haben spätlinge wie Philo und belegen lexica.

, 5% 520 χρέμνημε : xgeu = σχίδνημι: oxned = πέλναμαε : nel = χέρ- vnur:xeg. die itacistische schreibung, als ob χρημνός zu grunde läge, kann wenigstens für die gute zeit gegenüber der analogie nicht bestehen, ist keinesweges allein überliefert, und wird mit recht jetzt beseitigt. Megara gibt ihren kindern einen befehl, der zwar am schlusse der scene 629 erfüllt ist, aber bis 535 wenigstens noch nicht vollzogen sein kann. der dichter hat das stumme spiel nur im allgemeinen vorgezeichnet, das genaue bleibt dem δεδάσκαλος.

622 522 der altar des Zeus Soter hat sie nicht geschützt (48), und die an- rufung des Zeus war noch eben als nutzlos bezeichnet (501).

523 523 Her. redet erst das haus im allgemeinen, dann die tür an, ent- sprechend dem, wie er im fortschreiten das einzelne erkennt.

524 524 ἔα, τί χρῆμα, worauf dann äsyndelisch ὁρῶ τὸ καὶ τό folgt, ist bei Eur. formelhafter ausdruck der überraschung. Hipp. 905. Andr. 896. Hik. 92. Or. 1573 u. 8. w. er zählt die befremdlichen erscheinungen auf, an den kindern den totenschmuck, an der gattin, dafs sie die oixov- οέα (1373) verletzt, indem sie mit dem chore verkehrt, am vater die tränen. an das letzte glied wird die frage “tränen, weshalb?” angeknüpft. natür- lich gilt die frage nach dem grunde in wahrheit für alles.

59 529 es ist zu denken, Jals er dem chore näher ist als den seinen. sinnlos würde diese wie so viele stellen sein, wenn der bis vor kurzem allgemein verbreitete wahn berechtigt wäre, dafs der chor auf anderem niveau unterhalb der schauspieler stünde.

550 530 ἡμῖν δώμασιν construction ἐκ πεταραλλήλου, vgl. zu 179. δώματα kann nicht das haus, das er angeredet hat, sondern nur die familie be- deuten. also war ein ausdruck des possessiven verhältnisses zu ergänzen, nicht das deiktische τοῖσδε, wie meist geschrieben wird. in der über-

vers 518—537. 158

lieferung ist das wort verdrängt, weil sie durch falsche personenverteilung zerrüttet ist. 531 φάος: σωτηρέα, wie die παράδοσις bei Homer umschreibt: «ai χέν τι φάος Δαναοῖσι γένωμαι. der ausdruck ist hier besonders sinn- reich, weil Amph. das wort des Her. 524 aufnimmt: οὐ μόνον ἐς φάος ἀλλὰ φαός ἔρχεται Ἡρακλῆς. in Amph. kreuzen sich die zwei em- pfindungen, freude über die reitung des sohnes, hoffnung auf die eigene rettung: daher die beiden unverbundenen zum teil tautologischen sätze. 532 statt ἐλϑών ist eigentlich das part. praes. erfordert; der aorist steht durch angleichung der tempora. musterbeispiel λάϑε βιώσας “lebe im verborgenen ’, 534 wie es den verkünstelten begriffen der attischen schicklichkeit wider- spricht, dafs Megara mit dem chore verkehrt (ähnlich z. b. El. 341), so soll es unschicklich sein, dafs sie statt ihres schwiegervaters zu ihrem manne redet (ähnlich z. b. Herakl. 665). der dichter gibt nun freilich der natur ihr recht, aber er betont doch die abweichung von der con- venienz, und so erhält das einfach menschliche einen stich in das naive. naiv wirkt auch die motivirung, weshalb sie statt ihres schwiegervaters das wort nehme 537, denn Amph. sollte ja nicht weniger sterben als sie. aber die zwischengestellte sentenz ist wieder für diese stimmung zu reflectirt, wie oben in der rede 275 ff. 536 die attische feinheit liebt es entschiedene behauptungen durch einen zusatz zu mildern, der ihnen der form nach die schärfe nimmt. am stärksten und für unsere art nicht selten störend üben es die Sokratiker, zumal Aristoteles, im schroffen gegensatz zu der apodiktischen weise der ionischen weisen. dazu gehört auch dies suwg “gewissermafsen’. schon A. Prom. 224 und öfter bei allen tragikern.

οἶχτρόν : οἰκειστικόν. οἰκτρὰ ἀηδών S. Ai. 630. gemeiniglich ist es olxzıor&ov. den meisten adjectiven gleicher bildung wohnt active oder passive bedeutung an sich nicht inne, sondern sie erscheinen so oder so durch die relation zu verschiedenen subjecten. oixzpog ist οἶκτον ἔχων : ob eigenen oder von anderen, ergibt sich erst durch die verbindung im satze. allerdings ist diese freiheit immer mehr eingeschränkt und hat im lebendigen gebrauche das 5. jahrhundert selten überlebt. 537 sehr deutliche dynamische imperfecta. der wechsel von ἔϑνησκχε und ἀπωλλύμην ohne jeden bedeutungsunterschied, nur um zu wechseln, wie 492, 755.

kein teil des attischen dramas ist schwerer zu verstehen als die sticho- mythie, einmal weil uns diese stilisirung der unterhaltung unnatürlich

581

532

537

Siichomy- thie. ᾿

154 Commentar.

erscheint, die wir nur beim “wortwechsel’, in lebhaftestem affecte, gern hinnehmen, wie sie auch Aischylos noch fast ausschliefslich anwendet, und ähnlich die alte komödie. auch die nachbildungen der modernen behalten besonders viel fremdartiges. man wird nicht leugnen dürfen, dafs Euri- pides, wenn er in der stichomythie erzählen läfst, 2. b. Hik. 115—60, Phoen. 389—426, Ion 262—368, wirklich in häfsliche manier verfallen ist; leere verse fehlen freilich nirgend und bei keinem dichter. so weit liegt die schwierigkeit in dem objecte; aber hinzu kommt, dafs ein be- sonders ausgebildetes sprachgefühl erfordert wird, um die färbung des ausdrucks zu empfinden, die oft durch vieldeutige partikeln, oft nur durch die wortstellung bewirkt ist. der erklärer muls viele worte machen; doch kann die paraphrase oft aushelfen.

533 538 AdrroAlov vgl. zu 821. dieser ausdruck des entsetzens über eine nachricht ist bei Eur. formelhaft, Tro. 712 u. d., auch unten 1179. die metapher in σεροοέμιον oder im drama lieber φροέμιον ist eine musica- lische, praeludium ; die rhetorik hat mehrere ausdrücke aus der kunstsprache älterer τέχναι geborgt. so gut wie man ein praeludium anstimmt, kann man φροιμέου ἄρχεσϑαι, 80 steht sogar ἀρχὴ προοιμέου El. 1060. die metapher ist A. und Eur. gewöhnlich; S. hat sie nicht. dann verschwindet sie aus der guten prosa, weil eben die rhetorik beschlag auf das wort gelegt hat. aber der atticismus hat auch diesen alten flicken als schmuck für sein kunstgriechisch nicht verschmäht.

540 540 wie im leben τέ παϑών, ohne dafs man an die bedeutung von rraoysıy noch denkt, lediglich bedeutet wie kommt er dazu?”, so im drama τί δράσας. unten 1136. 1188, beim dichter des Rhes. 725. so könnte man die häufigen fragen τέ δρᾷς und τέ πάσχεις nicht selten vertauschen; geradezu verbindet τί πάϑω, τέ δὲ δρῶ der fortsetzer der Sieben 1057, ähnlich S. Tr. 973 u. s. f.

dafs die schwäher im kriege erschlagen sind, nimmt Her. zunächst als das wahrscheinlichste an.

541 541 dals Her. den Lykos kennt, wird vorausgesetzt um weitläufgkeiten zu vermeiden.

542 542 bürgerzwist als krankheit des staates zu bezeichnen (34) ist dem Hellenen so gewöhnlich, dafs es kaum noch metapher ist. Demosth. Phil. 3,12 ist zu πυνϑάνεσϑαι γὰρ αὑτοὺς ὡς νοσοῦσε die glosse καὶ στασιάζουσι zugeschrieben. Plat. Soph. 228 νόσον καὶ σεάσιν οὐ ταὐ- τὸν νδνόμιχας; d. ἢ. γόσος ist am körper was στάσις an der seele, vor: φύσει ξυγγενοῦς Ex τινος διαφορᾶς διαφϑορά. Ps. Plat. Menex. 243° εἴπερ εἱμαρμένον ein ἀνθρώττοις στασιάσαι, μὴ ἂν ἄλλως εὔξασϑαι

vers 538—554. 155

μηδένα πόλιν ἑαυτοῦ νοσῆσαι. τυραννίς νόσημα πόλεως ist im 4. jahr- hundert ein schlagwort, in dem sich Isokrates Hel. 34 und Platon Pol. VII 544° zusammenfinden. in diesem sinne kann man γοσεῖν freilich nur von der szölıc, dem staate, aussagen, nicht von der χϑών, deren γόσος miswachs oder pest hervorbringt. allein die tragödie hat, wenn man sich nicht erlaubt, an sehr vielen stellen die für den vers indifferenten formen zu vertauschen, χϑών und πόλες ganz synonym gebraucht und das edlere wort bevorzugt.

543 Θηβῶν ἑπτάπυλον κράτος würde sich nach der analogie von τἀμὰ πδδία γῆς 468 leicht erklären lassen. härter ist Kaduov &. κρ. == ἑπτὰ πυλῶν Kaduov. dieser name hat oft mehr eponyme als persönliche bedeutung, Kaduov πύλαι Hik. 11. 588, ὁγεεάστομον nvoywua Kad- μείων Hik. 1221. ἑπτάπυλον κράτος wie &xaroyxipala ὀφέων layn- ματα 884, xallinaus στέφανος 839, τέλος δυωδεχάμηνον Pind. Nem. 11, 9 = δώδεκα μηνῶν τελευτήν; πολύτεχνος ἅμιλλα Med. 557 -- ἅμιλλα περὶ πλήϑους τέκνων; 1. Τ. 141 κώπα χιλιόναυς me χελίων νεῶν, ἃ. ἃ.

546 die gefahr der kinder kommt ihm erst bei ihrer erneuten nennung 546

zum bewulstsein. ἐπειδὴ ὀρφανοὶ ἦσαν, πῶς φοβεροὶ εἶναι ἐδόκουν; statt des gewöhnlichen ὀρφανέα bildet sich Eur. ὀρφάνευμα, weil diese ableitung am leichtesten persönliche bedeutung annimmt, κήδευμα, παί- devua, δεῖμα υ ἃ.

550 “und wart dabei gewaltsam zu sterben?’ wir können den griechischen 550

gebrauch nachahmen; denn auch hier liegt die lebhafte wirkung darin, dafs der zweite redner den satz des vorredners aufnimmt und fortsetzt, also die consequenz zieht, die ihm entweder jetzt plötzlich klar wird (so hier und 556) oder die er dem andern zu gemüte führen will (so 1121), was bestätigend ebenso wol wie widerlegend geschehen kann. man sehe z. b. Hipp. 326. 503, Or. 753. 782. in den meisten fällen wird freilich das verhältnis durch eine partikel genauer bezeichnet, γε, μήν, εἶτα, δή, und δή würde hier stehen können. στερὸς Play hat nicht den ton; die prosa würde καὶ ἀπεϑνήσκετε ἤδη βιαίως sagen. die vergewaltigung wird nur bezeichnet, weil in ihr das schreckliche liegt, sehr häufig, weil ja ἀποθανεῖν das passiv zu ἀποχτείνειν ist und doch eben das passi- vische nicht zum ausdruck bringt.

551 “μον δ mulsten wir sterben, deun es half uns ja niemand und unser 551

bester helfer galt für tot’.

554 dEeleircere für uns periphrastisch wiederzugeben. “wie konntet ihr 554

verlassen?’ ἐχλελοιπόξες νῦν εἰσίν, ἅπαξ τότ᾽ ἐχλιπόνεες, τὸ δὲ ἐκ»

156 Commentar,

λείπειν ποτὲ ϑαυμάζει. οἶκος καὶ ἑστία ist nicht tautologisch, denn der herd schützt durch seine heiligkeit.

555 555 μέν zeigt, dafs sie eine längere schilderung vorhatte, welche der unwillige ausruf des Her. abschneidet. Amphitryon auf dem bette gedacht wie 108.

557 557 αἰδῶ γ᾽. γε zeigt, dafs Meg. nicht ironisch fragt (ποέαν αἰδῶ;), sondern bitter das wort aufgreift (ja wol, scham!). da für das religiöse gefühl zwischen dem abstractum αἰδώς und der göttin kein unterschied ist (denn nur weil man die gewalt des schamgefühles concret wirksam an sich empfand, hat man der ursache dieser wirkung göttliche persön- lichkeit verliehen), so ist in fällen wie diesem nur für den modernen eine vermischung von abstractum und concrelum vorhanden. ja es ist gar nicht einmal nötig, dafs das nomen genannt wird. Ion 336 sagt Kreusa αἰδοί- μεϑα, und Ion οὔ τἄρα πράξεις οὐδέν" ἀργὸς ϑεός, vgl. zu 262. es kommt in solchen wendungen nichts darauf an, ob irgendwo der cultus ein solches abstractum schon zu göttlicher verehrung erhoben hat; z. b. Dioskorides Anth. Pal. 7,450 αἰσχύνην οὐ νομίσασα ϑεόν, obwol αἰσχίνη wol nie verehrt ist. aber Aidwg war allerdings nicht blofs in der poe- tischen speculation (Hesiod. Erg. 200), sondern auch im attischen cultus eine göttin. sie hatte einen altar neben dem alten tempel auf der burg (Hesych Aidovg βωμός u. a.), und galt für die amme der jung- fräulichen göttin (schol. A. Prom. 12), aus deren eigenschaft sie sich ab- gelöst hatte. Eur. Hipp. 78 lafst sie die wiesen der Artemis Limnatis bei Trozen pflegen, wo sie wieder nur ein praedicat der Artemis ist. das hat mit dem mangel an rücksicht auf das alter, welchen Lykos zeigt, nichts gemein als den namen. im Ion wieder ist es die falsche scham, welche sich scheut die wahrheit zu sagen. bei Pindar Nem. 9, 33 αἰδὼς δόξαν φέρει ὑπὸ χέρδει κλέπτεται, wie der schol. sagt, weil die menschen für geld ἀναέσχυντοι werden. E. Alk. 601 τὸ εὐγενὲς ἐκφέ- ostaı πρὸς αἰδῶ, der adliche hat ein rücksichtsvolles benehmen, ἃ. ἢ. Admetos bewirtet trotz seiner trauer den Herakles. man sieht, wie ver- schiedenartig die gottheit wirkt, in der schon Hesiod Erg. 318 und nach ihm Eur. Hipp. 354 Erechth. 367 ein doppelwesen erkaant hatten.

559 559 das nein’, welches wir zu dem folgenden begründenden satze hin- zusprechen, ist bei dem südländer durch einen gestus, elwa avavevusır, ersetzt.

das nächstliegende würde ziveg γάρ εἶσιν ἀνδρὶ δυσευχεῖ Qiloı sein; aber das ist geändert, weil Meg. das wort φέλοε aus Her. rede aufgreift und deshalb damit beginnt.

vers 555---δ66. 157

560 der jähzorn, dessen δυβθγυο! "ζοϊσί, kündet sich schon an. Her. kann 560 eigentlich nur sagen “sie haben meine woltaten vergessen, nicht ge- achtet”; aber ihm erscheint die unterlassungssünde als eine freche be- leidigung. ἀπεέπτυσαν sagt er.

561 nach diesem verse verstummt Megara. mit den racheplänen hat sie 561 nichts zu schaffen, und dafs sie davon hören mufs, läfst sie nur in neue angst geraten: der dichter gibt nach dieser richtung 626 für ihr stummes spiel eine anweisung.

562 doppelter genetiv wie 450. der gegensatz von sonnenlicht und drchrede. todesnacht kommt aus der seele des Her.: er hat diesen beseligenden übergang ja eben ganz eigentlich an sich erfahren.-

563 φῶς ἀναβλέπειν kann nicht bedeuten zum licht aufschauen, sondern 583 in den augen, deren blick sich aufrichtet, ist das licht, ist also auch der todesschatten gewesen, dessen φίλας ἀμοιβάς sie jetzt im blicke tragen. den inhalt des blickes als accusativ zu βλέπειν und gleichbedeutenden wörtern zu setzen ist ganz gewöhnlich, und sogar ἀναβλέπειν φοινίαν φλόγα hat Eur. lon 1263 gesagt. somit ist der uns zunächst befremd- liche sinn unzweifelhaft. und es ist eine hohe schönheit. aus den augen der kinder leuchtete dem vater nicht das liebe sonnenlicht entgegen, dessen er sich freute, sondern er fand die finsternis des todes darin, die

er eben in ihrem reiche geschaut hatte. dals nun für den Griechen das sonnenhafte auge ein viel köstlicheres ding war als für uns, denen die physiker es als eine verfehlte maschine darstellen, und dafs der Grieche

in φῶς die rettung mit hört, mufs man nachzufühlen gelernt haben, um die schönheit der verse voll zu begreifen.

565 ἐμῆς ἔργον χερός: mea manu opus est entspricht ganz genau, denn 565 der genetiv ersetzt den ablativ, genauer den instrumentalis (δεῖ ἐμῆς χερός indiget mea manu), dessen verlust die sprache gezwungen hat, da wo sie sagen wollte, “hier hat meine hand zu wirken’, dieselbe nominale wen- dung zu brauchen, die in ἔργον Avolnmov bezeichnet, dafs Lysippos dies gewirkt hat. auch die lateinische wendung ist durch die verbale kraft des nomens herbeigeführt, wie usus est mea manu besonders deut- lich zeigt. gewöhnlich in diesem sinne ist nur οὐδὲν ἔργον oder sonst negative wendungen.

566 ob Lykos ein haus hat, ob seine demolirung zweck hat, davon weils 566 Her. nichts. beides ist auch gar nicht der fall. es lodert eben der jähzorn

in ihm und bringt ihn schon hier zu törichten plänen, die er in wilder übertreibung prahlend ausruft: auch nachher, wenn der verderbliche wahnsinn ihn beherrscht, ist die zertrümmerung des schlosses seines

568

158 Commentar.

feindes sein hauptwunsch: die überfülle von kraft sucht sich eine mög- lichst gewaltige aufgabe.

568 ῥέψω κυσὶν Eixvoua würde man erwarten: ἑλώρια τεῦχε κύνεσσε. aber die leise abweichung hat ihren guten grund und ist nicht etwa von metrischen rücksichten eingegeben. Her. wirft das haupt nicht den hunden hin, er wirft es nur weg, und da finden es die hunde wie allen unrat der gasse.

569 569 logisch geordnet mülste die rede lauten Καδμεέων τοὶς μὲν τῷ

57

pi

572 875

577

ῥοπάλῳ διαφϑείρων, τοὺς δὲ κατατοξεύων τόν τε Ἰσμηνὸν νεκρῶν ἐμπλήσω καὶ τὴν Ζίρκην μιανῶ τῷ αἵματι. aber die wilde wut malt sich darin, dafs statb geordneter gedanken ein bild nach dem andern dem Her. vor der seele aufsteigt, und jedes sofort die herrschaft über den satzbau erringt.

571 διαφορεῖν zerreilsen, zerfleischen, ist eigentlich für den erfolg der pfeilschüsse ein zu grausames wort, das eher dem schlage der keule zu- konmt. die phantasie des Her. labt sich am grassesten und blutigsten : die inconcinnität ist also wolberechtigt.

572 νεκρῶν φόνου construction dx παραλλήλου; zu 179.

575 die euphemistische form der verwerfung, des lossagens durch yae- θέτω, χαίρειν λέγω ist attisch. schon A. Ag. 251 wird es geistreich weiter gebildet: τὸ μέλλον ἐπεὶ γένοιτ᾽ ἄν κλύοις. προχαιρέτω" ἴσον δὲ τῷ προστένειν. d.h. τὸ μέλλον πρὶν ἂν γένηται οὐδέν μοι μέλεε, χαέρειν λέγω αὐτῷ, ἴσον δὲ τῷ λέγω οἰμώζειν. bei Eur. hier und Med. 1044 Hipp. 113 ganz wie im leben und in der späteren prosa ange- wandt. dafs es damals auch in ionischen kreisen galt, zeigt Pherekydes (schol. Apoll. Rhod. IV 1596), Ἡρακλῆς λαβὼν za μῆλα χαίρειν εἰπὼν τῷ Arkavysı ἀπέρχεται ἐς Muxnvag, woraus ein höfischer gelehrter gemacht hat ““Herakles empfiehlt sich dem könige und wandert nach hause”. bei Herodot IV 127 xAalsır λέγω. das würde in Athen für grob gegolten haben; aber Her. zeigt ja besonders, dafs die schicklich- keitsbegriffe der lonier ganz andere als die attischen sind; auch 8. g. unanständige, in wahrheit natürliche dinge, nennt er mit ihren namen, während die Athener peinliche decenz üben, die in lonien, ehe es demo- kratisirt ward, wie das epos zeigt, auch sitte gewesen war. die πόγοε sind die arbeiten seines dienstes, die Her. überwunden zu haben glaubt. 577 ἀμύνειν χρή hat Her. gesagt 574. daran könnte sich schliefsen καὶ ϑνήσκειν χρὴ ἀμύνοντα, obwol auch dann, weil χαὶ intensiv ist, eine verbindung wie χρὴ δὲ καὶ Synoxeıy passender sein würde. aber die blofse anreihung, wie sie die wortstellung zeigt, “ich mufs helfen, und

vers 568---581. 189

mufs auch sterben beim helfen’ ist leer. für Her., der die welt über- wunden hat, ist die gefahr im kampfe mit einem feigen eindringling keine realität, und nur der gedanke entspricht seinem selbstgefühle “ich muls ihnen helfen, davor verschwindet alles verdienst meiner taten. ich mülste sogar für sie sterben, wie sie für mich es getan haben, sonst würde man mit recht sagen, dafs ich nur auf commando tapfer wäre und mit meinem ruhme wäre es vorbei”. woran sich das wort des chores schliefst “allerdings ist dies ein fall, wo du aus freien stücken zu helfen verpflichtet bist”. in der überlieferung ist dieser sinn durch zwei an sich ganz geringfügige versehen verdunkelt, zu denen die im altertum oft un- bezeichnete elision und krasis anlals gab. 577 ist xal ἔδει zu καὶ δεῖ 583 δέκαια τοὔστι ἑχόντα σε ὠφελεῖν zu δίκαια τοὺς Texövzag ὠφε- λεῖν geworden.

ἔδει μ᾽ ὑπὲρ τῶνδε ϑνήσκειν, εἴπερ τούσδε erwartet man: aber sie hatten nicht die verpflichtung, sie haben es aber getan: das liegt in εἴπερ οἵδε ἔϑνῃσχον. 580 πομτπεή ist “geleit’. der gott, der jemanden sendet, ist und bleibt bei dem, durch welchen er wirkt. so sehen wir auf den gemälden der alten zeit Athena und Hermes bei Herakles taten gegenwärtig, und ist es überhaupt sitte, die götter mit darzustellen, durch deren zounel die handlung geschieht. so redet man von Sela πομπή, oft bei Herodot; πομπᾷ Aıös Eeviov kam Helena nach Hlios (A. Ag. 747), πομπαῖσιν ᾿Αφροδίτας Paris nach Sparta (E. Hel. 1121): danach ermesse man, mit welcher bitterkeit Her. von sich sagt, dafs er die taten Εὐρυσϑέως πομ- παῖσεν vollbracht habe. für die einfache aussendung könnte man zwar ἐκπεμφϑεὶς Ur’ Εὐρυσϑέως sagen, aber das nomen hat ganz anderen klang. 581 seiner stimmung gemäfs läfst Her. die abhängige construction fallen, welche ἐχπεονεῖν entsprechend zu ἐλθεῖν fordern würde. ἐχπονεῖν = sovoüvra ἐκποδὼν ποιεῖν vgl. ἐχμοχϑεῖν 309. 582 das starke futurum λέξομαι ist nur noch in der tragödie erhalten, schon die archaische prosa kennt nur λεχϑήσομαι. 585 was in der natur des Her. liegt (denn das ist σπερὸς σοῦ vgl. πρὸς γυναικὸς αἴρεσϑαι xdap A. Ag. 592), ist das grundgesetz für des rechten mannes handeln in der volkstümlichen moral, über welche sich erst Platon, oder vielmehr nur Platon erhebt. vgl. Bernays ges. schr. 1 214. 587 in τέ δ᾽ ἐστί ist die partikel wesentlich um den hiatus zu vermeiden eingeschoben, welchen Euripides im gegensatze zu den übrigen tragikern und der komödie nirgend mehr nach τέ zugelassen hat.

581

592

Herakles Amphi- thryon.

160 Commentar.

ὅ88 588—92 diese verse geben an, dafs sich Lykos auf einen starken anhang wahrhaft catilinarischer existenzen stütze. die schilderung entspricht genau der welche Platon von dem anspruchsvollen aber verarmten adel gibt, welcher sich in oligarchien bildet und den umsturz in die demo- kratie bewirkt Pol. VIII 555° ἐν ταῖς ὀλιγαρχίαις ... ἐφιέντες ἀκο- λασταίνειν οὐκ ἀγεννεῖς ἐνίοτε ἀνθρώπους πένητας ἠνάγκασαν γενέσϑαι. ... κάϑηνται δὴ οὗτοι ἐν τῇ πόλει κεκεντρωμένοε. .. οἱ μὲν ὀφείλοντες χρέα, οἱ δὲ ἄτιμοε γενόμενοι, οἱ δὲ ἀμφότερα, μισοῦντές τὸ καὶ ἐπιβουλεύοντες τοῖς κτησαμένοις τὰ αὑτῶν καὶ τοῖς ἄλλοις νεωτερισμοῦ ἐρῶντες α. 8. ἡ. in die oligarchie gehört diese sippe, wie Platon sagt und die geschichte bestätigt, denn sie wird gefährlich, weil sie ansprüche macht und vorrechte besitzt, die es in der demokratie nicht gibt. also in Athen konnte Eur. diese typen nicht finden. seine schilderung der attischen parteien ist denn auch ganz anders, Hik. 232—45. wenn er die verse gleichwol gemacht haben sollte, so würde ein für uns uncontrollirbarer hinblick auf auswärtige verhältnisse anzunehmen sein, und für Theben oder Argos oder Thessalien mag das bild damals zugetroffen haben. dafs die verse nur unter einer bestimmten politischen beziehung denkbar sind, ist klar, da sie aus dem stücke völlig herausfallen, und nicht das leiseste zeichen eines mangels ist, wenn wir sie weglassen. ἐχϑροίέ 594 sind dann einfach Lykos und die Thebaner: dafs sie ihm anhängen, ist ja vorher allseitig zu erkennen ge- geben. andererseits ist zwischen 592 und 93 keine verbindung, und man steht somit vor der wahl, etwas zuzusetzen oder die versreihe auszu- scheiden. nun fehlt aber nichts wesentliches. es steht also so: verse, die mit dem drama inhaltlich nicht verbunden sind, sind auch an dem platze wo sie überliefert sind, nach beiden seiten unverbunden. das spricht für die unechtheit. in den versen selbst sind zwei wendungen, welche verdacht erregen und welche ich wenigstens nicht als euripi- deisch zu rechtfertigen vermag. ὀλβέους τῷ λόγῳ δοκοῦντας elvar; darin ist nicht so sehr die tautologie anstöfsig, obwol ich keinen beleg gefunden habe, als τῷ λόγῳ, denn “dem namen nach’, im gegensatz zu ἔργῳ heifst λόγῳ. da gehört der artikel nicht hin. ἦν ἐν Moxr- vaıg τῷ λόγῳ, unten 963, heifst "nach seiner rede’. diese bedeutung verträgt sich mit δοκεῖν nicht. zweitens διαφυγόνϑ᾽ ὑπ᾽ ἀργίας. weder διαφεύγειν im sinne von diffluere dilabi διαρρυῆναι ist zu belegen, noch pafst die praeposition, da duagpevyeıy entkommen bedeutet, also die praeposition in dem sinne, welcher nahe an &x streift. somit scheint es unvermeidlich hier einen zusatz anzuerkennen, der denn freilich in

vers 588--- 596. 161

alter zeit mit politischer spitze für den bühnengebrauch gemacht sein muls. es ist in diesem drama die einzige alte interpolation. 596 οὐχ ἐν alolnıc ἕδραις mit vorwegnahme der negation, die zu αἰσέοις gehört. Pind. N. 9, 19 αἰσιᾶν οὐ κατ᾽ ὀρνίχων ὁδόν. man redet müg- lichst eupbemistisch. wir wissen im allgemeinen, dafs der glaube an ‘an- gänge’ und insbesondere an vogelzeichen das attische volk wie die Griechen überhaupt beherrschte. das ältere epos hatte sich im wesentlichen darauf beschränkt, dafs das erscheinen des adlers eine manifestation des Zeus ist, und wenn etwas besonderes kundgetan wird, so tut auch der adler etwas besonderes. aber in der zwischenzeit war der aberglaube gewachsen, und es gab offenbar schon ein ganzes system von regeln darüber, was ein vogel, der da oder da sich gezeigt, dorther und dorthin geflogen, be- deutete. ein stück eines solchen rituals haben wir aus Ephesos (1. G. A. 499). mittlerweile war jedoch das zauberwesen etwas in miscredit ge- kommen. man darf vermuten, dals es der zuwandernden bevölkerung angehört hat, und je mehr sich diese hellenisirte, zurttcktrat, während die Italiker, die so viele berührungen mit den Dorern haben, die vogel- schau bis zum äufsersten treiben. im 5. jahrhundert spielen die oiw- vooxörroı nur noch in der sage eine geachtete rolle, und es gab keine officiell anerkannten augurn in Athen, wo der μάντιες vielmehr als prophet die zukunft deutet. Eur. läfst keinen geringeren als Theseus den aberglauben der vogelzeichen verwerfen (Hipp. 1059), was ihn natürlich nicht hindert die vogelschauer der sage in ihrer überlieferten geltung zu lassen und auch Her. die vorurteile der Athener teilend darzustellen. von der griechischen auguraldisciplin, der methode dieser tollheit, wissen wir Aufserst wenig, obwol es darüber sogar gedichte ge- geben hat. denn die ornithogonie der s. g. Boio, ein gedicht, das Philo- choros gekannt hat, lief auf solche praktische regeln hinaus, und ein Delier Hermon hat zwischen 319 und 167 (denn nur in dieser zeit gab es Delier), wie es scheint geradezu über vogelzeichen gedichtet. wir haben zwei bruchstücke bei Porphyrios zu B 370 und Καὶ 274, von denen das letzte hier stehen mag, weil es die αἰσία ἕδρα erläutert. ἐρῳδιὸς γεελλὸς ἐν πεδίῳ φαινόμενος δαπέδου μεδέοντος

ἔστι Ποσειδῶνος, {δι᾿ ἁλὸς μεμαῶσι νέεσϑαι)

ἄρμενος ἐς πόλεμόν τὸ καὶ ἐν νήεσσι μάχεσϑαι.

ἐσθλὸς καὶ πεζοῖσι καὶ ἱππήεσσιν ἄριστος

ἐν πεδίῳ ϑεμένοισι μάχην (ἐν ὄρει δέ γε χείρων

φαινόμενος)" μάλα γὰρ πέλεται νικηφόρος ὄρνις.

v. Wilamowltz II,

596

162 Commentar.

ἔς τε βοηλασίην ὁρμωμένῳ ἐπὶ λείην

ἄρμενος" ὁπλίτην χεν ἄγων οἴκονδε νέοιτο"). in der kaiserzeit hat es zahlreiche bücher üher νοσοϊθηυρ gegeben (Galen XV 444), die aber verloren gegangen sind, weil diesen aberglauben die christen ausnahmsweise wirklich abgelegt haben.

508 598 hier würde man auch zuAır eher als χϑόνα erwarten; vgl. zu 542.

599 599 καλῶς ‘gut’; aus der sprache des lebens, z. b. Ar. Frö. 898. bei Eur. z.b. Ion 417. Amph. hat die list sich ausgedacht, durch welche Lykos fällt, aber er weils, dafs Her. nicht für heimlichkeit ist, sondern für’s drein- schlagen, kein πολυμήχανος wie Odysseus, sondern ein ϑρασυμήχανος (Pind. Ol. 6, 67). so lockt er ihn durch den vorwand, erst die götter des hauses zu begrüfsen, hinein. wenn er drinnen nur warten wollte (603), würde sich ganz in sicherheit alles von selbst machen. Her. wird ın der tat nur durch diesen vorwand bestimmt. für Amph. aber kommt es darauf an, dafs Her. hineingeht. das ist in der überlieferung verwischt, weil ἐσελϑών unter dem einflufs des folgenden πρόσειπε eine falsche praeposition erhalten bat.

601 601 αὐτός “von selbst”, ohne dafs du etwas dazu tust.

602 602 nur ganz als nehensache erwähnt er seinen eigenen tod; wie 41 und immer betrachtet er sich als nebensache.

604 604 das was man gewinnt, pflegt bei xeodalvw im acc zu stehn (zuerst bei Pind. Isthm. 4, 24), allein das ist nur eine erweiterung des eigentlich adverbiellen d. h. als apposition zu dem verbalobject gedachten gebrauchs des neutrums wie un xaxa κερδαίνειν Hesiod OD. 350, τὰ χέρδῃ κερ- davei δικαίως S. OT 889. denn das wort ist seiner natur nach intran- sitiv und heifst “profit haben’. dieser gebrauch hat denn auch zu allen zeiten vorgewaltet. das wodurch man profit hat, kann dann neben prae-

positionalen constructionen (meist ἀσεό &x) im instrumentalen dativ stehn.

-—

1) Die ersten worte gehören dem berichterstatter an. die lücke des zweiten verses war 80 zu ergänzen, dafs man am dritten nicht zu ändern brauchte, dann so zu interpungiren, dafs jedes praedicat zu ἐρῳδεός seine beziehung erhielt, und aus dem vorletzten verse, der so verstümmelt überliefert ist ἄς τὸ βρομέην ὀρμένω anssÄin», irgend etwas zu gewinnen, was der paraphrase ἀγαϑὸν λέαν τὸ σημεῖον τοῖς ἔνε- δρεύουσιν einigermalsen genügt und den letzten vers wieder schont. also der vogel der dem Poseidon gehört ist ein gutes vorzeichen, 1) wenn man zu wasser in den krieg zieht oder auch zu schiffe kämpft, 2) wenn man auf der ebene kämpft, weil Poseidon innıos δαπέδου μέδει, 3) wenn ınan auf rinderraub oder sonstige beute ausgeht: dann kann man sogar einen kämpfer erbeuten, durch den man ἀπερεέσεα ἄποινα gewinnt. dieser dritte fall machte das citat für die Nyktegresie passend: denn da erjsgen die helden ja den Dolon.

vers 598—610. 163

ganz deutlich Or. 789 τῷ χρύνῳ κερδανεῖς “du wirst durch den verzug vorteil haben’. Herodot 8, 60 gegen ende Meyapoıcı δὲ κερδανοῦμεν περιεοῦσιν “wir werden dadurch vorteil haben, dals Megara erhalten bleibt’.

so auch hier τῇ ἀσφαλείᾳ κερδανεῖς, nicht etwa “und die sicherheit gewinnst du dabei’. es ist also nicht blofs grammatisch falsch von einer vertauschung von accus. und dativ zu reden.

605 πρὶν als adverbium so zu setzen, dals ein zweites πρὶν als con- 605 _ Junction folgt, ist im drama ein anbequemen an die sitte des epos, und kommt nur noch vereinzelt vor (z. b. Kresph. 462). aber andere adverbia,

2. b. πρότερον sind auch noch in prosa zugesetzt worden.

Ampb. redet so allgemein, damit Her. nach belieben unter τόδ᾽ ev ϑέσϑαι die huldigung gegen die götter und die beseitigung des Lykos verstehen kann.

606 Her. ist jetzt wieder ruhig und entschlossen. daher die kurzen und 606 bestimmten sätze.

608 “da ich aus dem reiche der götter, die keinen loslassen, zurückge- 608 kehrt bin, will ich die verehrung derer, welchen ich im leben angehöre, nicht vernachlässigen’. so mufs man verstehen, also τὸ προσειτιεῖν ϑεοὺς

als object zu arıuaow. un ἀτιμάσωμεν εἰπεῖν Plat. Lach. 182°. ϑεούς

als object und der infinitiv epexegetisch dabei ist nicht gemeint, denn sonst würde un τεροσειτεεῖν stehen. bei Soph. OK. 50 un μ᾽ ἀτιμάσῃς ὧν σε προστερέπω φράσαι hängt von ἀτιμάσω der genetiv, φράσαι von σεροσερέπω ab.

609 die ϑεοὶ κατὰ στέγας sind der herl und der altar im hofe, der 609 Ζεὺς ἑρκεῖος, vgl. die vorbemerkungen zum botenberichte.

610 ὄντως ist eine bildung der attischen sophistenzeit: denn ἐόντως ist 610 überhaupt nicht wirklich gebildet worden. der älteste beleg ist bei Anti- phon tetr. 18 10 εἰκότως μὲν ὄντως δὲ un ἀπέκτεινα τὸν ἄνδρα, und

er gibt gleich auf das trefflichste die bedeutung vgl. οὐσέα 337; ebenso 10. das wort spricht dafür, dafs ein Athener in Athen die tetralogien geschrieben hat. Thukydides, der aufserhalb schreibt, hat das wort nicht. Eur. zwar nicht unten 1345, aber aulser dieser stelle Ion 222, Archel. 250 und Sophokles in der Phaidra 616 (wie man trotz der abweichung der besten bisher verglichenen Stobaeushandschriften um des deutlichen sinnes willen glauben mufs) und vollends Aristophanes mindestens 9 mal, und schon in den Wespen 997, also der junge mann eher als Soph. Eur., so dafs man recht das wort einer neuen zeit sieht. dann bei Xen. und Plat. etwa gleich häufig, bis letzterer in gewissen begriffsphilosophischen unter-

suchungen natürlich ein solches wort ganz besonders häufig anzuwenden 11}

164 Commestar.

in den fall kommt ob er das mil 20 oder ‚U jahren geian hat. kann man aus dem worte nicht abnehmen, das lag ikm zu jeder zeit parat, würde er übrigens sich auch zu jeder zeit zu schaffen manns genug ge- wesen sein, und fallen zu lassen, wenn ers nicht mehr braschte. die versuche die entwickelung Piatons aus dem buchstaben und nicht δὰ: dem geisie zu versiehen, würden also scheitern, auch wean sie an eine bessere statistik ihr urteil verkauft hätten als die ist, welche ὄνεως vor 400 nur ein par mal bei Eur. kenat').

611 γε sagt ja, καί schliefst das an, wonach Amph. zunächst fragen würde.

612 612 Eur. ueutet an, dafs ihm die sage wulbekannt war, nach weicher

613

53 [37]

Persephone zu Her. gunsten intervenirt halte. aller wahrscheinlichkeit nach hieng diese dem ursprünglichen sinne der sage widersprechende fassung mit der eleusinischen weihung des Her. zusammen, die Eur. nicht blofs aus lokalpatriotischem interesse 612 erwähnt, sondern die ihm einen anstofßs zu seiner gestaltung der fabel gegeben hat, vgl. bd. 16. er ver- mitielt also: die weihung nimmt er an, aber sie hat ıhm nur die krafi gegeben zu siegen, kämpfen hat er trotzdem gemufst. ähnliches schimmert in der erzählung durch in der 5. g. apolludorischen bibliothek 11 5, 12, während die von Eur. nur halb angenommene fassung bei Diodor IV 26 zu grunde liegt.

613 dafs der hund noch nicht abgeliefert ist, ist erfunden, damit Her. noch nicht am ende seiner mühen wirklich ist, den zug zu Eurysiheus noch vorbat und also im wahnsinn Javon träumen kann.

615 der hauptculi der Drvoperstadi Hermion war der der XA9uria, die man schon in Eur. zeit “αμάκηρ nannte (IGA 47. 45), die aber natür- lich auch von Kore manche züge trägt. es war ohne zweifel die erde, aber so dafs sich eine höhere als die elementare potenz dahinter barg; wie der syrische theologe Pherekydes seine Αἰ ϑονέη erst zur I, werden lafst. auch er nahm sie aus dem cultus seiner heimat (auf Mykonos I’; ΑΙ'ϑονέη Bull. Corr. Hell. ΥἹ1 398), und die benachbarten Kykladen zeigen viele verwandischaft mit den Dryopern von Euboia und der argolischen küste, die diesen namen ja nur von ihren dorischen feinden erhalten hatten, vgl. 15. wir wissen nur vereinzeltes über den cult, der nicht ganz in die gewöhnliche religion aufgieng, und manclıes deutet auf seine grofse wichtigkeit. wie denn die sage vom raube der Kore durch Theseus (von Trozen) und Peirithoos (den auch manches an die Argolis knüpft) wahr-

1) Für Aristophanes haben mehrere, seit dies geschrieben ward, die stalistik genauer geliefert: aber für euripideische erfindung gilt ὄντως noch.

vers 611—624. 165

scheinlich in Hermion ursprünglich ist. dafs der Kerberos dort nur sein konnte, wenn Her. ebenda emporgestiegen war, liegt auf der hand. diese sage überliefert nur Eur. aber wenigstens in dem benachbarten Trozen sollte er auch emporgekommen sein (Paus. II 31 Apollod. bibl.), während die gewöhnlichste sage Tainaron nannte. vielleicht gehörte die Kerberos- fahrt, ziemlich sicher die rettung des Theseus nach Hermion, von wo diese die Trozenier selbst erst sich für ihren heros entlehnt haben. und mit der Theseusfabel überkam Eur. den ort. 617 ἦλϑον- εἰδέναι. in prosa würde sicher partic. fut. stehen, das auch im drama weit überwiegt. infinitiv noch z. b. Soph. OK. 8 μανϑάνειν ἥκομεν. der infin. bezeichnet hierin, so gut wie der accusativ eines nomens, das ziel, deckt sich also nicht mit dem part. fut.

οἶδα hat keinen aorist, also müssen seine modi auch für aoristische bedeutung aushelfen. Ar. Wesp. 86 εἰ ἐπεϑυμεῖτ᾽ εἰδέναι “erfahren”. E. Eurysth. 377 εἰδέναι τὰ δαιμόνων “erkennen’, iv’ εἰδῶσι oben 245 und unzählige male in den motiven attischer volksbeschlüsse. 619 Θησέα ist mit synizese zu sprechen, denn das « ist lang im attischen, und nur im notfall darf man einem schriftsteller einen verstofs gegen seine sprache zutrauen.

die vorbereitung auf das erscheinen des Theseus war notwendig für das drama; aber es geschieht so kurz wie möglich. deshalb fragt Amph. nicht weiter, so befremdlich ihm die sache sein mufs, und wird Peirithoos gar nicht erwähnt. 624 ἀλλά. die adversativpartikel hat hier ihre kraft so gut wie 622, wo sie die aufforderung in gegensatz zu dem gedanken setzt, der fallen gelassen wird. nur ist hier mit worten nicht bezeichnet, wogegen der adversative charakter sich wendet. das liegt in der handlung: die kinder gehorchen nicht. also ist hier eine pause im vortrag nötig, welche der dichter nicht, wie die längere 629, durch eine interjection bezeichnet hat.

die tragödie wendet ϑάρσος und ϑράσος, ϑρασύς neben ϑαρσεῖν an, sowol in gutem wie in üblem sinne. das leben kennt nur ϑρασύς ϑράσος ϑαρρεῖν ϑαρραλέος, die ionisirende älteste prosa zieht ϑάρσος ϑαρσαλέος neben ϑρασύς vor. das nomen ward aber nunmehr ganz überwiegend in üblem sinne verwandt, den das altertum nicht gekannt hatte, und der in folge derselben sittlichen entwickelung entstanden war, über die zu v. 215. wenn noch hie und da jemand das wort ohne tadel verwandte, so war das ein archaismus, und den steigerten die spätlinge, indem sie auch die ältere form wider die sprachentwickelung aufnahmen. daraus machten dann die atticisten die verkehrte regel ϑράσος ἄλογος

619

Abgang.

166 Commentar.

ὅρμή, ϑάρσος εὔλογος z.b. Ammon. (d. h. Herennius Philo aus Hadrians zeit) s. 71. schol. Med. 469.

65 625 νᾶμα ist von einer früh abgestorbenen, aber ehemals kräftigen wurzel abgeleitet. saw fliefsen gehört einzig dem epos an und ist selbst da selten, besitzt auch lediglich den praesensstamm. in der religion sind die ναεάδες, ionisch νηέδες νιΐμφαι, die wassermädchen, und ist is Dodona Ζεὺς Νάεος und Διώνα Nala erhalten, die mit ναός nichts zu tun haben können, weil kein haus da war. Empedokles wird, auch wenn das jetzt nicht nach- weislich ist, seine Νῆστις, δαχρύοις τέγγει κρούνωμα βρότειον (35), aus irgend welchen ionischen speculationen genommen haben, denn der voca- lismus würde sonst befremden. γνᾶμα, das sein α nie gebrochen hat, und γαρός (aus να-ερός, nicht zu verwechseln mit γηρηέδες vngeis νερόν) sind ausschliefslich attisch. das adjectiv ist nur bei Aisch. Soph. als lebendig bezeugt; γᾶμα gestattet ein besseres urteil. es fehlt den Ioniern Aeolern Dorern, wie es scheint, ganz und ist nur von Athenern bis in späte zeit gebraucht. Parmenides Empedokles Epicharm, die lesbischen, die keischen Iyrıker kennen es nicht. dagegen ist es der attischen erhabnen prosa nicht fremd, und selbst Aristoteles und Theophrast wenden es unbedenklich an, letzterer allerdings lieber das deminutiv vauarıor, wovon ὕδωρ yauazıalov abgeleitet ist, das in der wiedergabe einer eidesformel (die, wenn delphisch, freilich dies wort ursprünglich nicht enthalten hat) sogar Aischines der redner zuläfst (2,115). die bedeutung hat sich aber von dem verschollenen verbum ganz gesondert. νᾶμα ist das netzende, nicht das rinnende wasser. γαματιαῖον ὕδωρ ist brunnenwasser, im gegensatze zum flufswasser. und man kann zusammenstellen νάματα καὶ ῥεῖϑρα (Xenoph. Kyneg. 5, 34) “stehendes und fliefsendes wasser’ (der gegensatz zu regenwasser, den der atticist bei Phot. Bekk. An. 233 angibt, ist aus der Aischinesstelle erträumt). dazu kommt es nur, weil dem worte eben der begriff jeder bewegung fehlt, es nur den stoff bezeichnet. flüsse und quellen bleiben dieselben, sagt Aristoteles (polit. I’ 3) καέπερ ἀεὶ τοῦ μὲν ἐπιγινομένου νάματος, τοῦ δ᾽ ὑπεξιόντος. ein ort der γάματα ἔχει wird oft quellen haben, aber in der bezeichnung liegt nicht mehr als in εὔνδρον. Plat.Kritias112 bleiben nach verschüttung der quelle Urathens τὰ νῦν νάματα ouıxoa, ‘die kleinen wasseradern’, die man in der nähe der burg hie und da ergraben hatte. in diesen verwendungen hat das wort sich erhalten, doch nur in der obersten schicht der schriftstellerei. von den nachahmern bedienen sich seiner auch mit vorliebe solche, welche hohen stil an- streben.

626 626 das drama drückt in der anrede das possessive verhältnis bei ver-

vers 625—628. 167

wandtschaftswörtern durch den dativ aus, ϑύγατέρ μοι, τέκνον μοι, γύναε μοι. der geneliv ist überhaupt nicht üblich; sein eindringen, z.b. in der jüdisch-christlichen litteratur vielmehr ein zeichen des plebejer- tums (nicht etwa ein hebraismus, denn die erscheinung greift weit über diese kreise hinaus). ein zusatz aber schien im drama besonders geboten, wo dieselben wörter so oft ohne verwandtschaftliche bedeutung in der anrede verwandt werden.

σύλλογον ψυχῆῇς λαβέ und 833 συλλαβοῦσα καρδίαν sind für den deutschen sehr leicht verständlich, weil wir “sich fassen, sich zusammen- nehmen’ in den beiden nuancen der bedeutung auch sagen. aber im griechischen ist beides eine dichterische lebhaft empfundene metapher. Homer O 240 νέον δ᾽ ἐσαγείρατο ϑυμόν, ® 407 μόλις δ᾽ ἐσαγ. 9.; aber das ist sinnlich: der ohnmächtige sammelt sich neuen odem und damit neues leben durch den ersten schlag der lunge. ebenso 86 457 ἀλλ᾽ ὅτε δή ῥ᾽ ἄμπνυτο καὶ ἐς φρένα ϑυμὸς ἀγέρϑη. aber in nach- bildungen kommt es dem euripideischen gleich, Apollonios Rhod. I 1233 aungavin δὲ μόλις συναγείρατο ϑυμόν von einem durch plötzlich erweckte leidenschaft aufser sich geratenen mädchen. derselbe ΠῚ 634 von Medeia die erschreckt aus schwerem traume auffährt μόλες δ᾽ ἀνα- yslpazo ϑυμὸν ὡς πάρος ἐν στέρνοις. Theokrit Adwviat. 57 καὐτὰ συναγείρομαε ἤδη. auch Platon deutet den anschlufs an Homer an, wenn er Protag. 328? μόγις πως ἐμαυτὸν ὡσπερεὶ συναγείρας sagt, oder Phaed. 67° zu συναγείρεσϑαι zusetzt καὶ ἀϑροίζεσϑαι. dals die euripideischen wendungen von Homer beeinflufst wären, ist wenig wahr- scheinlich; vergebens sucht man bei anderen nach analogien. Eur. selbst hat noch Phoen. 850 συλλέξαι σϑένος καὶ πνεῦμ᾽ ἄϑροισον. dagegen ist allerdings avalaußavsır ἑαυτόν, ἀνακτᾶσϑαι τὴν ψυχήν ganz ge- wöhnlich, aber zu συλλαβοῦσα καρδέαν 833 führt von da kein weg. 628 “ich habe weder die möglichkeit noch den willen mich euch zu ent- 628 ziehen’. die auslassung des verbum substantivum in erster person ist hier durch das unmittelbar folgende verbum in gleicher person doppelt un- anstößig; ähnlich gleich nachher 635. 6.

die begründung gilt natürlich dem ungerechtfertigten verhalten der Megara gegenüber nicht minder als dem der kinder. der ruf ‘lafst mich doch los’, der unmittelbar vorhergeht, läfst sich aber nicht wol auch auf Megara beziehen: eine frau am busen ihres gatten ist auf der attischen bühne nicht zu denken. also sind die worte καὶ μέϑεσϑ᾽ ἐμῶν πέτελων als ein halb ärgerlicher zwischenruf zu sprechen, den Her. mitten im satze ausstöfst, weil die kinder, weit entfernt ins haus zu gehen, ihm

168 Commentar.

selbst bei der bewegung hinderlich werden. er vollendet nun seinen satz und nimmt dann den in jenem ersten zwischenrufe angesponnenen faden auf. der dichter hat nicht nur die gruppe, welche sich auf der bühne dem auge darstellen soll, ganz lebhaft selbst geschaut, sondern die innere bewegung der stummen personen viel deutlicher gemacht, als irgend eine rede von ihnen vermöchte.

6 630 τοσῷδε μᾶλλον: ὅσῳ ἀφιέναι κελεύω. mit ἀφιέναι und μεϑέεναι ist lediglich um des wechsels willen gewechselt. vgl. zu 755. ὧδε: Ware οὐδαμῶς ἀφιέναι.

“auf dem rasirmesser gehen’ ist eine durch den gebrauch fast bis zur unverständlichkeit abgekürzte form der sprüchwörtlichen redensart, die eigentlich ein dilemma angeht, zwischen dem die entscheidung mit einem schlage rasch erfolgen muls, weil sie auf der schmalsten denk- baren fläche ruht und nach der einen oder andern seite notwendig fallen muls. K 193 ἐπὲ ξυροῦ ἵσταται axung μάλα λυγρὸς ὅλε- ϑρος ᾿Αχαιοῖσ᾽ ἠὲ βιῶναι. indem man nur die eine schlimme seite ins auge falste, wobei zum teil sicher ein ganz anderes bild (vom messer an der kehle) mittätig war, ist ἐσεὶ ξυροῦ εἶναι oder βεβηκέναε “in unmittelbar dringender lebensgefahr” geworden. im drama gewöhnlich, dann bei nachahmern wie Theokrit (Aı00x. 6) wenig schön ἀνδρῶν ἐτεὶ ξυροῦ ἔδη ἐόντων. den χαιρός, der eigentlich selbst die schnittlinie bedeutet, auf dem rasirmesser immer weiter laufen zu lassen, womöglich mit einer keule als balancirstange, bis ihn ein beherzter beim schopfe falst, ist eine unsagbare geschmacklosigkeit, und Lysippos, der dies in erz ausgeführt hat, hat sich schwerer versündigt als alle rhetoren und dithyrambiker, von denen Aristoteles und Dionysios sprachliche sünden verzeichnet haben.

631 631 γε gehört nicht blofs zu dem particip λαβών, sondern zu ἄξω λαβών». es hebt freilich nur wie immer einen begriff hervor, und dieser ist durch keine conjunction mit dem vorigen satze verbunden. gleichwol bewirkt die hervorhebung des begrifis ἄξω λαβών den eindruck einer gewissen verbindung. “ihr lafst nicht los, nun, so will ich euch mitnehmen ”, müssen wir übersetzen. aber das lehrt nur, dafs ye sich wol zu einer satzverbindenden partikel hätte entwickeln können. geschehen ist das nicht: dafs ἄξω γε nicht minder und in demselben sinne stehen würde, weun der dichter hypotaktisch ἐπδεδὴ οὐκ μεϑέεσϑε gesagt hätte, zeigt 861. in prosa würde etwa τοένυν stehen.

während er die kinder mit sich fortziebt, kommt ihm das gleichnis in den mund, das er dann in einem parallelsatz vollendet: daher die ver-

vers 630— 633. 169

schränkung der worte, denn eigentlich gehört ἐφολκέδας als object in den satz ναῦς ὡς ὑφέλξω. die ἐφολκέδες sind kleine fahrzeuge, welche mit tauen an dem hinterteil des kriegs- oder lastschiffes befestigt von demselben mitgeschleppt werden. in dem inventar der attischen marine kommen sie nicht vor, was wol nur bedeutet, dals sie wenigstens im 4. jahrhundert, aus dem unsere zeugnisse stammen, nicht vom staate gestellt wurden: wol aber zählt Moschion (Athen. 208f.) in der beschrei- bung des für Hieron von Syrakus erbauten riesenschiffes als &poAxıa einen χέρχουρος und eine anzahl ἁλεάδες und σκάφαι auf. Eur. hat das bild aufser der wiederholung unten 1424 noch Androm. 199, wo Andromache ihre kinder eine ἀϑλέα ἐφολκίς nennt. dasselbe bild in demselben munde hier und am schlusse des dramas schärft dem hörer den enisetzlichen umschwung des geschickes ein, dafs Her. hier ναῦς, dort EpoAxis ist, hier in vollen tönen seine kindesliebe ausspricht, dort von ihren leichen als ihr mörder scheidet.

632 ἀναένομαε eigentlich “nein zu etwas sagen’, vgl. alvw 275, (ἀνά 6832, wie in ἀγεύχομαι) also ‘ablehnen’ “abweisen’, mit persönlichem und sach- lichem object schon im epos. im attischen meist wie hier “etwas ab- lehnen, weil man sich zu gut dafür hält’; seltener weil man es zu gut für sich halt (E. El. 311); im gewöhnlichen leben technisch für die ab- lehnung eines heiratsantrages, Harpokrat. s. v., also aus der sprache des gesetzes, der solonischen zeit, erhalten. Eur. liebt das wort, und dies stück liefert mehrere belege für die bedeutung sowol in der richtung auf αἰσχύνομαι wie auf ἀγαναχτῶ, 1124. 1228. 1235. 1400. in letzterem falle kann auch ein particip dazu treten, 1235, I. A. 1502; dies ist wol Eur. eigentümlich. das wort ist fast ausschliefslich im praesensstamm gebräuchlich, zu dem nur vereinzelt der aus dem epos entlehnte aorist tritt. 633 avysa raydowırwy ἴσα kann Eur. nur geschrieben haben, wenn 633 er ihm den sinn beilegte “alles was dem menschen als solchem zukommt’. denn die allgewalt der liebe zu den kindern ist im folgenden durch zwei parallele sätze geschildert, von denen der verständliche zweite lautet “die menschen sind an vermögen verschieden: die kinder liebt jeder stand”; der erste aber umgekehrt “gleichheit gilt in allem .... .: hoch und niedrig liebt seine kinder”. folglich ist an der offenen stelle das genus einzusetzen, von welchem die kinderliebe eine species ist, das worin im gegensatze zum gelde gleichheit unter deu menschen herrscht. das würde in späterem griechisch unter dem einflufs der philosophie τὰ χατὰ φύσιν, τὰ πρὸς ἡμᾶς, lateinisch wol humana, deutsch “das menschliche” sein können: τἀνϑρώπων auf keinen fall, denn das blofs possessive verhältnis

Versmals.

170 Commentar.

gilt auch von den χρήματα. man vergleiche auch Hek. 805 und fgm. 1035, wo es gleichlautend heifst οὐδὲν ἐν ἀνθρώποις ἴσον, wenn oder weil das und das so ist; auch Hik. 432 καὶ τόδ᾽ οὐκέτ᾽ ἔστ᾽ ἔσον. sehr nahe liegt es τἀνϑρώπεια einzusetzen, aber so oft auch namentlich bei Thuk. av Jew- sceıog dasjenige bezeichnet was in der menschlichen natur liegt, so gilt das doch ihrer beschränktheit, endlichkeit, schwäche, und ist vollends ἀγϑρώ- σεξιος Oder, was sie vorzieht, Boorscog in der tragödie vielmehr das irdische als das menschliche. so kann die verbesserung nicht als gesichert gelten. ein blolses zaysa ἔσα könnte der speciellen sentenz schon vorausge- schickt werden, wie Sopl. Aias 1366 πάνϑ᾽ ὅμοια" πᾶς ἀνὴρ αὑτῷ φέλος. aber der zusalz zavdpwrwy würde auch diesen satz verderben, obwol kein gegensatz auf ihn folgt. vgl. auch Diktys 334 εἷς γάρ τις ἔστε κοινὸς ἀνθρώποις νόμος καὶ ϑεοῖσι ταὐτὸ δόξαν, ὡς σαφῶς λέγω, ϑηρσίν τε ττᾶσιν, τέχνα τίκτουσαν φιλεῖν" τὰ δ᾽ ἄλλα χωρὶς χρώ- μεϑ᾽ ἀλλήλων γόμοις.

635 οὐδὲν ὄντες durch den gegensatz bestimmt, vgl. 814. χρήμασεν δὲ διαφοροί εἰσιν, φιλότεκνοε δὲ πάντες war intendirt; davon ist im zweiten satze abgewichen, nachdem die ausführung ἔχουσιν, οἱ δ᾽ οὔ dazwischen trat. es ist ganz gewöhnlich, dafs, wenn auf einen ausdruck, der gleichsam eine summe bezeichnet, die einzelposten folgen, erst der zweite als solcher markirt wird, also wie man wol sagt, das einem τὸ de entsprechende glied mit μέν weggelassen wird oder vielmehr scheinı. ältestes beispiel X 157 παραδραμέτην, φεύγων, δ᾽ ὄπισϑε δεώκων. Xenophanes 1, 2 ἀμφιτιϑεῖ στεφάνους, ἄλλος ÖL... μύρον πορσύνει. Pindar Nem. 8, 37 χρυσὸν εὔχονται, τιδδίον δ᾽ ἕτεροε ἀπέραντον (dies dem ἀτιὸ κοινοῦ 237 ähnlich). Isthm. 5, 60 νέχας τρεῖς, ἀπ᾽ ᾿Ισϑμοῖ, τὰς δ᾽ an’ εὐφύλλου Νεμέας. Platon politikos 291° τὴν μοναρχέαν δύο πταρεχομένην εἴδη δυοῖν ὀνόμασιν, τυραννέδι, τὸ δὲ βασιλείᾳ. Aristoteles poet. 1. ἐλεγεεοτεοιούς, τοὺς δὲ ἐπτοπτοιεοὺς ὀνομάζουσιν und so sehr häufig in poesie und prosa. noch Himer. or. H1 18 εὐσεα- τρίδαι πάντες, χρυσοῖς οἱ δὲ ἀνϑίνοις ἐστεφανωμένοι τοῖς στέμ- μασιν, wo man ändert oder falsch deutet.

636 γένος" “stand” im 5. jahrhundert durchgehend, bei Eur. häufig. bei Platon wechselt es mit ἔϑγος. später tritt es zurück, doch heilsen z. b. die aegyptischen und indischen kasten so.

Dritte gesangnummer. Auch in diesem liede entspricht einheitlichem inhalt einheitliche form. beide strophen sind aus ionikern und glykoneen gemischt, beide drei-

vers 635. 636. dritte gesangnummer. 171

teilig, und der einfache an die längst volkstümlich gewordenen anakreon- tischen weisen anklingende glykoneische schlufs ist beiden gemeinsanı.

Die erste strophe zerfällt in drei perioden, ionisch die erste, dann je zwei zu 6 glykoneischen gliedern. also schema a ὃ; die beiden stollen sind freilich in der einzelbildung nicht so symmetrisch wie die der ersten strophe des vorigen liedes. der zweite besteht aus 6 zusammen- hängenden glykoneen, deren letzter katalektisch ist (pberekrateus). die responsion ist eine ganz strenge; nur im pherekrateus entsprechen sich länge und kürze der zweiten indifferenten sylbe. die 6 glieder des ersten stollen sind folgende:

Ks

-- - -w--

da die beiden letzten disticha einander gleich sind, haben wir in diesem teil wieder ein in sich abgeschlossenes gebilde der form a b b. synaphie ist nirgend wahrscheinlich, da die vereinigung von 664. 65 die messung - -U-w-0u- | -u-uu- ergeben würde: man mülste so abteilen, weil in glykoneen für die abteilung der zusammenstofs der betonten sylben entscheidend ist. alle einzelnen glieder sind in glykoneischen gedichten gewöhnlich. der abgesang, in diesem falle der erste teil, ist ionisch.

