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HERMES

ZEITSCHRIFT FÜR CLASSISCHE PHILOLOÖIE

HERAUSGEGEBEN

GEORG KAIBEL osd CARL ROBERT

FUNFUNDDREISSI6STER BAND

BERLIN

WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG 1900

INHALT.

Seite

F. BEGHTEL, das Wort innoç in den eretrischeo Personennamen . . 326 J. BELOGH, zor Geschichte des Eorypontidenhauses 254

G. BLSOLT, zur Ghronologie des peloponnesischen Krieges .... 573 H. DESSAU, zum Kalender der Provinz Asien 332

D. DETLEFSEN, die Werthangaben in der naturalis historia des Plinius 585 H. DIELS, Parmenidea 196

E. FABRIGIUS, zum SUdtrecht von Urso 205

G. KAIBEL, Apuleiana 202

SepuleraUa 567

J. KROMAYER, vergleichende Studien zur Geschichte des griechischen

und römischen Heerwesens 216

C. F. LEHMANN, Weiteres zu Aristoteles 'A&nvalœv noXtrala X . . 636

TH. MOMMSEN, Prâtorium 437

ägyptische Legionare 443

P. NATORP. Piatos Phaedrus 385

6. NIESE, Beiträge zur Geschichte und Ghronologie des Hellenismus . 53 Kritik der beiden Makkabäerbucher nebst Beiträgen zur Ge- schichte der makkabäischen Erhebung 268. 453

H. REITZENSTEIN, die Hochzeit des Peleus und der Thetis .... 73

ans der Strassburger Papyrussammlung .... 602 €. ROBERT, die Ordnung der olympischen Spiele und die Sieger der

75.-83. Olympiade. (Nebst einer Beilage) 141

archäologische Nachlese 650

G, SCHULTZ, Beiträge zur Theorie der antiken Metrik 308

£. SCHWARTZ, Kallisthenes Hellenika 106

P. STENGEL, der Gull der Winde 627

I. VAHLEN, raria 131

iM. WELLMANN, zur Geschichte der Medizin im Alterthum .... 349

U. VON WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF, Asianismus und Atticismus . . 1

Lesefrûchte 533

HISCELLEN.

H. VOR ARNIM, Berichtigung 130

F BEGHTEL, &aHa&aXnds 348

a*

IV INHALT

Seite

P. BLASS, Verse von Komikern bei Clemens Alexandrinos .... 340

die Punkte zur Bezeichnung des metrischen Ictus .... 342 M. GONRAT, Bieronymus und die Gollatio legum Mosaicarum et Roma-

Dorum 344

W. FRANTZ, ein Fragment des Komikers Philippides 671

F. HILLER VON GAERTRINGEN, Dionysosinschrift aus Naxos ... 339

M. LEBNERDT, zur Ueberlieferung des Tacitus 530

TH. MOMMSEN, Berichtigung 532

A. STEIN, das Todesjahr des Gardepräfecten Perennis 528

A. WILHELM, véwoç 669

REGISTER 672

VERZEICHNISS DER MITARBEITER

und ihrer Artikel in Band XXVI XXXV. >)

E. Albrecht in Berlin C. Aldenhoven in Köln H. Ton Arnim in Wien 26, 366 27, 118 28, 65 150 34. 363 35, 130

B. Arnold in München

E. Assmann in Berlin 31, 174 Gl. Baeumker in Bonn

A. Ton Bamberg in Gotha

a Bardt in Berlin 29, 451 32, 264

L. D. Barnett in Cambridge 33, 638

F. Becher (f)

F. Bechtel in Halle a. S. 31, 318 84,

395 4S0 36, 326 34S A. Behr in Köln 26, 315 30, 447 Gh. Beiger in Berlin J. Beloch in Rom 28, 481 630 29,

604 32, 667 35, 254 Th. Bergk (t) R. Bergmann (f) J. Bernays (t) Ë. Bethe in Basel 26, 593 28, 474

522 33 313 F. Blass in Halle a. S. 29, 633 30, 314

465 32, 149 33, 179 654 34, 312

35, 340 342 H. Bluemner in Zürich 29, 294 U. Ph. Boissevain in Groningen 26, 440

F. Boll in Mönchen 34, 643 J. Bolte in Berlin

H. Bonitz (t)

M. Bonnet in Montpellier

C. de Boor in Breslau 34, 298 480 E, Ton Borries in Strassburg i. E. 27, 170 K. Boysen in Königsberg i. Pr.

A. Brand in Potsdam

e.G. Brandis in Berlin 31, 161 32,509

J. Brandis (t)

Th. Braune in Berlin

A. Breysig in Berlin

K. Bürger in Blankenburg a. H. 27,

36 345 359 H. Buermann in Berlin Fr. Burger in Hof 26, 463

G. Busolt in Göttingen 28, 312 33, 71 336 661 34, 280 86,573

A. Busse in Berlin 28, 252 J. Bywater in Oxford M. Gantor in' Heidelberg A. Ceriani in Mailand H. Ghristensen in Hamburg L Cohn in Breslau 32, 107

M. Cohn in Amsterdam H. Collitz in Philadelphia J. Conington (f)

C. Conradt in Greifenberg i. Pom. M. Conrat in Amsterdam 85, 344 A. Cosattini in Pavia 29, 1

0. Crusius in Heidelberg 0. Cuntz in Graz 29, 586 G. Curtius in Lübeck

E. Curtius (t)

L. Gwiklinski in Lemberg H. Degenkolb in Leipzig H. Deissmann in Heidelberg 83, 344 H. Delbrück in Berlin H. Dessau in Berlin 27, 561 28, 156 29, 393 84, 81 35, 332

D. Detlefsen jn Glöckstadt 32, 191 321 35, 585

H. Diels in Berlin 26, 243 478 28, 407 31,339 38, 334 35, 196

W. Dittenberger in Halle a. S. 26, 472 474 28,472 31,271320 643 32, 1 161 88, 324

E. Dopp in Rostock W. Dörpfeld in Athen

A. B. Drachmann in Kopenhagen 30,

475 J. Draheim in Berlin J. G. Droysen (t) H. Droysen in Berlin

F. Duemmler (f) 27, 260 28, 468 A. Eberhard in Wesel

R. Ellis in Oxford

A. Erman in Berlin 28, 479

F. Eyssenhardt in Hamburg

E. Fabricius in Freiburg i. B. 35, 205

G. Fallin (t) 20, 71 632

F. Fischer in Berlin H. Flach (t)

R. Förster in Breslau M. Fränkel in Berlin S. Fraenkel in Breslau 88, 335

G. M. Francken in Groningen

W. Frantz in Strassburg i. Eis. 35, 671 J. Freuden berg (t) J. Freudenthal in Breslau J. Friedlaender (f) H. von Fritze in Berlin 32, 235 R. Fuchs in Dresden 29, 171 38, 342 A. Funck in Sondershausen 28, 158 29, 159

1) Für die früheren Beiträge vgl. Generalregister zu Hermes, Zeitschrift für classische Philologie, Band 1— XXV, bearbeitet von M. Well- mann, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung 1893. (Preis: Mk. 7.)

VI

VERZEIGHNISS DER MITARBEITER

G. Galland in Strassburg 1. E.

V. Gardthausen in Leipzig

J. Geffcken in Hamburg 26, 33 567

27, 381 Â. GemoU in Striegau W. GemoU in Liegnitz H. Genlhe (t) K. E. Georges (f) G. E. Geppert (f) ' A. Gercke in Greifswald 28, 135 29, 373

32, 341 J. Gildemeister (f) H. Giske in Lübeck Th. Gleiniger in Berlin Th.Gomperz in Wien 31, 469 0. Gradenwitz in Königsberg i.Pr.28,321 H. Graeven in Rom 30, 289 471 0. Gruppe in Berlin F. Gustafsson in Helsingfors A. Haebler (f)

W. Gardner Haie in Ghicago 84, 133 H. Haupt in Giessen M. Haupt (t)

F. Haverficid in Oxford

E. Hedicke in Freienwalde a. 0.

J. Heinemann in Frankfurt a. M. 84, 590 R. Heinze in Berlin 38, 432 84, 494 W. Heibig in Rom 32, 86 R. Helm in Berlin 29, 161

G. Henning in Rio Janeiro W. Henzen (f)

W. Heraeus in Offenbach a. M. 84, 161 L. Herbst (f) R. Hercher (f)

F. K. Hertlcin (f) M. Hertz (f)

H. van Herwerden in Utrecht R.Herzog in Tübingen 29,625 30, 154 H. Heydemann (f)

G. Heylbut in Hamburg Th. Heyse (f)

Edw. Lee Ricks in Oxford

E. Hiller (f)

F. Hiller v.Gaertringen in Berlin 28,469 29, 16 32, 320 35, 339

G. Hinrichs(t) G. Hirschfeld (t)

0. Hirschfeld in Berlin 26, 150

R. Hirzel in Jena

A. Hock in Rendsburg 26, 76 453 30,

347 38, 626 A. Hofmeister in Rostock G. Hofstede de Groot in Leiden A. Holder in Karlsruhe H. Hollander in Osnabrück 26, 170 636 L. Holzapfel in Giessen 28, 435 K. Hude in Kopenhagen 27, 152 E. Hübner in Berlin Gh. Hülsen in Rom

G. Jacob (t)

V. Jagid in Wien

Ph. Jaffé (t)

A. Jahn (f) 34, 315

0. Jahn (t)

E. Janzon in Godenburg 27, 315 V. Jernsledt in St. Petersburg

H. Joachim in Hamburg 30, 39

F. Jonas in Berlin

A. Jordan in Lemgo H. Jordan (f)

0. Kaebler in Weimar H. Kaeslner in Regensburg 31, 578 32, 160

G. Kaibel in Göttingen 26, 580 27, 249 28, 40 29, 82 30, 71 148 429 31,264 34, 107 319 35,202 567

K. Kalbfleisch in Rostock 30, 631

Br. Keil in Strassburg i. E. 26, 128 29, 32 249 320 321 30, 199 473 31, 472 508 32, 399 496 497 34, 183 479

H. Keil (t)

0. Kern in Rostock

H. Kettner (f)

M. Kiderlin (f)

H. Kiepert (tj

A.Kiessling(t) 26,634.

B. Kindt in Greifswald 26, 317 A. Kirchhofl* in Berlin

Job. E. Kirchner in Berlin 28, 139 31,

254 H. V. Kleist in Leer P. Klimek in Breslau A. Klögmann (f) G. Knaack in Stettin 29, 472 627

F. Knickenberg in Bonn 27, 144 Th. Kock in Weimar

A. Köhler in Nürnberg

Tl. Köhler in Berlin 26, 43 148 27, 68

29,156 158 30,629 31, 137 W. Kolbe in Gulschdorf 34, 380 A. Kopp in Königsberg i. P.

G. Kramer (f)

A. Krause (j)

Fr. Krebs (f) 30, 144

P. Kretschmer in Wien 26, 118

W. Kroll in Greifswald 26, 316 29,

517 30, 462 J. Kromayer in Strassburg i. E. 29, 556

31, 1 70 88,1 84,1 35, 216 P. Krüger in Bonn K. Krumbacher in Mönchen J. W. KubiUchek in Wien

B. Köhler in Berlin 26, 479 H. Köhlewein in Kiel 27, 301 R. Kunze in Zittau 84, 345 S. P. Lampros in Athen

E. Laites in Mailand 31, 465 G. A. Lehmann (f)

VERZEIGHNISS DER MITARBEITER

Vir

G. P. Lehmann in Berlin 27, 530 35,

636. 0. Lebmann in Dresden M.Lehnerdt in Königsberg i.Pr. 83, 499

35, 530

F. Leo in Göttingen 27, 308 Lepsius (f)

K. Lincke in Jena

S. Linde in Lund

A. Lucbs in Erlangen

A. Ladwicb in Königsberg i. Pr.

0. Luders in Athen

W. Lutbe in Bonn

E. Maass in Marburg 26, 178 31, 375

M. Manitius in Oberlössniti bei Dresden

27 318 H. Ma'lzat in Weilburg M. Mayer in Bad 27, 461 A. Meineke (f) R. Meister in Leipzig 26, 319 480

E. Meyer in Halle a.S. 27,363 29,478

30, 1 241 33, 643 648 652

P. Meyer in Berlin 32, 210 482 38, 262

W. Meyer in Göttingen

A. Michaelis in Strassburg i. E.

L. Mittels in Leipzig 30, 564 32, 629 84, 88

Th. Mommsen in Berlin 26, 145 27, 79 28, 33 599 29, 468 618 30, 90 321 456 32, 454 538 660 88, 160 665 84, 145 151 35, 437 443 532

G. von Morawski in Krakau J. H. Mordtmann in Saloniki K. Mûllenhoff(t)

A. Müller (f)

B. MQUer(t)

G. F. W. Möller in Breslau 84, 321 G. H. Möller in Saargemönd 26, 159 H. F. Möller in Blankenburg a. H. H. 1. Möller in Berlin 0. Möller in Berlin

F. Mönzer in Basel 30, 499 31, 308 32, 469 34, 641

P. Natorp in Marburg 35, 385

A. Nauck (t)

R. Neubauer in Berlin

K. J. Neumann in Strassburg i. E. 31,

519 32, 313 475 M. Niemeyer in Potsdam

B. Niese in Marburg 26, 1 28, 194

31, 481 84, 520 35. 53 268 453 A. Nikitzky in Odessa 28, 619

H. Nissen in Bonn

F. Noack in Jena 27, 407 452 28, 146 Th.Nöldeke in Strassburg i.E. 29, 155 H. Nohl in Beriin

E. Norden in Breslau 27, 606 28, 360 501 29, 290 313

F. Novati in Mailand

J. Oeri in Basel 84, 640

J. Olsbausen (t)

Tb. V. Oppolzer (f)

A. Otto in Breslau

H. Pack in Dortmund

G. Parthey (t)

J. Partsch in Breslau

G. Pascal in Rom 30, 548

W. Passow in Hirschberg

H. Peter in Meissen

E. Petersen in Rom

E. Piccolomini in Rom 27, 1

R. Piscbel in Halle a. S. 28, 465

F. Picbimayr in Mönchen 26, 635 83, 653

M. Pohlenz in Berlin 31, 321

H. 1. Polak in Rotterdam

H. Pomptow in Eberswalde 88, 329

E. Preuner in Athen 29, 530

M. Pulch in Rinteln

A. Rasmus in Brandenburg a. H.

R. Rassow in Elberfeld

A. Rehm in Ansbach 84, 251

Th. Reinach in Paris 84, 159

R. Reitzenslein in Strassburg i. £. 26,

308 28, 159 29, 231 619 31, 185

38, 87 35, 73 602 A. Reusch in Altkirch i. E. A. Reuter in Marburg 28, 73 0. Richter in Berlin A. Riedenauer (t) A. Riese in Frankfurt a. M.

G. Robert in Halle a. S. 26, 480 29, 417 30, 135 14S 156 31,530 32, 421 33, 130 566 84, 645 35, 141 650

H. Röhl in Halberstadt

E. Rohde (f)

V. Rose in Berlin

G. Rosenthal in Berlin 32, 317

0. Rossbach in Königsberg i. Pr.

M. Rothstein in Berlin

M. Rabensohn in Potsdam 26, 153

A. Rzach in Prag 88, 591

G. de Sanctis in Rom 29, 479

M. Schanz in Wörzburg 29, 597 30,

401 A. Schaube in Brieg Th. Schlehe in Berlin H. Schiller in Leipzig

F. Schmidt in Jever

J. H. Schmidt in Hagen i. W.

Job. Schmidt (t)

L.Schmidt in Dresden 34, 155

W. Schmitz (t)

R. Scholl (t)

A. Schöne in Kiel

R. Schöne in Berlin

H. Schrader in Hamburg 29, 25

VIII

VERZEIGHNISS DER MITARBEITER

Th. Schreiber in Leipzig

0. Schroeder in Berlin

R. Schubert in Königsberg i. Pr.

Â. Schulten in Götlingen 29, 204 481

32, 273 523 83, 534 G. Schultz in Steglitz 35, 308 W. Schulz in Berlin K.P.Schulze in Berlin 83, 511 W.Schulze in Göttingen 28, 19 L.Schwabe in Tübingen E. Schwanz in Strassburg i. E. 32, 493

Ö54 38, 101 132 185 34, 427 481

35, 106

E. Schweder in Kiel

0. Seeck in Greifswald G. Sintenis (f) Â. Skias in Athen

F. Skutsch in Breslau 27,317 29,517

31, 646 32, 92

W. Sollau in Zabcrn 26, 408 29, 611

629 63t 30, 624 31,155 J. Sommerbrodl in Breslau

G. Sorof in Kloster Rossleben 84, 568 F. Spiro in Rom 29, 143

E. Steßenhagen in Kiel A. Stein in Wien 32, 663 35, 528 H.Stein in Oldenburg 27, 159 88,352 P.Stengel in Berlin 26,157 160 27, 161 446 28,489 29,281627 30, 339 31, 477 478 637 84, 469 642 35, 627 K. Strecker in Dortmund 26, 262 H.E.W. Strootman in Sneek 30, 355 W. Studemund (f) Fr. Studniczka in Leipzig 28, 1

E. StuUer in Görlitz

F. Susemihl in Greifswald L. von SybeJ in Marburg

H. Swoboda in Prag 28, 536

E. Szanlo in Wien 27, 312

Th. Thalhcim in Breslau 29, 458

C.Thiele i. Marburg 27, 11 30, 124

32, 68

•Ph. Tliiclmann in Fürth

E. Thomas in Berlin 27, 22 28, 277

31, 457 32, 60 P. Thomas in Gent M. Thommen in Basel

G. V. Thompson in New-Haven Conn. 30, 478

£d. Thrämer in Strassburg i. E.

H. Ticdke in Berlin

J. Toepffer (f) 29, 463 30, 391 31,

105 124 A. Torslrik (t)

L. Traube in Mönchen 27, 158 SS, 345 P. Trautwein in Berlin M. Treu in Potsdam

C. Trieber in Frankfurt a. M. 27, 210

321 29, 124 G. Turk in Breslau 31, 647

F. Umpfenbach (t)

G. F. Unger in Würzburg

J. Vahlen in Berlin 26, 161 35t 28, 354 30,25 361385 88,245 35,131

L S. van Veen in Arnheim

P. Viereck in Berlin 27, 516 654 30, 107

W. Vi8cher(t)

I. van der Vliet in Utrecht 32, 79

H. Voretzsch in Berlin

G. Wachsmuth in Leipzig

W. H. Waddington (f)

R. Wagner in Dresden 27, 131

S.J. Warren in Dordrecht 29, 476

S. Waszynski in Berlin 34, 553

J. Weber in Perleberg

N. Wecklein in München

R. Weil in Berlin

M. Wellmann in Stettin 26, 321 4SI

27, 389 649 654 30, 161 31, 221 38, 360 35, 349

P. Wendland in Gharlottenburg 31, 435

88, 175 34, 412 E. Wendung in Diedenhofen 28, 355 G.Wentzel in Göltingen 30,367 33,275 K. Wernicke (f) 26, 51 32, 290 G. Weyman in München 29, 626 U. von WilamowitzMöllendorff in Ber- lin 26, 191 27. 648 29, 150 154 240 30, 177 32, 99 251 382 83, 119 492 513 84, 55 203 601 35, 1 533 U. Wilcken in Breslau 27, 287 464

28, 154 161 230 29, 436 30. 151 481 619 32, 478

A. Wilhelm in Athen 32, 317 35, 669 H. Willrich in Göttingen 88, 657 84,

174 231 306 P. von Winterfeld in Berlin 30, 557

83, 168 506 667 H. Wirz in Zürich 32, 202 83, 109 G. Wissowa in Halle a. S. 26, 137

32 31 1 E. Wölfllin in München 27, 652 R. Wuensch in Breslau 32, 42 K. Zacher in Breslau K. Zangemeister in Heidelberg E. Zeller in Stuttgart E. Ziebarth in Hamburg 30, 57 32, 609 L. Ziegler in Heidelberg 31, 19 27S J. Ziehen in Frankfurt a. M. 31, 313

32, 490 88, 340 341 H. Zimmer in Greifswald 29, 317 R. Zimmermann in Lübeck H. Zurborg (t)

ASIANISMÜ8 UND ATTICISMÜS.

Asianismus ist heut zu Tage ein vielgebrauchter Name'); manche ideotificiren den Begriff mit dem vagen der eorrupta do- quentia aller Zeilen; manche verstehen darunter die gesammte kunst- mässige Prosa der hellenistischen Zeit; andere halten sich mehr an den geographischen Sinn, lassen aber dafür den Asianismus der hellenistischen Zeit in der zweiten Sophistik, deren Centrum Asien ist, Wiederaufleben; darin aber sind alle einig , dass Asia- nismus etwas sehr verwerfliches isL In scharfem Gegensatze hierzu steht die geringe Zahl der antiken Zeugnisse, auf Grund deren der moderne Begriff sich gebildet hat; so bekannt sie sind, müssen sie doch von Neuem vorgeführt werden. Cicero kennt in den Büchern vom Redner den stilistischen Terminus noch nicht; er bemerkt nur, dass der gebildete Asiate die Feinheit der Aussprache, wie sie auch der ungebildete Athener von selbst besitze, niemals erreichen kOnne.*) Im Brutus (325) dagegen charakterisirt er gar

1) Es wird jeder jetzt zonäcbst nach Nordeos schönem Buche greifen, wo die hellenistische Zeit kurzweg 1 126 ff. als ,Entartung der griechischen Prosa, Demetrios und die asianische Beredtsamkeit* behandelt ist. Die zweite Sophistik wird dann I 353 ff. behandelt. Nordens Versuch, einen Widerspruch zwischen Rohdes und Raibels Aufsätzen (Rhein. Mus. 41 gegen Herrn. 20) zu leugnen, ia^uft Rohdes Intention zuwider und kann nur so weit gebilligt werden, als zwei so kenntniss- und urlbeilsvoUe Beortheiler sachlich sich sehr Tiel näher stehen, als es ihnen selber scheint. Dass ich gegen Norden vielfach ex- und implicite polemisire, geschieht natürlich nur, weil sein Buch so schön ist.

2) De orai. 3, 43 AlhenU tarn diu doctrina ipsorum Atheniensium interiity darmciUum tarUum in illa urbe remanet ttudiorum, qtäbut vacant cives, perêgrini fruttntur^ eapti quodam modo nomine urbiê et auctoritate. tarnen eruditistimoê homines Asialieos quivis Atheniensis indoctus nan ver- bis sed sono vocis nee tarn bene quam suaviter loquendo facile superabit. Das ist der Zustand Athens, den Cicero kannte, nach der sullanischen Kata- strophe; Grasses batte es noch anders gesehen, und das Volk war erst durch die Verarmung der Bildung entfremdet, vgl. Philodem rhet. 11 217 Sudh. (aus

Henne« XXXY. 1

2 ü. V. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF

zwei Artec der asiatischen Beredtsamkeit, {genus Astalicae dictionis)^ als er Qber Hortensius, eioe gefaUene Grosse, sein Urtheil abgeben soll. Die eine jagt nach eleganten Pointen, fOr sie ist Beleg ausser Menekles und Xenokles von Alabanda (die er schon de orat. II 93 hatte loben lassen) der Sikeliote Timaios; die andere Art, aus- gezeichnet durch hastigen Redefluss und den Schmuck künstlich gebildeter Wörter {facta, d. i. TteTcoirjfiiva) , lässt er in seiner Gegenwart regieren und nennt dafür als Muster Aischines von Knidos und Aischylos von Milet. Er verwirft diesen Stil nicht, aber man merkt, was an ihm fehlerhaft ist, wenn man den Bericht über seinen eigenen Studiengang kurz vorher vergleicht (315). Auch er hat jenen Aischylos gehOrt, daneben einen Menippos von Stratonikeia , also einen Kar^r, der aber als Attiker gelten soll, si nihä habere ineptiarum Atticorum est; dann lobt er die strenge Zucht des Rbodiers Molon, der ihm die jugendliche Ueberschweng- licbkeit abgewohnt hätte. Es ist also nur ein Uebermaass, was er tadelt, und er leugnet, dass alle Asiaten daran krankten. Hef- tiger Tadel kommt erst im Orator heraus (24), da haben Phi7gien Karien Mysien ein opimum et quasi adipatae dictionis genus er- funden^ von dem die Rhodier nie etwas haben wissen wollen, geschweige die Athener. Aber diese haben selbst verschiedene gleichberechtigte Arten ausgebildet, wie er gegen seine eigenen Gegner, die radicalen Atticisten, sofort hervorhebt. Er tadelt weiterhin die zu musicalischen Clausein jener Pbryger und Karer (57), und unterscheidet an den Asiatici maxime numéro servientes (230. 231) drei Fehler, das Einfügen gleichgiltiger Wörter um den Rhythmus zu füllen,') die von Hegesias hergeleitete Zerhackung der Rede in lauter versäbnliche -KOfÄf^ata*) und die Monotonie der-

Diogeoes von Babylon). Wir dürfen also dieses ganze Urtheil nicht von Cicero auf seine griechische Vorlage übertragen. Um so bemerkenswerther ist, dass er an den Asiaten keine unattischen Wörter zu tadeln weiss.

1) Dies gilt hier nur einzelnen Flickwörtern; den Vorwurf erinnere ich mich nicht bei den Griechen gelesen zu haben, denn die feinen Anmerkungen aber naçanhfiçatfiaTotol avvdsa/ioi bei Demetrios 55 zielen ganz wo anders hin. Analog ist Tielmehr in der periodisirten Rede die Einfügung überflüssiger Glieder, die Dionysios Demosth. 19 in belehrender Weise an Isokrates rögL Die im Bilde ähnliche Stelle jt. vynws 10 (S. 23, 4 Vahlen) hat anderen Inhalt.

2) Infringendis concidendUque numerit in quoddam genus abiectum xncidunt {ver)siculorum timilUmum, heisst es von dem Fehler des Hegesias; weiter unten nee minutos numéros sequens concidat dehimbeique senlenUas,

ASIÂNISHUS UND ATTICISMUS 3

selben immer wiederholten Clausel, an der das Brüderpaar von Alabanda kranke. Aber diese erhalten daneben doch ein warmes Lob, und dem Hegesias, an dem er hier auch die senientiae ge- tadelt hat (226), während er die Asiaten immer nur bei der dictio erwähnt, war im Brutus trotz dem Tadel des fAStçaxnôdeç seiner xofÀfÀora, zugestanden, dass er die concinnitas erreichte. So hat Qcero sich niemals zu einer runden Verurtheilung der Asianer herbei- gelassen. Selbst in der Vorrede zu seiner Uebersetzung der Kranz- reden, wo er principiell nur einen Stil gellen lassen will, um die Attiker auf ihrem eigenen Boden zu schlagen, stellt er neben dieses demostbeniscbe Ideal einerseits die Gesundheit derer qui aut AUici numerantur aut dicunt Auice, andererseits die quorum vitiosa abundantia est, quales Asia multos tulit (8), er kannte also sowohl attisch, d. i. classisch, schreibende, die nicht aus Athen waren, wie auch Asianer, die nicht den Vorwurf der UeberfQlle verdienten. Es ist deutlich, dass er im Jahre 55 die asiatischen Redner nur als geographischen BegriiT kannte, dass ihm dann von atticistischer Polemik die stilistische Bedeutung des Terminus nahe gebracht ward, er aber nun mit der geographischen Beschränkung nichts anfangen kann, denn er kennt Asiaten, die nicht asianisch sind, und er muss einen Sikelioten, den er nie aufgegeben hat als Muster- scbriftsteller zu betrachten, mit als Typus des Asianismus nennen,

Da ist das letzte ganz klar: wenn man I«uter xo/Afidrta ^v^/iucâ bildet, so werden die Sätze zertiackt ond haben keine tcwla mehr. Danach versteht mao das erste, fv^ftol xataxsxhiafiévot ual xaraMSMO/ifiärot ergeben eine elende Composition, denn sie ist ganz ähnlich wem? Das könnte eine Gattung Verse sein, freilich nicht Dithyramben, die nicht aas KOfiitaxa be- steben, sondern etwa Kinaeden, zumal es sich am den Ithyphallicos mit in erster Linie bandelt; aber Hegesias hat nicht nur eine Sorte Glaoseln. Also ist sein Fehler, dass er so kurze rhythmische Glieder baut^ dass die ganze Rede ans Verstheilcben besteht; also hat Jahn mit der Ergänzung (ver)êicularum Recht. Dasselbe ergiebt sich auch so: Cicero fordert, man solle claudere nu^ maris tenteniioi (229), aber der numerus soll sein non modo non poelice vineius, verum etiam fugiens illum eique omnium dissimillimos (227): schon der Anklang sollte zeigen, wem das genus abiectum similUmum sei. Es ist aber auch thatsächlich der Fehler, den Cicero rügt, dass die Rede IJu- fter(fos, nicht ë^dv&uos wird, wenn sie aus lauter xôfifiara ^d'/uxd besieht. Selbstverstindlich muss man wie in der philosophischen, so in der rhetorischen Terminologie bei den Lateinern retrovertiren , am scharf zu verstehen. Ich habe diese Anmerkung schreiben müssen, weil Immisch Rhein. Mus. 48, 546 ood Norden I 147 mir schlechthin Unbegreifliches darüber gesagt haben«

1*

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oder vielmehr eines Asianismus, denn er unterscheidet mehrere Arten : so wenig präcis dünkt ihn der Begriff, obwohl er gar nicht der ganzen Beredtsamkeit, sondern nur der dictio, der ççâoiç gilt; von dem Wortschatze ist nur insofern die Rede, als die xvQia ov6fxa%a den nenoiTjfÀéva gegenüber stehn, nicht die l^TTtxa den EkXrjymà oder aoloixa. Die Stelle des Orator reproducirt getreu die remden Vorwürfe, Schwulst und Ueberladung an jeglichem Schmucke der Rede, vornehmlich auch in ihrer dadurch monoton werdenden Rhythroisirung. Das schien auch ihm ein Fehler, und er Hess sich gern gefallen, dass er auf die Unbildung von Karern und Phrygern zurückginge; er selber kannte die Unbildung und Geschmacklosigkeit seiner Landsleute genug, die sich daher mit dem Schwulste des Hör- tensius befreundet hatten, bis er auf Grund seiner tiefen Griechen- bildung ihnen besseres zeigte. Aber er merkte auch, dass er den atticistischen Pedanten die Asiaten nicht preisgeben durfte, ohne selbst sowohl seine eigene Stellung wie das höhere Ideal seines Redners zu gefährden. Er ist doch auch der unvergleichlich sach- verständigste Mann, den wir hören können, und wenn für ihn der Asianismus ein unklarer Begriff und die Verurtheilung der ganzen Richtung eine Ungerechtigkeit gewesen ist, so wird er schon Recht haben.

Vielleicht schon vor Cicero hat Santra gesagt, dass die Asiaten, als sie hellenisirt wurden und sich in der Rede versuchten, aus Unkenntniss der xvgia ovofxava auf Umschreibungen verfallen wären, die sich dann in ihrer Beredtsamkeit behauptet hätten. Quintilian citirt dies (XII 10, 16), wo er die arUiqua divisio ifUer Atticos atque Äsiafios bespricht,^) d. h. die ihm aus der Tradition bekannt, seiner Zeit aber bedeutungslos war. Santras rein gram- malische Bemerkung ist interessant: die Periphrase ist ja wirklich für die xoivrj im Gegensatze zu der alten Sprache charakteristisch, freilich nicht für Asien mehr als für Syrien und Aegypten. Von solchen Beobachtungen hat Cicero nichts gewusst; andererseits geht Santras Urtheil die Stilkritik nichts an.

Dionysios von Halikarnass ist selbst ein Karer oder wenigstens Asiate, so dass er den Namen meiden muss; aber er giebt in der

1) Er selbst fügt als Mittelding die Rhodier hinzu, deren Schale nach der bekannten Tradition Aiscbines gestiftet habe. Ihre Beurtheilung ist intér- essant, weil sie nicht aas Cicero sUmnit; sie sind lenibus siagnU nmiiss: das stimmt dazo, dass der altere Apollonios fudeatàç hiess, Strab. 655.

ASIANISMUS UND ATTICISMUS 5

Vorrede seioes Werkes Aber die aUischeo Redner dieselbe Lehre, die dem Cicero im Orator vorlag. Nach Alexander wäre aus einigen asiatischen Spelunken die AfTermuse hervorgekrochen, eine Phry- gerin oder ein karisches Ungethüm, und hätte geherrscht, bis die in Rom centralisirte Macht dem Geschmacke der Welt den Befehl zur Umkehr und Einkehr gegeben hätte. Dionysios braucht nicht mehr zu kämpfen ; der Sieg ist mittlerweile erfochten oder er darf es doch schon so darstellen. Er steht in seiner Verherrlichung des Demosthenes dem Cicero gar nicht so fern; aber er unter- scheidet sich von ihm in der radicalen Verurtheilung der gesammten nachclassischen Prosa, wie er es namentlich in der Schrift Ober die Wortfügung ausspricht, so verschiedene Stilisten wie Duris und Polybios, Hieronymos und Hegesias in einen Topf werfend. Von ihm haben die Modernen die Anschauung, dass der Asianismus mit Hellenismus einerseits, mit carrupta eloquentia andererseits identisch wäre.

Noch im Kampfe hat der Sikeliote Caecilius gestanden, als er sein Buch xavà 0Qvy(Lv schrieb, von dem der Titel, das einzige bekannte, die Tendenz offenbart; daneben stand ein Buch rivi ôuapéçei b jitzivioc ^fîkoç %ov lAlaiavov. Wir kennen ihn auch als einseitigen Atticisten der Art, gegen die Cicero fleht, denn sein Ideal war Lysias, während er selbst Piaton ganz verwarf. Auch das passt für die Zeit des Streites, und es existirt keine Instanz dagegen, dass er diese Polemik vor Dionysios geführt und ganz wesentlich zu dem Siege beigetragen hat. Er hat auch zuerst, so viel wir wissen, ein Lexikon in dem atticistischen Sinne verfasst, dem Redner die echten Worte, die xvçlac lé^eiç zu liefern, damit die Rede wieder attisch. würde. Das mag er später verfasst haben als Dionysios sein verlorenes Buch über die Wortwahl; dass der Asianismus nach dieser Seite sündigte, war schon dem Santra ge- läufig gewesen. Der zweisprachige Sikeliote und römische Bürger mochte sich den ,Asianern^ schon gesellschaftlich überlegen fühlen; der Bruch mit der Tradition ward ihm leichter, wenn er von Her- kunft oder Glauben Jude war.

In der späteren Zeit des Augustus giebt es in Rom asianische Declamatoren, die uns Seneca unter diesem nun zuerst auftretenden Namen vorführt. Wie sich damals ja auch andere Attici nennen, unbeschadet ihrer gut asiatischen Herkunft. Die Asiani scheinen allerdings auch der Abstammung nach Asiaten, und wenn einer»

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als ihm der Kaiser ein Talent schenken will, sagt, ^ nçoa^eç i açeXe fbirj ^At%i;kov rji^ so muss sich das Attische in einer ein- zelnen Vocahel, nicht in der Composition gezeigt haben, wie an Münzen der x^Q^^'^^Q» ^^^ xoju^a agxalov oder xor^voV.*) FQr unsere EmpOndung ist der Gradunterschied des Absurden zwischen allen diesen Declamatoren gering.

Das Urtheil der Gebildeten jener Zeit giebt Strabon wieder. Er traut sich kein eigenes Urtheil in rhetorischer Technik zu, äussert aber den altsloischen Widerwillen gegen Redeschmuck selbst dem Poseidonios gegenüber (147), und über Hegesias sagt er i]Q^e fjiaXiaza vov ^Aaiavov Xsyofxivov ^tjXov naçacpd^eiçaç %b xa&eaToç ed'oç to ^Aitixov. Er macht das noch boshafter, in- dem er Hegesias mit einem Musiker vergleicht, der ebenso die ehr- bare Weise verlassen hätte, und diese Zusammenstellung wird er- möglicht durch die Versetzung des Hegesias von dem Magnesia am Sipyios nach dem am Maeander (648). Bekanntlich hat Strabon nichtsdestoweniger eine Phrase des Hegesias angewandt, um sich eine Beschreibung Athens zu sparen (396); er hatte sie doch wohl als Knabe in Amaseia auswendig gelernt.

Endlich tadelt noch Theon in den Progymnasmen (S. 71) die %fAfÂB%QOç TLaï Uvçv&fÀOÇ Xé^iç des Hegesias und der idaiavoi xalovf4€voi çrj'iogeç, die aber auch bei Epikur vorkäme. Theon erwähnt als jüngste den Theodoros von Gadara und den Apion,')

1) Craton venuttUtimtu homo et profettus Mianu*, Seneca contr, X 5, 21 , seine Herkunft wird nicht angegeben. In den paar citirten Worten ist der Vulgarismus ßawos; auch i^Xiov xaiovxos ist nicht classisch. In einem losgerissenen Satze wie Jlçofitjâ'ev , vvv iSei ce nvç nléxpaiy wage ich auf den Rhythmen w | -w-^ nicht zu insisliren.