= UV. “ὦ «- = UV. v._ ὥὭμμω κ π N —- UVVU= Ua ᾿ὧς-ὸ -“--ὐὐνώι, - -

der erste vers ein katalektischer tetrameter, dessen erste drei metra als choriamben auftreten; das katalektische ist, wie sehr oft aus der ana- klastischen form entwickelt. der vers stammt aus Anakreon, der ihn stichisch verwandt zu haben scheint (24. 28). Eur. hat ihn öfter zum ein- gange von liedern genommen, Med. 643, wo ein enoplios mit ithyphallikos den übergang zu glykoneen bildet. Heraklid. 335.

= wu. = uU We Vo. --- [u m NWINGZ m Ve AU m UWyjm 2 UY U Um un

es folgen 4 glykoneen, der letzte katalektisch. ähnlich steht IA 1036 ein ionischer trimeter vor glykoneen, ebenso Hipp. 732

worauf nach der überlieferung in der strophe folgt u - v- - w-u--,in der antistrophe „u - u. -—- u ——-—, der zweite vers unserer strophe ist

172 Commenlar.

ein ionischer dimeter. er steht in den angeführten liedern der Herakleiden und des Hipp. an derselben stelle. dann folgt, einmal durch synaphie sicher verbunden, in dreifacher wiederholung ein glied, welches sich in der strophe des Hipp. zweimal, in den Her. hinter zwei ionikern einmal vor- findet; als abschlufs einer vorwiegend ionischen strophe z. b. Alk. 910. eine sichere erklärung ist für dieses wie für manche andere in ionischen reihen auftretende glieder noch nicht gefunden. |

Auch die zweite strophe ist dreigeteilt. auch hier ist der schlufs eine längere durch synaphie gebundene reihe glykoneischer glieder. es sind drei glykoneen, dann das glied -.--._.- und ein pherekrateus. jenes kürzere glied ist uns geläufig als schlufsglied der asklepiadischen und alkaischen zeile (edite regibus, stet nive candidum); es ist auch eine der primitiven formen des dochmius. die responsion ist eine freie, da die strophe mehrere längen durch zwei kürzen ersetzt: was zwar ionischem aber nicht aeolischem, sylbenzählendem, principe entspricht. aufserdem hat der letzte glykoneus in der strophe den daktylus an zweiter, in der anti- strophe an letzter stelle.

Die zweite periode besteht aus einem ionischen tetrameter der katalek- tisch und im zweiten metron anaklastisch ist. es folgt ein katalektischer ionischer dimeter und ein pherekrateus. denn es läfst sich zwar die zeile der antistrophe zoig ὕμνοισιν ὑπάρχει -- -- - wu -- -- als jonischer dimeter fassen, aber nicht die strophische καλλένεχον ἀείδω. die verschiedene behandlung der irrationalen sylbe ist im pherekrateus natürlich; ver- kürzung vor av, gar in der stammsylbe eines wortes, in Athen unerhört. ob die dichter 4ufserlich so ähnliche glieder verschiedener herkunft ein- ander gleich gesetzt haben, muls bei dem gegenwärtigen stande der metrischen forschung dahin gestellt bleiben.

Die erste periode hat folgendes schema

-- -w-|- --- -w- glykon.; das glied Maecenas atavis + gl.; gl.; abschliefsende reihe, nicht verkürzt, sondern erweitert über den glykoneus, wie das in der aeolischen, nicht auf der wiederholung desselben metrons beruhenden, rhythmik ge- wöhnlich ist. dafs diese verse so aufzufassen sind, dafür spricht der wechsel zweier formen des glykoneus im dritten verse: denn das scheint nur diese erklärung zuzulassen. es sei aber nicht verschwiegen, dafs die ersten beiden verse ein untadeliger ionischer hexameter eben so gut sein können, und

Dritte gesangnummer. 173

die fulgenden worte der stroplie, wenn man die anfangssylbe von ἀεὶ kurz milst, ebenfalls sich diesem malse fügen -- - u -.-u--u.-u--,W0 denn der abschlufs durch das aus der ersten strophe bekannte glied er- folgen würde. in der antistrophe aber ist behufs der responsion eine änderung vorgenommen, nämlich σπταεᾶνας δ᾽ für den singular herge- stellt, die sich von seiten des sinnes alles andere als empfiehlt. es ist hier also noch ein bedenken. aber leicht ist das nicht zu heben, und vor allem nicht auf grund dieser einen stelle hier. vielmehr wiederholen sich solche schwierigkeiten der entsprechung in anderen ersichtlich verwandten liedern, wofür schon die strophe und die dort angeführte stelle des Hipp. belege sind, und das verhältnis, in welches die attischen dichter die aeolischen und ionischen verse überhaupt, und speciell die formen, die wir glykoneisch und ionisch nennen, gesetzt haben, ist noch sehr wenig untersucht. es ist vielleicht das schwierigste problem der attischen metrik.

Das gedicht gehört in seiner art eben so zu den vollendetsten des Euripides wie das vorige. es war das lieblingstück von R. Porson'). jede strophe ist für sich ein abgeschlossenes ganze, die respondirenden pare schliefsen sich auch zusammen, und doch wird das ganze ebensowol durclı rhythmus wie durch gedanken zusammengehalten. ganz anders steht z. b. gleich das folgende dreistrophige chorlied.

Der chor knüpft an das schlufswort des vorigen liedes, die suda/uw» ı,Ba, an; die erscheinung von Her. heldenkraft hat ihm die wehr- und wertlosigkeit seines greisenalters doppelt empfindlich gemacht. so beginnt er mit einer verherrlichung der jugend und einem fluche auf das alter (str. 1). aber das höchste gut, die jugend, und das ärgste übel, das alter, wird den sterblichen nicht nach verdienst verliehen. wenn die götter gerecht wären, so mülsten die guten menschen sich ein doppeltes leben verdienen. dann würden sich die guten, die neu geboren würden, vor den schlechten auszeichnen, und würde der menschliche unverstand be- greifen, dafs bleibenden wert im wechsel der dinge die tugend und nicht das geld hat, das sie jetzt als höchstes ansehen (antistr. 1). aber weon wir auch alt sind: liebe und fähigkeit zum gesange ist nicht gealtert. das herz ist jung, und die Muse bleibt treu (str. 2). und so singen wir dem Her. ein danklied, der sich durch seine taten die göttlichkeit, also auch die ewige jugend, verdient hat (ant. 2).

1) Als ich vor 22 jahren Jakob Bernays gegenüber von Euripides in der gelb- schnäbeligen manier redete, die Schlegel aufgebracht hat, holte er einen text her und las den anfang dieses liedes. werden Sie nur erst älter, dann werden Sie merken, was das bedeutet.”

Inhalt,

174 Commentar.

Eur. spricht hier tief und wahr aus, was ein wesentliches stück der Heraklesreligion ist, und erst wenn man das στεφάνωμα μόχϑων oben und dies lied von der ewigen jugend als lohn der tugend zusammen- nimmt, versteht man beide recht. Teiresias prophezeit nach der ersten tat des Kindes Her. also (Pind. Nem. 1 am ende) ἐν εἰρήνᾳ τὸν ἅπεαντα χρόνον ἐν σχερῷ Gavxlay καμάτων μεγάλων ποινὰν λαχόνε᾽ EEai- oerov, ὀλβίοις ἐν δώμασι δεξάμενον ϑαλερὰν Ἥβαν axoırıy xai γάμον δαίσαντα πὰρ Ai Koovidg σεμνὸν alvnasıy νόμον. die weis- heit des weltenregiments preist er und preisen wir, welche nach den sauren wochen des erdenwallens die frohen feste im himmelssaale be- reitet hat für den, der τᾶς εὐγενέας πλέον ὑπερέβαλεν ἀρετᾷ. die hochzeit mit der Jugend ist der eine mythische ausdruck für den glauben an den himmlischen lohn für irdische mühen und irdische tugend. aber auch das gegenstück existirt, dafs Herakles das häfsliche Alter, das hier vom chore verwünscht wird, überwunden hat. wir lesen freilich nirgend mehr, wie “Alter mit seinem schleichenden tritt hat ihn gepackt mit der faust’, der held aber des krummnasigen spitzkinnigen scheusals sich erwehrt hat. aber wir sehen es inschriftlich bezeugt auf einer attischen vase aus der zeit um 480 (Journal of Hell. stud. IV t. 30. Lüschke Arch. Zeit. 1881 40), und man hat danach andere darstellungen verstehen gelernt, insbesondere eine in Olympia gefundene bronzeplatte argivischer fabrik (Friederichs Wolters Bausteine 341), so dafs die zugehörigkeit dieser sage zu dem ursprünglichen argivischen Heraklesmythos festgestellt ist, wie das freilich der inhalt selbst schon genugsam beweisen würde. vgl. 15. Eurip. ver- meidet es auf den kampf mit Geras oder die hochzeit mit Hebe direct hinzuweisen, weil er seine gedanken emporhebt über die regionen, welchen das ewige nur im mythischen bilde verständlich ist; aber hier hat er in der tat einmal empfunden wie das volk, das jene bilder geschaffen hatte, und ist der rechte kündiger des gedankens geworden, der sich in jenem mythos verkörpert hatte.

Aber noch mehr. der chor huldigt dem Herakles; der graue sänger bleibt sich treu (er weist ja auf seine ersten worte 110 durch die auf- nahme des stichwortes zurück), und dazu hat ihm das alter noch nicht die kraft genommen: das hält sich im rahmen des stückes und ist nicht mehr als der chor im ersten liede des Agamemnon auch sagt, an das Eur. auch hier, wie 110, gedacht hat. wenn er aber sagt, dafs beim schalle von Nöte und laute und bei Dionysos gaben er den Musen, die ihn zum choreuten gemacht haben, noch nicht valet sage, so ist das innerhalb des stückes nicht mehr verständlich. da ist es der attische bürgerchor, der

Dritte gesangnummer. 175

am Dionysosfest zum klange der musik den reigen tritt. gerade wo so ernste allgemeine worte fallen, wird die maske am ehesten fallen gelassen, erscheint die illusion als die erbärmlichkeit, die sie ist. Sophokles redete auch in heiligem ernste zu seinem volke, als er seinen chor aussprechen liefs “wenn die schlechtigkeit belohnt wird, und die sittlichen begriffe sich verwirren, wie es im archidamischen kriege begann, τέ δεῖ μὲ χορεύειν; dann hat auch dieser feierliche gottesdienst keinen zweck mehr” Ὁ. Τ. 896.

Das gelübde endlich, trotz dem alter Musen und Chariten zu dienen und niemals der ἀμουσία zu verfallen, geht auch hierüber noch hinaus; dafür genügt nicht der gedanke an den attischen chor, der doch schliefs- lich als greis immer noch eine maske trägt: das ist die ganz individuelle empfindung des dichters, der uns in seine seele einmal einen blick ver- stattet. und selbst das seltsame verlangen nach einem doppelten leben gerade für den, der seine zeit nicht vergeudet hat, verliert von dem geistig ringenden und strebenden manne, der die tyrannei der leiblich- keit schwerer empfindet, ausgesprochen viel von seiner befremdlichkeit. als G. Hermann 1843 sein jubiläum feierte, hat er den wunsch nach einem doppelten leben fast genau so vorgetragen und motivirt, wie Eur. es zwar nicht hier, aber in der parallelstelle Hik. 1084 tut: dafs man eines zweiten lebens bedürfte um die fehler des ersten nach der reiferen erfahrung wieder gut zu machen (brief bei Belger, Haupt als akadem. lehrer 22). ohne frage ist also in diesen strophen eine individuelle äufserung des tragikers anzuerkennen und als ein zuverlässiges zeugnis für sein leben und seine gesinnung zu verwerten. vgl. 1. 6.

Die erste stropbe schlägt wie im versmals so im inhalt volkstüm- liche weisen an. jeder Athener kannte aus der schule die elegie des Mimnermos (fgm. 5) ὀλιγοχρόνεον γένεται ὥσπερ ὄναρ ἥβη τιμήεσσα" τὸ δ᾽ ἀργαλέον καὶ ἄμορφον αὐτίχ᾽ ὑπὲρ κεφαλῆς γῆρας ὑπερκρέ- μαται, ἐχϑρὸν ὁμῶς καὶ ἄτιμον, τ᾽ ἄγνωτον τιϑεῖ ἄνδρα, βλάπτει δ᾽ ὀφϑαλμοὺς καὶ νόον ἀμφιχυϑέν. wenn Mimnermos das alter über dem haupte hängen läfst, so gibt ihm die sage vom steine über Tantalos haupt (Eur. Orest. 6 und da Porson) das bild ein. Eur. wählt dafür den Aetna, der auf Typhoeus liegt. so ähnlich die bilder sind, so ist doch ihr inhalt, unvermeidliche ewig drohende gefahr und unerträgliche schwere, verschieden, und da hier ein vom alter bereits belasteter redet, war die umformung auch nötig. volkstümlich ist ferner die bemessung des wertes nach gold und Perserherrschaft; vgl. Ion 485 πλούτου τεάρος βασειλικὼν τὸ ϑαλάμων. die stellung des Perserkönigs erschien den ὀλεγοτράτσεεζοι Ἕλληνες als das höchste, nicht sowol an macht als an sinnlichen lebens-

Eintel- erklärung.

176 Commentar.

genufs, und die edrdauuovia des grofskönigs wird unzählige male erwähnt, (vgl. z.b. Platon Euthydem 274" Lysis 211° u.s.w. διαλέξ. σκεῖετ. 212 Or. besonders Aristoxenos bei Athen. X11 545 ffg.). in der forın gehi aber was hier und so oft ähnlich gesagt ist zurück auf den iambos, den Archilochos einem zimmermanne Charon in den mund gelegt halte, οὔ μοε τὰ Γύγεειυ τοῦ πολυχρύσου μέλει μεγάλης δ᾽ οὐκ ἐρέω τυραννίδος. endlich ist auch der fiuch auf das Alter in der form der weise der skolien verwandt, die die Alhener beim weine sangen und zum teil improvisirten, z. b. dem des Timokreon ὥφελες δ᾽, τυφλὲ Πλοῦτε, μήτε γῇ μήτ᾽ ἐν ϑαλάσσῃ μήτ᾽ ἐν οὐρανῷ φανἕμεν" ἀλλὰ Ταάρταρόν τε valsıy κἀχέρονεα " διὰ σὲ γὰρ τὰ πάντ᾽ ἐν ἀνθρώποις κακά.

688 638 νεότας steht hier, 7ßa folgt gleichbedeutend 647; es soll eben jeder gedanke an die zu einer bestimmten person, zur tochter der Hera u. s. w. gewordene Hebe fern gehalten werden. ähnlich in einem wundervollen epigramm aus Acharnai τοὺς ἀγαϑοὺς ἔστερξεν Aons, ἐφίλησε δ᾽ Ἔπαινος καὶ Γήρᾳ Νεότης οὐ παρέδωχ᾽ ὑβρίσαι" ὧν καὶ Γλαυκεάδης δηέους ἀπὸ πατρίδος εἴργων ἠλϑ᾽ ἐπὶ πάνδεχτον Φερσεφόνης ϑάλα- μον. Glaukiades ist im dekeleischen oder korinthischen kriege gefallen (Bull. de Corr. Hell. ΠΠ 359).

639 639 dafs Eur. von σχόπελοι des Aetna redet, zeigt, dafs er keine vor- stellung von dem aussehen eines vulcanes, geschweige des Aetna hatte. er ist nie in Sicilien gewesen, und sein Kyklop, der am Aetna spielt, entbehrt jedes localcolorites. wie wahr dagegen nennt aus eigener an- schauung Pindar (Pyth. 1, 20) die κέων οὐρανία, eben auch in verbindung mit Typhoeus, der hier zur nennung der Aetna geführt hat. denn davon kann keine rede sein, dafs er exemplificatorisch für einen hoben berg überhaupt hätte genannt werden kännen: diese inhaltsleere verwendung geographischer namen, die die römische poesie (um so ungenirter als sie auch die entsprechende geographische ignoranz zu entfalten pflegt) und auch schon die hellenistische für einen schmuck hält, 151 der classischen fremd. nur der Ida wird als typus eines waldgebirges genannt Hipp. 1253, wo ein naiver stallknecht spricht, und Ino 415, wo der sprecher unbe- kannt ist: Homer war schon im 5. jahrhundert fundgrube des poetischen ausdrucks. Soph. Tr. 119 hat freilich schon das πέλαγος Κρήσιον ganz wie Horaz das mare Creficum, wo die zoluvploıoßog ϑάλασσα 2. Ὁ. eben so viel oder besser mehr bedeutet hätte. Simonides 30 nennt in einem gleichnis das Awrıov ἀνϑεμόεν scedlor: aber er dichtete vielfach in Thessalien. das ist also vielmehr ganz individuell. wenn er nicht gar für einen Thessaler dichtet, so berichtet er aus eigener anschauung, wie

vers 638—649. 177

Dante so manche ganz besonders schöne geographische gleichnisse hat. das berührt sich mit der geographischen ἱσεορέη, vgl. bd. I 31, von der die schwäne am Kaystros im homerischen gleichnis B 461 schon eine probe sind. 641 σχοτεινόν steht praedicativ: was man mit stumpfer terminologie 641 proleptisch zu nennen pflegt. 642 ᾿“3σιῆτις : ionischer vocalismus wie 109. 642 645 μήτε, das ausnahmslos correlat ist, kann im zweiten gliede in der 645 poesie durch μή aufgenommen werden; ur μήτε aber ist unerhört. z. b. Med. 1348 οὔτε λέκτρων ὀνήσομαι οὐ παῖδας ἕξω προσειπεῖν. 647 καλλέστα steht in der anapher mit verändertem versaccent. Hekab. 165 647 κάχ᾽ ἐνεγκοῦσαι Τρῳάδες, κάκ᾽ ἐνεγκοῦσαιε in anapaesten. Herakl. 755 wie hier in glykoneen μέλλω τᾶς πατριωτίδος γᾶς, μέλλω καὶ ὑπὲρ φίλων. die für Alexandriner und Römer anerkannte tatsache solcher gesuchten klangwirkungen gilt auch für die ältere zeit. 649 das neutrum Γῆρας ist als person männlich, ebenso wie Κράτος im 649 Prometheus, Ἔρεβος bei Hesiod. die darstellungen des Γῆρας zeigen keine flügel, aber die befügelung ist eine nahe liegende vorstellung für wesen, die im himmel wohnen, und das tut das Γῆρας (Aristoph. Vög. 606), und über alle welt hin wirken; so haben Ὕπνος und ®Iovog, Δίκη und Νίκη flügel, und auch eine Ὁσέα, die der dichter eben erfindet, erhält sie, Bakch. 371 Ὁσία, κατὰ γᾶν χρυσέαν πτέρυγα φέρεις. hier wird also zunächst das alter, das den chor drückt, von ihm weggewünscht, κατὰ κυμάτων ἔρροι ist nur die formelhafte einkleidung. dann er- weitert sich das zu dem allgemeinen wunsche, dafs die verhafste gewalt nimmer auf erden ihr wesen begonnen hätte. da sie einmal da ist, soll sie bleiben, wo sie nicht schaden kann. die nächste strophe setzt den verzicht auf diesen äufsersten wunsch voraus, und macht einen beschei- deneren vorschlag.

der φϑόνος ist für das greisenalter in doppelter weise bezeichnend, einmal weil das alter dem gealterten alle lebensgenüsse misgünstig ent- zieht, zum andern, weil der greis die welt und zumal die anspruchs- volle jugend misgünstig ansieht. der neunzigjährige Sophokles sagt vom menschenleben OK 1231 τίς οὐ καμάτων ἔνε; φόνοι στάσεις, ἔρις μάχαι, καὶ φϑόνος, τό τὸ κατάμεμπτον ἐπιλέλογχε πύματον ἀκρατὲς ἀἁπροσόμιλον γῆρας ἄφιλον" ἵνα πρόπαντα κακὰ καχῶν ξυνοικεῖ. hier ist φϑονδρόν in φόνεον verdorben, aber gerade blutige gewalt ist dem Γῆρας nicht vorzuwerfen, und offenbar mufste hier etwas stehen, was der greis an sich als einen erfolg des Γῆρας empfindet.

v. Wilamowitz II. 12

178 Commentar.

652 652 δώματα καὶ πόλεις “familie und staat’, gewöhnliche zusammen- fassung, wie in χοινῇ ve καὶ ἰδίᾳ in der prosa, z. b. Hipp. 486.

654 654 die construction gibt die abhängigkeit von ὠφελεν auf, weil dieser allgemeine wunsch nicht als irrational ausgesprochen werden soll.

655 655 ξύνεσις hat zwar schon Pindar in dem gewöhnlichen sinne der “vernunft” im gegensatze zur vis consili expers; bei A.S. fehlt es. Eur. aber liebt es und wendet es sehr besonders an, wie sein feind Aristo- phanes wol bemerkt hat, der ihn zu dieser seiner göttin der, “Raison’, beten läfst (Frö. 893). ξύνεσις und sprache fehlen dem tiere, Tro. 672, sie verlieh gott dem menschen, als er die welt ordnete, Hik. 203. sie möchten wir gern durch die 2Arric zum schweigen bringen, ἃ. h. die vernunft durch den glauben, Hipp. 1105. sie wird schliefslich, weil sie uns erkennen lehrt, was wir getan haben, geradezu zum gewissen, Or. 396. sonst heifst es auch in der sophistenzeit nur ‘verstand’. Herodot ὅσεες γε σύνεσιν ἔχοι von dem ‘urteilsfähigen” beobachter II 5 VII 49. Demo- krit bei Stob. ecl. II 31,59 Wachsm. συνέσει καὶ ἐπιστήμῃ ὀρϑοτερα- γέων τις ἀνδρεῖος ἅμα καὶ εὐθύγνωμος γίγνεται. da ist es “einsicht’, im gegensatz zum zwange; vernunft im gegensatz zum dunklen drange liegt aber nahe. Hippokrates sv. τέχνης 1 τὸ μέν τι τῶν μὴ εὑρημένων ἐξευρίσκειν ξυνέσιος ἐπειϑύμημά ve καὶ ἔργον, das umgekehrte ist κακαγγελίη. das ist nicht mehr als ‘verständiges streben und unter- nehmen’; νόμος 2 ἰητρικῆς ξύνεσιν ἁρμόζεσϑαι = ἰητρικὴν ξυνεέναι. σε. ἱερῆς νούσου 19. 20 das gehirn ist das ἑρμηνεῦον τὴν ξύνεσιν: dies ist ganz der euripideische gebrauch; aber das ist auch eine selten- heit. übrigens scheint das wort in der ältesten schicht hippokratischer schriften zu fehlen. Thukyd. hat es oft und gesellt gern ἀρετὴ καὶ ξύνεσις, “energie und intelligenz”. Dionysios Chalkus in seinen gri- phosähnlichen versen sagt χατάϑεσϑε τὴν ξύνεσιν παρ᾽ ἐμοὶ für προσέχετέ μοε τὸν νοῦν (Athen. XV 6695). dabei bleibt es im wesent- lichen.

659 659 ἀρετᾶς so gestellt, dals es zu den beiden sätzen gezogen werden kann, zu den es dem sinne nach gehört. ausmalen darf man sich diesen vorschlag zur weltverbesserung nicht, sonst gerät man in das absurde. Eur. pflegt es auch sonst nicht besser zu gehn, wenn er seiner phantasie gestattet, solche blasen zu werfen. z. b. Hipp. 616, wie sich die welt ohne weiber fortpflanzen sollte, Hipp. 925 dafs es eine doppelte sprache geben Sollte. die beispiele von verjüngungen, welche die sage bot, wie Aison oder Iolaos, oder eine redewendung wie die des Phoinix, / 445 “ich würde dich nicht verlassen, οὐδ᾽ εἴ κεν μοι ἱποσταίη ϑεὸς αὐτὸς γῆρας

vers 652—669. 179

ἀποξύσας ϑήσειν γέον ἡβώοντα, haben ihn nicht bestimmt, sondern die ganz abstracte speculation und eigene empfindung. 662 der δίαυλος ist der lauf, bei welchem man am ziel des stadions 6862 umkehrt und zum ausgangspunkte zurückläuft. vgl. 1102. A. Ag. 344, - die heimkehr von Troia ist für die Achaeer ϑάτερον διαύλου κῶλον. Phokion sagt nach dem siege des Leosthenes καλὸν τὸ στάδιον εἶναι" δεδιέναι δὲ τοῦ πολέμου τὸν δίαυλον, Plutarch r. p. ger. praec. 6. hier steht also δισσούς pleonastisch. ἔβαν: zu 439. 664 Loc ist die einzige form welche die tragödie kennt, denn an allen 664 stellen, wo ζωά überliefert ist, gestattet, wie hier, das metrum die kürze oder fordert sie gar. 666 um das zutreffende einer vergleichung hervorzuheben, pflegt der 666 Atbener ein ἔσον ὅμοιον u. dgl. im singular oder plural vorauszuschicken. musterbeispiel ὅμοιον ὥστε ποντίαις οἶδμα etc. S. Ant. 586. 667 ἀριϑμός für das abstractum ἀρέϑμησις wie El. 1054 οὐδ᾽ eig 667 ἀριϑμὸν τῶν ἐμῶν ἥκει λόγων. Ps. Theokr. 25, 92 von den wolken οὔτις ἀριϑμὸς ἐν ἠέρι γένετ᾽ ἰόντων οὐδ᾽ ἄνυσις, d. h. οὐκ ἀνύομεν ἀριϑμοῦντες. der schiffer fährt nach den sternen, 2x τῶν ἄστρων δρέζεται τὸν πλοῦν. am bewölkten himmel aber hat er mühe und muls lange spähen, bis er die sieben sterne der bärin findet. es ist dem ein- fachen bilde “danach könnte man sich richten, wie der schiffer nach den sternen’ durch ἐν νεφέλαις ein zug anderer art beigefügt, um zugleich zu bezeichnen, dafs die guten eine geringe minderzahl sind. 669 ὕρος bezeichnet auch hier zwar noch “grenzlinie”, nicht viel anders 669 als fgm. 908, wo die βεοτὰ angeredet wird τὰ μὲν αὔξεις τὰ δ᾽ ἀπο- φϑινύϑεις, κοὺκ ἔστιν ὅρος κείμενος οὐδεὶς εἷς ὅν τινα χρὴ τελέσαι ϑνητοῖς, πλὴν ὅταν ἔλϑῃ --- ϑανάτου τελευτή. aber es ist doch die sokratische bedeutung der logischen definition fast erreicht. es könnte eben auch χαρακτήρ stehen wie oben. das eben angeführte bruchstück erläutert auch den sinn der folgenden worte und den gebrauch von αὔξει, das nicht ‘vermehren’ in sinnlicher bedeutung ist, sondern, wie oft in der poesie (z. b. IT. 412, 5. O T. 1094) ‘extollere’ verherrlichen. “gut und schlecht sind schwankende begriffe, denn die moralischen vorstellungen sind dem wechsel unterworfen: nur in der wertschätzung des geldes bleibt sich die menschentorheit consequent”. der αἰών τες ist der βιοτά jenes bruchstückes auch nah verwandt. denn αἰών, obwol mit ale! verwandt und in ableitungen wie αἰανής αἰώνιος, im späten gebrauche ἐξ αἰώνων εἰς αἰῶνας, in der neuplatonischen terminologie (αἰὼν περὶ τὴν ἀίδιον φύσιν, χρόνος περὶ τὸ γινόμενον καὶ τόδε τὸ πᾶν Plotin Enn. III 7, 1) 12*

180 Commentar.

für die ewigkeit verwandt, ist zunächst nur aevum, von dem auch aeviternus stammt. Aristoteles de caelo 1 279° αἰὼν ϑεέως ἔφϑεγκται παρὰ τῶν ἐρχαίων᾽" τὸ γὰρ τέλος τὸ περιέχον τὸν τῆς ἑκάστου ζωῆς χρόνον, οὗ μηϑὲν ἔξω κατὰ φύσιν, αἰὼν ἑκάστου κέχληται. κατὰ τὸν αὐτὸν δὲ λόγον καὶ τὸ τοῦ παντὸς οὐρανοῦ τέλος καὶ τὸ τὸν πάντα χρόνον καὶ τὴν ἀπειρίαν περιέχον τέλος αἰών ἔστιν. das zweite wird hier durch die etymologie ö ἀεὶ ὧν begründet; das erste ist die seit Homer geläufige bedeutung, die jedoch nicht etwa die ursprüngliche ist, denn lebenszeit ist αἰών nicht eigentlich, sondern erst in der häufigsten relation zu einem lebendigen subject. es ist vielmehr die zeit relativ, während χρόνος dieselbe absolut ist. der χρόνος hat gar keine relation und kann sie nicht eingehen: Zac καὶ Χρόνος ἦσαν aisl, hat Pherekydes von Syros seinen λόγος begonnen. man kann ihn sich ebenso, wie Heraklit tut (oder doch der Herakliteer Skythinos von Teos, ein geschlechtsgenosse des dichters Anakreon, bei Stob. ecl. 18,43), in der entgegengesetzten bewegung vorstellen wie aller einzelwesen und dinge αἰῶνες. überaus schönes und tiefes haben die philosophen und dichter von ihm ausgesagt; auch Eur. im Her. aber der αἰών ist gar nichts für sich; die eintagsfliege hat ihn und die krähe und die nymphe und gott: nur bei dem fällt er mit dem Χρόνος zusammen. jeder einzelne mensch hat seinen, aber auch ein volk, und so kann er eine “weltperiode’, eine ‘culturentwickelung” sein. man kann sagen ὑπερβάλλειν τὸν αἰῶνα, etwa von Homer, εὐδοχερεῆσαι πρὸς τὸν αἰῶνα von einem schauspieler, dem die nachwelt keine kränze flicht, und von dem dichter, dessen wort klingt, so lange es verstanden wird. hier liegt das tiefsinnige nicht in der speculation, sondern in der sprache selbst, der man nur nachdenken mufs. gespielt hat mit dem gegensatze Platon (Anth. Pal.IX51) “ἰὼν πάντα φέρει" δόλιχος Χρόνος οἶδεν ἀμείβειν οὔνομα καὶ μορφὴν καὶ φύσιν ἠδὲ τύχην. dem Aion verdanken wir alles, was an uns individuell ist, namen und gestalt, alles wofür wir πεφύκαμεν, alles ὧν τυγχάνομεν. aber der δολιχοδρόμος Χρόνος weils alles zu wandeln, τὴν ἐναντέην ὁδὸν πορευόμενος. φέρειν sagt Platon wie Sappho ἔσπερε πάντα φέρεις. wenn also Vergil (ecl.9,51) übersetzt omnia fert aetas, animum quoque, so hat er das gedicht misverstanden, wie die welche es für witzlos erklären: aber dafs es ein berühmtes gedicht war, bezeugt er auf jedem fall. verstanden hat auch Eur. seine sprache ganz, denn er läfst Χρόνος nicht nur den vater der tage sein Hik. 787, sondern auch des “ἰών Herakl. 897. und so redet er hier von ἑλισσόμενός τις αἰών was keine sprache wiedergeben kann; aber wer es versteht, wird die griechische bewundern.

vers 674—681. 181

674 die Chariten unter die Musen mischen heilst zunächst nur ein dank- 674 lied singen, den χαλλένικος. und Mnemosyne bedeutet zunächst nur, dafs das alter den chor noch nicht vergefslich gemacht hat. aber der oft schon im altertum angeführte spruch ist vom dichter darauf berechnet im weitesten sinne gefalst zu werden: das zeigt 676. 7.

677 die bekränzung ist für den Hellenen eigentlich immer ein zeichen 677 der weihung. die sitte ist dem epos fremd, hat aber schon von anfang des 6. jahrhunderts das ganze leben durchdrungen und sollte denn auch von Prometheus herrühren. geweiht ist 1) wer dem gotte wirklich ge- hört: so trägt Prometlieus den kranz von λύγος als erinnerung an die fesselung, und haben wir uns z. b. die delischen hierodulen bekränzt zu denken. 2) wer träger göttlicher machtfülle ist: so der beamte, das ἱερὸν τέλος, und für den civilbeamten ist der kranz das einzige abzeichen. deshalb trägt auch der ϑεωρός einen kranz, der vom gotte botschaft bringt, und auch der dichter hat deshalb den kranz verdient, der ihm in der vorstellung der antike immer gehört hat. 3) kränzt sich auch jeder mensch für den gottesdienst; so jetzt der attische chor, der an den Dionysien tanzt, so die teilnehmer an dem symposion, das ja mit gottesdienst, σπονδή, beginnt. auch der liebende, der seinem mädchen einen kranz darbringt, huldigt dem göttlichen. die wollbinde, στέμμα, darf mit dem στέφανος nicht verwechselt werden. sie trugen die kinder oben als totenschmuck: den kranz setzt man bekanntlich in der trauer selbst bei der heiligen handlung ab.

681 τὰν Ἡρακλέους καλλίνικον ἀείδω. man erwartet τόν so gut wie 681 180, weil der χαλλένικος ein gebräuchlicher name ist und der artikel dabei steht. allein der dichter hat es anders gemeint. der artikel steht als ersatz für das nomen, welches aus dem verbum zu ergänzen ist, ἀοιδή. (καλλίνικον ᾧδάν ΕἸ. 884) Soph. El. 1075 τὸν ἀεὶ πατρὸς στενάχουσα, Ar. Frö. 190 νεναυμάχηχε τὴν περὶ τῶν χρεῶν. Aisch. Ag. 1640 ζεύξω βαρείαις (ζεύγλαις). Plat. νόμ. 5, 734° τῇ τῶν δονῶν ἑκάτερος ἑκάτερον ὑπερβάλλων. den sprachgebrauch erläutert Haupt opusc. II 300. doch darf man nicht mit ihm die im griechischen sehr weit gehende verwendung des femininums für unbestimmte abstracta ver- wechseln. in vielen fällen ist eine solche ellipse nicht möglich, und die verbreitete annahme einer ellipse von ödog ist nicht statihaft, weil sie auch nicht ausreicht. z. b. Plat. Euthyd. 273° ἄλλην xal ἄλλην ἐπι- βλέποντες εἰς ἡμᾶς. Ar.Ritt.121 ἑτέραν ἔγχεον. Plat. νόμ. 5, 727 δευ- τέραν παρακελεύομαι. A. Eum. 638 ταύτην τοιαύτην εἶπον. Choeph. 646 διανταίαν οὐτᾷ. Ag. 219 πνέων τροπαίαν (wo πνοήν falsch sein

182 Commentar.

würde; nur seveüva hat den geforderten sinn). Hesiod Theog. 973 Plutos elo’ ἐπὶ γῆν τὸ καὶ εὐρέα νῶτα ϑαλάσσης πᾶσαν (wo ödor falsch sein würde: es ist ja das ziel im accusativ bezeichnet, szavyrooe). auch im plural Plat. polit. 272? τῷ ῥηϑέντε κατὰ πρώτας u.8.w. 68 il eine specialuntersuchung wert.

683 683 Βρόμιος ist bei Eur. wirklich name und zwar der häufigste name des gottes, nicht mehr ein adjectiv, welches ihm nur besonders zukäme, was es ursprünglich gewesen ist. Βρόμιαι νύμφαι = αἱ περὶ τὸν Διόνυσον xopsvovoaı in dem attischen skolion 5. βρομία Χάρις neben den chören und der Moöüca βαρύβρομος αὐλῶν bezeichnet bei Aristophanes (Wolk. 311) die Dionysien, wie Ζεωνύσου Χάριτες σὺν βοηλάτᾳ 4ιϑυράμβῳ den korinthischen dithyrambos bei Pindar (OL 13,18). ein solches epitheton statt des unbequemen Jıovyvoog zu wählen veranlafste das iambische maßs. zuerst hat es Aischylos (Eum. 46) einmal gesagt. βάχχος kommt als eigenname nur vereinzelt vor; lieber βάκχιος βακχεύς βακχιώτας. und erst in den letzten dramen des Eur. ist die adjectivische bedeutung verflüchtigt. dann hat es in immer steigendem malse βρόμεος verdrängt.

685 685 Alßvc heifst die flüte gewöhnlich, weil sie aus λωτός ist, v. 11.

686 686 χορεύειν ist eigentlich “tänzer sein’, und kann deshalb als object den oder das erhalten, welchem der tanz gilt, einen gott S. Ant. 1153, γάμους E.1A.1057, und ein passiv bilden gleich χορῷ τιμᾶσϑαε 8.01. 1094. aber hier und 871 und 879 im passiv bedeutet es “zum tänzer machen’. das ist sonst ohne beispiel, denn ἐξεχορεύσατο Hel. 381 ist unverständlich; aber ein analogon ist Baxxsevser, eigentlich ein Baxxos sein, und so 898, aber auch zum βάχχος machen 966. beides auch sonst häufig.

687 687 über die delischen hierodulen vgl. I 6. wie dem Arollwy der paean gesungen wird als dem unheilsabwender zum gedächtnis an die überwindung der schlange von Pytho, so dem ‘Hoaxkig alsälxaxog wegen der vertilgung der ungeheuer: beide sind die begründer der ge sittung.

689 689 eurraıg γόνος mit abundirendem zweitem bestandteil des adjectirs. ebenso 1. T. 1234. das ist der poesie ganz geläufg. καλλέπαιες Sea (die Κόρη). Or. 904, καλλέπαεις Φαῖδρος Plat. Phaidr. 261, εὐπάρϑενος Aloxa Bakch. 520, μεγακήτης δελφίς ® 22 ist anders und seltener: das ist “die schöne jungfrau Dirka’ u. s. w. also ähnlicher dem folgenden εἱλίσσουσαε καλλίχοροι “ἴῃ schönem reigen sich drehen’, χοραγὲ der φένων καλλιχόρων Hel. 1454.

vers θ8ὃ---690. 188

690 ob der accusativ τὸν Aaroüg γόνον zunächst mit παιᾶνα ὑμνοῦσε 690 oder mit εἱλέσσουσαε zu verbinden ist, zwischen welchen worten er steht,

ist nicht zu sagen, da er mit beiden verbunden werden kann, indem sie die construclion eines xogelg rıuay übernehmen, da sie dasselbe be- deuten. ἑλέσσω ist, wie Aristophanes auch nicht verfehlt hat in seinen parodien aufzustechen, ein lieblingswort des Eur. er braucht es tran- sitiv “im kreise herumbewegen 926 und dazu das passiv 671, intransitiv, 1.T.1145, und davon fortgehend ἑλέσσετε ἀμφὶ ναὸν ἔρτεμιν ΙΑ. 1480. 692 γέρων ἀοιδὸς nimmt zunächst dasselbe wort aus der strophe auf. 692 durch den klang, den hier der rhythmus mächtig ins ohr fallen läfst, die responsion des versmalses und des gedankens hervorzuheben ist ein allen dichtern umfänglicher respondirender gedichte wolbekanntes und nur von denen die blofs mit den augen lesen oft übersehenes kunstmiltel. hier aber ist der γέρων ἀοεδός das stichwort, welches zugleich auf die parodos zurückweist. denn dort war der schwan nur ein bild des greisen- alters, an dessen farbe wieder erinnert wird: hier in verbindung mit Apollon und Delos ist er zugleich der geweihte sänger des gottes, den

er bei seiner geburt in Delos einst begrüfst hat (Kallim. hymn. 4 249) und bei jeder epiphanie von neuem begrüfst. und ein bedeutsames licht fällt auch auf das vorige grofse lied zurück. das war ein Alvog, dies ist ein paean. jene klagende weise tönt zwar auch dr’ εὐτυχεῖ μολπᾷ: allıyov αἴλινον εἰπέ" τὸ δ᾽ ev νικάτω. jetzt triumphiren wir: τὸ γὰρ ev τοῖς ὕμνοισιν ὑπάρχει, d.h. τὸ εὖ ὑπόκειται τῷ παιᾶνι. dort be- zweifelten wir die vaterschaft des Zeus: jetzt ist sie sicher; und doch steht die ἀρετὴ noch höher als sie.

693 πολιὰν ἐκ γενύων ist so gestellt, dafs man schwanken mag, ob die 698 kehle des schwanes oder greises gemeint ist. "grau’ ist die .erste; denn die katachrese der späteren (z. b. Dioskorides Anth. Pal, IX 568 πολεᾶς ἔργα χερός) πολιός ganz für πρεσβυτικός zu setzen'), ist um so weniger zulässig, als das wort zugleich auch im eigentlichen sinne zu verstehen ist. es ist also vielmehr in gewissem sinne das verglichene und das bild in einander gezogen.

696 πλέον ὑπερβάλλεε Ἡρακλῆς τῇ ἀρετῇ τῇ κατὰ τὸ γένος 06 ὑπεερβολῇ, Διὸς ὦν. der artikel vor εὐγενέα hat stark demonstrativische bedeutung: sonst würde er zumal im liede nicht stehen. der genetiv neben dem coıparativ ist völlig correct, da dem dativ ἀρδεᾷ der dativ

τᾷ εὐγενέᾳ entsprechen würde. der sinn aber fordert gebieterisch, daß

1) Bei Pindar Pyth. 4, 98 ist πολεὲ γαστήρ gegensatz zu φαίδιμος: sordida mater. der adelsstolze Aegide schrickt nicht vor dem häfßslichen zurück.

184 Commentar.

der vorzug, welchen dem Her. seine eigene tüchtigkeit gibt, dem nunmehr auch dem zweifel entrückten vorzug der geburt entgegengestelit wird.

69 699 ἀχύμων hier wie γαληνός = ἥμερος; die metapher wird kaum ge- fühlt. später in philosophischer rede häufig; aber“ruhig von den stürmen der leidenschaften’, wie auch eudsog und γαληνός mit ableitungen gern gebraucht wird.

700 700 das zweite participium steht appositionell zu dem ersten, welches es erläutert.

Vierter auftritt 701—34.

Die vollziehung der strafe an Lykos hat für den dichter und hörer ge- ringes interesse. es ist ihm gleichgiltig, denn dals Her. mit ihm ohne mühe fertig werden wird, erscheint ganz selbstverständlich. darum tut der dichter diese sache kurz ab. nur die schlechtigkeit des menschen wird noch kurz gezeichnet, damit auch der mattherzige nicht zum mitleid verführt werde, obwol die Hellenen von dieser modernen schwäche sehr frei sind. wesent- lich ist dagegen, dafs die gerechtigkeit, die theodicee, gebührend an diesem exempel hervorgehoben werde, nicht an sich, sondern als contrast zu dem folgenden. der reflex der tatsache, nicht sie selbst hat wert: da das im liede sich besser tun liefs, ist der dialog nur eine brücke von dem vorigen liede zu dem grofsen folgenden. die dramaturgie ist völlig frei bei Eur.: Aischylos, der sich an die ἐπεισόδια, die regel dafs eine neue person kommen mufs, bindet, hätte so nicht dichten können.

701 man ist nicht berechtigt κατὰ τὸ ouwrrwusvyoy anzunehmen, dal; Amph. im hause aufgepalst hat, bis er Lykos kommen sah, und nun hervortritt um den tyrannen zu überlisten. diese motivirung hätte aller- dings für Eur. parat gelegen, aber er würde es gesagt haben, wenn er gebrauch von ihr machen wollte. in wahrheit erscheint Lykos erst jetzt, kommt Amph. jetzt heraus εἰς καιρόν für den fortgang der handlung, für das drama. es gehört zum stile des griechischen schauspiels, die motivirung des gleichgültigen zu verschmähen, und zum wesen des antiken publicums, adiaphora als solche hinzunehmen und sich bei ihnen nicht

aufzuhalten.

105 705 φαένεσϑαι aus der umgangsprache. 70987 Σώκρατες φαίνῃ fängt Platons Protagoras an. bei Eur. noch Bakch. 646 Ph. 1747. er sagt auch in kühner neubildung φανταζεσϑαι dafür Andr. 876. Phoen. %.

706 706 “lals sie erscheinen auf grund des vertrages, durch den ihr euch zu stellen versprochen habt’. also ganz logisch ἐπὶ τῷ οὕτως ὑποστῆναι

μᾶς. Lysias gg. Pankl. 10 ἐφ᾽ οἷς ἐξηγγυήϑη, οὔτε ἀδελφὸς

vers 699---Ἴ11. 185

ἤλϑεν. d. i. ἐπὶ τῷ ἀδελφὸν παρέσεσϑαι ἐξηγγυήϑη" οὐ μὴν ἡλϑεν οὐδείς.

107 ὕβρεν ὑβρέζειν gehört zu den ganz wenigen formeln, in welchen 707 ein verbum das nomen desselben stammes lediglich zur steigerung des begriffes zu sich nimmt. nur μανέας μαένῃ und λῆρον ληρεῖς ist gleicher art, gehört aber dem gemeinen leben, der komödie, an. aus derselben sphäre hat Eur. diese wendung genommen, die er allein, aber öfter, an- wendet. die ganze gruppe von spracherscheinungen, die nach dem vor- gange später grammatiker als figura etymologica unpassend bezeichnet wird, ist in erschöpfender weise mit musterhafter methode erläutert von Lobeck paralipom. 500 fig.

709 σττουδὴν ἔχειν = σπεύδειν, daher sowol adverbium μετρέως wie 709 object & dabei. eben so steht gleich ἀνάγκην προστιϑεῖς ϑανεῖν con- struirt wie ἀναγκάζεις.

710 Amph. hat die überlegene ruhe, die ihm verstattet mit den worten 710 zu spielen. in ἀνάγκην προστιϑεῖς ist ἀνάγκη zwang, in στέργειν ἀνάγκη ist es notwendigkeit, aber durch das wortspiel wird dies letztere

zu einem oxymoron. dann macht er eine pause, und spricht kurz die bereitwilligkeit aus. dafs so zu recitiren ist, zeigt die adversative partikel, denn wäre auch dies noch nachsatz zu dem satze mit ἐσεεί, so könnte nur die copula stehn. die leise nuance erhöht aber das ethos.

713 ὡς εἰκάσαι = χατὰ τὸ eixog. die wendung ist dem Eur. geläufig 713 und hat in der rede des 5. jahrhunderts zahlreiche, in der des 4. einzelne analogien. ausgedehnt ist der gebrauch zumal in der ionischen prosa des Herodot. ὡς ist darin keinesweges final zu fassen, wie die deutschen leicht wähnen (“um zu vermuten”), denn es kann auch fehlen,

2. ἢ. 8. ΟἽ. 82 ἀλλ᾽ εἰκάσαι μὲν ἡδύς, oft ἐμοὶ doxeiv. es steht also ganz wie neben praepositionen, vgl. 1416, und auch hier erscheint einzeln ὕσον. erklärt wird der absolute gebrauch des infin. lediglich dadurch, dafs er das verbum zu einem nomen macht, das indeclinabel ist und für alle casus eintritt: so hier für den locativ. neben ἐμοὶ doxsi» steht ἐμῇ δόξῃ; der gegensatz von ἔπος εἰπεῖν kann oft τῷ ὄντι sein.

714 Amph. mufs etwas erfinden, er redet langsam, und mit doppelter 714 reserve doxw, eixaoaı, das ärgert den tyrannen, der ihn anfährt “rive δόξαν τεχμαίρῃ; was sind das für umschweife?’ überliefert ist δόξης τῆσδ᾽ ἔχεις τεκμήριον. aber da noch gar keine δόξα geäulsert ist, so ist das leer, und der grad der probabilität ist für Lykos gleichgiltig.

116 “ἀλλ᾽ οὐδὲν negavel, εἴπερ σῴζεσϑαι δοκεῖ διὰ τῆς ἱκετηρίας". 116 717 καὶ τὸν Ἡρακλέα ἀνακαλεῖ, ἀλλὰ μάταιον τοῦτο ὀρϑῶς λέγεις" 117

186 Commentar.

τέϑνηχε γάρ. nur die partikel so an der rechten stelle geseizt gibt den versen die weitere bedeutung, welche die paraphrase angibt.

118 718 noch einmal stellt sich die ganze vertrauensseligkeit des Lykos dar, die durch die antwort des Amph., gerade weil sie bedingt ist, wächst: denn an die realisirbarkeit dieser bedingung glaubt der gotiesleugner nicht.

ΤῊ 720 vgl zu 335.

722 122 ἐνθύμεος bedeutet mehr als was die etymologie gibt 5 τὶ ἔν ϑυμῷ ἐστιν, während das verbum ἐνθυμεῖσθαι fast immer nur so viel besagt. und daron der rhetorische terminus ἐνθύμημα fortgebildet ist. das woran man immer denken mufs wird zur“sorge’. 80 zuerst in einem der jüngstea schicht angehörigen Homerverse » 421, den spätere nachahmen. Eur. Ion 1347 ἐνθύμεόν μοι τίϑησιν ϑεός “er bindet mir auf die seele’, “legt die verantwortung auf mich’. Soph. Tr. 109 ἐνθυμέοις ἀνανδρώ- τοις εὐναῖς τρύχεσϑαι. “sich in sorge um den gatien verzehren, der auf dem bette fehlt’. aber ganz besonders wenden die Athener des 5. jahr- bunderis, die δεεσεδαιμονέσεατοι τῶν Ἑλλήνων, das wort für das aa was religionem habef, was gewissensscrupel macht. Soph. O0. T. 739, der auch ἐνθύμημα so zu seizen wagt O. K. 292, 1199. Thank. 7, 50, der auch ἐνθυμέα bilder 5, 16 und gar ἐνθυμεῖσϑαε so verwendet 5, 32. Antiphon tetr.1y’10,Ila’ 2. von loniern hat es Herodot 8, 58; Demokrit (Stob. 46, 44) im selben sinne ἐγκάρδιον, wo χαρδία in dem archaischen sinne steht, über den zu 853. dann schwindet das wort mit der frömmig- keit, und nur archaisten greifen, zum teil misverständlich, darauf zurück.

123 723 die aufklärung rühmt sich den menschen von den deiuara, den wahnvorstellungen einer vergeltung, frei zu machen. so kämpfen die Epi- kureer später gegen die φόβοε τῆς διανοέας, Lucrez gegen die terrores religionis. Lykos ist darüber erhaben. zum ausdruck z. b. Timon von Phleius 5, die Eleaten sind πολλῶν φαντασμῶν μὲν ἄνω, παύρεωυν γε μὲν εἴσω.

15 725 mit dem tode der praetendenten kann sich der tyrann sicher fühlen. Tro. 1264 sagt Talthybios “Troia mufs verbrannt werden, ὡς ar arel- λιίμεϑ᾽ οἴκαδ᾽ ἄσμενοι. Lykos ‘sieht’ in dem morde σχολὴν πόνων, wie Euandne gegenüber der leiche ihres gatten, ὁρῶ τελευτᾶν Hik. 1012. man kann geneigt sein, statt des coni. praes. den coni. aor. zu erwarten, und es würde allerdings wol Zdwuer eher als ὁρῶμεν stehen: aber λεύσσω hat nur den praesensstamm, dessen functionen deshalb erweitert werden müssen.

128 726 Amph. sagt diese worte nicht mehr zu Lykos, der sich auf die tür zu bewegt, aber doch noch in hörweite ist, so dafs die drohung auch

vers 118---Ἴ30. 187

eine allgemeine deutung auf göttliches strafgericht zulassen mus. erst wo er den cbor anredet, kann Amph. unverblümt sprechen.

728 ἐς καλόν familiäre redeweise. Xenoph. Symp. 1, 4 εἰς καλόν γ᾽ 73 ὑμῖν συντετύχηκα, auch bei Soph. 0. T. 78. ähnlich ἐν καλῷ.

729 die gewöhnliche jagd ist mit stellnetzen, in welche das wild von 729 den hunden getrieben wird. die daher genommene metapher ist so ge- wöhnlich geworden, dafs man von einem listigen mordanschlag den eigent- lich widersinnigen ausdruck wagen kann ‘in die schlingen des schwertes getrieben werden’. &pxvog ξίφους Med. 1278. man soll solche ver- mischungen nicht loben, und tut gut sich selbst ihrer zu enthalten. heut zu tage corrigiren sie die heraus, die sich selbst nicht scheuen etwa von “einer quelle’ zu reden, die man “herausschälen mufs’, auf die man sich dann aber “felsenfest verlassen kann’. ob Eur. in diesen fällen bewulst ein bild misbraucht hat, steht dahin. aber es fehlen nicht beispiele, wo nur in einem zuge ein bild angedeutet ist, weil für den, dem die sprache lebendig ist, nicht mehr von nöten ist. Or. 68 ἐπ᾽ ἀσϑεγνοῦς ῥώμης ὀχούμεϑα, das bild ist ἐπ᾿ ἀγκύρας ὀχεῖσϑαι, für den anker tritt das eigentliche wort ein. daraus macht man ῥοηεῆς, als ob es bei dem, worauf man leicht umkippt, auf stärke und schwäche ankäme. 1. T. 1396 πρὸς κῦμα λακτίζοντερ. jetzt wie zu Eur. zeit kann jeder schulknabe sehn, dafs λαχτέζειν um des sprüchworts στερὸς κέντρα λακτίζειν gesetzt ist, weil “wider die wogen mit den fülsen ausschlagen’ nichts ist; loben will ich den dichter nicht, der das bild aufgriff, weil die ruderschläge wider die strömung nicht helfen: aber ohne die.bildermischung wird der aus- druck leer, und wenn χέγερα statt χῦμα überliefert wäre, mülste man ändern. Ar. Ekkl. 107 τῆς πόλεως τὰ πράγματα παραλαβεῖν. freilich nimmt man eigentlich nicht die geschäfte, sondern die zügel in die hand, aber dafs Ar. nicht geredet haben soll, wie wir alle tun, ist doch eine starke zumutung. Eur. Hik. 520 ἄνω ἄν δέοε τὰ πράγματα, freilich fliefsen die verhältnisse nicht bergauf, sondern kehren sich um, aber das sprichwort heißt ἄνω πτοεαμοί, und das wird mit einem worte gul genug bezeichnet. wie das nakte sprichwort in dieser form passen sollte, “wenn man uns befehlen wird, dann möclıte wol der flufs zu berge rinnen”, kann keiner sagen. vauaza aber für πράγματα ist ein starker verstols wider den sprachgebrauch vgl. zu 625. man mag die dichter tadeln, aber das concept ihnen zu corrigiren ist ein übles unterfangen.

730 τοὺς πέλας hier nichts als “andere” vgl. zu 194. | 180

Versmals.

188 Commentar.

Vierte Gesangnummer. 735—815.

Die drei aufeinander folgenden strophenpare sind ein jedes in sich selbständig, aber unter einander ohne zusammenhang. es war das not- wendig, weil das lied nicht einen ruhepunkt bezeichnet, wie die beiden vorigen, sondern in der ersten strophe das geschehen einer haupthandlung begleitet, in den beiden folgenden die durch dieses erlebnis angeregten stimmungen, und zwar nach zwei verschiedenen seiten zum ausdruck bringt. das erste strophenpar besteht aus je zwei dochmischen perioden, welche der chor singt, und iambischen trimetern, welche der chorführer spricht, wozu in der antistrophe noch die wehrufe des Lykos treien. der wechsel der vortragsart fällt mit dem personenwechsel zusammen, und die anrede des ganzen chores 747. 760 ist unverkennbar, so dafs die störungen der überlieferung sich leicht entfernen lassen. dafs rufe aus dem innern des hauses in eine respondirende partie so eintreten, dafs sie für die responsion nicht vorhanden sind, ist nicht gewöhnlich, aber an sich verständlich; ein ganz analoges beispiel gibt die Elektra des Sophokles, 1400—21, wenn man die überlieferung befolgt‘).

Die erste dochmische periode (735—39 = 750—53) zeigt zunächst vier dochmien, dann nach einem hiatus (738) zwei unverkennbare doch- mien mit einem iambischen worte davor. die ersten vier gibt die über- lieferung als monometer; die worte erlauben dies, erlauben aber auch synaphie. die responsion ist auch in den indifferenten sylben vollkommen. da die dochmien sonst sehr frei respondiren dürfen und meist nicht xara μέτρον abgesetzt sind (wie die anapaeste und zum teil die ioniker), so ist die versabteilung, wie sie überliefert ist, zu billigen: die überlieferung selbst kann allerdings nach keiner seite eine wirksame instanz sein. auch der vor den beiden dochmien des schlusses stehende iambus kann ab- gesondert werden, zumal er in der strophe durch eine interjection ge- bildet ist. tun wir das, so haben wir auf eine metrische benennung dieses gliedes zu verzichten, denn wir können solche par vereinzelte sylben nicht in ein metrisches schema pressen, zumal sie in den verschiedensten liedern erscheinen. im grunde wird aber das verhältnis auch nicht viel

1) Nur 1412 sind die worte οὐϑ᾽ γεννήσας πατήρ zu streichen, und es ist abzuteilen HA. ἀλλ᾽ οὐκ ἐκ σέϑεν φκτίρεϑ᾽ οὗτος ΧΟ. πόλις γενεά τάλαινα, νῦν σε μοῖρα καϑαμερία φϑίνει φϑίένει und so in der antistrophe. die versformen finden sich zu der fünften nummer erläutert.

Vierte gesangnummer. 189

anders, wenn wir die worte mit dem folgenden dochmius vereinen. wir erkennen damit nur ein beispiel einer erscheinung mehr an, welche in den dochmischen liedern besonders häufig ist, aber auch in anderen nicht selten, z. b. in daktyloepitriten, ionikern, glykoneen; doch nie in iamben, trochaeen, anapaesten. empirisch stellt sie sich so dar, dafs vor einer summe vollständiger metra einer gattung eine anzahl sylben stehen, welche an metrischen einheiten die grölse eines metrons der folgenden art nicht erreichen. so hebt also ein dochmisches gedicht oder eine dochmische periode sehr oft mit -- -- an oder auch mit vier kürzen oder mit zwei sylben, spondeus oder iambus, oder gar mit einer länge‘). verstehen kann man die erscheinung nur als ein analogon der katalexe. das erste metron der reihe ist unvollständig; wer will kann sich ja die pause bezeichnen, obgleich das ein sehr äufserliches veranschaulichungsmittel ist und nicht immer sicher durchgeführt werden kann. denn es gehört in die musik, die wir nun einmal nicht besitzen.

Die zweite dochmische periode ist in der überlieferung von strophe und antistrophe so zerrüttet, dafs sich nicht mehr sagen läfst, als dafs es dochmien waren, ungewils wie viele und in welcher form. nur sieht man, dafs sie mit dem vorschlag einer sylbe, wie es eben bezeichnet ist, anhoben.

Die zweite strophe ist iambisch und eins der vollendetsten stücke, die Euripides in diesem, ihm sehr lieben, malse verfafst hat. denn die responsion ist nicht blofs in dem sylbenwerte, sondern auch in den wort- schlüssen, in den gedanken und in der klangwirkung durchgeführt. dabei ist das versmafs von durchsichtigster einfachheit

katalektischer pentameter

katalektischer hexameter

drei trimeter, der letzte katalektisch. die drei letzten verse halten den iambischen rhythmus rein; nur in dem vorletzten metron ist die anlautende senkung unterdrückt, wie das an dieser stelle in den tragischen liedern ganz besonders beliebt ist. die indifferenten sylben sind fast durchgehends kurz, die auflösungen stehen

1 -v|v--v--ist ein unding, denn kein glied kann auf eine kürze ausgehen, da die schlufssylbe indifferent ist, und der zusammenstofs von metrisch unbetontem auslaut mit metrisch unbetontem anlaut fast überall gemieden wird. dafs nur eine kürze vor dem dochmius steht, kommt vor; aber dann hebt dieser selbst anapaestisch an; man sieht das dadurch, dafs die erscheinung auch in mitten einer dochmischen reihe gefunden wird. vgl. 878. steht --Ἃ --Ῥ vor dem dochmius, so wird man nicht anstehen, das für ein iambisches metron zu halten; S ist selbst eine form des dochmius, vgl. zu 1024.

190 Commentar.

zwar nicht an derselben stelle, aber sie sind an zahl gleich und fallen gleich ins ohr. in den beiden ersten versen sind die einzelnen metra so wie es in anapaesten und bakcheen die regel ist durch wortschlufs ge- sondert, wodurch die anaphern ganz besonders hervorgehoben werden. das zweite und vierte metron jedes verses ist anaklastisch, hat also die form des choriambus. diese anaklasis ist den antiken metrikern unbe- kannt, und war es fast ganz bis vor kurzem. sie ist in wahrheit ganz gewöhnlich, und die schönsten lieder der tragödie sind wesentlich durch sie belebt. im verse des dialoges kommt sie aufser in eigennamen (Παρ- ϑενοπαῖος ᾿Αλφεσίβοεα) nur ganz vereinzelt vor (φαεοχέτωνες A.Choeph. 1049. εἶεν ἀκούω A. Choeph. 657, Arist. Fried. 662).

Die dritte strophe sticht von dieser schlichten klarheit sehr ab; sie besteht aus den zerfahrenen glykoneen, die Euripides und Sophokles so viel verwenden. die einzelnen glykoneischen glieder, die sich absondern. und die das charakteristische haben, dafs je einmal eine zweisylbige senkung (ein daktylus) darin ist, sind nicht gleich unter sich, und da auch die regeln über die katalexe sich auf diese ursprünglich aeolischen mafse nicht voll übertragen lassen, so ist schwer zu sagen, in wie weil wir dasselbe metron anzuerkennen haben: doch ist ausdrücklich bezeugt und für jeden, der die lieder unbeirrt durch die moderne theorie liest, unverkennbar, dafs das metron, der πούς, wie die dichter und ältesten metriker sagten, eben der glykoneus ist wie das in dem vorigen liede ohne weiteres in der analyse vorausgesetzt ist, und jenes in seiner schönen durchsichtigkeit ist auch am besten dazu angetan über die ver- wirrte form dieser strophe aufzuklären.

-- - wu -v-| -- - w-u-[wvu-v.-5] - -- - - wu | =. We. ) -wi=--J vuv-w-|-- -v-w-|->2-w-S] - 5: =. _ vo 5 = - vyv-w-|-v-[| - —- -Z-w-J S-vwv--|

—— u N/mm U Yu

=--U-w- | -v-v-w- | _- L_ vo.

1 drei glyk. der letzte katalektisch (pherekrateus).

2 zwei glykoneen und adoneus.

3 vor glyk. und pherekr. steht das glied Maecenas atavis, oben 380. 4 glykoneus.

5 das erste glied ist vorn um eine sylbe kürzer als der glykoneus; in der strophe ist ein doppelter daktylus zugelassen, eine anomalie, welche

Vierte gesangnummer. 191

erst in der späten (ragödie häufig ist, wahrscheinlich aber mit unrecht wenigstens bei Soph. und Eur. aus den ältesten dramen vertrieben wird. das zweite kolon hat die form eines kretikus. in der metrik der chorischen Iyriker sind solche kurzen glieder überaus häufig; die tragiker sondern ihre glykoneischen strophen so, dafs sie in der älteren zeit vorwiegend der weise jener dichter nahe stehen, während sie später immer mehr die glykoneen nach art des Anakreon und der komiker (d. h. des volksliedes) bauen. diesen sind solche glieder fremd; doch finden sich natürlich übergänge. am einzelnen beispiele ist die lehre nicht zu entwickeln. 6 glykoneus.