2) Der in den 'jä^iotvoe iXayxo^ S. 93 stecken muss. Der fihodier Apol- lonios (Molon) ist ihm ein halbverschollener ttäv ncsaßviecatv S. 6t. Er weiss von der Kritik der Lysiasreden durch Dionysios oder Gaecilius S. 69. Für den Ätticismus ist besonders bezeichnend, wie er seinen Knaben den Dual beibringt S. 10t. Dass er nach Suidas als römischer Bürger Aelius hiess, braucht nicht auf badrianische Zeit zu führen. Dionysios hat doch wohl schon von den Aelii Tuberones das Bürgerrecht auf seinen Nachkommen, den Atticisten, ver- erbt, und Aelius Gallus war praefectus Aeg. gewesen, so dass es Aelii in Alexandreia gegeben haben wird; das ist nach Suidas Theons Heimath. Das Buch bietet keinen Anhalt für den Ort seiner Entstehung. Der Stil zeigt auf jeder Seite den vollen Sieg des Ätticismus, aber Genaueres kann ich ihm nicht entnehmen und würde sehr bedenklich sein, wenn Jemand aus ihm ent- scheiden wollte, ob 50 n. Ghr. oder 150. Der Name ist zu gewöhnlich, als dass man auf diesen Theon die Gitate Quintilians (3, 6, 4S. 9, 3, 76) beziehen

ASIANISMDS UND ATTICISMUS 7

der Kreis der Lecture, den er voraussetzt, umfasst our Klassiker, Redoer gar nicht mit Vorliebe, von Historikern Theopompos, Epho- ros, Philistos, von Dichtern nicht Tragödie oder Lyrik, dagegen mit Vorliebe Menander: das ist, wie mich dOnkt, im 2. Jahrhundert undenkbar, so dass ich mit denjenigen übereinstimme, die die Schrift um die Mitte des 1. Jahrhunderts ansetzen. Dazu stimmt auch die Nennung der Asianer, die freilich der Vergangenheit an- gehören können, aber doch noch bekannt sind. Denn es ist ihre letzte Erwähnung. Wenn Plutarch von Antonius (2) sagt, dass er dem ^^koç uiaiavoç angehangen hätte, avd'wv irt' èxeivov rot XQOvov^ so entnimmt er das seiner Quelle, bezeugt zudem ebenso wie Quintilian, dass diese Stilrichtung nicht mehr existirte.

Das ist alles.') Constatiren wir dem gegenüber, wer den Aus- druck nicht kennt. Agatharchides, der doch mit Hegesias so streng ins Gericht geht, Seztus, dessen Buch wider die Rhetoren vor- ciceronische Doctrin giebl, Philodem, Cicero de inventionet der Rhetor ad Herennium, Gorgias von Athen, der die Asiaten an- standslos als Musler braucht, die Schrift n. vxpovg, der jüngere Seneca und alle Späteren. Es ist ein Schlagwort, ausgegeben in Rom um die Mitte des 1. Jahrhunderts, das kaum zwei Menschen- aller vorgehalten hat. Es richtete sich gegen die Redner, die in d*fr Gegenwart in der Provinz Asia herrschten, wo die Römer ihre rhetorischen Studien zu machen pflegten, und deren Vorbilder, die denn freilich nicht alle Asiaten waren, sondern Timaios Sikeliote, Matris Thebaner, Epikur gar Athener. Gegen sie spielte man die ,Ailiker*, d.h. die alten Classiker, aus, über deren Auswahl man immer noch so verschieden urlheilen konnte, wie Cicero und Brutus^ Dionysios und Caecilius. Der Gegensatz von Attisch und Asianisch ging nicht die ôiâvoia, sondern ausschliesslich die Xé^iç an, dies in doppelter Weise, einmal die Rhythmen, d. i. die avv&eaig ovo- fiQTiov, wo man denn wieder verschiedenes tadelte, zum anderen die ixloyfj ovof^dzwv. Dies zweite tritt zufällig in unserer Ueber- lieferung zurück, da Cicero^ der Lateiner, es nicht behandeln kann,

kôuDte. An der letzteren Stelle heisst er Stoiker und vermittelt vielleicht ein Unheil des Caecilius: unvereinbar ist auch das mit den Progymnasmen nicht. 1) Scheinbare Zeugnisse aus viel späterer Zeit, auf die sich Norden 1 367 fif. stûut, werden unten S. 11 A. 4 an ihrer Stelle besprochen. Was von La leinern dem Cicero nachgesprochen wird, wie in den von Norden II 635 vorgelegten Stelleo des Hieronymus, kann hier nichts lehren, und auch in dem Zusammen* hange, in den es Norden rückt, hat es keine Beweiskraft.

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und die betreffende Schrift des Dionysios verloren ist; aber es muss eigentlich den Ausgangspunkt gebildet haben. Wenn die barbarischen Elemente Afiens für die Verderbniss verantwortlich gemacht wurden, so niusste ihr Einfluss sich in der Correctheit und Precision des Ausdruckes fühlbar machen, in den Rhythmen höchstens mittelbar. So finden wir die asianiscbe Sprache unzweifelhaft von dem be- deutendsten Feinde der Phryger, von Caecilius bekämpft, und unser vielleicht ältester Zeuge Santra redet auch von ihr. Als unter Augustus die griechischen Rhetoren sich nach Rom zogen, so dass die Romer nicht mehr nOthig hatten, ihre Ausbildung in Asien zu suchen, haben sich natürlich nicht gleich alle der dort bereits herrschenden Mode unterworfen, und der eine Kraton ist als mu- thiger Bekenner des Asianismus zu rühmen, aber es liegt schon in dem Verstummen der Polemik, dass der Atticismus mindestens theoretisch rasch einen vollkommenen Sieg errungen hat. Mit der Polemik gegen sie verschwinden auch die Stilmuster des Asianismus. Wenn Rutilius Lupus in dem veralteten Musterbuche des Gorgias noch eine Menge Beispiele hellenistischer Zeit übersetzt hat, so beweist das nur seine Unbildung. Es kann Niemand bezweifeln, dass, von Hegesias und allen den von Cicero gerühmten Rhetoren zu schweigen, auch die Historiographie der hellenistischen Zeit, Timaios an der Spitze, aus den Händen des Publicums vollkommen verschwanden, ganz im Gegensatze zu dem Urtheile und der Praxis von Cicero und Varro. Nur aus stofflichem Interesse hat man sie noch gelesen, nicht mehr in weiten Kreisen. Selbst Plutarch, der doch Hieronymos, Aratos, Phylarchos und viele geringere für seine Biographien aufgesucht hat, rechnet sie nur als Vermittler der That- Sachen; einem Aristides liegen sie schon volhg fern. Man kann nicht bezweifeln, dass die Romane, Milesiaka, Assyriaka und wie sie hiessen, derselben Verachtung verfielen, lediglich der Form wegen, und diese sogar spurlos, da sie als Historie denn doch nicht genommen wurden. Oder vielmehr sie haben sich auch trans- formirt, schliesslich in die erotischen Romane, Briefe u. dgl. der Sophistik.') Die Unterhallungslilteratur der breiten Masse ist ja immer modern, aber immer ephemer und niemals original.

1) Seit der Entdeckung der älteren Romane, namentlich dem von Ninos kann das nicht bezweifelt werden. Die Entwickelung habe ich kurz gezeichnet Arist. und Alb. II 32. Wie der Roman in die Historiographie gehört, hat E. Schwartz besonders treffend ausgeführt.

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Wenn sich demnach die Asianer eigentlich als solche niemals geftthlt haben, und mit der Zeit des Tiberius auch die Polemik gegen sie ganz verschwindet, wenn diese ganze Litteratur damals untergeht, so kann die Ansicht von Rohde unmöglich zutreffend sein, dass die sogenannte zweite Sophistik die Fortsetzung des Asianismus wäre, es sei denn, man legte diesem Terminus etwas ganz anderes unter, als er im Aherthum bedeutet. Darüber zu urtheilen müssen wir uns die zweite Sophistik ansehen. Dieser Begriff stammt ausschliesslich aus den ßiot Gog>cat(ùv des Philostratos ; was er werlh ist, muss sich aus der Tendenz dieses Buches und ihrer Tragweite ergeben.

Es scheint freilich so, als wäre die alte Sophistik, von der Philostratos stolz ausgeht, durch Niketes II. von Smyrna und Dion von Prusa unter den Flaviern plötzlich wieder aufgelebt. Aber 1)61 näherem Zusehen stellt es sich ganz anders. Erstens fehlen zwischen Aischines und Niketes so gut wie alle Namen, und die sich finden sind nichts mehr als Namen und waren es auch nicht für Philostratos. Er hat von der gesammten rhetorischen Litte- ratur zwischen den attischen Klassikern und der Flavierepoche gar nichts gewusst, geschweige gelesen. Die Asianer und die Rhodier, die Dedamatoren der augusteischen Zeit und noch die der nero- nischen sind für ihn verschollen. Man würde aber schwer irren, wollte man glauben, dass er von den alten Sophisten mehr wüsste, so dass sie etwa wirklich Vorbilder der neuen gewesen wären. Denn was von Protagoras, Prodikos, Hippias, Polos, ja sogar Thra- symachos bei ihm steht, zeigt, dass er, oder besser seine ganze Zeit sie nicht mehr kannte« Gorgias*) und Kritias (dieser durch Herodes entdeckt, von Philostratos besonders nachgeahmt) sind noch gelesen, wie Aischines und Antiphon und Isokrates,') obwohl er auch von

1) Dessen Nachatimung hebt er bei Skopelian hervor, was man glauben mag. Von seinem Lehrer Proklus sagt er (II Ka'), er hätte selten eine Sid' Igfti gebalten, ihat er es aber, iTtmdiovrt éeôixai nal yo^ia^ovrtj d.h. über einen allgemein moralischen Stoff sprach er so prachtvoll wie Hippias und Gorgias, bei Piaton npmlich. Wollte man es wörllich nehmen, so hätte es noch etwas von Hippias gegeben, was notorisch nicht wahr ist und mit dem Artikel des Philoslrat über Ihn direct streitet. Norden I 385 hat sich läuschen lassen und operirt auch mit dem Weiterleben von Schlagwörtern der alten Sophistik, als ob der Journalist die Herkunft der fremden Federn kennte, mit denen er sich putzt.

2) Die Sophisten des 4. Jahrhunderts, die so recht hergehörten, Poly- krates, Anaximenes, Alkidamas, Theodektes fehlen auch: so viel ärmer war die Litteraturkenntniss seit Giceros Zeit geworden.

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alleu dieseo ganz flQchtig handelt. Also die ganze Anknüpfung an die alte Sophistik ist nur ein Coup, bestimmt, die Würde der Kunst zu erhohen: in Wahrheit wollte er über die Sophisten handeln, von denen er durch Tradition und, lange nicht von allen, durch ihre Werke Kunde hatte.'} Also fängt mit den Flaviern daruoi noch lange keine neue Periode an, weil anderthalb Jahrhunderte später die F>innerung und die in den Händen des Publicums erhaltene LiUeratur nicht weiter zurück reichte. Auch diese Litteratur ist immer modern und ephemer und nie original. Wie wäre es ge- gangen, wenn wir Philostratos nicht mehr hätten? Was wären uns Niketes und Lollian, Hippodromos und Skopelian? Wie ist es denn den Sophisten nach ihm ergangen, Proaeresius, Kallinikos, Minucian u. s. w.? Und wenn wir Seneca den Vater nicht hätten, was besässen wir von der Blüthe der augusteischen Declamation? So viel wie jetzt von den lateinischen Declamatoren zwischen Se- neca und Quintilian, die doch wahrhaftig ihrer Zeit bedeutend waren. So lange die Litteratur sich irgendwie fortentwickelt, zer- stört sie unweigerlich die Masse dessen, was für den Tag Bedeutung hatte, aber über den Tag hinaus zu wirken die Kraft verlor. Die Nachwelt trifft eine Auswahl, nicht absolut gerecht, aber doch mit geschichtlich erkennbarer Nothwendigkeit. Aber wer die Entwick- lung der Litteratur verfolgen will, muss nicht nur was dauernd, sondern auch was momentan wirkt, erwägen.

Was die Byzantiner an Litteratur übernahmen, setzt in breiter Massenhaftigkeit mit dem 4. Jahrhundert ein, das in den grossen Klassikern der christlichen Kirche des Orients auch rhetorische Vor- bilder hinterliess, deren Geltung nicht mehr angefochten worden ist, weil keine neue kräftige Zeit mehr kam; zu ihnen gesellt sich Libanios, von dem sich nur zu viel erhalten hat, der am strengsten attische und archaistische Rhetor des Jahrhunderts. Daher hat er das Uebergewicht erhalten. Aber es sind neben ihm doch nicht nur lulian und Themistios, sondern auch Himerios erhalten, ein

1) Das gilt von Niketes, dessen Werke jedoch bereils eine offenbar attisch-puristische Umarbeitung erfahren hatten, und Skopelian, aber nicht mehr von Isaios, der doch seiner Zeil eher noch mehr gegolten hatte. Auch über Skopelian schöpft Philostratos aus mündlicher Tradition, die er freilich noch mit den Reden vergleichen kann (II p. 39 Kayser). Offenbar haben ihm über Vieles Bücher in der Art des Seneca vorgelegen, denn die einzelnen Schlagworte stammen längst nicht alle aus publicirten Reden.

ASIANISMÜS UND ATTICISMÜS 11

Haupt der atheoischeD poetisireodeD Richtung, dieser bezeichoender Weise our in einer Handschrift, weil die Erneuerung der Kunst- prosa seit Photius mit diesem Stile nichts mehr anfangen konnte und wollte.*) Nimmt man die reiche rhetorische Doctrin, Geneth- lios und Menander an der Spitze, dazu, so kann man wohl sagen, dass wir Ober die Prosa des 4. Jahrhunderts ausreichend unter- richtet sind. Aber die Heroen des Philostratos? Mit den drei kleinen Declamationen des Herodes und Polemon, zu denen die beiden des Lesbonax kommen, den jener auffallender Weise ver- gessen hat,') ist wenig erreicht: sie haben sich in Miscellanbanden fon MüsterstQcken erhalten, vereinigt wohl mit den immer noch zahlreicheren Musterdeclamationen der classischen Zeit (Gorgias, Alkidamas, Antislhenes). Dion ist nicht als Rhetor, sondern durch das philosophische Interesse gerettet, das man seit Synesios an ihm nahm'); aus demselben Interesse haben wir, allerdings mehr durch glücklichen Zufall, den Tyrier Maximus, uns als Rhetor und Stilist sehr wichtig y von Philostratos aber verschmäht. Dagegen ist Fa- vorin verschollen, weil seine Skepsis dem Christenthume unsym- pathisch war. Wirklich in mächtigem Einflüsse ist nur Aristides geblieben, Classiker schon für Longio, und schon für ihn aus dem Grunde, der ihn immer oben gehalten hat, weil er wirklich den attischen Stil so vollkommen wie kein anderer erreicht hat.^) Die

1) Sie konnte es nicht, weil ihr die dazu nôthige Poesie verloren war, oder sie mosste es machen wie der fiomanschreiber Eustathius, den ich nie- mals fähig gewesen bin durchzulesen. Sie wollte es nicht, weil ihr das gram- matisch correcte Allgriechisch schon an sich schwer und poetisch genug war.

2) Seine Zeit hat Rohde fixirt; als Mitschüler des Polemon und Demonax ßllt er in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts. Noch auffälliger ist bei Philo- strat das Fehlen des Nikostratos.

3) Daher sind seine sophistischen Declamationen fast alle verloren.

4) Seine Kritik ist erhalten, 1 326 Sp. tt^ nXeovdaaaav nsgi xrjv *Aaiav ixhuctv àveKzrjCoTO : damit ist der Gegensatz bezeichnet, in dem Aristides wirklich und bewusst zu den i^oçxovfMvoi in seiner Provinz stand, nichts von dem allen »Asianismus' des Matris oder Timaios. Auf Longin, der 741 dtirt wird, gehn die Prolegomena zu Aristides Hl 737 zurück, wo zwei at- tischen ipoqai ^r^oçofv eine dritte zugefügt wird, in der Asien die Redner stellt, Polemon, Herodes, Aristides und ihre Zeitgenossen. Also diesem By- zantiner ist in diesem Sinne, ganz ohne Stilkritik, die ,zweite Sophistik* asia- nisch, Aristides ihr Haupt neben Herodes Attikos. Wenn also Spätere von eioem Buche sagen, dass es tot ^Aaiavov lœv Xeyoir x^Q^^'^^Ç^ trägt, so beisst das nichts weiter, als es ist mit rhetorischem Aufputze abgefassl: wie

12 ü. V. WILAMO WITZ-MÖLLENDORFF

Schule hat entschieden, uod sie ist oder wird immer wieder classi- cistiscb. Es hat doch auch die attische Diction ganz weseutlicb dazu beigetragen, dass sich die Schriftenmasse Lukians immer be- hauptet hat, und in ihr eine Anzahl an sich geringer, nun fOr uns als Proben höchst schätzbarer Declamalionen. Sonst haben in diesem Zusammenhange die Schriftsteller nicht zu erscheinen, die für Philostratos und seine Zeit keine Sophisten sind.

Würden wir so aus dem Bestände der erhaltenen Litteratur unmöglich auf das scbliessen, was uns nun durch Philostratos als zweite Sophistik geläufig ist, so fehlt es uns nicht an Zeugnissen» dafür, dass das erste Jahrhundert genau ebenso reich an grossen Rednern erscheinen würde, wenn ein Pliilostrat der hadrianischen Zeit etwa von ihm erzählte. In der 18. Rede, einem Erzeugniss seiner Sophistenzeit, führt Dion neben den Klassikern keinen ein- zigen Redner der Zwischenzeit als Muster an, wohl aber von den neueren Antipatros, Theodoros (wohl den Gadarener), Plution und Konon, die uns doch kaum mehr als Schatten sind. Die rhe- torischen Techniker der Zeit zwischen Theodoros und Quintilian und Alezander Numenios, darunter Leute wie Theon, Neokles und der Schriftsteller vom Erhabenen, müssen doch auch als ausübende Redner gelten, und auch die Fortbildung der Theorie bis auf Quin- tilian ist keineswegs verächtlich. So klafft die Lücke höchstens in unserer Ueberlieferung. In der augusteischen Zeit ist die Fülle der Namen thatsächlich kaum geringer als in der Zeit, von der Philostrat berichtet, und das kann man von dem ganzen ersten Jahr- hundert vorher, wohl auch der zweiten Hälfte des zweiten sagen, dank Seneca dem Vater, Strabon und Cicero. Insbesondere charakte- ristisch sind die Erwähnungen der asiatischen Berühmtheiten, die

hätte ein Sokrates oder gar ein Photios etwas von den allen Kämpfen des Caecilius wissen können? So erledigen sich die von Norden 1 370 angeführten Stellen, die ich ohne ihn nicht kennen würde. Ich füge loh. Doxopatris VI S3 W. hinzu. Die aber, auf die Norden besonderen Werth legt, Prokop. EpisLWQ referirt nur Longins Unheil über Aristides, einen Salz aus der schulmässigen Einleitung in die Aristideserklärung , wie wir sie lesen, eben auch aus der Schule von Gaza : ri 8rjta roXg fieiçaxioiç n^Ha&B^éftat^ùS otêi Ti fiéya (péçBiv {tp^ovalv vulgo) ^AçiaxeiSov tov ndw n^s ènatvov^ ai XfyotÇ œs avroç (17 IloXéfitov) T^fi t^cuzvijs raçaraias %r]v aqxaiav ^rjxo^x^v êum." d^çev. Das allerdings unüberlegt eingeschobene ^ Uolifiapv, das man uft- glöcklich corrigirt hat, besagt, man könnte das auch von Poleroon sagen, den die Prolegomena zu Aristides an erster Stelle nennen.

ASI ANISHOS UND ATTICISM US 13

StraboDf natûrlich nicht aus irgend welcher Quelle, sonderu aus seiner exacten und dem Greise wunderbar prflsenlen Kenntniss bei den einzelnen Städten namhaft macht. Es sind ausser Leuten von immer dauerndem Ruhme im Wesentlichen die Notabilitâten , die etwa noch zwei Menschenalter vor Strabons eigener Geburt in dieser Geltung standen, wohl schon viele sonst verschollen , als der alte Herr ihrer erwähnte. Das reicht etwa so weit zurück, wie die Erwähnungen Ciceros, der mit den Erinnerungen seiner eigenen Studienzeit wirthschafteU Die Rhetoren von Alabanda und Dio- pbanes von Mytilene, den seine Verbindung mit Tiberius Gracchus im Gedächtniss hielt, sind wohl die ältesten. Vor der Mitte des 2. Jahrhunderts scheint dann eine grosse Leere zu sein, bis empor zu den letzten Attikern, Demochares und Charisios. Aber das liegt nur an unsere Ueberlieferung. Zopyros von Klazomenai ,') Kleo- chares von Myrlea,*) Hermesianax,*) Matris von Theben/) die ihrer Zeit Geltung genug gehabt haben müssen, waren eben um 100 schon ziemlich verschollen. Und wenn wir keinen einzigen Namen kennten: die Zeit, welche einen neuen Stil und ein neues rheto- risches System ausgebildet hat, kann bedeutender oder wenigstens ihrer Zeit gefeierter Redner nicht entbehrt haben.

So ist denn in Wahrheit eine ununterbrochene Continuität der

1) Der Erfinder des Begriffes azaais, also ein sehr bedeutsamer Mann; ^e oê^ioracêêQ sind damit zugleich gegeben. Dies lesen wir bei Quinlilian ; »Is ältesten Techniker stellt ihn Philodem I 187 mit Antiphon (dessen falsche Techoe bezeugend) zusammen. Als Zeitgenossen Timons erwähnt ihn Anti- fODos S. 43 meines Buches.

2) Vom falschen Aristipp als Jüngerer Zeitgenosse des Arkesilaos er- wähnt, Antig. V. Raryst. 50.

3) Von Agatharebides 446^ 34 erwähnt; der Name zeigt wohl sicher àea asiatischen lonier.

4) Sein Gedächtniss hat gedauert bis Ptolemaios Ghennos 148^ 1 (daraus Athen. IJ 44'); ob der ihn wirklich vfivoyQatpoi genannt hat, oder Photius doen falschen Ausdruck gewählt hat, muss dahingestellt bleiben. Gemeint war das iynmiuov 'H^aul^ovs, das wir durch Diodor kennen, oder mehr GÖtter- reden der Art. Seine Zeit habe ich bei Bethe qu. Diodor, myth. 87 zu tief angesetzt, weil ich Philodem nicht kannte, II 233, 234, wo sich ergiebt, dass Diogenes von Babylon ihn neben Isokrates als Typus des sophistischen Bedners im Gegensatze zum politischen citirt halte. Damais war er also hoch angesehen, und es ist bezeichnend, dass Diodor, der vom Glassicismus

weiss, ihn noch ausschreibt; dem Schriftsteiler n. vynnfÇ ist er schon Typus schwülstiger Bede wie Hegesias.

14 ü. V. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF

praktischen Uebung in Schule und Leben von der alten Sophislik bis in die neue und weit über sie hinaus. Es ist dieselbe So* pbistik zur Zeit des Isokrates und des Hermagoras, des MoIod, des Theodoros, Theon, Dion und Aristides, und weiter des Hermo- genes und Lachares, wenn man will bis Gregor von Korinth und Michael Akominatos. Es ist durchaus richtig, dass die asianische Beredtsamkeit in der des Niketes und Polemon lebt, aber sie lebt nicht plötzlich wieder auf, am Wenigsten durch Zurückgreifen auf die längst verschollenen hellenistischen Redner, und dieselbe Rbe* torik des Niketes und Polemon ist zugleich auch die fortlebende Sophistik des Isokrates, wenn man will des Gorgias und Thrasy- machos f aber auch das nicht durch plötzliches bewusstes Zurück- greifen, sondern in der stillen Continuität des Lebens, plus ça change, plus c*est la même chose. Nur einmal ist ein partieller Bruch eingetreten, durch die atticistische Reform der Sprache und des Rhythmus. Doch von der reden wir noch nicht; die Conti- nuität der rhetorischen Praxis tangirt sie auch nicht.

Ohne Zweifel liegt ein stärkerer Anspruch auf Können und Wissen darin, wenn sich die Redelehrer und Redekünstler Sophisten nennen, als wenn sie nur Rhetoren sein wollen, worauf doch ge- rade Gorgias bei Piaton mit Schärfe seine Ansprüche beschränkt. Aber wir stehen zu sehr unter dem Banne der platonischen und aristotelischen Terminologie, wenn wir meinen, dass der Sophisten- name je den Nebenton des falschen und trüglichen nothwendig in sich getragen hätte, der für uns mit ihm verbunden ist. Das neue Marmor Parium hat gelehrt, dass der parische Schulmeister seine Knaben das Todesjahr des Philosophen Piaton, aber des Sophisten Aristoteles auswendig lernen Hess, offenbar, weil nur der Letztere auch Rede- lehrer gewesen war. Und Philodem hat gelehrt, dass Epikuros den Namen Sophist durchaus auf den Schulredner so angewandt hat, wie es Philodem selbst für seine Zeit auch thut, und wie es Philostratos thut. Gerade einem der schärfsten Atticisten giebt auch Strabon diesen selben Namen.*) Dion aber kämpft nach seiner Bekehrung zur Philosophie immer gegen die Sophisten, was ihn nicht davor bewahrt hat, selbst in ihrer Reihe einen Ehren- platz zu erhalten. Also kann das Hervorziehen dieses Namens in keiner Weise Epoche machen; nur ein Gradmesser für die An-

1) Dem DioDysios von Pergamon 625.

ÂS1AMSMUS UND ATT1CISMUS 15

sprOche mag es sein, die voo den Rhetoren erhoben wurden. Mehr ooch bat der allgemeine arcbaisirende Zug der Zeit gelban. Wenn man immer so that, als wäre die ganze Zeil nach Alexander ge- strichen und lebte man beinahe im 4. Jahrhundert, so machte es sich fast von selbst, dass man Gorgias und Isokrates als Collegen behandelte.

Also die zweite Sophislik ist in dem Sinne keine festumgrenzte Periode, dass um 100 n. Chr. irgend etwas Neues begänne, was damals auch kein Mensch empfunden hat. Wenn wir den Namen weiter brauchen, um die grosse Masse Lilteratur zusammenzufassen, die uns im Gegensatze zu der Aermlichkeit des 1. Jahrhunderts ans dem 2. vorliegt, so sollen wir uns seiner sehr bedingten Richtig- keit bewusst sein. Aber er ist ganz praktisch, weil das Selbsl- gefahl und die sociale Geltung der Rhetoren der Kaiserzeil in ihm ausgesprochen ist, die allerdings etwas Neues ist und namentlich mit der Verachtung contrastirt, die Aristoteles und Epikuros dem widmen, was sie Sophist nennen. Dies zu begreifen, müssen wir das halbe Jahrtausend und die säcularen Schwankungen in den Beziehungen zwischen Philosophie und Sophislik mit einem raschen Blicke überschauen.^) Es ist das durch das tiefe erste Capitel in Arnims Dion erleichtert, dem ich die längste Strecke des Weges einfach folgen kann.

Das 5. Jahrhundert sah an seinem Ende, wie den Tod des nationalen Staates der Hellenen, so den Tod der hohen Poesie. Aber es waren zwei Mächte erstanden, die sich anheischig machten, die verlorenen Ideale zu ersetzen. Die Rhetorik beanspruchte die Erziehung der Jugend, versprach durch eine allgemeine formale Bildung den Menschen sittlich und politisch zu erziehen und tüchtig im praktischen Leben zu machen; sie getraute sich auch Kunst- werke zu erzeugen, die in jeder Weise die Poesie, die Lehrmeisterin der Erwachsenen, ersetzen könnten. Die Wissenschaft forderte die

1) £s wäre vielleicht noch erforderlich, die politischen Beziehungen zu beleuchten, das üebergewicht des Hellenischen, das die Reichspolitik Hadrians im Gegensitze zu der römischen des Augustus hervorruft, die materielle Blûthe, deren sich die griechischen Landestheile erfreuen, die von den Kaisem des 2. Jahrhunderts in fast befremdender Weise geförderte municipale Autonomie, der Eintritt der Griechen, gerade auch der Redner, in den Senat und damit das Reicbsregiment und den Adel der Welt. Aber das würde den Zusammenhang dieses Aufsatzesr vollends sprengen, der doch schon weite Umwege braucht^ am sein eigentliches Thema einen Schritt zu fördern.

16 U. V. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF

Jugendbildung ebenfalls, damit ein Geschlecht heranwüchse, das sich ein neues besseres Leben zimmerte. Sie wollte in dem An- schauen der durch eigene Arbeit erschlossenen Wahrheit auch einen höheren Ästhetischen Genuss erschliessen, als es die ,NachahmungeD' der Poesie gewähren konnten. In Platon und Isokrates stehen sich diese beiden Mächte in scharfem Gegensatze gegenüber. Piaton negirt diese Weit: er negirt auch die Rhetorik. Aristoteles will die Wissenschaft f^hig machen in dieser Welt zu herrschen: er macht sich auch die Rhetorik dienstbar. Zunächst bedeutet das den vollkommenen Sieg, und die Sophistik hat sich eine Weile verkriechen müssen. Aber Wissenschaft, die durch individuelle Arbeit errungen wird, lässt sich nicht als Massenartikel produciren und selbst das Bedürfniss und die Nachfrage kann die Production von wissenschaftlich wirklich befähigten Denkern und Lehrern nicht hervorrufen. Die allgemeine Bildung dagegen kann ihre Beltel- suppen in jeder erforderlichen Portionenzahl kochen; die Suppe wird höchstens etwas dünner. Als nun durch Alexander die helle- nische Welt so ungeheuer erweitert ward, fand der Rhetor weite Strecken, wo ihm der Philosoph noch keine Concurrenz machte. Und in den autonomen Städten Asiens gab es noch Jahrhunderte lang eine Art municipalen und selbst politischen Lebens, in dem die alte politische Beredtsamkeit praktisch nicht entbehrlich war. Vollends aber in der schönen Litteratur hatte Aristoteles selbst, ein Bewunderer des isokrateischen Kunstwerkes, der Rhetorik sehr weite Concessionen gemacht. Sein Freund Theodektes war ein rhetorischer Tragiker, seine Schüler Demelrios und Kallisthenes und Duris wandelten stilistisch in den Bahnen der Rhetorik. Ab- surder als Klearchos von Soloi kann kaum ein ,Asianer^ gewesen sein. Das 3. Jahrhundert sieht die Einzelwissenschaften sich von der Philosophie emancipiren, die dadurch an Macht zunächst nicht einbüsst, aber in dem dialektischen Kriticismus des Arkesilaos und dem scholastischen Dogmatismus des Chrysippos Methoden ausbildet, deren sich auch die Scheinwissenschaft der Rhetorik bedienen kann. Grosse Kunstwerke werden nicht erzeugt; Arkesilaos verschmäht die Schrift, Chrysippos ist aus dem Princip des Professorendünkels langweilig und geschmacklos. Beide mögen die Rhetoren so Ober die Achsel angesehen haben, wie wir es von Epikuros wissen, von allen Philosophen der Diadochenzeit annehmen dürfen. Aber als am Ende des 3. Jahrhunderts auf allen Scliullhronen unbedeutende

ASiANISMUS UND ATTICISMUS 17

Nachtreter sitzen, wagt sich die Rhetorik wieder hervor. Sie hat TOD der philosophischen Methode so ?iel angenommeD , um ein System zu zimmern. Wer die Lehre des Her-magoras mit dem so- genannteD Anaximenes vergleicht, ûndet einen ungemeinen Forl- schritt der Methode. Diese Rhetorik zielt zwar auf die Reredt- samkeit des praktischen Lebens, insbesondere die gerichtliche, von der die Declamation ein Abbild ist, aber sie beansprucht theoretisch die noXitiTuà ^TjTrjfÂora auch so weit sie xa^* Ökov umfassen, zu bebandeln.') Wir können ihren Erfolg direct noch nicht ab- messen, und wir entbehren insbesondere ganz der Proben von dem, was praktisch geleistet ward: aber die Philosophie muss ihre Stellung als bedroht angesehen haben, denn alle Schulen gingen zum Angriff vor, Kritolaos, selbst ein eleganter Schriftsteller,') Diogenes von Babylon, Karneades.') So ist die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts von dem Kampfe erfüllt, ei Tixvrj fj ^rjTOQixij, und Ober ihr rikoc und Sgyov. Auf Seite der Rhetorik wissen wir von einer Gegenschrift des Molon xavà çikoaoçtov, und die Rhetorik hatte keine schlechte Position; es ist ihr nicht wieder gegangen wie im 4. Jahrhundert, sondern sie hat sich theoretisch überaus vervollkommnet Praktisch kam ohne Zweifel sehr viel darauf an, dass die Herren der Welt, die in dem gewaltigsten poli- tischen Kampfe standen, nach der Waffe des Wortes und der Schrift griffen, die ihr die Rhetoren fertig geschliffen darbieten konnten. Es ist namentlich durch die bahnbrechenden Ausführungen von Marx klar geworden, dass die Beredtsamkeit und Publicistik der römischen Revolution, zu der die Historiographie ganz gehört,^) TOO der zeitgenössischen griechischen Rhetorik beherrscht ist, nicht bloss in der Lehre, sondern viel weiter als wir es verfolgen können

1) Thiele, Hermagoras 30 ff., zq dem aber Arnim 92 ff. hiazugeDommeo Verden moss.

2) Das spurt man namentlich in den Auszügen bei Philon de aetem, mundl

3) Sudhaus und Radermacher in dem Supplement zu Philodems Rhetorik nil den Berichtigungen Arnims.

4) Wir aeben die tendenziöse Dichtung der sogenannten Annalisten der ReTdnÜonszeit gewöhnlich nur von der Seile an, wo sie als Geschiehst- filscbnngen unseren Aerger erregen. Aber sie verfolgten durchaus praktische Zwecke und die Umformung der vaterländischen Geschichte ist hier nicht ver- werflicher, als io der Poesie und Tendenzschriflstellerei des 5. Jahrhunderts bei den Griechen.

HenaM XXXV. 2

18 D. v. W1LAH0W1TZ-MÖLLEND0RFF

in der Praxis. Und die römische Poesie der Revolutiooszeit tragt ebenfalls den rhetorischen Stempel. Aber die jungen Römer kamen nach Asien, Athen und Rhodos und hörten dort auch gelegentlich die Philosophen. So erfassten diese das hohe Ziel richtig, die Herrscher der Welt zu Qberzeugen, dass sie bei ihnen Höheres erhalten könnten, damit sie allmählich einer tieferen hellenischeD Bildung zugeführt würden, wie das in kleinem Kreise der Besteo Panaitios schon vollbracht hatte. Dazu gehörte aber eine betracht- liche Concession an die rhetorische künstlerische Form und den rhetorischen Unterricht.

Poseidonios, der Geschichtsschreiber der römischen Optimaten- oligarchie,^) der encyclopadische Gelehrte, der noch einmal in aristotelischer Weise die Summe des Wissens in sich vereinigt und in platonischer Weise die Bedeutung der Mathematik und der Mystik gleichermaassen zu würdigen weiss, ist nicht nur im Gegensatze zu seiner Schule ein vollendeter Stilist mit allen rhetorischen Künsten, sondern er disputirt noch als Greis über ein rhetorisches Thema vor einem römischen Grossen. So hat er die Wissenschaft salonfähig gemacht. Ohne ihn wäre Varro gar nicht denkbar,*) und Cicero ist ihm für vieles verpflichtet, was dann am tiefsten gewirkt hat Aber es ist in Rom wenig mehr als Salonwissenschaft aus der Anregung des grossen Apameners erwachsen. Philon von Larissa übermittelt dem Cicero das neue Ideal des wissenschaftlich gebildeten Redners, nach dem die Rhetorik eine der Philosophie untergeordnete Potenz ist, deren sich der wahrhaft gebildete Philo- soph bedient, um im praktischen Leben zu wirken. Was Cicero in den Büchern von Redner aufstellt/) ist das höchste Lebens-

1) Angesetzt hat er als solcher ausdrücklich an Polybios, aber inoerlich und stilistisch ist er diesem sehr wenig verwandt Er hat da viel mehr von den peripa tetischen Historikern und von Timaios, dem Polybios so bitter feind war. Timaios ist denn auch für Varro und Cicero eine hohe Autorität, und man darf ihn nicht bloss nach Polybios beurtheilen.

2} Auf die Degradation der Wissenschaft zu den dUciplinae der iynv' xXiOS TtatSeia gehe ich nicht ein. Darin ist der Bankerott der Philosophie eingestanden; gemeint war sie freilich so, wie die Erfinder des preussischen Gymnasiums die aligemeine Bildung meinten, zuerst in wirklich hohem Sinne echter Philosophie, und so gehört ihre Erfindung in die Zeit des Poseidonios und Philon.

3) Arnim hat mich mit der Zurûckfûhrung der entscheidenden Gedanken auf Philon durchaus Oberzeugt. Man muss nur hier gerade wirklich sehr viel

ASIANISMÜS UND ATTICISMÜS 19

ideal, zu dem sich vor Augustinus ein ROmer aufgeschwungen hat, and gewiss hat Philon so durch Cicero ungemein viel Segen ge- ^pfirkt. Aber es war doch ein Abfall von Piaton, wenn der Aka- demiker der Rhetorik in seiner Schule einen so breiten Raum Oberliess, und den Vortheil hat schliesslich nicht die Wissenschaft und demnach auch nicht die Erziehung, der Jugend gehabt. Denn wenn sein Schüler Cicero die letzten Lebensjahre darangesetzt hat, der Philosophie in seinem Volke eine Stätte zu bereiten, so hat das keinen Fortgang gehabt. Die vornehmsten Geister der nächsten Generation, Augustus, Vergil und Horaz sind tief von der Philo- sophie durchtränkt, von der Rhetorik unverdorben; aber dann bricht sie herein und beherrscht auf alle Zeit Poesie und Leben« Man braucht nur Seneca und etwa Ovid dabei zu lesen, um zu sehen, wie die Rhetoren, die sich nun in Rom festsetzten, der römischen Stilentwicklung den Weg gewiesen haben. Es ist gewiss richtig, dass die römische Litteratur bis auf ihren Meister Seneca ans stilistisch die hellenistische ,asianische* Weise am besten zeigt. Die Philosophie dagegen ward ganz zurückgedrängt, ja sie begann nan die unheilvolle Wendung, sich der Feindin anzubequemen. Vielleicht schon Areios, sicherlich Papirius Fabianus, der Lehrer Senecas, sind halb Philosophen, halb Rhetoren, wie spater Dion and Favorin. Und in dem Mischling pflegt das schlechtere Element das Debergewicht zu haben. Von jetzt ab ist die Rhetorik that- saehlich in der Jugendbildung das Fundament für alles. »Das zeigt z. B. Theon,*) und solche Progymnasmen wie er sie vorschreibt.

auf die Person Ciceros zurückführen, der das erfüllte, was Philoo forderte. Das Ethos, das durch diesen Dialog weht, kommt nicht von dem athenischen Professor, sondern von dem Manne, der am Regimente der Welt Hand an- gelegt hatte, und der zugleich begriffen hat, dass es ein Höheres giebt, das bestehen und blühen wird, auch wenn diese Welt zusammenbricht.

1) S. 70 âvayxawv ^ rmv yvfipeuffidttûv âattrjats ov fiovor roïs fUh- XoffCi ftjToçtvai/^ àXXà x€d et tis rj notijTœv { loyonouCv ij SUmv xwwv Icymr Bvvafuv é&éXaê fUTaxßtqi^Bad'ai, èCTi yà^ zavra olovtl d'afUha Ttaarjç rr^s tcüv loyaux i9éaQ, Man vergleiche auch die Definition des Rufus {\ 462 Sp.) mit den älteren, die man bei Sextus und Quintilian 2, 15 findet: 17 ^fftOQeKi^ iariv éntat^fifj rov xaltSs ued neiartKtüS navra rop nqoxalftevot^ Sta&éa^oé loyor. Die Beschränkung auf die noJUrixa, die noch Theodoros festhielt (Quint. 2, 15,21), ist aufgegeben, die universale Geltung direct be- hauptet. Eine ebenso weite Definition, die Quintilian missbilligt, rührt nach den Handschriften 2, 15, 16 von Eudoros oder Theodoros her; der Urheber and die Tendenz sind ungewiss.

2*

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hat fortan jeder Knabe verfertigt. Endlich ist es ein Römer, Quin- tilian, der diese neue erhabene Rhetorik in einem vielbändigen Lehrgebäude darstellt, wie Arnim sehr wahr ausspricht, trotz allem Anschlüsse an Cicero in ganz anderem Sinne: die Philosophie ist zu einem iyxvxXiov nalôevfÀa herabgesunken; man macht auch einmal einen Cursus in i^r durch, aber die Bildung des Lebens ist durch die Rhetorik fundirt, und nur auf diesem Fundamente baut das Leben welter. Mehr konnte auch ein Aristides nicht verlangen. Er muss freiUch noch kämpfen, denn unter Griechen konnte äusserlich die Philosophie nicht verläugnet werden, deren trivialisirte Doctrinen bekannt blieben, wie sie etwa Lukians ßlwv ngäaig zeigt ^); sie erhielt jetzt gerade staatliche Unterstützung, was ihr nichts half, aber bezeichnender Weise jetzt nothwendig schien. Das standard work der Epoche aber waren die Reden des Aristides gegen Piaton, auf die keine entsprechende Antwort er- folgt ist. Es war wirkhch ein vollkommener Umschlag erreicht, seit Piaton den Gorgias schrieb. Das Salz der Welt war dumm geworden, der Untergang der Cultur war besiegelt, denn die all- gemeine Bildung hatte über die Wissenschaft triumphirt. Aber wer wollte es den Journalisten verdenken, wenn sie sich stolz als die Besitzer der Weisheit prociamirten ; die Welt glaubte ihnen ja. Die Continuität, die wir verfolgt haben, ging vor Allem durch die Schule, in der die Tradition nie abreisst und die über alle ihre Macht ausübt, die sie besuchen. Damit hängt die unablässige Neubearbeitung der Lehrbücher zusammen, die gerade in dieser ständigen Metamorphose ihre Constanz beweisen. Wir müssen uns schon freuen, dass die Byzantiner neben Aphthonius und anderen Spätlingen wenigstens Hermogenes erhalten haben, und aus älterer Zeit ein und das andere Stück: aber immer nur aus der Raiserzeit, von der wir bis auf Aristoteles *) zurückspringen müssten, wenn die Lateiner nicht wären, die uns wenigstens ein Lehrgebäude der rhodischen Schule und einigermaassen die Grundzüge des Heraia-

1) Diese äusserliche Kenntniss and das Fortleben in den engen Fach- kreisen täuscht leicht; aber man bedenke, wie tief ein so wissenschaftlicher Mann, wie Ptolemaios, trotz Philosophie im cmden Aberglauben steckt, wie unwissenschaftlich am letzten Ende Galen trotz aller philosophischen Fon- dimug seiner Kunst ist.

2) Auf den die Rhetorik an Alexander ging, die übrigens keine prak- tische Geltung hatte.

AS1AN1SHUS UND ATTICISHUS 21

goras erkennen lassen.^) Weiter ward die Continuität gewahrt durch die praktischen Aufgaben, die das griechische Leben in so za sagen politischen und recht vielen epideiktischen Casualreden aof Gotter') und Menschen dem Rhetor stellte. Dazu trat die UebuDg der ficti?en Gerichtsrede, die Declamation, die ungleich wichtiger war als die wirkliche. Gerade in der Declamation hat sich seit den Tagen des Demetrios von Phaleron und Zopyros sehr wenig geändert. Also in dem was geredet ward, ist kein tief- greifender Unterschied jemals hervorgetreten. Die Themata bleiben, und was den antiken Rhetoren schon als neue Gedanken erschien, ist fOr unser Urtheil oft nur eine neue Wendung. In der That kam es nicht so sehr auf das was an, als auf das wie, und zumal hier fragen wir nur nach den Worten.

Es kann scheinen, als befinde ich mich so mit Norden in ▼oller Uebereinstimmung , der als seine Resultate hervorhebt, dass wir in der Entwicklungsgeschichte der Kunstprosa eine direkte Verbindungslinie zwischen dem 5. Jahrhundert v. Chr. und dem 2. n. Chr. ziehen dürfen (I 299) und dass diese Linie sich bis lum Ende des Alterthums verfolgen Iflsst (391). Allein er will bewiesen haben, dass ,der Asianismus der alten Zeit eine naturgemdsse Weiterentwicklung der sophistischen Kunstprosa der platonischen Zeit ist*: das unterschreibe ich auch; weiter, dass

1) Dass dies in Fetzen oder Bearbeitungen sich in etlichen Winkeln des Ocddenta hielt, so dass es namentlich Augustin aufgreifen konnte, ist ein Zeiehen, wie zurückgeblieben und zufällig die Bildung der Hinterwäldler war. Âoch der mit Gorgias (nicht Rutilius) stimmende Theil des carmen de figuris beweist das. So hat ja auch Marx die Erhaltung der Rhetorik ad Herennium erUirt.

2) Norden 11 544 erkennt wohl die Verwandtschaft der christlichen Fest- predigt mit den lâyo* sk ^bovs, aber wenn er hervorhebt, dass sie erst im 4. Jihrhundert auftritt, ao hatte er ihre Abhängigkeit zuTersichtlich behaupten Mlleo. Gerade da liegt die Theorie bei Genethlius vor, und weiter zurück <Üe Reden des Ariatides. Die Inschriften zeigen , dass die Sitte tief in die belleoistische Zeit hinaufreicht: die Rede löst den epischen und lyrischen Hynioas ab. Den Unterschied, dass die Christen an die Schrift ansetzen, enpfiade ich nicht schwer: die heilige Geschichte ist z. B. in allen yoval d'êcJv gleicberroaassen gegebener Text. Die Schriftauslegung der Kirche nennt sich ^luXUy und sie ist, wie bei Origenes sonst die Ueberlieferung , wie die Form lehrt, aus der Katechetenschule erwachsen; aber der Name ist modern •ophistisch im höchsten Grade, denn er ist von den Homilien des Kritias (Ar. Q. Âtb. I 175) entlehnt: o ^elos loyoQ »^«tmiC«», würde Philostratos sagen.

22 U. V. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF

derjenige Stil, den Seneca am vollendetsten repräsentirt, den Quin- tilian die eorrupta eloquentia nennt, die Fortsetzung des Asianismus ist, und dass weiterhin ,sich zwei Richtungen gegenober stehen, die Archaisten und die Neoteriker des Stiles, jene anknüpfend an die attischen Classiker, diese an die Sophisten der platonischen Zeit und die mit diesen ihrerseits verwandle asianische Rhetorik'. Bei den Archaisten findet er Erstarrung, bei den Neoterikern Fort- bildung.

Hier kann ich nicht mehr mit. Zum ersten: was ist denn bei der Fortbildung herausgekommen? Diese ganze sogenannte neoterische Richtung hat ja so wenig erreicht, dass die griechische Sprache immer wieder auf den Classicismus zurückgegriffen hat, den die Lehrbücher predigen und dessen vollkommenste Vertreter, Aristides, Lukian und Libanius sich erhalten haben, während kein einziger Neoteriker zu irgend einer Zeit classisch geworden ist, die meisten spurlos verschwunden sind.') Und ist etwa zwischen ihnen, sagen wir zwischen Favorin und Himerius, ein Zusammen- hang? Die sich lebendig fortentwickelnde Sprache kennen wir Dank den Schriften des Urchristenthums und den Papyri: gravitirt sie naoh der angeblich entwicklungsfähigen, angeblich neoterischen Richtung? Kein Gedanke. Sobald das Christen thum sich der Bildung erschliesst, regirt auch in ihm der Classicismus. Das VolksthOm- liche bleibt kaum als UnterstrOmung; so erfolgt denn statt einer lebensvollen Ausgestaltung der wirklichen Sprache die völlige Mumi- ficirung des litterarischen Attisch. Ferner hat sich bereits gezeigt, dass ein directes Anknüpfen an die Sophistik des 4. Jahrhunderts oder an die hellenistische Kunstprosa nicht vorhanden gewesen ist, sondern die Continuitât eben in dem beständigen Abstossen der älteren nacbclassischen Litteratur besteht, während die classische dauernd das Fundament bleibt. Endlich hat sich ergeben, dass sich die Bezeichnung der gesammten neoterischen Rhetorik als asianisch aus dem antiken Gebrauche des Terminus nicht recht- fertigen lässt; geographisch genommen ist sie so wie so ein Un- ding. Nun könnte es ja unschädlich scheinen, einen bequemen kurzen Terminus einzuführen, auch wenn er ganz oder in seiner

1) Man bedenke dagegen, dass die Poesie des 3. Jahrhunderts in der- selben Zeit, wo der Atticismas sich erhebt, classisch wird, und dass ein Nach- ahmer dieser Poesie aus augusteischer Zeit, Parthenios, in die Reihe der nçarrôftavoi hat eintreten können.

ASIANISMOS UND ATTICISMUS 23

weiteren Ausdehnung modern wäre; allein die bedenklichen Hiss- brauche, die mit dem hoffentlich endgiltig abgethanen stilus Afer getrieben sind, rathen zur Vorsicht, und es schillert allzu modern naturwissenschaftlich, wenn eine gewisse Stilrichtung aus localer Disposition hergeleitet zu werden auch nur scheint, die Deppigkeit und Weichheit des ionischen Klimas sich auch in der asiauiscben Rede durch die Jahrhunderte offenbart. Daher wollen wir lieber die Thatsachen constatiren. An der alten sophistischen Rhetorik hat Asien, so weit es ionisch ist, gar keinen Antheil. Thrasy- machos Ton Chalkedon, Tbeodoros von Byzanz, Theodektes von Phaseiis sind aus Orten dorischer Sprache; Alkidamas von Elaia, Ephoros von Ryme sind Aeoler, und Naukrates von Erythrai, Ana- ximenes von Lampsakos sind aus ionischen Orlen mit starker äo- liscber Unterlage; auch Isokrales aus dem pontischen Apollonia kaon nicht als vollblütiger lonier gelten. Es ist das bemerkens- werth und leicht begreiflich. Ionien hatte eben eine kunstmflssige Prosa ausgebildet, ehe die attische begann, und die Sophistik ist voD Anbeginn attisch. Ionien hatte die wissenschaftliche Prosa ausgebildet, bis zu einer solchen Vollendung, dass sie auch äusser- lich attisch geworden sich nie verläugnet hat.^ Wenn also der Asianismus in der allen Sophistik wurzeil, so ist seine Wurzel ganz und gar nicht asiatisch. Aber auch das Wesen der allen ionischen Kunst, die wir nun endlich zu erkennen beginnen, hat wahrhaftig mit dem nichts verwandtes, was die corrupta doquentia mit den motus lonici und den ionici cinaedi^ gemein zu haben scheioen kann. Andererseits ist Athen keineswegs durch eine Natur- Dolhwendigkeit zum Sitze der sana eloqtientia prädestinirt. Im 4. Jahrhundert n. Chr. ist das üppige Anliocheia durch Libanius (lie Burg des Classicismus, in Athen treibt der Athener Himerius die tollsten Sprünge des ,Asianismus^ Und in der Zwischenzeil

1) Die Datnrwissenschaftlicheo Schrifteo des Aristoteles and Theophrast ÏD ihrer bewiioderungswürdigeD Prägnanz und Sachlichkeit sind der beste ^«ieg. Piaton, der diesem lonerthum immer fern blieb, hat darum keine visseogchafUiche Prosa ausbilden können. Der Timaios ist zwar ein Wunder >o Stil, aber ein ré^as auch. Ihn nachahmen ist xcutoiijlia,

2) Heber die altionische Musik und Metrik sagt einer der wenigen, die (Iwis sagen können, Herakleides, 414 bei Aihtn. ro rfjS^Ieurrl yévœ a^fwvlas <^^* op&rj^ov ovra ihtqSv éaxêv aXX* avcxriftov xal anhiQév^ oyxov B* ixov ^ aftwiq. Daran mnss ich immer denken, wenn ich die Werke namentlich der altioniscben Malerei sehe.

24 U. V. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF

ist es nicht besser um die Verbindlichkeit des Terminus bestellt; wir haben gesehen, dass Timaios und Epikuros des Asianismus bezichtigt werden, von den Atticisten aber ist, so viel ich weiss, kein einziger aus Athen, dagegen ApoUodoros und Dionysios von Pergamon und Dionysios von Halikarnass sind Asiaten.

Doch lassen wir das Wort. Wenn wir die corrupia eloqueniia mit dem ,Asianismus' identificirt als einen bestimmten seines Zieles bewussten Stil hinstellen, machen wir den Fehler, einen negativen Begriff als positiv zu verwenden. Corrupta doquentia, Schwulst, Ziererei, Verstiegenheit, weichliche Rhythmen, zerhackter Satzbau, falsches Pathos, und was es alles von solchen Fehlern geben mag, das sind alles Predicate von dem Standpunkte einer Gesundheit und Correctheit aus, der sehr schön und richtig sein mag, aber den die Urheber der also kritisirten Reden niemals anerkennen werden. Aus Princip ist man weder geziert noch geschmacklos, und wenn man es in anderer Augen ist, so theilt man deren Princip nicht, es sei denn man sündigt aus Unfähigkeit. Das ver- steht sich doch wohl von selbst, dass es zu allen Zeiten und in allen Stilen Leute mit und ohne Geschmack gegeben hat,*) Leute, die erhaben und die einfach sein wollten, die sich weiss und roth schminkten, die echte und falsche Brillanten trugen, die rechts und links vom Pferde fielen. Ich erlaube mir Aelian eben so un- ausstehlich zu finden wie Herodian, Chariton wie Alkiphrons Para- sitenbriefe, und um ihrer selbst willen würde ich von keinem Rhetor des Philostratos oder des Seneca eine Zeile lesen, einerlei ob Attiker oder Asianer. Albern sind sie alle mit einander. Damit ist aber für die Stilprincipien, die der Einzelne bekennt, gar nichts gesagt. Ein positiver Begriff wird die corrupta eloquentia auf dem lateinischen Gebiete durch Quintilians Polemik, die auf Norden

1) Auch in Athen in der classischen Zeit. Wie schon Rohde und Norden gebührend hervorgehoben haben, geisselt Aristoteles den Alkidamas wegen derselben Sünden, für die später Hegesias und Timaios die Proben liefern, sein yfvxçop und das /ut^anicâdee der gorgianischen Figuren sind xaKà^tjXa und asianisch und corrupta , oder gehören doch dazu. Dabei ist Alkidamas ein Mensch von bedeutender Versatilität, denn seine Rede über die Impro- visation zeigt wenig yw^^a, darür die isokrateischen Künste, gegen die er loszieht, und der Palemedes, dessen Echtheit Maass unwiderleglich dargethan hat, ist doch stilistisch ganz und gar verschieden. So lebte schon zu Piatons Zeiten Jemand ganz von /ii^Tjaie^ beliebig dies oder jenes Vorbild wieder- gebend.

ASIAMSMDS UND ATTICISMUS 25

^rk eiogewirkt hat« weil neben dem wohlmeinenden aber flachen Rhetor der grosse Historiker steht/) der die Abslractionen zu be- leben weiss und einen Vertreter des Neuen einführt, der denn aach weit entfernt ist, seinen Stil für corrupt zu halten. Und noch viel mehr trägt aus, dass wir lateinische Schriftsteller besitzen, die den Stil in voller Heisterschaft und mit voller Ueberzeugung ver- treten, der dem Quintilian corrupt ist, Seneca und im Grunde auch trotz dem Dialoge Tacitus. Aber wenn das Lateinische, nach- dem es die classische Höhe in Cicero erreicht hat, nun eine Pe- riode des Barockstils durchmacht, die in so hervorragenden Schrift- stellern gipfelt, und wenn es dann mit dem durch Quintilian inau- gorirten Cbssicismus, der bald in Archaismus ausartet, in entsetzliche Oede versinkt, aus der es erst durch das Christenthum erlöst wird, 80 trifft es schon durchaus zu, dass die ehedem sogenannte silberne Latinität dem Griechischen der hellenistischen Periode entspricht, eben auch einer Barockperiode, aber auf das gleichzeitige Griechisch darf man es nicht übertragen und noch viel weniger die unendlich grossere Mannigfaltigkeit aus der geradlinigen römischen Entwick- loDg erklaren.'}

Was hat es für Zeit und Mühe gekostet, dass begriffen wurde, wie Tacitus gleichzeitig den Dialog im Stil des ciceronischen Dialoges, den Agricola in dem des Enkomions, (Prototyp Xenophons Agesilaos, Polybios' Philopoimen), die Germania in dem der ethnographischen Ekpbrasis (Ahnenreihe: Herodot, Theopomp, Timaios, Poseidonios, Saliust) verfassen konnte. Uns Modernen wird es eben schwer, die Einheit des persönlichen Stiles daran zu geben und die Forderungen

1) Es sollte einleuchten, dass Tacitus den Dialog geschrieben hat, als er da« Bild, das ihm Quintilian in seiner Streitschrift vorführte, mit den Augen des flistorikera ttl>er8chattte, unmittelbar dadurch angeregt, natürlich aber, wie Ho antiker Historiker pflegt, den Stoff und die Gedanken des Gelehrten über- Debmcod; wir finden sie zum Theil in tt. v^povs, und natürlich hatten sie Philosophen gedacht, denen die Rhetoren sie alle entnahmen. Ausserdem hat den Tacitus die Einleitung des ciceronischen Hortensius viel geliefert, wie «e Dseoer reconstruirt hat

2) Nordens Fehlgriff zeigt sich greifbar in seiner Disposition. Er hat I 149 our ein paar Worte über den Atticismus, den er durch ein mir nn- l^egreiflicbes Verseben um 200 v. Chr. ansetzt. Dann geht er auf Rom über, verfolgt das Latein bis Tacitus, und nun kommt die zweite Sophistik. Da kommt es freilich nicht heraus, dass unter Augustus die Entscheidungsstunde for die griechische Litteratur geschlagen hat. Ueber die Unfruchtbarkeit des Stilprincipes der /lifitjais hat dagegen Norden öfter zutreffend geortheilt.

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der litlerarischcD Gattung amoerkeoDeo. Und doch ist das f Or die griechiscbe Litterator der Kaiseneit mit HaodeD tu greifen. Arrian ist ein IQchtiger Bilbjner, ein ordentlicher Soldat daiu, ond mit Recht ist er doch ab ein chamSleonhafter Stilist beieichnet worden, der mindestens auf vier ganx verschiedene Weisen geschrieben hat. Aristides ist ein strenger Classicisl, aber wenn er eine Monodie macht, so mnss er singen, das liegt darin; und wenn er eine Grabrede hllt, so muss er heulen, das li«gt auch darin: soUeo wir dann sagen, er redete asianisch*)? Es ist eine ToUkommene Verkennong der geltenden stilistischen Gesetze, wenn man die Gegensätze innerhalb der Werke des Plutarch und Lukian auf eine stilistische Entwicklung der Personen zurUckfOhrt, die höchstens darin liegen kann, dans die Schriftsteller zu Terschiedenen Zeiten verschiedene Gattungen pflegen. Die €Îôr^ der Prosa sind Aen starr und fest geworden, wie es seit 5(H) Jahren die der Poesie waren, und ein jeder, der eine hccQaatc oder eine Tr^olaiia oder eine ôiâle^t^ verfasst, ist gehalten, bestimmte Farben und Stim- mungen zu wählen, ganz wie es fOr Tragödie und RomOdie ge- fordert war. Innerhalb derselben Gattung aber, uod ganz besonders in der eigentlichen Beredtsamkeit , stehen noch die verschiedenen, aber auch langst fest ausgearbeiteten Stilarten (/£>i;, ajr^funaf Zf^iotj x<i^^<^^^^^' iôéai zu verschiedenen Zeiten genannt) zur WahL Man kann grossartig oder einfachlidu herb oder sUss, wdt- minnisch oder naiv {ifolirutäc oder içêifii^) schreiben, so weit nicht auch hier die bestimmte Aufgabe (Grabrede z. B. oder Hoch- zeitsrede) das eine oder andere forderte. Was Norden asianisch nennt, ist meistens das sOsse oder blumige oder auch das er- habene.*) Der einzelne Redner mochte sich nach eigener Neigung oder mit Rllcksicht auf den Geschmack des Publicums fQr diesen oder jenen Charakter entscheiden, uod er mochte das Charakte- ristische mit mehr oder weniger Geschick und Massiguo^ anwenden ; das wird Unterschiede hervorrufen, die zu bemerken unsere Ohren •icberiich sehr viel weniger fein sind, als die des zeitgenössischen an den Stilprincipien und ihrer strengen Verbindlicbkeit dM nichts, und so ähnlich zu verschiedenen Zeiten die Pri- des Lobes und des Tadels niingen, die Objecte werden durch

1) NMdcn tknt das wifUick I 420.

1} Wenn ich «ia Sophist wiie. würde ich jv. i-vms in seinen i^lâ

ASIANISMUS UND ATTICISMUS 27

lie nicht gleich gemacht. Die Anerkeoouog voo festen Gattungeo ond Stilen schliesst strenggenommen jeden Fortschritt aus, es kann und darf ja nichts Neues mehr geben: wir sehen ja bei den Ro- manen im Laufe der Zeiten Öfter, bei uns in gewissen Kreisen noch jetzt diese Starrheil der classicistischen Doclrin. So ist es in der griechischen Poesie schon früh, so ist es seit dem Siege des Classicismus unter Augustus auch in der griechischen Prosa gewesen. In der Poesie nach Menander, in der Prosa nach Posei- donios ist alles gemacht, wenn auch vieles vortrefflich gemacht, oder es ist doch künstlich gezogen ; lebendiges Wachsthum beginnt erst wieder mit dem Christenthume auch nur auf kurze Zeit. Die Unterscheidung der Stilarten war in Ausführung aristo- telischer Gedanken von Theophrastos mit vollkommenstem Erfolge durchgeführt und den richtigen Gattungen waren ihre naQexßaaßic zur Seite gestellt worden.') Es genügt an die Fortwirkung dieser bedeutenden Gedanken gerade in dem feinsten, was Cicero, Dio- nysios und Demetrios lehren, zu erinnern. Aber wenn man meinen möchte, die Asianer würden sich dagegen gewendet haben, so wäre mao in schwerem Irrthum. Der Rhetor ad Herennium giebt im vierten Buch 11 16 die drei Gattungen an, die er axi^/uara DeDDt,*) aefivov fÀéaov lax^ov und ihre dvrixeifÀeva afiiactijfAazay q)vow5eç diakekvfAivov evveléç^^ und hat für alle gute Proben verfertigt. Ohne Frage könnte man nach diesen Regeln die Fehler brandmarken, die Cicero an den Asianern tadelt, und an denen dieser Rhetor selbst wie wenige krankt.^) Er ist sich also eines Gegensatzes zu der theophrastischen Doctrin gar nicht bewusst gewesen. Man hatte nur die einzelnen Gattungen viel charakte- ristischer und ToUer herausgearbeitet als die Classiker, die man verehrte, aber überwunden hatte. So etwa mag der Rhetor ge- dacht haben.

1) Rabe, Theophrastos 9V. îU£«ioc, führt das trotz einiger Uebertreibongen ZQtreffend aos.

2) Ein dringendes Bedûrfniss ist die Verfolgung der Lehre von diesen ^rifuna zu den späteren aX'9iavoia£ xcU îU'|«a»s, andererseits die Abgrenzung dieser Doctrin von der der t^otto«, die wohl grammatischen Ursprunges sind.

3) leb setze, was für diese Schrift besonders nöthig ist, gleich die grie- chischen Termini.

4) So sieht Seneca den Splitter im Äuge des Maecenas, ohne den Balken in seinem Eigenen zu bemerken. Allerdings war er nicht geschmacklos wie der Etrusker.

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Der Stil oder die Manier, für die sich ein Redner entschiedeD hatte, die er nun anzuwenden strebte, nannte man damals seinen Ç'^loç.^) Hatte er sich statt für ein berechtigtes yévoç fOr eine nacexßaatg entschieden, so hiess es, xaxov i^i^kwaev,^) und sein Streben xaxoÇrjllaJ) In dem Worte liegt mit Nichten schon,

1) Gule DefiDition bei Syrian lo Hermogenes Ideen I 3 B. irjlos icx^r évéçyeut ywxijs n^oç d'avfia lov Boxovvroç xalov xtvovfiévrj, Hermogenes hatte ^i^los und fiifirjvis verbunden, wie auch Dionysios (z. B. Lysias 2) thut. Natürlich redet man von verschiedenen Zr;lot auch in anderen Dingen (Phi- lodem Rhet II 54), und die bewunderten Maler sind é^rjloÊ/iêvoê (Philodem 1, 125), Kratinos heisst ^A(fxMxov (i^iUuffae als Vertreter der tafißixrj iSia (Platonius p. 6 Kaib.) u. s. w. Es bleibt aber immer ein Unterschied von /iifirjoêç,

2) Âgatharchides 446* 20 tadelt, dass Hegesias iv avOTfj^œt nçay/utrê if âvâyxTjç xo/AxpoxT)%a Sêay>aiv8t, weil es unangemessen ist, giebt aber zu, dass er rav ZrjXcafiaTOQ inl nocor ivyx&vu. Sein irjhtç geht also auf das xofitpov. Kein Gedanke an atticistische Opposition, auch nur an völlige Ver- werfung des Hegesias, von dem er sogar sagt ei n^bç éXgeivoloyiaw Ifyot^ éyyvç rov nçénoTTOÇ îcraxM, Agatharchides selbst würde einem Atticisten asianisch sein; man lese z. B. die Beschreibung der Bergwerke genau 487^ 34 ff., wo Photius die Schilderung des Unglückes der zur Zwangsarbeit Ver- urtheilten übergeht, die der Verfasser eSercaytCtatjaev,

3) Die Stellen meist bei Norden I 69 u. o., der freilich auf Beheim- Schwarzbach Ubeli, n, iQfiriv. 38 nicht hätte verweisen sollen, der mit einem falschen Gitale aus Polybios beginnt, das er abschreibt: er meint X 22, 10, wo jetzt aus den Handschriften Kaxot^rjhoaia hergestellt ist. Das Wort fehlt bei Gicero, Philodem, Dionysios, ist wirklich Gegensatz des Attischen bei Sueton Aug, 86, ist wohl zuerst bei Demetrios Magnes (Diog. 1, 38) belegt^ wo ein ^rjxaç xaxol^Xoi Thaies aus Kallatis verzeichnet ist. Bei dem Vater Seneca ist es häufig, aber im richtig weiten Sinne, 9, 25, 28 ^enu« oaeo- %eHae amaritudinem verborum quasi res aggravaturam petit. 9, 24, 15 geht es die Btavota an. Der Rhetor n. t^V'cn;^ unterscheidet als Fehler oi8ovy fui- çaxitbdes Tfa^âvd^çffor yvxçov, bei dem zweiten sagt er, dass namentlich das Streben nach i^Bv in ^»nucov xai xaxo^rjlov ausartet, und Demetrios sagt 186 ausdrücklich, dass er das xowov Svofia xaxàitjlov auf diese Aus- artung des yXa^^op anwenden wolle; seine Zeit nenne auch das \fwxq6v so (239), das er unterscheidet. Dagegen bei Hermogenes n. sv^ia, 12, 256 Sp. (daraus UI 118) umfasst es wieder in ganzer Weite 8tavo$a und ieS^Q. Auf gezierte nenoirjfUva ovéftaxa wendet es Helladius 532^ 19 an. Die Defi- nition bei Diomedes 451, die Norden bevorzugt, nimio cultu aut nimio tumore corrupta sententia deckt sich mit dem, was Demetrios den Gebrauch seiner Zeit nennt: man darf urtheilen, dass dies die atticistische Polemik der augusteischen Zeit ist, die aber die im Worte liegende Weite bei den Griechen nie ganz eingeengt hat. el^fiXos, sv^riXia sagt man nicht (falsche Lesart Plut. Lyk. 21, falsche Goigectur Plin. Ep. 7, 12); aber ein Feind der Atticisten bildet

ASIANISMÜS UND ATTICISMÜS 29

Dach welcher Seite der Fehler ginge. Niemand also kann sich

getrauen zu sagen, worauf Neanthes von Kyzikos mit dem Worte

gezieh hat, bei dem es in einem Buchtitel zuerst auftritt. Noch

Quintilian (8, 3, 56), der unlogisch genug (wie gewöhnlich) das

TLaxo^T^loy in die Reihe von einzelnen Fehlern stellt, giebt doch die

allgemeine Deflnition, mm didtur aliter quam se natura habet et quam

oportet et quam sat est. Gewiss hat er es in der carrupta eloquentia

gefunden, da er sofort auf seine Specialschrift verweist, und gewiss

hat jeder besonnene viel Manier (so übersetzen wir am besten) in

den Productionen der Asianer gefunden, aber es ist ganz unberechtigt

zu scbliessen, dies heisst xaKO^rjXov, also wird es asianisch sein und

geiuont worden sein. Wenn die Vorkämpfer des Atticismus ihre

Gegner die ,von der falschen Manier* nennen, so konnten jene die

Velleietâten der alticistischen Imitation mit demselben Worte belegen.

Es ist zweierlei, ob man gegen Ausschreitung und xaxà ^rj-

hifjuna kämpft, oder ob man das allein seligmachende Evangelium

des Rückschrittes verkündet. Es ist zweierlei, ob man die Attiker

als musterhafte Stilisten anerkennt, von denen man sehr viel lernen

kiOD, oder ob man gebietet zu schreiben wie sie. Das erste ist

sehr berechtigt; es ist auch während der ganzen Zeit des Helle-

Dismns anerkannt worden. Das zweite ist nur so weit berechtigt,

als es das erste ist: was darüber ist, ist das Princip der Imitation,

àv filfirjatç statt des Ç^loç: das ist der falsche Classicismus, der

die Entwicklung hemmt und das Leben ertödtel. Dies Princip hat

die Rhetorik der augusteischen Zeit nicht nur verkündet, sondern

nun Siege geführt: daher ist dies die entscheidende Stunde in der

Eotwicklung der ganzen griechischen Sprache und Litteratur.

Dass Isokrates und Demosthenes niemals aufgehört haben, als Muster der Rede studirt zu werden, bedarf keines Beleges'); man

CS) om den Vorwarf der MoxoirjUa zu insinoireo , Gerealis Antli. Pal. XI 344 ^ TO Xtyuv na^founjfui tuü WttmcA ^riftara navra «v^i^iUve éaxUf ntd ipoo- *^ fiêXgtmf, Das gehört in die ,zweite Sophistik'.

1) Man vergesse nicht, dass Demelrios . von Phaleron ein ififi9f€Qov des l^ciDoithenes tadelt, Eratosthenes meint, er wäre oft vncßaxxos geworden (l^litt. Dem. 9): das sind Vorwürfe, wie sie den ,Asianern' gemacht werden. Bcnüppos erz&hlt von einem Aisioo, vermuthlich einem alten Manne, der den I^enotthenes noch gehört hatte; der sagte, zu hören wären die Redner der Gegenwart bewaodeningawerth, da sie »imôcfiafç tcaX ftsyalonçiTttbQ redeten; <i>er gelesen wäre jener ihnen weit überlegen (Plot. 11). Da iriflll die Modernen ^ioelbe Kritik, wie bei Cicero den Hortensias.

30 ü. V. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF

hat ihneD ja so ?iel Fremdes untergeschoben. Die kritische Be- schäftigung mit ihnen ist aber auch gerade für einen Asianer, Kleochares von Myrlea, bezeugt.*) Lysias möchte man eher ver- gessen glauben, aber ihm hat man den Epitaphios untergeschoben, Anfang des 3. Jahrhunderts, wie ich schätze, und damals bekannte sich Charisios zu seinem Vorbilde, und danach gar Hegesias, dessen Declamationen eine uneingeschränkte Bewunderung Athens zeigen. Offenbar war es eine Richtung, die im Gegensatze sowohl zu Demo- sthenes wie zu Isokrates in der privaten Gerichtsrede die perio- disirte Stilisirung verwarf; für epideiktische Rede, wie den Epi- taphios, galt das natürlich nicht. Den Hypereides haben aus ähn- licher Tendenz die Rhodier auf den Schild gehoben, deren durchaus modern gesonnenes Haupt Molon den Spruch abgegeben hat, ârà- yvfaaig Tçog>fi ké^etoç.*) Es hat auch nicht an solchen gefehlt, die wie die Caracci im Barocco die Vereinigung aller Vorzüge aller Meister als Programm verkündeten.') Cicero versichert, dase alle seine griechischen Lehrer ihn auf Demosthenes hingewiesen hätten. Bei Philodem kommen ^rjlùnal verschiedener Attiker neben denen der Modernen vor,^) dasselbe zeigt das Musterbuch des Gorgias (Ru-

1) Ruhnken zu Rutil. Lup. 1, 2. Aotig. v. Kar. 52. Das dort hervor- gezogene Bruchstück (Speogel III 97) ist eioe tolle Spielerei ia lauter mo^- fiara^ merkwürdig, weil es seigt, daas schoo im 3. Jahrhundert die Casus in die Reihenfolge unserer Grammatik gestellt waren.

2) Dies bei Theon 61 Sp. Den Anschluss an Hypereides bezeugt Dionysios Din, 8. Cicero hat dies dort nicht gelernt.

3) Das ist der Sinn der Geschichte, wie Zeuxis den Krotoniaten die Helena nach dem Studium nicht eines Modells, sondern aller Schönheiteo malt, Cicero de inv, II Vorrede, später beigefügt, aber keineswegs aus atti- cistischer /Ufirjcis, wie es Dionysios in der Vorrede von n. /ufir,cêms ver- wendet.

4) I 150 ist vom xaXbi loyos in der Art entweder des Isokrates oder Demosthenes die Rede. 151 fiir t^ *Iaoxqdxovç ot 8i Trjy BovKvdiiov ^S^y iv^^^h ^^^^ osch längerer Lücke, aber im selben Gedanken raçôrinê (ytyovÔTt^) Tov KlsiTaQxsiov. S. 157 wird Jemand getadelt, aadfeta erstrebt zu haben, 8ui ßovkqotv èfKpâaêcoç tov noir^tMoli Kai rçonixav nod i^ ova- xexofQfjitviae icroftiae ifinalçov xcd tov tptlaçx^^'^' das kann nur Timaios sein. Das vierte Buch würde sehr wichtig sein, wenn es zusammenhängender verständlich wäre. Ein Gegensatz wie X6yo£ TfivStjfios und «piloxarâcuêvos (der rhetorisch stilisirte 164) ist echt hellenistisch, später verschollen, vier nlofffiaTa aSçov iaxyôv fjtéya yhupvçôp (165) widerlegen die auch an sich verkehrte Ansicht, die vier Gattungen des Demetrios könnten erst nachchrist« lieh sein; iriv y% n^oxatdor xaxaiiav aîvcu BiOftvyuv, èfi/âêXfka duvXaßtj^

ASiANISMUS UND ATTICISMUS 31

tilins). Ich bin ausser Stande eine abschfllzige Beurtheilung der açxaioi bei den bellenisüschen Rednern aufzuzeigen. Erst in der Fehde, die der Atticismus begann und die er bis zu der Ver- werfoDg des Piaton wie des Pheidias trieb,*) wird auch von den Aohflogem des modernen Stiles kräftiger vorgegangen sein. Es seheiDt mir aus einer Stelle Quintiiians zu folgen, dass man im Gegeasatie zu der Bevorzugung der archaischen Sculplur und des polyklelischen Kanons gewagt hat, dem Vorwurfe des Castraten- Stiles tum Trotze das Ideal des mannweiblicheo Megabyzos zu ver- treten,*) pikanter Weise sich mit dem Geschmacke des Classicisten Winckelmann berührend.*) Aber freilich, die Bewunderung der attischen Classiker hemmte die selbständige Portbildung des Stiles nicht, die man nicht auf eine Weise bloss versuchte, und die Herrschaft Ober die Kuustmittel führte zu den Uebertreibungen Dach den verschiedenen Seiten, die dann die Reaction hervorriefen.