7 ein längeres glied ohne daktylus, das also so aussieht wie ein katalek- tischer iambischer dimeter. damit hat es nun nichts zu tun, sondern ist giykoneisch wie die andern. in der chorischen lyrik sind auch solche glieder sehr häufig, bei den tragikern zwar nicht häufig, aber zu allen zeiten vorhanden; sie werden nur hier meist von den modernen entfernt. 8 der vers ist in strophe und antistrophe entstellt. dies ist die messung der strophischen worte nach wahrscheinlicher verbesserung. der vers ist dann vorn um eine sylbe länger als ein glykoneus. das ist möglich, aber wenig wahrscheinlich, und man erreicht einen glykoneus z. b. schon mit der umstellung Σπαρτῶν γάιος ἵν᾽ ἐφάνη.

9 3 glyk. der erste vorn um eine sylbe verkürzt, wie 5, der letzte kata- lektisch. die notwendigen fermaten sind durch doppelstriche bezeichnet. die gesetze, nach welchen die synaphie von giykoneen geordnet waren, sind, wenn es deren gab, noch nicht ermittelt. die hier unverkennbare vorliebe für trikola ist oft zu bemerken. die vermutung liegt nahe, dafs das lied in wahrheit aus 5 perioden zu je drei gliedern besteht, und dafs diese glieder variationen der volkstümlichen kleinen strophe sind, welche an erster stelle in ihrer grundforın auftritt.

Das erste strophenpar begleitet nur den abgehenden Lykos, der seine ganze niedrigkeit. und irreligiosität noch eben offenbart hat, und seinen jähen sturz mit den gefühlen, die für den chor selbstverständlich sind: erst als er tot ist, wird mit dem hohnrufe, dals er doch noch eben die göttliche gerechtigkeit geleugnet hätte, das thema des folgenden liedes angegeben. der chorführer fordert zu einem reigentanze ausdrücklich auf (760), und so sondert sich das folgende ab.

Die zweite strophe spricht die tatsachen aus, welche dem chor die veranlassung zu diesem tanze geben; die antistrophe zieht das facit. es gibt eine göttliche gerechtigkeit: auf die dauer können sich glück und macht, wenn sie wider das recht sind, nicht halten.

Inhalt.

192 | Commentar.

Ähnlich ist die verteilung im dritten pare, dessen strophe die berge und gewässer und gassen von Theben auffordert an dem preise des alten Thebaneradels teilzunehmen, während die antistrophe ohne directe ver- knüpfung erklärt, in wie fern dieser alte adel sich nun bewährt hat: indem der Zeussohn den gemeinen eindringling überwunden hat.

Was schon bei dem vorigen liede bemerkt ist, tritt hier noch mehr hervor: die strophen verselbständigen sich so, dafs das lied sich kaum noch als ein ganzes darstellt. und doch soll es ein ganzes sein und sind die ver- weisungen zahlreich (736, 770, 808 ist die eine, 758, 774, 813 dıe zweite reihe). ganz besonders auffällig ist der abstand des letzten von dem mittleren strophenpare. die anrufung der Thebanischen localgötter ist nicht viel mehr als phrase, die behandlung der abkunft des Herakles von Zeus und die abwägung des adels steht so tief unter den entgegengesetzten freimütigen äufserungen 351, 696, dafs man wünschen möchte, Euripides hätte dies strophenpar nicht verfafst. der moderne leser wird von der prachtvollen zweiten strophe unendlich mehr ergriffen, wenn die erscheinung der Irs und Lyssa unmittelbar daran stöfst, und Euripides hat den contrast dieser frommen zuversicht auf die göttliche gerechtigkeit zu dem verbrechen Hera gewifs gewollt: erst dadurch hebt sich die auflösung des widerspruches in Herakles letzter rede zu ihrer ganzen höhe. aber es ist unverkennbar, dafs an die aufforderung zu tanzen, 761, eben so gut auch das letze strophenpar ansetzen könnte, und das mittlere fehlen, und dafs auch die betrachtungen über den Spartenadel und den euböischen eindringliag genugsam vorbereitet sind. die strophenpare stehn also parallel. das zweite gibt die stimmung der beschränkten thebanischen greise, das erste die sittliche lehre, welche der dichter seinem volk und uns verkündet: was wunders, dals auf uns nur diese wirkt, und dafs uns nur diese des dichters würdig erscheint?

eng. 195 πάλιν ὑποσερέφειν gehört zusammen; man pflegt sich an der be- zeichnung der umkehr durch die praeposition nicht genügen zu lassen, sondern ein adverbium zuzusetzen. ὑποστρέφειν pflegt absolut gebraucht zu werden (δεῦρ᾽ ὑποστρέψας πάλιν Alk. 1019): hier ist ein object beigesetzt, weil es sich um die wiederkehr nicht blofs aus dem Hades nach Theben, sondern aus dem tode ins leben handelt. μέγας steht praedicativ “als ein mächtiger’. die schreiber haben es nicht verstanden. dafs der chor hier den umschlag des geschickes feiert, den er allein feiern kann, und der ibm die gewähr gibt, dafs auch der nächste umschlag eio- treten wird; sie haben daher ὑποσερέφει ἐς Alday gesetzt: als ob Lykos schon einmal unten gewesen wäre.

vers 735— 754. 198

739 El. 1155 παλέρρους δὲ τάνδ᾽ ὑπάγεται δίκα. die Rache sucht 739

dort Klytaimnestra, hier Lykos heim,‘ indem die gegenströmung eingetreten ist‘. hier das bild vom wasser, wie 216 vom winde, 95 von der schiff- fahrt. ϑεῶν πότμος wie so oft τύχη δαιμόνων, Arog oder auch einzelner götter gesagt wird: ὅπερ συμπέπτει, συντυγχάνει, dx ϑεῶν. denn πότμος kommt von der wurzel zer.

740 der chorf. bringt nur worte in erinnerung, die vorher gefallen sind 740

vgl. 211, 708, 733. die brachylogie, mit welcher χρόνῳ μέν einge- schoben ist (χρόνῳ μὲν ἦλθες, ἀλλ᾽ ἦλϑές γέ τοι. den anfang der Pieccolomini müfste man übersetzen ἦλθες χρόνῳ μέν, Ἰσόλαε χαῖρ᾽ ἄναξ, πρόσωϑεν ἐλϑὼν ὑστέρησας εἰκότως), ist gewöhnlich. Pindar 01. 10, 85 (μέλει) τὰ παρ᾽ εὐκλέε “ίρκᾳ χρόνῳ μὲν φάνεν. χρόνῳ ist einfacher lacativ, und die nuance der bedeutung ergibt sich immer erst durch den zusammenhang; es kann eben so gut ‘mit der zeit” be- deuten, El. 597. in diesem sinne gehört τῷ χρόνῳ der sprache des lebens an, Ar. Wolk. 66. 865. 1242 u. d. während χρόνῳ ‘spät’ nur dichterisch ist, und bei den dichtern wiederum auch τῷ χρόνῳ dafür vorkommt 5. Phil. 1041 τεέσασϑ᾽ ἀλλὰ τῷ χρόνῳ ποτέ. ὑβρίζων gehört zu ἦλθες, denn zu ϑανών könnte nur ὑβρέσας subjungirt werden. 745. 6 die unverständlichen worte scheinen bedeutet zu haben ‘ich hatte auf die heimkehr meines alten fürsten (Herakles) nicht mehr gerechnet’. sie harren aber bisher der heilung vergeblich. 747 der chorf. hat noch furcht und hält den chor zurück von dem jubel, so lange die entscheidung aussteht. si πράσσεε τις ὡς ἐγὼ ϑέλω ist eine furchtsame umschreibung von δὶ anosvnaxeı Avxog. Elektra, nach Sophokles die incarnation des gerechten hasses, sagt βοᾷ τις 1406, als ihre eigne mutter unter dem mordstahl aufschreit. das ist hohn; ebenso in der komödie κακὸν ἥκει τινί Ar. Frösche 552 u. Ö. 751 φέλιος hat sich Eur. erlaubt (schon Alk. 876 Med. 1399) synonym mit φέλος zu verwenden. das ist ein fehler; ein μέλος φέλεον könnte eigentlich nur ein lied sein, welches freunde singen oder welches in freundlichem sinne für den. redenden gemeint ist. Aisch. u. Soph. sind von dem fehler frei. 754 ἀπόλλυμαι ---- διώλλυς. da mit den compositis gewechselt wird, so ist zwischen ihnen kein bedeutungsunterschied; das erstere ist nur ge- wöhnlicher. gewechselt wird blofs um zu wechseln, Oid. 555 ἀπώλεσ᾽ αὐτὸν κἀμὲ συνδιαίλεσεν, oben 492. 537. hätte Eur. geschrieben πᾶσα Kaduov γῇ, διόλλυμαι δόλῳ, so würde er zwar keinen falschen, aber einen mislautenden vers gemacht haben, wie er es nie getan hat. denn τ, Wilamowltz Il. ᾿ 13

Ἴδι

754

194 Commentar.

es klang dem Griechen häfslich, wenn der trimeter in der mitte zerrissen wird. für die Römer, die sich in der nachbildung fremder malse it kümmerlichen surrogaten behelfen müssen, würde freilich eine caesur (hinter Kaduov) vorhanden sein: aber ein Grieche hört den vers und skandirt ihn nicht. der vers des Euripides mit der elision γαῖ᾽ ἀπόλλυμαι δόλῳ hat gar keine caesur, denn durch die elision verwachsen die wörter fast zu einem. aber es ist nicht nötig, dals ein trimeter eine caesur hat sondern nur nötig, dafs er keine falsche hat, d. h. für die tragödie, dal: er nicht mitten zerreifst und auch nicht in die drei gleichen stücke zer- fallt, aus denen er gebildet ist. Eur. hat keinen solchen febler, denn wens jemand z. b. Hik. 33 σφάλλῃ γὰρ ἐν τούτῳ μόνῳ, τἄλλ᾽ εὖ φρονῶν in die eine oder andere kategorie rechnet, so versteht er nur zu skan- diren. nach μόνῳ ist pause, vorher nirgend, und den trimeter durch eine pause in 1 + 2 oder 2 +4 1 metra zu zerlegen, ist ebenso legitim im drama, wie nach einer der beiden senkungen des zweiten melrons einen ruhepunkt eintreten zu lassen. die komödie des 5. jahrhunderts hat sich überhaupt nicht um pausen und caesuren gekümmert. Aisch. und Sopb. haben einzelne mislautende trimeter, nur zum teil als beabsichtigte disso- nanzen. bei Eur. ein ganz gleich gebauter vers z. b. Kresph. 460, | ἐκεῖνο γὰρ πέπονθ᾽ ὅπερ πάντες βροτοί.

755 755 dewälvg :264, δόλῳ ist nicht zu ergänzen. “schick dich darein. dafs du büfsen mufst, es ist ja nicht mehr als recht”. das eine particip gibt die begründung des andern, und γε verweist darauf, dafs auch hier der chorf. nur früher gefallene worte aufnimmt. 733.

757 757 hohn gegen Lykos, der δεεμάτων ἔξωϑεν war, 723, und die heilig- keit des altars und herdes nicht respectirte. die ἀνομέα liegt nicht in dem sonstigen moralischen handeln, sondern οὐ νομέζεε ϑεούς, es δἰ in unserer rede "unglauben’. aber die werke dieser ἀνομέα sind nalür- lich unmoralische, ungesetzliche, 779.

755 758 die feierlichen namen μάχαρες und οὐράνεοε werden angemesse hier vorgebracht, aber ϑεοί hinter σθέγουσιν ist ganz müfsig und ver- mutlich zusatz. aber 758 hat kein versmals, und die zerrüttung der strophe macht die heilung mislich, so leicht z. b. ἄφρονα μακαρίων οὐρανίων λόγον κατέβαλ᾽ ὡς ἄρ᾽ οὐ σϑένουσιν ist, vier dochmien, der letzte katalektisch.

161 761 σιγᾷ μέλαϑρα steht zwischen den sätzen, von denen der zweite die fulge des ersten ist. die recitation mufs also das logische verhältnis zun ausdruck bringen οὐχέτε ἔστιν Auxos (τὰ γὰρ μέλαϑρα σιγᾷ). wor: πρὸς χοροὺς τραπώμεϑα.

vers 1558---119. 195

762 ein alberner aus 748 verfertigter zusatz, in dem φέλοε unsinnig ist 762

und die :furchtsame umschreibung der vollendeten tatsache grundlos.

763 lediglich der responsion wegen hat Eur. die persönliche construction von μόέλω hier und 773 gewählt, die selten und ihm vollends nicht ge- wöhnlich ist. ϑεοὶ μέλουσι τῶν ἀδίκων ἔπᾷειν für τοῖς ϑεοῖς μέλει τῶν ἀδίκων ἐπᾷειν hat gar keine parallele bei ihm (ϑεοὺς βροτῶν μέλειν A. Ag. 370) und χοροὶ μέλουσι κατὰ Θηβῶν ἄστυ für χοροὶ μέλουσι Θηβαίοις (ἀρχαὶ μέλουσί σοι Hel. 1580) hat überhaupt keine parallele.

765 μετήλλαχται τὰ danpva’ πρότερον μὲν γὰρ δαχρύων οὐκ ἐδυ- 1

γάμην κατέχειν πηγάς 449, νῦν δὲ χαρμοναὶ δακρύων ἐκβολὰς ἔδο- σαν 742.

766 es fehlt ein adjectiv zu ἀοεδάς; wahrscheinlich νέας, da eine form mit drei kürzen, auf welche die antistrophe führt, nicht zu finden ist.

163

&

166

770 den hafen nennt er, weil in dieser bezeichnung das endziel aus- 770

gedrückt ist, also das wunder der heimkehr zum ausdruck kommt: dies ἦϑος hervorzuheben dient γε. 771 die öArzig in dem sinne von 105, wo sie dem “glauben entspricht, ist aus dem zustand herausgetreten, wo sie dem δόχημα entspricht, 92. 460.804. gewollt und äufserst wirksam ist der parallelismus 771 und 780, dafs ohne jede verbindung das hinter die längere vorbereitung tritt, was als ihr facit betrachtet wird. “die hoffnung ist erfüllt’. “der frevler ist gestürzt’. es steht beidemale der aorist: bezeichnet ist also nur der ein- tritt dieser handlung, aber das ist das überwältigende. Christ ist erstanden’ rufen die Griechen in der osternacht, Χρεστὸς ἀνέστη. das ist ein gutes musterbeispiel für die viel verkannte bedeutung des aoristes. ““der aorist gehört zur seele der griechischen sprache und verleiht ihr ein besonderes, erhöhtes leben”. J. Grimm kl. schr. 11 452. 775 ἐφέλκων folgt im genus dem entfernteren nomen χρυσός, weil das maskulinum überwiegt; Eur. hat sogar die participia auf - ὧν femininisch verwendet, z. b. Hipp. 1105. 1120. die bedeutung ist ganz unser “nach sich ziehen’; wie denn auch das medium gewöhnlich ist. dagegen ist das hier vorgezogene medium ἐξάγεται ungewöhnlich gegenüber dem activ (zu 1211). es liegt also eine art von enallage vor. 719 νόμον παρέμενος ἀνομίᾳ χάριν διδούς. das sind keine allegorien; man sagt ϑυμῷ χαρέζεσθαι gewöhnlich, ἦρα φέρειν ϑυμῷ & 132, ὀργῇ χάρεν δοὺς Soph. O.K. 855, tun wozu der zorn treibt. zu grunde liegt allerdings jene sinnliche auffassung der seelischen regungen, welche in der epischen sprache vorwaltet und die personification des ϑυμός bei Archilochos und in Eur. Medeia bewirkt hat.

13*

u‘

T19

198 Commentar.

hat ein zähnefletschendes löwenhaupt. die sense, welche in unserer vor- stellung wenigstens seit der renaissance die zeit wie der tod führt, ist auch ohne die kurzsichtige identification von Κρόνος und Χρόνος ver- ständlich, und wol ohne sie gefunden. die auf gute stoische quellen zu- rückgehende neuplatonische theologie hat sie (Macrob. I 8 9) und sie findet sich auch in einem ziemlich späten epigramm (Anth. Pal. VII 225 μιῇ πάντ᾽ ὀλέκει δρεπάνῃ). wie nahe der übergang von Zeit zu Tod ist, zeigt aulser Horaz ep. Il 2, 178 metit Orcus grandia cum parois, das δρέπανον, welches in der Apokalypse 14, 17 ein engel führt, um die ernte der reif gewordenen welt zu schneiden. aus diesen apokalyp- tischen bildern, welche ja schon von anbeginn den malern des trecento geläufig waren, hat der tod (oder vielmehr la Morte) die sense auf dem Pisaner trionfo della Morte. aber die sichel oder sense ist im altertume nicht häufiger als die keule der Zeit, denn diese führt der Aiw» der Orphiker ebenfalls,, und mit ehernen keulen kämpfen die Moiren in der Gigantenschlacht (Apollodor bibl. 1 6 2). so kann diese vorstellung sogar voreuripideisch sein.

81 781 die aufforderung an die localgötter ist auch nur durch die bildende kunst der classischen attischen periode recht verständlich. es ist ein fort- schritt gegenüber der archaischen kunst, dafs die landschaft an jeder hand- lung teil nimmt, berg wald wasser in seinem vertreter, das gebirge mit seinen bequem gelagerten greisen, die nicht vom fleck können (und deshalb auch hier das lob nur wiederhallen), der wald mit seinen silenen satyrn mädchen, das wasser mit seinen tritonen greisen mädchen. der fortschritt ist aber nur ein gradueller, denn der glaube an die beseelte, also teilnahmsvolle natur, ist alt, und einzelnes versucht auch die archaische kunst. Ismenos setzt sich nur einen kranz auf, die vornehme Dirke und die menge der geringeren Asoposnymphen singen das siegeslied. dem Asopos würde Eur. nicht 50 zahlreiche nymphen gegeben haben, wenn nicht die sage seit Hesiod und Eumelos voll von ahnmüttern gewesen wäre, die Asopostöchter waren, freilich töchter des sikyonischen flusses (denn jene sagen sind korinthisch), aber die veränderten politischen verhältnisse hatten in der vorstellung der menschen den boeotischen flufs über den sikyonischen gehoben; es ist frag- lich ob nicht Pindar, der dieser genealogien oft gedenkt, den heimischen flufs im auge gehabt oder beide identificirt hat. der ferne apollinische Parnafs ist herangezogen wie 240; doch auch dort der in der tat benachbarte Helikon. die scheinbar farblose bezeichnung Movowv Ἑλικωνιάδων δω- ματα wirkt als gegensatz zu dem homerischen Ὀλύμπια δώματ᾽ ἔχουσαι, nach Hesiod, dessen Theogonie in dieser formel ihre selbständigkeit zu-

vers 779—784. 199

sammenfalst. all das ist einfach: aber etwas besonderes ist die belebung der ξεσταὶ dyvıal; es gibt wol aus Athen keine parallele, und sieht man näher zu, auch bei Pindar nicht. P.9,87 sagt er von den strafsen Thebens λεύκιτετεοι ayvtal, aber das ist nur ein starkes beispiel der enallage, über die zu 543; Pyth. 2, 58 redet er von εὐστέφανοι dyusal, aber das sind pinnatae urbes. auch der grund der erscheinung ist klar. die individuali- sirung der strafse, wie sie etwa die υἱοὶ in Rom oder die modernen stralsen- namen zeigen, ist den Griechen fremd. nicht blofßs Athen, sondern auch der Peiraieus hat keine strafsennamen. auch die namen der wege und tore sind dort nicht alt oder individuell. in dem geschichtlichen Theben sind die sieben tore nicht nachweisbar gewesen, da die attischen dichter und die nach der wiederholten zerstörung Thebens schreibenden grammatiker widersprechendes berichten. die Thebais mufs da frei fingirt haben, auf ältere sitten hin; hat doch Ilios sein ‘linkes’ tor (porta decumana?), und Mykene ein so geschmücktes, dafs man es nicht leicht namenlos denken mag. aber das sind längst verschollene dinge für die attische cultur. den hausfrieden schützt der Apollon Agyieus, den wanderer Hermes, und beider religion sind die prellsteine und die meilenzeiger und weg- weiser geweiht. an kreuzwegen und vor den toren steht auch ein altar der spukgöttin Hekate, die draufsen ihr wesen treibt und beschwichtigt wird. das haus oder besser das gehöft, die ummauerte gefriedete stadt, ist für die menschen im leben des tages und darum für die religion und die symbolik vorhanden: das trägt auch einen iadividualnamen. aber so wenig wie es sitralsennamen und quartiermeister und stralsenwärter gibt, so wenig gibt es personificirte ödol oder ἀγυεαί. aber der römische und moderne gebrauch kann doch nur im griechischen wurzeln: die nationalrömischen lares compitales wie die magistri υἱοὶ oder pagi können nicht bewirken, dafs man hier ein erzeugnis der phantasie für römisch halten dürfte. und in der tat, die diadochenstädte, z. b. Alexandreia, haben strafsennamen, und nicht erst sie: die gründung, in welcher der schöpfe- rische geist der sophistischen theorie seine praktische probe hat machen wollen, Thurioi, hat auch stralsennamen (Diodor ΧΙ] 10). zu diesem werke des Protagoras und Hippodamos tritt also das zeugnis des sophistischen dichters. &soral ayveal ist auf die athenischen berechnet, für welche meist nur der felsboden zu glätten war: in Theben war das anders. strafsenpflaster hat Euripides nicht gekannt.

784 καλλιρέεϑρος stammt aus x 107, aber der attische dichter, der die 7% vorletzte sylbe verkürzt, kann die zweite in regelmälsiger weise durch verdoppelung des e verlängern.

200 Commentar.

187 787 ovvaoıdol steht praedicativ, und deshalb kann βᾶτε ovvaoıdoi das object τὸν ἀγῶνα erhalten, wie 10 ἣν ὑμεναίοισιν λωτῷ συνηλάλαξαν, 690 τὸν “ατοῦς γόνον εἱλίσσουσαι καλλίχοροι.

188 788 νύμφαι sind die töchter des Asopos so gut wie die Dirke. das wort ist aber schon erstarrt; “Nymphen’, nicht mehr “mädchen.

792 792 Hes. Theog. 42 wenn die Musen singen, ἠχεῖ χάρη νιφόεντος Ὀλύμ- που δωματά τ᾽ ἀϑανάτων.

7% 794 γάιος praedicativ, γῆϑεν.

191 797 φῶς ist appositlion zu λόχος : Thebens σωτηρία, glück und ehre, beruht darin, dafs die adlichen Sparten regieren, nicht der eindringling. und dies φώς ist lego», weil die wunderbar erzeugten Sparten durch be- sondere einwirkung der götter entstanden und erhalten sind, 252.

199 799 συγγενής activisch, “mit zeugend’ ; ebenso ὁμεγδνής Soph. OT. 1364. λέχερων εὐναί weder pleonastisch noch von dem wirklichen bette, wie A. Pers. 543 λέκερων εὐναὶ ἁβροχίτωνες, “die weichen schlafpolster des bettes’, sondern pulvinaria concubitus. dagegen 800 ‘bett’, sonst würde der dativ νύμφᾳ stehen. 804 λέχος wieder abstract.

804 804 ich habe es geglaubt, aber ich hatte nur die ἐλπές, die jetzt der χρόνος δοκημάτων ἔξω κατέστησεν. Demosth. 2, 10 τὰ τοεαῦτα (eine auf unrecht gebaute macht) sig μὲν ἅπαξ καὶ βραχὺν χρόνον ἀντέχει καὶ σφόδρα γ᾽ ἤνϑησεν ἐπὶ ταῖς ἐλπίσιν, ἂν τύχῃ" τῷ χρόνῳ δὲ φωρᾶταε. das ist das gewöhnliche, wie es auch Amph. 506 ausgesprochen hat. aber die stelle ist im ausdruck ähnlich; sie ist verkehrt beanstandet: hier bat jemand οὐκ ἐπ᾽ ἐλπέδε eingeschwärzt und den ganzen sinn zerstört. ἐπί steht wie in ἐπὶ κακῷ τενός τι γίγνεται u. dgl. οὐκ ἐπ᾽ ὀνείδεσιν οὐδ᾽ ἐπιχάρμασιν ἀλλ᾽ ὀδύναισι λέγω Phoen. 1555. ἐπ᾽ ἀγαϑῇ ἐλπίέδε πονεῖν Xenoph. Mem. II 1, 18. φαένεσϑαε, zumal in aorist und zwar der aus dem epos entlehnten schwachen form, ist von δοκεῖν ganz verschieden. es heifst “in erscheinung treten’, entspricht also dem λαμπρὰν ἔδειξε des nächsten satzes. aber was dort hell‘ ist, war zuvor nur “glaublich auf grund der ἐλπές".

&6 806 aus der ἀλκή folgt die εὐγένδια, 696. man fühlt hier, wie gut den wesen des Herakles der name AAxsiöng, ᾿Αλκαῖος palst, über den 15.

810 810 in höhnischer weise ist die damals veraltete homerische umschreibung Bin Akxıvooıo, is Τηλεμάχοιο, welche in der feierlichen rede des dramas, aber mit umbildungen, fortdauerte, umgeformt').

1) Übrigens hatte sie sich in anderen kreisen bis ans ende des 6. jahrhundert: gehalten. der korinthische maler Timonidas hat sich auf einem allerdings besonder:

vers 787—811. fünfter auftritt. 201

811 die stelle ist nicht sicher zu verbessern. der letzte satz mit δὲ kann 811 nicht allgemein ausgesprochen sein (ἐφάνη εἰ τὸ δίκαιον τοῖς ϑεοῖς ἔτ᾽ ἀρέσκει), so dals man den sinn zu suchen hätte τῷ ἀποβλέποντι εἰς τὴν τῶν ἀγώνων ἀμιλλαν. denn die entscheidung hat dieser frage die bedingtheit genommen; da könnte nur örı stehen. aber dem Lykos war das fraglich, und er hat sich über seinen lästerlichen unglauben durch die tat belehren lassen müssen, folglich ist zu erwarten χατερχομένῳ εἰς τὴν ἅμιλλαν ἐφάνη, si ἀρέσκει, und & im anfang des verses kann sehr wol sein, indem zum hohn nicht die construction κατὰ σύνεσιν wie 807 eingetreten, sondern das grammatische geschlecht von δυσγένεια fortgeführt wäre, also (nach I. T. 1148) etwa νῦν ἐσορνυμένᾳ par. ' aber das versmafs ist auch in der strophe unsicher.

Fünfter anftritt 81573.

In der luft erscheinen die beiden göttinnen und verschwinden ebenso:

auch Lyssa sieht man nicht ins haus gehen (ἄφαντοι 874), weil sie nicht abgestiegen ist. über die scenische darstellung vgl. s. 53. 815. 6. die beiden ersten verse mit der anrede des chores gehören offenbar dem chorführer: darin ist nichts anders als 138. 442. 747. aber den folgenden ruf (iamb. monometer und trimeter) mufs jemand anders sprechen, was durch den wechsel des numerus (7xouev ἔλα) angedeutet ist. und ebenso sondert sich der dritte ruf (iambischer mono- meter und dochmischer dimeter) von dem vorigen ab. man könnte ihn allenfalls dem sprecher von 815. 16 geben und von zwei halbchorführern reden, wenn sie nur etwas zu führen hätten. aber der chor sondert sich nicht in gruppen, er stiebt auseinander, und das malt der dichter durch die . anomalie, dafs er drei einzelne leute als solche reden läfst; drei machen ein collegium, d. h. sind der kleinste ausdruck für eine menge. welche choreuten die par worte sagten oder sangen, kann niemand sagen, ist auch gleichgiltig, da es jeder von ihnen tun konnte. die beiden letzten ausrufe oder besser alle drei sind symmetrisch in ihrem umfang und ihrer anlage, aber sie respondiren nicht: natürlich, weil die bewegungen, der tanz nicht entsprechend sein durfte, sonst hätte er die verwirrung nicht veranschaulicht. das merke man für andere fälle, wo das gleiche mafs die fiction einer zwecklosen responsion gestattet.

schönen täfelchen verewigt Τιμονέδα ἔγραψε Bla Inser. Gr. ant. 20, 1, besser ver- öffentlicht, aber auch falsch gelesen “Antike Denkmäler’ 1 8, 13. allerdings zeigen die korinthischen gemälde, dafs die dortigen maler den Homer gut kannten.

202 Commentar.

πέευλος ist ein omomatopoetisches attisches wort für das klatschen (man sagt wol auch pitschen) des ruders, wenn es ins wasser fallt. das geschieht auf der galeere von zweihundert rudern auf einen schlag und geschieht im takte. deshalb entwickeln sich zwei übertragene bedeutungen. einmal bezeichnet πέευλος, ähnlich wie δἰρεσία, die summe der ruder und der ruderer: das fahrtbereite schiff. leicht verständlich γεὼς szirvlos εὐήρης πάρα ‘die ruder des schiffes sind in bereitschaft im takte los- zuschlagen’ I. T. 1050, ebenda 1345 verkünstelt ὁρῶμεν vawc σκάφος ταρσῷ κατήρει nılsvloy ἑπτερωμένον, ναύτας se ἐπὶ σκαλμὼν πλάτας ἔχοντας, wo der zweite satz das bild erläutert; der rumpf des schiffes ist befiedert mit abwärts ragenden ruderblättern, und die art der befiederung, d. ἢ. der ordnung dieser ruder ist die, wie sie zum regel- mäfsigen einschlagen nötig ist. Tr. 1123 νεὼς szlzvlog εἷς μία ναῦς. der andere weg der metapher geht von der gleichmäßsigkeit des schlagens aus, dadurch wird πέτυλος ganz zum takte, ῥυϑμός. bei Aischylos ist die metapher noch als solche empfunden (Sieb. 856, Pers. 975). Soph. hat sie nicht; Eur. oft, und z. b. hier könnte ganz eben so gut ῥυθμός stehn, ist auch an die ruder gar nicht mehr gedacht. nun ist er aber noch weiter gegangen, redet unten 1189 von einem μαενύμενος suirulos, I. T. 307 von einem σεέεσυλος μανέας. das ist ein oxymoron: denn die handlı „gen des wahnsinns gehen eben nicht im takte, sondern es ist für sie der widerspruch, die disharmonie, charakteristisch. darin liegt die rechtfertigung des ausdrucks: einen takt hat auch der gang des irrsinns, nur einen diametral verschiedenen, gewissermafsen negativen rhythmus. 819 819 die praeposition zceda gehört nur Aeolern und einem teile der Dorer (z. b. in der Argolis mit colonieen); Aischylos hat sie in mehreren zu- sammenselzungen aus der Iyrik geborgt, Eur. hat nur πεδαίρω hier und wieder 873, Phoen. 1026. μεταέρω ist nicht gebräuchlich und heifst ‘von seinem platze rücken’ I. T. 1157; dem πεδαέρω würde vielmehr uerew- ollw entsprechen. natürlich zeichnet die glosse den gehobenen Iyrischen ton. auch die homerische vocabel vosng (4 559, Aisch. einmal, Prom. 62) würde nicht im dialog stehen. das wort bedeutete damals nicht mehr körperliche langsamkeit, sondern geistige schwäche, und war ionisch, Herod. 3, 53; aus der ionischen naturwissenschaftlichen litteratur dann bei gleichartigen schriftstellern wie den peripatetikern. 820 820 die erste sylbe in IIacav ist kurz wie oft. z.b. A. Ag. 145 5. Trach. 221 Ar. Ach. 1213. 821 821 in plötzlichem schrecken ruft der Athener πολλον ἀποτρόπαιε, z. b. Ar. Vög. 61 Plut. 359, oben 538. dem entspricht dies in künstlich

vers 810 --- 833. 208

gehobener rede; so sagt Epikur fg. 143 Παιὰν ἄναξ, οἵου κροτοϑορύβου ἡμᾶς ἐνέπλησας. aber er hat durch solchen schwulst mit recht scharfen tadel wachgerufen. 822 Iris orientiert zunächst chor und zuschauer gleichermafsen über die 822 überraschende erscheinung. da nichts den zuschauer auf diese personen vorbereitet hat, so steht der dichter vor derselben aufgabe, wie in den prologen und löst sie ganz ebenso. über das ἦϑος ihrer rede vgl. bd. I 6. 824 ἥχδιν βλάβος wie ἐλϑεῖν ἀγγελίην vgl. zu v. 59. 824 825 στρατεύδεν mil eben so starker metapher wie unser ‘zu felde ziehen’. 825 826 für Hera und ihren kreis ist natürlich die vaterschaft des Zeus 826 ein on dit. 827 πιχρούς kann ein flickwort scheinen, und an der qualität der 821 ἀϑλοι liegt allerdings nichts. aber wenn kein epitheton zuträte, so könnte der artikel bei ἄϑλους auch in der tragödie nicht fehlen, da die bekannten 12 gemeint sind. 828 τὸ χρή vgl. zu 311. 828 831 κοινὸν αἷμα parricidium schon A. Choeph. 1038, αἷμα συγγενές 831 E. Hik. 148 Oin. 562. kühner sagt Oid. vom blute seines vaters τοὐμὸν αἷμα 8. ΟἿ. 1400. derselbe in der Ant. 1 κοινὸν αὐτάδελφον κάρα, wo erst die vereinigung beider adjectiva den gewollten sinn gibt, dann gar κοιναὶ πατρός adeApeal OK 535, wo xowal nur den bege.ff der schwesterschaft steigert: allerdings würde er das ohne hinblick auf den ersten vers der Antigone schwerlich gesagt haben, den er so selbst bezeugt. | 832 partic. aor., weil der act des mordes der befleckung vorhergeht, 852 συνϑέλω συμβούλομαι (Hek. 373) sind keine im sprachbewufstsein lebendigen composita, wie sie sich denn auch nicht gehalten haben. man empfindet in ihnen die praeposition noch ganz als ein selbständiges adverb, und hat wol auch doppelten accent gesprochen, wenigstens tritt ganz leicht ein wort dazwischen, Empedokles 242 ὅτε ξὺμ πρῶτ᾽ ἐφύοντο, oder man sagt gar σὺν κακώς ποιεῖν Thuk. Ill 13. oft legt sie die nähe des simplex nahe Heraklid. 26 σὺν φεύγουσι avupsvyw τέκνοις καὶ σὺν κακῶς πράσσουσι συμπράσσω χκαχώς. Platon Krat. 415 βουλοίμην av. “κἀγώ σοι συμβούλομαι. oft in der sprache des lebens xauoi συνδοκεῖ. 833 Homer 1572 Ἐρινὺς ἀμείλιχον ἦτορ ἔχουσα. Bekk. An. I 458. 888 ἄτεγκτος" ἄπειστος καὶ ἀναίσϑητος ἄνϑρωπος οἷον unse παραινέσει μήτε φόβᾳ τὴν πώρωσιν καὶ τὸ τοῦ ἤϑους σκληρὸν τεγγόμενος χαὶ μαλατεόμενος. συλλαβεῖν zu 626.

204 Commentar.

καρδέα ist, wie so oft φρένες, nicht mehr concret empfunden, sondern gleich Yvuog. aber auch in der eben citirten Homerstelle steht das herz. Soph. Ant. 1105 x. ἐκστῆναι, noch kühner E. Hek. 1026 λέχρεος ἐχπεσὴ φέλης καρδίας, wo es vielmehr Aoyrouog ist. dies ist im griechischen selten, welches nicht so gern wie das latein den intellect in das herz verlegt, sondern mut und willen. der feige hat xgadin» ἐλάφοιο, der mutige ist καρδέης πλέως (Archil. 58). aber in wahrheit sondert die alte zeit die seelenkräfte nicht. neben χραδίην ἠνέπατεε μύϑῳ steht σιρὸς ὃν μεγαλότορα ϑυμόν u. 8 f.

834 834 jungfräulichkeit liegt im wesen aller solcher fürchterlichen wesen, weil sie über jede milde regung und jeden zwang erhaben sind. aus demselben grunde ist Artemis in allen erscheinungen ihres wesens jung- fräulich. bei Athene ist der grund ein anderer, die αὐτάρχεια.

7πταρϑένος bezeichnet wie νύμφη und virgo das mannbare mädchen; die physische jungfräulichkeit liegt nicht darin (besonders bezeichnend S. Tr. 1219 von lole gesagt, die unmittelbar darauf πλευροῖς ὁμοῦ κλεϑεῖσα heifst) und kann also noch daneben bezeichnet werden. die göttlichen elementarwesen die man meist γύμφαι nennt, heifsen bei Ibykos 1, 3, Rhes. 930 παρϑένοι. Νείλου καλλιπιάρϑενοι ῥοαί Hel. 1, sehr kühn für die fluten, welche die schönen Niltöchter, Nilnymphen bewohnen. Eur. verbindet στ. mit einem genetiv, ganz wie κόρη, seien es die eltern wie hier oder Phoen. 162, oder der dem die παρϑενέα gehört, Tro. 253. das tun die beiden andern tragiker nicht, dafür wagt Soph. weit kühner ἐμαὶ παρϑένοι, was Oidipus von seinen unmündigen töchterchen sagt, OT. 1462. wie Eur. Apollon. Rhod., Ill 86.

837 837 die beiden ersten imperative sind complementär, daran reiht sich der dritte mit einem neuen object wie 319. zapayuovg ἐπέ τινε ἐλαύνειν sagt man nicht, allenfalls ἐσεελαύνειν τινέ, wie ὅρχους σφέσεν ἐπ΄- λαυνον Herod. I 146; in Ἰλίῳ κῆδος ἤλασε A. Ag. 701 ist ἐλαύνειν noch sinnlich “hintreiben’. auch χενεῖν würde man schwerlich so sagen. aber eben deshalb stehen beide verba, weil keins von beiden dem er- forderten sinn ganz entspricht.

das bild der schiffersprache “alle segel loslassen’ gehört dem gewöhn- lichen leben an. Plat. Protag. 338°, Aristoph. Ritt. 756. bei Eur. noch Med. 278 in ausgeführtem bilde ἐχϑροὶ γὰρ ἐξιᾶσι πάντα δὴ κάλων, κοὐκ ἔστιν ἡμῖν εὐπρόσοιστος ἔχβασις ‘die feindliche flotte geht mit vollen segeln gegen mich los, und mein schiff kann nirgends auf einen sicheren leicht zugänglichen strand auflaufen’. solche bilder findet frei- lich nur ein an seekämpfe gewöhntes volk, und so der Salaminier Eur.

vers 834—845. 205

er hat κάλως noch in dem bilde 478. κάλως ἐξιέναε im eigentlichen sinne Tr. 94. A. S. haben keines von beiden. späte stillosigkeit setzt dann die phrase an einen falschen platz; besonders pervers Krinagoras

A. P. IX 545 von Kallimachos Hekale, dem τορευτὸν ἔπος" δὴ γὰρ ἐπ᾽ αὐτῷ ὡνὴρ τοὺς Movaswy πάντας ἔσεισε κάλως.

839 αὐθέντας (αὐτοέντας bei Soph.) ein wort unsicherer ableitung, 889 “mörder, αὐτόχειρ᾽ in ionischer und altattischer prosa und in der tra- gödie. dann verschwindet es, um in nachchristlicher zeit in der bedeutung αὐτοχράτωρ ‘herr’ aufzutreten, welche zwar die atticisten (Lobeck zu Phryn. 120) verbieten, aber gerade Eur. Hik. 442 vorgreifend belegt: sie

ist also wol wie in αὐτόχειρ die primitive. das verbot hat auch nichts geholfen, als “effendi’ lebt das wort noch heute.

841 οὐδαμοῦ ist gewissermafsen praedicat “dei nihili erunt'. so sagt man 841 οὐδαμοῦ voulLsıw A. Pers. 498, λέγειν 8. Ant. 183, τεϑέναι E. Andr. 210. zwar fragt man in gleichem sinne δ᾽ Οἰδίπους ποῦ (Phoen. 1688) dennoch wird nicht “οὐδαμοῦ nusquam zu grunde liegen, sondern der genetiv des preises οὐδ᾽ ἁμοῦ == οὐδὲ τοὐλαχίστου.

842 un δόντος δίκην kann überflüssig scheinen, da ja mit “sonst”, 842 schon die bedingung bezeichnet ist. aber solche fülle der rede ist über- haupt antik, und zumal der tragödie steht sie so gut zu wie die doppel- bezeichnung desselben dinges positiv und negativ. unten 1308. sonst

2. b. Bakch. 30 ὧν vır εἵνεκα κτανεῖν Ζῆνα ὅτε γάμους ἐψεύ- σατο, Hik. 196 οὗ χρείᾳ πόλεις ἀπώλοντο, ἐνδεεῖς στρατηλ του; Thuk. 7,19 οἱ ὁπλῖται ταῖς ὁλκάσιν ἀπῆραν, οὗπερ ἕνεκα καὶ --- ἐπληρώϑησαν, ὅπως μὴ Plat. Gorg. 457", wo sowol durch falsche interpunction wie durch conjectur gefehlt worden ist, wie sehr häufig

in analogen fällen.

843 Lyssa ist eine so alte und vornehme göttin wie nur irgend eine andere, 843 aber ihr beruf macht sie den göttern selbst verhafst. von der Nacht stammen nach Hesiod Theog. 235 ff. allerhand böse abstracta, auch Ὀεζύς Ἔρις ᾿Απάτη; er hätte die Lyssa dort gut unterbringen können. aber von Uranos und Gaia stammen die Erinyen 185, mit denen sie auch verwandt ist. doch überwog die vorstellung, auch diese als kinder der Nacht zu denken, wie bei Aischylos, und die symbolik lag nahe. Euri- pides hat die genealogie gewils nicht erfunden (vgl. bd. 1 6), aber er hätte es tun können.

845 hier sollte der name folgen; ihn ersetzt σεμὰς raode: ihr name 845 ist nur ein exponent ihres berufes, und den zeigt ihre gestalt und hat auch Iris bezeichnet. aber das deiktische pronomen ist nur so erklär-

206 Commentar.

lich, dafs eine selbstvorstellung vorliegt, wie in allen prologen. zıuai als bezeichnung der von Zeus den göttlichen gewalten verliehenen wirkungs- sphaere, für welche sie geehrt werden, seit Hesiod (Theog. 885, vgl. A. Prom. 229) stehend. der beruf ist den göttern verhafst, wie der der Erinyen A. Eum. 350. 366. es liegt im wesen der göttlichen reinheit, dafs sie die berührung mit solchen nächtigen wesen verabscheuen, nicht mit ihnen zusammen wohnen noch essen. für jene ist der Hades das haus. daher kommen die Keren 870, und auf diesem verhältnis beruht der hohn 871. 2.

846 846 da Eur. die Lyssa wider ihre natur empfinden läfst, müssen ihr ihre τιμαὶ selbst verhafst sein, wenigstens wenn es gegen die φέλοε τῶν ἀνθρώπων geht. partiliver genetiv neben einem adjectiv im positiv ist im altattischen häufig, nicht blofs bei μόνος u. dgl. dem sinne nach superlativischen begriffen. τέμεος ϑεῶν Andromeda 132, ἀβάκχευτοι βροτῶν Balkch. 473 u. dgl. besonders häufig bei Thukydides, auch gerade mit ἀνθρώπων und ähnlich allgemeinen wörtern.

841 847 σφαλεῖσαν, Hera, auf die es ankommt, und die sie zunächst im auge hat. da Iris angeredet ist, fügt sie jedoch σοέ re zu, und dann tnit das verbum πέϑησϑε bequemer in den plural.

852 852 durch die aufnahme von ἐξημερῶσαε wird der hörer an 20 erinnert und erfährt, dafs die lebensaufgabe des helden erfullt ist. die sorge für den dienst der götter, den wilde frevier wie Buseiris Kyknos Diomedes io frage stellten, wird sonst oft als motiv der taten des Her. hervorgehoben (z. b. Pind. Nem. 1 65; ὑπερφιάλους ἀδίκους τε ἄνδρας ἴδ᾽ ὠμηστὰς ϑῆρας ἐναιρόμενος Kaibel epigr. 831, 8). an die giganten ist wegen ἀνδρῶν nicht zu denken.

854 854 dafs vor diesem verse einer ausgefallen ist, zeigt nicht nur das be- ziehungslose ze, sondern es mufste neben Iris Hera bezeichnet werden wie jedesmal vorher, und es fehlt auch eine bezeichnung der folgerung. als etwa ἀνϑ᾽ ὧν δάμαρτι τῇ βαρυζήλῳ Διός.

856 856 ἐμβιβάζω dynamisch. “ich meistere nicht, ich versuche nur euch von dem wege, wo ihr strauchelt (347) auf das hinzuführen was ru- träglicher ist. Med. 911 εἰς τὸ λῷον σὸν μεϑέστηκεν κέαρ wonach hier der comparativ hergestellt ist. vgl. zu 196.

557 857 σωφρονεῖν ys. die partikel, weil σωφροσύνη an einer Lyssa ein widersinn ist.

858 858 die tochter der Nacht ruft die Sonne zum zeugen für den zwang, den ihr die himmelskönigin antut, nicht nur weil die Sonne, allgegen- wärtig, der gewöhnlichste schwurzeuge ist, sondern weil sie (freilich eben

vers 846---864. 207

aus diesem grunde) auch die frevel der götter nicht beschönigt (9 270, hymn. an Demeter 64). auch lag es einer mit dem probleme des poly- theismus bereits ringenden zeit nahe, das element an sich als etwas göttliches erhaben über die πάϑη der in personen gespaltenen götter anzusehen; ob Sonne oder Wasser oder Erde, das macht wenig aus. Pro- metheus ruft alle elemente in der einöde an. Ἥλιος τιάντων ϑεῶν πρόμος 8. OT. 660, γεννητὴς ϑεῶν καὶ πατὴρ τεάντων Soph. fgm. 875. Orestes läfst nach dem muttermord das gewand, mit dem Agamemnon berückt ist, ausbreiten wg ἔδῃ πατήρ, οὐχ οὑμὸς ἀλλ᾽ πάντ᾽ ἐπο- σεεύων τάδε Ἥλιος. Menander fgm. inc. 132 Mein. gibt dafür eine fade erklärung Ἥλιε, σὲ γὰρ δεῖ προσχυνεῖν πρῶτον ϑεῶν, δι᾽ ὃν ϑεωρεῖν ἔστι τοὺς ἄλλους ϑεοῦς.

860 dozßdos ist das durch heftige bewegung hervorgebrachte geräusch 860 “sausen’. davon ῥοιβδεῖν und das adv. ῥδοίβδην, für ῥοίβὸ -Önv. Phot. Hesych.; das compositum nur hier. von grammatikern und grammatiker- poeten öfter mit ῥοιζεῖν “zischen’ verwechselt. so setzt Quintus 5, 381 6o:ßöndöy vom zischen des kochenden wassers, und steht hier die falsche erklärung do«&ndo» an rande der handschrift. der plural κύνας kann auffallen, und ein moderner dichter würde ihn nicht setzen; aber die alten jagen mit der meute.

861 der kurze nachsatz (ibo qüuidem; die prosa wiirde statt γε δὴ oder 861 τοένυν setzen), noch dazu am anfange des verses mit starker interpunction entspricht nicht nur dem plötzlichen entschlusse, sondern auch dem plötz- lichen umschlage: von jetzt ist Lyssa erst wirklich sie selbst. dem dient das asyndeton, die erst unter der fülle der bilder den faden der grammatik verlierende, dann in lauter gleiche kommata zerlegte orakelhafte rede, endlich die apostrophe. man empfindet beim rechten lesen, wie wilde gesticulationen die darstellung erfordert. die construction würde sein οὔτε πόντος οὕτως οὔτε σεισμός μαίνεται ὡς ἐγὼ ἐττιοῦσα τῷ Ἡρακλεῖ. dies letzte zieht sich zu einem sinnlicheren bilde zusammen; die einzelnen anfälle des wahnsinns sind die einzelnen “stadien’, welche Lyssa durchmifst um ihr ziel zu erreichen. und nun fordert wieder das nomen statt der vergleichungspartikel ein pronomen, οἷα oradıa. die krämpfe der drei reiche, meer, erde, himmel werden mit denen des wahn- sinnigen verglichen, das meer im sturm, vgl. zum ausdruck Or. 344 ὡς πόντου λάβροις ὀλεϑρίοισιν ἐν κύμασιν, das beben der erde, und das gewitter, in welchem die natur in wehen zuckt, “als wollte die welt noch eine welt gebären’.

864 μέλαϑρα und δόμοε sind nicht scharf zu unterscheiden. das ist von 861

208 Commentar.

[.yssa zu viel verlangt: der parallelismus der glieder wirkt erhaben wie in der hebräischen poesie, und ἐπ-εμβαλῶ gibt den schein eines fort- schrittes.

865 865 5 δὲ χανὼν οὐχ εἴσεται mufs verstanden und also betont werden, denn das tempus zeigt, dafs nicht ö κανών verbunden werden kann. eben so wenig kann Eur. den folgenden vers geschrieben haben, παῖδας οὺς ἔτικτ᾽ ἐναίρων, πρὶν ἂν ἐμὰς λύσσας ἀφῇ. erstens weil ἐναέρων nicht neben κανών stehen kann; zweitens weil Her. seine tat längst noch nicht merkt, als er schon nicht mehr rasend ist; drittens weil Lyssa nicht von ihren λύσσαε reden kann; viertens weil die göttin den menschen und nicht der mensch den wahnsinn losläfst. eingeschoben ist der vers von einem grammatiker, der xavwy verband. das noch heute so vielfach unterlassene accentuiren des pronomens kann also recht wichtig werden.

861 867 ἤν, en, ist der komödie gewöhnlich, auch in der verbindung ἣν ἰδού, 2. b. Pratinas im hyporchem, Ar. Fried. 327. seit der Alexandriner- zeit ἣν ἰδέ in daktylischen versen. die sophistische stillosigkeit greift ἣν ἰδοὺ auf, Lukian Totengespr. 10, 10. Anachars. 1. Alkiphron p. 80 Mein. das blofse ἤν steht in dem pseudotheokritischen gedichte 8, 26. in der tragödie ist diese stelle die einzig überlieferte. doch ist es A. Prom. 63 für στολήν herzustellen. auf die aufforderung den Prometheus an den felsen zu fesseln, sagt dort Kratos, indem er den befehl ausführt, 77° τοῦδ᾽ ar οὐδεὶς ἐνδίκως μέμψαιτό μοι. übrigens ist die betonung ungewifs; hier bietet die handschrift den circumflex, meist ist die interjection misver- standen oder ἠνέδε ἠνεδοῦ zusammengeschrieben. es scheint, dafs die antiken grammatiker sie überhaupt nicht verstanden haben.

an den schranken stehen die wettläufer beim beginn des rennens, da steht jetzt Her. das bild der στάδια hat sich etwas verschoben ; nicht “der wahnsinn’ sondern der “wahnsinnige’ ist der läufer. dies ist der moment, der im botenberichte 930 geschildert wird. dem wilden unstäten atmen entspricht 934. πνεῦμα μέγα ἀναπνεόμενον καὶ διὰ πολλοῦ χρόνου παραφροσύνην δηλοῖ Hippokr. prognost. 8. das schütteln des hauptes und der rollende blick trifft auf das bild des wilden stieres ebenso zu wie das schnauben und brüllen.

8069 869 σωφρονέζειν pflegt transitiv zu stehn. aber so ist es hier nicht gemeint, sondern steht für σωφρονεῖν. οὐκέτι σώφρων ἐστὶ τὰς ἀνα- προ 'g, im gegensatz zu παράφρων, nicht zu ἀκρατής. umgekehrt steht Tro. 350 σωφρονεῖν für σωφρονίζειν. οὐδέ σ᾽ al τύχαι σεσωφρο- γήκασι. |

ταῦρος ἐς ἐμβολήν ist grammatisch aufzufassen wie πεερὸν sroöc

vers 865—872. 209

αἰϑέρα 510. es ist der zum stofse sich rüstende stier, σαῦροι ἐς χέρας ϑυμούμενοι Bakch. 743. dagegen ist Syl. 680 zwar auch von Her. gesagt ὄμμα πυρὸς γέμεις, ταῦρος λέοντος ὡς βλέπων ἐς ἐμβολήν, aber nur äußserlich anklingend, denn dort ἐμβάλλει λέων, hier ταῦρος.

Her. ruft nicht die Keren: aber das wüste gebrüll ist für sie die ein- ladung zu kommen, wie das fromme gebet für die lichten gewalten des aethers. 871 φόβος activisch, das was in schrecken setzt; wie Φόβος neben 871 Aeiuog trabant des Ares ist. hier ist der φόβος das instrument, auf welchem Lyssa dem Her. den takt zu seinem ῥυϑμός, πέτυλος μανίας spielt. um das bild verständlich zu machen tritt χαταυλεῖν zu χορεύειν hinzu, ein wort, mit welchem Eur. der spätern sprache vorgreift. seit dem 4. jahrhundert ist es für “sich musik machen lassen, sich durch die ınelodieen anregen, besänftigen, stimmen lassen’ geläufig. wenn eine müde truppe durch den klang der querpfeifen rasch wieder tritt und haltung findet, dann χακταυλοῦνται. eine kurze wiedergabe in deutscher oder lateinischer sprache ist unmöglich. 872 schon redet sie Her. an, im begriff in das haus einzutreten: da 872 wendet sie sich noch einmal um, der verführerin den hohn entgegen zu schleudern, dafs der ort, wo die geister der hölle toben für reine himmels- götter kein platz wäre. die epische form Οὔλυμπος und der aeolismus sredalew (819), beide gleich unerhört in euripideischen dialogversen, heben die trochaeen in die sphaere Iyrischer erhabenbheit.

γενναῖος stammt von einem verschollenen worte γέννα, welches das geschlecht in scharf rechtlichem sinne, die gens, bedeutete, erhalten in γεννηταί gentiles, sonst ersetzt durch γένος, dessen scharf von gens ge- sonderte bedeutung im lateinischen bewahrt ist. aulserdem existirt eine hochaltertümliche bildung, die auch den alten vocalismus nicht einbülfst, yeyvudas, eigentlich das glied einer γέννα dynamisch genau so bezeich- nend wie patricius, aber in der demokratie aus ernsthafter rede verbannt und nur im volksmunde in der bedeutung “ein rechter ker!’ erhalten; denselben bedeutungswandel hat das adjectiv γεννεκός durchgemacht. was bei den Aeolern γέννα (nicht ganz sicher, ob lautlich = γέννα oder yeyea) bedeutete, ist nicht sicher. das wort ist mit den andern aeolismen in die lyrik und das drama gekommen und bedeutet hier yeysa (eigentlich generation, aber dann auch gens genus progenies); Parmenides (67) und nach dessen vorgang häufig Empedokles verwenden es in noch weiterem sinne, so dafs man es meist mit dem späteren φύσες, besser noch dem Jdorischen gva ersetzen kann. das α ist kurz: für den sinnlosen voca-

v. Wilamowitz 11. 14

Versmals.

210 Commeniar.

lismus γέννᾳ sind nur die herausgeber, nicht die überlieferung der bruch- stücke jener epiker verantwortlich. in Athen erwachte durch dies γέννα wieder die erinnerung an das alte wort, und deshalb findet sich die schlufssylbe einzeln lang. γενναῖος ist also ganz eigentlich “adlich’, und so steht es hier und noch ein par mal im drama, z.b. A. Ag. 613 E. Alk. 1097, häufig doppelsinnig, meist aber ganz auf das moralische übertragen ‘edel’, so dafs Soph. O. T. 1471 den begriff ‘von geburt ein edier mensch’ durch γονῇ γενναῖε bezeichnen kann. die geschichte des wortstammes ist die des adelstandes.

Fünfte gesangnummer.

Über die eigentümliche spielart des dochmischen malses, in welchem diese und die folgenden Iyrischen partieen gehalten sind, vgl. bd. 16, wo ihr von einer häufig darin befindlichen zeile der name enoplische dochmien gegeben ist. die zum teil sehr dunkele und in unserer metrischen tradition überhaupt nicht berührte theorie des malses kann bier nicht ge- geben werden; somit ist vielfach die selbstbeschränkung notwendig, nur die je vorliegende versform aus anderen ähnlichen liedern zu belegen, ohne auf ihre entstehung einzugehen. es ist aber nicht blofs die ein- mischung solcher fremden reihen charakteristisch, sondern eben so sehr der häufige personenwechsel, selbst mitten im verse, und die starke be- teiligung der schauspieler;, an dem in die exodos eingelegten liede ist sogar der chor ganz unbeteiligt. wahrscheinlich trug der chorführer die in der überlieferung dem chore zugeteilten partieen vor. denn es ist erstens im allgemeinen nicht wahrscheinlich, dafs z. b. die eine hälfte eines dochmius ein sänger auf der bühne, die andere die 15 choreuten vorgetragen hätten, sodann gibt es keine stelle, wo wie z. b. oben 138. 442 ein gegensatz von chor und chorführer zu fühlen wäre, im gegenteil, die entsprechende ankündigung des Amphitryon 1039 ist grammatisch mit den Iyrischen mafsen unlöslich verbunden, und auch Bakch. 1200. 1 muls derselbe vorgetragen haben, dem die lyrischen verse gehören'). end- lich erklärt sich durch diese verschiedene vortragsart, dafs den freieren enoplischen dochmien hier wie 1016—27 strenger gebaute vorhergehen, die sich auch im tone absondern und den stasima völlig entsprechen. sie haben einfach für solche zu gelten und sind dem ganzen chore zuzuteilen.

1) Daraus folgt freilich, da das lied antistrophisch ist, dafs am ende der strophe (1184) zwei trimeter des chores fehlen. aber das ist an sich notwendig, da sonst kein personenwechsel am strophenende eintreten würde, und aus dem sinne kann jeder die lücke mit einigem nachdenken entnehmen,

Fünfte gesangnummer. 211

die zerrissenheit der verse und die sprünge der gedanken haben vielfach dazu verlockt eine verteilung unter mehrere choreuten anzunehmen. es ist die aufgabe der erklärung in jedem einzelnen falle den zusammen- hang zu ermitteln. das ergebnis ist, dafs eine solche hypothese nirgend auch nur zulässig ist. in den ausnahmefällen, wo der dichter halbchöre, oder vielmehr halbchorführer eingeführt hat (wie Or. 1258), ist die sache in ganz anderer weise klar bezeichnet und versagt auch die überlieferung nicht ganz. ebenso mufs in jedem einzelnen falle erwogen werden, ob responsion vorliegt oder nicht. die dochmischen reihen lassen sich, wenn sie rein sind, sehr leicht zur responsion zwingen, und die fremdartigen glieder kehren recht häufig an mehreren stellen sehr ähnlich oder auch identisch wieder, so dafs die versuchung eine sehr grofse ist, responsion herzustellen. tatsächlich sind denn auch mehrfache versuche gemacht, von denen alle die freilich keine widerlegung verdienen, welche nicht strophe und antistrophe auf einander folgen lassen: eine solche verschränkung (also etwa α βγα γ β) existirt überhaupt nicht, und bei Soph. und Eur. in demselben liede keine andere form als die unmittelbare folge der respon- direnden stücke'), aber auch der versuch den metrischen forderungen genug zu tun, kann sich nicht behaupten”). denn die einschneidenden änderungen, die um eines erst zu erweisenden principes willen gemacht werden, sind in allen diesen liedern nötig. wo aber wirklich, wie fast immer bei Sophokles, die responsion unzweifelhaft ist, sind auch keine änderungen nötig. entscheidend ist, dafs für die dochmischen chorlieder, welche diesen wechselgesängen vorhergehen, responsion überhaupt nicht zu ermöglichen ist, obwol sie da doch mehr am platze wäre. solche lieder finden sich aber auch sonst und schon bei Aischylos (Choeph. 152,Prom. 687, Eur. Hipp. 1268) ohne responsion. deutlich ist dagegen in chorliedern wie in wechselgesängen eine gliederung in perioden, nach der denn im folgenden abgeteilt werden soll: es dürfte hier klar werden, wie nützlich die hilfszeichen sind, welche in dieser ausgabe nach dem vorbilde der Alexandriner eingeführt sind.

1) Die einzige ausnahme, welche Kirchhoffs kleine ausgabe noch zugibt, Andr. 1197—1225, wo er aaßyyß abteilt, löst sich so, dafs 1197—1212 = 1213—25 ist. es sind die ersten reihen der einzigen strophe, zwei iambische hexameter mit mehrfach unterdrückten senkungen, fälschlich als selbständige strophen gefafst worden. wenn man die interjeclionen ὀττοτοτοτοί nicht ändert, ist die responsion vorhanden. auf diese tatsache hat mich vor jahren ein Greifswalder schüler aufmerksam gemacht.

2) Ich habe ihn selbst in meiner übersetzung gemacht und mufs auch jetzt noch zugestehen, dafs mehrere combinationen sehr viel reiz für mich haben. aber das gefällige ist in der kritik kein ausschlaggebendes moment.

145

212 Commentar.

Stasimon 875—86. 1) 875—79. auf einen vorschlag von zwei kürzen, über den zur ersten strophe des vorigen chorliedes (746) gehandelt ist‘), folgen 8 δ(όχμεοι) und 2 bakcheen. synaphie ist möglich und wahrschein- lich. die bakcheen sind seit alter zeit und für alle zeit mit den dochmien verbunden, hängen freilich kaum genetisch mit ihnen zusammen. die dochmien zeigen nur einfachste formen bis auf den letzten, der die ano- malie eines zweisylbigen vorschlags bietet u. —-—---. die erscheinung ist durch nicht ganz wenige belege gesichert, allein es ist eine anomalıe, da die erste wie die vierte sylbe des dochmius zwar als indifferent be- bandelt werden, also eine länge zulassen, eine solche irrationale länge aber aufzulösen in sich widersinnig ist. schwerlich hat die entsprechende anomalie der iambischen und trochaeischen verse die dichter verführt; denn sie pflegten diese für den gesang rein zu bauen, und in recitativen mafsen war der anlafs auch ein ganz anderer. vielmehr hat der enoplios, der sprichwortvers und ähnliches volkstümliche die vorbilder gehefert. ein weiteres beispiel 1057 advvas’ aduvara wor, durch die häufung der kürzen noch auffälliger; wie hier z. b. Bakch. 998 delyıa ματρός τὸ σᾶς. 2) 880---84. die periode besteht aus einem iambischen trimeter, den syllaba anceps abgrenzt; 2 ὅδ, von welchen der zweite katalektisch ist, d. ἢ. die form des bakcheus hat; und sechs dochmien, von den der letzte ebenso katalektisch ist. aber die ersten drei treten als gleich viele anapaestische metra auf, mit den zusammenziehungen, die den anapaesten zustehen, und mit dem wortabschnitt zwischen den einzelnen metra, wie er ebenfalls in anapaesten beliebt ist. dieser ersatz (beruhend auf der gleichen zahl (8) der metrischen einheiten) ist legitim, seitdem es dochmische lieder gibt. 3) 885. 86 4 ὁ.

nun beginnt der wechselgesang, und die einzelnen rufe des Amph. gliedern die perioden; da seine worte zuweilen in synaphie mit denen des chores stehen, sind sie in das versmals mit einzubeziehen. 1) 887—90 5 und ein enoplios der form ...- .ὕ--οὐ -.; wahrschein- lich fehlt hinter ihm ein glied, denn der sinn fordert einen zusatz, und auch das ohr vermifst etwas. man wünscht einen trochaeischen dimeter wie 899. synaphie geht durch. das dritte zeigt in der überlieferung die form γένος ἄγονον αὐτέκα, das würde irrationale letzte senkung zwischen

1) Es liegt auf der hand, dafs man den vorschlag leicht beseitigen kann, man braucht ja nur zwei zo zu entfernen: aber in solchen dingen kann man nur die überlieferung befolgen, so lange sie möglich ist, ohne sich die unsicherheit zu ver- hehlen. man darf sich aber hoffentlich eingestehen, dafs nicht viel darauf ankommt.