ßiiw Uyuv Moi TOucCrai d/ifißoXiac iXtUf fitrafrv/uHcSv (185, vorzüglich von Sodbans ergSozt) giebt den Tadel wieder, den die Atticisten erhoben, mit daeo sieb wie die Zeit so nicht selten das Urtheil, nicht die Tendenz und «B wenigsten die Sprache Philodems berührt.

1) n, vtpovç 36, erläutert in der Sirenna Helbigiana,

2) Quintilian sagt V 12,21, ersichtlich aus seiner Specialschrift einen Trampf borgend, Hatuarum arttfices pictorespie clariiHmi .... numquam tu Atme eeeideruni errorem, ut Bagoam aliquem aut Megabyzum in exem- fhm operis sumerent Hbi^ Med doryphöron etc. Er negiert also das, was ich gleichwohl ihm selbst entnehme. Wie sollen diese Eunuchennamen typisch itehea? Wer schmähen will, wählt sich nicht die vornehmsten Vertreter des «ogegriffenen Ideales. Bagoas« Name bedeutsamster Hofeunuchen des Perser- Ricbes, ebendaher von Ovid j4m. 2, 2 genommen , möchte noch gehen , aber üegibyzos, der Hohepriester der ephesischen Artemis, wie soll der anders lis honorü causa genannt sein? Und nun die Thatsachen: erstens hat kein geriogerer als Apelles den ^Megabyzos gemalt (Plin. 35, 93) , vielleicht auch Pirrhasios (Plin. 35, 70, Brunn Gesch. d. K. II 101), und zweitens weiss jeder, dass die hellenistische Kunst namentlich in Dionysos und Apollon ein solches Ideal verfolgt hat. Unwissend ist also Quintilian auf alle Fälle; entweder bat er ahnungslos geleugnet, was doch geschehen war, oder er ist beherrscht TOD dem dassicistischen Geschmacke auch in der bildenden Kunst und be- streitet das Princip, das sich einst auf die Schönheit des Megabyzos von Apelles berufen hatte, mit der Behauptung, die classischen Künstler hätten 10 Diemals geurtbeilt, was ja zutrifft. Die Wahl zwischen diesen beiden Möglichkeiten scheint mir nicht schwer.

3) Insti n* 2, 173. Uebrigens sagt schon ein o^oQia/iéç des Kritias (Dien. Chr. 21, 3) HaXXtcrov iv roïs aQÇêai xo &tiXv. Solch ein XtvHonvyoi ist der Knabe von Subiaco.

32 ü. V. WlLAMOWiTZ-MÖLLENDORFF

Wir habeo gesehen, dass erst diese den Begriff der Asianer schafft, dass sie bei Dionysios so weit geht, die gesammte hellenistische Prosa zu verwerfen; wir wollen nan sachlich prQfen, was man den Asianern vorwarf: wenn unsere Rechnung stimmt, so muss das in der Rherorik der Kaiserzeit aberwunden sein, ganz so wie die helle-* nistische Litteratur wirklich bei Seite geworfen ist

Der eine Vorwurf ging den Rhythmus an; sie sollen gesündigt haben, theils durch die Wahl zu weicher Rhythmen , theils durch die durchgängige Rhythmisirung {ïfifABiQa noulv)^ womit die Zer- hackung der Rede in lauter einzelne Satzchen zusammenhing, theils durch die Eintönigkeit, welche die Bevorzugung weniger Schlüsse zur Folge hatte. Von dem ersten sehen wir besser ab, da unser Urtheil Ober die Wirkung und Qualität der einzelnen Rhythmen schwerlich objecliven Werth hat.') Die beiden anderen Vorwtirfe hängen mit den beiden Composiiionsarten zusammen, die in der griechischen Prosa unbeschadet der Zeit und Stilrichtung neben- einander bestanden haben, seit es eine gab, die periodisirte und die kommatische Rede. Die Periode ist von Isokrates, dem SchQler des Gorgias, vollendet; sie wird in ihrer Structur passend mit der Architectur verglichen,*) man darf aber auch den strengen Bau eines Musikstückes vergleichen,') Harmonie ist für beide Künste unentbehrlich. So kommt es in diesem Stile dahin, dass ein ge- übtes Ohr den nothwendigen Abschluss vorausempfindet und sich die Schlussglieder der Periode, so weit sie die Klangwirkung an- gehen, von selbst ergänzt. Erwachsen ist die Periode, in deren Namen die Rückkehr zum Ausgange und der harmonische Abschluss liegt, aus den Figuren des Gorgias, Parisose und Antithese, die gern durch das lediglich musikalische Mittel des Reimes und der Assonanz hervorgehoben werden. Aristoteles hat in Theorie und Praxis die Periode von Isokrates übernommen, und so regirt sie in der hohen Prosa, namentlich der Geschiclitschreibung, durchaus.

1) Die alten Kritiker dachten an Rhythmen, die ihnen nnanstândig schienen, weil sie in unanständigen Gedichten herrschten, namentlich den Ithyphallicns, der den Schluss des Sotadeus bildet, und andere avauhafm^a. Die werden auch von Asianern nur einzeln gesucht sein, wie von Hegesias.

Schlüsse wie - ^ sind das Gegentheil von lasciv, und doch werden sie

bevorzugt.

2) Demetr. «. i(ffi. 10. 15.

3) Die Rede im Ganzen ist einem vèfioi gerade in ältester Zeit ver- glichen worden, daher die Termini n^oolfuov u a.

ASIANISMÜS UND ATTICISMÜS 33

Der oiDss Polybios sehr obenhin gelesen haben, der bei ihm die Arbeil verkennt, die in der Periodisirung steckt; selbst ein Diodor bat darin seine stilistische Ambition, und wenn ein Fachmann ein gelehrtes Werk ohne alle stilistischen Aspirationen verfasst, so ver- fehlt er nicht in den Widmungen periodisch zu schreiben/) Dieser Stil bat also seine Parallele nicht in der Poesie, sondern in der Unnk.*) Ihm steht eine andere Weise gegentlber, die wie die Poesie fon der Sylbenquantität ausgeht, die von der Sprache ganz ebenso gut unmittelbar geliefert wird wie der Klang. Aristoteles beieugt uns, dass Thrasymachos zuerst auf diese rhythmische Wir- kung geachtet hat; daher heisst es, dass er den metrischen BegrilT xêlof zuerst gebraucht habe.') Natürlich fielen bestimmte Rhythmen DOT im Anfange und am Schlüsse des Satzes deutlich in das Ohr. Wer also auf solche Wirkung ausging, der kam dazu, die Rede in daxeloe rhythmische Glieder und Gliedchen zu zertheilen, so dass sie ganz und gar als rhythmisch empfunden ward. Dann unter- schied sie nur die Regellosigkeit der Rhythmenfolge von der ge- leseoen Poesie: ein durchgehender Takt würde sie ganz dazu ge- macht haben. Aber schon die Wahl der Paeone, die Thrasymachos empfahl, zeigt, dass er sich hütete, den Unterschied der Gattungen SD ferwischen. Die gleichzeitige Poesie hatte das Ziel fast er- reicht, auch in den Versgattungen , welche den Hiatus unter Ver- kQrzQDg einer schliessenden vocalischen Länge nach dem home- riscbeo Vorbilde zuliessen, hiatuslos zu bleiben, wie immer in latnbeo und Trochäen geschehen war.^) Das musste diese Prosa

1) Böchst bezeichnend die Kegelschnitte des ApoUonios.

2) Daher seine Wirkung so oft xtjXehf, yor^tvêtr, der ihn ausübt ^s^çrjv^ »M^tiv heisst.

3) Aristoteles Rhet^, 8, Snid. «. v., wo neben xœlop auch neçio8oç ^oaoDt ist, kaum richtig. Auf ihn geht es, wenn Cicero or, 39 der ältesten Beredtsamkeit minuta et venicularum sitnilia quaedam zuschreibt. Er wirft ibo mit Gorgias in einen Topf, hat natürlich von beiden nichts selbst gelesen. Dea Hiatos vertreibt aus dem erhaltenen Stücke nor Gewalt. Uebrigens wird Tbnsymachos sich in seiner langen ThStigkeit nicht gleich geblieben sein. Für Theophrast war er der Stifter der vollkommensten Bede, des fUaov.

4) Jene Verkürzung war nichts als eine Unvollkommenheit, die sich <He homerischen Dichter nothgedrungen verslatteten und die nach ihrem Vor- bilde wenigstens in den Versen, welche zwei kurze Senkungen hinter ein- ander haben, legitim war (in Lesbos und bei Anakreon jedoch nur im home- liacben Hexameter). Aber hässlich fand man es immer; selbst Pindar hat es in besonders gefeilten Gedichten gemieden, und so Aristophanes seine

Htrmw XinLV. 3

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aufsebmen, da der Hiatus den Rhythmus miDde^teos itokenntlieh macht. Gleichzeitig war in der modemsten Poesie, dem Dithyrambus« und danach im Drama immer weiter die Responsion aufgegebe»: es verstand sich ganz fon selbst, dass ?on ihr in der rhythmiacbeD Prosa keine Rede sein konnte, wie es Aristoteles auch ausschliesst.*) Es ist das ein sehr wesentlicher Unterschied von der mosicalische» Prosa, die freilich keine quantitirende, aber doch eine logische, meist antithetische Responsion verfolgte, und in dem architecto- nischen Aufbau der Periode nothwendig zu symmetrischen Gliedern gelangte. Nun trat schon bei Isokrates eine Verbindung beider Principien ein; namentlich empfahl sich die Rhythmisirung zur Hervorhebung des Abschlusses der Glieder innerhalb der Periode, so wie man auch Reim und Assonanz verwandte, wohlgemerkt ohne Responsion. Ebenso hat Isokrates die Vermeidung des Hiatus durch- geführt, ja wohl er zuerst mit unerbittlicher Consequenz und diese doch auch im musicalischen Klange sehr fohlbare Kunst mit seiner Periodisirung der ganzen folgenden Kunstprosa übermittelt*) An- dererseits empfindet man bei Demosthenes, so viel er bei Isokrates gelernt hat, eine viel weitergehende Berücksichtigung des Rhythmus, der zu Liebe er, wie die erhabene Poesie, die Häufung kurzer

ÂnapSste sehr verechiedeD gestaltet. Die Athener, ausser Sophokles, worden immer strenger, und Eoripides hat in vielen seiner letzten Dramen höchstens in Daktylen vereinzelte Verkürzungen.

1) Die Vergieichung der ei^/MPti und xarêtrr^/ifuvrj XéS*6 mit den àww ßohU der Dithyramben (dessen Vollendung in den Gantica vorliegt, die Leo erläutert hat) und den strophischen Liedern zieht Aristoteles Rhet 111, 9; den Rhythmus behandelt Gap. 8. Es ist wohl die Stelle, welche über die Prosa- technik den entscheidenden Âofschluss giebt: tb axtj/^o, xrjs léSêots du fitjXB ififjttxçop eîvai. fir^xB aççvd'fiov, to ftàv yà^ àni&arov. nexlocd'ai yà^ 80K8Î, Kai a fia mU iSicxfjaf nf^oaixBkv yà^ nouH rai éfâoiwij norê ndXêv ^fc«. Wie dem gegenüber in der Prosa des Demosthenes und Aristo- teles rhythmische Entsprechung gesucht werden kann, ist mir alleseU «nfass- bar gewesen; am meisten freilich, weil ich keine hören kann. Dass dagegen die Glieder der Periode sich entsprechen, wie es Aristoteles ja auch sagt, zeigt am besten Kaibel in seiner Analyse des Stiles der Uohxela,

.2) Man darf aber nicht vergessen, dass die Sprache überhaupt dem Hiatus feind war, und da der Schulunterricht seine Hässlichkeit immer ein- schärft, ist thatsachlich die Sprache immer mehr dazu gedrängt, ihn durch Wortstellung und Doppelforroen zu vermeiden. Jeder Halbgebildete schrieb um Ghristi Geburt mit weniger Hiaten als Herakleilos oder Thukydides. Die Affen des Atticismus der Kaiserzeit haben ihn sich dann wieder mühselig an- gequält, um archaisch zu schreiben.

ASIANISHUS UND ATTICISMUS 35

SjlbeD fermeidet*); dagegen hat er sich die ängstliche Regelmassig- keit der isokrateischen Periodisirung nicht aufgexwuogen; gerade durch xofißuna wirkt er oft überwältigend. Eben durch seine Blifthmik ist er der specifisch hellenische Heister der erhabenen Kui8trede geworden, denn die Rhythmen konnte selbst Cicero nicht imilireD. Auf die Schlüsse der Glieder und Sätxe hat er hohen Werth gelegt, aber mit Freiheit, und selbst die Paeone oder den Schluss Eretiker und Spondeus hat er wohl mehr unbewusst gewählt als mit Bedacht gesucht^

la der hellenistischen Rhetorik, die Demosthenes und Isokrates giejchermaassen als Vorbilder überkam, strebte man danach, beider VonOge zu vereinen, und die rhythmische und musicalische Wir- kung lugleich zu erzielen: die Gefahr war damit gegeben, dass die Rede wirklich (fifiSTQoç würde. Das klar in seiner Wirkung XU beurtheilen, müssten wir vollständige Proben der Beredtsamkeit besitzen. Der Vorwurf wird ja oft erhoben. Ferner mussten die Rhetoren auf der Bahn des Thrasymachos und Aristoteles fort- Khreitend bestimmte, besonders belobte Rhythmen für die corre- spoodirenden Glieder der Periode empfehlen und anwenden, was dann monoton ward. Norden hat das an dem heiligen Gesetze des Aatiochos von Kommagene gezeigt, das wohl jeder, der diese Studien seibstflodig aus den Quellen treibt, so verwerthet hatte. Da herrschen

die Clausein -w , -v^-^, -^ w- mit den wenigen Abwechse-

Inugeo, die durch Auflösung einer Länge entstehen. In der That eise Illustration zu der Monotonie, die Cicero dem Menekles nach- agt. Immerhin wird, für mein Gefühl wenigstens, der gewollte Eindruck der Feierlichkeit und kirchlichen Salbung erzielt. Ich v^eiee nicht, wie man den Bombast unserer Doctordiplome ertragen kann und auf Antiochos als ,Asianer* mit Steinen werfen.

Zu Demosthenes Zeiten hatte die periodisirte Rede, die nave- vtQafifiévf]^ wenigstens die erhabene Prosa so sehr beherrscht, dass sie die einzig mögliche schien. Aber es konnte nicht ausbleiben, dass daneben die elçofjévrj sich regen musste, wäre es auch nur

1) Die Eotdeckong dieses Gesetses (weon auch der Name Gesetz ooza- trefleod ist) ist ein grosses Verdieost von Blass, um so wichtiger, als De- ■osthenes keioeo Nachfolger gefunden zu haben scheint.

3) Yoo der platonische» Kunst, die in lebendiger Rede und in jeder StiÜsiroDg ¥0D ganz naiven Geplauder bis zum Wetteifer mit der Poesie gleich vollkommen ist, darf in diesem Zusammenhange nicht die Rede sein

3*

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aus UebersättigUDg. Wenn sie kuDstfoU sein wollte, bedurfte auch sie der Rhythmen. Es mag wohl sein, dass Hypereides in dieser Richtung gewirkt hat/) obwohl das nicht gesagt wird, sondern Lysias als Vorbild des Charisios gilt, bei dem Rhythmik nicht zu holen war, dagegen gorgianische Künste nichts seltenes sind, wie der Verfertiger des Epitaphios wohl gewusst hat. Jedenfalls hat Hegesias an Charisios und durch ihn an Lysias ausgesprochener- maassen anknüpfen wollen, als er seinen Stil aufbrachte, der in der epideiktischen Rede*) wenigstens rhythmische elcofAevt} ist. Und hier haben wir denn wirkliche ififieTça^ ixelvo ^eœxoçiov, %ov%o QriOBîov*) das ist Iriie Oolße aol ôè vavt' açéat* eîtjy und in den TtofAfidvia^ die Agatharchides tadelt, sind Schlüsse wie

- WW - v^w - (tfjç fiêydXrjç SinvXevç) , «^-v^w-wx^-v^w-w-s^i

- v> _ w (oQwvTa Ta Xelxjjava trjç Ttokewç naçovta fioi avvtxe- TBVBiv) vyv^ w— I v^— I v-K-^ w I wv>— wv>-.s.y>-/— s-^— w (arche- buleisch) |w_v>-|--|--w- |_w-|-s^_|_vy-) ovo yàç av- %ai noleiç Tfjç ^EXXaôoç rjaav otpeiç' ôio xal neçi trjç évéçaç âywvui vvv h fiïv yàq élç amaiv 6q>&aXfiog fi Orjßalwv^ èxuéxomai noXiç. Vergleichen wir nun diese Stilisirungen mit denen der späteren Prosa , so ist das erste, dass man sieht, die asianischen Clausein der periodisirten Rede haben in Rom in der

1) Sein Stil in den Gerichtsreden moss für denjenigen der Tolikommenste sein, der poetische Prosa (das ist für uns Demosthenes) im Plaidoyer deplacirt findet. Es ist in der That höchst kunstvoller iermo. Darin ist er gross, und der ienuü spiritus Graiae catnenae bezaubert. Aber die Erhabenheit liegt ihm nicht, und so wird der Epitaphios dorch Imitation conTenlionell. Wenn Rhodier ihn empfahlen, die ägyptischen Rhetoren, wie die Erhaltnog der Papyri lehrt, ihn bevorzugten, während die Schulrhetorik seit Dionysios ihn fallen Hess, so waren sie attischer als die Atticisten, die an den Vocabeln klebten.

2) Das historische Fragment hat at^fUtn/j XdSts, keine Rhythmen: das ist Fortwirkung altionischer Historiographie, die nie verstummt war. Die An- stösse liegen in der Wortwahl und Wortstellung, noch mehr in dem nê^ %࣠roi^CBis Kturoanovdav , das der Schriftsteller n. vxpavs an seinen Zeit- genossen rügt, das also mit Asianisch und Altisch nichts zu thun hat.

3) Dies der einzige significante Satz in dem lückenhaften Fragmente bei Strabon 396. Unmittelbar folgt ai> Bvvofuu Sfjldiaat xa^' Xr SKoaxor, ganz Tfa^œs. Das andere ist zerstört

4) Ich messe das kretisch, wie z. B. damals Artemidoros von Perge in seinen Epigrammen immer ^qoXoi, Natürlich ist das Willkür, aber die kann niemand aus diesen Analysen bannen, wenigstens so viel wir bis jetzt er- kennen.

ASIANISMÜS UND ATTICISMÜS 37

Gracchenzeit ihren Einzug gehalten/) ihnen hat sich auch Cicero nicht eotzogen , dessen von Tacitus verspottetes esse videatur eine solche ist, und sie regieren bei Seneca, obwohl der die eiçofiévri vonieht, und weiter bei Cyprian und noch lange, als im Grie- cUscben die Quantität überhaupt aufgegeben ist.') Also ist freilich die romische Rhetorik ohne jede Unterbrechung von der helle- nistischen Tradition beherrscht worden; wenn man das asianisch nenneo will, mag man's thun. Aber für die griechische Prosa gilt das nicht. Das zu beweisen reichen die Partien in Nordens Buch hin, die fQr die entgegengesetzte Behauptung geschrieben sind.*) Denn wenn er keinen einzigen namhaften Schriftsteller anzuführen bat, so sollten die Exempel, die er aufgetrieben hat, der Brief des Ptolemaios an Flora, Favorins korinthische Rede^ und ein paar Phrasen aus Philostrat, vielmehr beweisen, dass die Bevorzugung der an sich daraus ernsten und durch Demosthenes und Aristoteles empfohlenen Rhythmen in ein paar Reden, zu denen gar noch die Monodie des Aristides gerechnet wird, alles andere als neoterisch geffleiot war. Wenn aber die gewaltigen Massen slilisirter Rede, Philon, Plutarch, Aristides, Maximus, Dion, Philostratos so wenig boten, so ist zu constatiren, dass die Tradition abgerissen war. Nicht die Rhythmen überhaupt sind verboten, höchstens die xexXa- Ofihoiy die denn auch fehlen, sondern die Eintönigkeit: und die Imitation der Atliker hat die Weise des Demosthenes und Isokrates wiederhergestellt. Der grosse Gegensatz zwischen silberner Latinitât uod gleichzeitigem Griechisch in den Rhythmen ist der sinnfällige Erfolg des Atticismus.^)

1) Marx Rhei. ad Her. 99.

2) Was m Athen schon gegen 300 geschehen ist, vgl. in dies. Ztschr. 34,217.

3) n, 918. Den Gitaten der Historiker des Veros bei Lukian hört Norden wohl zo viel beabsichtigte Rhythmen ab; jedenfalls sind jenem nicht die Rbytbmen anstössig, sondern die allerdings albernen homerischen Vocabeln. i, 413, wo eine Anzahl hoch pathetischer Stellen der philostratischen Rhetoren rhythmisch analysirt werden, was sehr dankenswerth ist, kommt gewiss manche Klingele! heraas, die onaosstehlich ist, aber die specifisch «asianischen* Klauseln wiegen gar nicht vor. In dem Décret ans Âssos (II, 920) ist der SebJasa altformelbaft, also nicht rhythmisch neu stilisirt; im Anfang ist

-w fein beobachtet, so dass ich bv^kbv 6 Koa/ioç nicht als Adonius,

sondern mit Elision als Ditrochaeus sprechen möchte.

4) Der Raum verbietet mir, Proben zo geben; gern würde ich die Frei- heit an n. vyfovs zeigen, in dem allerdings weil kein einseitiger Atticismus,

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Der andere Vorwurf gegen die Asianer ging die Sprache an. Getadelt ward ausser dem Uebermaass an Schmuck der Mangel an %vQia ovofiatay statt deren Umschreibungen oder Neubildungen eintraten. Darüber könnte man unendliches reden/) aber wenige Worte werden dem genügen, der die Schriften lesen will. Das hellenistische Griechisch ist die natürliche Tochter des hellenischen, die lebendige Rede aller Hellenen und hellenisirten Barbaren, er- wachsen auf dem Boden einmal der jeweiligen mündlichen Ueber- lieferung, zum anderen der attischen Schriftsprache, die in allen Reichen seit Philippos Kanzleisprache war, und abgesehen von ge- wissen Gattungen der Poesie und kleinen Kreisen epichorischer Bedeutung Litteratursprache sein sollte, aber sich unwillkürlich fortwährend umformte. Es ist ja nur ein Zeichen dafür, wie wenig uns erhalten war, wenn man ehedem die Uebereinstimmung der Sprache des neuen Testamentes mit vielem, was man nur bei Po- lybios fand, befremdet constatirte (was man etwa so ausdrückte, dass der heilige Geist eine besondere Vorliebe für den Stil des Polybios gehabt hätte), und dass man neuerdings die Ueberein- stimmung des Polybios mit gleichzeitigen Inschriften ganz anderer Gegend befremdet constatirt und wohl gar Kanzleisprache bei ihm £ndet.^ In Wahrheit lebt in jenen Documenten und Polybios die-

ein gutes Theil Tradition steckt. Ein Böswilliger könnte manche Glaoseln asianisch nennen wollen. Ein seltsames Stück Rhetorik derselben Zeit ist die jüdische Rede n. avrouçatoçoç lôyav, die Norden I 416 gegen Frendenthal, dem ich froher gefolgt war, richtig würdigt ; sie kann um des Inhaltes willen nnr vor Galignla entstanden sein: die Jodenhetze ist nicht actuell, viel eher Gefahr, dass die Juden transigiren. Auch sprachlich urtheilt hier Norden ganz zutreffend: es ist reines Hellenistisch, s. g. Asianisch, wohl das jüngste Spe» cimen der Art. Rhythmen kennt der Verfasser nicht, so sehr er in gorgia- nischen Figuren schwelgt Freudenthal hat ihn maasslos überschitzt. Das dritte Makkabäerbuch kann in seinen rhythmischen Theilen (vgl. in dieser Zeitachr. 34, 635) kaum jünger als Aristeas sein.

1) Das bewnsste Schmücken der Rede mit ,schönen* Wörtern ist aach so alt wie die Rhetorik und älter. Gorgias und Isokrates sind auch darin die bewussten Stilkünstler und Lehrer; Alkidamas sündigt nach dieser Seite. Eine Reaction, die strenge Wortwahl und Einfachheit suchte, repräsentiren Isaios und Demosthenes, der die Kühnheiten der eigenen mündlichen Rede in der Schrift ausmerzte. So geht das weiter; ich muss es bei der Bindeatung bewenden lassen. Das stammt ganz direct aus der Poesie, insbesondere der Lyrik.

2) Der vornehme junge Mann, berufen zu der politisch-militärischen Führung seiner Vaterstadt Megalopolis, hat die Schulbildung dieser arkadischen

ASIANISHUS UND ATTICISMUS 39

selbe aligemeine Sprache, und lebt in den altchrisilicheD SchrifteD dieselbe fort, ungetrübt durch den Atticismus, so dass ihr Gegen- eati zu der gleichzeitigen gebildeten Litteratur eben den zwischen- getreCenen Atticismus beweist.^) Seit wir nun theils auf die zer- splitterten Reste hellenistischer Rede besser achten, theils auf Stein uod Papyrus immer neue Documente auftauchen, kann man ja gar oiebt ferkennen, dass die augusteische Zeit einen Einschnitt macht (Jod wer will, kann gerade periphrastische Ausdrücke, die den helleDistischen Stil so uogefüge und breit machen, und saftlose Neobiidungen in Masse aufzeigen, die später beseitigt worden sind. Hit eioem Schlage ging das freilich nicht; es war den atticistisch Gesooaenen gar nicht sofort bewusst, wie vieles sie im Munde fQbrteo, was der sehr exclusive Geschmack der attischen Rede des 4. Jahrhunderts verschmäht oder nicht gekannt hatte. Man darf sieb also nicht wundern, wenn Dionysios in seiner Geschichte uns oft dem Polybios näher zu stehen scheint als dem Cassius Dio, dessen Griechisch ein Pelz von altattischem Allerleirauch ist. Plutarch, der dem puristischen Atticismus unfreundlich gesonnen ist, klingt scbon weit attischer als Dionysios. Das ist der Erfolg der Schule, die mittlerweile die Kinder schon an diese Vorbilder ausschliesslich gewohnte und längst Ober lexicalische Hilfsmittel gebot: Caecilius baue ja das erste atticistische Lexicon verfertigt. Nordens so- geoaoote Neoteriker der Kaiserzeit schreiben freilich ein eben so buolei Griechisch wie Hegesias in dem Bruchstücke seiner Ge- schichte oder Antiochos von Kommagene; gleichwohl ist es eine gaoi andere Buntheit. Der hellenistische Rhetor bedient sich ge- machter Wörter; er ist frei; er wird auch aus dem Sprachschätze des Volkes etwas aufgreifen, wo es bezeichnend ist, auch ein poe-

Mittdttadt erhalten , allerdings früh litterarische Neigungen gehabt und den rhetorischen Unterricht in einer Lobschrift auf Philopoimen verwerthet. Das •patere Leben bat ihn nur selten in Contact mit der Litterator gebracht, deren Ceotra er kaum vorfibergehend besucht hat. Uro so wertvoller, dass er den Hiatus peinlich vermeldet, endlose Perioden baut, zumal wenn er seine Betrach- toogeo anstellt, und in breiten Periphrasen und üppiger Wortrfllle schwelgt trotz aller Antipathie gegen Phylarchos und Timaios. Das gehörte eben zur Historie. Dionysios erklärt ihn ja auch für unlesbar.

1) Sehr fein bat Norden die sprachliche Modernisirung, d. h. Atticisirung im Ucasevangelium gezeigt, wie denn die Partie Ober den altchrisllicben Stil wohl die bedeutendste des Buches ist.

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tiscbes, d. h. der hohen Rede angehöriges Wort nicht scheu er braucht ^éva, lôiWTixâ*) Ttanoiripiéva, Der atticistische Sel steller unterliegt schliesslich doch dem tcov %Bîtaii mit Bewi sein wagt er keine Neubildung, selbst in der wissenschaftli« Terminologie nicht. Die Sprache des Lebens gilt nicht für der Feder: daher die Latinismen, die schon das Marcusevange zeigt, durchaus fehlen, und die Schulgesprflche bei dem sogenan Dositheus oder Pollux so ganz anders klingen als irgend ein biidetes Document.') Aber dafOr wagt die Rhetorik immer n statt der 7ie7coi>rjfiéva noirjrixd anzuwenden.^) Man sieht Fortschritt, wenn Caecilius den Sprachschatz der Redner ausz Phrynichus nicht mal die alle gelten lässt, aber daneben eine schränkte Zahl anderer Schriftsteller, namentlich Dichter, P( aber, dem wir das umfänglichste erhaltene Onomasticon verdan ausgesprochenermaassen für die aoq)iaTixrj nço/iaçaanevij

1) Das erlaubt selbst Aristoteles {HheL 3, 7 S. 1408^ 13), sogar eio x oiçavo/iTjxes ^ ntXcoçutVj aber im Afiect« und wenn der Redner seiner I sicher ist xal 7iotr,<rtji évd'ovatâaa*. Und dann verdenkt man es den toren. Das xXenreiv ix t^c avvijd'aia« hat er bekauntlirh an Euripides gc

2) TT. t/yovfi 31, wo ein Wort aus Theopomp als Beispiel dient, o xo^ayëiv n^ay/Aara (eigentlich eine Metapher, denn es geht die sti Diät der Athleten an, för die es technisch war); richtiger war alsc verborum audacia von anderen an Theopomp monirt (Cicero de orat 111 Dionys Lys. 4 sieht bei diesem den Schmuck in dem fufisïtrâ'ai rov tSut War es denn schlimm, wenn Hegesias das auch that, schlimm, weil der «^«. uui 250 in Asien anders sprach als um 390 in Athen?

3) Wenn die Leute in einen Laden gingen, sich einen Rock oder i Kuchen zu kaufen, so redeten sie nothgedrungen wie das diocletianische E in der Kunstprosa existiren alle die Vocabeln nicht; aber Pollux notir Idiotismen des altattischen Marktes für Röcke und Kuchen. Wenn Li ^f/T. Bi8, 16 die Sophisten schildeit, wie sie mit ein Paar Dutzend altattii Wörter ihre sonstigen Barbarismen und Solöcismen decken, wie sie j Schmuck nicht bei den Attikern selbst, sondern bei den berühmten Coli der letzten Generation suchen, so liegt darin wahrlich keine Zulassung lebenden Sprache, weder in seinem Sinne, noch in dem der Sophisten drücken sich nur um die Mühe und erfüllen die nolhwendigen Forderu möglichst billig.

4) Philostr. Fit, soph. 119 K. NixayoQOv fAritéça aotpicrcjv rt^ Tça 3iav TiçoffBêTfôvTOS Sioç&ovfASvoi o *'J7in68ço/ios Tov koyov, éyàf Sd, ^^y léça **Ofiijçor. Daher die homerischen Vocabeln bei den Historikern des V Später nimmt Himerius auch die der Lyrik. In diesen Zusammenhang gt auch das künstliche Ionisch, am ärgsten bei Aretaeus; die Asiaten s nennen sich gern lonier, auch bei Philostrat.

ASIANISHUS UND ATTICISMUS 41

giDze Ljtteratur der classischen Zeir, selbst dialektische. Dieser sprachliche Atticismus hat eine unvergleichlich grössere Bedeutung als der rhetorische, wenn er auch auf das Latein nicht gleich hin- oberwirken konnte.') Er bat über das Geschick der griechischen Litteratur entschieden; er bewirkt, dass heute noch ein moderner Ausboder, der an Xenophon und Lysias sein bischen Griechisch gelerot hat, eine griechische Zeitung versteht, ein Kreter aber nicht, obwohl er dem Blute und der Sprache nach der ecbtbürtige Nach- komme der Kreter des Idomeneus und Epimenides ist. Dieser ver- hingDissfolle Atticismus ist nun unbestreitbar und unbestritten unter Augustus zur Herrschaft gelangt: das macht Epoche und würde an sich genügen auch den rhetorischen Atticismus zu da- tiren. Der Kampf gegen die itiaiavol ist eine Kleinigkeit, selbst io der modernen Verallgemeinerung, gegenüber dem Kampfe gegen die "EkJLrjveg, zu dem der gegen die avvr^'O'eia bald geworden ist. Dies ist der Kampf des papiernen Attisch gegen das lebendige Uelieoistisch , in dem das Todte gesiegt hat, weil vom Hellenen- thume nichts mehr zu leben verdiente als der unsterbliche Geist der Vergangenheit, von dem die Propheten der filfirjaiç nur zu wenig geerbt hatten.

Wie diese Reaction sich siegreich hat erheben können, ist freilich eine bedeutende Frage, die mit dem Hinweis auf einen Menschen oder ein einzelnes Moment nicht gelöst wird.') Der erste wichtige Factor ist die Grammatik, der allgemein der erste Jugend- unterricht zufiel. Die aller Orten im Dunkel wirkenden Schul- meister, so viel weniger Ansehen sie genossen als die Rhetoren, hatten doch von Wissenschaft einen Hauch verspürt, als sie bei den wirklichen Grammatikern studirteo. Zur Wissenschaft geworden war die Grammatik in Alexandreia, wo ihre Blüthe nur vorOber- l?ehend gestört ward, als Euergetes 11. dort wOthete. Die Ver-

1) Als er es that, zu Frontos Zeiten, war das Resultat darum viel un- ansstehliclier , weil die Römer damit gerade ihre classische Litteratur ver- driogtcD, aber es kam damit doch auch viel vulgares Lebendiges auf. Ganz vergleichbar dem griechischen Classicismus ist erst der des Lactantius: neben àtm tni steht ein Vulgärlatein, wie ein Vulgärgriechisch neben dem des PlQUrch.

2) Ich verzeichne nicht die Versuche der Beantwortung von meinem Hioweig in dieser Zeitschr. 12, 333 bis auf Radermacher Rh. M. 54, 35t. Aber wohl sei hier daran erinnert, dass Olto Jahn das Verdienst hat, das ganze P^obleiD des Classicismus gestellt zu haben.

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IreibuDg der Aristarcheer und des Aristarchos selbst ist ihrer Ver- breitQDg nur zu Gute gekommen, und Rhodos Dameotlich eiu wichtiger Platz auch hierfür geworden.') In Alezandreia sass man auf einer Sprachinsel und hatte keine wirklich hellenische Volks- sprache wie in Asien unter sich. Da also ist der Gedanke auf die Sprache Oberhaupt, die hellenische Sprache und ihre Hund- arten insbesondere gerichtet worden. Die Lexicographie entwickelt sich schon im 3. Jahrhundert aus der Glossographie, die Behand- lung einzelner Dialekte beginnt mit Dionysios lambos, die Saimn- iung der Litteratur fahrt zur diplomatischen Kritik, die Aestbetik der Peripateliker zur philologischen Exegese. So kennt schon Era- tosthenes falsche Attiker,*) Aristophanes aber muss puristische lieber- treibungen kennen, sonst könnte er nicht rcegl vtSv aoxovwwv fifi elQijaâixi loîg èçxoloiç schreiben, so dem späteren Antiatti- cismus vorarbeitend. Er stellt in der allgemeinen Spracbbetrachtung das Princip der Analogie auf, das dann Aristarch mit der Autorität eines gewaltigen Schulhauptes verficht, die Regel und die beweis- bare Correctheit gegenüber dem allezeit lässlichen, widerspruchs- vollen Gebrauche des Lebens. All dies gravitirt nach der Normali- sirung der Sprache, der Aufstellung fester Regeln, der Kanonisirung eines bestimmten durch Muster festgelegten Griechisch. Und so viel ist an dem sogenannten alexandrinischen Kanon') auch wahr, dass in der Poesie trolz ihrer alexandrinischen Blüthe und trotz dem, dass die Gelehrten theils selbst Dichter waren, wie Erato- slhenes und Aristophanes, theils mit Dichtern befreundet, wie Ari- starchos mit Moschos, ein Strich gezogen ward, der die Classiker abschloss. Der Strich ist bei Alexander gezogen; der Alticismus hat ihn einfach auf die Prosa Obertragen. Wenn also auch die Grammatiker keine Redner, vielleicht Oberhaupt keine attischen Prosaiker in den Kreis der Interpretation, also noch viel weniger in den der Knabenschule zogeo, so war doch ihre Tendenz bereits ôvvàfÀei atticistisch, ablehnend auch im Stile gegen die veatTecoi, und sie ward es evsQyelai, als sie in Rom dem Bedürfoiss gemäss auch Redner erklärten, aber nur attische Redner. Wie viel Didymos

t) Trefieod hat das Marx gezeigt, Rhet. ad Her. 138 u. ö.