Fünfte gesangnummer. 213

auflösungen sein. es scheint kein zweites beispiel für diese form zu existiren, und so wird es wol nicht ein täuschendes modernes gefühl sein, welches diese form verwirft. durch umstellung ist daraus die zu 878 er- läuterte mit anlautendem anapaest gemacht.

2) 890°—92 iambisches metron (Amph.); iambischer trimeter; dakty- lischer tetrameter. daktylische reihen in verschiedenster zahl der metra sind häufig in diesen liedern; belege bietet z. b. die teichoskopie der Phoenissen.

3) 893—95 iambisches metron (Amph.); iambelegus, die am häufigsten in diesen liedern neben den dochmien erscheinende zeile; enoplios der form zu -w--,

4) 896—99 iambischer trimeter; durch syllaba anceps gesondert; 2 ὁ, doch der erste unvollständig in der gewöhnlichsten weise (als creticus); iambischer dimeter + enoplios +-.---. dieses letzte kolon ist sicher als trochaeischer (epitritischer) dimeter zu fassen, katalektisch mit zwei unterdrückten senkungen. denn er findet sich in verbindung eben mit dem enoplios als abschlufs eines daktyloepitritischen liedes z.b. Ἰήι6 Φοῖβε σοὶ δὲ ταῦτ᾽ ἀρέστ᾽ εἴη Soph. O T. 1096. sein vorkommen und das des iambelegus scheint zu beweisen, dafs diese ganze spielart von doch- mien dadurch entstanden ist, dafs man mit ihnen zunächst die daktylo- epitriten, oder vielmehr deren volkstümliche vorstufe, vereinigt hat.

5) 900—903 iamb. metron; 5 d; synaphie möglich und wahrscheinlich. 6) 904—8 iamb. metron; iamb. trimeter; interjection; 3 bakcheen; iamb. dimeter -- enoplios + epitritischer dimeter, ganz wie 899.

7) 910—21. hier tritt an die stelle des Amphitryon der bote. dieser singt nicht; seine worte sind also durchaus nur teile von iambischen versen, aber nichts desto weniger mit denen des chores zu denselben metrischen gebilden vereinigt. dieses seltsame verhältnis wiederholt sich unten in dem wechselgesange zwischen Theseus und Amphitryon, sonst 2. ἢ. Soph. O T. 679—84. E. lon 763 ff. 1445 ff.

910—13 6 iambische metra + 6.

914 trimeter. 915 2 δι der erste katalektisch wie 897. 916 iambischer trimeter. 917—21 706.

Der chor gibt zunächst den eindruck der göttlichen erscheinung in keiner andern weise wieder, als das in jedem stasimon geschehen würde. wie im stasimon die strophe eine einheit für sich ist, so ist es hier die periode. die erste spricht das bedauern über den verlust des Her. erst für den chor, d. h. Theben, dann für Hellas aus. die zweite schildert Lyssa, zwar unter dem eindruck ihrer erscheinung, aber doch so, wie sie sich der

Inhalt.

214 Commentar.

chor in ausübung ihres berufes vorstellt, wie sie also jeizt im hause auf- tritt. die dritte macht von dem allgemeinen die specielle anwendung. da ertönt ein wehruf von drinnen; man erfährt nirgend sicher, wer ihn ausstöfst, was ein sehr wenig in Euripides weise liegender mangel ist. doch findet sich dasselbe bei einem ruf von innen Hipp. 776, und hier, wo nur Amphitryon singt, ist noch leichter darauf zu rechnen, dafs die zuschauer die stimme erkennen. aus dem klagerufe schliefst der chor zunächst nur, dafs die ausführung der untat nahe ist. als sich die rufe aber wiederholen, kann er nicht anders als annehmen, dafs das ungeheure nun vollbracht wird; aber seine bilder und betrachtungen begleiten in wahrheit den fortschritt der drinnen geschehenden handlung, und für den hörer hat das schon etwas visionäres. als nun aber Amph. ruft, dafs das haus zusammenstürzt, so erschliefst der chor die anwesenheit und wirkung Athenas. das ist in keiner weise verständlich, wenn man nicht wirklich eine visionäre erleuchtung des chores zugibt. denn sehen kann der chor nichts und auch nichts hören, woraus er auf Athenas einschreiten schlielsen könnte. bei einem modernen dichter würde man vollauf berechtigt sein, unter diesen umständen eine bühnenanweisung zu ergänzen “in der luft erscheint Athena in der 1003 beschriebenen haltung und verschwindet im innern des hauses. man hört darauf das getöse eines einsturzes”, und auf der modernen bühne würde man so wirklich die scene zu geben haben: aber dem Eur. ist dieser sinnliche effect nicht zuzumuten, weil im text jeder anhalt für das sinnliche erscheinen Athenas fehlt. daran kann nicht zweifeln, wer die chorverse vergleicht, die so häufig die götter- erscheinungen cinleiten, z. b. bei dem erscheinen von Lyssa und Iris. Eur. hat also den ausweg gewählt, dem chor eine übernatürliche erleuchtung zu gönnen: mag der zuschauer immerhin die anrede nicht verstehen, wenn er vernimmt, dafs Pallas in Her. haus geht, so weils er, dafs das nicht im sinne Heras geschielit, so dafs zugleich eine neue spannung erregt wird und damit eine das gräfsliche mildernde hoffnung. das auskunfis- mittel ist eigenartig, aber es hilft dem dichter die so selten erreichte aufgabe erfüllen, dafs eine handlung, die wir nicht sehen, doch mit der ganzen stärke der gegenwart auf unsere empfindung wirkt, ja stärker, aber minder sinnlich roh, weil das wunderbare hinzutritt, und wenn wir dann die ausführliche erzählung hören, so vergleichen wir gewissermafsen die auflösung mit dem rätsel, und unser verstand fühlt sich ebenso befriedigt wie vorher unser gefühl. wenigstens vergleichbar ist es, wenn der chor des Hippolytos, der doch nur weils, dafs Phaidra sterben will, genau schildert, wie sie sich erdrosselt, während sie das drinnen wirklich tut,

Fünfte gesangnummer. 215

767—75. Sophokles ersetzt im Ὁ. Κι. sogar einen bericht über die be- freiung der beiden töchter durch ein chorlied, das nur vermutungen gibt, aber die pbantasie völlig befriedigt. Bakch. 580 ist eine sonst mit der vorliegenden verwandte scene; aber da sehen und hören wir, wie sich wirklich ein wunder begibt.

Der bote der dann auftritt, findet den chor zunächst noch nicht in der verfassung, ihn ruhig anzuhören, sondern wird von klagerufen des- selben unterbrochen, endlich aber zum bericht aufgefordert, den er aus- führlich erstattet. er ist die conventionelle bühnenfigur, wie er denn ein conventionelles costum trägt (oben s. 52). er ist ein diener des Her. damit er gegenwärtig gewesen sein kann und teilnahmsvoll ist. allein der dichter setzt voraus, dals wir weder danach fragen, wie das gesinde des Her. sich schon zusammengefunden haben kann, noch weshalb der bote den chor aufsucht, noch wo er hleibt, als er seine geschichte erzählt hat. in wahrheit kommt er um dem publicum zu erzählen, tut das und geht, als er seine schuldigkeit getan hat.

Es ist notwendig um die bilder, welche im folgenden für den mör- derischen wahnsinn gewählt sind, zu würdigen, etwas weiter umzublicken. der dichter und sein volk besafsen in ihrer phantasie eine fülle von sinn- lichen vorstellungen, welche zum teil tief im religiösen glauben wurzelnd auf eine kurze andeutung hin ein vollbild aus sich erzeugten. unsere phantasie ist kahl und durch die dürre des verstandes unfruchtbar ge- worden, so dafs sie nicht nur nichts aus sich dem dichter entgegenbringt, sondern zunächst mit den einzelnen zügen, die in verschiedene bilder gehören, nichts anfangen kann.

1) Lyssa ist jägerin, 898. der tod wird ja selbst als jäger gedacht, und drunten in der hölle schweifen seine hunde (Ar. Frö. 475, eine stelle die trotz der parodischen färbung sehr viel lehrt: geht sie doch auf des Kritias Peirithoos, ein drama das ganz in der hölle spielte), deren auch im cultus nachweislich gedacht ist. jäger sind die todesgötter Apollon und Artemis, und Hekates meute ist ja allbekannt. Lyssa ist jetzt die jägerin, weil sie nun selbst wirkt; 860 war sie der hund des jägers, weil sie nicht aus eigener initiative handelte. so ward im cultus unterirdischer götter, z.b. des Asklepios, ein υνηγέτης neben den Κύνες eingeführt, der doch im grunde der jäger Tod selbst war. die hunde Lyssas sind dann die Keren, 870, die daemonen, welche den tod selbst bringen, von denen eine eigentlich auch Lyssa ist. Apoll. Rhod. IV 1666 singt Medeia ein zauberlied wider Talos, μέλπε δὲ Κῆρας ϑυμοβόρους, Aldao ϑοὰς κύνας, αἵ περὶ πᾶσαν ἠέρα δινεύουσαι ἐπὶ ζωοῖσιν ἀγῶνται. Theo-

216 Commenlar.

doridas Anth. Pal. VII 439; die Moira hat einen jüngling dahıngerafft (ab- gemäht wie hier 875) Κῆρας ἐπισσεύασα Biov χύνας" πόποι, ἀνὴρ οἷος ἀμειδήτῳ κεῖται ἕλωρ Aldn. (leider ist hier βέου verdorben: dafs es nicht ἀέδου, oder vielmehr ἀέδεω ist, zeigt der pentameter). den Pentheus verfolgt Lyssa durch die maenaden: da werden diese die Joa2 Avooag κύνες Bakch. 977. Aisch. Eumeniden sind dieser bilder voll. aber die Erinyen darf man mit Lyssa nicht vermischen: sie sind grofse göttinnen, sittliche mächte, Lyssa eine personification. wenn sie hunde sind, so sind sie schweifsbunde:: sie jagen nur den blutbefleckten. Ibykos 2 schildert, wie Eros der Aphrodite den menschen in die stellnetze treibt: schildert ihn also als κύων Apeodisng. die liebe ist ja selbst ein wahn- sinn, und so wiederholen sich dieselben bilder wie hier in der erotisches poesie.

2) Lyssa fährt zu wagen, und Herakles ist davor gespannt. da liegt zu grunde die anschauung, die wir in ‘besessen sein’ haben. es kommt ja auch einzeln das bild vom reiter vor (1001). Sieg und Ruhm, die den menschen zu sich auf den wagen nehmen, sind zu v. 779 vorgeführt. das ist der mensch in seiner hoffart; daneben steht auclı Bellerophontes, der auf dem flügelrosse in den himmel strebt. es ist ein kurzer schritt, die beherrschende gottheit fahrend, den menschen im joch gehend zu denken. so geht Orestes im joche des leides, A. Choeph. 795, und Zeus soll ihm den weg weisen. wie viel mehr pafst das auf den wahnsinnigen, der sich des weges und zieles nicht bewulst ist, ihn ἀνασειράζεε ϑεός Hipp. 237; als Orestes zu rasen beginnt, sagt er ὥσπερ ξὺν ἵχποες ἡνεοσεροφῶ δρόμου ἐξωτέρω" φέρουσι γὰρ νικώμενον φρένες δύσαρ-- xzoı Choeph. 1022, von demselben Eur. Or. 36 τὸ μητρὸς αἷμά γυν τροχηλατεῖ uavlaroıy, und ebenso 1. T. 82. El. 1252. Io ruft Prom. 884 ἔξω δρόμου φέρομαι λύσσης τινεύματε μάργῳ. dem τροχήλατος ent- spricht φοιταλέος, das die tragiker von “ύσσα (Eur. Or. 326) und ihrem stachel (A. Prom. 597) brauchen. der stachel des wahnsinns, von dem man freilich in viel weiterem sinne redet, vgl. zu 20, pafste in dieses bild so vortrefflich, dafs er wesentlich zu seiner ausgestaltung beigetragen hat. auch von der liebe sagt Theognis 371 un u’ ἀέκοντα βίῃ χεντῶν ὑπ᾽ ἅμαξαν ἔλαυνε. wie der geliebte die seele des liebhabers am zügel führt, Anakr. 4. A. Eum. 155 sagen die Erinyen von sich selbst, dafs sie der vorwurf Klytaimnestras ἔτυψεν δίκαν διφρηλάτου μεσολαβεῖ κέντρῳ ὑπὸ φρένας Uno λοβόν. so erscheint hier Lyssa zu wagen ihr gespann antreibend. sie führte ja auch wirklich auf der bühne den stachel.

3) Lyssa macht musik, nach welcher Her. tanzt. da die Hellenen

Fünfte gesangnummer. vers 875. 217

für die musik so stark empfänglich waren, wie es der moderne überhaupt nicht begreift, so ist dieses bild, das freilich nichts mythisches an sich hat, leicht begreiflich. besonders Aischylos ist gewöhnt, die regungen der seele als eine melodie zu denken: und sein δέσμιος ὕμνος ist der vollendetste beleg für diese vorstellung. Choeph. 1024 fährt Orestes nach den eben angeführten worten fort πρὸς δὲ καρδίᾳ φόβος Ködsır Eroı- μος, δ᾽ ὑπορχεῖσϑαι χότῳ. also φόβος singt das lied und das herz tanzt zu seinem grimme (ὑπὸ τῷ κότῳ ὀρχεῖται). für Lyssa ist φόβος das instrument, auf dem sie Her. die höllische melodie spielt 871. es ist Nötenmusik, auch 879, 897, weil diese einen viel leidenschaftliclieren orgiastischeren charakter in den augen der Hellenen hatte; weshalb sie Platon ebenso wie Athena verworfen hat. über den πέευλος μανίας, der auch hierher gehört, zu 816. |

4) der wahnsinn ist ein rausch. das empfinden auch wir und sagen es ebenso von jeder die ruhige besinnung überwältigenden leidenschaft. Lyssa übt also dieselbe einwirkung wie Dionysos, nur nicht beseligend sondern vernichtend. wol ist in wahrheit auch im wesen des Dionysos die nächtige seite vorhanden (denn er ist ein gott der beiden welten angehört), und die ekstase selbst erscheint als etwas krankhaftes. es kann also für die raserei Aaxysveır so gut wie μαένεσϑαι gesagt werden. aber es ist doch ein unterschied. Her. ist“4ıdov βάκχος 1119, und die Erinyen haben einen ἀβάχχευτος ϑίασος Or. 319. ähnliche oxymora lieben alle dichter; die dissonanzen der höllenlieder, von denen eben die rede war, gehören eben dahin. die Bakchen des Eur. vereinigen eigentliche mit höllischer Saxysia. auf diesem widerspiele beruhen hier die vergleiche 891—95. auch dieses bild läfst sich auf andere raserei als die des wahnsinns übertragen. z. b. der kampf, βρομίου παράμουσος ἑορταῖς, singt nicht bekränzt zur flöte, sondern χώμον ἀναυλότατον προχορεύεε, trägt nicht ihyrsos und nebris, sondern führt ἀσπεδοφέρ- μονα ϑίέασον ἔνοπλον wider die mauern, Phoen. 785. alle diese bilder, zu denen dann noch einzelne gelegentliche metaphern treten, werden durch das zergliedern ihres reizes entkleidet; wer sie geniefsen will, mufs sich in die antike sinnesart versenken. und selbst das genügt nicht: denn der stachel des wahnsinns, die meute der unterwelt, die dionysische höllenraserei ist ja kein blofses bild, sondern darin empfindet der Hellene den religiösen schauer: grauen mufs einem davor, als ob man das wilde heer über sich ziehen hörte. 875 σὸν ἄνϑος πόλεος wie τἀμὰ πεδία γὴς 468. die beziehung gibt der angeredete, d. h. der chor selbst. die handschrift gibt die variante

Einzel- erklärung.

918 Commentar.

σὸν ἄνϑος, πόλις, auch gut, aber offenbar erleichternde erklärung, übrigens durch das versmafs ausgeschlossen. ἄνϑος steht sonst collectiv von der jugend, Tro. 807, A. Pere. 59 und sogar Thukyd. IV 133. so auch @wrog, aber einmal hat es Pindar von einer einzelnen person 01. 2, 8.

877 877 μέλεος ist praedicaliv, also das verbum substantivum ausgelassen. 819 879 ἔναυλος ist gewöhnlich in übertragnem sinne in den ohren klingend ”,

wie ein schriller flötenton noch lange im gehöre bleibt. Aischines 3, 191 ἔναυλον ἔτι πᾶσιν ἦν ὅτε δῆμος κατελύϑη, Pseudoplat. Menex. 235 ®. danach viele nachahmer, die nichts lehren (aufgeführt bei Ruhnken zu Tim. s. 100). der echte Platon hat aber noch eine stelle vou. 678°. für die menschen, die sich aus der sintflut auf die berge gerettet hatten, &x τῶν ὑψηλῶν εἰς τὰ πεδία καταβαένειν φόβος ἔναυλος ἐγεγόνει. das ist eine ‘schrille furcht’, die überstandene not klingt auch in ihren herzen nach, darin liegt die verwandtschaft mit den obigen stellen, aber es ist doch eben der schrecken, der wie der fötenton in die glieder fahrt, und das ist gesagt wie von Eur. hier die μανέαε ἔναυλοι. auch hier ist ja φόβος der flütenbläser 871. zuzugeben ist, dafs die grammatische vermittelung des begriffes von dem was “in der flöte’ ist, unklar bleibt.

880 880 πολύστονος stammt aus A 73, wo Ἔρις so heilst; Hik. 835

Erinys.

881 881 sie stachelt ihr gespann, gleich als ob das nicht so schon wild genug

88

wäre, also gleichsam nur zunı hohne. ἐπὶ Außg ebenso 5. Ant. 792. ἅρματα das gespann ebenso 947 und üfter, aber wie es scheint, nur bei Eur. ἐνδίδωσε erscheint uns farblos. Eur. verwendet eben δεδόναε im compositum eben so verschwenderisch wie im simplex, vgl. 1403.

883 yopywv ist keinesweges das eine scheusal, welches Perseus über- wunden hat, obwol an das zumeist gedacht wird und auch hier das epitheton μαρμαρωπός diesem eigentlich gehört. die Athener glaubten gar nicht, dafs das gorgoneion, welches ihre göttin auf der aegis und sie selbst auf den schilden führten, von Perseus herrührte, der sie als Argeier auch gar nichts angieng; und sie hatten recht. denn das apotropaion, eine blekende fratze, ist zunächst nichts als das. es ist eine yoeyw oder γοργών, eine ‘wild blickende’; das war ja auch ein menschenname, und Athena hiels selbst γοργῶπις. wenn ein mensch tödlich blickt, so hat er auch ein gorgonuenauge, die höchste steigerung des mal’occhio. so Her. selbst im wahnsinn 990, oder Hektor bei dem späten rhapsoden © 349. jede Kne oder auch Lyssa oder Ate konnte yogyı sein, und deshalb gibt es in der hölle wie Keren so yogyoves

vers 877—883. 219

Arist. Frö. 477, und auch Odysseus fürchtete eine yogyeln κεφαλὴ (nicht das haupt der Gorgo, sondern ein solches durch den blick schadendes un- geheuer) drunten zu erblicken A 634, auclı Herakles hat sie selbst gesehen, Apoll. bibl. 11 5, 12. die attische sage liefs ganz richtig Athena selbst die γοργώ erschlagen, deren haupt sie auf ihre aegis oder ihren schild nahm. aber die einreihung dieser geschichte in den gigantenkampf ist deutlich secundär (E. Ion 897, daher die mythographen). übrigens ist auch die gegnerin des Perseus in der mykenischen sage, wie sie ja auch einen eigennamen hat, ein wesen ganz der nämlichen art wie die andern scheusäler, und es entspricht völlig, dafs in argivischer sage Koroibos eine Ποινι oder Krieg erschlägt. es ist ein unding, von natursymbolik zu fabeln (wie schon im altertum der vollmond bemüht ist); die γοργώ des Perseus wohnte auch zuerst in Tegea, nicht in einem mythischen reiche. für Euripides ist aber natürlich die Gorgo ein anderes wesen als Lyssa, und er unterscheidet sie dadurch dafs er sie eine “Gorgo der nacht’ nennt, von dieser stammt eben Lyssa, nicht Gorgo die tochter der Keto (Hesiod Theog. 274).

uapuapwrcög ist dem sinne nach eigentlich dasselbe wie γοργωπός, denn so hat es der gemeint, der μαρμαρῶπις κατὰ γλῶσσαν für Athena gesagt hat; wir kennen das nur durch Tryphon zz. τρόπων IIL 195 Speng. auch hat uapuageog μαρμαρόεξις nur die bedeutung des glanzes. allein Eur. hat das wort wol als ἀπολεϑῶσα “steinblickend’ verstanden wissen wollen, da er es von Gorgo sagt, und so denn auch Lykophron 843 von derselben μαρμαρωπές γαλῆ. gebildet ist das wort nach dem vor- bilde der yooyw βλοσυρωπές A 36. aber man hat nicht nötig trotz diesem vorbilde und den anderen zeugnissen die form auf ἐς bei Eur. herzustellen. es existirt auch βλοσυρωπός, und viele ähnliche doppel- ‚bildungen. ἑκατογκεφάλοισιν ὀφέων laynuaoı, vgl. 543. durch die schlangen, welche ihnen gemeinsam sind, ist Lyssa eine Gorgo.

der ausdruck ist von raffnirter künstlichkeit. μαρμαρωπός steht neben Avooa, obwol es eigentlich zu Γοργών gehört, Νυκτός dagegen bei jenem, und dazwischen opew» ἰαχήμασι, was auch nur zur Gorgo in eigentlichem sinne gehört. durch die vertauschung der attribute wird die vollkommene einheitlichkeit eines bildes erzielt. die sprache ver- mag der empfindung nur gerecht zu werden, indem sie über sich selbst hinausgeht. nur ein dichter, der sich seiner sprachschöpfenden gewalt bewufst ist, aber auch bewufst mit der sprache experimentrt, kann so etwas wagen, und die erklärungen des verstandes bleiben ohnmächtig. gelingt es, so ist das gefühl überwältigt, mislingt es, so ist der galli-

220 Commentar.

mathias da. Phoen. 563 ὄψῃ δαμασϑὲν ἄστυ ὄψη δὲ πολλὰς aly- μαλωτίέδας κόρας βίᾳ πρὸς ἀνδρῶν πολεμέων πορϑουμένας. die verba δαμάζω und πορϑῶ sind vertauscht “eroberung der jungfräu- lichen ehre und schändung der stadt” um durch die complementären züge ein vollbild zu liefern. Hik. 902 οὐχ ἐν λόγοις ἦν λαμπρὸς ἀλλ᾽ ἐν ἀσπίδι δεινὸς σοφιστής, τῶν δ᾽ ἀγυμνάσεων σφαγεὺς. hier ist ein antithetisches spiel, indem σοφεστής und ἀγύμναστος eigentlich zu der redeschlacht gehören; λαμπερός ist ein indifferentes wort, statt dessen man etwas wie “mörderisch’ sehen möchte, um die vertauschung voll zu machen. Med. 1123 φεῦγε μήτε ναίαν λιποῦσ᾽ ἀπήνην μήτ᾽ ὄχον πεδοσειβῆ. hier ist wieder ὄχος ein zu wenig bezeichnendes wort, so dafs nur in dem ersten gliede die vertauschung voll ist. übrigens ist dies beispiel durch die neigung erzeugt, in disjunctivem ausdruck die gröfste vollständigkeit zu erzielen, “versuche jeden weg der flucht’ vgl. zu 1106. löblich ist dieser schwulst gewifs nicht. Alkmeon 60 φόβος

τό ve στόμ᾽ εἰς ἔκπληξιν ἀνϑρώπων ἄγει τὸν νοῦν τ᾿ ἀπείργεε

μὴ λέγειν βούλεται. Pindar Ol. 7, 63 πολύβοσχον γαῖαν ἀνθρώ-

ποισε καὶ εὔφρονα μήλοις. Soph. Ai. 666 εἰσομέσϑα μὲν ϑεοῖς

εἴκειν, μαϑησόμεσϑα δ᾽ ᾿Ατρείδας σέβειν, dies insofern anders, als absichtlicher hohn in der vertauschung von eixsıy und σέβειν liegt, wie schon der scholiast bemerkt hat. Horat. carm. I 34 tonantes egit equos volucremque currum, bei diesem dichter sicher das einzige beispiel, und eine wirklich dichterische kühnheit der art dürfte sonst von Römern nur Vergil zuzutrauen sein. bei Goethe hat mir vor vielen jahren ein freund gezeigt “da erklingt es wie von flügeln, da bewegt sichs wie gesang”, aber ein zweites beispiel hat sich mir die vielen jahre her nicht gezeigt.

881 887 aus den ersten rufen des Amph. erschliefst der chor nicht mehr als der zuschauer, dafs nämlich Lyssa ihr werk beginnt.

889 889 Her. leidet strafe, das hat Iris gesagt 842. aber diese ist ungerecht. so suchen ibn ἄδικοι Ποιναέ heim; das sind wesen desselben schlages wie die Keren, wuoßowseg, wie die Erinyen des Aischylos ihre gier nach frischem blute schauerlich schildern, oder der daemon des Pelopiden- hauses einen ἔρως αἱματολοιχὸς im bauche hat, πρὲὶν χαταλῆξαι τὸ παλαιὸν ἄχος, νέον ἰχώρ Ag. 1479. und sie sind von Lyssa gesandt, wirken im wahnsinn, also sind sie Avgoadeg. eine solche epische häufung von beiwörtern, auch wenn sie alle ihre besondere beziehung haben, ist nur im höchsten stile noch im drama gestattet. IIoıvai ist eine in spä- terer zeit häußge, auch auf den apulischen unterweltvasen, die bd. 15 erwähnt sind, bezeugte bezeichnung für die Ἐρινύες; zuerst in der ein-

vers 887—896. 221

zahl A. Choeph. 935. 947. hier ist in der handschrift ἀποινόδικοι δίκαι überliefert, indem die verbesserung für die dittographie an falscher stelle in den text geraten ist. ἀποινόδικος könnte nur stehen, wenn von einer wirklichen vergeltung, von &rzowe, die rede sein könnte, und Ζέκαι sagt man nicht: Dike ist zu früh ein himmlisches wesen und bei- sitzerin des Zeus geworden, um in solche sphaere gezogen zu werden. 890 die Poinai werden den Her. bald als einen kinderlosen hinstrecken’. 890 offenbar ein technischer ausdruck der ringerschule. Kykl. 476 βοτρύων senyalg ἐπέκωμος (80 für drei κῶμον, vgl. Hesych. ἐπέκωμος: ἑπάδων τῇ φίλῃ, ἀπὸ οἴνου ᾷδων) ἐκπετασϑείς. “vom weine bezwungen’; am boden liegt er gar nicht, sondern geht im komos singend auf einen genossen gestützt vor liebchens tür. Kykl. 678 heifst der wein, der solches bewirkt, παλαέεσϑαι βαρύς. ein ähnlicher vereinzelter ringerausdruck ist äxreiveıy Med. 585; χαταβαλλεὲν Bakch. 262, auch στορέσαι 1000 ist verwandt. xaxoigıy erscheint aber zu farblos dabei; man kann nicht einmal sehen ob es leiden oder verbrechen sind. also wird ein beiwort fehlen: vortrefflich würde sinn und vers füllen xaxoioıy ἐχπετάσουσιν ἀπροβουλήτοις. 891 der tanz nach Lyssas melodie ist kein dionysischer; es fehlt das 891 tambourin, das in diesen dienst aus dem der Kybele aufgenommen ist, Bakch. 59. 124, und der thyrsos, vgl. Phoen. 785, Bakch. 1386. dies wird so ausgedrückt, dafs dem thyrsos nicht zu liebe getanzt wird. der plural des adjeclivs wie πρόϑυμα 113. das attribut für den gott genannt wie Διὸς κεραυνόν 177, gorgo und dreizack Erechth. 362, 46.

ἄτερ (lautlich = sonder) ist den meisten Ioniern, doch nicht Herodot, geläufig, während es den Aeolern und Hellenen des mutterlandes fehlt. iyrik und tragödie danken es dem epos. bei Eur. fast immer wie hier nachgestellt. 894 προσφάγματα wird noch regiert von xasagyssar. im: dionysischen 894 taumel wird auch blut vergossen, auch da gibt es eine λωβά (ἀλλά τι καὶ χλεύης οἶνος ἔχειν ἐϑέλεε unbekannter elegiker bei Athen I 32}): die maenaden zerreilsen hirschkälber und anderes wild, wenn sie gereizt werden auch herdenvieh, wie Bakch. 735. die monumente geben unzählige belege. aber Her. begeht eine viel entsetzlichere Awßa als die Jıovvorag. in prosa würde man dafür etwa ὕβρις καὶ παροινέα sagen. 896 jetzt ist die situation die welche 970 erzählt wird. als der chor den 896 mahnruf hört, sagt er “ein furchtbares lied wird auf der flöte vorgetragen”; was es bedeutet, hat er eben gehört: den begleitenden tanz erschliefst er, die jagd Lyssas nach den kindern.

222 Comumestar.

9 AO nun sind die kmder v4 dafs se der cher schliefst. zeigen seime worte; dafs er richtig schliefst, der betenbericht.

s£: 903 verba dıe die abstammung bezeichnen, stehen οὗ m prassens, wo wir das perfecium erwarten. es haben also die Athener darin nicht den eımmalszen δεῖ vom zeugung oder geburt, sondern, auch m gewimem sisne dvaamisch, das dauernde verkälteis des ursprungs der eızienz emplaaden. τίχεουσα ebenso gut wie τεχοῖσα beifst die mmiler.

4“ 904. Amph. ταῦ ἴθ dem momente, den 1004 schildert.

ss %)6 7, ı, raft man unwillig über das tun eines andern, damit er asfköre. Ar. Wolk. 105 7, σιώπα. μελάϑρῳ einfachster lecativ; zu 114. die anrede Διὸς nal ist zunächst misverständlich, weil sie auch auf Her. gehen kann, erkält aber durch die nensung der Pallas sofort ihre erklärung. anch ΚΑΒ so nur jemand angeredei werden, dessen erscheinen ım hause selbst befremden erregt.

wi 901 ταρτάρειος mit diphthong in der vorletzten sylbe, wie bier über- liefert und vom versmals gefordert ist, ist ausdrücklich für Ear. bezeugt; fgm. 381, und es ist correcdier als Ταρτάριος, vgl. 15. es sieht für χϑόνιος, denn ein erdbeben begleitet die erscheinung der Pallas.

“s 006 dafs Athena im kampfe mit Enkelados ein erdbeben erregt hätte, ist nicht überliefert; man kann allenfalls hierher zieben, dafs sie auf ıha Sicilien geschleudert haben soll (Apollod. bibl. 1 6 2). allein die reiche hildliche tradition kennt diesen zug nicht, und er ist offenbar eine über- tragung von Poseidon, der Nisyros auf seines gegner schleudert. wir wissen also nicht, worauf Eur. anspielt, haben aber auch keinen irgendwie zusammenhängenden bericht über die gigantomachie aus älterer zeit.

909 λευχὰ γήρᾳ σώματα ein seltsamer ausdruck für die grauen häupter. die seltsamen wendungen und verbindungen häuft der dichter um die fremdartigkeit der situation und die gewaltige erregung der personen zu versinnlichen. auch darin ist die scene Bakch. 576 ff. ähnlich.

911 911 ἄλαστος ist freilich der ableitung nach “unvergelslich’, gebildet von λαϑ- wie ἄπιστος von πιϑ-; aber es ist im wirklichen gebrauche durchaus nur ein sehr starkes synonymon von δεινός. auch Alaoswe ist nicht mehr der ‘immer gedenkende’ vergeltungsdaemon, sondern der “fiuch’. der übergang der bedeutung ist dadurch bewirkt, dafs ἄλασεος in der richtung verstanden ward, die später ἐνθύμεος annahm (722). als Achil- leus es ablehnt sich mit dem mörder seines freundes zu vertragen, nennt er ihn Ἕχεορ ἄλαστε: er kann ihm keine ἀμνηστεέα gewähren. ἀλα- στεῖν ( 163 Ξ 21) ist geradezu mit ἐνθύμιον ποιεῖσθαι wieder- zugeben.

vers 900 ---918. sechster auflritt. 228

912 ΙΓ sind uns selbst prophet genug’. ähnlich der chor zu Kassandra 912 A. Ag. 1099 περοφήτας οὔτινας uarevouer. allein da handelt es sich um etwas altes: hier gesteht der chor gewissermalsen seine übernatürlich vermittelte kunde ein. &&ouaı "kommen lassen’, wie man ja allerdings seher zur aufklärung über ein ἄγος beruft. σοφιστὴν δ᾽ ἄλλον οὐκ ἐπάξομαιε Rhes. 949. 916 “deine bezeichnung der hände als δαέοε trifft zwar zu, aber sie sind 916 es doch noch in höherem grade als sich aussprechen läfst’. Hek. 667 παντάλαινα χἄτι μᾶλλον λέγω. 918 das streben nach parallelismus hat zu einer kühnen construction 918 geführt; ἄτη ist sowol activ das verbrechen das jemand begeht wie passiv das unheil das jemand erleidet. der chor will sagen, dafs diese tat für den täter in demselben mafse ein unheil, eine ἄτῃ, war wie für die opfer, eine grevaxın ἄτη πατρός wie eine osevaxsn ἄτη παίδων könnte er zwar sagen, aber das würde nicht deutlich sein und die antithese des täters und der leidenden verwischen, daher wagt er den dativus commodi 7αιεσίν.

πῶς ἀναφαίένεις ist nur der form nach eine frage au den boten, dem sinn nach eine aufforderung zu sagen, wie die ἄτη war. des- wegen tritt eine directe frage, “wie stürzte dies leid auf das haus (das es zerstört hat) und das leben der kinder’ dahinter. dieses verhältnis der fragen verkennend hat ein leser A&ys vor der zweiten eingeschoben. ἐπέσυτο braucht Eur. hier und Hel. 1162, Phoen. 1065 im sinne eines plötzlichen feindlichen “überfalles’, so auch φήμα φρένας ἐπίσσυτος Hipp. 572 (wo das verbaladjectiv verbale kraft bewahrt). und auch Hel. 1133 Eovso πατρέδος ἀπόπρο χειμάτων πνοᾷ --- ἹΠενέλας ist es wenigstens ἀσεδλαϑῆναι. die homerische bedeutung ‘sich eilig bewegen’ ist auf den passiven aorist ἐσύϑην übergegangen.

Sechster auftritt, Botenbericht 923 —-1015.

Die erzählung ist von vollendeter anschaulichkeit und epischer objec- tivität. die stimmung des erzählers, der den hörern gleichgiltig ist, hat auf ihre färbung kaum einflufs. der inhalt ist: Her. ist mit seiner familie und seinem gesinde beim reinigungsopfer auf dem hofe, als ihn plötzlich der wahnsinn überfällt, dessen erste symptome genau zu den ersten worten Lyssas stimmen, wilder blick, krämpfe in der brust, dafs ihm der schaum vor den mund tritt. die wahnvorstellung, die ihn beherrscht, ist, dafs er nach Mykene ziehen und Eurystheus töten müsse: er glaubt das

224 Commentar.

zu erleben, und tanzt nun vor den seinen gleichsam eine pantomime, zu der ihm Φόβος den tact pfeift; die erklärung geben seine begleitenden ausrufe. er macht zunächst die geberde als führe er, während er im joche Lyssas geht (880). so geht er im hause hin und her. als er im sale ist, meint er die erste station des weges nach Mykene erreicht zu haben, geht in eins der anstofsenden kleinen zimmer, und tut als äfse er. dann geht er weiter, zur nächsten station, dem im osten von Korinth am wege gelegenen isthmischen heiligtum. da meint er, wären gerade die kampf- spiele, und den sieg in ihnen nimmt er bei wege mit (wie er ähuliches Alk. 1026 erfindet). endlich kommt er in Mykene an. er ist nun wieder auf dem hofe und hält seinem wahne gemäfs die eigene familie, die er hier antrifft, für die des Eurystheus, und richtet nun gegen sie die tötlichen waffen. die beiden älteren söhne flüchten sich, der eine hinter den altar, der andere hinter eine säule. aber es gelingt dem vater den einen zu erschiefsen, den anderu, der ihm entgegenkommt, zu erschlagen. den dritten hat die mutter in ein zimmer gerettet, das sie verschlossen hat. aber nun erscheint die geschlossene tür dem Her. als die kyklopische mauer, die er brechen wollte, er sprengt sie, erschiefst die geflüchteten, sucht nun den vater da kommt eine erscheinung, in Pallas gestalt, sie schleudert einen stein gegen ihn, er bricht zusammen, schlägt nieder auf eine säule, die gleichzeitig mit dem ganzen peristyle durch ein erd- beben zusammengebrochen ist. so liegt er besinnungslos und wird von Amph. und dem gesinde an diese säule festgebunden.

Die erzählung ist im altertum sehr stark bewundert worden, wirkt auch jetzt noch gewaltig, aber es ist nicht zu bestreiten, dafs der dichter die anschaulichkeit bis zur kakozelie getrieben hat. die beiden stationen auf der fahrt nach Mykene werden lächerlich, zumal wenn man sich Her. mit der luft faustkämpfend vorstellt. und wer es so genau nimmt, dem versagen wir die freiheit des epikers, die er sich nimmt, und fragen 979, wo hat Her. die waffen her? hat sie ihm denn einer auf den befehl 942 gegeben? wo hat er die brechstangen her 999, hat sie ihm denn einer auf den befehl 945 geholt? und rechnen die zeit nach, und finden endlich das betragen des Amph. und des gesindes verächtlich, werden geneigt ihnen nicht geringe schuld beizumessen. Eur. ist bier in den fehler verfallen, den l.essing am botenbericht des Ion tadelt, der aber von vielen seines alters gilt (ähnliches ist in der stichomythie zu bemerken): er hat die üppigkeit seiner phantasie wild wachsen lassen. es ist diese seite, durch welche er mit Ovid ähnlichkeit zu haben scheinen könnte. allein bei Ovid ist das verderbliche die rlıetorische manier, und die Heroiden sind nicht anders

Sechster auftritt. 225

gemacht als die Tristien. richtiger wird Euripides mit Shakespeare ver- glichen μεγάλης φύσεως ὑποφερομένης ἤδη ἴδιόν ἔστιν ἐν γήρᾳ τὸ φιλόμυϑον εἰς λῆρον ἐνίοτε δᾷστον κατὰ τὴν ἀπαχμὴν τὰ μεγα- λοφυὰ παρατρέτεεται sagt der schrifisteller vom erhabenen (cap. 9). Für das verständnis ist eine klare vorstellung von dem inneren des palastes nötig, der natürlich die anlage eines attischen hauses hat, die lehre, welche unsere handbücher von dem privatbau vortragen, ist ver- kehrt und veraltet, da sie einmal von einem s.g. homerischen hause fabeln, das aus den zufällig in den erhaltenen epen vorkommenden erwähnungen zusammengeflickt ist, ohne rücksicht darauf, dafs die gedichte aus mehreren jahrhunderten und ganz verschiedenen gegenden stammen, und zweitens von der theorie des Vitruv und grammatikerstellen ausgegangen wird. auszugehen ist aber nur von den monumenten, die nur der architekt richtig benutzen wird, und von den zeugnissen erster hand. die angaben des Eur. erläutert genügend schon der palast von Tiryns, wie er sich bei den ausgrabungen gezeigt hat: dafs man ihn vergleichen kann, liegt nicht daran, dafs Euripides Herakles in einem “homerischen’ hause ein- führen wollte, sondern daran, dafs der tirynthische palast und das attische haus dieselbe grundanlage haben. das haus besteht aus zwei hauptleilen, dem hofe (αὐλή), welchen säulenstellungen umgeben, die längs der aulsen- wände stehen. dieser säulengang ist über den ungepflasterten hofraum erhoben durch einen unterbau (xenreis); er ist so schmal, dafs der knabe, welcher hinter einer säule steht, als er hintenüber fällt, an die wand schlägt (979), und zwar ihren unteren teil, die de9oosaraı (980), d. ἢ. “hochkantig gestellte steinplatten, welche meist zu zweien die stärke der mauer bilden und bei fast allen griechischen bauwerken vorkommen (Dörpfeld in den Mitteil. des archaeol. Inst. in Athen VIII 151). auf dem freien raume des hofes steht der altar, der dem “Zeus des gehöftes’ Z. ἑρκεῖος geweiht ist, ein steinerner bau mit mehreren stufen (974), welcher ἐσχάρα heifst (921), weil auf ihm brandopfer gebracht werden. (dafs ἐσχάρα ein altar aus erde und rasen gewesen wäre, ist die lehre der grammatiker, Apollon. lex. Hom. s. 78, aber der wortgebrauch stimmt dazu nicht). deshalb stell er auf dem hofe, wo zudem sich die ganze schar der hausbewohner (οἰκέται 976) versammeln konnte: denn da der schutz dieses Zeus alle angeht, die in seinem ἕρχος wohnen, so hat das gesinde an dem gottesdienste auch seinen anteil. ein ganz entsprechender altar ist in Tiryns auf dem hofe gefunden. auf einer seite des hofes stöfst an ihn der ἀνδρών (954), die grofse halle, in welcher der herd steht, und die be- wohner den tag über sich aufhalten, sobald sie unter dach sein wollen. v. Wilamowlits 1. 15

226 Commentar.

an ihn stofsen in unbestimmter anlage kleinere räume, namentlich schlaf- zimmer (δωμάτεα im leben genannt, cubicula, wofür die tragödie, da sie keine deminutiva anwendet, δώματα sagen muls, 955), wie deren auch oft an oder in die säulenhallen des hofes gebaut sind. ob man von der strafse zuerst auf den hof kommt, wie in Tiryns, older in das eigentliche baus, so dafs der hof dahinter liegt, ist um so weniger für die anlage von bedeutung, als dieselbe eine sehr bedeutende tiefe hatte, also oft von siralse zu stralse reichte. türen verschliefsen sowol das ἔρχος (1030), wie den ἀνδρών, wie die δωμάτεα (997). die geschilderten ereignisse tragen sich vorwiegend auf dem hofe zu, dessen säulenstellung zuletzt zusammen- bricht; der hof wird auch durch das ekkyklema dem publicıhm gezeigt.

Die im eingang geschilderte situation ist die sühnung und weihung des hauses und der familie von der befleckung, die durch den totschlag des Lykos über die δώματα, die eben beides bedeuten, gebracht ist: denn der tod (wie die entbindung) entweiht den ort, wo er stattfindet und jeden, der die leiche (und wöchnerin) schaut oder berührt. eine solche weihung, welche wie die meisten rituellen handlungen der haus- vater oder wer in ähnlicher stellung steht vorzunehmen berechtigt und verpflichtet ist, kam also in Athen alle tage vielfach vor. die religiöse scheu des volkes weihte z. b. die zur volksversammlung zusammentrelende menge jedesmal vor beginn der sitzung, weil doch ein befleckter unter ihr sein konnte, und in den heiligtümern pflegte man vor dem opfer einen ähnlichen act aus gleichem grunde vorzunehmen. die ceremonieen kannte damals also jeder. aber die zeiten änderten sich, und es ist eine ganz unberechtigte annahme, dafs die ceremonieen des cultus davon aus- genommen gewesen wären. Didymos schon hat sich mühe geben müssen, um die hier in betracht kommende zu erläutern, und hat es wesentlich mit unserer stelle und der opferscene des aristophanischen Friedens getan (im schol. des Friedens 956 und bei Athen. IX 409°). da die stellen erhalten sind, lehrt er nur wenig, denn sie sind unzweideutig. die cere- monie ist folgende. auf dem altar des Ζεὺς &pxelog wird feuer gemacht, dessen reine flamme die eigentliche trägerin der entsühnung ist (937 und I. T. 1332 ἀπόρρητον φλόγα ϑύουσα καὶ καϑαρμόν). ein scheit davon wird von dem sühnenden in ein becken (χδρνέβεον) mit wasser, das tech- nisch χέρνειν mit altem ausdruck heilst, getaucht, und mit diesem weih- wasser werden die zu entsühnenden räume und personen besprengt. das ist die sühnung mit wasser. vgl. Apollon. Rh. 4, 1721 örnörs δαλοῖς ὕδωρ αἰϑομένοισιν ἐπιλλείβοντας ἴδοντο, vor einem dankopfer. ver- bunden ist oft mit ihr die mit blut. es werden dazu die opfertiere (meist

Sechster auftritt. vers 924—945. 227

ferkel), und die in einem korbe befindlichen opfergerätschaften um den altar geführt oder getragen, dann das opfer geschlachtet und mit dem blute die besprengung vollzogen. so geschah es in der volksversammlung. an anderen orten galt andere sitte. z. b. auf Keos entsühnte man das sterbe- haus mit seewasser und hysop (Dittenberger syll. 468). Vergil Aen. 6, 230 läfst mit reinem wasser und einem olivenzweige entsühnen. 924 ἐξέβαλε ist ganz eigentlich zu verstehen; die leiche, das Auge, ist 94 beseitigt. mehr ist Lykos weder für die handelnden noch für die zu- schauer. 927 eilıxro “war ım kreis herum getragen’ vgl. zu 690. Herakles hatte 927 εὐφημεῖτε gerufen (vgl. Arist. Ach. 237. Thesm. 295), und sie schwiegen, vgl. zu 1184. φϑέγμα ὅσιον εἴχομεν d. i. κατείχομεν vgl. ἔσχε στόμα 1244. noch gewählter paraphrasirt Bakch. 69 στόμα εὔφημον ἅπας ἐξοσιούσϑω. 930 ἔστη blieb stehen’ in kräftigster aoristbedeutung, ebenso προσέσχον 930 ὄμμα. “richteten ihr auge auf ihn’. 932 ebenso von der wahnsinnigen Agaue Bakch. 1162 ἐν διαστρόφοις 932 ὄσσοις ὁρῶ ὁρμωμένην ’Ayaunv. 933 ῥέζα kann nicht die wurzel des auges, das innerste sein, wie bei 938 Homer ı 390, sondern es tritt im weilsen des auges blutrotes geäder hervor, das sich mit feinen saugwurzeln sehr gut vergleicht. 935 die beiden auflösungen in diesem verse im gegensatze zu den spondeen- 935 reichen, die vorhergehen, geben prächtig den contrast des gelächters zu der stimmung der situation wieder. 938 μεᾶς χειρός ein seltener gebrauch des genetivs. τῆς αὐτῆς ödos 988 Arist. Fried. 1154. Antiphon 116. ἡμερεύοντας ξένους μακρᾶς κελεύϑου A.Choeph. 710. πηδήματος εὐπετοῦς ἀνάσσων A. Pers.94. τένεεν χρέος δούλης ϑανούσης εὐμαροῦς χειρώματος A. Αρ. 1326. verständlich wird all das in wahrheit nur dadurch, dafs der genetiv einen teil der pflichten des alten ablativs geerbt hat. die 8. g. genetive der zeit, ϑέρους χει- uwvog, und der art, Bog&ov γαλήνης, sind nicht anders zu beurteilen: und schliefslich selbst des genetivus absolutus. 939. 40 die verse gehören nicht dem Eur., sondern einem breit und 939 plump nachmalenden interpolator; Her. reinigt nicht seine hände, sondern das ganze haus, und es mülste mindestens xal ἐπεὶ τοῖς νῦν ϑανοῦσι heifsen. 942 ὅπλον χερός die wafle, mit der man ἐν χειρῶν νόμῳ, cominus 942 ficht, die keule. 945 die Kyklopenmauern von Tiryns und Mykene lagen damals so gut 95 15*

228 Commentar.

in schutt und trümmern wie bis auf Schliemann. weil sie in der sage gefeiert waren, feiern sie die tragiker, aber ohne ortskenntnis und ohne interesse an ihren resten. eine reise zu topographisch-historischen studien ihnen zuzutrauen ist kindisch, so oft auch ihre verse so gedeutet werden. das zeigt auch dieser vers. denn die mauern, welche Eur. in wahrheit im auge hat, die nach dem lot und der richtschnur, deren geröteter (μεμελ- zwus&vog) faden an den bausteinen abgeschnellt ward, mit den scharf an einander gepalsten stolskanten zusammengefügt sind (ohne mörtel), sind die unvergleichlich gearbeiteten marmormauern seiner zeit, nicht die selten τύχοις, nie φοένεχε χανόνε gefügten wirklich “Kyklopischen’. an den schiffshäusern in Zea hat man die mennigstriche noch gefunden: ἐφαέ- veso ζωηρότατα τὸ ἐρυϑρὸν χρῶμα τοῦ νήματος, ὅπερ μετεχειρίσϑη ö ἀρχαῖος λιϑοξόος εἰς ἀπεύϑυνσιν τῶν γραμμῶν αὐτοῦ, ἐπὶ τοῦ λίϑου (πραχειχὰ τῆς ἀρχαιολ. ἕταιρ. 1885, 65).

φοῖνιξ, nebenform von φοενός φοένεος, hat Eur. oft, wie auch Pindar (im femininum) und die Aa ἐπὶ Πατρόχλῳ 454 als adjectiv; nicht Aisch. Soph. substantivisch für die rote (purpur)farbe und in compositis ist es häufiger. zur bezeichnung der“roten männer’, der Phoeniker, ist es schon früh gewählt, weil die endung für ethnika gewöhnlich war. und von dem volk hat der “phoenikische’ baum, die palme, den namen er- halten. Poenus ist so gut lehnwort wie puniceus.

46 946 σερεπτὸς σίδηρος ein gewählter ausdruck “mit eisenhaken’. σερετε- τὸς (χρυσός) für goldene halskette ist gewöhnlich. sonst pflegt es von metall nicht gesagt zu werden: denn ein byzantinischer poet (Theaetet der scholastiker Anth. Pal. VI 27, 6 σερεπεῶν ἀγκίσερων) beweist nichts für Eur. verständlich wird es durch das verbum συνεριεαεγοῖν. in dem das instrument selbst genannt ist, das aus “gewundenem eisen’ besteht. die praeposition σύν entspricht in solchen zusammensetzungen unserm “zusammen”; das gegliederte und geordnete gebilde wird in eine unförmliche masse durch einander geworfen. so συναράσσειν 1142 und schon ε 498, ouyxegavvoiv Archilochos 77.

97 947 das erste glied nimmt das allgemeine voraus, die wahnvorstellung, welche die ganze folgende handlung des Her. beherrscht; die einzelheiten, und zwar auch die vorbereitenden handlungen, das besteigen des wagens und das antreiben der pferde, d. h. die abfahrt, schließen sich daran, durch die copula scheinbar coordinirt. es ist dies die weise griechischer erzählung, von welcher das sog. hysteron proteron (eiuara τ᾿ ἀμφιέσασα xal λοέσασα) nur eine gattung ist: musterhaft dargestellt von I: Classen (beobachtungen über den homer. sprachgebrauch, anhang). die beiden

vers 946—959. 229

participia βαένων ἀρματ᾽ οὐκ ἔχων stehen nicht parällel, geschweige dafs sie tautologisch wären “und dann gieng er und sagte er hätte einen wagen, den er doch nicht hatte”. ebenso 949 “und schlug zu, mit der hand, als ob er mit der peitsche schlüge”. die richtige recitation macht diese verse nicht nur verständlich, sondern gibt ihnen eine schauerliche lebendigkeit, und ihr hat die interpunction zu hülfe zu kommen. dafs man sie schon im altertum unbewulst verdarb, weil man sie nicht richtig

zu betonen wulste, zeigt die fassung, in welcher Dion von Prusa (32, 94) sie anführt αὐτοῦ δὲ βαίνων ἅρματ᾽ οὐχ ἔχων ἔχειν ἔφασκε" δίφρου

δ᾽ εἰσέβαινεν ἄντυγας χκἄτεινε κέντρον δῆϑεν ὡς ἔχων χερί.

950 οἱ δὲ οἰκέται ἀμφίβολόν τι ἔπαϑον" ἅμα γὰρ καὶ ἐγέλων καὶ 950 ἐφοβοῦντο. διπλοῦς steht brachylogisch: es gehört nicht zu einem von beiden substantiven, auch nicht zu beiden, sondern für διπλοῦν τι ἣν τοῖς ὀπαδοῖς καὶ τὸ καὶ τό.

951 der dichter gesteht durch diese paraphrase des homerischen wde 951 δέ τις εἴπεσκε ἰδὼν εἰς πλησίον ἄλλον, dals er eine epische erzählung liefert, ähnlich Hel. 1589 Andr. 1104.

953 ἄνω κάτω ist nur ‘auf und ab’, nicht etwa “trepp auf, trepp ab”. 953 956 ὡς ἔχϑι “wie er war’ “ohne weiteres’ gehört zu oxsvalesaı ϑοινήν 958 und bezeichnet, dafs Her. auch diesen act seines spieles nur “wie er war” durchführt. er hat keine zehrung, deckt keinen wirklichen tisch, aber er macht ein frühstück “blind’ durch, indem er die einzelnen “griffe markirt'.

958 das heiligtum des isthmischen Poseidon liegt in einer schlucht der 958 isthmischen niederung.

959 πόρπη fibula kommt mit ähnlichen worten für goldschmuck im 959 homerischen schilde vor 3 401. nach der grammatikertradition (Pollux VIl 54) ist es die fibel, welche auf der brust den chiton zusammenhält. Eur. hat es öfter, aber er von den Athenern allein, die σεερόνη sagen. das davon gebildete verbum πτορττᾶν προσπορπᾶν hat Aischylos (Prom. 61. 113), vermutlich aus Sicilien eingeführt. davon wieder kommt σπεόρπαμα, das was man mit scögrzaı zusammenhält, nur von Eur. bier und El. 820, danach von dem verfasser des Rhesos 442 angewandt. dals er es aus fremdem sprachgebiet geborgt hat, folgt aus dem vocalismus. wie es der nachahmer damit gehalten hat, ist nicht zu sagen, da bei ihm πεόρπασμα und πόρπημα neben einander überliefert ist. die entsprechende bildung srepovauasa hat Theokrit (“δωνεαζ. 79) von dem homerischen πεδρονᾶν, das er auch hat (Kv». ἔρ. 65), fortgebildet. so lesen wir ein dorisches wort nur bei einem Athener, ein ionisches nur bei einem Dorer.

280 . Commentar.

961 961 Her. ruft ἀκούδτε λεώ" νικᾷ Ἡραχλῆς Θηβαῖος. aber er redet ‘das gehör von niemand’ an. überliefert ist 960 αὐτὸς πρὸς αὑτοῦ 261 ἀκοὴν ὑπειπών. das erste untadelig, das zweite unmöglich, denn Unseısceiv ist "leise sagen’ “andeuten’ oder auch “jemanden bedeuten, ihm eine directive geben’. die heilung der stelle ergibt sich durch die vertauschung der praepositionen , die jemand versetzt hat, weil er die richtige verbesserung von αὐτὸς ὕπ᾽ αὐτοῦ nicht fand. auch da war nur die ordnung der wörter zu ändern. ὑπ᾽ αὐτὸς αὑτοῦ ist ein hyper- baton, welches den schreibern unbekannt war, und es wird durch das gewöhnliche wol oft verdrängt sein, da wir es nur herstellen dürfen, wo das versmafs dafür zeugt. so ist es bei Eur. auch nur an einer stelle noch nachweisbar, wo es auch erst sichere conjectur gefunden hat, fgm. 854 ἐνιαυτός heifst das jahr ὁϑούνδεχα ἐν αὐτὸς αὑτῷ πάντα συλλαβὼν ἔχει. bei den andern beiden tragikern sind die beispiele häufiger. selbst die komödie wagt ähnliches, aber bezeichnender weise vor dem 3. jahr- hundert nur Timokles, der auch tragiker war (bei Athen. VI 223 τὰς αὐτὸς αὑτοῦ συμφοράς). bei classischen prosaikern ist die wortstellung nur einmal bezeugt oder beobachtet, Aischines 3, 233, freilich neben dem regelmäfsigen überliefert. der unter Platons schriften überlieferte kleinere Alkibiades trägt nicht nur in dieser wendung eine spur von unattischem ursprung. dagegen haben sie die anspruchvollsten stilisten der kaiserzeit als ein besonderes licht aufgesetzt. so Aristides I 208 1] 149 Dind., (wenigstens in den namhaften und bedeutendsten reden steht schwerlich ein drittes beispiel), der schriftsteller vom erhabenen cap. 15 τὴν αὐτὸς αὑτοῦ φύσιν, Synesios orat. I 6 (p. 14 Krab.) sag αὐτὸς αὑτοῦ πάσας ὀρέξεις, Athenagoras suppl. 7 χενηϑέντες ὑπὸ τῆς αὐτὸς αὑτοῦ ψυχῆς ἕκαστος, Gregor v. Nazianz comp. vit. (XIX) 67 τὴν δεξιὰν τὴν αὑτὸς αὐτοῦ. herzustellen auch Ps. lustin. orat. ad Graecos 3 aus πυρὰν xar’ αὐτοῦ αὐτὸς ποιήσας. auch bei dem sophisten, der die Egwseg verfalst hat, die unter Lukians werken stehn, belegt. in augusteischer zeit bei dem gänzlich stillosen Parthenios. die Dorer sind es, welche das pronomen αὔταυτος sonst besitzen; auf einem boeotischen steine aus der mitte des 4. jahrhunderts steht ὑπὲρ αὐτὸς αὐτῶ ἀνέϑεικε (Larfeld syll. inscr. Boeot. 65, 9); auf einem der Aenianen ἐπιεδεδοὺς αὐτὸς αὐτόν (Gött. Dial. Insch. 1431). auf einem ionisch geschriebenen, aber mit recht auf Halikarnass zurückgeführten papyrus, der noch in das 4. jahrhundert gehört, si ἐποέησε --- ra τέκνα ταὐτοσαυτοῦ δέχαια und μηδὲ αὐτὸν γονέας τοὺς αὐτοσαυτοῦ ϑάψαι (Philol. 41, 748). die tragiker haben also diese wendung sei es von Dorern oder Boeotern,

vers 961—973. 231

aber aus dem leben, nicht der litteratur übernommen. das ist sehr merkwürdig. 965 ξενοῖν heilst ξένον scorelv, ξενοῖσϑαι also “sich vergasten’. die 9% tragiker brauchen aber das passiv ein par mal im sinne von dr} ξένης εἶναι, ἀποδημεῖν (Eur. Hipp. 1085, Aigeus 1, Soph. Trach. 65). davon hat Eur. hier das nomen gebildet. 966 dals die tötung eines menschen den sinn verwirrt, ist allgemeiner 966 glaube; diese gewalt ist es, welche die sühnung brechen soll. A. Choeph. 1055 ποταίνιον αἷμά σοι χεροῖν ἔτι" ἐκ τῶνδέ τοι ταραγμὸς ἐς φρένας πεέενει. das praesens χαέγεις neben ἄρτι ist uns auffällig: es ist nicht das 8. g. historische, das hier keinen platz hat, sondern die stämme des verbums (praesens, aorist, perfect) sind eigentlich begrifflich nicht zeitlich geschieden, und der praesensstamm bezeichnet absolut die tätigkeit, ὧν νεωστὶ σφαγεύς sl. die anomalie liegt also darin, dafs die absolute, nicht die vollendete handlung bezeichnet ist. das ist also eigent- lich auch dynamisch wie τέκεουσα 903.

die 8. g. attraction des relativg würde hier einen ganz falschen sinn geben: es würden die eben getöteten von anderen getöteten unter- schieden, während der relativsatz bedeutet &prı γὰρ πεφόνευκας. 967 der vater des Eurystheus, Sthenelos, ist in der sage gegeben, aber 96] das ist hier irrelevant, der vater kann sogar nicht einmal leben, da Eurystheus könig ist. die poesie läfst nebenfiguren auftreten und ver- schwinden, je wie es für ihre zwecke dienlich ist. mit den söhnen des Eurystheus ist es im grunde nicht anders, obwol die mythographen natür- lich auch namen für sie wufsten. ganz so verfährt die bildende kunst, und Euphronios hat auf seine Eurystheusschale (Klein Euphron. 89) den vater Sthenelos (und die tochter Admete) mit gleicher freiheit der über- bringung des ebers beiwohnen lassen. 968 ἐπεεδὴ τεροὐτάρβει, ἱκέτευεν: das ist das verhältnis der praedica- 968 tiven zusätze. 970 die tragiker, zumal Eur., verschmähen die längeren formen ἑαυτοῦ 910 σεαυτοῦ. hier und Alk. 461?) ist das längere pronomen gewählt, weil es ganz besonders betont ist, Hipp. 978, weil αὐτόν misverständlich sein würde; das Ποία ward nicht mehr bezeichnet und unsicher gesprochen. das sind die einzigen belege. Heraklid. 635 gehört dem Eur. nicht. 973 oxıa deckung, abri. wohin das licht nicht dringt, dringt auch der 973 blick nicht. Aristoph. Ekkles. 496. Andokid. 1,38 ὑπὸ τὴν σκεὰν καϑέ-

1) Es ist vorher zu verbessern σὺ γάρ, αἱ σὺ μόνα, φίλα γυναικῶν, τὸν davräs

ἄτλας πόσιν ἀντὶ σᾶς ἀμεῖψαε ψυχᾶς ἐξ "Aida.