2) Schol. Aristoph. Frö. 1263, fgm. 149 Strecker. Dort mehreres, was die feinste Spracbbeobachtung beweist.

3) Ueber ihn and den s. g. Kanon der tO Redner spreche ich nicht, weil ich darauf bald an anderem Orte ausführlich einzugehen hoffe.

ASIANISHUS UND ATTICISMUS 43

dafür schon gethan hat, «eht man bei Harpokration. Damals kommt ei auch zu der Anlage eines Onomastikons, also eines griechischen Wörterbuches, durch den scharfen Analogetiker Tryphon^): wer wollte darin eine mächtige Waffe der classicistischen Sprach- emeoerung verkennen. Wer auch immer die Auswahl der LectOre for den Redner gemacht bat, die wir bei Dionysios, Quintilian, Ta- citos, Dio befolgt finden, ein Grammatiker ist er gewesen, ein Classi- cist auch, und welchen Einfluss er gewonnen hat, zeigt die weite Geltung seiner Auswahl.

Gleich mächtig ward die Philosophie, gerade weil sie in ihrem Doterrichte nun auch der Rhetorik einen Platz gewährte. Die Akademie, Ton der diese Dewegung ausging, hatte in Piaton nicht Dor den erbitterten Feind der xo^u/uoiTixi) als Patron, sondern auch das unvergleichliche Vorbild edelster menschlicher, aber auch attiacber Rede. Die leeren. formalen KOnsteleien .konnten hier gar liebt das Uebergewicht erlangen. So sehen wir denn in Ciceros driuem Ruche dt oratort Stilprincipien ausgesprochen und Forde- niogen erhoben, die der sana eloquentia wahrhaftig entsprechen *) ; wer diese philosophische Rhetorik in sich aufnahm, dem ward die M)phi8ti8che Rhetorik an sich zuwider, und wenn er Höheres an- strebte, so kam er noth wendig auf den Anschluss an die wirklich gronen Stilisten, zuerst zu Piaton, dann den Historikern und Hedoern. Diesem Unterrichte, seiner philosophischen und zwar ^bdemischen Bildung, verdankt doch Cicero, dass er ein wirklicher

1) Weoo er der Verfasser der rhetorischen Schrift nefd z^énotr ist, WM ich sehr wohl für möglich, aber für angewiss halte, so hat er sell>8t in die Rhetorik eingegriffen.

2) Die Doctrio, die ganz in platonischem Grunde wurzelt (21), erkennt nelnrere gleichberechtigte Stile an (Parallele Myron, Polyklet, Lysipp, d. i. «^JCi'oV, vifêror, /uaov), aber die Stilmuster sind alle Glassiker (27. 28). Die Forderaog der Lecture ist sehr stark, und die Sprache soll rein , d. h. attisch ^iA(42: hier die Kritik der asianischen Aussprache; bei der Forderung der «<^C** opofuna 49 wird das Original wohl auch die Polemik gehabt haben). Be- sooders bemerkenswert ist die Warnung vor dem nimù dulce, 96 101 : das ist gaox ohne jede Polemik gehalten, auch ohne jede Uebertreibung, aber es triflt den Ken; es enthalt das, was in der stilistischen Kritik der Atticisten unein- geschriQkten Beifall verdient Die weiteren speciellen Vorschriften über Xé^êS oo4 ^ftos lehren weniger. Berührungen mit Philodemos sind in diesem ^die zahlreich: das ist bei beiden Niederschlag der allgemeinen philosophi- seheo Polemik gegen die Rhetorik aus dem zweiten Jahrhundert.

44 U. ?. WILAHOWITZ-HÖLLENDORFF

Classiker geworden ist. Die peripatetische Schule')^ hat nach Kri- tolaos keine Bedeutung, und als sie durch Aristonikos die Wendung nimmt, die Werke des Stifters zu commentiren und paraphrasiren wird ihre Lehre vollends esoterisch. Sie zeugt damit fQr den all- gemein rückwärts classicistisch gerichteten Geist der Zeit. Abei eine aus der rhetorischen Lehre des Aristoteles und Theophrastof stammende und nie unterbrochene Anregung wirkte doch sehr start auf den stilistischen Geschmack. Die Grundlage der Stillehre àei Dionysios ist ja theophrastisch. Die sophistische Rhetorik des Her magoras hat, so Tiel wir wissen, die (pQâaiç Ober die bvqboiç stark vernachlässigt; wir haben von ihm keinerlei Vorschriften Qbei sie. Ciceros Rhetorik nennen wir aus demselben Grunde <fe in- ventiane, und noch von Apollodoros von Pergamon haben wir nichts Stilistisches. Dagegen ist das letzte Buch der Rhetorik ad Heretir nium ein sehr werthvoller Tractat n. ^^^ecciç, 'dessen asianisch< Form zu den verständigen Lehrsätzen in seltsamem Contraste steht Die theophrastische Grundlage ist auch hier unverkennbar: dei rhod'sche Rhetor hat offenbar, vermuthlich durch Vermittelung dei Grammatik, eine Lehre vorgetragen, die auf Sprache und Stil refor- mirend wirken musste, sobald man sie in der Praxis ernst nahm, Die Postulate, dass die Rede rein und dass sie griechisch sein sollte, die Warnung vor den Fehlern des ßacßaQiafxoc und aoXoi- xiCfÂOç hat wohl immer auch in der rhetorischen Techne gestanden: auch hier war die sprachliche Reaction und die Forderung def Anschlusses an die Attiker nothwendig, so bald man die Frage, was ist Griechisch, mit festen positiven Regeln und Relegen beant- worten wollte, wie es die Grammatiker zumal in Rom mussteo und thaten.

Dies führt zu der Betrachtung des Factors, den Dionysios aU Urheber der Geschmacksänderung bezeichnet, Roms. Wenn er fort-

1) Die Sioa hatte ihr erstes Jahrhundert lang die Form gröblich ver- nachlässigt, und ich vermag dem, was von der Polemik des Diogenes von Babylon übrig ist, nichts nach dieser Seite Belangreiches zu enlnehmea (was Kadermacher jüngst über eine stoische Vorlage von Cicero de oraiore vorge- tragen hat, Rh. M. 54, 285, kann ich nicht billigen). Dann treibt freilich Panaitios sogar sprachlich-philologische Studien an Plalon. Aber bei Posei- donios und seiner Schule tritt diese Seile ganz zurück. Gleichwohl will ich gern glauben, dass Gelehrtere auch Stoiker aufzeigen können, die im ähnlichen Sinne thätig gewesen sind wie Philon. Die Epikureer bedeuten nichts, sc Werthvolles wir Philodem verdanken.

ASfANISMUS UND ATTICISHUS 45

Ûbrt ond die övvaaTevovTßc xav* açeTfjv xal àno tov x^a- titnov Ta xoivà ôioiKOvvTeç dafür lobt, dass sie der Qbrigeo Gesellschaft ihren Geschmack aufzwingen, so geht das auf den be- kaDDliicb aberzeugt classicistisch gesonnenen Kaiser Augustus, dessen persOoliche Haltung gewiss sehr viel gewirkt hat; aber die atti- cistiscben Forderungen sind schon fast ein Menschenalter früher erbobeo worden. Schon damals galt, was er von Rom sagt, dass es als Centrum der Welt den Ton angab; aber Römer können ibo unmöglich angegeben haben. Die Herren der Welt mussten Griechisch lernen, der Grammatiker und dann der Rhetor, immer mehr auch der Philosoph erhielten die Aufgabe ihnen die Sprache und Bildung zu vermitteln. Die Frage, was ist als griechisch zu lernen, was ist als musterhaft zu interpretiren, drängte sich dadurch in neuer Weise auf. Das hat wohl seine Wichtigkeit; allein Rom batte im 2. Jahrhundert den Hellenismus in seiner modernsten, asiatischen Form begierig aufgenommen, Rom hat gerade, während Dionysios sein Triumphgeschrei erhob, die Arellius Fuscus und Hjbreas als Stilmuster allen Atticisten vorgezogen. Die römischen Attiker vollends, die Cicero bekämpft, sind Leute, denen eigene Initiative nicht zugetraut werden kann: es wäre naiv, einen Thucy- éiiii tyrannus Atticae febris, eine Imitation des Lysias oder Xeno- pbon spontan auf lateinischem Gebiete erwachsen zu glauben. Die Stilmuster sind ja immer Griechen, uns als solche auch durch Griechen bekannt, und es versteht sich von selbst, dass die jungen römischen Redner, die diese Imitation gegen Cicero ausspielten, wwohl ihre verschiedenen Vorbilder wie das Princip der f^lf^fjoiç ▼on ihren griechischen Lehrern hatten, die freilich keine Rhetoren gewesen zu sein brauchen. Nicht die Römer haben den Griechen l>eigebracht, wer ihre Classiker wären, sondern die Griechen haben in Rom sich auf ihre Classiker besonnen, die Macht, die ihnen einag noch blieb« Seit der Verwüstung Asiens und vollends seit der Annexion von Aegypten ist Rom auch für die griechische Litte- ntnr der Hauptsitz. Hier fast allein erscheinen die neuen Litte- raturwerke,^) hierhin zieht sich auch Grammatik und Philosophie, und dass die Griechen in fremdem Lande sind, eine fremde Sprache

i) Es verachligt nichts, dass der Verlag des Atticos die Bûcher in Athen herstellen Hess, offenbar, weil es dort geschulte Schreiber gab; es wird toch billiger gewesen sein. Unter Augustas hat sich auch dieses Gewerbe "•«h der Hauptsudt gezogen.

46 U. V. WILAMOWITZ-HÖLLENDORFF

lernen mOssen, eine fremde, wenn auch heiienisirte Litteratur neben sich haben y beeinflasst ihre Wissenschaft und ihren Geschmack. Die Grammatik ist dies eine Mal durch die Heranziehong einer fremden Sprache zu einer lieferen Erfassung der Sprachbaues an- geregt worden : Philoxenos und Seleukos haben wirklich noch Fort- schritte gemacht.^) Das Weltreich kam den Philologen in dem Centrum seines Regimentes ganz anders als Einheit zum Bewusst- sein als in den hellenischen Winkeln: nur hier konnte ein Ale- xander die Archäologien aller barbarischen Volker, darunter dei R(Vmer, konnte ein Strabon seine populäre Erdbeschreibung ver- fassen.*) Es gab kein hellenisches Reich mehr. Die Welt war in den Bahnen fortgeschritten, die Polybios und Poseidonios geweis- sagt hatten. Der letzte Versuch des Widerstandes, den Hellas mit dem Anschlüsse an den schlimmeren Barbaren Hithradates gemacht hat, war in die Zertrümmerung Asiens und Athens ausgegangen. Die Machte dieser Welt hatten nicht geholfen: da besann der Helle- nismus sich auf die ewigen Machte, durch die er seine Herren trotz Allem beherrschte, seine classische Litteratur, seine Wissen- schaft und seine Sprache. Damit war der Classicismus gegeben. Ohne Zweifel ist kein einzelner Mann im Stande, eine solche fundamentale Umkehr des Geschmackes zu bewirken ; eben so selbst- verständlich muss eine geistige Bewegung ihre Führer haben, und man darf nicht aufhören nach diesen zu suchen. In Rom, in dei Zeit von Ciceros höchstem Ansehen mOssen sie aufgetreten sein, lehrend vielleicht mehr als schreibend. Die entscheidenden Ge- danken können nicht im Hirne eines Rhetors entstanden sein : die aUgemeine Bildung schwimmt immer mit dem Strome. Aber dl es sich wesentlich um den Stil handelt, kommeo die Professoren der Stilistik für die Verbreitung der neuen Principien stark in Betracht. Ich schäme mich dessen nicht, dass ich einst auf ApoUo- doros von Pergamon gerathen habe, deon dessen Schüler, Augustus.

1) Dass Philoxenos Tor Yarro fallt, habe ich von Reitzenstein gelernt Gesch. d. Etym. 179, dessen Aosfühningen über die Grammatik dieser Zeil von höchstem Werthe sind.

2) Auch eine solche Weltgeschichte wie die des Trogus (an Timagenei glaube ich nicht) hat ihre Anregung aus dieser hellenischen Betrachtung ge- schöpft, nur in antirömischem Sinne. Am Hofe des Herodes schrieb Nikolaoi ganz anders, nach der Geschichtsbetrachtung des Daniel grayitirend, übrigem auch schon atticistisch und als Peripatetiker.

ASIANISMUS UND ATTICISMUS 47

Diooysioe vod Pergamoa der Attiker und Caecilius, our die grOssteo zu oenoeD, siod AUiker. Ausserdem keoDen wir die Principien, aaf denen das System des Apollodoros aufgebaut war, durch die Polemik des Alexander Numenius.') Sie siod von pedantischer Streage. Die Rede zerfôllt in vier Tbeile, diese sind obligatorisch \ai kaben auch ihre feste Reihenfolge. Es ist offenbar, dass darin eise ganx scharfe Reaction gegen die casuistische Scbolastik des Hmnagoras liegt, eine Reschränkung auf das abstract logisch als DOÜkwendig Erweisliche, und die Aufstellung eines festen Kanons. Dis ist noch viel archaischer als die Rhetorik, mit der sich Piaton in Pbaidros befasst, nicht ohne die modernen Distinctionen des Theodoros und Euenos zu verlachen. Es liegt nahe, bei Apollo- doroe ein Zurückgehen auf die älteste Doctrin anzunehmen, und leiae Schüler bedienen sich auch des Argumentes: so haben es die Altes gemacht. Dennoch mache ich jetzt den wichtigen Unter- schied, dass Apollodoros zwar in seiner Sinnesart dem Classicismus angehört und nach dieser Richtung wirken musste, wie denn die ApoUodoreer klârlich Attiker sind; aber dass er die fiifirjaiç der attiflchen Sprache gefordert hat, dafür fehlt jeder Anhalt.^ Seine Doctrin gilt auch viel einseitiger als die des Hermagoras der Gerichtsrede, und von dieser Enge kann die Reform des ganzen Praeaotiles nicht ausgegangen sein. Wir haben auch nicht ein Wort ▼OD ihm Ober die Xé^iç. Die Berufung auf die Alten kann sehr wohl seinen Schülern zugeschrieben werden. Immerhin hat er pendalich an dem Siege seiner Geistesrichtung auch auf sprach- lichem Gebiete vermuthlich mehr Antheil als irgend ein anderer, denn er hat die rhetorische Ausbildung des Augustus geleitet, und weso Caesar ihn seinem Erben zum Lehrer gab, so wissen wir, was er von ihm erwartete. Caesar war doch Analogetiker und im Stile der unerreichten Heister, zwar nicht classicistischer , aber claasischer, im besten Sinne attischer Rede. Dazu hat ihn kein Rhetor gemacht; die Wissenschaft, die ihn gereizt hat, ist die Grammatik und zwar die alexandrinische.

1) Id der Rhetorik, die Graeveo als Goroutus edirt hat Die Hauptstelle ist 26^29.

2) SeiD Schüler Galidias wird von Cicero Brut, 274 279 gaoz so ge- Mhildcrt wie ein wirklicher Attiker, aber der Secte gehört er nicht an. Diese Haltaog des Schülers nicht auf die Lehre des Apollodoros zurûckxufûhreo, ist eine Zomothoog, die man nicht ernst nehmen kann.

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Noch viel weniger kommt darauf an, dass ApoUodoros un einige seiner Schüler aus Pergamon gebürtig waren. Es ist Ober haupt ein Unding einen Gegensatz zwischen Pergamon und Asie zu statuiren, der mysischen Stadt ohne hellenisches Hinterlanc der Nachbarstadt von Temnos, wo Hermagoras her war: auch Hysiei gehört zu den Barbarenlandschaften, aus denen die Atticisten Rom die Aflermuse herleiten. Als die Reliefs des grossen Altares be kannt wurden, als dann die Verbindung der älteren Künstler de pergamenischen Hofes mit athenischer Kunst und Philosophie deut lieber hervortrat, die periegetischen und antiquarischen Studien de Demetrios und Polemon verfolgt wurden, da führte uns das dazu die Bedeutung der Pergamener zu übertreiben, und mit dem Gegen satze der Krateteer gegen Aristarch einerseits, andererseits mit den Einflüsse, den die Asiaten auf Rom naturgemäss vor den Alexan drinern gewinnen mussten, zu combiniren, und so einen gesondertei Culturkreis von bedeutender Eigenart zu construiren, dem wir seim Lebensdauer ins Unbestimmte prolongirten. Aber der pergamenischi Hof hat schon die äussere Stellung, die zu solcher Wirkung er forderlich war, erst erworben, als Eumenes Asien erhielt,*) um mit dem Erlöschen der Dynastie ist alles aus. Eumenes hat wob wirklich mehr angestrebt, als die Stellung eines hellenischen Königi von Roms Gnaden an sich erforderte, nicht bloss in seinen Bauten sondern auch in der Gründung eines wissenschaftlichen Centrums wie es die Stiftung der Bibliothek mit sich brachte. Bei seinei Nachfolgern ist schon diese Absicht fraglich. Die Tendenz ist abei keinesfalls gegen Asien, d. b. gegen sein eigenes Reich gerichtet das ist ja gar nicht auszudenken. Es ist auch nichts zu construiren, was Krates von Mallos, der stoisch gebildete Grammatiker,') und

1) Attalos I. ist zwar der bedeutendste Mann des Hauses, und er hat im Gefühle sterben können, dass er, der Parvenu, das Diadem im Aller sich verdient hätte, das er als junger Mann leichtsinnig genug angelegt hatte. Abei während des ganzen dritten Jahrhunderts hat er immer wieder um seine Existenz kämpfen müssen, und die Aspiration mit Aiexandreia zu rivalisireo, konnte ihm niemals kommen.

2) Die theoretische Position der Anomalie hat ihre gute Berechtigung und hat daher bis in die Augusteische Zeit sich behauptet: dann ist es vorbei; sonst hätte sich die ihrem ganzen Wesen nach analogetische na^âSo<ns nicht zum Herrn machen können. Auf anderen Gebieten, namentlich in Lexiko- graphie und Exegese, vermag ich keine pergamenische Schultradition zu er- kennen. Polemon hat keine Schule gemacht.

ASfANISMUS DND ATTICISMUS 49

der Antiquar Polemoo unter sich uud vollends mit dem Classicismus gemein haben sollten. Auch der Stil der pergamenischen Reliefs ist wahrlich dem Asianismus verwandter, als den neuattischen Reliefs, die freilich classicistisch anmuthen. Als dann statt der Ktoige römische Proconsuln oder gar Mithradates in Pergamon sitxeo, da ist es ausgeschlossen, dass dort Oberhaupt noch eine Schule der Grammatik oder irgend einer Disciplin blühe; die Römer gehen auch nicht dorthin studiren.^) Es ist eine asiatische Stadt zweiteo Ranges. Nur Rhodos ist im Osten noch ein Ort von all- gemeiner Redeutung. Dort sitzt der universale Gelehrte der Zeit, Poseidonios, von dort verbreitet sich die Grammatik, die allein als wissenschaftlich gelten kann, die alexaodrinische, dort blüht auch die Rhetorik , die sich eben aus Asien dorthin zieht. Aber es ist eine kaum fassbare Verkehrtheit, dort von Atticismus zu reden, trots Poseidonios und Holon , trotz der Stellung des Dionysios zu den Rhodiern, und trotz dem, dass eben dort Theodoros der Gada- rener gewirkt hat, der Lehrer des Schriftstellers n. vipovg*) der gegen den exclusiven Attiker Caecilius Front macht. Theodoros nnd seine Schule vermittelt gerade die Tradition des Hellenismus an die Sophisten der Kaiserzeit. Noch viel weniger Redeutung hat <iss nach der definitiven Zerstörung von Delos durch die Seerfluber gSnzlich verarmte Athen. Die Misere wird durch die athenischen Inschriften und Monumente ganz ebenso erläutert wie durch Ciceros Correspondenz. Dieser lässt freilich seinen Sohn dort studiren, aber der Peripatetiker Kratippos ist der Einzige, der auch nur in der Philosophie ein wenig zu bedeuten hat. Horaz hat seiner athe- nischen Studienzeit mit der Pietät, die dem heiligen Orte, und mit der Warme, die der frohen Jugend und ihren Thorheiten gilt (bei ihm waren es griechische Verse), gern gedacht: aber kein Professor bat auf ihn gewirkt.

1) Es gab auch eioeo Zeitgenossen des Apollodoros, der aus Pergamon §Uiuiite and ^asianischer Rhetor* war, Isidoros: das zeigt das Gitat bei RotiliDs U 16 mit Rnhnkens Anmerkung. Er war auch als Rhetor Feind der Philosophen.

2) Ich muss auf das nachdräcklichste behaupten, dass dieser seine Sckilmcbaft mit dem Imperfect 0e6Swços é«dXê$ (4) selbst angiebt, und dass in der Doctrin und der Sprache alles auf diese Zeit, sagen wir 20 50 n. Chr., ^rt Die Zeit der Flavier halte ich für ausgeschlossen. Von Longin braucht ■tan nicht mehr zu reden. Aus der Zeit Zenobias ist die Schrift, wenn Pe tron ans àtt des Severus Alexander ist

HgnneiXXXy. 4

50 U. V. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF

Die griechischeD Lehrer der Wissenschaft uod der Sprache haben id Rom die classicistische Reaction inaogurirt. Die Wdt- stellung Roms hat ihr in der Welt Geltung verschafft. Wenn aian bloss das Gezflnke der Rhetoren um Asianisch und Attisch ansidit, mag es eine Bagatelle scheinen. Auch als solche ist sie nur aus dem ganzen Gange der WeltculUir versUndlicb. Selbst die doch so ungemein wichtige sprachliche Reaction ist nur eine Hauptseite, in der sich die Wandelung des ganzen Empfindens der Menschen offenbart. Die Seele der Menschen hatte sich geändert, wie sich Piaton ausdrucken wtlrde. Die Werke, die in der augusteischen Zeit (besser in ihrer ersten Hälfte) gelingen und den Stempel eines gewissen Classischen tragen, das Augustusforum und die Ara pacis, die Aeneis und die Lieder des Horaz, haben mit der atticistischen Bewegung der Rhetoren und Grammatiker direct nichts zu thun: den Geist des Classicismus athmen sie doch, nur den des edelsten und darum nicht mit dem Stigma der Oden Nachahmung gezeich- neten, weil sie einem fremden stolzen Volke angehören und die heimische Weise nicht verläugnen.*) Es steckt auch in der Politik des Princeps ein gut Theil dieses Geistes: Antonius wollte ein hellenistischer KOnig werden und diese innerlich verlebte Caltur fortsetzen: er war ja auch Anhänger des Asianismus. Die grie- chischen Väter des Classicismus hatten sich in das Reich des fernen Ideales geflüchtet, zu der ewigen Schönheit und dem ewigen Ruhme der Ahnen, theils aus Ekel an dem Chaos der Revolution, das die Welt zu verschlingen drohte, theils um den Rest des hellenischen Wesens zu retten. Jetzt war erstanden, der in dem Chaos Ord- nung schuf, und man jubelte ihm als dem Heiland zu, jetzt glaubte man wirklich an die Zeit der Erneuerung, und die von classischer griechischer Cultur gesättigten ROmer trauten sich zu, im Anschluss au die Classiker Classisches zu schaffen. Sie bewundern wir; die ähnlichen Aspirationen der griechischen Rhetoren, die classische

1) Das erhebt die römische Poesie der Zeit so angeheuer über die grie- chische , die in Terhängnisvoller Weise ^ie Technik sogar verlerot, weil sie die Gontinuität abreisst wie die Malerei vor 100 Jahren. Es sind nach Phiiodem keine guten Distichen mehr gemacht worden, und als die Rbetoreo aus Asien auch die Epigramme machen, ist diese rhythmische Poesie wirklich nur eine geringere Form der eloquenUa. ßemerkenswerth ist, dass Strabon 628 an seinem Bekannten Diodoros II. von Sardes ioto^iko avyy^fifiaxa %a\ fiiXrj xal aXla noirifiaxa'ïrjv a^xalav yçatpriv èni^alvovxa iuavwc rühmt

ASIANISMUS UND ATTICISMUS 51

Historie schreiben wollten, sind eitel gewesen.') Aber eine wirk- liche Erneuerung hal auch Kaiser Augustus nicht schaffen können, uod die Blathe der Poesie seines Volkes hat er noch selbst welken séeo. Die Unterströmung, die zu der Bildung einer neuen Reli- gion and eines neuen Lebens strebte, hal an den Hellenismus an- gekoflpft und ist von der Reaction, die doch nur die Gebildeten aDgiog, unberührt geblieben. Die Atticisten braucht man nicht, um Paulus zu verstehen: die Asianer kann man nicht entbehren. So würden wir schliesslich dazu geführt, zu fragen, woher jene Wandlung in der Volksseele gekommen sei, die sie von der Gegenwart und der Tradition weg zu der Nachahmung dessen trieb, was 300 und mehr Jahre zurücklag und einer Form des Lebens und Fohlens in Staat und Gesellschaft angehörte, die so wenig wiederkehren konnte wie die alten Götter. Aber das ist eine Frage, auf die die Geschichte, so anmaasslich sie sich geberde, keine Ant- wort haben kann, wo ich mich mit der Philosophie Piatons be- gnflgen muss.*) Wir verfügen nur über die Erweiterung des Beo- bachlungsmateriales, das zwei weitere Jahrtausende der Vergleichung bieten. Mir ist, seit ich sie kennen lernte, die Entwicklung der moderoen Kunst vom Cinquecento bis zum Classicismus, der vor beilSofig 100 Jahren den Bruch brachte, die beste Erläuterung der hellenistischen Entwickelung, und in diesem Sinne habe ich die Schbgwörter der modernen Kunstgeschichte allezeit gebraucht.') So wenig wie wir noch etwas Herabsetzendes sagen wollen, wenn wir ein Werk der bildenden Künste barock nennen, so wenig dürfen wir uns die Beurtheilung der antiken Classicislen, gar des armen Gesellen Dionysios, gegenüber der hellenistischen Litteratur und Kunst aneignen. Wenn das antike Barocco weiter asianisch heissen soll, so muss der Verachtung des Asianismus ein Ende gemacht, muss namentlich die lebendige Sprache, auch in ihren Neologismen und ihrem lärmenden Schmucke, so schwer uns das

1) Das versDcben sie alle, Diooysios von Halikarnass und von Pergamoo, Caeeiiioa, Theodoros; vermuthlicb gehört auch Timageoes dabin, sicher Niko- la«. Memnoo von flerakleia, die erfreulichste Erscheinung, steht als Provinziale wohl der Bewegung fern.

2) Wie ich in meiner Rede über Weltperioden ausgeführt habe.

3) Von Tornberein io bewusstem Gegensatze zu der Art, wie es Hertz in Moer Rede Renaissance und Rococo io Rom gethan hatte; das ist ein IfiNbraocb, weil es die Worte, nicht die Stile im Auge hat. Die Renaissance wir etwas Besseres als Imitation.

4*

52 ü. V. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF, ASIAN, ü. ATTIC.

zuoachst fällt, iD ihrem Rechte anerkaoDt werden/) das doch das beste ist, das Recht des Lebeodigeo. Dem kommendeo Jahrhundert der Philologie fällt als eine grosse und schöne Aufgabe die Er- schliessung der hellenistischen Jahrhunderte zu, in jeder Beziehung; nur das Verstflndniss der hellenistischen Philosophie wird ihm von dem scheidenden bereits übergeben. Aber auch, so weit sie die Sprachen und einige Werke des Alterthums in der Schule zur Bildung unserer Knaben verwendet, darf die Philologie nicht ver^ gessen, dass es zwar Classicismus gewesen ist, der die Griechen in den Jugendunterricht erst wirklich eingeführt hat, dass sie aber diese Stellung nicht zu behaupten verdienen, wenn sie diesem überwundenen Geiste dienen sollen. Nicht fUfirjoic, sondern ^rjkoç ist das wahre, und nicht wie sie den Classicisten der augusteischen oder der goethischen Zeit erschienen, sondern wie sie im leben- digen Lichte ihres Tages lebten, gar nicht als Classiker, sondern im heissen Kampfe strebend und irrend, wie irrend und strebend die Wissenschaft sie in heissem Kampfe immer wahrer und leben- diger erfassen lehrt, werden die grossen und ganzen Menschen Asiens und Athens nimmer die Kraft verlieren, den Geist zu be- freien und die Seele zu erheben, mit jener ewig jungen und ver- jüngenden Kraft, die allein das Lebendige besitzt. Diesem Leben- digen kann und wird die Philologie weiter dienen, fröhlich und siegesgewiss; ihre Todten müssen die Todten begraben.

Westend. ü. v. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF.

1) So habe ich mich nicht gescheut, das Grenfellsche Lied schön so fiodeD, das ich des Mädchens Klage getauft habe. Ich kano nicht anders sagen als dass di^enigen, welche gar das Ued darin zu verkennen fortfahren, den Bann des Classicismus noch nicht los sind, in dem wir alle aofge* wachsen sind.

BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE UND CHRONOLOGIE DES HELLENISMUS.")

1. Die achftische Zeittafel des Polybios.

Die Chronologie der achaischen Geschichte io der Mitte des 3. Jahrhundert beruht auf der kurzen Uebersicht, in welcher Po- ItIhos') Wachsthum und Entwicklung des achäischen Bundes zu xeigeo unternimmt. Nach einem kurzen Rückblick auf die froheren Schicksale Achaias bis zu den Zeiten des Antigonos Gonatas erzählt er zuerst, wie das Volk sich vom makedonischen Joche befreite, uod fahrt uns dann die wichtigsten Ereignisse mit ihren Zeit- absUnden vor, ganz in derselben Weise, wie er vorher*) die Kriege der Bomer mit den Galliern aufgezeichnet hat.

Was Polybios giebt, ist eine Art Zeittafel; er zählt demnach oar ganze Jahre. Jahresabschnitte hat er nicht berücksichtigt, und es ist wohl möglich, dass er eine ältere Chronographie benutzt hat. DcD Ausgangspunkt der Rechnung bezeichnet er mit einer Olym- piadeoiiffer; er setzt also diese Zeitrechnung als allgemein tlblich ^^oraos, wie er denn auch seine spätere Geschichtserzählung nach Olympiaden gegliedert hat. Seine Daten sind offenbar bestimmt, 20 Oljmpiadenjahren ausgedrückt zu werden.^) Seine Jahreszahlen

1) Ich beabsichtige hier einige Ausföhroogen za dem j flogst erschieoeoen 2. Btode meioer Geschichte der griechischen uod malcedoDischen Staateo seit der Schlacht bei Ghaironeia zo geben. Die Resultate dieser Untersuchungeo sind io dem Bande schon verwerthet; doch konnte eine eiogehendere, om- fa>ttode Begründung mit Rücksicht auf den Raum dort nicht gegeben werden.

2) n 41—43. 3)II18fi:

4) Unerörtert kann es bleiben, wie die Olympiadenjahre mit der natür- lieben oder epichorischen Zeitrechnung ausgeglichen wurden. Mommsen (Rom, Foncboogen II 353) lisst diese Jahre von Herbst zu Herbst laufen , im Ân- mUqss an H. Nissen, der annahm, dass die polybiaoischen Olympiadenjahre

54 B. NIESE

giebt er in OrdinalieDy Ober deren BerechnuDg sich einige Zweife erhoben haben. Es fragt sieb, ob man beide Termini einrechnei soll oder nur einen, oder concret ausgedrückt, ob das zehnte Jahi nach diesem oder jenem Ereignisse zehn Jahre nachher bedeute oder nur neun. Ich habe mich schon früher^) für die ersten Rechnung entschieden, bei der die Ordinalzahlen den entsprechende! Cardinalzablen gleich sind. Diese Zahlungsweise, bei einer fort- laufenden Reihe von Daten die einzig rationelle, wird, wie ein« Fülle ¥on Beispielen lehrt, von den Alten durchweg angewandt und Polybios bat sich diesem Gebrauche angeschlossen. Anden sind abweichender Meinung: kein geringerer als Th. Mommsei hat in seiner Behandlung der gallischen Kriege bei Polybios di« andere Rechnungsart durchgeführt und sie auch auf den Abri« der acholischen Geschichte anzuwenden versucht.') Ich halte diet für einen Irrthum, muss aber darauf verzichten, die Frage hiei principiell zur Entscheidung zu bringen, sondern begnüge micii meine Meinung hier nochmals auszusprechen und darnach an die Erläuterung des polybianischen Capitels zu gehen. Die Richtigkeil der Rechnung wird der unbefangene Leser am leichtesten und besten aus dem Ergebniss ersehen können.

Die Anfänge des spätem achäischen Bundes Ifegen nach Po- lybios in der 124. Olympiade, in welcher eine Reihe der mächtig« sten Fürsten, Ptolemaios I., Lysimachos, Seleukos f. und Ptolemaios

mit den achäischeo Amtsjabren zusammenÜelea , die seit 217 v. Chr. uro die Herbsttag- and -nachtgleiche anfingen. Ich halte dies zwar nicht für gani richtig, wohl aber ist zuzugeben, dass die inneren Olympiadenjahre darchwe^ mit dem Herbste zu Ende gehen oder anrangen. Dies gilt aber immer nui für die eigentliche Geschichtserzählung des Polybios, die mit dem 3. Bach< anhebt. Dass er dagegen auch die Vergangenheit in diese spateren achäischer Amtsjahre sollte umgesetzt haben, ist höchst unwahrscheinlich, schwer denkbai und durchaus unerwiesen. Bei diesen Stücken des 2. Buches, der römischer wie der achäischen Zeittafel, wo es sich um Ereignisse handelt, Ton dener wir sonst nichts wissen, thut man besser, diese Frage gar nicht aufzawerfen 80 lange man nicht ein Mittel hat, sie mit ausreichenden Gründen zu beant Worten, bietet sie nur eine gefährliche Versuchung zu allerlei chronologischei Kunststöcken.

1) In dies. Ztschr. XUl 407, vgl. XXXI 489.

2) Rom. Forsch. II 360 Ânm. Die in manchen Stücken recht Terstindlgi Abhandlung von G. Strebt, Die chronologischen Daten bei Polybios Berlin 1879 schlagt einen Mittelweg ein. Die hier Terkundete Regellosigkeit ist freilicl ein Unding.

ZUR GESCHICHTE DES HELLENISMUS 55

Kenunos starbeo.') In dieser Olympiade und zwar zur Zeit, wo Pjrrhos nach Italien hioOberging, xara ttjv JIvqqov didßaoiv iig itallay, thaten sich die vier Städte Dyme, Patrai, Tritaia und Pharai zu eioem oeueo Bunde zusammen. Da Pyrrbos im FrQh- iiog 280 ▼. Chr. nach Italien hinüberging, so ist das 4. Jabr der 124. Olympiade gemeint, das mit den Olympien, also etwa August 280 T. Chr. zu Ende ging. Dieses Jahr also, 281/0 v. Chr. ist das GrOndungsjahr des achäischen Bundes.

Meta âè %ai%a fiàXiOtà nwç ïtbi TtéfiriTfp^ sagt Polybios weiter, tf^v çqovqùv eußakowec Alyuîç (ÀBzéaxov %f^ç avfi- nohulag, é^ç ai BovQioi %ov Tvgavvov aTcoxfelvavreç, SfÂO èe fovtoiç Kaçvveîç aiioxaiéavrjaav avviôwv yèç ^laéaç o î^ç Kaçvvelaç zôte TVQOvvevwv ixnemwxviav fièv è^ uilytov trpt çgovQQv , ànolutXoja ôè tov Iv zfj Bovqçi fiovaQXOV dià Miçyov mal tcJv Ir^j^aecJy, éavjov ôk nav%axo^Bv oqwv oaov oit ijdrj nokefirj^rjaofievov, aitod'efievog ttjv açx^^ xo^i hxßuv %CL niatà naçà twv L^x^'^ V7C€q r^ç oiaq)aXeiaç nQoai&rjxê ffif néXiv nqoç %o %wv ^Axotiwv avaTtjiaa. Also die Befreiung AigioDs, Buras und Karyneias geschah ungefähr 5 Jahre nach der StiflQog des Bundes, also etwa Olymp. 126, 1 <= 276/5 v. Chr. Zu beachten ist das fiaXiavd nwg; es ist keine ganz genaue Zeit- bestimmung. Polybios fasst, wie es scheint, den Anschluss der drei Städte, der nicht auf einmal, sondern nacheinander erfolgte, unter einem Datum zusammen. Es ist also wohl möglich, dass diese Ereignisse sich noch ins vorhergebende oder nachfolgende Jahr hinein erstreckt haben.

Von den Übrigen achäischen Städten, darunter Pellene, der bedeutendsten von Allen, schweigt Polybios. Dennoch müssen wir annehmen, dass sie bald darnach, vermuthlich durch Pyrrbos (273 V- Chr.) befreit wurden*) und dass bald alle zehn achäischen Städte dem Bunde angehörten.*) Polybios scheint es selbst vorauszusetzen.

1) II 41, 1 und 11, vgl. 11 71, 5, wo es nochmals wiederholt wird. Von Interesse ist, dass aoch der Tod des Keraaoos noch in die 124. Olymp., also ▼or die Olympien von 280 v. Chr. fällt. Eusebios I 235 f. datirt ihn später Olymp. 125, 1. Meine Geschichte der griech. und makedon. Staaten II 15.

2) Meine Geschichte der griech. und makedon. Staaten II 56. 212.