282 Commentar.

ζεσϑαι μεταξὺ τοῦ κίονος καὶ τῆς στήλης. deutlicher παλένσκεον Archilochos 34.

914 974 πτήσσω (inselgriechisch πεώσσω Archil. 106) sagt man nur vom ducken des vogels. Kykl. 407. Ar. Wesp. 1490 πεήσσει Φρύνιχος ὥς τις ἀλέκτωρ. die vergleichung gilt also von beiden knaben.

915 975 die sich überstürzende leidenschaftlichkeit der handlung malt sich in den kleinen sätzchen und dem zerreilsen des verses, da vor dem letzten und nach dem ersten fufse des folgenden interpungirt ist. Megara schiebt τί δρᾷς in den bereits im sinne geformten satz, denn nur in der ver- bindung mit τέχνα xrsiveıs kann sie ihren mann 7exwy anreden.

911 977 Her. mufs dem knaben gegenübertreten, um auf ihn zu schuls zu kommen. da sich der hinter der säule birgt, so läuft er vor ihr hin und her, springt bald rechts, bald links, so dafs der knabe die entgegen- gesetzten wendungen machen muls. endlich ist eine solche wendung nicht rasch genug, die seite bleibt ungedeckt, Her. kommt ihm gegenüber zu stehen (ἔστη ἐναντίος), schiefst und trifft ins herz. ἐξελέσσειν xiovoc durch ἑλέσσεεν (690) herausbekommen, wie ἐχμοχϑεῖν 22, ἐκπονεῖν 581. πόδα κυκλοῦν El. 561. Her. beschreibt aber keinen kreis, sondern macht furchtbar rasche wendungen, δεενὸν τόρνευμα ποδὸς κυχλοῖ.

981 981 erst ein wilder schrei des triumphes, ἀλαλά, dann worte.

986 985 der aorist ist für unser gefühl plusquamperfect; er steht in zeit- licher beziehung zu dem impf. ἐπεδῖχδ, und dieses steht, weil Her. schon während er jene worte sagt, nach dem zweiten opfer zielt. ἐπέσχε lag viel näher, aber in dem imperf. liegt eine grolse schönheit, weil es die sinnliche anschaulichkeit um einen zug bereichert.

981 987 χεῖρα βαλὼν πρὸς γένειον καὶ δέρην. natürlich greift er nicht nach dem halse, sondern nach dem kinn, denn das ist der gestus des bittflehenden. aber er reicht an dem vater nicht so hoch.

990 990 Gorgo zu 882.

992 992 μέμημα uvdgoxruroy ist sehr kühn für μέμημα μυδροχτυποῦντος, in nachahmung eines der glühendes eisen hämmert (das verbum steht A. Prom. 366). in τετράπουν μῖμον ϑηρὸς Rhes. 255 ist vielmehr das adjectiv attrahirt wie oben 468. Her. kann den knaben nicht erschiefsen, deshalb schwingt er die keule hoch über sein haupt, wie der schmied, wenn er das glühende eisen hämmert, und läfst sie auf das haupt des knaben fallen, der vor ihm steht. die wiederholung von xap« 992. 93 ist nur modernem gefühle anstölsig. ξύλον χερός hiels die keule 943, hier wird blofs ihr stoff hervorgehoben im gegensatze zu dem eisenhammer der vergleichung. μέμημα apposition zu der ganzen geschilderten handlung.

vers 974—1003. 233

jedes einzelne hält sich in den grenzen der gewöhnlichen tragischen rede, aber die vereinigung macht die rede schwülstig und schwer verständlich. 996 δόμοι in das haus aus dem hofe. 996 998 δή hebt dier die wahnvorstellung noch besonders hervor; 985 war 998 das wegen δοκεῖν nicht nötig. 999 ϑύρετρα sind die flügel, σεαϑμά die pfosten. Her. hebt aber die 999 flügel aus der angel (σεροφεύς), indem er sein eisen zwischen Ivgeroa und oraJ ua einbohrt. mit umgekehrter ungenauigkeit sagen wir“ zwischen tür und angel”. 1000 weil die Römer sternere, wir “niederstrecken’ vom töten sagen, scheint 1000 uns χατέσερωσεν gewöhnlich, aber es ist ein in epos lyrik drama guter prosa unerhörter ausdruck für κατέβαλεν. dagegen ist es vulgär ionisch, Herodot IX 69 xassoropeoav; das passiv öfter. Xenophon Kyrop. III 3, 64 κατεσερώννυσαν, dann in dem auf ionischer grundlage erwachsenen judengriechisch, στρῶσαιε z. b. ein Asianer (wol derselbe von dem 8. 84 anm.) bei Lesbonax 8. 188 Valck. 1001 ἔππεύεξεν ist ebenso ungewöhnlich. Her. ist nicht mit einem reiter, 1001 sondern mit einem rosse verglichen, von dessen gang unter dem reiter das wort technisch ist (Xenophon im ἱππικός ὅδε). Eur. wendet es noch Phoen. 220 an, aber von den winden, die ja rolsgestalt haben. eben so eigentümlich sagt Horaz Carm. IV, 44 equitare (erklärt von Kielsling). wir sagen wol galoppiren’ vom menschen, aber auf die gangart kommt es nicht an, vielmehr ist Her.“ besessen ’: Lyssa reitet ihn. ähnlich Hipp. 214 μανίας ἔποχον ἔπος, auch ganz singulär. 1002 neben φαένεσϑαι “sich zeigen’, erscheint oft ein scheinbar abun- 1002 dirender 3. g. epexegetischer infinitiv, wie hier δρᾶν Bakch. 1017 φάνηϑι σπολύχρανος ἰδεῖν δράκων, Platon Phaid. 84? ὡς ἰδεῖν dpaivero. Theognis 216 “der polyp περὶ πέτρῃ τῇ προσομιλήσῃ τοῖος ἰδεῖν ἐφάνη. dies beispiel zeigt gut, dafs es dieselbe epexegese ist wie in καλὸς λευκὸς ἰδεῖν. d.h. das verbum im infinitiv, seiner nominalen form, tritt nicht anders zu dem adjectiv, wie wenn λευχὸς τοῖος τὴν ὄψιν stünde. und das geht auch auf das adverbium über, ὡς δρᾶν ἐφαίνετο wie τοῖος ἰδεῖν ἐφάνη. dals das activ steht, wo wir das passiv erwarten würden, ist griechische weise, vgl. 1126. 1003 da ἔγχος jede waffe bedeutet, tritt zur genaueren bezeichnung des 1003 speeres ἐπέλογχος hinzu; ganz ebenso ἐπέλογχον βέλος Hipp. 221, unten 1098 πεερωτὰ Eyyn die pfeile.

κραδᾶν χραδαένειν von xpadog χράδη, zweig, welches wort selber im attischen nur für den zweig der feige in geltung geblieben ist, die

1009

1018

1015

Versmals.

234 Commentar.

allgemeine bedeutung hat xAados. dafs Athena, während sie einen steinblock wirft, ihren speer, also in der linken hand, schaukelt, würde auffallend sein, wenn es erfindung des dichters wäre. aber die Parthenos des Pheidias hielt den speer so, und das ist die normale erscheinung seiner göllin für den Athener.

1009 σεέραιοι βρόχοε sind die stränge in denen das leinpferd (445) geht, also besonders feste.

1013 der schlaf ist an sich eine gabe des guten daemons, aber für Her. ist selbst dieser“ alte getreue freund’ kein segen mehr: er ist ὁλό- μενος 1061.

1015 μὲν οὖν abschlielsend. “ich wenigstens urteile so, denn und damit ist mein bericht zu ende.

Sechste gesangnummer 1016-87.

Über den ganzen character des versmalses und der vortragsweise vgl. zur vorigen nummer. a) lied des ganzen chores, einem stasimon ähnlich oder vielmehr wirklich stasimon 1016—27, drei perioden. 1) 1016—21 4 δ(όχμεοι) + iamb. metron. die beiden letzten dochmien in der anapaestischen form. gerade diese mit einem folgenden iambischen metron zu verkoppeln ist beliebt. z. b. derselbe vers Ion 1466 δὲ γηγενέτας δόμος οὐκέτι νύκτα δέρκεται, hinter bakcheen, vom folgenden durch hiat gesondert, hier durch syllaba anceps. es folgten wahrschein- lich 5 d; der dritte durch ausfall zerstört. 2) 1022—24 7 ὃ, der letzte mit unterdrückung der letzten senkung. diese erscheinung ist eigentlich eine anomalie, denn sie ist aus den iam- bischen liedern und ihren verwandten in dieses rhythmengeschlecht über- tragen. sie findet sich aber mehrfach, z. b. lon 1480 τὸν ἐλαιοφυὴ sıayoy ϑάσσει, 1482, 1494. 3) 1025—27 2 bakcheen, 3 ὁ. b) vortrag des chorführers, während das ekkyklema erscheint. 1) 1029. 30 interjection und

u-uu-vu-u|-vv-w-vu- 2) 1031—34 interjection und ως“ vv vu-u]|-vwu- wu.

der enoplios ist unverkennbar; die auflösung der länge bei zweisylbiger senkung kommt vielleicht nicht wieder vor; für dieselbe bei einsylbiger senkung steht ein beleg zu 136: wunderbar ist sie nicht, da sie ja in glykoneischen versgliedern mindestens zu dieser zeit zulässig war, und

vers 1009—1015. sechste gesangnummer. 235

diesen ist das zweite glied zum mindesten äulserlich gleich. es ist schwer zu bestimmen, weil die vorletzte sylbe indifferent erscheint: wo es sonst steht, 1037. 1075, Andr. 826. 830, ist sie kurz. übrigens kann man 1033

auch als -- αὐ --Οὐ--|-- -- deuten, wie 1185. 3) 1034—38 iamb. trim. 2 δ.

iambischer katalektischer dimeter; er mag mit den dochmien in synaphie stehen. übrigens ist der text nicht ganz sicher.

die beiden glieder von 1029. 30 in umgekehrter ordnung.

4) 1039—41 3 iamb. trim.

c) Wechselgesang des Amphitryon und des chors oder vielmehr chor- führers.

1) 1042—45 5 Amph. 3 d Chor.

2) 1046—53 iambischer tetrameter durch synaphie, welche das proklitische γάρ zeigt, verbunden mit einem verse, der noch 1055 und 1069 wieder- kehrt. er hat die messung 5-uu->|v-w-Z|vu-u-, und die in- . differenten sylben zerlegen ihn sicher in seine glieder. das letzte ist ein iambisches metron; die beiden ersten sind gleich: es ist das im Plautus von Reiz entdeckte, das seinen namen führen mag. es stammt ohne zweifel aus dem volksliede, aus denselben regionen wie der enoplios. in der komödie tritt es stichisch auf, auch als klausel von iamben. zzeı- γῶν τριάχονϑ᾽ ἡμέρας τοῦ μηνὸς ἑκάστου Ar. Ach. 859. Sophokles schliefst eine dochmische strophe Ἑλλανέδος, τὰ νῦν δ᾽ ἄτιμος ὧδε πρόχειμαι Ai. 427: das ist derselbe vers, und wieder derselbe Plaut. Aulul. 443 ego te faciam miserrimus mortalis uti sis. noch Theokrit hat in dem epigramm auf Epicharm dieses glied als ἐπῳδός verwandt, und zwar nicht blofs mit indifferentem sondern auch zweisylbigem anlaut, τελεῖν ἐπίχειρα neben μεγάλα χάρις αὐτῷ. auch Pindar hat in seinem spätesten gedichte (Ol. 4) die strophe beendet mit dem verse -- οὐ -- - | S-us-u|-u-u-., zwei Reiziana und ithyphallicus: man mufs nur die überlieferung bestehen lassen. dasselbe lied hat enoplier und kola, die den 1029—33 verwandt sind. von der gewöhnlichen metrik ist das Reizianum namentlich dadurch getrennt, dafs durch den zusammenstofs der unbetonten schlufssylbe und unbetonten anfangssylbe, im falle beide kurz sind, scheinbare daktylen entsteben.

3 + spondeus. dieser, als abschlufs in vielen liedern gebräuchlich, in dieser gattung besonders häufig, unten 1185 ff. und z. b. in der tei- choskopie der Phoenissen.

3) 1054—64

236 Commentar.

iambischer katalektischer tetrameter. die anlautende senkung des dritten metrons unterdrückt. 2 Reizianische kola + iamb. metron = 1050. 2 ὁ. 4 dochmische monometer, der erste mit anapaestischem (prokeleusma- tischem) anlaut, vgl. zu 878. dafs es monometer sind, zeigt der zweimal zugelassene hiatus. 4 ὃ. 4) 1065—71 4 katalektische iambische dimeter. die katalexe malt, wie kurz vorher die gelöste synaphie: der sinn zeigt das innehalten und unterbrechen. 2 Reiziana + iamb. metron = 1050. 4.0. 5) 1072—1080 iambischer tetrameter verbunden (wie das proklitische οὐ zeigt) mit den beiden gliedern 1029. 30. Reizianum -+ adoneus: dieser ist als abschlufs vielen gattungen gemein; auch er war volkstümlich und gehört in dieselbe sphaere wie enoplios und Reizianum. 606. 6) 1081—85 iambischer trimeter, nach der analogie der vorigen perioden verbunden zu denken mit dem nächsten, enoplios + iambischer kata- lektischer trimeter (ἐλεγεῖον). dieses glied im iambelegus schon oben 894, unten 1199. hinter zwei Reiziana Hel. 693. 4, hinter dem enoplios Hipp. 756. 4 ὁ. zum abschlufs zwei iambische trimeter.

die perioden sind ganz besonders deutlich zu unterscheiden. denn auf die erste einführende, welche rein dochmisch ist, folgt in allen die verbindung von iamben, enoplischen oder verwandten gliedern, dochmien, in dieser reihenfolge. entsprechend ist auch der inhalt gegliedert, so dafs dies auf den ersten blick so schwierige lied wol als muster für die analyse der verwandten dienen kann und wird. 1086. 7 zum abschlufs zwei iamb. trimeter.

Das chorlied gibt die empfindung des chors wieder, der nun so viel ruhe hat, dafs er reflectiren kann. er versucht vergeblich, sich die tat des Her. durch vergleichung mit den gräfslichsten der vergangenheit minder schrecklich zu machen. aber kein beispiel der geschichte hilft mehr. die form des trostes ist seit Homer (E 382) geläufig, auch im drama (A. Choeph. 603 S. Ant. 944). an solche stasima erinnert dies lied,

Sechste gesangnummer. vers 1016. 1019, 237

und so ist es inhaltlich auch noch ganz antistrophisch-epodisch componirt. a) fürchterlich war die tat der Danaiden, aber dies ist mehr. a) fürchter- lich die der Prokne, aber dies ist mehr. b) ich habe keinen genügenden ausdruck meiner teilnahme. dann wird durch das ekkyklema das grälsliche selbst den augen geboten. der chorführer gibt die beschreibung, auch diese in ähnlicher disposition. a) seht die tür geht auf, a) seht da liegen die kinder, b) da schläft der vater gefesselt. die responsion der gedanken hat die metrische responsion überdauert. Amphitryon, der nicht mit herausgerollt ist, sondern irgendwoher auftritt, wird mit ein par trimetern eingeführt, und der wechselgesang mit den lebhaftesten bewegungen dient dazu, durch die widerstreitenden gefühle der fürsorge und der furcht unser teilnahmvolles interesse für den moment auf das höchste zu spannen, wo Her. erwachen wird. ähnlich ist die parodos des Orestes, wo Elektra am bette ihres schlummernden wahnsinnigen bruders wacht und den chor zurückhält. übereinstimmungen im einzelnen zeigen, dals der dichter sich selbst copirt hat. übrigens würden beide scenen schlechterdings nicht darstellbar sein, wenn der chor auf einem etliche fufs tieferen platze stünde als die schauspieler. 1016 die Danaiden zieht der chor wegen der grofsen zahl der opfer 1016 heran. zu einem typus des scheufslichsten verbrechens ist ihre tat nach- weisbar erst im dritten jahrhundert geworden, wo sie die uns geläufige strafe im Hades leiden. der mord eines verhalsten aufgezwungenen gatten ist an sich auch kein exemplarisches verbrechen. die sage selbst kann nicht älter als das ende des 7. jabrhunderts sein, da sie die verbindung mit Aegypten voraussetzt. sie war trotz der trilogie des Aischylos in Athen nicht populär.

πέτρα: die burg, Τρωάδος ἀπὸ πέτρας Tr. 522. πέτρα Παλλάδος Hipp. 30. der burgberg von Argos beherrscht die ebene noch viel im- posanter als der von Athen: Troia bildet die phantasie nach diesen ana- logien. φόνον ἔχει: der berg, auf dem das blut geflossen ist, ist sein besitzer. allenfalls ähnlich A. Pers. 587 Salamis αἱμαχϑεῖσα ἄρουραν ἔχει τὰ Περσᾶν. der seltsame ausdruck ist durch ἔχω 1022 geschützt. die wiederholung des wortes an gleicher versstelle, wenn auch nur um der Aulserlichen klangwirkung willen, ist auch ein erbteil der älteren anti- strophischen poesie. 1019 Hellas wollte den mord nicht glauben, weil es den Danaostöchtern 1019 ihn nicht zutrauen konnte. ursprünglich sind die landesnymphen und ahnfrauen des landesadels gewils keine verbrecherinnen gewesen; so klingt hier der widerstreit der älteren und jüngeren tradition nach. der

238 Commentar.

genetiv ist ans ende gestellt, um das entscheidende wort bis zuletzt zu sparen.

1021 1021 es fehlt ein participium passivi im sinne von ra εἰργασμένα νῦν. der erforderte sion liegt auf der hand, und nur so wird der dativ xoow erklärt.

102 1022 weshalb der mord, den Prokne an ihrem sohne Itys begieng, den Musen geopfert heilst, ist unbekannt, denn dafs die nachtigall ihn ewig be- singt, rechtfertigt den seltsamen ausdruck nicht. die sagenform, weiche Eur. voraussetzt, rührt von Sophokles her, dessen tragödie Tereus den namen Prokne für die früher anders benannte nachtigall festgestellt hat. sie hiefs meist einfach Aedon, bei Homer τ 518, Pherekydes, und auch bei dem vasenmaler Panaitios (um 480), Klein, Meistersignaturen 3.145. Metis heifst sie bei Aischylos Hik.60, wo ste also schon dem attischen königsgeschlechte der Metioniden eingereiht war. dort auch schon Tereus von Megara. Sophokles versetzte diesen um des königs Teres von Thrakien willen nach dem norden und brachte die namen auf. aber obwol die folgezeit im wesentlichen von Sophokles abhängig blieb, ist es doch unmöglich, die tragödie so weit herzustellen, dafs sich die beziehung des euripideischen ausdruckes erklärte. übrigens ist die vorliegende stelle ein chronologisches moment für das drama des Sophokles. in diesem verglichenen beispiel stimmt der kindermord, aber Prokne hatte nur einen sohn.

1024 1024 der ausdruck ist nicht löblich, weil es am nächsten liegt, den dativ von σύν abhängen zu lassen und zu verstehen ‘du hast die kinder in verbindung mit der λυσσάς μοῖρα umgebracht’, wie συγχκαταχτείνω Or. 1089, συγχατεργάζεσϑαε selbst Or. 33 steht. das gibt keinen sinn. also ist auyxareoyalso9aı‘ mit einander umbringen’ so συγχαταχεείνω Lykophr. 738. Avooadı μοίρᾳ aber ist wenig mehr als διὰ μανέας. Med. 1281 αὐτόχειρι μοέρᾳ: δι᾽ αὐτοχειρίας.

105 1025 die grammatikerüberlieferung hat das gedächtnis an die interjection ἔξ verloren, und sehr oft ist die möglichkeit einer entstellung aus alai (was meist ai αἵ fälschlich geschrieben wird) zuzugeben. aber das berechtigt nicht dazu, die existenz von zu leugnen, welches vielmehr öfter (z. b. Soph. El. 827) durch das versmafs gesichert wird, und wo möglich noch mehr hier, wo es unter der corruptel ἐς verborgen ist.

“ich weils nicht mit welchem klagelaut oder ruf oder grabgesang oder Hadestanz ich mich äufsern soll’. gesang und tanz treten einfach deshalb zu, weil der tragische chor seine gefühle in liedern und tänzen äufsert. es ist also eine unbefangene durchbrechung der illusion, wie 686. ebenso Hik. 74 ἔτ᾽ ξυναλγηδόνες χορὸν τὸν “Ἅιδης σέβει, (geht in einem

vers 1021—1050. 239

takte den Hades gern hat). vexpw» ἔακχος Tr. 1230, νόμῳ νερτέρων Andr. 1199. in ganz anderem sinne nennt der komiker Phrynichos einen schwindsüchtigen musiker Movow» σκελετός, ἀηδόνων ἠπέαλος, ὕμνος “Aıdov (inc. 1).

1029 die beiden türflügel gehen auseinander und lehnen dann auf den 10% beiden seiten; die tür geht nach aufsen auf. über das ekkyklema 5. 53. 1035 περί adverbial wie bei Homer, attisch gewöhnlich πεέρεξ. 580 noch 1085 Tr. 818, ἀμφέ Hipp. 770.

1036 ἐρείσματα sind im wortsinne stützen (254), und so liegt der ans 1036 land gezogene nachen ἐπ᾿ ἐρείσμασι (Pseudotheokrit 21, 12). mit einem sicher angebundenen schiffe ist Her. wol zu vergleichen (1054), aber es ist geziert, deshalb die taue, welche ihn fest halten, stützen zu nennen, um so mehr, als zur erklärung die “vielen fäden der stricke’ mit genannt werden müssen.

1039 eben so geziert ist ἄπεερος ὠδὶς τέκνων, mag man nun das ei, 1099 das noch nicht zum vogel geworden ist, oder den unflüggen vogel darunter verstehen. ὠδίές bedeutet nun einmal zunächst den schmerz und erst praegnant die geburtswehen, welche den vogel nichts angehen. Eur. berührt sich hier in der tat mit dem geschmacklosesten griechischen dichter, Nikander, der Alexiph. 165 das ei ὀρεαλίχων ἁπαλὴν ὠδῖνα nennt. Plutarch hat sich durch seine manier möglichst jeden begriff durch ein par von synonymen zu bezeichnen verführen lassen von ürrn- v£uıoı λοχεῖαε καὶ ὠδῖνες der hühner zu reden (de audiend. 3). Eur. hat aber wol vielmehr den jungen vogel gemeint, denn seit Homer (πὶ 216)

ist dies gleichnis herkömmlich.

1040 auch ὑστέρῳ τιοδέ πικρὰν ἤλυσιν διώκων ist eine überladene 1040 wendung, nur dadurch erträglich, dafs die einzelnen substantive je ihr epitheton erhalten. ὕστερον πόδα διώκων, ὑστέραν ἥλυσιν διώκων liefs sich eben so gut sagen. ähnlich Hek. 61 βραδύπουν ἤλυσιν ἄρϑρων προτιϑεῖσα. nivoıg scheint sprachwidrig, denn das anlautende e mülste kurz sein. ἤλυϑον kommt nur im indicativ vor, und das scheint bewirkt zu haben, dafs man das augment verkannte. das wort hat Eur. öfter; sonst kommt es nur in dem verse νωϑρὴν rsopeing ἤλυσιν ποιεύ- μενος vor, den ein unbekannter ionischer schriftsteller bei Stob. 28, 18

in der paraphrase eines iambos erhalten hat. es ist möglich, dafs dieser altionisch war. δεώχω vgl. zu 1083.

1050 der logik nach müfste das letzte μή final sein, denn sie sollen fern 1050 bleiben und schweigen, damit sie den schlafenden nicht wecken. aber die erregung redet nicht logisch, sondern zieht das, was ihr das wesent-

240 Commentar.

lichste ist, in den hauptsatz “ruft nicht, weckt ihn nicht’ lavsı εὔδεα καὶ ὑπνώδεα. εὔδιος (hier leicht entstellt) ist in der poesie erst bei Alexan- drinern, da aber häufig, belegt. offenbar fehlen uns mit der altionischen poesie ihre vorbilder. denn ionische prosa hat das schöne dem attischen fehlende wort, in dem der stamm, der dem Zeus seinen namen gegeben hat, noch seine elementare bedeutung hat. das nomen δὐδέα (ὥρα) haben die tragiker (A. Sieb. 795. E. Andr. 1145, beide metaphorisch) von den Ioniern entlehnt. die metapher, in der Eur. das wort verwendet, ist in alter zeit so selten, wie uns, die wir von dem gesunkenen altertum die serenissim: überkommen haben, geläufig, vgl. 698. aber Eur. verwendet so γαληνός (z.b. 1. Τ. 845), und ganz ähnlich von dem nach dem sturm des wahnsinns aufgeheiterten sinne Or. 279 2x χυμάτων γαλήν᾽ δρῶ. lausıy, das die dichter aus Homer als glosse aufnehmen, bezeichnet nicht das physische πάϑος des schlafes, so dafs es fast nie mit χαϑεύδεεν vertauscht werden kann (ἐνγυχέαν τέρψιν iavsıy S. Ai. 1204, δεμνέοις δύστανος ἰαύων E. Phoen. 1538), deshalb tritt hier, wo der genufs des tiefen schlafes bezeichnet werden soll, ὑπνώδεα hinzu.

1051 1051 φόνος ἐπαντέλλει, die blutige röte des bodens und der leichen geht auf’ vor den augen des trotz der warnung näher tretenden chores, wie ein meteor oder ein feuerschein. das ist ein kühner, aber ein dich- terisch schöner, weil sinnlicher und deshalb verständlicher ausdruck.

10521052 ἀπολεῖς, ἀποκεεδίνεις με ruft der ungeduldige dem zu, der nicht tut was er will. so redet man im leben sehr oft, z. b. Ar. Wesp. 1202. Plut. 390, und dasselbe besagt hier der nur durch das tragische compo- situm διολλύναι und die tmesis geadelte ausdruck.

1054 1054 ἀτρεμαῖος hat Eur. von dem der volkssprache angehörigen ἀερέμα (das auch nur er hat) weitergebildet, wie er solche derivate liebt, Aessalos, ἡσυχαῖος δρομαῖος u.a. es steht noch Or. 147, in der nachbildung dieser scene.

1055 1055 ἀπὸ δέ nämlich ὀλεῖ. dafs in der anapher eines verbums nur die praeposition wiederholt wird, ist bei Homer und noch bei Herodot so gewöhnlich, dafs wol nur zufällig in der tragödie kein weiteres beispiel dafür zu gebote steht. natürlich war es aber für einen Athener eine sprachliche kühnheit, die den ton der rede ebenso zu steigern diente, wie im Lyssas trochaeen sedalew und Οὔλυμπος. demselben zwecke dient hier auch die häufige tmesis, vgl. 53.

10571057 ἀδύνατά μοι ἀτρεμεῖν.

1059 1059 Amph. geht also ganz sacht an Her. heran; dazu muls er auf das herausgerollte gerüst steigen, das er 1066 verläfst, um sich so zu ver-

vers 10θ0...1010. 241

bergen, wie er es 1065 wirklich tut, während ihn hier der chor noch zurückruft. man sieht die lebhafte action der schauspieler und kann sich die wechselnde stimmung aus den contrasten der rhythmen vall- kommen entnehmen.

1060 hiatus mach va auch in der nachbildung Or. 148. 1060 1061 ὀλόμενος aus dem epos überkommene hochaltertümliche verwendung 1061 des particips: denn die bedeutung läfst nur die eine erklärung zu, “etwas wozu man ὅλοιο sagt’. es erklärt hier die bedeutung van ἄυπνος, was

ja den begriff schlaf nach den verschiedensten seiten hin negieren kann.

S. Phil. 848 ist es der leise schlaf des kranken, E. Tro. 1188 (wo es wie hier durch sichere verbesserung hergestellt ist), der der wärterin; hier gibt der relativsatz die erklärung. Her. schläft zwar sehr fest, aber er röchelt, als ob der wahnsinn in schweren träumen fortwirkte, 1092.

1064 ψάλλειν und ψαλμός (ebenso Ion 173) palst der wortbedeutung 1064 nach (von ψῇν wie ἔαλλω, besser ἑάλλω, vgl. ἐφεάλτης, von ἵημε, ἀγάλλω von ἄγαμαι, βδύλλω von Addrona:) zu der sehne des bogens go gut wie

zu der der laute, aber es wird nur van dieser gesagt, also hier als meiapher empfunden, daher hat ein leser die erklärung τοξεύσας τὺ» geschrieben.

1068 der sinn des unterbrochenen satzes ist nicht zu raten. 1068 1069 παλένεροπος σερέφεταε gehört zusammen; das sieht Amph. und 1069 vermutet fälschlich, dafs Her. es ἐξανεγθερόμενος täte,

1070 er will an die wand treten, wo Her., der ja eigentlich im hause gu 1070 denken ist, ihn nicht sehen kann.

1071 ἔχει: xardysı, daher der dativ neben βλέφαρα statt des prosaischen 1071 genetivs.

1072 ögäss seht euch vor. so steht gewöhnlich ὅφα μή. A. Ch. 924 1072 ὅρα, φύλαξαι.

1074 die drei glieder sind alle von δὲ abhängig, stehen also corrolat, 1014 wie sie deun dasselbe von verschiedenen seiten aug bezeichnen. die apo- dosis fehlt, weil sie sich von selbst versteht, δεεινόεκατον ἔσται. Phoen, 1684 aid’ εἰ yayalumv, σὺ δὲ μόνος φεύγοις, πάτερ. Ion 961 el sceida γ᾽ εἶδες. Hipp. 324 ei δὲ σοῦ λελείψομαι. in demselben sinne hätte Eur. auch sagen können τέ δ᾽ εἴ μὲ κανεῖ, wie Phoen. 732 τέ δ᾽ εἰ καϑιππεύσαιμὲν Agysluv στρατόν.

1076 Ἐρινύες und αἷμα σύγγογον (wie αἷμα κοινόν 731) sind identisch, 1076 denn die Ἔρενψύες σύγγονοε (A. Ag. 1190) rächen das vergassene ver- wandtenblut, mag es von ascendenten oder descendenten stammen. sachlich

ist der ausdruck also correct, aber die sprache verlangt, dafs die correlation v. Wilamowltz 11. | 16

242 Commentar.

durch die wiederholung desselben wortes deutlich gemacht sei, wie im vorigen verse: der ausdruck ist also tadelnswert.

108 1078 die “blutschuld’ son, vom selben stamme wie siyw, welche durch den rächer eingetrieben wird, führt dazu, dafs man geradezu φόνον πράσσειν sagt (A. Eum. 624); die person, für welche Amph. πράχεωρ ist, kann dabei nur im dativ correct bezeichnet werden. Amph. zog gegen Taphosg um die ermordung der söhne des Elektryon, der brüder der Alkmene, zu rächen. dies allgemeine ist allbekannt, weil die erzählungen der hesiodischen Eoeen am anfang des Heraklesschildes erhalten sind, und ferner weil Pherekydes in seinem berichte (schol. A 266) sich an dieses vorbild gehalten hatte, und sein buch besonders in der Heraklessage mafs- gebend blieb (z. b. schol. & 323. schol. Apollon. I 747). aber diese allge- meinheit erklärt die vorliegende stelle nicht ganz. nach der eroberung von Taphos, als er den mord seiner schwäger rächen wollte, hätte Amph. sterben sollen: also hatte er ihn durch die zerstörung noch nicht gerächt. das fordert den zug der sage anzunehmen, dals er erst nach dem sturme die oder den mörder erschlug. die genauere erzählung jenes zuges ist nun durch eine jüngere wendung für uns verdunkelt, indem die alte geschichte von Nisos und Skylla auf den Taphierkönig Pterelaos und seine tochter Komaitho übertragen ist (Lykophron 943 fl. mit schol., Apollodor bibl. II 4, 6); davon ist hier abzusehen. nun gibt aber der plautinische Amphitruo als die haupttat des Amphitryon an, dafs er den Pterelaos erschlägt, und so wird man für die von Eur. vorausgesetzte sage, die also in Athen bekannt war, einen zweikampf nach dem sturme ansetzen dürfen. das original des plautinischen stückes hatte zwar Jie details frei umgestaltet, und gerade die schlacht wird mit grofser anschaulichkeit so erzählt, dafs sie eine feldschlacht der diadochenzeit wird, welche nach Alexanders vorbild ein cavallerieangriff auf dem rechten flügel unter per- sönlicher führung Amphitryons entscheidet (wodurch für das stück ein terminus post quem gegeben ist): aber die ganze komödie hatte nur auf dem hintergrund der bekanntesten sage sinn, und selbst ein scheinbar so äufserliches motiv wie der becher, den Zeus der Alkmene gibt, ist als echteste sagenüberlieferung zu erweisen. da nun Euripides selbst die erzeugung des Her. in seiner Alkmene behandelt hatte, so ist weitaus das nächstliegende anzunehmen, dafs er hier mit seiner eigenen dar- stellung stimmt, welche andererseits auch für das original des Amphitruo mafsgebend geworden ist. doch wird der zweikampf mit Pterelaos zu dem urbestande dieser sage gerechnet werden dürfen, vgl. νά. 15. in Athen war der Taphierzug bekannt, weil der attische heros Kephalos von

vers 1078—1087. 248

Thorikos ihn mitgemacht haben und dabei stammvater der Kephallenen geworden sein sollte. 1083 δεώκω ist zwar unsicherer ableitung, seine verwendungen führen 1083 aber auf die grundbedeutung “in rasche bewegung setzen’. so hat es häufig ein concretes object, νῆα ἅρμα βέλος, ποδῶν χνόας A. Sieb. 371, 00a E. Or. 1344, aber so viel zu sehen ist, nur bei Eur. auch ein abstractes, nämlich die durch das dıwxsıy bewirkte handlung, so hier φυγάν, 1041 nAvaıy, Andromeda 114 ἵππευμα. --- die wörter διώχειν und φεύγειν haben hier nicht das mindeste mit einander zu tun, gleichwol sind sie neben einander gerückt, weil sie im leben, in der sprache des gerichtes, gegensätze sind. diese praegnante bedeutung von δεώχδεν hat zur folge gehabt, dafs die ältere umfassendere ganz abstarb; schon Soph. hat sie nicht mehr.

μάργος vom wahnsinnigen auch A. Prom. 884, wie oben 1005 μαρ- γᾶν ἃ. ὅ. eigentlich liegt darin wüste gier nach sinnlichen genüssen. den übergang in den begriff, der hier vorliegt, verdeutlicht es, dafs z. b. die nach menschenblut lüsternen Erinyen so heilsen A. Eum. 67. das wort hat im jüngeren epos bedeutet, was im attischen μωρὸς ist, dumm bis zum blödsinn, so μαργέτης, und ἀκρατής ins besondere gegenüber sinnlichen genüssen (was μωρός und μωρέα im drama meist ist), 2. b. γαστὴρ μάργη 62, Theogn. 581 Herod. VI 75. so fafst Apollonios den μάργος Ἔρως gierig’ in diesem falle nach spielgewinn, III 120, den er von Alkman 38 nimmt, bei welchem es jedoch nicht- so stark gemeint ist, u. Ἔρως οἷα παῖς παίζει, also einem νήτεεος ähnlich. die ent- wickelung des begriffes nach der seite des wahnsinns ist in uapyalveıy ἐπὶ ϑεοῖσε vorgebildet, was Ares E 883 von Diomedes sagt, der seine wilde kriegslust an göttern selbst betätigt, gehört aber sonst der tragödie an.

das was eintreten muls, wenn sie dem befehle nicht folgen, wird durch einen satz mit wie 1055 angeschlossen : ohne diese verbindung würde die verkehrtheit entstehen, dafs Her. trotz ihrer flucht sie doch morden würde. 1087 τὸν σόν hat den ton, da es nachsteht. “deinen eigenen sohn’. 1087 χαχῶν πέλαγος “die see von plagen’ Hamlet im selbstmordmonolog. Griechen und Engländer sind seevölker, und daher sind ihnen metaphern aus ihrem reiche, die uns landratten etwas ausgezeichnetes und seltenes sind, ganz abgegriffen, und sie merken sie kaum. πέλαγος ist nicht viel mehr als πλῆϑος. ausgeführt zu einem wirklichen gleichnis Hipp. 822. mit diesen nichts sagenden worten begleitet der chor seine bewegung: denn sie gehen wirklich auf die seite, aus der sehweite des Her., und

treten erst 1109. 10 mit Amphitryon vor. 16*

244 Commentar.

Siebenter auftritt. Exodos.

In die trimeter ist der kurze bühnengesang 1178—1212 eingelegt; das auftreten einer neuen person ist nicht mehr zu der abgrenzung einer neuen scene verwandt, wie das in der ältesten zeit bühnenpraxis ge-

Erwachen Wesen war.

de Her. erwacht, gewinnt aber erst allmählich seine körperlichen und geistigen funetionen, und selbst das bewulstsein dämmert nur allmählich auf. das gedächtnis an alles, was er nicht nur während sondern auch zuletzt vor dem wahnsinn erlebt hat, ist ilım zunächst noch ganz ent- schwunden. noch wiegt die körperliche affection vor. der atem geht rasch. er kann nur kurze abgerissene sätze vorbringen; verweilt aber bei den einzelnen gedanken und bildern, weil er noch langsam denkt und sich das einzelne erst wieder klar machen mufs. μέν 1089 erhält kein entsprechendes glied. dafür tritt der ausruf der verwunderung über sein befinden ein 1091. und auch davon springt er ab, als er seine fesseln bemerkt.

1089 1089 δέδορχ᾽ ἅπερ μὲ δεῖ: ich sehe die dinge in ihrem richtigen lichte, mein auge deckt kein nebel. auch Agaue sagt, als sie aus dem wahnsinn zur besinnung erwacht, dafs sie das himmelslicht plötzlich rein und hell sähe, Bakch. 1267. metaphorisch für “die dinge im rechten licht sehen’ Ion 557.

1090 1090 τέξα ἡλέου: Ἥλιος χρυσέᾳ βάλλων φλογέ Phaeth. 771, ἄσερων βέλη Hipp. 531, πάγων δύσομβρα βέλη Soph. Ant. 356. ja sogar τόξοις ἀμπελίνοις δαμέντες “berauscht' Pindar fgm. 218. für seine sprache noch weit kühner nennt Lucrez die sonneustralen Zucida tela die:. die verbreitung der metapher zeigt, dafs an den gott Helios nicht zu denken ist. dieser führt auch niemals einen bogen, und diese metapher kann ihn so wenig wie die pindarische den weinstock zu einem schützen machen. Apollon, der bogenschütze, hat mit Helios so wenig zu tun wie mit der sonne oder dem feuer.

1091 1091 κλύδωνι καὶ φρενῶν ταράγματε: φρενῶν gehürt zu beiden sub- stantiven. eine sehr seltene form des ἀπὸ χοινοῦ. doch ganz analog A. Prom. 1015 χειμὼν καὶ κακῶν zeıxvula. wg gehört zum ganzen satze, keinesweges zu δεινῷ, wie die wortstellung zeigt.

109 1094 er ist an die säule gebunden, wie ein schiff im hafen an die dafür bestimmten, zum teil im Peiraieus noch erhaltenen, pfeiler des bollwerks. dasselbe bild braucht Prometheus im eingang des λυόμδνος nach Ciceros übersetzung aspicite religatum asperis vinctumque sans, navem ut horri-

vers 1089—1106. 245

sono freio noctem paventes timidi adnectunt navitae (fgm. 187). “hilflos wie ein ruderloses boot in der brandung” Androm. 854 vgl. Pindar Pyth. 4,40. “ναῦς ὅπως mit vollen segeln ins verderben fahren” Hek. 1083

u. dgl. m.

1096 die periphrase zeigt, dafs Her. nicht einmal den hof seines eigenen 1006 hauses erkennt.

1097 die leichen erkennt Her. nicht nur nicht, er fragt auch gar nicht, 1097 wer sie wolsein mögen. die nachbarschaft von leichen ist ihm eben nichts befremdliches. aber um sein treues gewaffen sorgt er sich, denn dafs das

so unordentlich herumliegt, ist etwas aufserordentliches. so bereitet sich der conflict 1377 vor. ἔγχος vgl. zu 1003.

1099 παρασπιστής ist der, welcher mit seinem schilde einen ungedeckten 1099 schützt; im gliede also der rechte nebeumann. hier äufserst kühn auf die angriffswaffen übertragen. in demselben bilde hält sich πλευράς 1100. 1102 die furcht, der dienstbarkeit noch nicht quitt zu sein, stellt sich 1102 sofort ein, das widerspiel zu dem übermut des wahnsinns. dafs er aus der unterwelt einmal zurückgekehrt war, weifs er noch; wenn er also jetzt wieder unten wäre, so hätte er einen δέαυλος gelaufen vgl. 662. den Hades, unde negant redire quemquam, wohin die ἀνόστιμος κέλευϑος 430 führt, hat Eur. für uns zuerst ἀδέαυλος genannt fgm. 860. spätere haben das vielfach nachgeahmt.

1103 οὔτε οὐ verbindet die zwei glieder wie μήτε un oben 643. 1103 das zweite ist aber selbst zweigeteilt, δώματα καὶ σκῆπερα, für die positive copula mufs also die durch οὐ bestimmte negative οὐδέ ein- treten. οὐ δώματ᾽ οὐδὲ σκῆπερα ist ein begriff, herrscherhaus; zuerst steht das sinnliche, der palast Persephones, der den mittelpunkt des Hades bildet (wie es z. b. auf der bühne der aristophanischen Frösche und den apulischen unterweltsvasen ist), dann oxnzzea, was nicht sinnlich ge- nommen werden kann. ähnliches hendiadyoin Soph. OT. 236 γῆς κράτος καὶ ϑρόνους νέμω. überliefert ist Πλούτωνά τ᾽ οὐδὲ σκῆπτρα 4. x. aber darin ist die copula nicht zu verstehen, und den anblick des Pluton selber kann Her. so wenig wie den des scepters der Persephone erwarten. 1105 “welches ist der ort, wo ich ἀμήχανος bin?’ der καλλένικος 1105 empfindet ein gefühl, welches ihm bisher ganz unbekannt gewesen ist, er weils sich nicht aus noch ein und sieht sich also auf fremde hilfe an- gewiesen. in unbekannter gegend ist er oft genug gewesen; die frage nach dem orte hat also nur in soweit eine bedeutung, als es ein ganz besonderer ort sein mufs, der Her. ratloser macht als selbst die hölle. 1106“ wer kann mich belehren, sei er nah oder fern’. wer fern ist kann 1106

246 Commentar.

es nicht: so kann der pedant erwidern. es ist aber gesagt entsprechend einem weit reichenden gebrauche der griechischen sprache, die im streben nach fülle und anschaulichkeit einen allgemeinen begriff in irgend einer disjunctiven form ausspricht, um seine ganz uneingeschränkte geltung zu bezeichnen und dabei über den kreis des wirklich denkbaren häufig hinausgeht. Soph. Arist. 1108 ἐπάονες οἵ τ᾿ ὄντες οἵ τ᾿ ἀπόντες ‘kommt alle’. Eur. ΕἸ. 564 τέ τῶν ἀπόντων τί τῶν ὄντων πέρε ‘worüber in aller welt’. hier ist die stimmung, aus der geredet wird, unwillige verwunderung über eine befremdliche zumutung. Aristoph. Plut. 420 τόλμημα τολμᾶτον οἷον οὐδεὶς πώποτε οὔτε ϑεὸς οὔς᾽ ἄνθρωπος, Frö. 486 δειλότατε ϑεῶν σὺ κἀνθρώπων: das erste an ᾿ einen menschen, das zweite an einen gott gerichtet. Homer Hermeshymn. 525 un τινα φίλτερον ἄλλον ἐν ἀϑανάτοισι γενέσϑαι unse ϑεὸν une” ἄνδρα Διὸς γόνον. auch πατὴρ ἄνδρων τὸ ϑεῶν τε, ϑεῶν τύραννος χἀνθρώπων will nicht diese beiden kategorien zusammenzählen, sondern ist“allvater’“herrscher des weltalls’: gerade des Eros macht, dem die an- rufung gilt (Eur. Andromed. 132) ist in allen geschlechtern der tiere zu spüren und wird so durch die reiche der welt in analoger weise bezeichnet (Hipp. 447. 1277). wenn also Xenophanes sagt εἷς ϑεὸς ἔν τὸ ϑεοῖσε xal ἀνθρώποισι μέγιστος, so ist es unkenntnis der sprache, wenn man darin einen widerspruch zu seinem monotheismus sucht. die sprache geht nun noch weiter und greift nach noch befremdlicherem, weil sich diese wendung abgenutzt hat. Eur. Hel. 1137 ὅτε ϑεὸς un ϑεὸς τὸ μέσον. Aisch. Sieb. 137 ἀνὴρ γυνή τὸ χὦτι τῶν μεταίχμιον. Hesiod Erg. 3 (danach Timon v. Phleius 32) ἀἄνδρων ἄφατοι re φατοί τε ῥητοί τ᾿ ἄρρητοί ve. man gliedert aber auch die summe aller menschen anders Plat. Protag. 3165 οἰκείων καὶ ὀϑνείων, πρεσβυτέρων xal νεωτέρων.- das mag denkbar sein. Homer 2 202 ἐπ᾽ ἀνθρώπους ξεένους nd’ οἷσι ἀνάσσεις. das kann man auch noch denken, und überaus oft wird so “bei freund und feind’ für überall gesagt. aber eben so passend ist “weder sclave noch freier’ Thuk. II 78, wo wieder nur moderne un- kenntnis den sclaven als solchen nachfragt, die in wahrheit nicht vor- handen waren. und so reicht derselbe gebrauch immer weiter Plat. Phileb. 66° πάντη φήσεις, ὑπό τὸ ἀγγέλων πέμπων καὶ παροῦσε φράζων: den ἀπόντες und ὄντες verkündigend. Antiph. tetr. II β 6 οἵ τὸ ἑχούσιόν τι δρῶντες πάσχοντες, wo an ein “freiwilliges erleiden” als solches nicht gedacht werden kann noch soll. Alkman im partheneion οὔτ᾽ ἐπαινὴῆν οὐτε μωμῆσϑθϑαι dj, wo an einen tadel ebenso wenig gedacht ist, sondern der begriff μνήμην ποιεῖσϑαι erschöpft werden soll.

vers 1108—1118. 247

1108 der interpolator, der schon 496 sein törichtes spiel getrieben hat, 1108 hat auch hier gestümpert und durch verquickung zweier an sich mög- licher gedanken sich verraten. “ich weils nicht genau’ wo ich bin, wie es mit mir steht, könnte Her. sagen. οὐδὲν τῶν εἰωθότων -“---- sehe ich um mich, könnte er auch sagen. aber “ich weils nichts genau von dem gewohnten’ ist unsinn. 1109. 10 diese verse dienen nur dazu, dem schauspieler und dem chor 1109 die weisung für ihr spiel zu geben; sie treten aus dem verstecke hervor, in das sie 1085 getreten sind; nur Amph. kommt dem Her. zu gesicht. 1111 σύν in der composition des ἅπαξ εἰρημένον συναμπίσχειν wie 1111 in guyxakunreıy durch das zusammenlegen oder schlagen der hülle motivirt, also im wesentlichen nur verstärkend. συναμπέχειν == συγχρυ- πτόμενον ἔχειν A. Prom. 521.

κόρη braucht Eur. ohne jede nuance der bedeutung für ὀφϑαλμός. den kosenamen für den augapfel haben die Athener aufgebracht, die Römer haben ihn übersetzt und die modernen sprachen verwenden das lateinische lehnwort ohne empfindung seiner bedeutung. die Ionier hatten ein eigenes bezeichnendes wort, yAnyn, besessen. 1113 Amph. verleugnet den sohn auch da nicht, wo der himmlische vater 1113 ihn vergessen hat, 1086.

γάρ begründet nicht die anrede z&xvov, sondern die begleitende handlung, dafs nämlich der vater aus liebe sich an den sohn beranwagt, trotz der gefahr, dafs die tobsucht wieder hervorbreche, welche sein leben schon einmal bedroht hat. 1114 H. verwundert sich darüber, dafs er die ursache für Amph. tränen 1114 sein soll. also hat ἐγώ den ton, und kann τὲ nicht interrogativ sein. οὗ δακρύεις zeigt den genetiv, der in der poesie häufig ist, in der prosa eine stütze, sep} ἕνεχα χάριν, erhält. es könnte eben so gut auch der dativ steben, der in prosa meist durch ἐπεὶ gestützt wird (ursprünglich locativ), und endlich auch der accusativ, δαχρύεις, der einfache objects- casus. da οὗ das am meisten poetische ist, so ist nicht zu bezweifeln, dafs die überlieferung sich für die richtige deutung des zeichens o ent- schieden hat, das Eur. allein gebraucht hatte, ohne zwischen genet. und accus. unterscheiden zu können. 1116 τύχη =5 μοι συντετύχηκεν. 1116 1118 ὑπογράφειν und ohne fühlbare nuance des sinnes das medium be- 1118 deutet “vorzeichnen, den rifs machen’, dazu gehören als nomina ὕπο- γραφή und ὑπογραφεύς. ein schlagendes zeugnis älterer zeit Isokrat. 5, 85 ὑπογράψειν οἶμαι χαριέντως τοῖς ἐξεργαζεσϑαι καὶ διαπονεῖν

248 Commentar.

᾿δυναμένοις. davon gehen zwei wege der entwickelung. einmal gibt die

vorzeichnung das wesentlichste, so dafs ὑπογράφειν einem ὁρέζειν ähn- lich wird, seit Aristoteles in der philosophischen sprache häufig, z. b. bei Sext. Emp., der den sprachschatz seiner quellen (d. h. der jahrhunderte 2. 1 v.Chr.) bewahrt. andererseits ist die skizee nichts als eine andeutung, ent- behrt des abgeschlossenen und entschiedenen. Plat. Ges. 737° σχήματος ἕνεκα καὶ ὑνπογραφῆς. und so setzt die stoische logik einen scharfen unterschied zwischen ὅρος und drcoypugr; fest. Diogenes VII 60, Galen V 811, schol. Dionys. Thrac. II 660 Bekk. aufserhalb der wissenschaft- lichen rede ist das wort nur in wenigen wendungen gewöhnlich. ὅσεο- γράφεσθϑαι ἐλπέδα, spem sibi formare, stehend bei Polybios und seinen stilgenossen. da wird endlich: ὑπογραφή ganz zu unserer “andeutung’ ὑπογραφαὶ xal παιδιαί Herodian IV 9,2. das scheint freilich ein ziemlich so vereinzelter beleg wie die vorliegende stelle. am ehesten versteht man sie durch die analogie eixaleıy, das im attischen nicht aur jedes urteilen κατὰ τὸ eixog bedeutet, sondern geradezu verspotten, d. ἢ. eine karikirende ähnlichkeit angeben. 1120 lehrt deutlich, wie ὑπογράφειν aufzufassen ist. Her. Sagt also, eloquere si novam formam

vitae meae adumbras, εἰ τὸν ἐμὸν βίον καινῷ τινί eixaleıc, "wenn

du meinem lebensplane neue richtungslinien ziehst’, nur dafs wir dies von der zukunft verstehen würden, während das griechische von der vergangenheit gilt, also würde “wenn du für mein leben einen neuen augenpunkt hast”, eher entsprechen. auf den singulären ausdruck ist Eur. wol gekommen, weil er eine parallele zu ἠνέξω 1120 suchte. denn πάλεν dort lehrt, dafs jener vers diesen genau so aufnimmt, wie si βεβαίως εὖ φρονεῖς ἤδη 1121 das εἰ φρονεῖς ἤδη 1117. diese beobachtung und der offenbare zusammenhang von βάχχος 1119 und βαχχεύσας φρένας 1122 lehrt die richtige anordnung der verse, die in der überlieferung durch vertauschung von 1121 und 1119 gestört ist; aber nur in diesem einen punkte.

1119 1119 “δου βάκχαι nennt Polymestor (Hek. 1077) die rasenden weiber,

die seine kinder getötet haben. ähnliche ausdrücke gibt es viel; bier legten sie die weit kühneren bilder des liedes 891 nahe.

1121122 φρένας ist zugefügt, weil βαχχεύειν (d. ἢ. βάκχχον εἶναι) allein

nicht den wahnsinn bezeichnen kann.

1138 1123 mit diesem verse löst Amph. die fesseln. der dichter lafst ihn

sprechen, um die scenische anweisung zu geben.

1128 1126 γάρ zeigt, dafs Her. einen gedanken unterdrückt, d.h. dafs ihm

die erinnerung an eine furchtbare tat aufdämmert. ἄλλο τε τοιοῦτόν

vers 1119--1191. 249

ἐστιν, ὅπερ εὐφημοῦντα οὐχ ἔστι δηλῶσαι; die spätere prosa, die dem grammatischen subjecte den vorzug gibt, würde nicht μαϑεῖν sagen, sondern δηλῶσαι, aber die poesie läfst wie die lebendige rede das persönliche subject, den redenden, vorwiegen. so Ai. 1046 δρῶ" μαϑεῖν γὰρ ἐγγὺς ὧν οὐ δυσπετής. ähnlich ὡς ὁρὰν ἐφαίνετο oben 1002 und sehr oft. 1127 der attische zuschauer hört den anklang an O 4 ἔγρετο δὲ Ζεὺς 121 παρὰ χρυσοϑρόνου Ἥρης, denn ohne dieses vorbild würde Eur. schwerlich ϑρόνων, keinesfalls παρά (für ἀπό) gesagt haben. Amph. deutet also an, dafs Zeus sich von Hera wieder einmal hat berücken lassen und nun erwachen und seinem sohne helfen soll, und er gibt zugleich dem Her. durch die nennung seiner feindin eine andeutung, worauf er sich gefalst zu machen hat, 1129 das activ περιστέλλειν wird ganz gewöhnlich von der ursprüng- 1129 lichen bedeutung "bekleiden’ zu der ‘vorsorglich pflegen’ erweitert. hier fordert das medium die eigentliche bedeutung trbi tua mala indue, suche nicht in Hera ein πρόσχημα. 1130 Ber. kann nun sicher erkennen, dafs er etwas verbrochen hat. 1130 daher der ruf des entsetzens, ἀπωλόμεσϑα. aber er will nicht das gräfsliche selbst aussprechen, und selbst die eigene abnung hält er zurück, daher sagt er nicht συμφορὰν λέξεις ἄλαστον, sondern das ganz farb- lose τινα, wie man τὶς sagt, wo man einen bestimmten namen ge- fiissentlich verschweigt, 748. τίνα interrogativ zu fassen geht wegen ἀπωλόμεσϑα nicht an. 1131 in ἰδού voild ist der verbalbegriff so verblafst, dafs die aufforderung 1131 hinzusehen daneben ausdrücklich hervorgehoben werden muls, selbst durch ein anderes verbum, Ion 190 ἰδοὺ τάνδ᾽ ἄϑρησον. Ar. Ach. 366 ἰδοὺ ϑεασϑε τὸ μὲν ἐπίξηνον τοδί. S. Tr. 1079 u. d. die gramma- tiker haben sich das mülsige vergnügen gemacht, dies ἰδού durch den accent von dem imperativ ἰδοῦ zu unterscheiden, dieselbe torheit, welche im deutschen wider und wieder erfunden hat.

πεσήματα “leichen’ ebenso Phoen. 1701, kurz vorher 1697 πεῶμα im selben sinne. das ist bei den anderen Attikern ungewöhnlich, und demgemäfs auch bei den atticisten, aber es herrscht in der χοινῇ in breitester ausdehnung. nur ein beispiel, wo es verkannt ist; in einem beschlufs der makedonischen stadt Lete wird erzählt, wie ein römischer propraetor Sex. Pompeius in einer schlacht fällt, aber sein quaestor M. Annius treibt die feinde zurück καὶ τοῦ πεώματος ἐκράτησεν, d.h. der leiche des Pompeius (Dittenberger syll. 247, 18). Κόδρου πέσημα

250 Commentar.

ebenso auf einer attischen inschrift (Kaibel epigr. 1083). in anderem sinne, aber ebenso abstractum pro concreto heifst das vom himmel ‚ge- fallene Artemisbild οὐρανοῦ πέσημα 1. T. 1384.

118 1133 πόλεμος kampf” in homerischer bedeutung. er ist ἀπόλεμος" οὐ γὰρ δορός γε παῖδες ἵστανται πέλας 1176. das oxymoron hat schon A. Prom. 904, als kampf, der in folge der ungleichheit der kräfte keiner ist.

1136 1136 τέ δράσας = τί παϑών 540.

11371137 der zweite satz wendet sich gegen den vorwurf des xaxayysleiv. dpunvevsıy mit seinen ableitungen ist ein lieblingswort des Eur.

1139 1139 in schauerlichem widerspiele nimmt der dichter die prahlerischen worte des Her. 938 wieder auf. ähnliches kunstmittel 1004: schwerlich gibt es einen dichter, der sich desselben lieber bedient als Eur. man merkt die liebe des künstlers zu seinem werke: freilich bemerkt so etwas nur der, welcher gleiche liebe mitbringt.

1140 1140 die wolke ist für das hellenische empfinden zunächst die trägerin der finsternis. νέφος σκότου unten 1216, Hipp. 192, Soph. OT. 1313. der zweite Clemensbrief schildert im anfang den zustand der menschen vor der bekehrung ἀμαύρωσιν περικείμενοι καὶ τοιαύτης ἀχλύος γέμοντες ἐν τῇ ὁράσει ἀνεβλέψαμεν, ἀποϑέμενοι ἐκεῖνο περιεκδέμεϑα νέφος: es ist das eine rede, welche hohe stilistische aspirationen hat. daher nun nennt das epos den tod, der finsternis bringt, νέφος ϑανάτου, und so erklären sich composita wie κελαενεφές αἷμα, die den grammatikern rätsel blieben: νέφος verstärkt den begriff des dunkels; aber man empfindet in diesem dunkel die wolke des todes. aber die schwarze wolke ist die sturm- und gewitterwolke, aus der regen und schnee, schlofsen und blitze niederfahren. daher πολέμοιο νέφος (schon P 444) mit seinen χάλαζαε vıpadec u.dgl. ebenso wie πολέμου χειμών (5. Ant. 670) gewöhnlich wird. Pindar z.b. führt das ins einzelne aus (Isthm. 6, 27 Nem. 9, 38, der hagel der geschosse oben zu v. 104), derselbe nennt einmal in absurder weise den Amphiaraos πτολέμοιο νέφος (N. 10, 8): aber da ist er be- rückt von einem törichten rhapsoden, der P 445 eingeflickt hat, so dafs πολέμοιο νέφος durch “Ἕκτωρ erklärt scheint. diese metapher hat noch Aisch. Sieb. 212, nicht Soph., der aber des Nessos gift in gezierter weise eine “blutige wolke’ nennt Tr. 832, weil es δεὰ φόνου dem Her. das unwetter des verderbens brachte. rein hat auch Eur. diese metapher nicht, denn wenn das eroberte Troia Ἑλλάνων νέφος ἀμφικρύπεει δορὲ πέρσαν (Hek. 907), so zeigt das verhüllen, dafs an die wetterwolke nicht gedacht ist, nur an die hülle; der ausdruck ist nach Π 67 geformt, xva-

vers 1133—1141. 251

veov Τρώων νέφος ἀμφιβέβηκε νηυσίν. von bier aus ist die eigen- tümliche bezeichnung νδῳέλη für das garn des vogelstellers entstanden: von demselben Troia sagt Aisch. Ag. 358, dafs ein στέγανον δίκτυον es umgebe. wenn ferner Phoen. 250 ἀμφὶ πεόλιν νέφος ἀσπίδων σευκνὸν φλέγει σχῆμα φοινίου μάχης, so ist das alte bild überboten, denn νέφος gpAgysı ist ein oxymoron, und der ausdruck von wahrhaft calderonscher kühnheit. dagegen hat er eine andere auch heute ge- länfige vergleichung über das uns geläufige ziel fortgeführt, “wolke des unmuts’, “umwölkte stirn’ “trübe stimmung’ ist uns geläufig. derart ist Hipp. 172 στυγνὸν ὀφρύων νέφος, und ähnliches haben auch die alten sehr vieles. mit unschöner ausführlichkeit sagt Soph. Ant. 528 νεφέλη δ᾽ ὀφρύων ὕπερ aluaroev ῥέϑος αἰσχύνει τέγγουσ᾽ εὐῶπα παρειάν. Homer hat auch hierzu den keim ἄχδος νεφέλη in einem alten stücke Σ 22, schol. erklärt λύπης χειμών; Soph. Ai. 207 sagt von dem rasenden ϑολερῷ χειμῶνε νοσήσας" manche wendungen-von σπενεῦμα αὔρα u. dgl. schliefsen an. davon ist nun Eur. fortgeschritten, indem er das bild der wetterwolke mit hineinzog. Med. 107 ἀρχῆς ἐξαιρόμενον νέφος oluw- γῆς ὡς ray avabeı uelbovı ϑυμῷ. das gewitter kündet sich an durch wehrufe: das ist das wetterleuchten; dann steigt es auf und entlädt sich schliefslich über das haus, alles vernichtend. so ist denn auch hier γέφος στεναγμῶν με περιβάλλει zu fassen. späte flache nachahmungen helfen nichts, und als bild der fülle ist νέφος in alter zeit nicht zu be- legen, das würde etwa πέλαγος στεναγμῶν sein. vergleichbar, aber weit schöner, weil ein volles bild ergebend, ist Bakchyl. 36 “nicht menschen- wille erzeugt segen oder krieg oder revolution, ἀλλ᾽ Zrrıyolunsı νέφος ἄλλοτ᾽ in’ ἄλλαν γαῖαν πάνδωρος αἶσα; das schicksal macht das wetter und läfst die wolke über die lande ziehn’. aber diese wolke ist nur die aus welcher der stral zuckt, nicht auch die aus welcher der segen quillt. Phoen. 1311 hat Eur., als sein stil immer mehr zur manier ward, sogar gesagt πτοτέρ᾽ ἐμαυτὸν πόλιν στένω δακρύσας, ἣν πέρεξ ἔχει νέφος, ohne dieses bild zu erläutern, so ἀδίβ ein interpolator einen törichten vers eingeschoben hat. es bedeutet “die stadt ist von einem unwetter, einem νέφος στεναγμῶν oder δακρύων umgeben, da Menoikeus in all dem kriegselend sich getötet hat’. endlich hat Eur. einmal sehr schön und sehr besonders von einem durch viele schicksalsschläge hin und hergeworfenen weibe gesagt πλαγκτὰ δ᾽ ὡσεί τις νεφέλα πνευ- μάτων ὑπὸ δυσχίμων ἀίσσω Hik. 961.