3) Dies muss nolhwendig angenommen werden. Zur Zeit als Sikyon sieb SDschloss, war sicher das benachbarte Pellene achäisch. Ebenso weist die BoDdesverfassung mit den 10 Damiorgen auf die Theilnahme der 10 Stfidte

56 B. NIESE

Er legt hier eine Betrachtung über die Grundsätze der achaischen Bundespolitik ein (c. 42), was darauf deutet, dass nach seiner Meinung ein gewisser Abschluss erreicht war. Er nimmt dann c. 43 die Erzählung mit folgenden Worten wieder auf:

EiKoai fÀév oiv hf] tu nçœra xai ninfre awertoliTeV" aavTo fÂsd'^ iavjwv al nço€iQrjf4ivai ftoleiç ygafifiatia -tloi- vov Ix negiodov nQOXBiQi^àfÀBvai %ai ovo aTçaTtjyovç, fzeta ôè tavra ndkiv eôo^ev avraîç ^va xa&iataveip xai fovttfi niajevBiv vnkq twv okmvj xaï nqwioç biv^b t^ç '^if^fjc Tavttjç Màçyoç ô Kagvvevç.

In den ersten 25 Jahren des Bundes war also, wie der Histo- riker sagt, die Verfassung des Bundes so geordnet, dass ein Schreiber und zwei Strategen die gemeinsamen Geschäfte besorgten.') Es fragt sich zunächst, von welchem Zeitpunkte aus die 25 Jahre ge- rechnet werden, ob von dem zuletzt genannten Jahre der Befreiung Aigions oder von dem Stiftungsjahre des Bundes. Für das erster« entscheidet sich Mommsen, aber mit Unrecht; denn alsdann wUrdeo wir noth wendig zu der Annahme kommen, dass die ersten 5 Jahre des neuen Bundes ohne Verfassung waren, während doch schon die vier ersten Städte sich zu einer Einheit, einem avazrifjta zu- sammengethan halten und also eine gemeinsame Verfassung mit gemeinsamen Beamten nicht entbehren konnten.*) Polybios deutet selbst an, wie er verhtanden sein will, indem er die 25 Jahre als die ersten (rà ngajta), die Anfangsjahre bezeichnet. Also muss man mit den früheren Chronologen') vom Gründungsjahre 281/0 V. Chr. ausgehen: der Beitritt Aigions, Buras und Karyneias ist chronographisch in Parenthese gesetzt und vielleicht aus diesem Grunde, wie erwähnt, minder genau bestimmt worden. Diese An- nahme hat um so weniger Bedenken, als ja Polybios hier seine

hin. Zu irgend einer Zeit vor 255 v. Chr. müssen also die drei von Polybios übergangenen Orle beigetreten sein.

1) Die Voranstellung des Schreibers könnte wohl zur Annahme führen, dass er der wichtigste Beamte oder wenigstens der Eponymos gewesen sei.

2) Im anderen Falle hätte Polybios c. 41 § 13 unmöglich sagen können AtyiBlQ ßuteuxor r^s avfinoXêXslas und § 15 Tt^acéâ^jxe rtjv nohv n^i %6 TCLV Itéxauvr üvartifia. Dass die vier Städte nicht wie die späteren Achaer eine Bundessäuie (mi^k^) errichtet hatten 12), ist nebensächlich.

3) Clinton Fasti Helleniei II 240.

ZUR GESCHICHTE DES HELLENISMUS 57

EnflhloDg durch die erwähole Einlage unterbrochen hat und mit c 43 gleichsam neu anhebt.^)

Ferner sind die 25 Jahre der alten Verfassung zu rechnen mit Ausschluss des Gründungsjahres; es sind volle 25 Jahre, die zwischen dem Jahre der Gründung und dem nächsten Ereignisse liegen, erst nach ihrem Ablaufe, fietà de ravta sagt Poiybios, ward die Verfassungsänderung beschlossen. Gerade so ist der Histo- rilier in der gleichartigen Uebersicht der gallischen Kriege verfahren ; hier werden einmal 13« dann 30, dann 45 Friedensjahre so ge- rechoet, dass zwischen dem letzterwähnten und dem zuerst nach- folgenden Ereignisse 13 « 30 oder 45 volle Jahre einzulegen sind und jene Ereignisse einen Abstand von 14, 31 und 46 Jahren haben. Und wie hier das Jahr der Stiftung des Bundes, so rechnet Poiybios dort einen Friedenschluss als ganzes Jahr, das in die Dauer des Friedenszustandes nicht eingerechnet wird.*) Gewiss miUB zugegeben werden, dass die Worte des Poiybios an sich wohl gestatten, das Jahr der Gründung in die 25 Jahre mit einzube- greifen, aber die Rücksicht auf die Gesammtrechnung nöthigt uns es auszuschliessen und die Analogie der gallischen Chronologie he- rechtigt vollauf dazu. Ueberdies darf ohne Bedenken angenommen werden, dass der Bund und seine Verfassung erst mit dem auf die Stifloog folgenden Jahre, mit der Wahl der gemeinsamen Beamten U.S.W. in Kraft trat, so dass Olymp. 125, 1 (280/79 v. Chr.) mit Recht als erstes gerechnet werden konnte.

Die 25 Jahre sind also die Jahre von Olymp. 125, 1 131, 1 H 280/79— 256/5 v. Chr.), und erst im Jahre darnach Olymp. 131,2

t) Strabo Vni 385, der den Poiybios aasgeschrieben hat, giebt an dieser Stelle nor 20, nicht 25 Jahre. Aber dies ist Versehen oder Gorroptel and M Dicht SU Gunsten irgend einer Rechnung geltend gemacht werden. Es wördeja eher der meinigen zu Gute kommen.

2) Polyb. II 18, 9: ànb rovrav rov tpoßov r^taxaiSena fièv ëirj %^v fffrtxiw Dr^or, finà 9i ravra üwo^rres ctviavofidptjv vrjv 'T-tOfidletv 3v* '^/uy ücrirriv inottiüa^ro KOti aw&^nas, iv als tirj r^idxovra fisivavrsc ^fiJtîim^ av&iS mX, II 21, 1: Palârai J' in ra^v nQ99t^fUvtov iXazrah- !^9tv Hrj fiàv nêtfTê nai mra^anovra rrjv tjOvxiO'V iüxov ii(f^vtjv ayavras n^i p^fuiiavç, inêl 8* uxL Vgl. diese Ztschr. XIII 404. 408 fT. Die 13 und ^ Friedenjtjahre rechnet Mommseo Rom. Forsch. II 361 f. 364 ebenfalls voll; ^^^ Priedensschloss will er mit in die 30 Jahfe des Friedens einrechnen. Dass *^r meine Rechnung das Richtige trifft, wird eben dadurch gezeigt, dass l^oiybios den Fiiedensschluss neben den Frieden^ahren besonders aufführt

58 B. NIESE

(255/4 V. Chr.) erfolgte der Beschluss, die Verfassung zu andero uud jährlich einen Strategen zu bestellen. Beiläuflg bemerkt, wenn man den Polybios genau nehmen wollte, so mOsste dieser Be- schluss noch unter der Herrschaft der alten Verfassung ergangen sein, woraus sich ergeben wQrde, dass Hargos erst im nächsten Jahre 254/3 v. Chr. die Strategie verwaltet hätte. Doch dürfen wohl die Werte des Schriftstellers nicht allzu sehr gepresst werden.

Er fôhrt nun fort: TeraQTq} d' varegov ezei %ov fcçoeiçt]- piévov avQavriyovvToç *ldQa%og 6 2ixvüjvioc, ^ttj piiv ixwv ef- xoai, Tvçavvovfxévrjv d' iXev&eQuiaac Trjv natgiaa dia Tr;ç aQBTijç T^ç iavvov xaï T6XfÀr]ç, nQoaevBipiB tcqoç Ttjv %wv ^Axatiâv noXitelav, açx^&ev evdvç içaoTrig yêvofÂevoç 'njç nçoaiQéaewç avTùiv. Das vierte Jahr nach der Verfassungsänderung ist Olymp. 132, 2 ^ 251/0 v. Chr. In diesem Jahre ward also Sikyon achäisch.

Als nächster und letzter Punkt folgt die Befreiung Korinths: oydoq) de Ttaliv erei aTQaTtjyog alçe&eiç tc devreçov . . . KoQiv&iovç TCQoatjyàyeTo n^oç Trjv twv ^A%aiu}v noXirelctv^ inl de ttjç avTfjÇ àçx^ç xai zfjv twv Meyaçéwv nokiv dia-- TiQa^afievoç ngoaéveifie %oîg 'jixoioîç. %av%a %* èylvsTO tip nçàvsQov Mrei Trjç KaQxrjôovltuv rjrTrjç, iv Jj xad^oXov Sixe- kiaç èiiX(OQ¥}aavTeç vrcéfisivav zote q)OQovç èveyiuiv ^PùifÀoloig* Acht Jahre nach Olymp. 132, 2 bringen uns auf Olymp. 134, 2 ^^ 243/2 V. Chr. Dies ist zugleich das Jahr vor der Schlacht bei den ägatischen Inseln, die, was von Niemandem bestritten wird, mit dem Olympiadenjahr 134, 4 b= 242/1 v. Chr. zusammenfallt. Heine hier vorgetragene Rechnung stimmt genau im Anfang, wie im End- punkte, und dies ist, wie ich glaube, eine gute Bürgschaft fttr ihre Richtigkeit.

Die Chronologie des Polybios lässt sich also durch folgende Tabelle ausdrücken:

Olymp. 124, 4 = 281/0 v. Chr. Vereinigung der vier Städte und

Stiftung des Bundes. 126, 1 = 276/5 Etwa 5 Jahre später Beitritt von

Aigion, Bura und Karyneia.

: m. 1 = Sr fchr.}^» "^ -«• »"" '•""•"»«• 131, 2 255/4 Verfassungsänderung und Wahl

eines einzigen Strategen.

ZUR GESCHICHTE DES HELLENISMUS 59

Olymp. 132, 2 =- 251/0

T. Chr. 4 Jahre später Beitritt Sikyoas.

, 134,2 = 243/2

8 Jahre spater Befreiung Korinths,

ein Jahr vor

, 134,3 = 242/1

der Schlacht bei den agatischen

Inseln.«)

1) Wenn man mit Mommsen n. a. bei den Ordinalzahlen beide Endpunkte <ler Rechoong einschliesst, so erhält man folgende Tabelle:

Begründung des Bundes 281/0 v. Chr.

Dauer der ersten Verfassung 25 Jahre bis 256/5

Darnach Verfassungsänderung 255/4 ,

3 Jahre (ihei ttxâçnctg) später Beitritt Sikyons 252/1 , 7 Jahre {izBi oy86<p) später Befreiung Korinths 245/4 « 6ei Eiorecbnung der 4 Jahre (iVa« ni/inxip) bis zum Beitritt Âigions (oben S. 55) geben alle Jahreszahlen um vier Stellen herab und kommt also die Be- freioog Korinths auf 241/0 v. Chr. Beides giebt ein unmögliches Ergebnis». Ebenso, wenn man umgekehrt von der Befreiung Korinths zurûckrechnet. Man kommt dann für die Gründung des Bundes entweder auf 279/8 oder bei Ein- recboQog jener 4 Jahre auf 283/2 v. Chr. Letzteres war ungefähr der Ansatz Lärchen, stimmt aber nicht mit Polybios. Zwar ist es noch die 124. Olym- piide, aber nicht mehr die Zeit, wo Pyrrhos gen italien zog. Die Tafel Mommiens (Rom. Forsch. 11 360 Aom.) ist etwas anderes construirt; er rechnet DinÜcb folgendennaassen: 2S1/0 Ol. 124, 4 Vereinigung der vier Städte. 277/6 , 125, 4 Zutritt von Aigion u. s. w.

253/2 131» 4 Nach 25 jährigem BQndniss Wahl des ersten Bundesfeldherrn. 250/1 . 132, 3 Beitritt Sikyons. 243/3 , 134, 2 Befreiung Korinths.

I^r Polybische Rahmen ist bei dieser Rechnung gut ausgefüllt, aber nur da- dareb, dass Mommsen die erwähnten 25 Jahre auf 23 verkürzt hat. Er hat ofieobar die BiMOOe kxri xal nivTB des Polybios so behandelt, als wenn es Ordioaliablen wären und auch das folgende /ma Tavxa nicht beachtet. Da- mit ist er nicht nur mit Polybios , sondern auch mit seiner eigenen früheren Reebooog in Widerspruch gerathen; denn bei den gallischen Kriegen hat er •0 den betreffenden Stellen die Jahre des Polybios richtig voilgezählt (Rom. Forecb. n 361 f. 364). Clinton FomU Helleniei II 240 f. giebt folgende Zeittafel: Stiftung des Bundes 280 v. Chr.

Zutritt Aigions u. s. w. 21t

Erste Strategie des Margos 255

Sikyons Beitritt 251

Korinths Befreiung 243

Schlacht bei den agatischen Inseln 242 I^>YOQ weicht die Meinige nur an der ersten Stelle ab. Clinton hat hier gegen ^9 wiederholte Zeugniss des Polybios den Anfang des Bundes nicht auf ^^ynp. 124» 4, sondern auf 125, 1 gesetzt. Wie Clinton hat übrigens schon Wer Bayer {opusc. p. 298 ff.) gerechnet.

60 B. NIESE

2. Die Zeit der Schlacht bei Sellasia.

Es hat lange Zeit als feststehend gegolten, dass die Schlachl bei Sellasia im Jahre 221 v. Chr. geschlagen worden sei. Dies hat SchOmann in der Vorrede zur Ausgabe des Plularchischen Agis und Kleomenes zu erweisen gesucht ; ?ön ihm hat Droysen es an- genommen, und so ist es auf die späteren, soviel icn sehe, ziemlich ohne Ausnahme übergegangen.^) Jedoch die älteren, z. B. fiiansc und Chnton, haben sie ius Jahr 222 v. Chr. gesetzt und haben Recht daran gethan; denn wenn etwas, so kann dies mit Sicherheit erwiesen werden, dass die Schlacht nicht 221, sondern 222 v. Chr. geschlagen worden ist.')

So bezeugt erstlich Polybios. Er berichtet, dass die Sper> taner um das Frühjahr 219 ▼. Chr. (Olymp. 140, 1), als die Nach- richt vom Tode des Kleomenes eintraf,") zur Wahl neuer Könige schritten, nachdem sie seit der Flucht des Kleomenes beinahe 3 Jahre lang (ax^aov rfit] tçéiç èviavrovg) ohne Könige gelebt hatten.^) Dies ist ein ganz unzweideutiger Ausdruck, der nur einerlei Auslegung zulässt.*) Es müssen damals seit der Schlacht

1) Plutarchi Agit et Cleomenet p. XXXVlll. Auch Sctiora Geschidite Griechenlands S. 134 setzt die Schlacht in den Sommer 221 t. Chr. Ebenso Max Klatt Forschungen zur Geschichte des achaischen Bandes I 63 f. s

2) Manso Sparta III 300. Clinton Fasti Hellßnici III u. d. J. 222 v. Chr. Ich habe schon früher in Sybels histor. Ztschr. N. F. IX 489 und in meiaer Geschichte der griech. und makedon. Staaten II 307 A. 5 dieselbe Anaidit ausgesprochen und kurz begründet.

3) Kleomenes starb etw)i im Winter 220/19 v. Chr. Meine Geschichte der griech. oqd makedon. Staaten II 364 A. 1.

4) Poiyb. IV 35, 8.

5) Freilich nach Schorn S. 134 A. 3 sind die 3 Jahre des Polybios eigent- lich nur zwei. Polybios, meint er, rede von 3 Jahren, weil seitdem drei olympische Jahre, nämlich 139, 3, 139, 4 und 140, 1 beinahe verlaufen waren; die Schlacht müsse daher noch 139, 3 vorgefallen sein. Dies ist nur eine Verschleierung einer ungenauen Rechnung. Es ist nicht richtig, dass seitdem, d. h. seit der Schlacht bei Sellasia drei olympische Jahre verlaufen waren. Nach Schorns Rechnung würden zwei Ereignisse, die nur 1 Jahr und einigt Tage auseinanderliegen, ebenso gut beinahe 3 Jahre von einander entfemi sein können. Auch Manso Sparta III 266 behandelt die Stelle nicht richtig Er setzt den Tod des Kleomenes irrig Olymp. 139, 4, 1 Jahr zu früh; wie ei dazu gekommen ist, ist mir unklar; denn hier lisst Polybios nicht den ge ringsten Zweifel. Schümann {Plutarchi Agit et Cieomenet p. LHI) nimmt ao Polybios habe absichtlich 1 Jahr zu viel gezahlt; diese Meinung braucht nich widerlegt zu werden.

ZUR GESCHICHTE DES HELLENISMUS 61

bei Sellasia und der Flucht des Kleomenes mehr als 2 Jahre Ter- gangen seio, und da wir wissen, dass die Schlacht im Sommer geschlagen ward/) so muss es der Sommer 222 v. Chr. gewesen sein.

Bekanntlich entfloh nach der Schlacht Kleomenes zu Ptole- oiaios ÜL Ton Aegypten, der ihn freundlich aufnahm und bei dem er Doch eine Zeit lang lebte.*) Nun kann erwiesen werden , dass Ptolemaios im Sommer 221 v. Chr., wo man die Schlacht bei Sei- lasia ansetzen will, bereits gestorben war, dass also, wenn das Datum richtig ware, Kleomenes den Ptolemaios UL nicht hätte iebcDd antreffen können.

Denn Ptolemaios IlL starb, dies folgt aus dem Kanon der KODJge, in dem ägyptischen Jahre, das vom 18. October 222 bis mm 17. October 221 t. Chr. lief, und zwar wahrscheinlich im Winter, jedenfalls Tor dem Sommer 221 v. Chr.*) Er war schon todt and sein Nachfolger Ptolemaios IV. sass schon auf dem Throne, als Antiochos UL seinen ersten Angriff auf Colesyrien ins Werk letite. Der Plan zu diesem Angriffe ward gefasst, als Ptolemaios IIL gestorben war; nach einigen Erwägungen und nachdem Antiochos vorher seine Vermählung gefeiert hatte, kam das Unternehmen noch ia der sommerlichen Jahreszeit 221 v. Chr. zur Ausftlhrung, wie die ausführlichere Erzählung des Polybios lehrt.^) Es ist klar, dass damals Ptolemaios HL schon geraume Zeit todt war.

Zur Bei'tätigung dient endlich, was wir (]ber das Lebensende desAotigonos Doson hOren. Er blieb nach der Schlacht bei Sel- Ittia noch eine kurze Zeit im Peloponnes, wohnte den nemeischen

1) Polyb. 11 65, 1 Tov d'élevé àt^iffraftévov ktX,

2) Plutarch Chom. 33. Polyb. V 35, 1.

3) Clinton FasH Uelienici 111 382. Slrack, die Dynastie der Ptole- n«rl82. '

4) Polyb. V 42 46. Die Zeit dieses Feldzuges ist sicher. Antiochos MKte den Angriff auf Colesyrien bald wieder aufgeben , um sich gegen den aUrlonigen Molon lu wenden. Nach Ueberwindung mancher Schwierigkeiten setEte er sich nach Osten in Bewegung. Mitte Winters, um die Sonnenwende, slso gegen Neiûahr 220 ▼. Chr. war er in Antiochien in Mygdonien (Nisibis), wo er sich eine Zeitlang aufhielt Polyb. V 51, 1. Er muss also schon im Heftete 221 Colesyrien wieder geriumt haben. Dann folgt der Feldzug gegen üoloo, von dem er gegen Ende Sommers 220 v. Chr. nach Syrien zurück- kehrte (Polyb. y 57, 1), am alsdann im nSchsten Frühjahr 219 (Polyb. V 58, 2) 4eo zweiten Krieg in Colesyrien zu beginnen, der nach 2 Jahren mit der Scàiacht bei Raphia, die mit der trasimenischen Schlacht gleichzeitig ist, 217 «*. Gfar. seinen Abschlnss fand.

62 B. NIESE

Spielen bei, eilte dann nach MakedoDien zurOck und besiegte die eiDgedniDgenen IHyrier in einer Feldschlacbt. In Folge der An- strenguDgen des Kampfes ward er von einem Blutsturz befallen und starb nicht lange darnach an der Schwindsucht, etwa October 22t V. Chr.^) Aus den Berichten geht aber hervor, dass seine Krankheit nicht ganz kurz dauerte; ehe er starb, schickte er sein MOndel, den zukünftigen König Philippos, in den Peloponnes, wo er sich unter Arats Leitung den hellenischen VerbOndeten zeigte. Als Philippos nach Makedonien zurQckkehrte, muss Antigonos noch gelebt haben.') Dies fahrt darauf, dass zwischen der Schlacht bei Sellasia und seinem Tode ein längerer Zwischenraum liegt. Die wenigen, drei oder vier Monate, die zur Verfügung stehen, wenn wir die Schlacht bei Sellasia im Juli oder August 221 v. Chr. ge> schlagen sein lassen, reichen kaum aus. Auch dies spricht für das Jahr 222 v. Chr.

Das einzige, was für Schümanns Datirung angeführt werden kann,*) sind die Nemeen, die bald nach der Schlacht bei Sellasia in Gegenwart des Antigonos gefeiert wurden. Nun scheint sich aus den vorhandenen Nachrichten in der That zu ergeben, dass jenes Fest alle zwei Jahre etwa im Monat August, immer ein Jahr vor und nach den Olympien, also in den ungeraden Ziffern der vorchrist- lichen Jahresreihe, gehalten zu werden pflegte.^} Darnach konnten

1) Polyb. II 70, 4 ff. Antigonos starb späler als Ptolemaios UI, Polyb. V 35, 2. Plntarch Cleom. 23 f. Die Chronographen geben ihm 9 Jahre. Sein Nachfolger Philippos sass schon im Frühling 220 v. Chr. auf dem Throne. Nach Ensebios chron. \ 243 dauert die Regierong Philipps in Thessalien bia zur Schlacht bei Kynoskephalai (Frûhsommer 197 v. Chr.) 23 Jahre 9 Monate, was darauf hinführt, dass er etwa im October 221 v. Chr. die Herrschaft antrat. Vgl. Maoso III 280 ff. Clinton [Fatti Helleniei III 297. Eusebius chron. I 239.

2) Plutarch /trat. 46.

3) Wenn Schömaon Phitarehi Agis et Cleomenet praef. XXXVllI be- hauptet, es sei ausgemacht, dass die Schlacht zur Zeit der Strategie des Ti- moxenos stattgefunden habe {quo praetore ad Sellatiam pugnatutn esse üon- stat)^ der als Arats Vorgänger vom Frühjahr 221 bis zum Frühjahr 220 im Amte war, so ist das ein Irrtbum. Die angezogenen Stellen Polyb. IV 4 and 7. Plutarch Arat, 47, beweisen zwar, dass Timoxenos Arats Vorgiogei war und im erwähnten Jahre 221/20 v. Chr. Olymp. 139, 4 die Strategie ver- waltete, dass aber unter ihm die Schlacht geliefert ward, wird nirgendwc bezeugt.

4) J. G. Droysen in dies. Ztschr. XIV Iff. G. F. Unger SitzungsberichU der Mönchener Akad. Philos. Philol. Hist. Cl. 1879 S. 164 f. Stengel griech

ZUR GESCHICHTE DES HELLENISMUS 63

also 222 ▼. Cbr. keine Nemeeo gefeiert worden sein, und dies ist der Grund, weshalb ScbOmann^) das Jahr 221 t. Cbr. wählte, ein Grund, der auch, namentlich in Ermangelung besserer Zeugnisse» ao sieb nicht zu Terachten ist, aber in diesem Falle nichts be- deutet, denn die Nachrichten Ober die Nemeen sind ebenso dürftig ood unsicher, wie die Zeugnisse, welche die Schlacht bei Sellasia ins Jahr 222 v. Chr. verweisen, klar und unzweideutig. Diese Zeugnisse sind auch für die Nemeen maassgebend : durch sie steht fest, dass gegen die Regel das Fest im Jahre 222 v. Chr. nach der Sehlacht bei Sellasia gehalten wurde. Es ist also wahrscheinlich des Krieges wegen von seinem gewöhnlichen Platze verlegt worden. Aehnlich geschah es 195 v. Chr., wo die Nemeen aus ahnlichem Grunde nicht zur rechten Zeit stattfinden konnten und daher von den Argifern erst auf die Ankunft des Titus Flamininus angesagt wur- den.^ Wir halten damit zusammen, was Polybios*) berichtet, dass nämlich nach dem Ende des Bundesgenossenkrieges die Pelopon- nesier daran gingen, ihre Opfer und Festversammlungen, die in den langen Kriegszeiten vernachlässigt waren, wieder herzustellen. Nichts ist wahrscheinlicher, als dass auch die Nemeen unter den Kriegen gelitten hatten und ihre gesetzliche Zeit nicht innehalteli konnten. Ebenso kann das zunächst vorangegangene Fest, bei dem Kleomenes Argos eroberte , nicht zur normalen Zeit gehalten worden sein, sondern muss im Frühjahr 224 v. Chr. stattgefunden bal)en.^

KoJtonlterthümer 2. Aofl. S. 191. So ist bezeugt, dass in den Jahren 217 ood 209 V. Chr. Nemeen gehalten wurden. Polyb. V 101, 5. Liv. XXVIF 30, 9.

1) Dnd vorher schon Gorsini dissert, agon. III § 6.

2) LiT. XXXI V 41.

3) V 106.

4) Plutarch Cleom, 17. Zwischen diesen Nemeen und der Ankunft des Antigooos am Isthroos liegen folgende Ereignisse: der Abfall von Korinth, Epidaoros, Troizen und Hermion, Unterhandlungen zwischen Aratos und Kleo- ■ocoes, endlich der Angriff auf Sikyon und die dreimonatliche Einschliessung dicter StadL Man wird also die Nemeen mindestens vier Monate vor die Aokooft der Makedonier zu setzen haben, und da diese spätestens zu Anfang ^M Herbstes erfolgte, so muss das Fest spätestens Anfang Juni gefeiert sein. Also iQch dann, wenn man es ins Jahr 223 v. Chr. setzt, liegt es nicht in der oormalen Zeit; denn unter keinen Umständen kann es etwa in den August gefallen sein. Schömann a. a. 0. XLVni nimmt hier Winternemeen an ; ob es *^ diese wirklich gegeben habe, ist sehr zweifelhaft; denn die Winter- ocoieen sind vielleicht erst von Hadrian gestiftet. Auch wird man bei un-

64 B. NIESE

Wenn die Schlacht bei Sellasia auf 222 v. Chr. zu aetzeo iai 80 mdsseo auch die vorangehendeD Ereignisse um ein Jahr hioaal gerockt werden. Antigonos Doson erschien zwei Jahre früher ii Peloponnes; wir wissen aus Polybios, dass er zweimal dort Obei wintert hat. Also fällt seine Ankunft 224, der zweite Feldzof wo er Tegea, Orchomenos und Mantineia nahin, endlich die Uebei rumpelung von Megalopolis durch Kleomenes 223 ▼. Chr.') Mi dieser Rechnung stimmt nun vollkommen überein, was wir dure die Reihenfolge der achäischen Strategen über die früheren Er eignisse des kleomenischen Krieges und ihre Zeit wissen; nkli geringe Schwierigkeiten werden durch die richtige Datirung de Schlacht bei Sellasia vermieden.

Die achäische Strategenreihe ist seit der Befreiung Korinth 243/2 V. Chr. ziemlich vollständig. In diesem Jahre war Arata zum zweiten Mal Stratege) und pflegte seitdem immer ein Jahr un das andere das höchste Amt zu verwalten.') Seit dem Beitritt der Megalopoliten wechselte mit ihm Lydiadas und brachte es au drei Strategien.^) Ferner gleich nachdem König Demetrios ge siorben war, und zwar während Lydiadas Strateg war, schloss siel Argos den Achäern an, das war also etwa im Frühjahr 229 v. Chr.* Im folgenden Jahre, also für 228/7 v. Chr., ward Aristomachos, dei frühere Herrscher von Argos zum Bundesfeldherrn gewählt.*) Unte ihm war der Krieg gegen Kleomenes schon im Gange; im vorher gehenden Amtsjahr Arats, also 229/8 v. Chr., waren die ersten Feind Seligkeiten vorgefallen und der Krieg von den Achäern beschlossen.* Aristomachos führte das achäische Heer gegen den Feind und hatl mit Kleomenes eine Begegnung bei Pallantion, wo es jedoch nich

befangener Betrachtung die Eroberung von Argos und was sich daran an knflpft, kann in die Winterzeit setzen dürfen. Plutarch Oleom, 19 f. jirai, 40 I Meine Geschichte der griech. und makedon. Staaten II 329.

1) Polyb. n 54, 5. 13 f. 55, 1 ff. Meine Geschichte II 338 ff.

2) Polyb. II 43, 4 oben S. 58.

3) Plutarch yérat. 24. 35. 38. Cleom, 15. Seine erste Strategie ist wahr scheinlich ebenso darnach zu bestimmen und wird ins Jahr 245/4 v. Chr. fallec

4) Plutarch yirat 35.

5) Polyb. II 44, 3 ff. Plutarch yérat 35. Demetrios starb Olymp. 137, 2 wohl im Winter 230/29 v. Chr. Meine Geschichte der griech. and makedon Staaten i; z86.

6) Plutarch Ârat. 35.

7) Plutarch Chom. 4. Polyb. U 46.

^ ZDR GESCHICHTE DES HELLENISMUS 65

wn ScbbgeD kam.') For das nächste Jahr, also 227/6 v. Chr., bewarb sich Lydiadas um die Strategie, aber Tergebens, Aratos ward gewählt.^ Id dieser Strategie Arats wurden die Treffen am LjkaioD und bei Ladokeia geliefert; in letzterem fiel Lydiadas,') der also wahrend des kleomenischen Krieges das Strategenamt nicht bekleidet hat.

Aus diesen Nachrichten ergiebt sich, wie man schon langst erbnot haV) ohne Schwierigkeit folgende Jahresreihe, wobei ich bemerke, dass die achäischen Strategen damals um die Zeit des Aufgangs der Pleiaden, also im FrOhjahr, etwa im Mai, ihr Amt aolraleD.*)

243/4 T. Chr. Aratos zum zweiten Male Strateg, befreit Korinth.

242/1 Unbekannt.

241/0 Aratos lU.

240/39 Unbekannt.

239/8 Aratos IV.

238/7 Unbekannt.

237/6 Aratos V.

236/5 Unbekannt.

235/4 ri Aratos VL Befreiung der Megalopoliten.

234/3 Lydiadas.

233/2 Aratos VII.

1) Platarch j4rat 35. Oleom. 4.

2) Plutarch jérat 35 a. E., wo es heisst to Smdétarov i^êd^ cr^arr^yoc. £s war io Wahrheit nicht die 12., sondern die 10. Strategie Arats, und Piass IHe Tyrannis II 158 hat wohl recht, wenn er bei Platarch to déxarov her- «teilt Vgl. Rlatt Beiträge zur Geschichte des ach. Bundes 1 124.

3) Platarch Ârat 36.

4) Die Siteren, zum Theil noch fehlerhaften Rechnungen bei Bayer fasti Jtkaiei {Opuseuia ed. Klotz 269 ff.). Ferner Manso Sparta HI 259 ff. Schö- Bioo Ptutarehi jégis et Cleomenet praef. XLVfi. Plass Die Tyrannis 11 159. MsxKlatt Forschungen zur Geschichte des achiischen Bundes 1 40 ff. 81 ff. und die übrigen von Klatt citirten Schriftsteller.

5) Polyb. lY 37, 2. V 1, 1. Diese Angabe gilt zwar streng genommen nur ffir die Zeit des Bundesgenossenkrieges, aber es ist sehr wahrscheinlich, ^81 dieselbe Ordnung schon seil Langem bestand. Der Antrittstermin war sttärlich an einen bestimmten Monat und Tag des achäischen Kalenders geknüpft SBd wird also im Verhältnisse zum Sonnenjahr um die übliche Zeit, etwa eiocD Monat geschwankt haben; denn das achäische Jahr hatte, wie alle grie- tischen, 12 Monate von 29 oder 30 Tagen mit einem periodischen Schalt- aooit

HouiXZXY. 5

66 B. NIESE

232/1 ▼• Chr. Lydiadas IL

231/0 Aratos Vlll.

230/29 ^ Lydiadas HL Beitritt tod Argoa.

229/8 ^ Aratos IX. Besetzung des Athenaion^ erste Feind- seligkeiten mit Kleomenes.

228/7 Aristomacbos. Begegnung bei Pallantion.

227/6 Aratos X. Schlacht am Lykaion und bei Lado- keia, Tod des Lydiadas.

Auch die folgenden Strategen werden bestimmt Oberliefert Es sind

226/5 Hyperbatas^ der von Kleomenes bei Dyme besiegt ward.*)

225/4 Timoxenos. Er ward gewählt, nachdem Aratos, der nach der langjährigen Praxis an der Reihe gewesen wäre, abgelehnt hatte.*)

Diese wohlbeglaubigte Strategenreihe steht, wie man sieht, mit der ermittelten Zeit der Schlacht bei Sellasia in bestem Einklänge. An die zuletzt erwähnte Strategie des Timoxenos Ton 225/4 t. Chr. schliesst sich die Ankunft des Antigonos an; denn in das Jahr des Timoxenos fallen wenigstens zum grOssten Theil die auf die Schlacht bei Dyme folgenden und der Ankunft des Königs unmittelbar Toran- gehenden Ereignisse, zunächst die Unterhandlungen mit Kleomenes, die übrigens gewiss schon vorher unter Hyperbatas begonnen hatten,') ihr Abbruch, der neue Angriff des Kleomenes und die äusserste Bedrängniss der Achäer, der erst die makedonische HQlfe ein Ende setzte.

Freilich machen die achäischen Strategen dieser Zeit eine ge- wisse Schwierigkeit. Als der Krieg mit Kleomenes wieder ange- gangen war, entstanden zu Gunsten des spartanischen Königs unter den Achäern, besonders in Sikyon und Korinth allerlei Bewegungen. Um diese zu unterdrücken, empfing Aratos vom Bunde eine ausser- ordentliche Vollmacht/) In Ausübung dieses Amtes wird er von Polybios*) Strateg genannt. Kurz darauf, nachdem Argos, Korinth

1) Piutarch Cleom. 14.

2) Plolarch Ârat. 38. Cleom. 15.

3) Plutarch ^rat. 39. Cleom, 15. Gleich nach der Niederlage am Heka- toiiibaioo.

4) Plutarch ^rat. i^ovaiav awnBid'vwov kaßciy,

5) II 52, 3.

ZDR GESCHICHTE DES HELLENISMUS 67

und andere SUidte io die Hand des KleomeDes gefallen waren, ward er TOD den in Sikyon versammelten Achaern zum bevollmächtigten Strategen {aTçatrjyoç avtoxQdrwQ) gewählt^) und brachte nun das BODdaiss mit Makedonien zum Abschluss. Einige Zeit später dann, als Aotigonos schon am Isthmos lag , wird Timoxenos als Strateg bezeichnet.*) Es scheint also, dass Aratos und Timoxenos gleich- zeitig das höchste Amt inne gehabt haben.

Diese Schwierigkeiten lassen sich, wie ich glaube, leicht heben. Weoo die Achäer dem Aratos jenes ausserordentliche Amt tlber- trugen, so scheint es zu beweisen, dass er damals nicht Bundes- feldberr war, dass also Timoxenos sich noch im Amte befand. Die Bezeichnung Stratege, die ihm bei dieser Gelegenheit Polybios') giebtf ist wohl eine kleine Ungenauigkeit, die sich aus der Kürze der polybianischen Darstellung und der Schwierigkeit einer ganz angemessenen Bezeichnung leicht erklärt.^) Später erfolgte in Si- kyon die Wahl Arals zum Bundesfeldherrn , und zwar ist damit ohne Zweifel die ordentliche Strategie von 224/3 v. Chr. gemeint. Als solcher erhielt Aratos mit Rücksicht auf die bedrohliche Zeitlage grossere Vollmachten, besonders für die Unterhandlungen mit Anti- goDos. Als nun das Abkommen geschlossen war, ging Aratos dem aarOckenden Aotigonos entgegen und blieb zunächst im make- donischen Hauptquartier.*) Für die Dauer seiner Abwesenheit scheint nun Timoxenos als gewesener Strateg die Functionen des Strategen wieder übernommen zu haben, ähnlich, wie bekanntlich, wenn der Stratege starb, nach der achäischen Verfassung der nächste Vor- gänger an seine Stelle trat«*) So erklärt es sich, dass Timoxenos hei der Wiedereroberung von Argos Strateg der Achäer genannt wird. Man kann gewiss auch andere Erklärungen versuchen; mir scheint die vorgetragene die einfachste zu sein; auf jeden Fall kann es nicht Wunder nehmen, wenn in der Noth des Krieges, wo der achäische Bund fast ganz aus den Fugen ging, ausser- ordentliche Maassnahmen getroffen wurden, die in der Verfassung nicht vorgesehen waren.

1) Platarch j4rat. 41.

2) Polyb. II 53, 1 oi 9* ^Axauki fàttà Ttfwiivov tov crçarrjyotf xard-

3) II 52, 3 rtp fiir *4çàr(p ar^artiyovvr*,

4) SchômaDO a. a. 0. S. XLVIII.

5) Plutorch Ârat 43 f.

6) Polyb. XXXIX 8.