1141 τούτων ἕκατι = διὰ ταῦτα. (ἰδῇ vers ist leer, und füllt nur in 1111 der stichomythie seinen platz.

252 Commentar.

1148 1143 die erwähnung des altars, der nur der &exeiog sein kann, lenkt den blick des Her. auf den ort, wo er sich jetzt befindet: das ist der hof, wo der altar gestanden hat, aber jetzt von trümmern bedeckt oder zerschlagen ist. so zeigt sich der notwendige anschlufs dieses verses an 1145 und bestätigt sich die umstellung des verspares 1144. 45, welches zwischen 1143. 6 überliefert aber dort ganz unerträglich ist.

1145 1145 mit dem ersten satze, einer zumal bei Eur. gewöhnlichen formel, schneidet Amph. alle weiteren fragen ab. da der zuschauer über alles genau unterrichtet ist, durfte Her. nur das notdürftige in knappster form mitgeteilt werden. von der einwirkung Athenas, die doch das haus zer- stört hat, erfährt Her. gar nichts; dadurch wird das geheimnisvolle und in gewissem sinne die glaublichkeit der vision des chores erhcht. und die hilfe Athenas scheint nur dem ungläubigen ein äufserliches motiv: denn dem Athener ist Theseus hilfe ziemlich dasselbe wie die seiner göttin.

1146 1146 ἐμῆς hat den ton: sonst würde gar kein possessiv stehen.

1148 1148 das leben will er sich nehmen, indem er sich entweder in das schwert stürzt oder sich von einer klippe stürzt. κατακρημνίζειν Eav- τόν ist im altertum ein so häufiger weg des selbstmordes, dafs er typisch genannt wird, z. b. Andr. 847. fgm. 1055. Horaz C. ΠῚ 27, 61, während ertränken kaum vorkommt. in Italien nehmen sich noch jetzt sehr viele menschen beiderlei geschlechtes das leben, indem sie sich aus dem fenster stürzen.

da die poesie den genetiv ohne zusatz eines ortsadverbiums (ἀχεῦ) auf die frage woher bei verben anwendet (weil er die function des ablativs geerbt hat), so überträgt sich das auf das verbalnomen. wie hier ἅλμα πέτρας, so Iph. T. 1384 οὐρανοῦ πέσημα.

an drei oder vielmehr zwei stellen der Odyssee (8 412 —=x 4 und y 293, wo die lesart bestritten aber nicht anzuzweifeln ist) erscheint der ausdruck λισσὴ πέτρη, u TY πέτρη Als, 64 gar Alg πέτρη metrisch als ein wort behandelt, der dann bei nachahmern fortwirkt. bei den tra- gikern erscheint λισσὰς πέτρα, offenbar nach einem anderen epischen vorbild; auch das wird später nachgeahmt. die grammatiker schwanken, ob die bedeutung “glatt” oder “schroff” sei (schol. Apoll. Rh. 11 382 und im Et. M. Hesych. λισσόν); Aristarch entschied sich für das erste (schol. +293 Hesych. λεσση). so hatte schon Theokrit das wort gefalst (Aı00x. 37), und schon Duris von Samos, der den zug des Ophellas von Kyrene nach Karthago mit bewufster kunst als märchen stilisirt hat und die höhle der "Lamia, die er an die Syrte versetzt, mit homerischer reminiscenz be- schreibt ὑπῆρχεν ὄρος ἐξ ἀμφοτέρων τῶν μερῶν ἀπόχρημνον, ἐν

vers 1143—1150. 253

μέσῳ δ᾽ ἔχον φάραγγα βαϑεῖαν, ἐξ ἧς ἀνέτεινε λιασὴ πέτρα πρὸς ὀρϑὸν ἀνατείνουσα σκόπελον, an ihrem fuls eine von epheu und smilax überwachsene höhle (Diodor XX 41). aber Apollonios Rhod. (ll 382) deutete λιασή schroff, und dafs die tragiker dasselbe getan haben, zeigt aufser dieser stelle A. Hik. 795. ein schöner beleg, dafs sie eine epische vocabel in der falschen bedeutung verwenden, welche sie bei den γλωσ- σογράφοε gelernt haben, denn von den homerischen stellen ist wenigstens μ 79 unzweideutig für glatt, πότρη Alg περεξεστῇ ξεκυῖα, und dasselbe fordert die etymologie, den λέσσός für Aszjdg gehört zu Auzog für Aurrog, welches im attischen in übertragener bedeutung “schlicht einfach’ vor- kommt, offenbar von ‘glatt’ weitergebildet, bei Homer τὰ Asza ‘schlichtes ungefärbtes zeug’ (deutlich x 353), aber nicht von τὸ Auzov, da der dat. sing. λιξέ lautet. der stamm ist also Asz- und darf nicht mit Ass (λεῖος λευρός, als aeolisches lehnwort auch im drama, levis) verwechselt werden, obwol die bedeutung dieselbe ist, und die falsche schreibung Asırog in später zeit nicht selten. Ahnlich steht λέϑος neben λεύω und Adf{r)ac. 1149 ἀκοντίζω heifst im epos zielen, später meist mit dem ἀκόντιον 1149 und dann überhaupt werfen; hier wirkt der epische gebrauch; ἐξ ändert die bedeutung nicht. ähnlich χεῖρας ἐξακοντίζεεν von dem hilfeflehenden 1. T. 362. anders wegen des von ἐξ regierten genetivs γῆς olazgoigı κῶλον ἐξηκόντισαν Bakch. 665 ‘sie haben im wahnsinn die fülse zum lande hinausgerichtet, sind fortgeeilt’, ein geschraubter ausdruck.

einen tötlichen stofs bezeichnen die tragiker ganz gewöhnlich als die leber treffend, während wir nur vom herzen reden. vorangegangen war Homer ı 301 οὐτάμεναι πρὸς σεῆϑος ὅϑι φρένες ἧπαρ ἔχουσι. später schwindet dieser ausdruck, der nur dem volke nahe lag, das selbst häufig das opfertier zerlegte, um gerade die leber zu suchen und sich trotz seiner feinfühligkeit gegenüber allem ekelerregenden nicht scheute, selbst plastisch eine leber darzustellen (Bull. de Corr. Hell. ΧΙ ı. 4). 1150 δικαστής ist nicht richter (xgerng) sondern rächer. diese ursprüng- 1150 liche bedeutung beherrscht das attische recht noch im 5. jahrhundert, schwindet aber dann durch das heliastische unwesen. das drama hat die echte bedeutung oft festgehalten, bezeichnend z. b. S. OT. 1214 Χρόνος δικάζει τὸν ἄγαμον γάμον πάλαι = δίκην πράττει τοῦ φόγου, A. Choeph,. 120 δικαστὴς καὶ διχηφόρος, Antiphon 1,24 ὅπως διδῶσι δέκην ol ἀδικοῦντες, τούτου γε ἕνεκα δικασταὶ καὶ ἐγένεσϑε καὶ ἐκλήϑητε; 5, 47, leute haben einen sclaven getötet und berufen sich jetzt auf dessen zeugenaussage, τῶν μὲν λόγων τῶν ἐκείνου τουτουσὶ κριτὰς ἠξιώσατε γενέσθαι, τῶν δὲ ἔργων αὐτοὶ διχασταὶ ἐγένεσϑε.

254 Commentar.

1151 1151 die manneskraft des körpers hier wie 1095, 1270 hervorgehoben im gegensatze zu dem innerlich vernichteten dem tod verfallenen dasein. hier ist veayıy in ἐμὴν verdorben, nur scheinbar stark entstellt, da der anlautende buchstabe leicht fortfiel, weil er auch das vorhergehende wort schlofs, das übrige in der antiken buchschrift leicht zu verlesen war. und da die unversehrt erhaltenen und unentbehrlichen umgebenden wörter ein dreisylbiges femininum mit kurzer endsylbe fordern, so würde vsavır sich aufdrängen, auch wenn es ferner läge.

1158 1153 die zwischenkunft des Theseus hindert ihn am βουλεύεσθαι τεῶς δεῖ ϑανεῖν. was “zwischen die füfse kommt’, hindert ihre bewegung. der oder das, dem es zwischen die fülse kommt, steht natürlich im dativ (locativ oder casus des entfernten objects ist beides denkbar). es kann so gut eine handlung wie eine person sein (ἐμσε. ἐμοῖς γάμοις Hel. 783). wenn aber der gehinderte von dem unterschieden wird, woran er gehindert wird, so ist die vorstellung dieselbe wie bei den verben des hinderns, kann also der genetiv stehen, d. h. jener genetiv, der den alten ablativ ersetzt. wie hier Hik. 395 λόγων ἐμποδὼν 60’ ἔρχεται, wo sich der dativ der person von selbst ergänzt, der hier dabei steht.

1155 1155 überhaupt gesehen zu werden ist ihm schrecklich, schrecklicher, dafs gerade Thes. ihn sehen muls. also keine tautologie.

1158 1158 überliefert ist σεοῦ κακῶν ἐρημίαν εὕρω μολών. darin ist σεοῖ falsch, denn er sucht gar keinen weg, sondern drückt nur in rhetorischer frage die trauer aus, dafs er nirgend sich bergen kann. und xaxwr ἐρημίαν, freiheit von leid, zu wünschen ist er doch nicht kindisch genug: er will nur seine greuel verbergen, auch um den preis der ver- nichtung seiner existenz, “avarısausvos ἐς Ὄλυμπον πτερύγεσσι κούφαις (Anakr. 24, wo dies geläufige bild zuerst belegt ist) “εἴ μοι yavoı εὐρεῖα xIwv”. die form des wunsches entrückt zu werden scheint uns stark dichterisch; sie ist aber conventionell, wird also nicht so em- pfunden. ganz ähnlich Hipp. 1290 πὼς οὐχ ὑτεὸ γῆς τάρταρα κρύπτεις δέμας αἰσχυνϑεὶς πτηνὸς ἄνω μετάβας βίοτον πήματος ἔξω πόδα τοῦδ᾽ ἀνέχεις. Ion 1237 tritt an diese beiden idealen wünsche der sehr reale nach einem wagen oder einem schiffe, welche letzteren allein erscheinen Med. 1122. πτερωτὸς μολών neben xara χϑονὸς μολών wechsel von adjectivischem und adverbialem zusatze, vgl. 225. die eben angeführte stelle des Ion gibt gleich einen beleg φυγὰ πεερόεσσα χϑονὸς ὑπὸ μυχῶν. ἐρημία vgl. 359.

1159 1159 die überlieferung ist lückenhaft φέρ᾽ ἄν τι κρατὶ περιβάλω σκότος, aber ganz sicher zu ergänzen, denn die handlung zeigt, dals

vers 1151 —1163. 255

Her. nur das dunkel seines mantels um sein haupt breitet, das war also auszusprechen. das ist aber nur ein unvollkommenes surrogat für den vorher ausgesprochenen unerfüllbaren wunsch; folglich war eine restrin- girende partikel nötig. auch diese situation hat Eur. im Orestes nach- geahmt. als Or. den vater seiner mutter kommen sieht, sagt er 459 Τυνδάρεως ὅδε στείχεε πρὸς ἡμᾶς, od μάλιστ᾽ αἰδώς u’ ἔχει εἰς ὄμματ᾽ ἐλθεῖν τοῖσιν ἐξειργασμένοις --- τίνα σχότον λάβω προ- σώπῳ, ποῖον ἐπίπροσθεν νέφος ϑῶμαι; er verhüllt sich aber nicht, sondern tritt nur zur seite.

1160 Her. verhüllt sich nicht sowol um die befleckung zu verhindern, 1160 als aus schamgefühl, dafs er nun auch noch den Thes. beflecken muß: er hätte früher sterben sollen. daher das futurum szgooßaiwv. der interpolator, dessen nichtsnutzige hand die verse 496. 1108 verfertigt hat, hat auch hier eine törichte begründung in stümperhafte form gekleidet; οὐδὲν κακῶσαι τοὺς ἀναιτίους ϑέλω. töricht, denn ἀναέτεοε sind auch Amph. und der chor, vor denen Her. sich nicht verhüllt hat, stümperhaft

ist χαχοῦν und der ganze ton: οὐδ᾽ ἐξομόρξω μιαρὸν ἁγνοῖσιν μύσος,

so elwas wäre wenigstens im stile gewesen.

1161 προστρόπαιος ist eigentlich, wer einen anderen zpooTe&TeFr«.: 1161 (Plat. Ges. 866°) um sich von der befleckung mit blut sühnen zu lassen;

es ist also == ἐναγής. Antiphon IV β' 8. jedes vergossene blut erfordert sühne (vgl. 923), und die reinigung des πτροσερόπεαιος macht den ἐναγής nur in so weit rein, dafs ein unbeteiligter mit ihm ohne befleckt zu werden verkehren darf; die rache für die tat, mag sie als blutrache oder

als staatliches gericht auftreten, ist dadurch in keiner weise praejudicirt.

am deutlichsten werden diese anschauungen durch A. Eumeniden, welche Orestes zwar von Apollon gesühnt, aber doch von den Erinyen verfolgt darstellen, vgl. besonders 238, 283. aber der blutbefleckte empfand natürlich seine verfehmung ganz anders, wenn ihn sein gewissen belastete,

als wenn er nur φόνος δέκαιος begangen hatte, wie Her. oben an Lykos, und so wird σεροσερότεαιος vorwiegend im ersteren falle gesagt, und

ist eine pointe möglich wie Ion 1259 setze dich auf den altar, χἄν ϑάνῃς γὰρ ἐνθάδ᾽ οὖσα, τοῖς ἀποχτείνασί σε προστρόπαιον αἷμα ϑήσεις᾽. sonst würde der mord φόνος δέκαιος sein.

1163 der Asopos war die boeotische grenze in der Thebais (danach X 257), 1168 und seitdem Platajai im attischen schutzverhältnisse stand. natürlich hält Eur. dieses grenzverhältnis fest, obwol tatsächlich seit der eroberung Platajais durch Sparta und rechtlich seit dem Nikiasfrieden der Kithairon

die grenze gebildet hat.

256 Commsatar.

1164 1164 ἔνοπλοι praedicatir, in prosa ἐν ὅπλοες “unter wallen’, in gelechts- bereitschaft.

1170 1170 ἤλϑον, εἴ τι δεῖ ist eine leichte anakoluthie, denn ἦλθον erzählt, würde also ἔδεε fordern, da die intention in der vergangenheit liegt. δεῖ fordert ein ἐλήλυϑα. die anakoluthie ersetzt also ein ἡλθον δὲ τι ἔδει, καὶ γῦν πάρειμε, εἴ τι δεῖ.

1m 1171 τῆς ἐμῆς χερὸς τῆς τῶν συμμάχων, d.h. μάχης πο- λέμου 1168.

1173 1173 γεωτέρων ὧν ἤκουσα, allein mit übler ποροηνοάθαϊυθᾳ wie Hipp. 1160, Or. 1327 u. ὅ.

1175 1175 dafs es eine verheiratete frau ist, sieht Thes. an der tracht der leiche, dafs er aber nicht nach ihrem namen fragt, sondere nach dem ihres gatten, zeigt, dafs er merkt, wer die leichen sind, nur hält er Lykos für den mörder.

1176 1176 “es kann kein ehrlicher kampf gewesen sein, denn —”.

1177 1177 καινόν ist nur recens, quod ad ea quae expeclaveram accedit. man kann also sehr gut καινὰ καὶ γέα verbinden, etwas das eben eingetreten ist, und etwas, das unerhört ist, Aisch. Pers. 667.

In dem folgenden wechselgesange spricht Theseus; seine worte sind in iamben gehalten, aber mit Iyrischen malsen verkoppelt, vgl. oben s.213. Wechsel. die malse sind aulser den trimetern des Theseus zesang. 1178 und 1180 je 2 ὁ.

1182. 83 4 ὁ.

1185. 86. 88 dreimal iambelegus + spondeus, vgl. 894. 1033.

1190 dies versprengte stück ist nicht sicher zu deuten, weil der zu-

sammenhang fehlt; vermutlich war es ein daktylischer vers durch spon-

deus abgeschlossen.

1192—94:6 ὁ.

1196 -.. - - | -͵οὐπυπωπυ που το“ ein epitrit, daktylischer

pentameter, epitrit. dafs das daktylische glied daktylisch ausklingt ist eine

anomalie, die aber in den ganz in daktyloepitriten gehaltenen tragischen

liedern nicht selten ist. vgl. lon 1504

δεινὰ δὲ καὶ τάδ᾽ ἑλισσόμεσϑ᾽ ἐχεῖϑεν ἐνθάδε δυστυχίαισιν εὐτυχίαις τε πάλιν, μεϑίσταταε δὲ πνεύματα

ἀ.1. -σὐ- wu [Ι-ύτυ! -ωσπ-ουὐπ-υβτ ὐπυυτυ [τ-υπυίπτυ-.-

Andr. 864 durch syll. anceps von den vorhergehenden dochmien gesondert

δεὰ χνανέας ἐπέρασεν axrag d.i. -- - vu -w | -u--. auf daktylo-

epitriten lälst sich der iambelegus und der spondeus auch gut zurückführen.

vers 1164 —1187. 257

1199 —1201 drei daktylische trimeter, der letzte katalektisch. vgl. Tr. 266 ῥῖπτε τέκνον ζαϑέους xAndag καὶ ἀπὸ χροὸς ἐνδυτῶν στεφέων ἱεροὺς στολμούς d.i. -w-w-- |-v-- w-vu]|-w-wu-|-- 1203—5 6 ö-+ spond. der erste dochmius ist unvollständig, in der form des creticus, die beiden letzten haben anapaestische form. hiatus sondert die periode. 1207—9 (anapaestisch) + iambisches metron -+ 3 (zwei anapaestisch) —- spond. das eingesprengte iambische metron befremdet; auch ist die lesart nicht ganz sicher. 1210—13:7 ὃ. | 1178. Thes. ist der herr des burghügels, der den ersten ölbaum getragen Pr hat und trägt. Ion 1450 heilst die burg ἐλαεοφυὴς πάγος. die attische olive ist für Eur. das symbol der gesittung, wie sie Athena im atlischen Reiche entfaltet, so hat er die sage vom streite der götter um Athen im Erechtheus umgebildet. die anrede hebt also die person des Theseus zum vertreter Athenas. 1179 nicht die worte der anrede sind oixzea, sondern der ton, den 1179 für uns nur das Iyrische mafs kenntlich macht. 1188 mit εὔφημα φώνει, εὔφημος ἔσϑιε gibt die jüngere tragödie (5. E.) 1188 das wort des gewöhnlichen lebens εὐφήμει (z. b. Plat. Polit. 329°) wieder, im sinne “sage, denke doch so etwas nicht, schweig stille’. Aisch. wählte noch paraphrasen, die aber den sinn erläutern εὔφημον κοέμεσον στόμα Ag. 1247, γλῶσσαν εὔφημον φέρων Ch. 581. der ausdruck stammt von dem gebote des opfernden an die umstehenden εὐφημεῖτε (schon in den Litai 171, öfter bei Aristophanes), der zunächst nur jedes entweihende wort verbietet, dem man aber aus vorsicht durch schweigen nachkommt.

βουλομένοισιν ἐπαγγέλλῃ: ηὐμήμουν ἄν, εἰ οἷός τ᾿ ἦν. das medium ἐπαγγέλλεσθαι in der bedeutung “befehlen’ ist ein ionismus, da es im attischen vielmehr “sich zu etwas erbieten’ zu bedeuten pflegt. aber Herodot hat es öfter. 1187 πτανοί vgl. zu 510. 1187

vor 1188 fehlt etwas, da τέ δράσας (zum ausdruck vgl. 540) das sub- ject Her. haben muls, und dieses nicht ergänzt werden kann. ferner ist 1190, wo er überliefert ist, verkehrt, denn der dativ kann nur instru- mental sein und hat keinen verbalbegriff noch ein object; aufserdem hat Her. gar nicht alle kinder erschossen. offenbar hat Thes. gefragt, “wie hat er das getan?’ nicht um eine beschreibung zu hören, sondern aus erstaunen, und darauf hat Amph. die mörderischen waffen natürlich beide

v. Wilamowiiz 11. 17

258 Commentar.

genannt. z.b. ΘΗ͂. καὶ πῶς vır Exsa; AMO, xalxoßapei donalov πλαγᾷ δκατογκεφάλου se βαφαῖς ὕδρας. ΘΗ͂. πῶς φής; τί δράσας, ι. 8. w.

1188 1188 πλάνος φρενῶν heilst oft der wahnsinn, ποῖ παρετελάγχϑην γνώμης ἀγαϑῆς Hipp. 240, gar φόβος στροβεῖ us A. Ag. 1216. über πέευλος zu 816. also “in die irre geführt durch wahnsinnsanfälle’.

1191 1191 aus dem wahnsinn schliefst Theseus auf die einwirkung Heras, vgl. 20.

118 1193 δόρυ ganz gleich πόλεμος, vgl. zu 158. ganz ähnlich Ion 997 ϑεῶν ὅτ᾽ ἦλθεν ἐς δόρυ, auch in bezug auf die schlacht bei Phlegra.

11% 1194 die eigentlich ganz mythischen gefilde der “brandstätte” Φλέγρα, wo die götter die giganten üherwunden haben, sind auf den vulcanischen boden am neapolitaner golf erst verlegt, als man die sage aus falscher physiologie auf vulcanische erderscheinungen deutete; doch wird dies bei den Chalkidiern, die dort wohnten, früh geschehen sein. aber populär in weiten kreisen ward es erst durch Timaios. zu Eur. zeiten ist das local der gigantenschlacht, also Phlegra, auf der halbinsel Pallene (Herodot VI 123). und die beteiligung des Herakles an der gigantomachie ist eben dadurch populär geworden, dafs auf Pallene die korinthische pflanz- stadt Poteidaia lag. dafs Her. gewaffnet in diesem kampfe aufgetreten ist, ist σον δ, zumal von Dorern, erzählt worden. in der archaischen kunst wie bei Hesiod Theog. 186 sind ja die Giganten selbst hopliten. auch Eur. konnte den Her. so gut beschildet einführen, wie ihn Soph. Phil. 726 χάλκασπις ἀνὴρ ϑεός nennt, obgleich in jenem drama der bogen keine geringere rolle spielt wie hier. aber Eur. hat 179 Her. als bogenschütze gerade in jenem kampfe eingeführt, und die ganze debatte mit Lykos verbietet es uns ihn als hopliten zu denken. hier ist also eine nach- lässigkeit des dichters anzuerkennen.

1185 1195 Hekab. 785 φεῦ φεῦ" τές ὧδε δυστυχὴς ἔφυ γυνή; ΕΚ. οὐκ ἔστιν, εἰ μὴ τὴν Τύχην (d.h. Ζυστυχίαν) αὐτὴν λέγοις. unabhängig von einander sind die verse nicht, aber es ist nicht sicher zu entscheiden, welcher das urbild des andern ist. denn denken wir uns den des Her. erst gedichtet, so mufste für die Hekabe das geschlecht geändert werden, und dadurch rückte dvodaluwy an eine stelle, welche es nicht ertrug; δυστυχής tat nur dem verse genug, bedurfte aber für den sion einer fortführung, die in der gesuchten pointe liegt. andererseits ist jene stelle eine mit bewulstsein gekünstelte, die deshalb in dem gedächtnis ihres urhebers leicht haften mochte, so dafs er hier, an einer gleichgiltigen stelle, sich einer ganz ähnlichen, nur nach bedarf geänderten, wendung bediente, während nicht recht zu sehen ist, weshalb er in der Hekabe

vers 1188---1206. 259

auf diese stelle, sie gleichsam zu übertrumpfen, zurückgegriffen hätte. wahrscheinlicher ist also, dals die Hekabe eher gedichtet ist. dafs dem wirklich so ist, vgl. 16. solche selbstcopieen sind von wert für die fragen nach der interpolation im drama und der priorität im epos. hier zeigt sich der wirkliche dichter in der vertauschung von δυσευχής durch dvodaluwy: das würde ein nachdichter schwerlich auseinander gehalten haben. 1196 εἰδέναε aoristisch, vgl. zu 617. Hik. 662 εἰδεέης ἄν φίλων τύχας, 11% wo es ebenso dem sinne nach durch ἔδοες ersetzt werden könnte wie hier. noAvsckayxtog heilst eigentlich “viel umhergetrieben’, so heifst Odys- seus als bettler o 425 und Io A. Hik. 571, und so könnte auch Her. heifsen. aber hier ist es nicht von dem zu verstehen, der von land zu land, sondern von dem der von leid zu leid verschlagen wird. so nennt der chor des Aias die jahre seines kriegerlebens vor Troia sroAv- σελαγχτα 1186, und sagt Sophokles auch im allgemeinen vom menschen, dafs, wenn er alt wird, τές πλάγχϑη πολύμοχϑος ἔξω τίς οὐ καμά- των ἕνι OK 1232. also in prosa etwa οὐκ ἄν ἄλλον ἔχοις εἰπεῖν διὰ σελειόνων μόχϑων πιλανηϑέντα. Parmenides 149 nennt die glieder des menschlichen körpers zcoAursslayxre, weil in ihnen die mischungs- verhältnisse der elemente warm und kalt verschieden sind, und danach ihr empfindungs- und erkennungsvermögen (Theophrast bei Diels Doxogr.499). 1199 “er schämt sich vor dir, dem chore und den leichen’. 1199 1203 “wenn ich euch denn nichts mehr helfen kann, so kann ich euch 1208 doch trauern helfen, ei un συμμαχῶν ἀλλὰ συναλγῶν ye πάρειμι. Ion 935 sagt der altersschwache paedagoge ὡς ovorevaleıy γ᾽ οἶδα γενναίως φίλοις. 1205 ῥέϑος ist ein aeolisches wort unbekannter abkunft, bedeutet dort 120ὅ antlitz und ist durch vermittelung der Iyrik in dieser bedeutung zu Sophokles (Ant. 529) und Eur. gekommen. im epos (X 362 daraus ent- lehnt X 68 und Π 866) im plural in der bedeutung ‘glieder’. den unter- schied hebt Aristarch hervor, aber nach früheren, da schon Apollonios Rhod. II 68 zwar den homerischen plural, aber in der bedeutung ‘gesicht’ gesetzt hat. 1206 ἁμελλᾶσϑαί zıvı “es mit etwas aufnehmen’, Hipp. 426 μόνον τοῦτό 1206 . φασιν ἄμ. βίῳ. so seit dem 4. jahrhundert ἐνάμελλος gewöhnlich. Amph. sagt also χαὶ ἐνθάδε βάρος ἐσεὶν ἰσόρροπον τοῖς σοῖς δακρύοις" ἐγὼ γὰρ καὶ ἱκέτης elul καὶ δακρύω καὶ αὐτός. ähnlich erklärt der scholiast 2 509: ᾿χιλλεῖ ἀναδιπλασιασϑεὶς ϑρῆνος ἀνεισηκωϑή-

σεται τοῖς δάκρυσι Πριάμου. 11

260 Commentar.

1209 1209 überliefert ist πολιόν τε δάχρυον, und das epitheton ist als “träne eines greises’ untadelig, vgl. zu 450. aber das pafst nicht recht, weil keine unterscheidende eigenschaft dieser tränen hervorzuheben ist, wenn sie denen des Her. ἐνάμελλα genannt werden. allgemein aber kann die träne nicht wol πολεόν genannt werden, wie etwa das meer oder der aether (obwol die grenze der dichterischen katachrese gerade in farben- bezeichnungen schwer festzustellen ist; hat doch Hesiod Erg. 477 492 gar den frühling πολεόν genannt), und könnte sie es, so palst ein malendes epitheton perpetuum nicht her. da nun auch das versmals unerklärlich ist, so ist zroAv eingesetzt, um diesem zu genügen: aber das ist nur ein notbehelf.

1210 1210 ϑυμολέων heilst Her. schon E 629.

12111211 ϑυμὸς ἐξάγει intransitiv, Alk. 1080 ἔρως εις ἐξάγει, Thuk. 8, 45 πενία .... ἐξουσία .... ἄλλαι συνευχίαε .... ἐξάγουσιν ἐς τοὺς κινδύνους. in allen drei stellen ist allerdings das object sehr leicht zu ergänzen. ähnlich oben φρενῶν βροτοὺς ἐξάγεται 775.

1214 1214 die bitten des vaters haben nichts erreicht; der freund erreicht mit seiner zurede auch nichts, aber er greift tätig ein; er enthüllt 1228 den Herakles, und zwingt ihn so zum reden.

1215 1215 αὐδῶ: κελεύω. zu 503.

1216 1216 νέφος: zu 1140 ὅστις an eine partikel angeschlossen ist gewöhn- lich, Heraklid. 414 τίς κακῶς οὕτω φρονεῖ ὅστις Ex χερῶν δώσει τέχνα. Thuk. ΠῚ 57 ἐς τοῦτο ξυμφορᾶς προκεχωρήκαμεν οἵτινες --- ἀπολλύμεϑα.

1218 1218 die hand zu schütteln ist auch noch heute im süden die geberde der abweisung. Hel. 445 sagt Menelaos zu der pförtnerin, die ihn ab- weist, & μὴ πρόσειε χεῖρα. Her. aber schüttelt die hand so lebhaft (diesen gestus schreibt der dichter indirect vor), dafs Thes. schliefst, er fürchte sich vor etwas. den inhalt dieser furcht gibt der satz mit ger, und ὡς tritt dazu, weil es nichts als eine vermutung des Theseus ist. überliefert ist anualveıg φόνον, wo man denn ὡς final nehmen mülste: aber wer die hand schüttelt, kann im eigentlichen sinne nichts zeigen noch durch diese geberde zu verstehen geben, dafs er ein mörder wäre. die vielen kurzen sätze, weil Thes. immer wieder inne hält und eine antwort erwartet.

12211221 εὐτύχησα ohne augment, denn die mit εὖ zusammengesetzten verba werden im attischen nicht augmentirt, so lange die wirkliche rede ev und nv unterscheidet.

ἀναφέρειν τινί oder εἴς τινα in bezug auf eine person ist bei Eur.

vers 1209---1228. 261

häußg im sinne von “auf jemand zurückführen, jemandem zuschieben referre ad aliquem’ τὸ xallıorelov εἰς ἔμ᾽ ἀναφέρων 1. T. 23 “er bezog die ‚bezeichnung καλλεστεῖον auf mich’. den gebrauch teilt die gute attische prosa des vierten jahrhunderts, nicht die ältere oder gleich- zeitige poesie; aus der archaischen prosa ist er wol zufällig nicht belegt. mit sächlichem object oder auch, wie hier, einem pronominaladverb der richtung, ist er dem Platon gewöhnlich, τ᾽ ἐκ τῶν αἰσϑήσεων ἔσα ἐκεῖσε ἀνοίσειν Phaed. 75", εἰς τὸ ἀληϑέστατον ἀποβλέποντες κἀκεῖσε ἀεὶ ἀναφέροντες Pol. 484°, beide male sind die εἴδη ge- meint. vermutlich hat auch Eur. den gebrauch aus der philosophischen sprache. hier wird nun ἐχεῖσε durch einen satz erklärt, der durch eine zeitpartikel eingeleitet ist, und auch das subject ist nicht aus- gedrückt, sondern muls aus dem vorigen satze ergänzt werden. χρὴ τὴν ἐμὴν προϑυμίαν εἰς τὴν πρὸς σοῦ ποτε πρὸς ἡμᾶς γεγδνη- μένην ἀναφέρειν. ἐκεῖσε --- ὅτε ist wirklich reciprok, denn die sprache hat die bezeichnung von zeit und raum ursprünglich nirgend gesondert, und wo sie keine secundären rein zeitlichen bezeichnungen geschaffen hat, da bleibt die alte weitere geltung der ortsbezeichnungen in kraft. 1223 Hik. 1178 χάριν =’ ἀγήρων ἕξομεν. wir hören bei “alt werden’ 1223 die dauer, und fassen es demnach in bonam partem. ‘alte liebe rostet nicht’. der Grieche empfindet umgekehrt. ἀλλὰ παλαιὰ γὰρ εὕδει χάρες sagt Pindar mit bezug auf ein sprichwort (Isthm. 6, 16). daher der hübsche spruch (z. b. Diogen. V 18) τί γηράσκει τάχιστα; χάρες. zumal γηρά- σχεῖν ist ziemlich dasselbe wie μαραένεσθαι, und wird geradezu von früchten gesagt, 120, und in nachbildung dieser stelle Ὀαριστύς 9 (in den handschriften).

1225 Wieder eine metapher, die das seevolk nicht als solche fühlt, σύμ- 1225 πλους πάϑους 8. Ant. 541. “gefährte’ ist eben für den Athener in den meisten fällen ὅστες συμπλεῖ; συνοδέτης, συνέμπορος würde dagegen stark metaphorisch wirken. hier ist das wort freilich besonders passend, weil man mit dem unglücklichen, also den göttern verhafsten, nicht auf demselben schiffe fahren mag.

1227 εὐγενής nicht wie 696 ἐξ ἀγαθῶν γεγονώς, sondern εὖ πεφυχώς. 1221 1228 φέρει τὰ τῶν ϑεῶν γε πτώματα ist überliefert und allerdings 1228 durch tilgung von τῶν bald zu einem verse gemacht. auch würde der sinn “was die götter geben, was also nicht selbstverschuldet ist’ recht gut sein, nur kann dieser sinn schwerlich in den worten liegen. man sagt wol πέπεειν für συμπέπεειν (τὰ νῦν πεπτωκότα Hipp. 718), sagt auch δαιμόνων τύχαι für τὰ παρὰ δαιμόνων συντυγχάγνοντα (Aiol. 37), aber

262 Commentar.

weder πτῶμα in diesem sinne noch ein solcher genetiv dabei ist be- legt. also wird man anders zu verbessern haben. dem geforderten sinne genügt in euripideischer sprache φέρεε τά τοι πεπρωμένα. ae 1229 Her. sagt das vorwurfsvoll “wie konntest du mich enthüllen, wo hier doch meine opfer liegen’. der aufforderung aufzustehen kommt er nicht nach; wenigstens ist es nicht bezeichnet, und unwahrscheinlich, da er das herausgerollte gerüst nicht verläfst, vgl. zu 1367. ἀγών = ἄγυρες συναγωγή, wie 829 στέφανος, 925 χορός. die be- deutung ist homerisch (Lehrs Aristarch? 149), war aber damals veraltet; 2. b. noch in Pindars jugendgedicht (Pyth. 10, 30).

1230 1230 Thes. erwidert “die gröfse deines unglücks ermesse ich wol, aber sie berechtigt dich nicht zu deinem jetzigen handeln und planen’. der aufbau der stichomythie ist in dieser partie ganz besonders vortrefflich; aber weil der dichter wirklich aus der seele seiner personen heraus redet, mufs der leser sich erst in dieselbe versenken, um die gedanken- zusammenhänge und empfindungen zu verstehen, die sich in den ein- zelnen äufserlich nicht verbundenen worten um so weniger ganz aus- sprechen, je tiefer die personen bewegt sind. eine gute recitation kann solche scene mit einem schlage erläutern, ein commentar höchstens auf die gefahr hin, pedantisch zu werden.

1232 1232 τὰ ϑεῶν ist die elementare natur, sonnenlicht (an das hier zunächst gedacht ist) erde wasser u. dgl. Simonides tadelt 57 den Kleobulos, dafs er von einem grabsteine ausgesagt hat, er werde so lange dauern als die flüsse rinnen, die blumen blühn, sonne und mond scheinen: ἅπαντα γάρ ἐστε ϑεῶν ἥσσω" aber einen stein kann auch menschenhand zerstören. da sind die Jsol das element in seiner trotz allem wechsel ewigen stätigkeit. in dieser bezeichnung steckt nichts von philosophie, das ist die echte ewige religion, die dem menschen eingeboren ist: die natur die uns umgibt ist keine seelenlose materie, und sie ist noch weniger etwas leuflisches: πάντα πλήρη ϑεῶν. diese natur ist aber etwas absolut göttliches, das also den individualisirten götterpersönlichkeiten als etwas echteres gegenübersteht; darauf beruht die stärke des wortes der Lyssa 857, die bei jeder gelegenheit, wo man tiefer erregt ist, übliche anrufung von erde und sonne, darauf beruht es auch, daß Prometheus in der einöde mit den elementen verkehrt. sehr schön und bezeichnend spricht sich der aufgeklärte aber fromme verfasser der hippokratischen schrift πϑρὶ ἱερῆς νούσου aus; cap. 4 bestreitet er den zauber als gottlos, δὲ γὰρ σελήνην τὸ καϑαιρεῖν καὶ ἥλεον ἀφανίζειν καὶ χειμῶνα τε καὶ εὐδίην ποιεῖν καὶ ὄμβρους καὶ αὐχμοὺς καὶ

vers 1229-—1234. 2683

ϑάλασσαν εὔπλοον (εὔφορον vulg.) καὶ γῆν εὔφορον (ἄφορον vulg.) καὶ τἄλλα τὰ τοιουτότροπα πάντα ὑποδέχονται ἐπίστασϑαι--- δυσσε- βεῖν ἔμοιγε δοκέουσι καὶ ϑεοὺς οὔτε εἶναι νομίζειν οὔτ᾽ ἐόντας ἰσχύειν οὐδέν, οὐδὲ εἴργεσθαι ἄν οὐδενὸς τῶν ἐσχάτων ποιεῦντας ἕνεκά γε τῶν ϑεῶν. der zauber ist macht über das element. und 21 αὕτη νοῦσος ἱερὴ καλεομένη ἐκ τῶν αὐτῶν προφασίων γίνεται ἀφ᾽ ὧν καὶ al λοιπαί, ἀπὸ τῶν προσιόντων καὶ ἀπιόντων οἷον ψύ-- χεος καὶ ἡλίου (?) καὶ πνευμάτων μεταβαλλομένων ve καὶ μηδέποτε ἀτρεμιζόντων" ταῦτα δ᾽ ἔστι ϑεῖα. weil aber das element göttlich ist, so wird es durch das unreine befleckt, sowol das physische, die leiche, die wöchnerin, wie das moralische. daher die sühhngebräuche, und darüber ist der hippokratische schriftsteller nicht erhaben; 4 am ende sagt er, dafs es die gottheit ist, welche uns rein macht und der wir deshalb nicht ohne symbolische reinigung uns nahen: τὰ γοῦν μέγιστα τῶν ἁμαρτημάτων καὶ ἀνοσιώτατα τὸ ϑεῖόν ἐστι τὸ καϑαῖρον καὶ ἁγνέζον καὶ ῥῦμα γινόμενον ἡμῖν, αὐτοί τε ὅρους τοῖσι ϑεοῖσε τῶν ἱερῶν καὶ τῶν τεμενέων ἀποδείχνυμεν, οἵους ἂν μηδεὶς ὑπερβαίνῃ ἣν μὴ ἁγνεύῃ, ἐσιόντες τε περειρραινόμεϑα οὐχ ὡς μιαινόμενοε, ἀλλ᾽ εἴ τι καὶ πρότερον ἔχοιμεν (ἔχομεν vulg.) μύσος, τοῦτο ἀφαγνιούμενοι. über diesen frommen aber beschränkten standpunkt erhebt sich allerdings erst die philosophie; oder genauer, die menschen, welchen ihre reflexion sagt, dafs die befleckung des elementes oder der gottheit nur in unserer vorstellung und in unserem gewissen vorhanden ist, sind zu philoso- phischem denken reif. das war Euripides und seine zeit: aber Sophokles war es nicht, sondern beharrt auf dem standpunkte volkstümlicher an- schauung und legt in folge dessen eben diese gesinnung einem frevler, dem Kreon, in den mund, Ant. 1043.

1233 ταλαίπωρε, ϑνητέ, ὧν οὐδὲν ὀιζυρώτερον ἄλλο. in diesem worte 1233 liegt die begründung, weswegen Theseus wenigstens die berührung mit dem unreinen sünder meiden soll, was er wieder mit der entsühnenden kraft der freundesliebe abwehrt. dafs die liebe sich über die schranken des vouog in allen formen, auch den religiösen, hinwegsetzen kann und soll, ist dem grofsen sinne des grolsen jahrhunderts eine heilige wahrheit: sie wird für die gattenliebe von Euadne und der gattin des Alkmeon, die schwesterliebe von Antigone, von derselben später auch für die kindes- liebe illustriert: lauter conceptionen von Athenern dieser zeit. für die freundesliebe ist uns Pylades der typus; allerdings als solcher auch eine schöpfung des Euripides, aber doch nur als nebenperson.

1234. der vers ist auch für uns ein schöner spruch, so dafs man sich 1234

264 Commentar.

verwundert, dafs er im altertum nicht populär geworden ist. das liegt aber daran, dafs er die eigentlich antike anschauung so ganz durchbricht. φέλοι als wahlverwandte freunde sind schon ein ersatz der alten bluts- verwandten oder doch durch vertrag (wie ehe oder gastrecht und clientel) gefreundeten. und dann vererbte sich ja der ἀλάσεωρ, nicht blofs Oedipus und Orestes, auch Perikles und Alkibiades sind zeugen dafür. die schönen geschichten von Euadne und Antigone, deren eben gedacht ist, zeugen nicht nur für die liebe, sondern auch für die ansteckende kraft des unheils und der sünde: also hebt sich Euripides hier weit hinaus über die vorstellungen seines volkes.

1235 1235 die ablehnungsformel vgl. 275. “ich kann deine ansicht nicht teilen, aber ich danke dir dafür, und wenn du mich gemabnt hast (1228) das geschehene ohne murren zu tragen, so lasse ich das wenigstens von deiner rettung gelten”.

1238 1236—8 “allerdings hast du damit erreicht, dafs ich zum entgelt jetzt um dein leid so viel schmerz empfinde, als ob es Jas meine wäre”. χάριν in seiner ganzen stärke empfunden.

1237 1237 Her. greift οἰχείρω auf: “ja ich verdiene und bedarf olxrog’. das ist ihm etwas neues. so lenkt er von der sorge um Theseus zu der be- trachtung seiner eigenen lage allmählich ein. es ist das erste was Thes. erreicht, dafs Her. überhaupt von sich spricht.

1240 1240 οὐρανομήκης, ἀυτὴ οὐρανὸν ἵχδε u. dgl. sind von alters her ge- wöhnliche bezeichnungen für die gröfse, für das ungeheure. ein beson- derer beleg für die verbreitung des ausdruckes, auch wo er uns fremd ist, steht bei Plutarch Demetr. 21, “die gemälde des Apelles besitzen χάριτας, de’ ἃς οὐρανοῦ ψαύει". aber die menschengröfse, die an den himmel reicht, ist auch das menschenglück, Aisch. Niobe 154 οὑμὸς δὲ πότμος οὐρανῷ κυρῶν ἄνω ἔραζε nıinreı. es liegt also ein bitteres ἦϑος in der verbindung mit δυσπραξία. die auffassung, welche etwa an eine ὑπερηφανία denken wollte, die mit trotzigem haupte den himmel ein- stofsen möchte, ist fern zu halten, da sie schwerlich in älterer zeit existirt hat. so redet Synesius ep. 79 von einem hochfahrenden menschen αἰσχὺ- γεσϑαί μοι δοκεῖ καὶ τοὺς ϑεοὺς τιμῆσαι" οὕτως ἀράσσει τῇ κεφαλὴ τὸν οὐρανόν.

141 1241 Her. meint περᾶν τὴν δυστυχίαν (διαπερᾶν μόχϑους 830), Theseus versteht sinnlich τὸν οὐρανόν. der finstere trotz, der das misverständnis bewirkt, liegt in dem tone, mit dem der vers gesprochen wird. was Tbes. dem Her. zutraut, ist revolte gegen die götter, himmelssturm, um sich an Hera zu rächen. Seneca hat diesen gedanken aufgegriffen (guaerit ad

vers 1234—1244. 265

superos viam sagt seine Juno schon im prolog 74) und zu den absurdesten rodomontaden aufgebauscht. das entscheidende wort περᾶν ist in der überlieferung durch Javeiy verdrängt, eine erklärung, nicht einen schreib- fehler, so dafs die buchstabenähnlichkeit nichts zur gewinnung des echten hilft, sondern allein der gedanke gesucht werden mufste, der sich aus dem zusammenhange und dem 790g ergibt.

1243 αὔϑαδες (auroraöng, im asiatischen ionisch αὐτώδης) wird am 1243 besten dadurch erklärt, dafs es die gesinnung des Prometheus ist, und wie ein stichwort in der tragödie des Aischylos wiederkehrt. auch Medeias verhängnis ist ihre αὐϑαδία (1028). das wort ist im sophistenzeitalter, wo jeder‘ wie es ihm gefiel’ zu leben für recht hielt, gebräuchlich, dann schwindet es. die redner meiden es, je sorgfältiger sie schreiben, desto mehr, auch in der komödie nimmt es ab. nur Platon zeigt auch hier wieder tragische sprache, Politikos 294° ἄνϑρωπον αὐθάδη καὶ ἀμαϑῆ καὶ μηδένα μηδὲν ἐῶντα ποιεῖν παρὰ τὴν ἑαυτοῦ τάξιν, und’ ἐπε- ρωτᾶν μηδένα, μηδ᾽ ἄν τι νέον ἄρα τῳ ξυμβαίνῃ βέλτιον παρὰ τὸν λόγον ὃν αὐτὸς ἐπέταξεν. für Aristoteles (rhet. I 9, 1367* 37) ist es nur noch die übertreibung des μεγαλοτερεπες καὶ σεμνόν, so ziemlich unser “selbstgefällig, hoffärtig’. in der nächsten generation bedeutet es schon nichts als ein äufserlich rücksichtsloses benehmen, so bei Theophrast (char. 15) und ähnlich bei Ariston von Chios. der alte αὐϑάδης heifst jetzt αὐθέκαστος. der welcher “jedes ding hei seinem namen nennt’ war dem Aristoteles noch der ehrliche mann, die mitte zwischen εἴρων und ἀλαζών (Nik. eih. IV 13). aber die demagogie und die rhetorik im bunde hatten das binnen eines menschenalters als αὐϑαδέα erscheinen lassen. so reden die damaligen komiker, und die atticisten wissen sich nicht zu helfen (Phryn. in Bekk. An. 17, 24), weil eine historische entwickelung der wortbedeutung ihnen so fern lag wie den heutigen lexikographen. ein jahrhundert nach Aristoteles definirt auf seinem lehrstuhle Ariston den αὐθέκαστος ganz so, dals er den hier gemeinten αὐϑάδης trifft (bei Philodem de vitiis X p. 26 Sauppe) δ᾽ αὐθέκαστος δι᾽ οἴησιν τοῦ μόνος φρονεῖν ἰδιογνωμονῶν καὶ πειϑόμενος ἐν ἅπασι χκατορ- ϑώσειν, ἁμαρτήσεσϑαι δ᾽ ἂν ἑτέρου κρίσεε προσχρήσηται, μετέχων δὲ καὶ ὑπερηφανίας --- χἂν προσερωτήσῃ τις τι μέλλει ποιεῖν “οἶδ᾽ ἐγώ" λέγειν, κἂν μέμφηταί τις, ἐπιμειδιῶν “ἐμὲ σύ" us. ν. 1244 ἴσχειν" κατέχειν, so auch ἔχε στόμα Hik. 513. es haben moderne 1244 den Eurip. getadelt, weil er solch eine vulgäre wendung wie “halte den mund’ in das drama aufgenommen hätte als ob er aus dem deutschen übersetzt hätte. im griechischen ist die wendung alles andere als vulgär.

266 Commentar.

1245 1245 der schriftsteller vom erhabenen 40 urteilt von diesem verse, σφόδρα δημῶδες τὸ λεγόμενον, ἀλλὰ γέγονεν ὑψηλὸν τῇ πλάσει ἀναλογοῦν (weil erfindung und ausdruck im richtigen verhältnis stehen), δἱ δ᾽ ἄλλως αὐτὸ συναρμόσεις, φανήσεταί σοι διότι τῆς συνθέσεως ποιητὴς Εὐριπίδης μᾶλλόν ἔστιν τοῦ νοῦ. das urteil gilt nur vom stil und ist so weit im allgemeinen treffend, aber das beispiel ist nicht gut gewählt, denn der ausdruck und die wortstellung entfernt sich nicht von dem allereinfachsten. das liefs sich gar nicht anders sagen. aber den alten fiel hier etwas besonderes auf (der vers wird öfter angeführt), was wir von Lessing (auf den jenes urteil völlig zutrifft), dem jungen Goethe, Kleist her mehr gewöhnt sind, dafs der einfachste ausdruck die stärkste wirkung erzielt. das hat Aristoteles eben so scharf erkannt wie aus- gesprochen (rhet. III 2) κλέπεεταε εὖ, ἐάν τις dx τῆς εἰωθυίας δια- λέχτου ἐκλέγων συντιϑῇ. ὅπερ Εὐριπίδης ποιεῖ καὶ ὑπέδειξε τερῶτος. man vergleiche Soph. Ο. K. 1269 τῶν γὰρ ἡμαρτημένων ἄχη μὲν ἔστι προσφορὰ δ᾽ οὐκ ἔστ᾽ ἔτε: das einfache hat ihm nicht genügt, aber die wirkung ist deshalb nur geringer.

1247 1247 jetzt begeht Her. dasselbe misverständnis wie Theseus kurz zuvor. jener meint “wohin verführt dich die leidenschaft’. Her. falst die frage ganz sinnlich auf und antwortet “in den Hades’. ἅπαξ κατῆλϑον εἰς ἔδου, ἀλλ᾽ ὥστε κἀπανελθεῖν᾽ νῦν δὲ νεκρὸς κείσομαι.

1448 1248 τυχὼν 6 ἐπιτυχών nennt gewöhnliche, nicht blofs attische rede den ersten besten. das adelt der dichter durch weglassung des artikels. ganz so Pindar Pyth. 4, 35 προτυχὸν ξένιον μάστευς δοῦναι.

der selbstmord war im 5. jahrhundert und schon früher etwas häufiges (aber in die Ilias 3 34 hat ihn erst ein interpolator hineingetragen), der Spartiat sogar stirbt um seine ehre nicht zu überleben, oft entzieht man sich durch selbstmord dem drohenden tode durch die hand verhalster feinde, aber auch frauen nehmen gift aus verschmähter liebe und selbst bei sclaven kommt selbstmord vor. besser als die notwendig vereinzelten historischen beispiele belehrt das spiegelbild, das die tragödie darbietet. Sophokles hat in den erhaltenen 7 dramen den selbstmord von Haimon Eurydike lokaste Aias Deianeira, und sein chor wundert sich, dafs Oidipus nicht auch sich das leben genommen hat (1368), Philoktet wird gewaltsam daran verhindert. bei Aischylos drohen nur die Danaiden unter ganz beson- deren umständen mit ihrem tode an geweihter stätte (465). Euripides lalst nur Phaidra Euadne lokaste sterben; sonst spielen aufser dem todwunden Hippolytos und dgl. vornehmlich weiber mit dem gedanken. er lälst die durchschnittsmeinung der zeit, die Sophokles teilt, den chor aussprechen

vers 1245—1255. 267

Hek. 1107, συγγνώσϑ᾽ ὅταν τις κρείσσον᾽ φέρειν κακὰ πάϑῃ, ταλαίνης ἐξαπαλλάξαε ζόης. aber auch da ist es ihm nur verzeihlich. das geschieht nicht aus dem religiösen gesichtspunkte, aus dem der staat den selbstmördern das ehrliche begräbnis verkümmert, wie in Theben, Aristoteles fgm. 502, oder gar, wie nach solonischem gesetze, ihnen die mörderhand abhackt (Aischines 3, 244). diese gedanken lebten wol in den kreisen der Orphiker und dann bei Platon (Phaed. 61, Gesetze 873) und denen die ihn recht verstanden. aber Euripides denkt nicht so. τὸ ἀπορεῖν ἀνδρὸς κακοῦ, das leben nimmt sich der erste beste, aber nicht der σοφός, es ist eine dummheit, welche die sophistenzeit wie das premier empire mehr verabscheut als das verbrechen. selbst ein Mene- laos sagt Or. 415 un ϑάνατον εἴπῃς" τοῦτο μὲν γὰρ οὗ σοφόν. und fgm. 1055 ὅστις δὲ λύπας φησὶ πημαίνειν βροτοὺς δεῖν δ᾽ ἀγχονῶν τε καὶ πετρῶν ῥίπτειν ἄπο, οὐκ ἐν σοφοῖσίν ἔστιν. sie wollen starke geister sein und den kopf kühl behalten. eine gesellschaft, welche das individuum so hoch schätzt, opfert eher die ehre als das leben. das sind die verbreiteten keinesweges edlen motive: Herakles zeigt uns freilich unten tiefere und wahrhaft sittliche.

1249 μᾶλλόν ἔστι τοῦ τυχόντος τὸ ἐκ τοῦ ἀχινδύνου youderely, der 1249

gedanke gewöhnlich, A. Prom. 265 u. 8. w.

1250—52 Thes. führt die ruhmestitel an, die Her. verhindern sollen zu 1350

handeln wie der erste beste. den contrast zu seinem jetzigen plane zeigt das ironische δή.

1251 ταῦτα πέρα τοῦ uerplov, ὥστε μηκέτι τλητὰ εἶναι, knüpft an 125]

“πολλὰ τλάς an, wobei μοχϑεῖν in dem doppelsinn ‘arbeiten’ und ‘leiden’ für uns unnachahmlich ist. ἐν μέτρῳ wie ἐν μέτροισι Homer hymn. an Herm. 47. die prosa sagt ἐμμέτρως oder μετρίως.

1254 οὔχουν ἐάσω σ᾽ ἀφροσύνῃ τῇ σῇ ϑανεῖν sagt Achill (I. A 1430) 1254

zu Iphigeneia, die sich freiwillig aus den motiven der ehre in den tod geben will: selbst der hochsinnige teilt die anschauungen der zeit. der dativ wie 235.

1255 der vorwurf der ἀμαϑέα ist dem Her. doch so schmerzlich (vgl. 347), dafs er in einer längeren rede von seinen beweggründen rechenschaft gibt. das ist das zweite, was Thes. erreicht, denn wer mit gründen ficht, wird nicht mehr nach dem impulse der leidenschaft handeln. das moderne gefühl hat ganz recht, wenn es diese lange rede in diesem munde und in dieser situation anstölsig findet. der dichter hat auch hier seine freude an sophistik und rhetorik unbillig vorwalten lassen. wie es seine art ist, bezeichnet er das schaustück einer ἅμελλα λόγων ausdrücklich als solches;

ἀγὼν λόγων

268 Commentar.

diese bezeichnung ist bei ihm fast formelhaft; ähnlich nur in der unter Gorgias namen überlieferten Helene 13 φιλοσόφων λόγων ἁμέλλας, beides im anschlufs an die älteste rhetorische terminologie, die wir fast gar nicht kennen. auch die disposition gibt Her. ganz scharf an. thema: ἀβίωτον εἶναι 1) nalaı, beweis aus der vita ante acta, bis v. 1281 2) vi», denn er kann nicht leben a) in Theben b) in Argos c) noch sonst wo, folgt: quod erat demonstrandum 1301. 2; endlich die ἐπέλογοι.

1256 1256 ἀναπεύσσω von der schriftrolle auf die entwickelung durch worte übertragen seit A. Pers. 254. aber die construction nach δεέξω δηλώσω ist eine weiterbildung. dafs das particip statt des später allein ge- brauchten infinitives steht, ist die weise des 5. jahrhunderts, z. b. Thuk. VII 77 γνῶτε ἀναγχαῖον ὄν. in der bedeutung ist kein unterschied.

1258 1258 dafs Her. die schuld des Amphitr. auf sich vererbt glaubt, zeigt am deutlichsten, dafs Eur. wie Herodot die vaterschaft des Zeus, obgleich er doch fortwährend mit ihr rechnet, als nichts materielles ansieht. hier wirkt das für uns ganz anstöfsig, weil über den punkt sofort unter den voraussetzungen des mythos debattirt wird.

ὅστις mit beziehung auf eine bestimmte person ist nicht gleich dem relativ, ein fehler der im nachclassischen griechisch gewöhnlich ist, sondern ganz scharf, “der ein solcher ist welcher’, ebenso Hipp. 943 σχέψασϑε δ᾽ ἐς τόνδ᾽ ὅστις --- ἤσχυνε τἀμὰ λέκτρα. WAZ οὐ μὰ Ζῆν᾽ ὅστις is ϑειὺν ὕπατος καὶ ἄριστος" “nein bei Zeus: ich schwöre bei dem gotte, der der allerhöchste ist, und das ist ja Zeus’. bei Homer tut man recht daran, die beiden pronomina als selbständig anzusehen und danach zu accentuiren.

1259 1259 προστρότπαιος hier nur ein harter ausdruck für φεύγων διὰ φόνον vgl. 16 und 1161. der φόνος war ἀχούσιος, würde also nach dem milderen attischen rechte nur eine befristete verbannung nach sich gezogen haben.

1281 1261 das bild, das hier mit χαταβάλλειν κρηπῖδα anhebt, kehrt in δῶμα ϑριγκῶσαε 1280 und αὐτοῖσιν βάϑροις 1307 durch die ganze rede wieder. κρηπές bedeutet nicht eigentlich das fundament, sondern den steinernen unterbau, auf welchem sich die lehmwand der häuser, oft (wie z. b. in Mantineia) der stadtmauer, oder auch die säulenstellung der tempel erhebt. erst übertragen bezeichnet es den dicksohligen schuh, auf welchem der mann fest und trocken einhergeht. in dem baulustigen 5. jahrhundert ist es besonders häufig, tritt aber zufällig zuerst in der- selben metapher wie hier auf. Pindar [gm. 77 ὅϑι παῖδες Adavalury ἐβάλοντο φαεινὰν κρηπῖδ᾽ ἐλευϑερίας.

vers 125θ---1212. 269

1263 Her. bezweifelt nicht die existenz des Zeus. er will nur nicht entscheiden, ob der Zeus, der τἀλλότρια λέχερα δόντος οὐδενὸς λαμ- βάνει der rechte Zeus ist, und noch weniger, ob ein solcher Zeus auf seinen sohn anderes als unheil, den fluch der sünde, vererben kann. aus einer vermischung dieses verses und des anfanges der weisen Mela- nippe (484) Ζεύς, wg λέλεκται τῆς ἀληϑείας ὕπο, hat sich im altertum

die sage gebildet, die auch heute noch geglaubt wird, Eur. habe einmal gesagt Ζεὺς ὅστις Ζεύς, οὐ γὰρ olda πλὴν λόγῳ. man versetzte ihn in die weise Melanippe, und da man ihn da nicht fand, so erfand man eine umarbeitung (Plutarch Erotik. 756°). die stellen der alten vereinigt von Nauck zu fgm. 483. wir können die sage aber lügen strafen, denn Kritias hat den echten vers in seinen Peirithoos übernommen (594) und Aristophanes Frösch. 1244 citirt ihn ebenfalls.

1266 τε knüpft an den durch die parenthese getrennten satz an und 1266 gibt seine begründung. das geschieht im archaischen griechisch ebenso oft durch die schwache copula τὰ wie im lateinischen durch que, nicht aber weil diese partikeln plötzlich eine andere bedeutung erhielten, sondern weil die einfache parataxe in der alten sprache da mit einer schwachen verbindungspartikel eintritt, wo wir ebenfalls die parataxe, aber asynde- tisch haben.

1267 das altattische hat ein par formen (imperf. 1, und 2 aorist), die von 1267 einem verbum φρέημε zu kommen scheinen, conjugirt wie ἕημε und in der bedeutung identisch. man hat an eine cömposition (srgolnuı«) ge- dacht, die aber längst vergessen gewesen sein mülste, da man ja noch zwei präpositionen davor setzt. es ist noch keine wirkliche erklärung gefunden.

1269 den leib als kleid anzusehen, ist eine aus orphischen kreisen 1269 stammende metapher; in feierlichem ernste bei Pindar N.11,15. Empedokl. 402 σαρκῶν χιτῶνα. bei Eur. hier und σαρκὸς ἔνδυετα Bakch. 746 nur periphrastisch. das eigentlich zum genetiv gehörige adjectiv attrahirt wie 486.

1272 zwar nicht Hesiodos selbst, aber die gestalt der Theogonie, welche 1272 schon dem ausgehenden sechsten jahrhundert vorlag, unterscheidet den kampf des Zeus mit Typhoeus von dem mit den Titanen und dem mit den Giganten. daran ist so viel wahr, dafs ursprünglich der kampf mit Typhoeus eine selbständige geschichte ist, eins der wenigen wirklichen und darum durchsichtigen rein physikalischen märchen, gebunden natür- lich an ein bestimmtes local (Kappadokien, ehedem Kilikien genannt, Partsch Phil. Abh. für Hertz 105), in der interpolation der theogonie

270 Commentar.

töricht ins allgemeine gezogen. aber gewils schon sehr früh ist, wie andere götterfeinde und auch die vertreter vulcanischer berge Mimas und Polybotes, auch dieser in die Gigantenschlacht aufgenommen. wie hier geschieht das, wenn man unbefangen erklärt, Pindar Pyth. 8, 15, und die chalkidische sage, dafs Typhon unter dem Aetna liege, setzt dasselbe voraus, da er mit einem giganten wechselt. als gegner des Herakles erscheint er bei Vergil Aen. VIII 298, aber nicht auf grund besonderer sage, sondern nur als ein besonders furchtbarer gigant. nach- ahmer Vergils haben dann ohne verständnis weiter gefabelt (M. Mayer Giganten und Titanen 217). auch Eur. nennt nur einen entsetzlichen gegner, ohne zu meinen, dafs gerade Her. selbst den Typhon über- wunden hätte. übrigens scheint man schon im altertum bier gezweifelt zu haben; denn überliefert ist das unmögliche τρεσωμάτους Τυφῶνας͵ das die modernen fast notwendig auf den irrweg führen mufste, Geryones einzusetzen. dals vielmehr das adjectiv weichen muls, zeigt das citat Plutarchs de fort. Alex. II 10 ποίους γὰρ Τυφῶνας πελωρέους Γίγαντας οὐκ ἀνέστησεν ἀνταγωνιστὰς ἐπ᾿ αὐτόν (die Tyche auf Alexander).

1273 1273 zu dem begriff τετρασκελὴς πόλεμος (ἃ. i. πόλεμος πρὸς Terga- oxelsig wie γηγενὴς μάχη Ion 987, Kykl. 5) tritt genauer bestimmend κενεταυροτιληϑής, ἐν πληϑύουσι xEyravgoı wie γυναιχοτεληϑὴς ὁμιλία Alk. 1051 (ἀνδροπλήϑεια schon A. Pers. 235). ein ganz barocker ausdruck, wie sie Eur. mit steigendem alter immer mehr sich erlaubt; das geht im dithyrambus weiter, den die mittlere komödie verspottet, und Aristoteles nennt solche wendungen διϑυραμβώδη. ähnlich z. b. Archel. 230 μελαμβρότοιο AlYıonldos γῆς. dafs hier die bestien mit solchem bombast geschildert werden, ist freilich berechtigt. hinzu kommt aber, dafs πτόλεμον ἐξήνυσα eintritt, wo doch die accusative λέοντας Γίγαντας u. 8. w. ein einfaches xarerroA&unga erwarten lielsen. dieses anakoluth erweckt den eindruck der überfülle ebenso wie die rhetorischen plurale, über die zu 455.