68 B. NIESE

Für die verechiedeneD UDterhandluDgen » wie für die neuen Kriegserei^isse bieten die Jahre 225 und 224 bis lur Ankunft des Antigonos ToUkommen ausreichenden und doch nicht über- mässig viel Platz. Dagegen die bisherige Zeitrechnung, welche den Antigonos erst 223 ▼. Chr. im Peloponnes erscheinen liess, hatte mit den grOssten Schwierigkeiten zu kftmpfen, um die drei Jahre zwischen der Schlacht am Hekatombaion (226 t. Chr.) und dem Eintreffen des Antigonos auszufüllen, wozu die Ereignisse schlechter- dings nicht ausreichen. Man musste dazu entweder den Anfang des Krieges, die Besetzung des Athenaion durch Kleomenes, gegen die Qberlieferte Strategenliste ins Jahr 228/7 ▼. Chr. herabrOcken oder die Ereignisse in ungebohrlicher Weise auseinandernehen. Ersteres versucht SchOmann,') letzteres ist z. B. bei Klatt der Fall, der im Uebrigen die einschlägigen chronologischen Fragen verständig und zutreffend behandelt hat; bei ihm*) nehmen die ersten Unter- handlungen der Achäer mit Kleomenes ein ganzes Jahr in Anspruch. Alle diese Schwierigkeiten sind mit einem Schlage verschwunden, wenn man sich entschliesst, der gut beglaubigten UeberUeferung zu folgen und die Schlacht bei Sellasia ins Jahr 222 v. Chr. setzen.

Mit dieser Zeitrechnung stimmen auch die sonstigen Andeu- tungen überein, zunächst dasjenige, was wir aus dem Leben Pbilo- poimens wissen. Philopoimen starb 70 jährig im Jahre 183 v. Chr.,*) war also 253 v. Chr. geboren. Er zeichnete sich zuerst bei der Uebermmpelung von Megalopolis durch Kleomenes aus, die in den Herbst vor der Schlacht bei Sellasia ßillt, und zwar war er damals 30 Jahre alt.^) Dies passt vollkommen zu der als richtig ermit- telten Zeitrechnung, nach der Megalopolis im Herbste 223 v. Chr. von Kleomenes erobert ward.*)

Ebenso passt dasjenige, was Polybios uns von der Eroberung

1) Schömaon a. a. 0. S. UV. Er setzt die Strategie des Aristomachos ins Jahr 227 v. Chr.

2) Beiträge zar Geschichte des achäischen Bondes I 91.

3) Polyb. XXIII 12. Liv. XXXIX 49, 3.

4) Plutarch Philop, 5 î^Bri 8* airov rçtâxopra iFnj yeyovôroç teti^ womit Polybios a. a. 0. übereinstimmt, wo es heisst, dass er bei seinem Tode seinem Vaterlande 40 Jahre lang in hervorragender Stellung gedient habe.

5) Hierauf hat schon H. Dodwell aufmerksam gemacht, wie ich aoa der Polemik bei Gorsini dUterU agonist (S. 83 der Leipziger Aasgabe) entnehme.

ZUR GESCHICHTE DES HELLENISMUS 69

▼OB Mantineia durch die Achäer berichtet. Er sagt*): y%yov6%%q i" in\ foiavTtiç fCQoaiQéaeùfÇ xai fieréxovteç rrjç ^axêdaifiovlw Ttoksttttç ïrei retaçtip nçovegov T17Ç l/ivviyovov naçovataç iaUêoav xavâ xQoctoç vno tûv ^A%ai(âv ^Aqûxov ftça^ixonMJ^ aanoç avtuv %iqv nokw. Also Mantineia ward im 4. Jahre, d. h, ▼ier Jahre vor der Ankunft oder Anwesenheit des Antigonos erobert Wdche Anwesenheit des Antigonos kann hier gemeint sein? Man hat an die Ankunft am Isthmos im Peloponnes gedacht. Aber we&n Polybios das gemeint hatte, so würde er es in diesem Zu- saomenbange ausdrücklich gesagt haben. Hier ist ja Ton Mantineia die Rede, und so kann unter nagovala ohne weiteren Zusatz nur an die Ankunft vor Mantineia gedacht sein. Antigonos zog vor Maotiaeia und erstürmte es im Jahre vor der Schlacht bei Sellasia, aho 223 t. Chr.*) Darnach fällt die Eroberung durch Aratos Tier Jahre vorher ins Jahr 227 t. Chr. Dies stimmt ToUkommen; âe geschah bald nach dem Treffen am Lykaion, aber Tor der Schlacht bei Ladokeia in dw 10. Strategie Arats, die Tom Mai 227 bis Mai 226 f. Chr. lauft, also im Sommer 227 t. Chr.*) Die Torhandenen ehroDologischen Angaben führen also sammtiich zu dem Resultat, da» die Schlacht bei Sellasia ins Jahr 222, und das EinrOckea des Antigonos in den Peloponnes 224 t. Chr. zu setzen isL

3. Adaios, Dynast in Thrakien.^)

In einem Fragment des Komikers Damoienos beschreibt jemané

ein Trinkgefäss, den sogenannten Elephanten, und rOhmt sich es

von Adaios in Kypsela, also in Thrakien erhalten zu haben.*} Wer

war nun dieser Adaios? Man nahm bisher an, dass es der Feldherr

Ph'lipps dieses Namens gewesen sei, der den Beinamen Hahn führte^

dem der Athener Chares einmal zur Zeit des heiligen Krieges eine

1) II 57, 2.

2) Polyb. U 54, 12.

3) Plotarch Arat 36.

4) Vgl. meine Geschichte II 150.

5) Meineke frgm. com. Gr. IV 529, hittor, erit. 484. Kock com. Att. fr. m 348. Athen XI 468 F

it 8 avx utavop cot, ràv iXi^av&* rjuët fd^tov 6 naU. B, ri 9* iarl rovro nços d'êcjv; ji, ^vxbv

'AiMwwos içyv* nifovmw 9i ftoi TtotB KtnpéXois lASàtae.

70 B. NIESE

Niederlage beigebracht halte.*) lodess macht diese Deutung ernste Schwierigkeiten; denn der Komiker Damoxenos gehört ohne Zweifel ins 3. Jahrhundert; in einem längeren Fragmente verspottet er die Philosophie Epikurs. Wahrscheinlich ist er ein Nachfolger Henanders. Nun ist aber anzunehmen, dass Adaios zur Zeit der Dichtung eine in Athen wohl bekannte Persönlichkeit gewesen ist; aber jener Feldherr Philipps ist wohl im 4. Jahrhundert zur Zeit der Kampfe Athens mit Philipp eine Zeitlang in der Leute Mund gewesen, ist aber dann vergessen, und nur die Gelehrten erinnerten sich seiner. Zur Zeit des Damozenos ware also die Anspielung unverstandlich gewesen. Der Adaios des Damoxenos muss vielmehr zur Zeit des Dichters gelebt haben und sich damals einen Namen gemacht haben. Ich schlage daher vor, ihn mit einem anderen zu identifldren, den wir aus den Inhaltsangaben des Trogus Pompeius*) als Zeit- genossen des Ptolemaios III. kennen. Es heisst da: ui PtdewuuMi Ädaeum denuo captum occident; denn so adeum ist tiberliefert und von Gutschmid wieder in den Text aufgenommen worden. Niebuhr*) hat darin zuerst einen Namen erkannt und Obrigens mit aller ZurOck" haltung Äehaeum vermuthet; er meint, es sei der altere Achaios^ der Vater des Andromachos und der Laodike gemeint, ein naher Verwandter der Seleukiden.^) Aber diese Aenderung, so leicht sie ist, bleibt immer eine Aenderung, für die es einen Beweis nicht giebt; denn wir wissen nichts von einer doppelten Gefangennahme oder einer Hinrichtung des Achaios durch Ptolemaios lU., die auch nicht wahrscheinlich ist; denn jener Achaios war allem Anscheine nach ein Zeitgenosse des ersten und zweiten Antiochos, gehört also einer alteren Generation an. Noch weniger kann die gewaltsamere Aende- rung K. Hollers befriedigen, der^) die Worte ad eum dmuù zu Ah demum zusammenziehen wollte. Eudemos soll der aus Polybios als HOrder des Aristodamos von Megalopolis bekannte Ekdemos (Ek- delos) sein, der auch in Kyrene als Schiedsrichter und Gesetzgdier thatig war. Er ist nach Müllers Meinung bei der Wiedererobening Kyrenes durch Ptolemaios 111. gefallen. Dies ist vollends unmöglich;

1) Schäfer Demosthenes u. s. Zeit I 443 A. 3. Ebenso Indeich in Püuly- Mf issowas Realencyklopädie I 341, vgl. Athen. XU 533 D.

2) Ptolog. 27.

3) Kl. Schriften I 259 f.

4) Vgl. über ihn Wilcken in Pauly-Wissowas Retlencyklopidie I 206.

5) Fragm, Historie, graec. Hl 709.

ZUR GESCHICHTE DES HELLENISMUS 71

denn Ekdemos lebte noch später, oachdem Megalopolis achftisch gewordeo war (235 v. Chr.)« als Lehrer des heraDwachsenden Philo- poimeo friedlich in Megalopolis.^)

Es wird immer vorzuziehen sein, wenn es gelingt, den tlber- lieferteo Namen Ädaeum zu erklären. Da wir nun aus dem Ko- miker Damozenos sehen, dass im 3. Jahrhundert ein Adaios in Rjpsela am Hebros sass, da wir ferner wissen, dass später die Koste des südlichen Thrakiens Ton der Grenze Makedoniens bis an den Hellespont ägyptisch war, und aus dem Monument von Adolis wissen, dass Ptolemaios UL es war, der diese Gegenden er- oberte,*) so ergiebt sich ungezwungen die Combination, dass der Adaios des Trogus nach Thrakien gehört und dass seine Beseitigung durch Ptolemaios in. bei der Besitznahme der thrakischen Kostenplätze lieh ereignete, die etwa um das Jahr 240 v. Chr. zu setzen sein wird. Auf diesen Adaios wird man endlich auch die Kupfermünzen mit der Aufschrift *Adalov beziehen dürfen, die aus den thrakisch- mkedoniscben Grenzgebieten stammen.*) Nach Meinung der Kenner gehOreo diese Münzen zwar etwa dem Jahre 200 v. Chr. an, aber Imhoof- Blumer, an den ich mich brieflich wandte, schrieb mir, dasB lie recht wohl noch in die Mitte des 3. Jahrhunderts gehören kOoDteo. Es scheint also nichts ernstliches im Wege zu stehen, sie dem Adaios des Darooienos und Trogus zuzuweisen.

Es ist bekannt, dass nach dem Tode des Lysimachos (281 v. Chr.) Thrakien zunächst dem Seleukos zuflel. Dieser ward freilich er- mordet, ehe er den Besitz antreten konnte; jedoch nach seinem Tode hielt Antiochos L seine Ansprüche auch im Kriege gegen Anti- gODos Gonatas aufrecht, und dieser wird ihm, als (um 280/79 v. Chr.) der Friede geschlossen ward, Thrakien überlassen haben. Es fehlt Hiebt ganz an Spuren, dass Antiochos L an den thrakischen Küsten- pllCzen als Herrscher anerkannt ward, und auch sein Sohn und IVachfolger Antiochos 11. hat wenigstens den Versuch gemacht, diese Stellung zu behaupten^); indess scheint die seleukidische Herrschaft

1) Polyb. X 22, 2. Plutarch Philop. 1.

2) GIG. Ill 5127. Strack Die Dynastie der Ploleniäer 253.

3) Imhoof- Blomer monnaiet Grecques {yerhandlingen der Kon, AkatL van ß^eiensehapen j4fdeL Letterkunde 14. Amsterdam 1883) S. 112 f. Read Mist, num, 206.

4) Vgl. meioe Geschichte der griech. und makedon. Staaten II 23 74 ÏÏ» 138 (mit den Nachtragen S. 777).

72 B. NIESE, ZUR GESCHICHTE DES HELLENISMUS

damals schoo nicht mehr viel bedeutet zu haben, und der ROmer Titus Flamininus hat wohl im wesenllicben Recht, wenn er in den Verhandlungen mit den Gesandten des Antiochos UI. behauptet^ dass der Vater und Gross?ater desselben die Herrschaft nicht mehr ausgeObt haben.^) Seleukos Kallinikos, der Sohn und Nachfolger des Antiochos hat jedenfalls diese Gebiete ganzlich aufgeben mtlssen. Während das thrakische Binnenland theils thrakischen Dynasten, theils den tylenischen Galliern zufiel, hat sich nun in der Küsten- landschaft der erwähnte Adaios eine Herrschaft gegründet Er war, wie der Name zeigt, ein Makedonier, Termuthlich ein Kriegsmann, der sich, wie es so oft geschah, selbständig machte«*) Ihm gehörte Kypsela am Hebros, aber er hat wahrscheinlich auch die helle- nischen Kostenplätze, wie Ainos und Maroneia, unterworfen oder zu unterwerfen versucht. Man darf vermuthen, dass diese hellenischen Städte sich an Ptolemaios HI. um Schutz und Befreiung wandten ; wir wissen ja, dass die Ptolemäer sich gern als Schätzer der helle- nischen Freiheit ansahen ; dies war also vielleicht fOr Ptolemaios III. der Anlass in Thrakien einzugreifen und die Kostenlandschaft in seinen Besitz zu bringen. Adaios ward, dies lehrt der Auszug aus Trogus Pompeius, gefangen genommen, aber wieder freigelassen. Er muss dann wieder zu den Waffen gegriffen haben, ward aber- mals gefangen und nunmehr hingerichtet

Marburg. BENEDICTUS NIESE.

1) Liv. XXXIV 58, 4 f. 10.

2) Man kann sich denken, dass er orsprflnglich im Dienste der Seleu- kiden stand.

DIE HOCHZEIT DES PELEÜS UND DER THETIS.

I.

lieber die Hochzeit des Peleus und der Thetis berichtet Apol- lodor HI 168—170 (Wag.) av^iç de yafiel &é%iv Trjv Nrjgéfoç, mçl tov yafÂOv Zeifç xai Iloaêidwv î^Qiaav, OéfAiâoç ôh ^6onupdovai]ç ïo^ad'ai tàv Ix tavttiç yewrjâ^ivra xgelttova toi mnQOç ànéoxovro. ivioi ôé q)aai, dtoç ôçfÂœvtoç Ini Tijy xaùtriç avvovaiav, elgtixevai IlQOfAfjâ^ia tov èx %avvriç fnn([ YEvvrid'irta oiçavov dvvaatevaeiv. tiviç di Xéyovai Biti9 fA'^ ßovXfi&fvai diï avvêl&eîv vno ^Hqoç TQaq)eî' iww, Jla ai OQyia&ivta ^rjftp ^éXeiv mr^y avvoïKiaai^) Xifmoç ovy inoô^efiévov Ilrjlel avllaßelv %al xcnaaxBÏv ftvf^v fietafioçqxwfÂiiniv , èniTtiçijaaç awa^nàÇei, yivofâivriv ii ofi fiiv nvQ oth di vàtaç b%h di ^îjqIov ov uq&ibqov ûvijx«, nçïy fj tfiv àçxalav fiOQq>^v êîdev anohjtßovaav, yafÂêî 'i h T^ Jlrjkiif xôxeê &€oi tov ydfiov BvtaxovfABvot naôvfA- fffaaf, xal dldwai XIqùpv utiIbI ôoqv fiBllivov, IIoaBiôtJV ii ïnnovç Baklov mal Soiv&ov. â^àvceroi di rjoav oixoi.

Einen Theil dieser Angaben hat ohne nähere Begründung und ohne scharfe Sondemng schon Wagner (Efitom, Vatic, p. 172) fQr die Kfprien in Anspruch genommen. Beides ermöglicht uns das BrochstOck eines roythographischen Tractates in den Herculanen- ätcheo Rollen (Coli alt. VIII 105), welches ich früher (Rostocker Inda 1891/92 S. 15) nicht genügend ergänzt habe: . . . . di *o[i avvoi7itla]ai %wi IJ{riXBÎ. iv] n]QO(Âriô'B[î di tm] uivo^

f<^y]ait . . [Qé^ydog b gaotv .... [o de %\à Ki^

^[(tct noirjaag "H]Qai X^çU^^f^^^V]^ q>BvyBiv a:i[%ov %b]v yd-- f^w, J[ia di o^^ooat xoaC(;[^^vt]o dioxi ^ri[%m av]voixlaBt.*)

1) aviHUKfjcoe cod. A. avvoixürst^^EpiU

2) «r^ . . . . votKtjcBe Pap. Za den Ergänzungen vgl. Philodem ir«^ '^^ß' 41 Comp. Hol fèr [n^ofifji]&éa Hac&tU [^ctv] AUix^loi o[t« to l}^

74 R. REITZENSTEIN

xcr[i Tcaq^ 'H]ai6dw(i) ôè melîtai %]6 naçanXrjaliov. o] L aavdçoç [de n]€çt KXvfâévfjç l^ç"H]ii]ov içaaâ^ép[Ta] . . . 6C nai .... tov . .

Es scheÎDt, da»8 auch der aooDyme Mythograph fon der Apollodor ersteo Fassuog ausgegaogeo ist; nur die charakteristiac AbweichuDgeo von dieser Hauptfassung werden bei beiden ai geben, lunachst aus Aeschylus, sodann aus den Kyprien. Aescb; hat das Orakel nur einem anderen in den Mund gelegt, die prien kennen es gar nicht und motiviren den Sinneswechsel Zeus durch das Widerstreben der Thetis, seinen Grimm und Obereilten Schwur.

Die erste Version bietet in voller Reinheit und offenbar engster Anlehnung an ein Epos Pindar Isthm. VIII 28 52: 2 und Poseidon streiten um Thetis, sie rufen Themis zur Schû ricbterin an (eine 6^ evßovloc iv fiiaoiai Bifug), diese kOi das Orakel und befiehlt« Thetis einem Sterblichen zur Gattin zu gel und zwar dem Peleus ov%^ evaeßeavarov q>a%ig ^Itahuov rçà^ TiBÔiov. So soll denn sofort Rotschaft an Chiron gesendet wen am nächsten Vollmondabend (wenn die Nereide wieder an Strand kommt) soll sie ihre Jungfräulichkeit an den kühnen H( verlieren. So sprach Themis; die Götter stimmten bei und hiel Wort: q>av%i yàg ^w* aliyeiv xal ydfiov Bérioç avaxvaçJ

Apollodor kehrt, wie das seine Sitte und im Grunde ja ai selbstversiSndlich ist, nach der Aufzählung der Varianten zu

i9v9êw a[vT^]v à[rSe{]. Vgl. ferner aus dem Lexikon zur Aristokratea (B in [dies. Ztschr. XVII 154) Glos<;e Méçavi xai ^ovkv^^^] ra na, nXria^a i^roçM. Aehnliches öfter.

1) Die Abhingigkeit Pindars von einem grösseren Liede zeigen, « dies überhaupt nöthig sein sollte, die für ihn überflüssigen Nebenzäge Genüge; die Hörer müssen wissen, dass Pelens augenblicklich bei Gh weilt, am die Botschaft an ihn gleich zu verstehen; aach dass die Ner in der Vollmondnacht an einer bestimmten Stelle ans Land zn kommen pfl muss gesagt sein, ja im Grande sogar, warnm Pelens der Frömmste der St liehen heisst. Schöpft Pindar ans einem Epos, so hängt Apollodor sicher nicht Pindar als Haoptquelle t>enatst mit eben diesem zosami ob dnrch eine spatere Mittelqoelle oder durch Pherekydes, der in § 163 173 benutzt scheint, und dessen Fr. 16 sich mit § 170 berührt, ist nicht zumachen und für uns gleichgiltig. Die epische Erzählung, der Aeseh folgte, kannte ebenfalls Poseidon und Zeus als Bewerber um die Gonst Tketis; das beweist die Fassang des Orakels V. 921 oc ^17 Hifmtpmv m^

DIE HOCHZEIT DES PELEUS UND DER THETIS 75

Bauptquelle zurück. Das bezeugen gleich die ersten Worte Xl- çmoç ow vnoô'tfAévovy iodem sie unmittelbar an das von Pindar enählte schliessen. Wir werden jetzt, aber freilich auch erst jetzt, daraof verweisen dürfen, dass eine beträchtliche Anzahl älterer Vasen- bilder ihn in die Darstellung des Kampfes des Peleus und der Thetis mit hineinziehen.') Das Lied berichtete nach der Ueberwältigung der widerstrebenden Heerjungfrau die feierliche Hochzeit, welche die beiden Götter gemeinsam ausrüsteten.

Ein zweites Lied Pindars Ntm. IV 57 68, bestätigt dies. Hier finden wir die in dem ersten fehlenden Züge: dem Weib des Akastos gegenOber bat Peleus seine evaeßeia gezeigt; Akastos hat ihn zu toten versucht, Chiron ihn gerettet; bei ihm weilt er und fon ihm erfährt er das vom Schicksal bestimmte, von Zeus ihm be- echiedeoe Loos. So überwindet er die sich verwandelnde Nereide, feiert die Hochzeit mit ihr und sieht auf ihren Wagen die Herrscher des Himmels und des Meeres nahen, ihm ihre Gaben und Macht zu erweisen.

Deber den Fortgang der Erzählung in den Kyprien besitzen wir kein -Zeugniss. Aber so viel können wir auch ohne ein solches sagen: wenn Zeus aus Grimm schwört, Thetis solle einem Sterb- lichen verfallen, so kommt es für ihn nicht darauf an, dass dieser hcionders heldenhaft und fromm sei ; nicht ein bestimmter Halbgott soll belohnt y sondern Thetis soll bestraft werden. Dagegen hat Hen, om derentwillen Thetis die Strafe erleidet, allen Anlass, ihr wenigstens den besten Sterblichen zu erwählen und diesen Bund in jeder Weise zu heiligen und zu verherrlichen. Wie nothwendig das las den für die Kyprien bezeugten Voraussetzungen folgt, zeigt am ^D die Rede der Hera an Thetis bei ApoUonios Argon. IV 790 bis 809:

790 akld ae yàç dq

l^iri vfiTCvrlrjç avtiq %Qéq>ov ijd* ayanrjaa Is^oxov àiXiiJûv aï%^ elv all vaievaovaiv^

'^' tv^M ^loya flçopri^ç &' vna^ßaXlavra uaçxêQov xrvnov &aXaaalat^ *< yii xtramtu^ü» voaor, r^ioivctv tuxft^tf rov IIoaBêSœroç axêdq (vgL l^indir V. 37 09 uB^ttvpav HQiooav aXlo fla'los *Btmii xbqI iqUBovxos t* •/■«i^MtKtfrov). So sehe ich keinen Grand zu bestreiten, dass Aeschylus and Piodar dieselbe Vorltge benatien.

1) VgL Arthur Schneider Der troische Sagenkreis S. 78. Darauf, dass <iiuail tadi Hermes erscheint, lege ich, wiewohl er ja trefflich zum Träger der Botsebift patten würde, kein Gewicht.

76 R. REITZENSTEIN

ovvex€v ovx ïtItiq bvvjj Jibç Ufiivoio Xé^aa^au xelvfp yàç aei %âde Sçya fiifÂfjJiev 7d5 Tjk avv à^avdraiç iqè ^vrjffjaiv laveiv.

àlX^ èfii t' alôoftévfi xai ivi q)Qeal deifialrovaa rjkevw. 0 d' heeita neXtigiov ogutov ofAoaaev (Arinoxé a' à&avàvoio %^bov xaXiea^ai axoinv* lifÂnrjç d* ov fÂe^^UaKev onirtevtov àéxovaav, 800 elaoTê ol nceaßeica @é(jitç xarileÇev Snarra, éç ârj toi ninçunai àfitlvova natçoç kolo naîâa texeîv. %al ob kilaiofievoç fie^érjxev delfiati, fÂT tiç iov avra^ioç alloc avaaaoi a&avavwv, àlV alèv iov xçaxoç elçioito, 805 avtàç iyto zov agiatov Intx^ovLwv noaiv elvai doîxa toi, oq)Qtt yâfAOV ^vfAtidioç àyriaoeiaç, réxva tb g>i%vaaio. ô^eovç d* eiç dalt* èxâleaaa nivxaç ofÂWÇ, avTrj âè aélaç xbIcboolv àvéaxov yv(Aq>idiov, xêhrjç dyav6q>çovoç eïvexa re/u^g. ApolloDÎog hat die KyprieD selbst gelesen; dass er sie hier beoutii^ scheint mir sicher. Freilich gestaltet er sie leicht um; die Er- wähnung der Themis zeigt das Bestreben, die beiden HauptfassungCD der Sage mit einander in Einklang zu bringen.') Aber Hera al» Stifterin der Ehe des Peleus und der Thetis muss ihm in der Hauptversion gegeben gewesen sein.

Hierzu stimmt die Episode der Gotterberathung im XXIV. Bucb der Ilias. Wilamowitz (in dies. Ztschr. XIV 201) bemerkt, dass die Verse 57—63

"ExTwg fihv ^rjToç te yvvaîxd te S^i^accto fÀQ^ov avtàg ^Axillevç loxt ^eâç yoyoç, ^v iyœ avt^ 60 ^çéipa te xaï atiirjla xal àvdçi noçov naçàxoitiv

1) Apollonios mnsste dazu Wortltat und Motiy des Eides indern, freilicb ohne ihn dann wirklich passend einfügen zu können. Zeus schwört (nicht aus Aerger, sondern um Thetis zu zwingen) zunächst nur, Gattin eines Gottes solle sie nie werden; so behalt er für sich die Möglichkeit weiterer Nach- stellungen. Als er diese aufgiebt, sorgt Hera wenigstens för einen SterbUehen» damit Tbetis doch das Glück der Ehe kennen lerne und Kinder kriege. Das ist Göttersage echt alexandrinisch ins Kleinbürgerliche übersetzt Im altea Epos moss m. E. der Eid des Zeus für diesen selbst abschliessend geweaeo sein, wie es der Mythograph darstellt So wird auch die bei diesem flber- Ueferte Fassung des Eides, welche ja auch für das Eintreten der Hera Spiel- raum genug lässt, um selbst II. 24,60 zu erkliren, die ursprünglichere sein.

DIE HOCHZEIT DES PELEDS UND DER THETIS 77

Ilfjliï, fteçl x'^Qi q>Lkoç yivBx^ à&avaxoiaiv, nav%eq d' àvTiaaO'd'B d^eoï yâfAOv* iv ôè av xoîaiv ôalw' ^oiy (poçfÂiyya^ xoxcûy Stag^, aikv aniave. «in Lied vod der Hochieit des Peleus voraussetzen. Dass eine der ▼ieleo Meerjungfrauen von Hera auferzogen ist, wOrde kein jüngerer Dichter erfinden ; er hat es in diesem Liede gefunden. Dass es die Kyprien waren, zeigt jetzt zwingend Apollonios und nicht 20 Verse voraos lesen wir in diesem Abschnitt der Ilias in der Erwähnung des Parisurtheils eine auch für mich unbestreitbare Verweisung auf ^ie Kyprien.') Wir gewinnen aus Homer noch den Einzelzug hinzu, ^ass unter den feiernden Göttern Apollo die qiocfAiy^ gespielt hat. Dass die Hochieit auf dem Pelion statt fand^ lehrt das Scholion zu U. 16, 140 und es erwähnt Geschenke der Götter.

For das erste Lied ich will es der Kürze halber das Peleus- liied nennen -:- bezeugt die Geschenke auch Pindar. Dass die fiochzeit auch in ihm auf dem Pelion gefeiert wurde, folgere ich aosApoUodor um so zuversichtlicher^ als dies für Pherekydes (Fr. 16) oflfeDbar Voraussetzung ist. Hierzu stimmt, wie wir sehen werden, das weoigstens m. E. von unserem Lied abhängige hesiodeische Gedicht ebenso wie das ältere Lied, die Kyprien. Der ganze Schluss unseres Liedes, die feierliche Hochzeit nach der Ueberwältigung scheint mir ^r den Kyprien entnommen. Die alezandrinische Vorlage Ovids(ilfe- '^HR.Xl 221 265), welche alle charakteristischen Züge unseres Liedes aufweist, nur dass Proteus an Stelle des Chiron und der Themis ge- treten ist, scheint die Hochzeit nicht zu kennen und Sophokles im Troilos (Fr. 161 N.^) eyrjiiev (ûç SyrjfiBv àq>d'6yyovç ycfiovç ^ nay%o(Â6Qq)i^ QàTiôi avfinlaxelc note die Existenz einer derartigen Sagenversion ebenfalls vorauszusetzen. Zwei verschiedene Formen desselben Mythus wird, auch wer das nicht gelten lässt, immer annehmen. Der Kampf und die Vergewaltigung der Thetis ^ zu der Schilderung der von den Göttern ausgerüsteten Hochzeit im Grunde nicht passen.*) Zum mindesten für das Lied, in welchem

1) VgL Robert Bild und Lied 125. Ganz eigenartig ist in dieser Episode der Gôtterberathang das Verhältniss der Thetia zu Zeas, vgl. V. 90. 91. 101. 10% Old Tor Allem 110. 111 avràç fytà xoBê wûSos *AxtlX^t n(f<nianrat ai- âca tuU ftloTfyta rêf^v fànéma&a fvXaac»v. Der Dichter kennt den ersten Gesang, aber er berücksichtigt zugleich die Kyprien.

2) Die ältere Sagenfonn wird allerdings der Kampf sein, die feierlich geschlossene Ehe die jüngere, einem feineren Empfinden entsprechende.

78 R. REITZENSTEIN

Hera als Pflegeriû und Mutter der Thetis erscheiot uod io welchem sie selbst die Ehe grQndet, die Hochzeitsfackel tragt und die Feier veranstaltet, ist eio NebeoeinaDder beider Fassungeo Dicht möglich. Ad deD VerseD xoi àvdçî noçov naçâxoitiv Ilrilitf ne^l xijçi q>iXoç yiver^ aâavdroiaiv muss jeder Versuch, dcD Liebes- kampf far die Kyprieo io ÀDspruch zu uehmeo, scheiterD. Weiseo sie auf dies Lied, so kaoDte oder berücksichtigte desseo Dichter ihD so weoig wie die SSoger der Ilias/)

EiDe fernere wichtige Folgeruog fQr die KyprieD ist, dass aocb die weitereo Angaben des Apollonios {Argon. IV 812. 813; 867 bis 879) im Wesentlichen auf dies Lied zurückgehen werden.

Auf die ßovX'^ Jiog führte der Dichter desselben den tro- ischen Krieg und notbwendig auch die Erzeugung der Heleoa zu- rück.') Achills Persönlichkeit stand ausserhalb. Aber einen beabsichtigten Parallelismus mag man in dem Bericht Ober Nemesis und Thetis flnden.

U.

Der herculanensische Mythograph giebt uns Kunde voo einem Gedicht Hesiods, welches mit keinem der besprochenen identisch war, aber denselben Stoff behandelte.*)

Natürlich denkt jeder sofort an das Lied, welches Tzetzes im Lykophron-Commentar (260 M.) ja ausdrücklich als Epithalamion des Peleus und der Thetis bezeichnet hat (Fr. 102 Rz.) kni^aXafjiiO' yçdq)oi dh noirjrai, 6aoi nçoç tovç vvfAq>lovç èv yâfioiç ly- xcifAia €yçaq>ov^ oloç rjv o ^AyafirjaTwç b Oaçaàlioç xal ireçoi, xal ^Halodoç avroç ygaipaç int^aXàfiiov êiç Ilrjléa xal Qé%iv, XQÏç fiaxaç uitaxldrj xaï vezçaxiç, oXßis Ilïjlev, toïad^ h (AeyaQoiç Uqov léxoç eiaavaßalveic.^)

1) U. 18, 432—435 erscheint anch mir als handgreifliche Interpolation. II. 18, 84 kennt nur die Hochzeit.

2) Bezeugt durch Eurip. Orett 1639, vgl. Welcker Ep. Gyclos* II 87; als Variante steht es in der Epitome Apollodors (III 1 Wagn.).

3) Mehr würde, wie E. Schwartz mir zeigt, ans der Angabe des Mytho- graphen selbst dann nicht folgen, wenn es sicher wire, dass r6 na^anJJi^iav ZQ dem Satz über Hesiod gehört. Auch dann bezieht sich die Angabe schwer^ lieh auf die unmittelbar Torausgehenden Varianten. Ein weiterer Bearbeiter des Stoffes wird eingeführt, dessen Abweichungen im Einzelnen aninfûlireii nicht lohnte oder zu schwer erschien.

4) Agamestor scheint aus dem Scholion zu V. 179 (459 M.), wo sein im&aXâfitov SèrtBoi erwähnt ist, eingetragen. Die Quelle des Tsetses fand

DIE HOCHZEIT DES PELEUS UND DER THETIS 79

Eine Dlhere Vorstellung von diesem Liede geben zwei aneinander- Khliessende Papyrus-Streifen, welche ich im vorigen Winter zu Kairo durch die gfllige Vermittlung des Herrn Dr. C. Reinhardt fOr die Papyruft-Sammlung der Strassburger Bibliothek erwarb, und dercD grosserer mir erst während der Correctur dieses Aufsatzes ra Gesieht kam {Pap. grate. 55). Die breite, regelmassige Schrift entspricht im allgemeinen der im zweiten Jahrhundert n. Chr. Ob- licheD; nur ist | regelmassig durch zwei unverbundene wagerechle Striche, zwischen denen ein ganz kleiner dritter steht, wieder- gegeben, sodass man vielleicht noch an das erste Jahrhundert n.Chr. denken kann. Das Fragment lautet;

(pOIHNeZIKGTOMHTe

THMATArUUNeZGYPYXO

AlAKlAHC<t>IAOCAOANA

Aei.O'Ç'CiNArAieTOOYM

AIN .. AAnAZGNGYKTIT

r.MONKAITO?Teno

Àkiahkaitgtpakic

. . AüüPONOAYMniO

AKAPGCOeOieZ

PONAGXOCG

HPnolHCGK

TAAAUJNAA

CO . .

PAMHAUJN

POYiUJAKOY

TOICIÖGOICIN

OCAnACIN ') ONUUC.GTGAGCCGN») CGinANAnANTGC») OABieüHAGY

CGYPYOHAZGYC

STGAeCCAN

ICANABAINUÜN

PONIUJN

<t>HCTAUJN

. . . nON . AOYCI .")

dn illtttc Epithalamion b«i Hesiod mit Recht, wie wir sehen werden; deoo wibrend Homer (II. 18,493) den Hymenaios nnr erwihnt, finden lieh i>ei Hesiod Worte, welche aarßllig an die gpiteren Hymenaien erinoern. Sie •iad daher heransgehoben.

1) 9 an dritter Stelle iat ganz verblichen, nur Ober der Zeile erkennt nan einen Rett de« Grandstrichea, der wohl kaum za einem anderen Buch- stabeo gehören kann.

3) Nach (DC scheint T ausgefallen, wenigstens kann an der leicht be- lebidigten Stelle nnr ein senkrechter Strich gestanden haben.

3) Von dem T ist nur der senkrechte Strich erhalten.

4) Nor die oberen Rinder der Bochstaben sind erhalten; für C and O ist aneh O denkbar ; über O steht noch ein Zeichen, welches am besten wohl den Spiritus asper bedeutet; für A wäre auch A mSglich.

80 R. REITZENSTEIN

Also etwa:

O^lriv i^lxeto, (itixéça fn^Juar,

ftXelara x]TijjUOfT* aywv evçvxoçov *Ia(olxov*) xaçT$çoç] uiiaTildfiç q>lXoç à^avaroiai â^eoîaiv.

àyaUto ôvfioç anaaiv^)

5 wg 0 n6\Uv [%' à]làna^Bv èvKTiTov âç [t'] iriXeaaev*) IfiBQoevra] y[a]^ov, xal tovt^ Mnoç eînav SnavrêÇ* ,TqÏç ßdxac Al]axidYi xal TBTçaxiÇj olßu IlfjlêVj

^ ] ôwQOv ^OkvfÀnioç BVQvôna Zevç

iSnaaev rjâè ydfAOv ft]dxaçeç ^eoi i^eTéksaactv*) 10 toîaô^ iv fÀeyaçoiç U]çov léxoç eiaavaßaivwv xçalvetç. xvdiatôv ae naT]qg nolrjae KqovLwv Ttavtmv fifÂi^éwv tcbqL] t' aXkvjv àlq>fjaTd(av^)

xaç]ftov iôovai[v\.'

Die UeberraschuDg, welche der Fund des HaupUheiles air brachte, war gross. Nicht vod der Hochzeit, soodero von der sieg- reichen Heimkehr vod der Eroberung ?od lolkos ist zunflcbst die Rede. Aber die Seligpreisung des Peleus knOpft dennoch haupt- sachlich oder ausschliesslich an seine Hochzeit und erinnert der- artig an den Hymenaios, oder besser, an die Worte, welche dem Bräutigam zugerufen werden, wenn er die Braut endlich in das eigene Haus TQhrt oder geführt hat, dass wir mit Sicherheit an- nehmen dürfen, Thetis betritt bei dieser Heimkehr zum ersten Mal das Haus des Gatten.*) Peleus ist der rechtmässige KOnig von Phthia; hier steht sein Palast Er verlasst ihn, kommt allein nach lolkos, bewährt dem Akastos gegenüber seine eiaeßeia, wird Ton diesem verralhen, von den Göttern gerettet, bestraft den Frevler und ompfäugt von Zeus die unsterbliche Gattin als Lohn. So kehrt

1) IcêXhoI Pap: verb. Schwarti.