1274 1274 ἀμφίκρανος und παλιμβλαστὴς sind neubildungen, die erste kühn, da ἀμφέ in zusammensetzungen meist nicht ‘rings’ sondern “auf beiden seiten’ bedeutet, und so muls es auch an einer tragischen stelle gestanden haben, da Hesych. ἀμφέκρανον" ἀμφοτέρωθεν ἔχον κεφαλὰς verzeichnet (was auf diese stelle zu beziehen sowol das geschlecht wie die bedeutung verbietet); auch ἀμφεκέφαλος für ἀμφοτέρωθεν κεφαλὰς ἔχων kommt vor. Eur. hat ἀμφέχρυσος Hek. 543, ἀμφέκρημνος Bakch. 1051, augi- szıveos Hipp. 559, wo ἀμφέ rings bedeutet.

vers 1273—1288. 271

κύων 420. dadurch dafs die hydra weder in einem selbständigen satze noch als glied der vorigen aufzählung eingeführt wird, sondern participial mit dem satze verbunden, der in einem allgemeinen ausdruck alles zu- sammenfafst, entsteht der ausdruck der überfülle des erwähnenswerten. 1275 μυρίων τ᾿ ἄλλων πόνων ἀγέλας διῆλθον καὶ ἐς vexpovg 125 ἀφικόμην, construction wie 425. ἀγέλη τεόνων ist eine metapher, welche im altertum aufgefallen ist (Bekk. An. 336), es wäre freilich sehr albern sie nachzuahmen, denn die rudel der ungeheuer bringen den Her. auf diese metapher. 1277 "Aıudov πυλωρόν ist apposition. 1271 1279 der kindermord gehört zwar nicht zu den ἐντολαὶ Εὐρυσϑέως, 1279 den 12 πόνοι, aber Her. rechnet ihn als den dreizehnten, weil seine lebensaufgabe war, den bau des elendes, zu dem der grund mit seiner erzeugung gelegt war, also zu krünen. er meint, statt des einganges in den himmel, der ihm nach vollendung der 12 versprochen war, warte sein höchstens der Tartaros. ürag ϑριγχῶσαε schon A. Ag. 1293. 1281 φίλαις steht nicht in der abgegriffenen bedeutung, wie so oft seit 181 Homer, wo es vom possessivum kaum verschieden ist, deshalb tritt dieses hinzu. die liebe des Her. zu Theben wird uns hier erst fühlbar, wo er es verlassen soll. auf οὔτε Θήβαις sollte folgen οὔτε “Ἄργει, das zeigt die vorbereitende correlative negation. aber da schiefst Her. der gedanke durch den kopf, er könnte trotz dem νόμος in Theben zu bleiben versuchen, und er zerreifst die construction, um auch diese ausflucht zu widerlegen. 1283 ahndung seines verbrechens befürchtet er nicht, aber er ist dadurch 1283 geächtet, dafs keiner den blutbefleckten anreden kann, ohne sich zu beflecken. es ist diese verfehmung, welche auch ohne richterliches urteil den mörder aufser landes treibt, ja, so lange das religiöse gefühl stark blieb, reichte die scheu hin, die befleckung überall hin zu tragen. Anti- phon 6, 4 τοσαύτην γὰρ ἀνάγκην νόμος ἔχει, ὥστε καὶ ἣν τις κεδβένῃ τινὰ ὧν αὐτὸς κρατεῖ καὶ μή ἔστιν τιμωρήσων, τὸ νομιζό- μενον nal τὸ ϑεῖον δεδιὼς ἀἁγνεύσει ve ἑαυτὸν καὶ ἀφέξεται ὧν εἴρηται ἐν τῷ νόμῳ. 1287 ὑποβλέτπτειν schief, d. i. scheel ansehen. ähnliches fürchtet Sokrates, 1287 wenn er aus dem gefängnis entwiche. die fremden staaten ὑποβλέ- wovol 08 διαφϑορέα ἡγούμενοε τῶν νόμων (Kriton 53°). das wort gehört dem gewöhnlichen leben an und fehlt bei A. S. 1288 κλῃδουχεῖν heilst “schliefser sein’ und hat kein passiv. man 1288 verlangt den begriff ‘vertreiben’ in einem zu χένεροις passenden bild- lichen ausdruck. aber die heilung ist bisher vergeblich versucht.

272 Commentar.

1290 1290 ἀποφϑείρεσϑαι: eis φϑορὰν ἀπελϑεῖν. dies ist gar ein niedriger, nur der komödie angehöriger ausdruck, den Her. mit absicht für die schimpfreden der menschen wählt.

1294 1294 τοῦτο συμφορᾶς: τὸ ἀποφϑαρῆναι γῆς.

12951295 χϑὼν und γῇ sind nicht identisch, so oft sich auch das eine für das andere setzen lälst. χϑών ist die öde dumpfe schauerliche tiefe, γῆ die lebenspendende nährerin von pflanzen und tieren. also aus der erdtiefe, wo grab und hölle ist, schallt die stimme, die dem Her. wehrt die männererde zu beschreiten. auch legte die folgende differenziirung des wassers die abwechselung nahe, obwol sie ganz anderer natur ist.

1296 1296 dem lande stellt der Hellene nicht einfach das meer entgegen, son- dern meer und ströme. Herodot V 59 beschreibt die milesische landkarte πίναξ ἐν τῷ γῆς ἁπάσης περίοδος ἐνετέτμητο καὶ ϑαλασσά τε πᾶσα καὶ scosauol πάντες. Theokrit. Πεολ. 91. ϑάλασσα πᾶσα καὶ ala καὶ ποταμοὶ κδλάδοντες ἀνάσσονται Πτολεμαίῳ. Dionysios be- ginnt seine erdbeschreibung ἀρχόμενος γαῖάν τε καὶ εὐρέα πόντον ἀείδειν καὶ ποταμοὺς πολιάς τε καὶ ἀνδρῶν ἄχριτα φῦλα: ihm war die formel unverständlich. sie liegt zuerst bei Hesiodos vor, Theog. 108 ws τὰ πρῶτα Ἁϑεοὶ (vielmehr χάος) καὶ γαῖα γένοντο καὶ ποταμιοὶ καὶ πόντος ἀπείριτος, und in seinem system stammen von Pontos Nereus und aus dessen verbindung mit Doris die meermädchen, die flüsse und die quellmädchen stammen dagegen von Okeanos und Tethys. in Boeotien ist diese anschauung nicht gewachsen, Hesiod mufs sich auch in ärmlichster weise die namen für seinen flulskatalog zusammensuchen. Griechenland hat keine schiffbaren, das leben beherrschenden ströme. aber in Kleinasien, Thrakien, am Pontos und in Aegypten haben die Ionier gesehen, dafs die flulsläufe die lebensadern des landes sind. die Athener der zeit des Reiches wurden andererseits der besonderen bedeu- tung inne, welche der inselreichtum des aegeischen meeres für ihre nation hat: da sondert sich der landbegriff in nrzeıgog und νῇσοι (A. Eum. 75). noch spät schildert der rhetor Aristides die mittlerrolle, welche inseln und ströme zwischen den elementen erde und wasser spielen (I p. 4 Dind.) un περᾶν ist auch auf πηγαὶ ποταμῶν zu beziehen.

129711297 ἐν δεσμοῖσιν ἁρματήλατον. der volksglaube ist, dafs Ixion auf ein feuriges rad geflochten in ewigem wirbel über die erde hin durch die lüfte treibt. so straft Zeus das entseizlichste verbrechen. die für uns malsgebende darstellung Pindar Pyth. 2. rastlos und unstät, aber gefesselt an die foltern seines gewissens wird auch Her. von land zu land getrieben werden. Ixion ist das antike gegenbild zum ewigen juden.

vers 1290—1308. 273

zu dieser ganzen stelle hat ein antiker leser folgende parallelstelle bei- geschrieben. καὶ ταῦτ᾽ ἄριστα μηδέν᾽ Ἑλλήνων δρᾶν, ἐν οἷσιν δὐτυ- χοῦντες μεν ὄλβιοι" κεκλημένῳ δὲ φωτὶ μακαρίῳ ποτὲ αἱ μετα- βολαὶ λυπηρόν" δ᾽ αἰεὶ κακῶς ἐστ᾽, οὐδὲν ἀλγεῖ, συγγενῶς δύστηνος ὦν. die beiden ersten verse sind als 1298.9, die drei letzten als 1291—93 in den text gekommen. mit Her. haben sie nichts zu schaffen; es ist ja gerade die aufgabe dieser rede zu zeigen, dals er συγγενῶς δύστηνος ist, und es ihm deshalb immer schlecht gegangen ist. rückt man die verse zusammen, und scheidet sie aus, so ist nicht nur ihr eigner gedanke gut, sondern auch aus dem zusammenhange der rede jeder anstols ent- fernt. die verse werden wol auch euripideisch sein, vgl. das citat aus dem Orestes 1338. aber wie jenes sind sie im gedächtnis dessen, der sie zuschrieb, entstell. denn Euripides hat ein enklitisches wort wie hier ἐστί nie an den anfang eines verses gestellt. 1301 die erste hälfte ist bei Eur. fast formelhaft. οὐ κερδανῶ ζῶν, 1301 ἀνωφελὴς γὰρ ἔσομαι, ἐπειδὴ ἀνόσιός εἶμι. überliefert ist βέον ἀχρεῖον ἀνόσιον, aber der ganze gedanke geht verloren, wenn die beiden adjective copulirt, oder vielmehr nicht einmal copulirt stehen, von denen das zweite, selbst wenn es zu flog palste, nur das erste begründen könnte. 1302 wie Pindar flectirt auch die tragddie Ζηνὸς Ζηνὶ Ζῆνα, ohne 1302 nominativ (die Ionier hatten Ζής neben Zag Ζᾶντος), auch in chor- liedern mit derselben vocalisation: das lehrt die beste überlieferung in der überwiegenden menge der belegstellen. die abweichende praxis der herausgeber, die wie gewöhnlich « vorziehen, ist verwerflich und grundlos. 1303 in bitterem contraste zu der macht der himmelskönigin läfst Her. 1303 sie ihre freude äulsern, wie es nur ungebildeten zukommt, sie springt in die höhe, wie der wächter im Agamemnon (31) wie Silenos im satyr- spiel (Kykl. 156), wie die choreuten der komödie (z. b. Fried. 325. Plut. 289), wie Goethes Gutweib “drei sprünge, als wär’ sie reich. und dals sie mit dem modischen hohen schuh (Bakch. 638. Theokrit OaAvo. 26) dabei aufklappt, erhöht nicht nur die drastische schilderung, sondern erinnert den hörer an Hesiod Theog. 11 zcösrıay Ἥρην Aeyeiny χρυσέοισι rıs- δέλοις Eußsßaviar.

1305 ἔπραξε: in prosa διέπραξε, vgl. zu 326. 1305 1308 über die doppelte begründung, γυναικὸς εἵνεκα, λέκερων φϑο- 1308 γοῦσα Ζηνέ zu 842. eifersucht als motiv der Hera wird nur hier

genaunt. Alkmene ist mit absicht und consequenz fern gehalten; das

ist ökonomie, weil die mutter neben dem vater keine neuen motive geben v. Wilamowitz 11, 18

2,4 (onumentar.

δα. Sch sm das εἴα. aber Iser suchte er mm waheschemlurkrer zu sen zu τοῖα τοξίλω: τονὲ erfand eine ἷ, τῶν enfschuichreme. Traeb. 1131.

2::,13i0) Ber. kehr. zu dem zedssien zuricık. va dem er περ 1253 οἱ δ᾽ erdır ὠφελοῖσι κ΄, ἐλλ᾽ Ἥρα zeusei.

.:11311.12. ἂν beiden verse. ım denen scr dee tatsache εεαπελοπ: wri. ce dem char als νον» bekanst ut. werden wel besser dem chere nupeßeck. τοὶ zu ZA. am scher mi es aber εμκὲ: wei der sıurende vers elkme sisn umd csnslrurism 151. und eim erelser ien τοῦ Thesen: rede verkaren ist. ww lesen nur noch das letzte arzeeuct, dad: Her. seine verschahlursz zu schwer netme: dann f«_ zen die praktischen verschklige des Thesesi die erwideru: z des Her. z..ı sur diesen beiden teen. se ἀλέ: such über das zurzela.ene mi. sicherbeit nich! mehr am:sszgen lift. as: dafs dar: die L.chaugt ungen des Her. wider!«zt werden. dafs der wert der lextengen des Her. und die wurde seiner bersischen lebenszufgabe um ulraste za dem πάλαι ἀξίωτον ὅν darzelrei war. scheint aus der situation zu felgen. katte desch Theseus auch vorber mit seiner stellung als woltiter der weit openirt; mas vermif«t is der tat iöne wie sie die ersten cherkeder an- gestimmt haben.

1715 1315 Thes. beziebt sich auf das sprichwort πολλὰ Werderses ἀοφεῦοί. das z. b. von Solon (fzm. 29, anzef.brt war. im wahrheit bezweifelt also schon Theseus die geschichten, auf die er anspieli. um des citates willen stcht eiscee οὐ ψειδεῖς. μή würde falsch sein, denn nicht "wenn die dichter nicht lugen’, sondern‘ wens die dichter die wahrheit sagen’, πὶ das geforderte: aber ohne die rücksicht auf das sprichwort würde auer- δεῖς stehen.

13171317 κηλίς ist schmutz, wird aber häufiger ia metaphorsschem ak in eigentlichem sinne gesagt. das denominative verbum ist um eigentlichen sinne einmal aus Aristoteles (460* 12) belegt, kehrt dann nur im spätester sprache wieder, mit persönlichem objecie, metapborisch nie. es ist also ein sehr starker ausdruck, ein wort das der gebildelte sonst nicht braucht, geadelt durch die metapher, aber mit absicht als ein entwürdigendes für die tat des Zeus gewählt. also wieder ein beleg dafür, dafs Eur. der späteren sprache vorgreift. die atticisten mögen das wort noch anderswo aufgegriffen haben; der gezierteste unter ihnen, Phrynichos, hat xasa- κηλιδοῦν τὴν κωμῳδίαν (durch ein unattisches wort) 417 Lob. er hielt das schmutzwort für ein schönheitspflästerchen.

1815 1318 ganz ähnlich verwendet die dialektik der sünde die mythologie Hipp. 455, wo mit berufung auf die bücher einige göttliche fehlırritte aufgezäblt werden, ἀλλ᾽ ὅμως ἐν οὐρανῷ ναίουσι χοὺ φείγουσιν»

vers 1310—1331. 275

ἐχποδὼν ϑεοίς, στέργουσι δ᾽ οἶμαι συμφορᾷ νεκώμενοι, σὺ δ᾽ οὐχ ἀνέξῃ ἃ. 5. w. den vorwurf, dals er seinen vater gefesselt babe, erheben schon die Eumeniden des Aisch. wider Zeus: aber sie erfahren berbe zurechtweisung,, trotzdem die tatsache zugegeben wird. Aisch. vermag es die sittlichkeit der götier zu wahren, indem er die sage vertieft ohne sie doch aufzugeben. Eur. muls die sage und mit ihr eigentlich auch die götter preis geben, um die sittlichkeit zu erhalten. 1321 ὑπέρφευ" ὑπερβαλλόντως, ἐκπληχειχῶς" τὸ γὰρ φεῖ ἐπὶ &x- 1351 πλήξεως κεῖταε Bekk. An. 69. das wort hat Aisch. gebildet, und er erklärt es Ag. 375, indem er es überbietet, φλεόνεων δωμάτων ὑπέρφευ, ὑπὲρ τὸ βέλειστον. 1323 μὲν οὖν leitet von dem allgemeinen teile zu dem concreten vor- 132 schlage über. τοῦ νόμου, um jenes γόμος willen, dessen macht zu 1282 geschildert ist. für Thes. ist diese macht keine innerlich berechtigte, sondern eine conventionelle, über welche er sich hinweggesetzt. so sieht man wie vöuov χάριν allmählich zu der bedeutung "um der form genug zu tun’ dicis causa geworden ist. ähnlich hat sich ἀφοσιοῦϑαε ent- wickelt. 1326 die belohnung verdienter männer durch gemeindeland wird von 1328 Homer öfter erwähnt (1 575 Z 594, danach Π7 313 Y 184); sie ist wahr- scheinlich ein wesentlicher factor gewesen, welcher auf die bildung von privatem grundeigentume geführt hat. dieselbe praxis galt aber in Athen noch in historischer zeit, gleich nach den Perserkriegen (Herod. VIII 11) und am ende des archidamischen (Plutarch. Arist. 27). die überlassung der Onoeia an Herakles setzt Eur. natürlich als bekannt voraus; sie war allgemeiner glaube und ist es geblieben. aber alt war sie nicht. denn sie löst nur die für einen Athener des 5. jahrhunderts allerdings dring- liche aporie, woher es zwar Herakleen in masse, aber gar keine Theseen gäbe. der Theseuscultus ist 475 erst als staatscult eingeführt. wir geben natürlich die antwort, dafs Theseus eben kein athenischer nationalheld war. nur im osten des landes, wo sich viele berührungen mit Trozen finden, ist schon in alter zeit von ihm erzählt worden; aufserdem am Phaleron. sonst westlich vom Hymettos schwerlich vor dem 6. jahrhundert. 1327 ταῦρον Κνώσιον ist gleich Mivw ταῦρον. der gedanke ist fern zu 1327 halten, dafs Eur. an die stelle des fabelwesens einen stier gesetzt hätte. er hatte in den Kretern gewagt selbst die geburt des zwitterwesens zu behandeln und hätte hier nicht mit einem worte eine rationalistische umbildung verständlich machen können. 1331 ϑανόντα ist nicht etwa aus dem folgenden satz attrahirt, so dafs 1831 18*

1334

enr scheidung.

276 Commentar.

ὅταν ϑανὼν ἐς “Διδου μόλῃς zu verstehen wäre, denn Eur. sagt auch ζῶν zai Java, ὅταν ϑάνῃς Herakl. 320. uns klingt das tautologisch; es ist aber ein gewisser euphemismus: man will die zweite eventualität deutlich als eine zunächst nicht praktische bezeichnen: wir könnes mit einem adverbium nachhelfen, “wenn du einmal gestorben sein wirst’. 1332 Eur. läfst Theseus undeutlich reden, weil er jetzt nur von totencult reden kann (λάενα ἐξογκώματα sind dann das grab, vgi. Orest. 402), während tatsächlich die göttliche verehrung des Her. in tempein be- zeichnet wird.

1333 τέμεον γεραίρειν Hik.553, τέμεον εἶναι---τειμᾶσϑαι Andromed. 132. ἀνάγειν eigentlich zu versteben ‘emporheben’ z0 ἀνάγῃ ἀντὶ τοῦ αἴξη scho). Pind. Pyıh. 5,1. ἀνηγμένον: ζυξημένον Hesych. Said. ὕψηλὸν αἴρειν Heraklid. 321 und ähnliches oft. τιμεώεερον ἄγειν Thuk. 3, 51. ἄτιμον ἄγειν u. dgl. ist anders gemeint, da ist ἄγειν einem ζγεῖσϑαι ähnlich. für das vorliegende ist wol nur zufällig keine genaue parallel- stelle gefunden. Hel. 932 πάλεν μ᾽ ἀναξουσ᾽ eis τὸ σῶφρον αὖϑις αὖ mufs den sinn enthalten haben “sie werden mich wieder als tugendhaft gelten lassen’. aber die stelle ist verdorben.

1334 στέφανος “preis’ Hik. 350. Ἑλλήνων ὕπο weil εὐχλείας τυχεῖν passivisch empfunden wird gleich ἐπαινεϑῆτναι.

1338. 39 Orestes 666 ὅταν δ᾽ ö δαίμων ev διδῷ, τί dei φίλων" ἀρχεῖ γὰρ αὐτὸς ϑεὸς ὠφελεῖν ϑέλων. das hat in dem gedächtnis des lesers, der es hier beigeschrieben hat, die gestalt angenommen ϑεοὶ δ᾽ ὅταν τιμῶσιν οὐδὲν dei φίλων, ἅλις γὰρ ϑεὸς ὠφελῶν ὅταν IElr. auch hier mit einem verstofse gegen Euripides metrik, der das wortende im spondeischen fünften fußse selbst bei οὐδὲν meidet.

1340 Her. ist jetzt mit sich im reinen. der seufzer οἴμοι gilt dem wider- willen, dafs er sich noch mit allgemeinen fragen abgeben mufs. denn was fragt der unglückliche nach allen metaphysischen problemen; sie sind ibm “nebensache’. Orestes auf dem wege des todes beantwortet der priesterin ihre fragen ὡς ἐν παρέργῳ τῆς ἐμῆς δυσπραξίας (1.T. 515). den ausdruck haben Eurip. und Agathon (11)aus der ionischen rhetorik und epideixis aufgenommen. Hippokrates περὶ φυσῶν (eines der vortrefllichsten stücke dieser epideixis) schliefst die einleitung ταῦτα μὲν οὖν ἐν παρέργῳ τοῦ λίγου τοῦ μέλλοντος εἴρηται. Eur. nennt eine seiner personen, die statt auf das concrete loszugehen lauter allgemeine probleme aufwirft, παρεργάτης λόγων (Hik. 426). auch bei Platon in dem dialoge, der die sophistische technik besonders persifflirt, kehrt das spiel mit σεάρεργον wieder Euthyd. 273°. "

vers 1332—1346. 277

die partikeln μὲν δὲ zeigen, dafs eine leichte brachylogie die sätze zusammengezogen hat, die eigentlich lauten sollten, πάρεργα μέν, λέξω δέ, νομίζω yap.

1343 ἀξιοῦν ist in der alten sprache immer ἄξιον ἡγεῖσθαι; so steht 1343

es auch mit δεκαεοῦν. namentlich bei Thuk. und Antiphon darf man das nie vergessen. das ergibt gemäfs der bedeutung des adjectivs verschiedene nuancen der bedeutung; hier οὐ κατὰ τὴν τῶν ϑεῶν ἀξίαν εἶναι ἡγη- σάμην. 1344 dieser vers steht nach, weil er eine neue negation hinzufügt, die noch zu den vor dem verbum recapitulirten behauptungen des Theseus hinzugefügt wird. 1345 ὀρθῶς: zu 56. dies ist hier durch antike citate erhalten, die hdschr. hat ὄντως im sinne der späteren begriffsphilosophie, vgl. 620. 1346 δύστηνος tristis in den verschiedenen bedeutungen des wortes bis zu der italienischen hin. ἄϑλια καὶ δεινὰ καὶ δύστηνα S. OT. 790. δύστηνα λογάρια nennt Demosthenes eine kraftstelle des aischineischen pathos 19, 255. τυφλόν γε καὶ δύστηνον ἔστιν τύχη Menander IV 195 Mein. (welchen hübschen vers man aus verkennung dieses sprach- gebrauchs ändern will), E. Aiol. 36 “wer die weiber nicht schilt, δύστηνος ἄρα χοὺ σοφὸς κεκλήσεται. die anrede w δύστηνε ist in der komddie gewöhnlich und bezeichnet einen der aus dummheit oder ungeschicklich- keit seine sache selbst verdirbt, ganz wie die τύχη bei Menander und hier die homerische tbeologie.

die polemik gegen die Ssol ἀνθρωποπαϑεῖς und die praecisirung eines geläuterten gottesbegrifles klingt der polemik christlicher apologeten (die sich diese stelle auch nicht haben entgehen lassen) und neutestament- lichen stellen ähnlich. insbesondere die bedürfnislosigkeit der gottheit ist Act. ap. 17, 25 ganz ähnlich ausgesprochen, οὐδὲ ὑπὸ χειρῶν ἀνϑρω- πένων ϑερατεεύεται δεόμενός τινος. das hat äufserlich seinen grund darin, dafs die apologeten und ebenso jene einlage der Apostelgeschichte (des Paulus predigt auf dem Areopag) von der philosophischen predigt der Hellenen abhängig sind: und selbst ein sehr untergeordneter geist hat zu Euripides zeit dasselbe in Athen gepredigt, der sophist Antiphon in der "4λήϑεια, 98 Spp.: (die gottheit) οὐδενὸς δεῖται οὐδὲ προσδέχεται οὐδενός τι, ἀλλ᾽ ἄπειρος καὶ ἀδέητος. sodann aber ist die überein- stimmung nur in der negation vorhanden. denn das christentum hat seine lebendige kraft durch den glauben an einen persönlichen gott, der durch dies praedicat mehr oder minder die ἀνϑρωποπάϑεια erhalten mufls: der gott des Euripides und der philosophie, welche er wiedergibt, ist ἄπεερος,

278 Commenizr.

also unpersönlich. und kann zu keiner menschenseele 18 ein persönliche: verhältnis treten. auch für ihn gilt, was Her. wider die ϑεοὶ ἄνϑρω- ποπαϑεῖς sagt: τοιοίτῳ ϑεῷ τίς ἂν προσεΐχοεεο. es it aber der hier ausgeführte gottesbegriff der des Xenophanes, und die ganze stelle paraphrasirt verse des grofsen monotheisten. allbekanat ist seine polemik wider die dichter oi πλεῖστ᾽ ἐφϑέγξαντο ϑεῶν ἀϑεμέσετια ἔργα κλέ- πεεῖν μοιχεΐειν τε καὶ ἀλλήλους ἀπατεύειν (bei Sertus Emp. edr. gramm. 253); das folgende ist nur in einer paraphrase erhalten ἀπο- φαίνεται xai περὶ ϑεῶν ὡς οὐδεμιᾶς iyeuorias ἐν αἰτοῖς evars’ οὗ γὰρ ὅσιον δεσπόξεσϑαέ τινα τῶν ϑεῶν, ἐπιδεῖσθαί ve μτ δενὸς αὐτῶν μηδένα μηδόλως (Ps. Piutarch bei Diels dorogr. 580). Eur. hat auch im Autolykos verse des Xenophanes nachgebildetl, wie schon im altertume bemerkt ist.

136 1348 ἐχλιπών hat nicht die bedeutung des praeteritums, sondern es steht das particip des aorists, weil ὄψφλω aorist ist. z. b. Hik. 302 ur σφαλῖς ἀτιμάσας, du irrst dadurch, dafs du verachtest. A. Sieb. 754 anelpa; Erla, er wagte zu zeugen. vgl. 532.

13511351 ἐγχαρτερεῖν ϑάνατον ‘dem tode trotzen’ steht Androm. 262. auch hier ist ἐγχαρτερήσω ϑάνατον überliefert; man hat das verbum geändert, um es dem vorigen satze unterzuordnen. allein dann wird der anschlufs des nächsten satzes unklar, und man vermifst in der ganzen rede die praecise äufserung des entschlusses zu leben, von welchem die über- siedelung nach Athen nur die ausführung ist. somit ist ϑάνατον in βίοτον zu ändern. das ist kein schreibfehler: da hat vielmehr die gemeine menschenansicht geändert, die es zwar für schwer hält zu sterben, aber nicht begreift, dafs zu leben unendlich viel schwerer ist.

1358 1353 die begründung gilt natürlich dem ganzen entschlusse, nicht dem danke an Theseus. scheinbar nur durch die zufällige anreihung an das wort μυρίαν kommt auf das bescheidenste der gedanke zum ausdruck für den Kalkivıxoc schickt es sich auch den letzten rzovoc durch- zumachen, auch wenn es der härteste ist, der erste, der ihm tränea entprelst’. γεύεσϑαι in dieser übertragung ist Eur. geläufig; es stammt, wie die komödie zeigt, aus der sprache des lebens und fehlt den andern tragikern, nur dafs Sophokles Tr. 1101 eben diesen vers seinem Herakles in den mund gelegt hat ἄλλων τε μόχϑων μυρίων ἐγευσάμην. das erste weinen hat er mit der häfslichen wendung @ore παρϑένος βέβρουχα κλαίων überbieten wollen. hübsch läfst ein guter dichter des 2. jahr- hunderts (vielleicht Alkaios von Messene, Kaibel epigr. 790) den Her. die ersten tränen wegen eines gefallenen lieblings vergielsen. παρ᾽ ὄσσων

vers 1345 .---1361. 279

οὐ πάρος δεδευμένων..., ἦλϑε δάκρυ καὶ γοηρὸν ἴαχεν (und das har) ἐσκύϑιξε φασγάνῳ: das ist die spielende kleinmalerei der hellenistischen poesie. hier die ganze grofse menschliche einfalt Athens.

1357 δουλεύειν bitter für “gehorchen’. die χέντρα Ἥρας (20) sind 1357 myihos: so bleibt also die andere alternative τοῦ χρεὼν μέτα. der mensch soll aber nicht wider den stachel lücken (1223): gehorchen muls

er ja doch. der vers gilt nicht blofs dem zwang der ersten tränen, sondern dem zwange des unglücks überhaupt. diesen vers hat der Kyniker überbieten wollen, der den sterbenden Herakles zu der ἀρετὴ sagen liels

σὺ ἄρ᾽ ἐδούλευσας τύχῃ, adesp. 305.

1358 εἶδεν. der entschlufs ist gefafst: nun müssen seine eonsequenzen 1358 gezogen werden.

1360 vexpovg praedicativ zu sreeloreılov. das hysteron proteron ist 1360 echt griechisch, zuerst das wesentliche, die bestattung, dann die vor- bereitenden nebenumstände.

1361 τιμᾶν ist das eigentliche wort für totencult, noch in später prosa 4361 häufig in dieser praegnanten bedeutung. um so bitterer ist der be schränkende zusatz δαχρύοισι. der vater darf die kinder nicht bestatten, der grofsvater hat nichts als tränen.

1362 Gretchen “und das kleine mir an die rechte brust: niemand wird 1362 sonst mehr bei mir liegen”. man kann in der antiken poesie lange suchen, ehe man solchen zug wiederfindet: dafür treten die grabsteine ein, welche des lebens evxoAog κοινωνέα darstellen.

1363 xoıwwvia bedeutet nicht wie gewöhnlich und wie 1377 den zustand 1383 des xoıywvyeiv, denn die gemeinschaft Megaras mit ihren kindern hat Her. nicht zerstört. sondern das abstractum ist collectivisch zu verstehen wie ξυμμαχία ‘die bundesgeuossenschaft’, δουλεία “die sclavenschaft”

u. dgl. m. dafs diese bedeutung später nicht vorkommt, liegt daran, dafs

τὸ χοινόν für sie allgemein geworden ist.

1366 ψυχὴν βιάζου "zwinge dich zum leben’, nicht etwa “tue deiner 1366 seele (also deinem willen) gewalt an’. Plat. Staat 353% τί δ᾽ au τὸ ζῆν; ψυχῆς φήσομεν ἔργον εἶναι. der infinitiv συμφέρειν steht also epexe- getisch, d.h. er gibt das ziel an, auf welches die actio verbi in ψυχὴν βιάζου hinstrebt.

1367 man kann sich die nächsten versreihen nur so gesprochen denken, 1367 dafs Her. aufsteht und zu den leichen einzeln herantritt um abschied zu nehmen, und dann seine waflen, bogen und keule, aufnimmt. da er nun von Thes. 1394 wieder zum aufstehen aufgefordert wird, so hat der dichter implicite vorgeschrieben, dafs Her. vom schmerze überwältigt am schlusse

280 Commentar.

seiner rede zusammenbricht. ist so die bewegung dem schauspieler vor- geschrieben, so gibt ihm die durchgehende anapher des wortes ἄϑλιος (zuerst 1365) die entscheidende weisung für die recilation.

da τέχεειν auch vom manne ganz gewöhnlich gesagt wird, so kann die tragödie das verwandischafisverhältnis durch tautologischen ausdruck besonders stark bezeichnen. wie hier, auch Hik. 1092 grreroas zei ξεχὼν νεανίαν (so zu schreiben). A. Choeph. 329 πατέρων καὶ τεχόν- των, ähnlich S. EL 12 ὁμαίμου xai χασιγνήτης.

1368 1363 ὠνάμην verbieten die atticisten (Phrynichus p. 11 Lob.), es ist aber durch eine attische inschrift (CIA I 494) bestätigt.

1300 1369 εὔχλεια βίου wie 1152 δίσχλεια 3. und in einem attischen epi- gramm 29 Raib. er denkt nicht an die arbeit für ihr irdisches wol, an welche Megara 461 erinnert, sondern an den segen der eltern, der den kindern häuser baut. das gegenteil, den fluch der elternschande, führt Phaidra ergreifend aus Hipp. 424.

1373 1373 von Sophokles Tr. 542 aufgenommen und umgebildet, wo Deianeira, der H. eine kebse ins haus bringt, sagt zorad’ Hoaxirs oizorgı” εἰσέπεμψε τοῦ πολλοῦ χρόνου.

1381 1381 παιδοχεόγους σούς: das adjectiv gehört nur zu dem ersten teile des compositums; es ist eine altraction ähnlich der zu τἀμὰ πεδέα γῆς 468 erläuterten. uns mag es seltsam anmuten, dafs Her. den mord scheinbar auf die waflen abwälzt, weil er ihn ἄχων begangen hat. aber das stammt aus altgefestigten rechtlichen anschauungen. wie die epheten am prytaneion über die ὄργανα zu gericht safsen, die einen ἄδηλος φόνος begangen hatten, so ward alljährlich das beil verurteilt, mit dem der Thaulonide an den Diasien den stier geopfert hatte, und debattirte Protagoras mit Perikles in dem rechtsfalle, den Antiphon in der zweiten tetralogie behandelt, ob nicht der speer ἀχουσίου φόνου αἴτιος wäre (Plut. Per. 36).

ὠλένη für χείρ zu brauchen ist eine speciell euripideische katachrese. χείρ hat dagegen den ganzen arm ursprünglich mit einbegriffen.

13821352 τέ φάσχων; in prosa ἐπὲ τένε προφάσει.

1386 1386 die erwähnung der feinde führt Her. darauf, dafs er seines dienstes bei Eurystheus noch gar nicht einmal wirklich ledig ist. auch dazu bedarf er der freundeshilfe.

ἄγριος heilst der höllenhund wie die kentauren 366 und der löwe 1211. das wort hat eine viel stärkere bedeutung, als unser ‘wild’; es ist der gegensatz von ἥμερος, 80 in ἀγριέλαιος u. dgl. die culturlosen menschen nennt Pherekrates’4ygeor. Aristoteles (Pol. 4 2) nennt den menschen

vers 1368--1396. 281

ohne ἀρετή das wildeste tier ἀνοσιώτατον χαὶ ἀγριώτατον. besonders hübsch ist das spiel Anakreons (1), der Artemis anredet ἀγρέων δέσποινα ϑηρῶν und dann sagt, dals sie auf die Magneten gern herabschaue οὐ γὰρ ἀνημέρους ποιμαίνεις πολιήτας, weil in der tat Artemis zwar das wild im walde beschirmt, aber zugleich an den märkten thronend

die städtische cultur (Kallim. an Art. 12). in all diesem ist ἄγρεος ganz gleich ἀνήμερος. die ableitung von ἄγρος ist so sehr verdrängt, dafs dafür ἀγρεῖος neu gebildet werden mulste. aber die dichter bezeichnen gern die wesen, welche in dem ἥμερος βίος, dem leben, das wir kennen, nicht vorkommen können, als &ygıa, wo die bedeutung einem ‘ungeheuer’ ähnlich wird. so ist die delphische schlange (Homer hymn. an Apoll. 302) und der trozenische stier ἄγριον τέρας (Hipp. 1214), so die giganten

(n 206): so dann auch die Kentauren und der höllenhund. dafs Her. dem ungetüm, das er doch bezwungen hat, ein solches beiwort gibt, ist für

die veränderung seiner stimmung überaus bezeichnend. überliefert ist sinnlos &9Alov, was man in ἀϑλίῳ ändert: aber dann mufs man wider

die verskunst des Euripides vor dem letzten fulse interpungiren. vgl.

zu 280. und das blofse «tw» ohne artikel reicht für den Kerberos nicht aus. übrigens hat die verbesserung auch schon Wakefield gefunden.

1387 συγκατάστησον μολών: die praeposition gilt für das zugesetzte 1357 particip mit, ‘begleitend’. χόμεστρα steht in singulärer bedeutung für κομιδή, gemeiniglich bezeichnet es das wofür man trägt, den fuhr- lohn. ähnlich λύερον ῥῦτρον σῴσερον. aber das letzte buch der Ilias heifst Ἕχτορος λύτρα “Hektors lösung’.

1390 τάφος “begräbnis’ homerisch (leizter vers der Ilias mit schol.), 1390 attisch das grab. dem homerischen gebrauche folgt auch S. OT. 1447.

die Athener sagen zapai, was wiederum bei loniern grab bedeutet Herodot. V 63.

1391 er ordnet sein eigenes begräbnis mit an: für Theben ist er tot, 1391 so falst es auch der chor 1427, dem diese anrede zunächst gilt. ἑνὶ λόγῳ ἅπαντας “alle unter einem begriffe, in einem atem’. oft so bei Platon, ähnliches bei Hippokrates, d. ἢ. die quelle des ausdrucks ist die wissenschaftliche ionische prosa. natürlich fehlt dieser gebrauch bei den beiden andern tragikern.

1393 ἄϑλιοι yeyeynusda, ἐπειδὴ πάντες ip’ Ἥρας ἐπλήγημεν. 1898 1394 es war intendirt ἀνέστασο μηδὲ δαχκρύσῃς πλέον; δακρύων δ᾽ Schlufs. ἅλις tritt dafür als das schonendere ein. aber die adversativpartikel ist nur durch dieses umspringen der rede herbeigeführt.

1396 hier ist nicht yap durch poetische freiheit von seinem zweiten 1396

282 Commentar.

platze im satze gerückt, sondern καὶ γὰρ τοὺς σϑένοντας würde einen falschen sinn geben. xal ist intensiv und von dem begriffe den es intendirt nicht zu trennen. der gedanke den Theseus mit γάρ begründet ist “ich begreife deine lähmung’.

1397 1397 das erstarren, eben noch ganz sinnlich von der unfähigkeit die glieder zu regieren gesagt, legt dem Griechen den gedanken der unem- pfindlichkeit um so näher, als er λέϑος als sprüchwörtliches bild für teilnahmlosigkeit verwendet (2 611 mit schol., Theokrit Κῶμ. 18). wir modernen sind geneigt bei solchem ausdruck an Niobe zu denken, die vor schmerz zu stein ward, allein man hat sich vor dieser keinesweges ursprünglichen oder richtigen auffassung der sage zu hüten. Niobe ist das bild ewiger trauer (Soph. Ant. 824 und danach El. 150), nicht weil sie ganz stein ist; das würde für den Griechen einen widersinn geben, sondern weil sie ewig weint. Shakespeare hat recht “wie Niobe ganz tränen’.

139 1399 Her. steht auf, geht auf Thes. zu, will ihm die hand reichen, da sieht er das blut daran kleben, und der physische ekel überkommt ihn. an die metaphorische übertragung der blutschuld (1233) ist nicht mehr zu denken.

1401 1401 wortspiel mit παῖς, das sohn und sclave bedeutet. vgl. die ähnliche situation Or. 221.

1403 1403 dıdovar in allen möglichen verbindungen statt bezeichnender verba ist ein euripideischer idiotismus El. 678 Γαῖα χεῖρας 7 δέδωμ᾽ ἐμάς, I. A. 1221 γόνασι σοῖσι σῶμα δοὺς ἐμόν, Bakch. 621 χείλεσιν διδοὺς ὀδόνεας, Or. 42 οὐ λούερ᾽ Eöwxs χρωτί u. dgl. m. sehr oft verkannt und daher beanstandet.

1401 1404 ζεῦγος ganz eigentlich. Her. schlingt seinen arm um den nacken des freundes, und vergleicht diese gruppe mit einem gespann ungleicher zugtiere, von denen das stärkere auch die last des gefährten ziehen muls. dies kann aber zu dem lobe des Thes., welches der folgende vers aus- spricht, keine veranlassung gegeben haben, und überdies ist in ihm τοεόνδε beziehungslos. folglich ist ein vers ausgefallen, in welchem Theseus dieses misverhältnis irgendwie auszugleichen versprach. also etwa ἀλλ᾽ zusv- χήσεις μεταλαβὼν ἐμῶν καλῶν.

1405 1405 die beistimmung zu einem allgemeinen lobe Athens erweitert.

1407 1407 ὡς δή ironisch, A. Ag. 1633 wg δὴ σύ μοι τύραννος ἔσῃ. E. Andr. 594 ὡς δὴ γυναῖκα σώφρον᾽ ἐν δόμοις ἔχων. 8. OK 809 ὡς δὴ σὺ βραχέα λέγεις. --- φίλτερον, seiner ableitung nach das womit man φιλεῖν bewirkt, ist vor Eur. nur liebeszauber. er wendet es im weitesten

vers 1391---1416. 288

sinne an, und ihm folgt die spätere praxis der dichter. Alkmene 104 δεινόν τε τέχνων φίλτρον, Danae 325 fürchtet Akrisios die liebkosungen seiner tochter ταῦτα γὰρ πατρὶ φέλερον μέγιστον (so zu lesen: über- liefert ταῦτα γὰρ @. u. al Evvovolaı scaree), Androm. 540 σοὶ οὐδὲν ἔχω φέλερον “ich stehe zu dir in keiner liebe bewirkenden beziehung”. δίων ἔσῃ ühnlich Diktys 336 Ion 878. es stammt aus der vulgären rede, wie z. Ὁ. in hippokratischen krankheitsgeschichten, und kommt so wenig in den höheren stil, dafs es die redner mit einem entschuldigenden ὥσπερεέ vorbringen (Apollodor gg. Steph. 157) Thuk. 6, 57 οὐ ῥᾳδέως δεδεέϑη ist anders, wenn auch die wortbedeutung dieselbe ist. Thes. meint also “es kann für deinen zustand unmöglich eine erleichterung sein, wenn du so deine liebe anregst”. 1408 nicht sowol der persönliche dativ ἐμοί als στέρνοις ist zu er- 1408 gänzen, wobei sich die beziehung auf den redenden von selbst gibt. 1410 als Thes. den Her. in Amph. armen sieht, mahnt er ihn, dafs sich 1410 solche gefühlsäufserungen für den χαλλίνεκος nicht schicken: er will dem freunde den peinlichen abschied kürzen. freilich mufs der apell an seine taten für den wirkungslos sein, der die nichtigkeit irdischen ruhmes so ganz empfindet. 1413 σοί gewöhnlich in dieser bedeutung mit der stütze einer praepo- 1413 sition ἐν oder παρά. S.OT 485 ἔφυμεν, ὡς μὲν σοὶ δοκεῖ, μωροί, γονεῦσι δ᾽ ἔμφρονες, auch darin ähnlich, dafs ein benachbartes doxstv das verständnis erleichtert.

ζῶ ist mit absicht gewählt, denn darin dafs er lebt, liegt die gröfse des Her., liegt zugleich die übereinstimmung mit seinem früheren leben, das Thes. ihm vorhält. daher der trumpf δοκῶ ‘sollt’ ich meinen’. 1414 Thes. bestreitet das, denn er verlangt in Her. den typischen heros zu 1414 sehen. νοσεῖν ist jeder anomale zustand. Andromed. 142 heifst es von den nur durch ein vorurteil der sitte zurückgedrängten bastarden γόμῳ ψοσοῦσιν. Oineus 570 κέρδους ἕκατι καὶ τὸ συγγενὲς νοσεῖ “das geld macht selbst die verwandtschaft unzuverlässig’. also wenn man an Her. als dem allsieger erst zu zweifeln anfängt, so ist es um seinen ruhm getan. vgl. χάμνω 293. hier kommt hinzu, dafs jede innere regung, welche den menschen bemeistert, dem Eur. wie seiner zeit "krankhaft’ erscheint. 1415 Her. widerlegt ihn durch die berufung auf Thes. verzweiflung im 1414 Hades, während er seinen endgiltigen entschlufs gefafst hat. 1416 Thes. wendet den streit so, dafs der kranke freund zum schein 1416 recht behält, aber an den aufbruch mit erfolg gemahnt wird. er gibt

284 Commentar.

seine eigene mutlosigkeit zu, aber nicht um sie hatte es sich gehandelt, sondern um den gefühlsausdruck.

λῆμα hat niemals die etymologische bedeutung ‘willen’, sondern be- deutet mut, φρόνημα, mit welchem prosaischen worte man es immer vertauschen kann; auch ψυχή könnte hier stehen. so sagt der redner für Polystratos (Lysias 20, 29) μηδενὸς ἥττω εἶναι ἀνθρώπων τὴν ψυχήν. dafs λῆμα so sehr seine bedeutung verändert hat, liegt daran, dafs der verbalstamm, von dem es abgeleitet ist, nur auf specifisch dorischem sprachgebiete erhalten war, und da die Doris auf die bildung der litteratursprache keinen einfluls gehabt hat, in epos Iyrik drama fehlt, und nur in epichorischer poesie (Epicharm) oder künstlicher nachahmung derselben (Aristophanes, Theokrit) vorkommt. der vereinzelten angabe eines grammatikers, dals Eur. Ang sogar im dialog gesagt hätte (fgm. 627) kann man also keinen glauben schenken.

ὡς vor praepositionen im drama ganz gewöhnlich, Bakch. 459 οὐκ ἄμορφος ὡς ἐς γυναῖκας. Soph. OK 14 πύργοε ὡς An’ ὀμμάτων πρόσω. auch wendungen wie ὡς ἄγος μόνον S. Ant. 775 sind ähnlich. die prosa sagt ὅσον oder ὅσον γε.

1419 1419 in Amph. frage liegt mehr als der lebensüberdrufs des greises, nämlich eine schwere mahnung ihn nicht zu verlassen. denn da der tote ohne würdige bestattung keine ruhe findet, diese aber nur von dem nächsten leibeserben vollzogen werden kann, so wird Her. im eigent- lichsten sinne an die cardinalpflicht γονέας τιμᾶν gemahnt. so versteht er es denn auch, und verspricht sie zu halten. das erregt die ver- wunderung des Amph., da sie ja doch getrennt werden, wird aber durch das versprechen aufgeklärt, ihn, sobald die kinder bestattet sind, nach- kommen zu lassen. den ausweg wählt Eur. um so lieber, als er die aussicht erweckt, dafs auch/Amph. in der gastlichen erde Athens frieden finden solle.

142 1422 der accus. ist nicht apposition zu τέχνα, sondern zur aclio verbi, vgl. zu 59. Phoen. 1043 Οἰδίπους ἔβα τάνδε γᾶν, τότ᾽ ἀσμένοις, πάλιν δ᾽ ἄχη, 807 οὔρειον τέρας Σφιγγὸς ἐλϑεῖν πένϑεα γαίας, Tro. 1220 πιχρὸν ὄδυρμα γαῖα σε δέξεται.

1428 1423 αἰσχύνη, ein wort erst des 5. jahrhunderts, bezeichnet gewöhnlich das, dessen man sich zu schämen hat. das kann eine handlung sein (lon 288), eine person (Tro. 172), eine gesinnung (Antiphon 6, 1). für den plural steht kein anderes beispiel zu gebote, doch gibt es die weit kühnere reflexive (empfindungen der scham) Hik. 163, S. Tyro 597, und nur in der nuance der bedeutung ist verschieden Isokrates Plat. 50

vers 1419—1427. 285

οἶμαι δ᾽ ὑμᾶς οὐδὲ τὰς ἄλλας αἰσχύνας ἀγνοεῖν τὰς διὰ πενίαν xal φυγὴν γιγνομένας ἃς --- παραλείπομεν αἰσχυνόμενοι λίαν ἀκρι- βῶς τὰς ἡμετέρας αὐτῶν ἀτυχίας ἐξετάζειν. αἰσχύνη “schändung”’ gehört nicht her und ist weit seltener, S. OT. 1284. 1424 wie der gebeugte von Thes. geleitete Her. das widerspiel dessen 1424 ist, der seine kinder, die er gerettet hatte, in das haus fortzieht, so verweist der dichter mit demselben bilde auf jene gruppe (631). jene scene schlofs eine gnome über die vaterliebe, so wird hier ein anderes gut verherrlicht, das über macht und reichtum steht. inhaltlich aber correspondirt dieses lob der freundschaft mit dem schlusse von Amphi- tryons erster rede (58): sein dortiger wunsch hat sich ganz anders als er erwartete erfüllt. Her. ist in das unglück geraten: aber des Thes. freundschaft hat die prüfung bestanden. 1426 πεπᾶσϑαε ist ein wort, das den loniern ganz fehlt und für die 1426 Aeoler nur in dem namen Πασίέκυπρος zu belegen ist. bei guten pro- saikern wird es überhaupt gemieden, aber die Athener haben es schon sehr früh von ihren nachbarn Megarern und Boeotern geborgt, die es für κεκτῆσθαι verwenden. so steht es schon bei Solon (13, 7) und einzeln im drama. das nomen σπτάτωρ haben die grofsen tragiker nicht, wol aber Kritias (Rhadam. 660, 4). 1427 der chor greift das letzte wort des scheidenden auf. wenn denn 1427 die freundschaft ein so hohes gut ist, wie schwer mufs der verlust des μέγας φίλος (1252) sein.

es ist anzunehmen, dafs Thes. und Her. abgehen, der chor sich während der recitation der anapaeste zum abzug ordnet, Amphitryon zu den leichen auf das ekkyklema tritt, das dann hineingerolit wird. was in den zwischen- acten zwischen je zwei dramen vorgieng, wissen wir nicht. in der ältesten zeit nahm er die maske ab, erschien als bürgerchor und erhielt vom choregen einen trunk credenzt.

NACHTRAG zu v. 1258. die handschriftliche überlieferung τρεσω- μάτους τυφῶνας ist Tichtig; πελωρέους darf also nur für eine antike conjectur gelten, entsprungen derselben verlegenheit, welche Elmsley sein τρισωμάτους Inovovag eingab: die sage, auf welche Euripides sich noch beziehen konnte, war dem späteren altertum eben so unbekannt wie uns bis auf dieses jahr. jetzt sind aus dem Perserschutte der burg die trümmer eines giebelreliefs gezogen worden, welches links Herakles eine gewaltige schlange, rechts Zeus den dreileibigen Typhon bekämpfend darstellt (Athen. Mitteil. XIV ταί. IL ΠῚ und beilage zu s. 74). folglich hat die sage bestanden,

286 Nachtrag

dafs die himmlischen καλλένεκοι “vater und sohn’ das scheußsliche par Typbon und Echidna bezwungen haben. das genauere vermögen wir nicht zu ermitteln, wol aber ergeben sich einige folgerungen für Herakles, für Typhon, und insbesondere für Hesiodos.

Typhon, der vertreter der vulcane, kann hier nicht gemeint sein. und in der tat, wenn er ein althellenisches wesen ist, so kann er nicht diese bedeutung vom ursprung an haben, da es im Hellas keine vulcane gibt, wol aber Τυφώνεα. vielmehr haben die auswanderer unter dem überwältigenden eindruck der vulcane Lydiens im osten, des Aetna und Epomeo im westen, das wesen Typhons umgeformt, und diese umbildung hat das ursprüngliche verdrängt. sie tritt uns entgegen im Schiffskatalog und in der eindichtung der Theogonie, dem schlechten Typhonkampf, der sogar jünger ist als das attische relief. nur die Theogonie des wirk- lichen Hesiodos hat die erinnerung an den echten Typhon bewahrt, wie sich vor allem in seiner verbindung mit Echidna zeigt. aber auch diese partie hat durch einschwärzung der jüngeren vorstellung gelitten, und da sie aufserdem von A. Meyer beanstandet ist, so muls sie erst gesichert und gesäubert werden, ehe sie verwandt werden kann.

Es heifst da von Echidna, sie wäre halb schöne jungfrau, halb scheufs- liche schlange gewesen '),

301 ἔνϑα δέ οἱ σττέος ἐστὶ κάτω κοΐλῃ ὑπὸ πέτρῃ

τηλοῦ ἀπ᾿ ἀϑανάτων τὸ ϑεῶν ϑνητῶν 7’ ἀνθρώπων,

ἔνϑ᾽ ἄρα οἱ δάσσαντο ϑεοὶ κλυτὰ δώματα ναίειν. der dichter kennt den wohnsitz Echidnas nicht genau; er weils nur dafs er fern von allen andern wesen ist, und im innern der erde. das zweite ist für die schlange selbstverständlich; in einer höhle hat sie auch Keto dem Phorkys geboren, aber diese ist im meere zu denken, da die eltern meerwesen sind. unbekannt aber mufs der wohnsitz sein, da ja die

1) 298 ἥμεσυ μὲν νύμφην ἐλικώπιδα καλλιπάρῃον, ἥμισυ δ᾽ αὗτε πέλωρον ὄφιν δεινόν τε μέγαν τὸ [ποικίλον ὠμηστήν, ζαϑέης ὑπὸ κεύϑεσι γαίης). diese törichte interpolation habe ich aus unachtsamkeit nicht gerügt, wo ich es hätte tun müssen, Isyll. 108, weil ich sie längst durchgestrichen hatte. denn der ganze zu- sammenhang erträgt den zweiten halbvers nicht, der zudem aus 483 stammt, aus eben der interpolation, die ich an jenem orte beseitigte. die füfse der schlange kann Hesiodos aber wahrlich nieht wunorad genannt haben: einen rachen haben sie wol in der pergamenischen gigantomachie, aber nicht in so alter zeit. übrigens ist die schilderung der doppelnatur 299 fertig, und jeder auch an sich erträgliche zasatz würde vom übel sein. die interpolstion aber hat dem verfertiger des reliefs bei Zoega bafsir. Il 64 vorgelegen, der Herakles Echidna bezwingend darstellt, deren beine in

schlangenköpfe auslaufen. Zoega verweist auf analoge münzdarstellungen und bemerkt mit recht die seltenheit der darstellung, welche er auf die skythische Echidna bezieht.

zu v. 1258. 287

götter dies scheusal verstofsen haben. dazu stimmt denn auch auf das trefflichste, dafs es weiter geht τῇ δὲ Τυφάονα φασὶ μιγήμεναι, also auch diese verbindung nur ein gerücht ist. selbst die Musen künden nur auf hörensagen, wo das bette der unheimlichen urgewalten steht, dem so viele scheusale entsprossen sind. dies alles ist sehr wol üherlegt; aber es ist allerdings schlechthin unvereinbar mit dem zwischensatze 304 δ᾽ ἔρυτ᾽ εἰν ᾿Αρίμοισιν ὑπὸ χϑόνα Avyon Ἔχιδνα, ἀϑάνατος νύμφη καὶ ἀγήραος ἤματα πάντα. natürlich haben die kritiker eingesehen, dafs diese verse grammatisch neben den vorigen nicht bestehen können; aber ihre kritik ist irrgegangen, weil sie die veranlassung der einschwärgung nicht erkannten. wer diese verse verfalste, der meinte die zweifel des Hesiodos beben zu können; er kannte eben aus der jungen Typhonsage die heimat Echidnas bei den Arimern').

In der ganzen genealogie, welche von Keto und Phorkys anhebt, ist häufig der übergang zu einer neuen geburt blofs mit δὲ gemacht, und man kann einen augenblick zweifelhaft sein, wem das demonstrativ gilt. aber doch nur einen augenblick; und mit recht haben die alten sich nicht irre machen lassen. denn der zusammenhang ist klar. von Keto und Phorkys stammen Γραῖαε und Γοργοί; unter diesen ist Medusa, die Perseus erschlägt; sie bringt sterbend Pegasos und Chrysaor hervor; Chrysaor zeugt mit Kallirrhoe den Geryones, welchen Herakles erschlägt. nun geht es weiter δ᾽ &zex’ ἄλλο πέλωρον, nämlich die Echidna. da kann deren mutter weder Kallirrhoe sein, die in dieses stemma ja gar nicht gehört, noch Medusa, deren tod schon erzählt ist, sondern ausschliefs- lich Keto. es ist ganz natürlich, dafs zu dem im anfange des abschnittes genannten pare zurückgekehrt wird, nachdem ihre descendenz durch die Γοργοέ erschöpft ist, und eben so natürlich, dafs sich an ihre tochter Echidna deren descendenz schliefst. sie gebiert dem Typhon zunächst drei von Herakles überwundene wesen, Orthos, Hydra, Kerberos, die aus- drücklich gezählt werden. geht es dann fort τὴν μὲν (ὙὝδρην) ἐνή- ρατο --- Ἡρακλέης δ᾽ ἔτεκε Χίμαιραν, so ist soviel sofort klar, dafs hier zwei weibliche wesen unterschieden sind, und da das erste Hydra ist, kann das zweite eben nur Echidna sein?). genau ebenso wird

1) Dafs sie später wirklich in der gegend der Iydischen vulcane verehrung fand, zeigt Brückner in dem umsichtigen aufsatz, welcher seine herstellung des reliefs be- gleitet. das geht jedoch ihr wesen und geht Hesiodos nichts an. weil er Echidna dem Typhon gesellt hatte, mulste sie diesem in seine neue heimat folgen.

2) Das ist allerdings anstöfsig, dafs die drei kinder des Typhon gezählt werden, und doch das vierte, Chimaira, demselben gehören mufs, wie man auch im altertum

288 Nachtrag

das letzte glied dieser reihe, Sphinx und Löwe, angeschlossen, das also ebenso zu beurteilen ist. hier ist auch ein neuer vater, Orthos, genannt‘). nun ist die descendenz Echidnas fertig, also geht es zurück zu Keto und Phorkys. weil diese aber allzulange vorher genannt waren, so werden die namen wiederholt, ihr letztes kind, der drache, welcher die goldenen äpfel bewacht?), aufgeführt, und dann sehr sachgemäßs mit einem zu- sammenfassenden verse der ganze abschnitt abgeschlossen. aber auch inhaltlich gehört all dieses zusammen, Chimaira mit dem Pegasos, Geryones mit Orthos, Hydra und Löwe, Kerberos und Drache. überschüssig könnte allein die Sphinx erscheinen, weil sie nur vorübergehend erwähnt wird und in eine andere sage gehört; aber was Hesiodos alles erwähnen mochte und wie genau, das ist nicht a priori zu sagen. formelle anstölse, die man genommen hat, wiegen nicht schwer’): das geschlecht der Keto darf für Hesiodos von Askra in anspruch genommen werden.

Hesiodos weils also von dem pare Echidna und Typhon, aber er berichtet nur von ihnen, dafs eine reihe scheusale der sage ihre kinder wären. sie trägt einen durchsichtigen namen, und die bedeutung der schlange als vertreterin der Erde, und zwar mehr der χϑών als der γῇ (zu v. 1295), steht fest. Typhon aber ist als wind ausdrücklich bezeichnet, und seine umgestaltung zum vulcan hat nicht vermocht, den ὑβρεστὴς ἄνεμος überall in ὑβριστὴς ἄνομος zu wandeln. auch die winde wohnen

angenommen hat, weil kein anderer vater erwähnt ist. es dürfte wol in früher zeit ein vers vor 320 ausgefallen sein, der einen vater nannte. die stelle ist wie die von Echidna durch einen zusatz entstellt, den man längst getilgt hat, weil er direkt homerische verse gibt, 323. 4.

1) Diesen bestien darf man ruhig zutrauen, dafs der sohn die mutter beschläft. am wenigsten wird etwas gebessert, wenn für die mutter die grolsmutter eintritt.

2) 334. 35 ist eine corruptel, der drache ἐρεμνῆς κεύϑεσι γαέης πεέρασιν ἐν μεγάλοις παγχρύσεα μῆλα φυλάσσει. denn was sind πείρατα μεγάλα, und was soll die doppelte ortsbestimmung? hier hat die stelle über Atlas, 518, unheil gestiftet. der steht σεδέρασιν ἐν γαίης πρόπαρ Ἑσπερίδων λιγυφώνων. Hesiodos hatte von dem drachen gesagt σπεέρῃσεν μεγάλαις παγχρύσεα μῆλα φυλάσσει. er denkt sich also hier die äpfel nicht im garten des westens, sondern im innern der erde und zwar da, wo ursprünglich Atlas und Ladon zu hause sind, an ihrem mittelpunkt, vgl. zu v. 394.

3) Dafs unsere ausgaben noch die dative Φόρκυϊ und Φόρχυ neben einander haben, ist ihre schuld. Hesiodos sprach u, und ui steht ebenbürtig neben ai ei oi, mag der erste vocal lang oder kurz sein. in den casus obliqui ist das u kurz, aber sehr wol kann seine länge von nominativ accusativ auf diese casus übertragen sein, so dafs man Φόρκυος für Φόρκυνος 336 setzen könnte wenn es nölig wäre. aber neben dem genetiv Φόρκυνος steht der dativ Dopxvs genau so gut wie Θέτε neben Θέτιδος, μάστε neben μάστιγος. somit dürften alle anstöfse, die Arthur Meyer an dieser partie genommen hat, erledigt sein.

zu v. 1258. 289

in den schlüften der erde nach griechischem glauben, und diese unstäten gesellen denkt man sich vielköpfig; Boreas hat ja einen doppelkopf, und so die windigen sophisten bei Parmenides (55) und Kratinos (Panopt. 2), Typbon hat hundert köpfe bei einem dithyrambiker (Arist. Wolk. 336), und wenn später von seiner gestalt, wie sie der giebel zeigt, nur die schlangen übriggeblieben sind, sowol beim falschen Hesiod wie in der kunst, so ist das eben wieder umgestaltung. aber wenn so Hesiodos zu dem relief gut stimmt, so erzählt er doch von keinem kampfe. er konnte es nicht, denn das was das relief darstellt ist nicht eine episode, sondern viel eher eine dublette der titanomachie'), durch welche Hesiodos das regiment der götter und damit die bestehende weltordnung begründet denkt. denn wenn Herakles Echidna bezwingt, was ist es anders, als in einem kampfe zusammengedrängt der teil seiner lebensaufgabe, den Pin- daros und Euripides ἐξημερῶσαε γαῖαν nennen? es ist das rechte gegenstück zu dem kampfe mit dem vertreter des meeres, der Triton, Acheloos, Nereus heifst. auf der erde wird so der göttliche sohn fertig; im luftraum braucht der himmlische vater seine donnerkeile. offenbar ist dabei der Typhonkampf seiner natürlichen bedeutung etwas entfremdet. denn die hundert häupter der windsbraut fahren alljährlich aus den schlüften und müssen mit blitz und donner auf die erde zurückgeworfen werden, damit der unbewölkte Zeus lache. tritt aber Herakles neben Zeus wider Typbon auf, so handelt es sich um einen entscheidenden kampf, auch für die weltordnung und um die herrschaft des universums. es ist aller- dings eine parallele zu der beteiligung des Herakles an der giganto- machie, die sogar noch unseren ältesten bildlichen darstellungen fremd ist.

Wir müssen auch diese sage, so viel einfacher als das grofse epos der gigantomachie sie ist, zerlegen um sie zu verstehen. auch sie ist ein compromiss zwischen den vorstellungen der einzelnen Hellenen und den zuwandernden Dorern. Typhon ist hellenisch; beweis, dafs die vor den Dorern ausziehenden völker ihn nach dem innern von Lydien (die Magneten haben hier den ersten anspruch) und an die küsten des westmeeres mitnahmen, so dafs er nur eben noch in verlorenen winkeln des mutterlandes nachweisbar ist. Echidna ist ein erzeugnis dorischer phantasie; den Hellenen erschien die erde nie als etwas so arges, weder

1) Als parallele zur Gigantomachie hat sich der Typhonkampf entwickelt in den nesiotischen sagen, die Pherekydes von Syros erzählte. denn sein Ophion ist ersichtlich ein wesen wie der Typhon des giebels. leider ist die sage nicht mehr kenntlich: aber sage ist es, so gut wie die hesiodische. ich traue den versuchen nicht, welche Pherekydes zwischen die milesischen philosophen einreihen.

v. Wilamowlız II. 19

290 Nachtrag

Γῆ die mütterliche, noch selbst XJovia. wir finden denn auch Echidna, so selten sie ist, an peloponnesische eltern angeschlossen’), sie wird in der antidorischen sage von Argos dem eponymen getötet (vgl. I 83), und gebiert dem Herakles die ahnherrn der Skytben in der ersichtlich auf Herakleoten, also Megarer, zurückzuführenden sage bei Herodot (IV 8). wie es oben von anderen dingen gesagt ist (zu v. 394), und wie es sich nicht selten zeigt, stehen auch hier die Hellenen zu den Indern, die Dorer zu den Germanen. denn Indra im kampfe mit den Maruts darf genau so mit dem ursprünglichen Typbonkampfe verglichen werden wie Echidna mit der Midgardsschlange, die Thor zu bekämpfen bat. auch diesen schlufs darf man wagen, dafs der kampf mit Echidna ganz in dieselbe reihe mit dem Löwenkampfe und dem Tritonkampfe ge- hört, also der allerältesten sage einzureihen ist, und dals die Hydra wirk- lich ein kind Echidnas ist, in Argos an ihre stelle getreten, indem die auf dem locale von Lerna beruhende specialsage sich vordrängte. diese nahm der dichter des dodekathlos auf und verwarf deshalb Echidna. und so ist dies stück, so alt und bedeutend es war, der Heraklessage früh verloren gegangen: ein neuer beweis für die ungemeine macht, welche Argos und sein epos, der dodekathlos, ausgeübt hat.

In Athen, auf einem boden, wo sich das althellenische mit dem aus der dorischen nachbarschaft zudringenden verbindet, finden wir den kampf von Zeus und Herakles wider Typhon und Echidna, der auch ein com- promiss zwischen hellenischem und dorischem ist, wir finden ihn bei dem künstler und bei dem dichter. das ist also nur in der ordnung. aber gar viele verwundern sich, eine reihe Heraklesdarstellungen auf der burg Athens zu Solons zeit zu finden; sie vermuten wol gar einen tempel des gottes. dies ist vorschnell; denn wer kann sagen, wie weit eine be- ziehung des giebelschmuckes auf den herrn des hauses zu jener zeit gegolten hat. dagegen die bevorzugung des Herakles beweist allerdings die macht der Dorer über Athen, und wer diese bisher nicht erfalst hat, der mag sie nun mit händen greifen. wer aber aus der geschichte ge- lernt hat, was er längst lernen konnte, der freut sich es hier bestätigt zu sehen. das Athen des 7. jahrhunderts hat die front nach westen, zu den Dorern von Korinth und Megara, es teilt mit ihnen die aristokratie, die ausschliefsliche pflege der landwirtschaft, die standesvorurteile und passionen, auch mals münze und gewicht; seine herren sind mit dem dorischen adel verschwägert. das ändert zuerst Solon, dann Peisistratos.

1) Osigas, gehörig zu Πειρήν Πειρήνη Πείρασος, und Styx, Epimenides bei Pausan. VIII 18.

zu v. 1258. 291

jetzt dreht sich die front nach osten, auf Chalkis und Eretria, auf die inseln und das meer. mit Megara aher, und dann mit Aigina, und dann -mit Korinth wird der kampf aufgenommen. zu Kylons zeiten schmücken Heraklestaten die giebel der gotteshäuser: die Peisistratische zeit erschafft die Theseis.

Endlich noch ein wort über die gesichtsbildung des Herakles, in welcher Brückner bewulste absicht des häfslichen annimmt, offenbar sich stark verwundernd. gewifls ist das absicht: ὀνοτὸς μὲν ἰδέσϑαι καὶ μορφὰν βραχύς ist Herakles, wir haben es ja oben gesehen (I 338). es ist aber allerdings sehr merkwürdig, dals die älteste kunst sich selbst eintrag tut um wahr zu sein und Herakles ‘ähnlich’ zu bilden ; dafs die spätere sich die freiheit nimmt, den heros in ıhrer sprache als solchen erscheinen zu lassen, ist ihr volles recht. und allmählich verliert sich so der hochaltertümliche zug, dafs Herakles häfslich war: wieder ein tiefer gegensatz des Dorertums zu dem hellenischen glauben an die überein- stimmung von χαλὴ ψυχή und καλὸν σώμα, die freilich schon zu Pindars zeit allgemein galt. und als da ein neues ideal leibhaft den widerspruch zwischen leib und seele darstellte, ward auch dies problem von neuem angegriffen. die häfslichkeit des Sokrates hat dem Phaidon seinen Zopyros eingegeben (Herm. XIV 88). an gewisse altchristliche ketzerische vor- stellungen von dem irdischen leibe Christi sei hier nur von ferne erinnert.

Noch ein zusatz ist nötig. mancher könnte sich verführen lassen, einen Ἡρακλῆς μαινόμενος des Sophokles anzunehmen, weil Nauck in seine neue fragmentsammlung als nummer 741 aufgenommen hat, was G. Schmid bei Philodem de relig. 36 schön hergestellt hat πεποιήκασε. . τὸν Ἡρακλέα χαὶ μανίᾳ κατάσχετον ὡς Σοφοκλῆς καὶ Εὐριπέδης. das geht aber auf die Trachinierinnen. Herakles bezeichnet sein leiden selbst als ἀχήλητον μανίας ἄνϑος 999.

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REGISTER.

——m

I. Sachregister.

ÄAbanten . “2202... DB 91| Alkaios, bucheinteilung _ 2. .14 accusaliv.. . . . „MH 134| Alkathoos . . οὖς 294 326 als apposition zur actio verbi 11 63. Alkestis . ... .8}9 65. ΤΊ. 86. 128. 135. 137. 195. 284 | Alkman . . 11. 278 Achaeer .. 0. 2274| papyrus . . ...166 Acheloos . .272]Alkmene . . 2. 2. .2.... 29. 297 adiectiva auf auos . ii 75. 240) Amarantos gramm. . . . . . „188 auf mens. . 11 102 | Amazonen 0. 302 I 133 auf ıo wos. . . 156. 222 | amphiktionen 265. 318 mit abundirendem zweitem gliede 11] Amphitryon . . „297. Il 64 242 12. 1832 Amyntor v. Ormenion . . . . „317 mehrere bei einem nomen . . {1 270| Anakreon . .. 10 statt blofser privstion (ἄπαις παι- Anauros I 127°) dd)... .- II 74 | anakoluth® ΤΙ 90. 92. 201. 244 -- rusammengeseizte statt Beneliy mit | Anaxagorass . . . . . . 25 sttribut . . . 1 155 | Antaios . . . . . 1127 an nomen regens attrabirt . 218 Antigonos grammat. . . 189 Admete . . 0... . . . 296 | Antikleides .. . 385 Aeolis . 0. .. 10 aorist . Π 108. 195 Aetna . .. 16 Apollodoros, unbe Epicharma . .149 Aetoler 263. 272. 319. I 58 | Apollon . . 265 Agathon 0. 16 | Apollonides Κηφεύς . 191 Aidos . . „11 156 | Apollonius Dysk. αἰ zu Aristoph. . .119 Aineiss . . . 282 | Apollonios Rhodios, scholien und hand- Aischines gramm . oc. .155| schriften 186 Aischylos . 16. 92. 123 | Aratos, ausgaben und scholien 190 bilder . . Il 15 Archelaos von Milet . .. 24 dialekt 126 11 83 | Argos . . . .ὄ . - 267. 299. II 143 -- geographische kenntnisse . 32) der heros . a °* metrik . . . 170. 116| Ares und Aphrodite . . . .315 tragödien der auswahl . . . „195 | dem Kadmos behilflich . . 11 103 text und handschriften . . . .204jArion . . . . . 64. 85 Europa . 38. 108, Aristarchos . .. 151

Lykurgie. .

Orestie, personenverteilung“ Proteus . . . . .ὄ . - Alexander gramm... . . Numenius, tragikerlecture . Alexandrinische studien .

. 88 Aristodemos v. Sparta

. 380 | Aristophanes, komödien der auswahl 129

. 89|— handschriften . . . . . . ..182

.197:— Acharner . FE

. 202 | . 2 . 151, - von Byzanz 55. 131, 155, 158. 163

. 382 Frösche .

*) Da der Anauros bei Hesiodos (Asp. 477) in dieser sage vorkommt, darf er trotz seiner kleinheit für einen bekannten flufs gelten.

Register. 293

Aristoteles . . 48. 115. 133 | blonde harfarbe . . . ... 1198 definition d. tragödie 0. .107)böcke. . . 2 2 2 2 202.8 Artemidoros gramm, . . . . .188)Boeckh . . >) | artikel. . . 1182. 137 bogenschützen . er 7 7 | Asklepiades grammatiker “0. ..145|Boeoter . . . nn. 264 Asopos grenze Boeotiens . . „11 255 brechung von a zu δ. .1122. 126. 229 Asstess . 20000 .324|Bruonck . . 2 2 2 02020202 ..2330 Athena u. Enkelados. . . . . 1 222! buchwesen -. - -. » » 2 ..%.1% des Pheidias 2 ..0.133l—ttel . . . 202000. 2123 Allas . . . . >. ...1130| bandeinteilung . . 0.148 attische schrift . . . . . . . .128 bühne, äufseres der anlage . .. 17 urbenität. . . . . . U 153. 158! Buphonien . . 0.60 attraction des adjectivs vom nomen Butes . . 2 2 2 2 nenn. 281

rectum auf nomen regens Il 134.140. 144 | Buttmann . ον νι «8340 des τεϊαϊϊνα. . . . . 1 141. 291 Byzantinische textkritik . . . . .193

des tempus (λάϑε βιώσας) . ἸΪ 153 auge sitz der schönheit. . . . I sIC Charon - - 2 22.220. 0.1137

augment der verba mit εὖ. . „1 2601 . 2 2 2 2 2 2 2720. 2166 Augustus apotheose . . . . . .174/Chios . - . 2 2.2.2.2..66. 320 Choirilos . ον νιν κι νον͵ 80

bedeutungswendel durch eulturfort- Choner . 2 2 2 20200. 262. 273 schritt . . . . 0... 19. 165 |choregie . . ee... 7 bekränzung .. - . „1 181 | chorische lyrik . . 2... bilder und vergleichungen Choricius, iragikerlecture .. . 202 fom . . . 1167. 18} Χριστὸς πάσχων 2. . 201. 209. 212 übergangin mythisch-religiöse sym- Chronos . . 2000.20. .1 197 bole . 1197. 215 | Chthonie . . . „N 164

_ vermischung“ .. > ...1 187! Clemens Alex. kennt die Bakchen . 207 hergenommen aus dem bauwesen II 268 |cultur der archaischen zeit 65 fig. 288.

biene . . .1 147 327. II 96 vom fahren und stacheln Ι 216. 233.1 des 3. jahrh. v. Chr. . . . .134 himmelloch. . . . .. . 2 264 | des 1. jahrh. n. Chr. . . . .162 jagd . .. NH 187. 215'— des 2. jahrh. n. Chr. . . . .174 leib ein kleid... ... .H 269 | cultus . a νων 60 musik. . . „1 216! Cyrill glossar . . . . 2 ..2...200 Perserherrschaft höchstes gläck 11 175 pferd . . . . ... 17 | ı Damon von θα... .ὄ . . .- 31 pfeile... . 0.0 {1{2984 Danaiden .. - ...1237 rasirmesser . . . . - „. „1 168 ‘danke ja’ und ‘danke nein’ . . 11 105 rusch . 2. . 11 217: dativ 11 62. 72. 75. 93. 108. 247. 283. 288. aus der ringschule ....1221 aufno, ac . - 0 0. .127 stachel . . . ... . 157. 216|— statt genetivs bei einem sub-

stein . . . . ...1282) stanliv. . .. . . 1166. 233 see, SEeWESenN, schiff u. dgl. 1196. 147 | Deianeira . . 222.0. .319

184. 193. 204. 240. 243. 244. 261 | Delos u. Deliaden een en 2.346 speere und ähren . . . . . 185; Delphi. . . 202.265 unflügger vogel . . . . . 1 239 Demetrios Chlorgs gramm. -......189 wolke. . - „1 250 | Demophilos Onagos .. Π 53 wunsch entrückt zu werden . li 254 |dialekte . . . .....73. 19. 143 biographie . . . 2... . Aldichterhonorar . . . . . . . . 1

*) Für den lediglich copulativen anschlufs der vergleichung ist ein beispiel, wo der moderne leicht straucheln kann, Phoen. 848 ὡς πᾶσ᾽ ἀπήνη πούς Te πρεσβύτου φιλεῖ χερὸς ϑυραίας ἀναμένειν κουφίσματα. 'stütze den greisen Teiresias, der nun am ziel ist, denn wie man beim aussteigen aus dem wagen eine fremde hand braucht, so mufs der wegemüde greis von einem andern gestützt werden’. dies ist freilich im ausdruck so gekünstelt, wie es unnatürlich und lediglich durch die bühnensitte bedingt ist, dafs Kreon dem greise keinen stuhl holen läfst.

294 Register.

ra u δ 1

Didymos . 2.58. 75. 157 H ΤΊ. 14. 87. 177 τραγικὴ λέξις. . 2 2 0. .168|— des heroldes 220.369 Dikaiarchos . . - 12. 133|— des kindes . . 367 11 65. 144 Diogenes von Apollonia - > 202 2.238*%)|— des plebejiers . . . . . 273 Diegenian . . 2 ...164|— des tyrannen . . 2100 Diomedes. - - . » .........1308|— nachahmungen des Aischylos 160 1174 °

Dionysien . ες. 48|— des Herakleitos H 67 Dionysios scholiast zu Eur. . . .199]— des Hesiodos 1 198. 199. 273 Dionysos religion . . . . . 56 1 48 -- des Homer . II 203. 218. 249 πελάγιος. . » > 2 2 2 2. 62] des Mimnermos . . . . R 175 Dioskuren .... 1358| von sprichwörtern . H 110. 274 Diotimos v. Ädramyttion 0 ...8310|— des Xenophanes . . . „18 278 dithyrambos.. . . .....83. 78|— prologe 2... 84 -- κεἰ. .- «ὦν ννὺνς 6452) rhetorik II 86. 268 dittographien . . . . . 2. -1417| satyrspiele .. 0 Dorer . 2 2 2 2 22 nn 26 rw m. . 352 I 2

religion . . . . 287. II 131. 289 | verskunst. 845 Η 5 volkspoesie . >22. .311|— im trimeter 106. 232. 513. 216 werke. 32

eund®&. . . ..... 16θ0----- gesammtansgabe und ihre hand- Echidna . . . . 2 .2.2...3286| schriiten . . . .. 2070 1 ekkyklema . . . 2.2... B33|— auswahl . .195 Eleer © © 2 2.2.2.20.2.226% 2711 handschriften derselben . 205. 220 elegie -. - - > 2 2.2.2....57 68] Alkmene. . . . 298 elisin. - - - 2 2 2.2..2...196| Andromache 348 Eimsley . . en. 2228| Aiolos . 34 Ennius Epichermus nn 301 Auge . 88 Epaphroditos . . . 186. 310|— Bakehen . . . . . . . 88. 379 Epicharm. . 2.20. 58. 3345) überlieferung . . . . 145. 207 -- bandeinteilung _ ον . 149] -- falsche Danae . . . . . . „211 Epirus. . .. 2.2.9383 273|—Heene . . ...22.2.0.114 κων 67. 811 -- Hiketiden . . .8349 Eratosthenes nn... 861- Hippolytos, antike handsehr. . . 214 ergaslinen . 2 2 2 2.2.2.02..346 Iph g. Aul, . . . «1.1 Erythrai . . . . 2.2... 211. 318-- Kresphontes. 20.39 Eryx . > 2 0.281] Kyklops, textgestlt . 00. 2.218 etymologisiren der dichter . . M 62. 82|— Orestes . . ... 114. 38 Eugenius gramm. . . © . . ...197i— Palameds . . . . .......%363 Eukles der herod. . . . . . .346|— Peliaden . . . . . 2.2... Eumenes sg} κωμῳδίας ον ως. 184) - Phoinix . . . 22.222.838 Euphronios grammatiker. . . . 641— Phrixo ® . . .». . . .ὄὄ .. 42 Euripiddes. . . . . .I μὲ 1. cap, 6'— Sisyphos. . . . » 2.2.2.8 saeolismen . . . 3 201|— Syleus . . 2. 2 220200020. bilde. . . 2.11 15. 96|)— Troerionen - . 2 22.2.2. 84 -- charakterisirung des chores . . 363 | Suodgeyarııs . . . . ... 41 . 64l— der sohn. . - 22.2... 07

| der frau Φ . . 4

Euripides charakterisirung des greises

*) Auf grund von Theophrast de sensu 42 könnte man versucht sein, das was ich auf Epicharm beziehe, dem Diogenes zuzuschreiben. allein der anklang an den vers schlägt durch; nichts hindert aber den verfertiger des Epicharmgedichtes von

Diogenes abhängig zu denken.

) Aristophanes von Byzanz citirt ein edicht des Simonides unter dem titel

Earopa (fgm. 28). aber dals es ein dithyr

wesen wäre, ist eine annahme

ee Au willkür. mit den stesichorischen si diese titel zu vergleichen.

3 >

Auch im m Oidipus (1, δ) spielt Euripides auf den falschen Epicharm an,

οὐ γὰρ ὀφθαλμὸς τὸ κρῖνόν (Sylburg, κρόνϑεν eod.) ἐστιν, ἀλλὰ νοῦς (δρῶ): 80 ver-

bessert sich der vers mit schönster pointe.

Register. 295

Eustathius, tragikerlecture . . 195. 212 |heroennamen in Makedonien . . . 263 proleg. zu Pindar. . . . . „184 |herolde . . 2 2 02 2.2.2.2..8369

Hesiodos . een. 66 fackellauf . οὖς 77|— Theogonie . . . . . 821} 286 fahren und reiten II 134. 143. 196. 216 | textgeschichte . . . . . . „191 Faust .„. . . . . „286 |Hesperidien . . . . . . . „1129 femininum . ον . .mısı Hesychius . . . » 2.20. .164 figuren, brachylogie 2.111983. 277 Homer. - . - 2 2.2.2..0.9 hysteron proteron. . . . „11 228) Athla. . . . .. 157. 104 Ἰωνικὸν σχῆμα . . . I 84. 106 |— Οἰχαλέας ἅλωσις .. . 313 ἀπὸ κοινοῦ. . . . 1100. 2447) hopliten 2. . 34 1 86. 92 paronomasie . . Il 86 ὑποϑέσειες 0.000. . 133. 145. 170 eriphrasis . . . 1 138. 185. 200 ὑπομνήματα... . . 2 000. .122 ori egien . . . - “0.0.47 |hyporchema . . . . 2. 2.2.0.7 flüsse und inseln . . . . . .1 272 lamboo . . 22222020020. 68 Seneliiv . . . . 159. 78. 247. 252 ]laon, Β 8... 2 2222. 1 doppelt . . Il 87 |lardanos . er } \ partitiv . . "m 110. 113. 125. 206 Iberer in Sielien . . . 2... 81 an stelle des ablative . . 1] 2215 ἵππος [Bios . . . ... 17% geographische ı namen in poesie 11 176. jilische tfeln . . . . . . . .110 εἴ88. . . . „1 174 jimperfetum. . . . . . . .1[151 gesin. . . 2... ἸΙ 149. 156. 260 | Indisches drama .. 49

Gigentomachie . . . . . NH 89. 258 | infanterie schwere und leichte 11 86. 92. 344 glossen homerische im drama II 252. 259 |infiniiv . . . I 165. 185. 233***) Goethe . . 2 2 20 0. 234 338 jinterpunction . . . . .. 12712

Gorgo . . . . „1218 )lon. . 2 2 2 2 2 nn. 0 Gregor v. Nazianz, tragikerlecture .202|— Omphale. . . . . ... .814 lolaos . nn nr 294 Habriades monarch von Kos . . . 3llonier . . - ..... 104 260 hansanlage “22202020. . MH 225 | ionische nymphen . nn. 3261 Hebe 2020202020000 080 |Iphikls . . 2 2 2 2 nn. 294 Hekatalos. - - - > = 2 2 20 Si llrenaeus . - 2 2 2.2 0.20.186. 197 Heliodor . . . “2020000 „18l jIsokrates . . . > 2 20200. .132 Hellanikos gramm. 1.5 1 17177 ον τ νος ϑὺδ Hellenen . . 2000. .2358 /lon . ee 00000.2..315 Hellenische geschichte >20. 0.0.65 | lulian, dichterlecture . . .....202 Hellenismus . . - - . . 2. „134 |jungfräulichkeit der göltinnen . .1 204 Hera . . 2 2 2 20202002 00.296 |Instin d. gnostiker . . . 0.837 Herakleen . . 202000. »808 |Ikion . - 2 2 222 n. U 272 Herakleia a. Pontos . . . . . . 280 Berakleitos . . 11 67 \Kadmos drachensaat . . . . . 1103 Herakles . . I cap. 5 cap. 6. passim |Kallinog buchhändier . . . . . „148 G. Hermann . . . 47. 235. 244. 11 175 |Kallistratos der Aristoph. 1.) | Hermione. . . . . . 164 |Karer . . . 002.289 Hermon v. Delos . . . . . .1161/Kams . . .... . 266

Herodian zu Aristopban. . . . „179|jKentauuren . . ... 82 Π 90. 123

5) Noch einige werivolle ‚belege: ; fe 27 7 ἁλὸς n ἐπὶ γῆς. .. πῆμα παϑόντες. Aristoph. Vög. 694 γῆ ἀὴρ οὐδ᾽ οὐρανὸς ἦν. Teische inschrift 3. jahrhdts,, die ältere formeln wahrt, en de Cor. Hell. IV 115, z. 55 (Dittenb. Syll. 349) προ- ϑεσμίᾳ μηδὲ ἄλλῳ τρόπῳ μηδενί, Faust 1124 mir sollt er um die köstlichsten ge- wänder, nicht feil um einen königsmanlel sein.

**) Dafs dieser genetiv wirklich 80 zu fassen ist, zeigt sich in dem zutritt von ἐξ, Soph. Trach. 874 Beßnxe .. τὴν ὁδὸν... ἐξ ἀκινήτου ποδός. A. Choeph. 70 ἐκ μεᾶς ὁδοῦ,

***) Hippokrat. π. γονῆς 1 ( 312 K.) καὶ ἀποκρινομένου [ἀπ αὐτοῦ δρᾶν παρίσταται οἵη λαγνδίη. veneris imago versatur ante mentem, dum semen a dor- mienle effundilur.

296

Keren . .

Kerkopen .

Kinsithon . Rirchhofl . . . Kleito .

Kleomenes v. Rhegion Kolometrie . κῶμοι...

komödie . . .

dreigeteilt .

schrift περὶ κωμῳδίαν .

Korinna . . . .ο Korinth .

Krates νυ. Athen

v. Malle . Kratinos Δηλιάδες.. Kreophylos .

Kritiss. . . . Kureten . . .-

Kyklopische mauern . . .

Kyknos

Kylikranen . . «ιν

Kyprien

Ladon

Lamos .

Lasos .

leber .

Leleger

Lessing .

Nathan

Linos .

Lobeck

localgötter . löwen in Hellas . Lucillus von Tarrha .

Register. . 11 147 |metrik: snapäste 212 . . .8315,— bakcheen. ως .1212 . 309. 312} bau nach μέτρα . . 16 . 251 |—baunachstollen und abgesang 11117.171 δ. 10 |-- daktyloepitriten . . . 11 70. 256 . 64|— dochwien . .351 II 188. 210. 234 . 141 |— enoplios . . . . . . 170 212 . 54 |— gliykoneen II 117. 171. 190 . 51 | hiatus. εν . U 240

. . .134:— iamben . .ν.... 189

. 112. 134 --- iamb. trimeter, anapäst . . II 96

.. 11)-- δες... ....119

83 | usen . . » 2 .- - «1106

134 |--- ἰοηΐ er . Π 111

155 |— Reizianum 11 234

. 347 |— responsion . il 211

312. 318 |— rhythmischer refrain . " 116

. . 151— spondeus. . . ...13235

. . 84|— trochaeen . . . ,.,.ῳΔΚὖ. 1169

. . 156|— tetrameter . . . 350

11 73. 127 )— unterdrückung der senkung „1119 0.316 | unvollständigkeit des ersten me-

. 356. 360. (08 . . - «νὸν. 411{189 verkürzung von vocal vor vocal.

II 130 anlaut . . . .- νὸν .9349

‚315 | wort- und versaccent 1 177

64 Mnesilochos FE |

ontaigne - . . 2 2200202 .223

2 3 10. Müller. . 2 2 2 2 2202 2241

45.233. 'Munatius gramm. . . .. . 158

54 ı musicalische compositionen .. «121

Π 119 Musurus . . . 221

"99 Mykene . . 308 11 56. 227

᾿ αὶ 199 0. Μῦς -. . . 2.22.2241. 340

mythographie . . 0. ..169

"186 ‚mythographische reliefs. . . . .170

Lykophron, ausgaben | und scholien . 190 jmythologie . . . -. 98, 285. 337 dialekt . . . . 136

Lykos. . . . 359 |Msturgefühl . . . . 2. .Ὄ .... τ Lykurg, theaterreforn .121 |Nauck. . . 250

Iyrik . . . 70|Naxos. . 2. 2. 2 2 222208 Lysimachos gramm. 200. ..169|Nemea . ....N1123 Lysa. . 2... 370 II 205. 215 |Nikander, textgeschichte . ...0...189 Niobe v. Serrha . . . . 190 iobe . en Makedoner _ . 201. 218 (vie BE assalla . “κι. -- κιϑαρῳδικί . . . ... Maximus v. Tyros, ragikerlecture . 211 er 2 16 Medea. . . . . . . 113. 115 Megara 294. 326 θεία. © 2 22220. 831 Megara d. "gedicht . . . 323 |Oichalia . 317 11 145 Melas. Melier 316 |Oina . . . . . . - Π 125 Melito . Tjolve . . . „1257 Messapier .. . 262 | Olympia, westgiebel metopen . .808ὅ messenische kriege . 268 |Omphale . . . . . 314 Methymna . . 63 Jorgeonen . . . 2 2 200020. 51 Meiis . il 238 |Ormenion . . . .317

metrik: anaklasis ᾿

„1 190 !Orphiker . © 2 222220028

Register. 297

ὀρχησταί. » 2: 2 2 200. ö|praep. statt ganzen verbs in anapher I] 240 OÖrchomenos . . - - . . . . 11 97|— mit nomen neben nomen Il 64. 150. 209 Ovid 2 2 2 2 een en. 147. 225I— tmesis . . .. 161

praesensstamm dynamisch 11 56. 222. 231 Palamedes gramm. 0 2000. .179|— ersetzt andere verbalstämme II 104.

Pan .. nee 88 165. 186 Panyassis . “2020. 3090. 316 Pratinas . . . 2 . .... «580. 75 Papirius Fabinüus . . 2.2.0. 62lPraila 2 2 2 2 22 2.2.70.85 parabase . . » 2 2 2000. 84 Praxiphanes ER 1:7: paraphrase -. . - 2 = 2.00. ..178|proagon . . | παραπιγραᾳφαί . . » x. . .124|Probus von Berytos 20.000. .162 Parmenisko8. -. - © « . . . .155/Prodikos . . 2... 27. 335 Parnassos. . - 2..M 102|Proklus chrestomathie 2... 0.112 participia auf ων femininisch . . 11 195|Prokne . . . 2... 238 atronymica gentilicisch. . ‚293 11 60 pronomina ausgelassen 2... 18 δυϑδηϊδβ . . 2 0 0.0. 325. 357 Protagoras a κὸν 946 Peisandros von Kamiros . . . „309/Pylos . . . .... 1131 Pelasger . . . . 259 | Pythagoras, schriften. . . . .. 28 peripatetiker, kunstichre 112. 118. 115 |pationalismus 95. 285 ero . ΜΝ ; “ν rechtliche snschauungen und verhält- personenbezeichnung . nn. nisse der urzeitund des adelstaates 3. 290. ereonification >22. . 141| 1m 208 II 60. 125. 210. 275 UK. . 2 een. 243 Phaeinos gramm. | 1 ΤΟ ΤΟ ΤΟ 18] rechsfge der verueilng einen ον Fhaidimos "nisenthe 20202 «810 Reisig 942 aidon v. Elis, Simon . . . . . 110)». ὈΠἰΠ ΠΤ τ τ Pherekydes . . . . . .. 36. 176 Reiske. 1, fahre et et Philochoros . . . . 2... 32. 68 reiten. δ." ‚fahren . 010 ϑ Philoktetes - . "a ei en rn δες en sein N 11 216. 233 philologie, griechische seit der renais- religton 56. öttli 85. 811 29. a. Fr sance . . 1 cap. Al Rnesos tra ai nn 33. 35. 41 Philostratos d. jüng. ragikerlecture 201) metris 5 ie h ik. [it να Philoxenos 19 che techni en. 22 Phiya ΕΝ u antike handschrift rn 214 Pholoe """ " ᾿ " Ι 90 ΠΡΙΔῆ08 . . . «Ὁ νὸν τς 10 ΟΝ " Rhodos .. 299 Phrrefchos nn nn 262 romantik . ne. 95 Pindaros . ΠΤ ΤΟ "8, 103. 265 rötel der lotschnur . . . . 228 textgeschichte . . 139 |Bage . . 2 2 2 02er Höhe. auswahl und handschriften . .„184|Salamis . . dithyramben. . . . . . . 76|Sallustius, grammatiker "des namens 197 Di Nem. Ὁ. . 2.2... 298. 328 |sängergilden . . 2.2.0.7 ius gramm. . . 2 2 2000. „19T isatyn. 2 2 2 2 2 2 2. 8ῖ Platon. . . 22.2. 132 satyrspiel . 2 2 2 2 20. 85 **) Plautus Amphitryon > 22. ..1 2421Scaliger . . . ες 222. 225 luraltitel von dramen . . . . 55*)|scenische darstellung . . , 354 II 50. 285 iutarch zu Nikander . . . . .189|schauspieler . . . ‚180. 152. 161. 380 IIowai . 2.2.2.1 221] costum . . . . ... 181 Πολιτεία ᾿“ϑηναίων en ...129|— Bilden. . . . . 2 2 .2..2.8 Porson. . . 2.2 227 II 173 Schiller, idylle -. . - . 2. .2....939

praepositionen . . . » . 2. 1591A.W. Schlegel. . . . 2 2...46

*) Noch Aristoteles citirt πλάτων ἂν Iloksteiass, Pol. 1293b 1, wäbrend er meist den singular hat. auch bei jungen komödientiteln schwankt der numerus oft, und die herausgeber korrigiren, sehr oft ohne grund.

**) Für den ersatz des satyrchors durch eine andere maske ist noch ein bei- spiel bezeugt, Ξἴλωτες οἱ ἐπὶ Ταινάρῳ aarvpo, (von Sophokles), Herodian bei Eustath. zu B 594.

298 Register.

F. Schlegel . - . - - » . - . 47]Sophokles, bilder... . . . 175 scholien, entstehungszeit . . . . 165 dramaturgie . .. .118 zu Aischyjlos . . . . - - .201-- geographische kenntnisse .. 31 Prometheus . . . . . 1m a | | za Apollonios . . - . . . 1861 jomismen oo... .21% zuArat . -. » - 2 2.2...19%|— metrische technik. . -. . . . 2 zu Aristophanes -. . . . . .1198] bau des rimeters. . . . . 106 zu Euripides . . . . . - -190 religion . Β. 263. 266 Andromache . . . . . .158|— Iragödien der auswahl . . +18 Hekabe . . . . .. - .189 . . 354 - Orstes . .. . .ὄ .. .1581|-- τ Antigone,” personenverteilung . 0.381 -- - Droerinnen 00200... ..1891— Klekıra prolog.. . . . u 6 zu Dionysios perieg.. . . . . 192] Iua ne zuH sid Pre . ....191|— Skyrier -. » » 2 202000. 201 zu Horaz . 0 2. .0.467|— Tereus . . ». »...0.0.1332338 zu Kallimachos . . . . 186. 193 --- Trachinierinnen . . . . 343. 353 zu Lykophron -. . . . . -. .190|— der grammatiker . . . . . .186 zu Nikander -. . . . . . .189|Sophron . . 2 2 2.2.2 .2...8 zu Pindar . . . . » . ...184] Sparta. ... .24 zum Rhesos . 0.0.15 sprächwörter mit it epilog . 2... der römischen dichter . . .. 161 δίδεει . . . 0... 1 216 zu Sophokles . . -. . - - .196[Stesichorros . . . . . 72 108. 272 -- —0.K.... 0.0.0. 0. .156|Sthenelos. -. -. -. x». 2% U 231 zu Theokrit. . . . . . . .187JStobaeus . -. -. - . 2.2... .11 ει πιο mens . . - ...167 'strafsennamen . . 1119 der . . 151 'stammes spiel 367 II 152. 168. 247. 279 schnlauswehl elsssischer gedichte 195 Me: ı subseription der zeilensamme . . .14 schwan . . . . 1 72. 183 | Sueton . .. 2.0. .186 δεῖς... . 2.2.2... 229. 22 sühngebräuche . ΝΎ 11 2286 selbstmord . . . . . . BR 252. 266 |Syleus. . 00. 38. 315 Seleukos . . . . . 2 2. . „161 |symbeolische handlang. ον νος 60 Simonides > .....36. 57 |Symmachos gramm. . -. . . . „179 Seneca, tragikerlecture . 173 |synaloephe . . . ». - >... 196 Hercules . . . 368. 372. 386. 387 syntax, spodosis unterdrückt . . II 241 Seriphos . . . . 2... 38 |— bedingungssätze . . -ΠΕ τὺ Sextio grammat. . . . . . - -192 -- bezeichnung eines ganzen durch Sicilien - - -. - - 2 2.2... ..103| zwei complementäre hälften Il 216) Sikyon . . . . 2.2... 0. 83]— copulative verbindung . . 16 Silene 82, differenziirung des ausdrucks li 97. sitte und sittliche anschauungen 359 1155. 424)

112. 153. 266 |— doppelter ausdruck . . H 88. 93) Skylhinose . . . 2... .1 180 -- einschub eines satzgliedes ohne

So .. einfluls auf die construction Il 97. 232 sonne . . . . . 11 207. ie) ellipse des nomens vom verbal- Sopater dnloyad . . . - . . .181) samm ... ....D118

Δ) So erklärt sich auch die vielbeanstandete anrufung des Helios in Aisch. Choeph. 986. Orestes weist das netz, in dem sein vater erschlagen ist, dem alirater Helios, damit dieser ihm einst bezeugen kann, dafs er φόνος δίκαιος began en hat. es ist nur ein vollerer ausdruck für Ἥλιον μαρτυρύμεσϑα. --- ϑερμά Ἡλίου τοξεύματα auch ἔσαν. adesp. (in wahrheit Eurip.) 461, vgl. anch italienisch Jo sirale® der pfeil.

“ἢ Noch zwei sehr schöne belege, Herakleitos 20 κόσμον ... οὔτε τις ϑεῶν ἐποίησεν οὔτε ἀνθρώπων. Lysiss igm. 152 Spp. ἀπεισεεῖν ἐν τοῖς Ψνόμοις μήτε ἅδον μήτε δίκαιον λέγειν.

***) Arat, 205 ὀνομασταὶ ἦρε καὶ ἑσπέριοε.

}) Ein sehr schöner „bel, den freilich ‚die kritiker wie gewöhnlich antasten Hesiod. Erg. 3. 4 ὃν τε διὰ βροτοὶ ἄνδρες ὁμῶς ἄφατοί τὸ ψατοί re, ῥητοί τ᾽ ἄρρητοί τὸ Διὸς μεγάλου διὰ βουλάς.

Register.

syntax, Ὧν με scheinbare von @ μέν 110 Ὁ)

verba des hinderns . . . . {111

parstexis. . ...14113

transitiver gebrauch "periphrasti- scher ausdrü Il 55. 200

vertauschung der prädicate neben zwei correlaten subjecten .12 219

anschlufs des relative an ein in einem adjectiv verborgenes nomen II 104

tautologie scheinbare II 205. 276 **)

299 tragödie chor, interloquien . . 11 79. 98 chor, reden . -. ». . . . .1108 chor, γα . 11 201. 210 einheit de andlung . 108 maschinengott . . . 118 metrische neuerungen . 348 rollenverteilung . 380

sprache II 72. 77. 83. 122. 126. 128. 132. 138. 230. 259. 273. 285 stichomythie . . . .1183

bedeutung der \empora . . ΠῚ 155] Triclinius. . . 194 wortstellung . . 1 96| Triton. . 291 11 129 Typhoeus.. . 11 269. 286 Fantalos . II 175 taios . . 68 Taphier . . 1 242 | Tzetzes, kenntnis der trgiker und Tatian, tagikerlecture 20.002.202] schlien . . ... . . „212 Temenos . . . “00200 ..267| zu Lykophron . . 187. 190 Terpandros . . 11 textgeschichte der classiker . I cap. 3 | Urkunden dionysische . 50 Theokrit, ausgabe und scholien . . 187 ϑεολογεῖον ον 354 II 53. 201 | Valckenser . . . 231 Then .. 156. 161. 186 | Varro Atacinus. . , 167 Theophrast . 0 0. .117| Vergil übersetzt ein epigramm Pla- Theseus . 302 11 164. 215] tons. . . 1 180 Thespis 2... 86 versabteilung in der schrift. . 128 Thessaler und Boeoter . 264 1,143 | Vietorius . . . . . . 221 Thraker . . . . .303| Fr. Vischer . . . 47 Thrasymachos . 17 11 100 | vogelschau . . . „1161 Thukydides . . 16 το κε wanderung α und ‚folgen . . 65 fg. Thurioi en . „11 199 | volkslieder . 6. 58 Timachidas . . . . 2.0: 147") tmesis . on 1 240)Wel... .. . 2243 Tod II 215| Welcker . . . . 239. 304 tragikerkritik . I cap. 4 | Winckelmann oo. tragödie, begriff und 'entstehung I cp. 2 älteste erhaltene stücke . 0 | Xenophanes . 1 278 alexandrinische . 136 monotheist . . 11 246 historische . . 118 schicksalstr. ‚115 | Zeit . . . 11179. 196 anachronismen . 1 72 | zeitpartikeln "und adverbia . . 1I 261

charaktere . . chor, maske

. 112 |Zeusgeburt . Fr . 88. 362 U 175 Ζοεῖ. . 2.2 2 2m

. . «100 . 304. 338

*) Aristoteles fgm. 58 ἐπὶ ἀνθρώπους μιμουμένους γύναια καὶ δούλους, τοὺς

δὲ μαχομένους καὶ ϑέοντας.

von Rose verdorben,

ἘΦ) Platon Kritias 1114 ὧν... ἐστὶ σημεῖα, ὅτι wenn αὐτῆς ἀληϑῆὴ λέγεται τὰ νῦν.

***) Auch Aischylos Sieben hat er commentirt,

esych. πυρεβρομότας.

II. Stellenregister.

Acıa apost. 17, 25... . Aischines 3, 233 . . Aischylos Agamemn. 115

219 un

13...

Früh. 1 τ το - 19 "-

-- 262

fgm. 94

Alexandros Aitolos p. "247 Mein.

Alexis Ποιητής 1 . Alkman 22 ..

parthen. . . Anakreon 1.

94,3...

Antiphon 1, 24.

tetr. 2, β,6.

Anthol. Palat. VI 358 . Apollodor bibl. II 1, 2 . Aristophanes Wolk. 311 Wesp. 1073. . . Vög. 823 . . 1057—85

*) Oder vielmehr Hortens. 12 nach Usener (Dionys. de imit. 120).

. 11 277

Aristophanes Lys. 180 . Frösch. 1429-78. . Ekkles. 107. . .

Aristoteles problem. 3 30, 1 1.

gm. .. Arnobius IV 25 . . Asios (Pausan. V 17). . Athenseus VII 3470. . X 417°! . . .. XI 4158...

-- ΧΙ͂Υ 628 Γ] 9

Cicero de rep. IV 11 CGio 14...

Demosthen. 2,12. Diodor IV 18 - IV 4 . 1V 37. Di XxXMa .. . ion Chrysost, 8, 34 . Dionysios Chalkus 1. .

Empedokles 270 . . Epikur fgm. 143

Etym. Magn. Aeikee . .

ἐλεγαίω. . Eapai Aly. Euripides 1019. j 1097... . Andromache 864 . 71% _ - 119712235 Bakch. 9. . .

—_ 5il

Ikesi. 461

1184 . .

-- 1311--.92 Elektr. 590 . Hekab, 785 . -- 10%... . 1030. . : .. 100... . - Helen. 6 . .

172 richtig bemerkt hatte.

1092 .

Hippol. 24.

491

1504 .

Iphig. Aul. 207° 559

189

Taur. 410

266 350 625 820 884 887

Troad. 222.

Euripides Helen. 122. 398 .

\

Register, 301 29 | Euripides „road. 1066 . . . . 197

. 14 --- 107 |

II 95 13% . . .. . ... 11 150

. 29 Phoen. 21 . . . 194 111) 18 . . . . 29

. 291 220 . . 11 233 I 238 | 250 . . 1 251 I 1871| 504 .n

11 78) 563 .. . 1I 220 11 220 | 783 ον, 14

1 75|— 785 . . . N 217 1 2380| 1311 . . . . I 251

. 1233| fgm. 25 . . . 174 160. 6) 30. . . . + 350 .2 102] 60 >. . 1220

. 23| 1% . . . 1 150 1129| 356 . . . 1114 I 11) 392 . . . 288 11 138 --- 415... II 92**)

. 131— 452 . . .. 3

I 18].-.- 483 . . . 2 269

I 96 --- 495 . . .. 15 11041 571 . . ες 12

ΠῚ 68| 589. 590 ...363 I 2356| 627®. . II 284 1 106 --- 64 . . .173

I 621 740 . II 122

Ι 65 --- 757 . 2168

1 68 --- 759 . 1109

I 81 | 808 . . 350 TI 110| 829 . 194

1 68|— 846 . . .173 1 202| 885 . 170 I 1871 902 . .. 25 I 139 --- 1011. . 2 22.2.2002. 371

. 8 ee ve 2 2 0 20% 173 I 221| epigr. 2 Bek. .

. 208 | Pseudoeur, im papyrus Didot (gm. 1118] 953 NauckY). . . , .. . 41 I 171

.209 | &toethe wanderlied . . . . . 11220 II 220 | brief an G. Hermann 19. oct. 1823 237 Il 187 .

.152/Herakleitos 1. - - 2 2 ...1 IT 216) fgm. 61. 62.65 . . ... 1168 II 142 | Herodot I 56—58 . . . . . .358

. 31|-- φΥΚ21. . .2 222 220.69 1 251| --- ΥἹΙ 152... :..... 18 I 208 VI 209 . . . . ...H110

Il 62 Hesiod Theog. 18... 272

. 35 | 215 . 0.113

I 68 --- 270—336 2 2.2 .2.6NH 2897

. 01 136955 een ne 327

*) Das bruchstück pafst vielmehr in den IIesoiYoos, wie ich schon An. Eur.

**) Die letzten worte, κρύπτειν χρεών sind interpolation der florilegienmacher, ohne sie cilirt die verse Plutarch de garr. 10

wie so oft:

802 Hesiod Theog. 973 . . . . . I 182 Erg. 253. . 2. 2.20... N 87 Asp. 80. . . 294 149 . I 101 fgm. 44 . 84 fgm. 14... .1 134 Hippokrat. σε. ἱορῆς νούσου 4 11 262. 63 Homer Ε 461 . . . .. 1184 P192. . . 11 137 P445. . 11 250 233. . 11 266 799. . , 296 --Φδθ. . 11109 773. . 11 268 γ 293. . ΠΕ 150 -- δ 824. . 171 1634. . 1 219 »,4l. . . 11 186 1 218... . . 11 126 Hygin poet. astron. I 14 . . 316 Ibykos 2 . II 216 Inschriften IGA 20, 1 . [200 “-ΟΙΑ1192..... . 150 IV 422, A. II 83 IV91,8 . . II 83 -- Dittenberger syll. 247, i 18. .1129 Kaibel epigr. 1900. . . 272 ion zgaynoi . . 124 Isyllos paean 17 . Ι 122 Ps. Iustin de monarch. 10]. . „172 orat. ad gent, 3 . 314 11 230 Kallimachos 3, 226 . . . 11 149 3,228... .2...0..D116 Krinagoras (A. P. IX 545). . . 1205| Lesbonax de Ag. 134 . . . . 184 Lacan VII 449 . . . . 2... 190 Lykophron 843. . . 11 219 Lyrici skol. 18 Bergk . 281 carmen popalare 2 . 120 mm en ec. .ooe. 0. 56 | [ir 4 . 0. . 4 . 12 fgm. adesp. 5. . 202 Menander IV 195 Mein. . . . 1277 Nikander Alex. 165 . . . Il 239 Oinomaos (Euseb, pr. ev. V 214) .321 Bersdoxogrephns, R Rohdii 3 . . R 212) usanias 11 25, 2 128 Pberekydes (schol. "Apoll. IV 1596) ᾿ 158 Philostrat. vie. soph. 23 ...0D17

Pindar 0.489. . ....1235 δ΄ 2.22.20.0.0.]1220

-- --- 1,

Register.

Pindar Ol. 10, 86 . .U 197 ---- 13,18 . 64 II 182 Pyth. 4, 98 . „2183 10,29 . x... DH Nem. 8, 21 . 1 104 10,5 I 250 -ἰ ναι, 45... .. 89 Isthm. 3, 105 . . .322 -- .8 . 334 - fgm. 169. . . 335 Plat, Ges. 715 . 1101 ---- 14»΄...... . 11 181 Ῥιείά. 65 . . . . . . 29 _— 1lit. ....n .. 25 Protag. 352 . . 25 Staat 573 . 25 _—— 620°. . .-. 2a epigramm 19 . . . DI 180 Plotarch de audiendo . A 239 devirteivi. 2. . .. .110 ol. 4ϑηνι 1,13. . . . . 77 Hollux IV 110, .. N , .. 2 orphyrio zu Bor. ep. ᾿δὅ on ins zu K 274 . . 1 161 Pratinas 1, 5Bk. .... .ὄ 12 Qaiatus Smyrn. 5, 381. . . . Π 201 Bhesos 48--9 . . . . . - .2.4 Scholien Aischyl. Pers. hypoth, . . 204 Aisch. Eum. 21. 27 . . . . .186 Aristoph. Fried. 1242 . . .181 Thesm. 1059 . . . .183 Erst. ı vita 1, 10. . 3,5 ...3 . . 146 -- - Orest.. hyp- ....146 -- 643 . „152 ---- 1384. . -. .124 Το 4. . . . .154 Alk. hypoth. . . 92 112 Andr. hyp. . «ον .158 Homer 0 639 . .....310 T119 .... . ...9310 Lykophr. 1385 . . 0.858 Nikandr. Ther. 614 . . . . .190 Soph. Ei bypolh >... 2208 -- IP: K. ΩΣ . .198 Statins Theb. IV 570 . 360 ΧΙ 510. 00. .145 Simonides fgm. 4. . . » - . 124 χω. 277... 2 2 2000 . 64 80. ΝΞ 176 Sophokles Ai. 666... il 220 Ant. 1 000. 0.13208 -- - "582 >22 ee. 0. „2138 —- 70 . 2.2. ...0.0. 851

Register. 308

Sophokles Elektr. 1412. . . . 1188 ,Strabon 411. . 2 2 22.2.2. 84 0id. Kol. 113 . . on. Ba = 728 ἀπο τ τ +- -- -- 36—41 .. . . . ,131 υἱάδα Σοφοκλῆ 2222... _ 1212 a8 0. 0....31175|Syoesiu Dion 11. . . . ...1% 0.1. 22 2 2.2. .HN 277 m _ı_ 0 rn. ,308, tatian 24 . . 20.0.9371 3802 . 2 2 2.22... 1 101 | Telekleides Amphikt. 4. ...H194 —- 1070. - > 2 222. N 105 | Terpander fgm. 1 Bgk.. . . . . 1 —1354 . > 2 2 22.2.1 200 | Theodoridas (A. Palo 7, 439) . „1216 —1MT . .: 2. 222.11 agı IPs. Theokrit 25, 92 . . . . .117 - 11. ...2.0...1210I< τ 26,32 ...0.0.0.0.0194 Trach. 119 . . . . . ...1176|Thukyd. 18. . . 2... ..1 144 196 ee . 22 188 =. TU 6 -- -- 882. 2. .2..0..0.N1%0| 738. ee. 264 - 1-14 2 2.2 222,383 | Tryphon π. τρόπων λ - ..0.HD1106 fgm. 4 Bergk -. . . . . . . 10|Tyrtaios 11,7. . . . 11 137 Sosi phanes 1. ον ως 1188

an Byz. Κορόπη 777 90] Yasenbild Wien. Vorlegebl, N.S.18,5 319

en, ec. 19,2. .... 19

—eı.19,3.......N1ı X enophanes bei Sen Sext. adv. "8. 149 11 101

Mor. 28,18. 2. ‚u 239 | (lem. . 11 246 —— 4,15 ...0.0.0..M1N11lm ὕψους 40. . . . . .. .1 266

III. Wortregister.

ἄγαλμα ον 161. 128 ἀριϑμός. .1 179 ἄγριος. 2 nenn .01|280] | ἄρματα Ι 218 ἀγρότης . 11126, ἄρρητος. II 88 ayeworns . 11126 ἄτεγκτος. 1: 203 Ans . 1 15 arag n 221 αἰδὼς. . 11 156 ἀτεμάξειν Ι 163 αἴλινος . . 11 119' αὐδᾶν. . ΕΠ 149 αἰνεῖν. ΝΕ . 1192| αὐϑάδης .. II 265 χύνη . 156. 284 | αὐθέκαστος. 11 265 Alvaı und dgl. plurale . . 55, αὐϑέντης. Il 205 αἰχμή . .. li 83 αὔξειν . Π 179 αἰὼων .1 179: αὐτοσαντός, u. dgl. 1 230 ἀκροϑινιάξομαι: | 146 | @ apısvas τινί τε Ι 94 ἀκύμων. . II 184 ago μἷ... 1 99 ἄλαστος ἀλαστεῖν. ll 222 | Axeins . 316 Alsis . . . . 284 "Akııns Ἱππότου. 261 βάκχος ΝῊ 1 182 ἀλίζω . . Π 184 8 1 95 ἅλις II 148 βραχυκαταληξία It 69 Aluslöns 293 II 200 Boom . . . 1 182 alla . . 11 112. 165 ἀλλὰ γὰρ .. - . . 1179| γάρ 2.0. „1 281 ἀλλά nal. . 11 136. 2i1|ys . . . 11 156. 168. 185. 194. 195. 206 anadia . 1115] γέλος . . . εν . Π 108 ἀμαρτύρητος u. ΓΝ . 1 107| γέννα γενναῖος us w. . 11 209 ἀμαυρός. . . . . 177 γέρυς . . . . . 11 159 ἅμιλλα λόγων. .11 261] γεύ ϑαε. . 1 218 ἀμιλλᾶσϑαε. . 11 259] γηρισκεεν li 261 ἀμύνειν Il 88. 149 γοργῶν . . Il 218 ἀμφί U 72. 239 γύναι μοι u. "dgl. . II 166 in ,gompositis . 11 270 avapßks nur . . 11 157 | δεσπόζειν . 258 ἀναιδής . . 1186] Μηλιάδες. . .8341 ἀναίνομαι 169 | δίαυλος u 179 241 ἀναπτύσσειν . 11 269 διαφέρειν. I 66 ἀναφέρειν . . 11 260] δεαφεύγειν . II 160 ἀνήρ Il 60. 133, διδόναε. Il 94. 218, 282 ἄνϑος. . 11 218 διελϑεῖν. .1 136 ἀνθρώπινος. .1{169 διϑύραμβος . .63. 79 ἀπελαύνεσθαε. . 11 64 | δικαστής. . 11 253 anola χάνειν II 113*) | dien» u. dgl. . 163 Anoklov ἀποτρόπαιε: . 11 202 diepws u anokoritew. . . 11 146 | διώκω. Ι 243 ἀποφϑείρεσϑαε . 11 272 | δόκημα [τά

*) In demselben erbrechtlichem sinne häufig auf der fünften gortynischen tafel,

Register. 305 δόκησις - . . 0. 108 ἔργον. . 1 157 δόμος δῶμα. . 11 102. 178 ἄρεισμα. . „11.239 δόρν . . 1 83. 258 ἐρημοῦν. . .11123 τέ δράσας . 11 154 ἐσχάρα. . 1 225%) ss .. . 11 102 ὅτοεμον . . 11 66%) δύστηνος. . 1 277 | εὐδαίμων I 1380) εὔδιος. . 11 240 ἔγ.... . 11 238 Εὐριπίδης 8 ἑαυτοῦ αὑτοῦ . 11 231 δὐτυχέα . u 138 ἐγκάρδιος ᾿ . 186 εὐφημεῖν. . 56 11 227. 251 θένειν et II 90 ἐφολκές . . ...1169 06% 5 . ΗΝ . 58. 38.20.5 ζηνόο nicht Ζανος 11 273 εἰ 81. 1101 ζ . .ὄ «. 1179 εἰδέναι . 1.165. 259].} » eivexa . . . 182 ἣν ᾿ sis ἐς. . 1I 64. 88 II 208 εἰσέφρηκα. . 11 269 T ᾿ 1159 ἐκ in compos. . 11 56. 57. 82. 232 Doc Il 239 dxuoydeiv . 1 110 ἤρα 296 ἐκπεταννύναε . 11 221 ἑηρακλῆε u . dgl. ᾿ 293 Fr Sal Üsyat alvo N 1 ἩἩρακλεία νόσος . 331 ὁλίσσω . II 183 θάρσος ϑράσος.. I 165 Ἕλληνες. . 258 τὸ Sala, ei ϑεῶν Π 262 ἐλπίς. . . -.1168. 195. 200 ϑέλειν. II 57 ἐλπίζειν δόξαν ...1142 ϑεράπνα.. . IT 124 ἐμποδών. . . 11 254 ϑὴρ λέων u. dgl. . n 143 ἐναίρω . . 1124} ϑράζεν. . .. II 126 ἐναρμόξω II 895) ὄναν . 11 218 ἰάλλοεν It 241 ἐνθύμειος. . 11 186 Ἰάονες. . . 260 ἐξάγειν. . 1Γ-[260} ἑαύεεν. Il 240 ἐξαχονκίζωιν. . 1 253 ἰδού II 249 ἐπαινεῖν. . 11105 .. li 141 dnsovro . . 11223 ὌΡΑ υ. del. . 1 72 ini... ‚W184 ἵνα. . It 122 ἐπιτυχαν. .1 266 ἱππευτής.. 11 134 Eros λόγος "14 ἵππος Ι 83

|

*) In προσαρμόζω wird die dedeutung minder scharf empfunden; in προσαρ- μόξειν στόμα 486 für "küssen’, ist es schon wenig mehr als προστιϑέναε, und

wenn Eris bei den thyesteischen greueln den sonnenwagen umdreht, τὰν πρὸς ἑσπέραν κέλευθον προσαρμόσασα ἐς ἀῶ Ur. 1003, so ist es vollends nur ein gezierter ans- drack für τὴν δίς ὁσπέραν πορείαν τῇ Ἡμέρᾳ προσϑεῖσα. Soph. Tr. 494, δῶρα προσαρμόσας ist also auch nichts als “überreichen”.

**) Den ungenauen gebrauch haben aus dieser stelle schon die alten notirt, schol. B zu K 418.

*+*) Auch ionisch, Anakreon 44.

Bakch. 73 μάκαρ ὅστις εὐδαίμων ...

frieden mit gott ein heiliges leben führt.’

ff) Bei Homer 4 22 bedeutet ἐπευφημεῖν noch das beifällige zurufen der volksversammlung. Eur. l. T. 1403 παιᾶνα suyais ἐπευφημεῖν die bona verba des paean (d. h. den ruf in nasav) dem ‚gebete bekräftigend nachrufen. " und so wird nicht seiten wirklich εἶα "gutes wort’ gemeint, nicht das schweigen. aber Soph. Tr. 183 av nusiv οἰμωγῇ ist ein überaus gewagter ausdruck. der wehruf ist, wenn einer, duopnmos: aber er geschieht da, wo man supnuia erwartete, beim opfer.

v. Wilamowitz II. 20

βιοτὰν ayıcravas ‘selig, wer in

306

τὰ καϑεστῶτα,

καί. . κακοδαίμων . κακοτυχής καλλένεκος εἰς καλύών. καλῶς . κάμνω. καρδία καταξαίνεεν. καταυλεῖν . κδλαενεφήβ κδλαινός.. Κένταυρος κερδαίνω. κηλιδοῦν. κηραένειν κοινός. κοινωνία .

κόμιστρα.

0

Κρέων κρωϊοι

λάβρος . heyös .

λέκτρων εὐναί.

λέπας .

λῆμα ..

μιάργος μαρμαρωπός

μέλειν . μένος. .. μεσοσυλλαβία

Register.

1 94 u 96. 150. 155

. . 1138

. 149

. 1135. 216

I 1035)

*) In der citirten Theognisstelle ist

schlecht”.

Mrlas. - » 2 2.2. μήτρως «νὸς μέμημα μοῖρα

μοχϑεῖν

αὖϑος μυϑεῖσϑαι μυϑεύειν

μωρός. . . .

νᾶμα . νέφος vepehn νόμου χάριν. νόμοι ..

ψοσεῖν. vo00S . vodns ψωτίζειν.

ξενοῦν ξένωσις. ξουϑς . . ξύνεσες

ἐσὲ ξυροῦ . ᾿Οδυσσῆς u. del. plurale

οἴγειν ... . οἰκτρός

Οἰνωα

ὁλόμενος . ὁμογάλακτες. . ὅμοιον ὥστε u. dgl. Ongalin. .

. εν ᾿ ουτῶς 00146 .

Παιάν iambisch παρά 2. πάρεργον. παρϑένος.

[] Θ᾿) u

u 204%)

die wurzel noch ganz lebendig. “über- lege dir's zwei drei mal, denn wer gleich zupackt (λάβρος ἀνήρ), dem bekommt es

92) Der positiv Aga steht bei Theognis 96 wirklich.

”**) So auch Soph.

einer anrede an Demeter, also wol aus dem Triptolemos.

fgm. 133 σεμνὰ τῆς σῆς παρϑένου μυστήρια, offenbar in

πεδά . .

os πέλας. Ilsinoyla . Πελασγοί. ποπᾶσϑαι πέρα

neo . .. περιστέλλειν στέσημα

πηγαέ. σεέπτειν πέτυλος σόϑος.

ποῖος. πόλεμος

στολεός πολυδάκρνος. Πολυδεύκης . . nolvnlayxıos . πολύστονος. πομπή

πονᾶν. ae πώύρπη U. περόνη. σεότμος en πρέσβεις. πράσσειν.

πρίέν πρέν σρόϑυμος προοέμεον πρός. .. προστρύπαιος

u hd ῥοιβδηδόν σάτυρος . .. σαφῆς. σείραεος σκαιίς. σκιά . στερεῖσϑαε. στρεπτύς.

*) πλησίον sagt im selben sinne schon Theognis 221.

Register.

"11 183. 260

®

συγγενής

) | σύλλογος ψυχῆς ᾿

[4

σύνταξις.

σωφρονίζειν σω

Τάνταλος τάφος ταφαί τ... .. ze 78 . τεκνοῦν τέμνειν. Τενϑεύς. τεῦχος. τήτη τεϑέναε τέχτεϑιν

τίκτουσα τιμᾶν. τις. τειτάν. τέτυρος Tinos . τράγοι τράπεξα. τραχύς τροφός τραγῳδία τυραννεῖν

Ὕλλος ὑμίν ὕμμιν. ὑπέρφεν. ὕπνος ἄνπνος ὑπό . .. ὑποβλέπειν. ὑπογράφειν. ὑπόϑεσις. ὑποστρέφειν. ὑψόροφος.

φαένεσϑαε φαντάζεσϑαι φάος. φάρος. φϑονεῖν. φέλα τέμνειν

ὕβριν ἐρίδων .

**) Schon Aischylos Prom. 860 hat es absolut. ***) So auch Antiochos in der vorrede seiner geschichte ἐκ τῶν ἀρχαίων λόγων

τὰ πιστότατα καὶ σαφέστατα. die rhetorik überträgt dann die evidenz vom inhalt auf die form. so Aristoph. Ritt. 1379 γνωμοτυπικὸς καὶ σαφὴς καὶ κρουστικός, Eur. Or. 397 σοφύών τοι τὸ σαφές, οὐ τὸ un σαφές. Die vocabel ist homerisch, aber ihre bedeutung ist geändert, denn dort geht

sie die höhe der zimmer an, hier die höhe des hauses, wie es dem erscheint, der

darauf zuschreitet.

σὺν in compositis "203. 228. 238. 247

307

. 11 200 . 11 167

[ 148

.1 241

108. 140

ΟἽ! 271 . 1 241 . .133 11 192 II 724)

. JI 184. 200

. 11 184

. 11 153. 157

. 11 135 . 1 113 . 11109