2) Mail würde etwa norow Si Svruncitf ày, &, a. erwarten.

U) Für wti ntôXér i^alana^wv reicht der Baum nicht; TieUeicht war irrthüiiilich dafür o»»* n^oXtr àlnnaitr geschrieben.

4) Vgt. Od. 4, 6 dv T^rj yà^ Tt^xor vnMxno u€Ù «orirMVtfr Bm9i- ftêrm*^ Toitfir 9i &$0i yt'uor é^m'lêwr und Sappho Fr. 99 B^ SXßu yAfiß^ col fài¥ Sr, ynfêOi nti a^mo <trT«f«x«OT\ ix^ Si na^&tvor «r ô^o«.

b) Vgi. Dd. 6, S iwfl« arS^r àif if«Tâo»r. Beach tens wertb ist der Accent über ff«^* letw«, da Y. 7. 8 Theti^i erwähnt sein muss« î;^ roU9' à^/iuLL ai^mma- /f<«iViM» X^Vf\ «»«• mtSêCtU 99 îf . ji, J:. ISojt« &* i^^oWr m9^ t* «tL G. K.]

61 Krst damit ist ja für antikes Kmpßuden die Hochieit Tollttindig, eist damit dt» Mädchen W«iff u* (Theokr. tS aSK Der Hymemios gehakt bb Moment.

DIE HOCHZEIT DES PELEUS UND DER THETIS 81

€r mit ihr und der reicheo Beute Dach Phthia zurück. Die Hoch- zeit liegt voraus.

So ist offenbar der Sachverhalt. Nun scheint es mir gaoz uDODöglich, dass die Bewunderung der Dnterthanen nur der Be- sieguDg des Akastos gilt und in ihren Worten dann nur die Hoch- zeit erwähnt wird; so mag ich V. 5/6 nicht t' hileaaev aiv6%ttTov nôXefÂOv oder ähnlich ergänzen, sondern muss, ganz abgesehen von jenem senkrechten Strich in V. 6, der sich am besten zu r vervollständigen lässt, eine Erwähnung der Hochzeit unbedingt verlangen. Dann entspricht dem so offenkundig V. 9, dass ich auch hier nicht etwa no^ov oder vàov i^êTékeaaav schreiben kaoD. Freilich ist der Ausdruck yifxov leléaai für den Bräutigam UDgewObnlich; nur aus Wendungen wie ïçyov reléaai verständ- Ueb, setzt er eine ganz bestimmte Vorgeschichte voraus; ebenso kann man aus den Worten yafxov &eoi è^eTéleaaav heraushören, ^lass sie damit eine Bitte oder gar ein Versprechen endlich zur ErfOlluDg bringen. So viel zur Rechtfertigung der Ergänzungen. Zu demselben Liede gehört offenbar Fr. 38 Rz. lade de Ol xazà &vfÂOv aclatrj q)alvezo ßovli], avToy fihv axéa^ai, HQvipai ö' aäoxrjta fiàxoiçav nakijv, ijv ol ïvev^e tibqUXvvoç à^q)iyvr]€iç, luç TTjv fiaazëvwv oloç xazà Ih]Xiov aiuv alifji* vfto KevtavQOiaiv ôçeaxfpoiai da/ielr].^) ^eim ferner Porphyrios zu II. 6, 164 fein darauf aufmerksam Ottcht, wie zurtlckhaltend und kurz Homer ganz anders als Hesiod den Verführungsversuch gegen Bellerophon schildere, ovffoiÂWç ôè ta aiaxçà (Codd. àçxala, sinnlos) ôedijlœxe ,iÂiyrj' »0* owe i'd'ekovar]* aAÀ' oix aaneç ^Haloôoç tcbqï Ilrjkiœç ^fà frjç ui7iàa%ov yvyaixoç âià fiaxçdiv (so Bergk, fAixçwv ^d.) ine^el^anf, so werden wir auch dies nunmehr ohne Weiteres auf unser Lied beziehen.

Ob in demselben auch das auf dem Pelion von den Göttern ((feierte Hochzeitsfest vorkam, steht nicht sicher; da jedoch Hesiod ^a Ungewöhnliche dieser Ehe so stark hervorhebt, da ferner die l^yprien, das eng mit Hesiod Obereinstimmende Peleus-Lied, end-

1) Âehnlicbes, aber nicht das gleiche berichtete das früher besprochene Pdeai.Ued, welches ja auch nach der mythographischen Tradition voo dem ■flcnodeischen Gedichte so sondern ist, vgl. Pindar Nem. 4, 59 zq JanBàlov * f^Xß^ ÇfVTÊud ol &waxav in Xoxov IlêUao naïs âlaXxë 8i Xi(HOv, HaaatXXXV. 6

82 R. REITZENSTEIN

lieh Pherekydes (vgl. Fr. 16) diet Fest keonen« ist es wenigtteoc sehr wahrscheinlich. So sei es gestattet, die weitere Tradition fon der Hochzeit xu verfolgen und zu prüfen, ob eine bestimmte Fassung sich besonders leicht mit den sicheren Hesiod-Fragmenten vereinigeo ISsst. Ein zwingender Beweis lässt sich daraus natOrlich nicht ableiten, vielleicht aber manche Folgerungen für die jflngeren Be- handlungen des Stoffes gewinnen.

Pindar beschreibt Nem. V 22 37 die Hochzeit des Peleus ngo- q)QWv dk mal kbIvoiç Seid' iv IlakL^ Moiam S xcUlunoç Xoçoçy iv de fiéaaiç q>6çfiiyy l^rroXltov éftràylwacav xçvaé^ nX6ii%Qi^ diwxwv ayêlTO navvoitav vofiœy. al di nQiatiarov fier vfÂVTjaav Jioç àçxofÂevai OBfAvàv Qiziv Ilfjkéa ^' %i viv aßqa Kgri&êtç 'InnoXvxa dolfp neâàaai ijâ^êXe §vpâva MayvT^TWv axonbv nelaaia^ "uàKaarov nonuLkoig ßovXeviiaaiv* ipevarav di noirjTov avvérta^e lôyov, aça wfjiq>e£aç Inelça xeîvoç iv lixTQOiç ^Axaatov evvâç* to d' ivav%lov iaicev* noXlà ydç viv navxï ^(Aif naçq>afÂiva Xitavevev tov i* Vfc oçyàv xvlÇov alneivol loyoi' êv^v^ d^ inavdvato vv/â- g>av, ^eivlov natçoç xôXov deiaaiç' o d' iq>Qàa&ri xaré^ vevaév ol OQaiv€g>r^ç i^ oiçavov Zevç â^avàrtûv ßaai- Xevç, äat^ iv tâxei novtiàv x^vaaiLoxarcoy zivà NrjQst- ôwv nçâ^Biv aKOitiv, ya^ßgov HoaBiôawva neiaaiç^)

Gewiss weicht das nicht weit von der Passung des zuerst be- sprochenen Peleusliedes ab und man könnte die Verschiebung des Ge- sichtspunktes sehr wohl auf Pindar allein zurückführen. Mich hindert daran, dass Euripides in der Iphigenie auf Aulis denselben genau so verschoben hat und durch seine Uebereinstimmuog in zwei wichtigen Einzelzügen beweist, dass er aus derselben Quelle wie Pindar schOpfL Auch bei Euripides wird allein betont, dass Zeus es ist, der die Ehe zwischen Peleus und Thetis stiftet (V. 696 709); auch bei Eoripidei

1) Oie letzten Worte werden von Pindar^ des Uebergangs zu dem Folgen- den halber zugefügt sein. Man sieht in ihnen vielfach eine Anspielung aal den Streit des Zeus und Poseidon. Allein weder lässt sich ya/iß^Q \n der- artiger Ausdehnung (Bewerber) bei Pindar belegen, noch würde es allein fui avyya/iß^oß genügen. Das Einfachste ist wohl, mit Dissen anzanebmen, dast Poseidon als Herr des Meeres seine Zustimmung zu geben hat; er ist zugleich durch Amphitrite Schwager der Thetis. Das betont in der Hoch- Zeitsbeschreibung auch Koiluthos V. 20 22 nàoa 8i ttvSaiiHfv€a &MWi ianevSê yßve&lr^ avroxactyvrjxfjv lavxtôXêvor 'jéfAfn^irfjÇf Zêitç fthf an Ovhifmoêo, noasàôdafv Öi &alâuaijç. Das ist Ruhm auch für Peleas.

DIE HOCBZEIT DES PELEUS UND DER THETIS 83

wird die Hochzeit auf dem Pelion und der Gesaog der Musen breit

geschildert (1036 1079), uod weon Pindar von einem doppelten

Preislied auf Thetis, dann auf Peleus spricht, so entspricht bei

Euripides genau (Aeltpäolc Oiriv àxfjf^ceaiv t6v t' Aiomidav

tliovaai. Dass es sich um mehr als um den herkömmlichen

kurzen Preis von Bräutigam und Braut im eigentlichen Hymenaios

bandelt, deutet Pindar schon mit den Worten ^^log agxofisvat an,

und gern will ich glauben, dass die folgende Erzählung von Peleus

scboD in seiner Vorlage in dem Musenliede gestanden hat. Endlich

scheidet Pindar deutlich ein feierliches Versprechen des Zeus an

Peleus, den natürlichen Scbluss des Musenliedes, von der späteren

Erf&lloDg, der Hochzeit'); dasselbe sagt Euripides mit dem Rechts-

auadnick (V. 703) Zeig i^yyvrjae xal did wo" o xvgioç.*) Das

läSBt «ch nur gezwungen auf die Botschaft an Chiron beziehen.

Die andere Auffassung hat einen anderen Gang der Erzählung ge-

scfaaffeD. Ob Peleus in derselben Zeus gebeten und selbst Thetis

begehrt hat, Iflsst sich nicht entscheiden; unmöglich ist es durchaus

Dicht, dass gewisse Voraussetzungen fOr die Fassung Catulls schon

in Qoserem Gedichte gegeben waren. Auf dasselbe werden wir die

Mehrzahl der in dem Chorliede des Euripides berichteten Einzel-

>tige lurOckfQhren dörfen. Eine auffällige Menge derselben kehrt

io der Beschreibung des Kolluthos und in dem mythologischen

Vorwort zu Claudians Lied auf die Hochzeit des Honorius wieder;

beide schöpfen durch Mittelquellen aus diesem Gedicht.') Die Er-

1) Das ist besonders durch ét^ rdx't scharf hervorgehoben. Dazu passt >o lieh gut, dass Zens sich vorher sichert, das Versprechen auch erfûllea »1 köanen.

2) Die Scheidaog der Tempora ond die Fortfährang yaful 3i zeigt, dass ^Umw hier auf die wirkliche Uebergabe bei der Hochzeit geht Eigenthamlich >>t 4ie Betonung, dass Zeus natürlich MvçioQ für alle Göttinnen ist. Ich ver- lose KboD jetzt auf Gatnll tum ThetitU pater ipsê iugandum Pelea sensit V^tf timul optatae fini to tempore hiees aävenere,

3) Die Abhängigkeit braucht für Kolluthos wohl kaum erwiesen zu ^erdeo. Da er bei Eiofnhrnng der Ëris aofföllig mit Lncian Symp. 35 (vgl. ^^ nutr, 5) übereinstimmt, steht wohl ein alexandrinisches Lied zwischen ^tn (Tgl. Wentzel Epithalamioo fflr W. Passow, Zoellner Analecta Ovù ^^)t welches verschieden von der bald zu t>esprechenden Quelle Gatnlls ^ doch ihr ähnlich genug war, dass man fast noch Beziehungen auf sie ^Rooehmen meint, vgl. V. 31 éç ydfior wfAacrfjos yâ/M»v àBldamxoQ ^A&rjvrj ^i naciyn^ yÉfjTûftàs l^noXXâfvaç "A^SfuG àrifiijas moI ày^miqti ns^ ^a mit Gatnll 299 eaelo te solum^ Phoebe, reänquens ttmgenamque simui

6*

84 R. REITZENSTEIN

klftroog wird sich uds später bieteo. Die Hochieilsschildening war danach mit lebhafter Phantasie breit und flgurenreich ausgeführt; den Schluss bildete die Weissagung von Achill und seinen Rohmes- thaten vor Troja, genau wie bei Catull.

Die gewaltige Nachwirkung dieses Liedes, die sich selbst bei den Späteren nicht lediglich aus einer mythographischen Tradition erklären lässt, legt es wenigstens nahe, Hesiod als Verfasser zu Ter^ muthen, und was Porphyries an dessen Schilderung tadelt, trifft so ▼oUkommen auf die Beschreibung bei Pindar zu, dass man, wenn dieser hier Oberhaupt einer epischen Vorlage folgt, was doch durch Euripides yerbOrgt wird, unbedingt an Hesiod denken muss. Seiner Kunst würde es trefflich entsprechen, wenn schon bei ihm ein Theil der Vorgeschichte in das Lied der Musen aufgenommen war. Der- selben Pindarstelle entsprechen aber auch durchaus die Worte yâfwv fiaKQçeç &eoi i^erekeaaav; ich verweise noch einmal auf Od. 4, 6 v7c^ax6To Kai Titatévevaev ôtoaéfiêvai^ xoîaiv di ya/ioy &eoi è^eTélecov. Die Hochzeit muss bei Hesiod natQrlich nach der Zerstörung von lolkos fallen ; das Versprechen setzt Pindar unmittel- bar nach der Errettung des Peleus; wir worden jetzt begreifen^

euUrieem monUbtu Idri (a/^or^); Pelea nam tecum pariier »oror tuper- notait nee TheUdis taedas vobiit eelehrare iugalee. Die Eotscholdigiinf reicht för Artemis nicht, wenn Atheoe erscheint Gltuditn, dessen SchO- deniDg ein hnhsches Gegenstück bei Qnintns Smymaeos IV 128—143 hat, fährt wie Eoripides die Kentanren und Nereiden ein, aber er schöpft kaam aas ihm; mit Ca toll hat er den Peneios gemeinsam; von beiden weicht er ab, indem er die Thaten des Achilles von Apollo yoraossagen lisst Von Glao- dian hingt Sidonius C, X ab ; ans den vielen willkürlichen Zositzen hebt sich die Beschreibung, wie Thetis zu der Hochzeit kommt; auch bei Gatnll wird sie ja erst nach dem Parzenliede erwartet; eine Schilderung, wie sie zur Hochzeit kommt, setzt Statins SUv. I 2, 215 als bekannt Toraus; ihr Kommeo mit den Nereiden beschreibt, freilich in andrer Färbung, Valerius Flaccna I 130, dessen griechische Quelle Qnintns Smyroaeus V 73—76 erweist, und erwähnt den Gesang des Chiron beim Gelage. Sidonius endlich C XIV 24—30 kennt Lieder, sowohl des Chiron als des Apollo. Dass ein Uteres Lied zo Grunde liegt, welches jeder Ton den Epithalamiendichtem nach seinem Belieben be- nutzt und modelt, hoffe ich später wahrscheinlich zu machen« Eineu Zog haben vielleicht sogar die jüngsten und unzuTerlässigsten Zeugen am besten gewahrt, dass nämlich ausser Chiron auch Apollo singt. Ein weissagendes Lied Apollos kennt, allerdings aus andrer Quelle und in andrer Wendung, Aeschylus Fr. 350 (Tgl. das carmen de figurU V. 35), und Apollos Weiaaagwig scheint der Grund dafür, dass ein später Bearbeiter unseres Liedes ihn über- haupt aidit bei der Hochzeit anwesend sein liess. So bleibt hier ein Zweifel.

DIE HOCBZEIT DES PELEUS UND DER THETIS 85

warum Versprechen und Ausführung zeitlich geschieden werden. WeDD es ferner bei Pindar möglich schien, dass Peleus die Nereide sich erbittet 9 sie also schon frOher begehrt hat, so wQrde auch hieno der eigentümliche Ausdruck Hesiods Sc t èréleaaey . . . yénof passen. Wenn endlich Catulls Lied vielfach mit dem von Piodar und Euripides benutzten Obereinstimmt, so giebt dies wenig- stens eine gewisse Bestätigung meiner Vermnthung; auf den thesiodeischen Charakter' der Dichtung Catulls hat man ja häufig geoog hingewiesen.')

Ob Thetis in der Dichtung mit besserem Recht Nereide ist, als Poseidon Heergott? Ihr Verhältniss zu Hera und ihr Cult im Bioneolande begünstigen den Zweifel. Alt ist dieser Cult am Thetideion; so zog er, als das Epos zu wirken begann, den ur- sprünglich am Pelion und vielleicht in lolkos heimischen Peleus hierher. Aber nicht die Stadt der Thetis, sondern der nicht zu fem liegende, machtvoll aufgeblühte Herrschersitz von Pharsalos, deneo Burg ja wirklich bis in mykenische Zeit hinaufreichen mag^ nahm ihn in Anspruch; er erscheint als Herrscher eines inner- theisalischen Reiches. Die Feier der Hochzeit freilich liess sich ▼om Pelion nicht loslösen. So erzählt denn Pherekydes (Fr. 16) inma Ilrjkevç ç;;^€to elç O^lav Qiriv inl vùv ÏTcnwv toiî- îow ayuyif xa2 ^hbl Iv Oaçaâlq) mal èv &eTidei(py o maXelrat ono Tïjç Oéridoç. Mit ihm stimmt auf das genaueste Euripides io der Iphigenie in Aulis. Während er V. 704 ff. den Ort der Hoch- zeit beschreibt

yafieî di nov viv; rj xor' oldfia novviov; Xlgwy ïv' oixel aefAva Ilfillov ßi^qa, ov (paoi Kevtccvgeiov (fiKla^ai yévoç; lvTctV'9'^ idaiaav Ilfjléœç yàfÂOvç ^boL ▼erlegi er die Herrschaft des Peleus in die Gegend von Pharsalos (V. 712.713):

1) Mit dem Schloss vgl. besonders Fr. 216 Rz. Origenes (c. Celt, IV 79 «• 1 349, 25 K5.) sagt, wenn ein Gott die Welt regiert, so mass er das Menscbeogeschlecht in seiner Frühzeit ganz besonders gehütet und geschirmt haben, £mê uax* à^xù^ htifuHav yayordvat t^s &Biaç ^aeats n^ès ravs âr^^mnovs* anêç fiai 6 *AoMQaloç notijxrjÇ iwomv •In»

Svrai yàç tore SaïxêÇ ^av, Swol 9b &6atM0t à&avàxotui &BoXat xara&vriTOêS r' âv&^wnots. UmB könnte direct aus dem Liede aaf die Hochzeit des Pelens genommen sein. Nirgends würde es besser passen.

86 R. REITZENSTEIN

olxel d* aa%v nolov 'ElXadog; ^Anidavbv afiq)l no%a(ibv iv O&Lag oqoiç.^) Es ist daoach immerhio wahrscheiolich , dass schoo Hesiod Pbar- salos ak Hauptstadt vod Phthia uod Sitz des Peleus kannte. So ▼iel aber ist sicher, dass keine altere Tradition die Gotterhochieit nach Pharsalos verlegt hat« Das hat erst Catull oder seine alexan- driniscbe Quelle gewagt, und kein Dichter ist ihm darin gefolgt.

III.

Das Reich des Peleus ist fQr Catull ganz Thessalien, die Haupt- stadt und der KOnigssitz Pharsalos. Hierher kommen Ton der einen Seite die Re wohner von Kierion, von der anderen die der an- stoasenden Rergthflier der Phthiotis*); aus der Östlichen Ebene zunächst die Rewohner von Krannon, dann die des entfernteren Larissa. Die berühmte Angabe des SchifllBkaUlogs (681—683) bat die Regrenzung des Reiches gegeben; dem Achill geboren %o Ht- laaytxoy "^Qyoc^ d. h. nach dieser Auflassung das Flachland Thes- saliens, eine Anzahl KOstenstlklte und die bergige Landschaft Phtbia (YgL z. R. Strabo IX 431). Aber der Dichter meidet die home- rischen Stidtenamen« die keine rechte Vorstellung geben : er nennt die Hauptstädte, welche die Gegenwart in der Ebene Thessaliens kennt, und die Thiler Phthias. Alles ist so modern wie möglich gehalten. Wie in den Diadochenreichen die Rewohner von aUen Seilen au den Festen des Königs in die Hauptstadt zuammen- strOmen, so hier die Thesmia fubn (nicht die Myrnudonea). Das kann seinen Anla$s in einem Zug seiner Vorlage haben, die ja wahrscheinlich die umwohnenden Kentauren zu dem Feste kommen liess; der Untenchied ist dennoch gross« die Einftlhmng der schaulustigen Unterlhanen in so schneidendem Widersprach zu

O In der An4i\t«i«ck^ mini ^tt R««b an $epU$>G«stade» das WehiMB d<« juniBir« IVarr« «m TtHriU^ioii, ««mich Pbannlo« als cigenüickcr Herr- •ckaftwiu ermiluit i^ Kuripi^f« t»ai ia dies«« Slack die Fcstföcr duck di^ 0<MI«r vwawbM^ui« ba «iclit <^a4scb^4bar.

t) tW» #^Uài<f4k>« iMigNT in 4w«MT YefftkiaJttig aickt aUfeawia die Thiler Hh«mU«m bettKkM« kaaii« bl m\4il Uar» Km WsliwBie lagikr ist nolhr «^•iIh|[, <U» MikluMK^ rr«ir>« «icli^ »Klit ije««ràL dachte frihcr aa ^a im<«t«« T<r«f< oie^ Stefh. ^. I^tssm Xfmvwv^ mi4 «mb weMcm Ge- Kra»rlk 4«« N«nMNM l^tàu; «b«c O^nni^ Kèw(K4<M« piwia aicki ia dca

/ttAMMIM«kail^, HtN SUÜIM .'<^^. I tl^ micü MlÙhKè

DIE HOCHZEIT DES PELEDS UND DER THETIS 87

der Hochieitsfeier durch die GOUer, das« ihr eiD bestimmter Zweck tu Gmude liegeo muss. Für eioeu Römer wäre die Er- fiodnog seltsam.

Für CatuUs Beschreibuog gebeu die Adouiazuseo Theokrits und mehr ooch die SchilderuDgen alexaodrioischer Feste bei Kai- lixeioos vod Rhodos (Atlieo. 196 Äff.) das Verstand niss. Das gaoze am bestimmten, vorher verkündeten Tag zusammengeströmte thes- salische Volk fasst bei GaluU der üppige Riesenbau des Palastes. So weit er sich dehnt, strahlt alles von Silber und Gold; an den Sesseln schimmert das Elfenbein; auf dem Prunktisch funkelt das kostbare Trinkgeräth. So lässt Ptolemaios Philadelphos innerhalb der KOuigsburg die ungeheuere Festhalle, das ovfinoatov, für 120 miXyat errichten; an den Wänden hängen im Wechsel silberne und goldeoe Schilder; die xÀtyot selbst sind vergoldet, neben jeder zwei goldene Dreifüsse, hinter jeder ein silbernes Waschbecken. Der Kredenztisch aber trägt, zur Schau ausgestellt, alle Arten von TriDkgefïisseD aus Gold und Edelstein. Bei Catull steht in dem HiUelraum das Ehebett aus Elfenbein^ dessen Purpurdecke ein- gewebte mythologische Bilder zeigt. Genau so werden die yiklvai in der Festhalle des Ptolemaios beschrieben, deren Decken kunst- vollste Weberei zeigen (vgl. auch Theokr. 15, 80—83); an den Winden hängen neben den Bildern Stoffe, welche die Porträts der KOoige oder mythologische Scenen darstellen. Den freien Raum vm den Festbau des Ptolemaios überwölben Myrthen, Lorbeer und aadere geeignete junge Stämme, bei Catull bringt der Peneios schbnke Buchen, hohe Lorbeerstämme, Platanen, Erlen und Cy- prenen und pflanzt sie rings um den Königsbau vestihulum %U natu vdatum fronde vireret (ganz ähnlich die neçlavvkoç avçiy^ aa dem Ptolemaiosbau).') Bei Catull bringt Chiron Kränze, an denen besonders hervorgehoben wird, dass in ihnen alle Blumen der Ebene, der Bergeshöhen, der Flussufer Thessaliens vereinigt sind. Dasselbe Empfinden wenigstens zeigt sich, wenn auch bei dem Fest des

1) Auch der Römer in Gatulls Zeit baut ja, wie mir E. Schwartz zeigt, die irieiima wohl einmal so, dass sie Aassicht auf viridaria haben, und be- recbiiet den Uchteflect (vgl. ad AtHc. \\ 3 mit Vitruv VI 3, 10 fiunt auiem mon Jialicae eomuetudinis oeci, quoi Graeci Cyzicenos appêtUmi, «.^•#. ood mit VI 7,3). Aber der Alexandriner allein kennt und übt das Geitiier-Knnststfick, derartige Anlagen um einen für den Augenblick errichteten Festsaal zu improvisiren.

88 R. REITZENSTEIN

Ptolemaios in den RräDieD und auf dem Boden sich alle erdeok- Hchen Blumen verstreut finden, die man in keiner anderen Stadt in solcher Vereinigung antreffen könnte.*) An all dieser Herrlichkeit dOrfen die glocklichen Unterthanen des Peleus, wie des Ptolemaios sich vorher satt sehen, dann haben sie den eigentlichen Gisten des Herrschers Platz zu machen.

Ich lege auf keine Einzelheit hierbei Gewicht; das Ganze der Schilderung weist nothwendig in die Diadochenzeit. Dass Gatull einem alexandrinischen Dichter folgt, scheint mir damit erwiesen. Aber auch fOr diesen ist es eigenthOmlich genug, dass er die Be- schreibung des Festes so unverbaut der Gegenwart entnimmt und wie wir jetzt wohl sagen dürfen zu diesem Ende die Hochzeit vom Pelion nach Pharsalos verlegt.*) Wenn er die phantastische Scenerie der alteren Dichter, die Kentauren , den Tanz der Nereiden, endlich die Beschreibung des wunderbaren Symposions als zu gross fOr sich aufgeben und sich auf eine einfache Erzählung der Ankunft der Gotter beschränken wollte, so lag es dem alexandrinischen Em- pfinden fast näher, archaisch schlichte und bescheidene Verhält- nisse durch die Anwesenheit der Götter adeln zu lassen.

Betrachten wir die weiteren an der Vorlage vorgenommenen Aenderungen. Dass Prometheus unter den Gästen erscheint, wird aus Aeschylus zu erklären sein; das konnte ein Römer so gut wie ein Alexandriner einfügen. Dagegen vermag ich die offenkundige Neuerung in den Versen caelo te solum, Phoebe, relinquens mifr- genamque simtU cuUricem montibus Idri; Pdea nam tecum pariur soror aspematast nee Thetidis taedas voluit cekbrare iugaîîs nicht unmittelbar auf Aeschylus Fr. 350 zurückzuführen; hier wirkt Piatos Tadel, der dies als eine unwürdige, streng zu verbietende Erfindung der Dichter hinstellt (Rep. II 383 B). So wird hier betont, dass der Sonnengott den Himmel doch gar nicht verlassen haben kann; fOr ihn treten die veridicae Parcae ein und singen ein Lied perfidiaê

1) Gewiss konnte für diese Erfindung bei Gatull ein Zug seiner Vorlage den Anlass bieten (Earip. Jph, 1058 àvà J' iXaTcuai are^avûSêëi xU^ &iaaoç ifiolev innoßoras Kevrav^tüv); die Ausmalung ist alexaodriniscb.

2) Ich erwähne schon jetzt, dass nach Menander {Rhei, gr, IX 271, 12 W.) derartige Beschreibungen zum émd'aXnfiêoç loyos gehören: ovt^êk^lv^B /Ur ovv 17 nohs, aweo^a^eê 8i anas, nenrjyaa Se naarâSëÇ, olat ovx éxi^tf noxi' d'àhxfioç Si nenoUilrai äv&aai ual yça^aXs nat^oiatç noXl^ Tfjv léfçoSirijv ix^ê. Vgl. [Dionys.] Techne IV 1 ô ya/ioe êfoiiuv nawtjyv^m

"«W Kai veo/irjri<f nai Sij/uneleX éoçrfj rijs Ttoletas.

DIE HOCHZEIT DES PELEUS UND DER THETIS 89

^uod post nulla arguet aetas und das natürlich demzufolge aach den Tod Achills vor Troja schon ausdrücklich erwähnen muss. Piatos Republik ist dem Dichter und dem Publicum der Alexandriner- leit selbstverstSlndlich bekannt'); far den Römer wäre die Rücksicht auf sie eher befremdlich.

Die Vorgeschichte der Hochzeit ist völlig zur alexandrinischen Liebesgeschichte geworden. Bei einem bestimmten Anlass, der icbarfsiDDig erfunden und breit ausgemalt wird, tauchen die Meer- jungfrauen aus der Flut, die sie sonst vor den Blicken der Sterb- lichen schützend verbirgt ^^ denn ganz wie die übersittsamen, im Hlafiog versteckten Jungfräulein der alexandrinischen Romanzen siod sie geschildert aber freilich trotz aller Neugier vergessen »e die SchicUichkeit nicht nutrieum tenus extantes e gurgite eano. Da sah Peleus die Thetis und entbrannte in Liebe zu ihr und Thetis erglohte für Peleus, und so gross war beider Leidenschaft, dass Zeus gar Dicht anders konnte, als ihre Hochzeit festzusetzen. Auch für diese Erfindung kann die Vorlage einen Anhalt geboten haben; die Art der Erzählung und die Betonnng der glühenden Liebe auf den ersten Blick (alles genau wie in V. 86 ff.) gehören durchaus der slexandrinischen Erotik an. Zugleich empfindet man in den Versen eine gewisse Polemik, oder besser, ein Bestreben, die Erinnerung an frühere Behandlungen des Stoffes im Hörer unschädlich zu machen. Die wirksame Litotes tum Thetis humanos non despexit hymenaeos (^1* V. 335) widerspricht dem bekannten Hlrjv avéçoç eivfjv noüa fiat* ovx iô^éXovaa und den von Statins aus griechischen Vorlagen übernommenen Klagen d^r Göttin über das Unwürdige ihrer Ehe. Die Worte illa non alia . . luce*) schliessen eine Zeit- folge, wie die bei ApoUonios gegebene aus; sie lehnen, was wich- tiger ist, auch die Sagen von einer Ueberwältigung der Thetis vor der Hochzeit oder von einem Belauschen der nackt am Strande

1) Vgl. EaphorloD Fr. 124 M. Die Beschreibang der Parzeo scheint in aJexaodrinisch- realistischer Ansfûhrung das Gegenstück za Piatos erhabenem GenâJde. Aof die Möglichkeit einer Berücksichtigung der Stelle bei Kolluthos ist Sw 83 A. 3 verwiesen.

2) Ich kann mich nicht entschliessen, mit Vahlen (Ind. led, 1896/97 S. 7) in y. 16 ilia alia atque alia . . luce zu lesen. Abgesehen von der sprach- licbeo uod metrischen Härte und dem Bedenken, dass es hier gar nicht auf das allmiblige Veninnen angemessener Zeit ankommt, scheint mir der Zu- satz nuirieum tenue «• q, s. ungezwungen nur an die Schilderung eines Momentes schliessen zu können.

90 K. REITZENSTEIN

liegenden Göttin durch Peleus ab (vgl. 0?id Mama. XI 221— S Nackt ist Thetis auch bei unserem Dichter, aber die Fliith ^eii sie; das ist im Gegensati, doch aus demselben Empfinden geacha aus dem Apollonios in der Operetten haften Scene der Rettung Argo durch die Nereiden die Göttinnen im Wasser Kleider Ur. und sich, wenn sie sich auf Klippen oder Wogenkämmen tc müssen, nur bis zum Knie schürzen lässt. Die eigenthQmli« Umgestaltung ist wohl, dass, wahrend die gesammle jüngere P< eine baldige Trennung des Peleus und der Thetis und einen £ kennt, hier die untrüglichen Parzen yerkOnden nuUa domui unquameantexit amores, nulhu atnortali coniunxtt foedere ama qualis adest Tkettdi, qualis concordia PeUo.^) Nun hat g( nicht erst Aristarch die Bemerkung gemacht, dass nach der Thetis den Peleus nicht verlassen hat; ein Anlass oder besser Rechtfertigung der Erfindung lässt sich aufweisen; kein Einzc überhaupt, der sich nicht durch Beispiele belegen liesse; aber Ganze wirkt eigenartig und nimmt sich fast wie die officielle Stellung der Liebe eines fürstlichen Paares der Alexandrine aus. Die Prophezeiung der Parzen ist in einen Hymenaios woben (V. 323—338, 372—382), dessen Anfang noch an das, wir ?on Sapphos Hymenaien wissen, erinnert Die Vorlage setzt Beschreibung des Festes fort; Thetis kommt mit ihren Schwesi das Gelage entwickelt sich: unser Dichter bricht mit dem H; naios, mit der Aufforderung zu seligem Liebesgenuss ab. So sein Lied wohl für ein alezandrinisches Hochzeitsfest verfasst etwa in einem Sangerstreit bei ihm vorgetragen sein.'} Wir um hierfür die richtige Beurtheilung zu gewinnen, einen Blicl die Hochzeitspoeaie der Alexandriner werfen. Freilich können ihr nur auf Umwegen naher kommen. Ich will ihnen zuni sogar überflüssig weit nachgehen, um bei der Gelegenheit aul schönes und, wie ich glaube, doch wenig bekanntes Lied hl weisen.

Von der Hochzeitslitteratur der Griechen haben wir, von Fragmenten abgesehen, die rhetorischen Vorschriften des Pse Dionysios und Menander, eine Rede des Himerios, zwei Reden

1) Die oftovoêa wird in den Hochzeitsreden immer propheieit.

2) Natörlich als Epyilion nicht als Epithalamion; Theokrit rerw« Aitieodichlung und Epithalamion. Wie der Alexandriner vergleicht qdi er empfindet, zeigt Theokrit XVII 53 ff. und Glaudian IX, Sidonios X.

DIE HOCHZEIT DES PELEUS UND DER THETIS 91

Chorikios') und die mit eiuem Theil derselben sich berQhreDden ^ioiiç ël yafÂrj%ioy bei Aphthonios und Libanios. Hit ihnen wieder hangt eng zusammen die in mehr als einer Beziehung inter- enante avyxQiaiç naç&evlaç xal yàfiov, welche Gregor von Nazianz in sein Gedicht Unaivog naç^eviaç aufgenommen hat') Des Zusammenhang mit den ^éaeiç zeigen besonders gut die Ein- wisde gegen die Ehe. Aus den geschickten, aber recht nOchternen Aoifithningen hebt sich m. E. im Ton fühlbar eine Eindichtuug von V. 238 an ab« In un?ermitteltem Widerspruch zu den ?oraus- gebeiden Behauptungen, dass die Gottheit selbst und alle himm- lischea Wesen jungfräulich sind und dass die Ehe nur wegen der Schwachheit der Menschen für sie förderlich ist, beginnt Gregor îtQdha ^eog navTwv yevéTrjç .... %(^ 6^ %7tt deofiog Ïqwvoç, ènel xal yala xal al&ijç ^tal novzoç Texieaai, ydfiov ôciçoiai, Té&rjkev Bart schlieast hieran der zweite Gedanke

d d' ireov çoivi^i no&ov vofiog v^pixofioiai, ynywfiivovç ^kvv %e xal äcaeva eïaçoç äcf^ iqfoxofAiüv naXafifjGi ßcveiv ßoTcviidea xaçnov^ d de xal ix ôvâôoç ki^axwv Xid^og eig ev lovaijç ^^%ix%€Tai, (og ivinovoi kl&wv inUaxoQBg avdgeg, lini xal atlwxoiGi ydfiog xai deafdog ïçwrog. oiUlo; %l fioi ^eivùtv, q)ik6rrjg, fii^iav %b tvo^wv ve; èéçxeo fiecOTteaai yâfdog Ttôçavvev ixéq>Qwv.

\) R. Förster Ind. led. VraiUlav. 1891.

2) Migne ill 522 ff. Conn. mor. 1 und 2; das zweite Gedicht enthält

<fie Dothwendige Fortsetiong; die nicht sehr geschickt eingeflochtene av/xçurts

mite 1, 217—732, der Preis des rafios 215—341. Das Gegenstück zu dem

zwdteo Gedicht bieten die Fa/itiKà naçayyéXfuira des Nauroacliios, vgl. Sto*

bum 68, 5 (ans der Einleitoog) und 74, 7; Tgl. 68, 5, 9 ei Bi ce nal iwoUf

n^&9Q ßwtoeo x<xaro«, *ud Tovro n(to9aeii i^i», Tfws x^V ^^ Tte^aaê rov

«itfvr, ms fpoffivj rov Bevrepov evf>(^i &vfi^ mit Gregor 2, 413 Tovreney ij

ma&m^ijp àona^eo nofina» à^Ttjv (d^are Edd.) na^eritjVj tXcoiye fââvoQ xal

^ßii ô^teçtf^ fii fa/unf cricyeiif tov ofwiêop^ c^s ivénovaiy Sevreçov in nffOL-

99W uedàp nl6ov. Mit Naumachios V. 6 iv^a ya/toi ueBvol uai àXij^êeç, fy^a

fuyêlta ^eanêaioéS inéeccê varj/nara tpâea tiicreê, vgl. Gregor 1, 540 àXlà

&ef lUfinmMaw clor voop^ in Si &eoîo x^eiacoct xai rexécev yewrifiaa^v

9i^aXiovoet¥ ilxeeçj Ka&a^ok te vojq/iaiaw èx xa&açolo. In der Benutzung

dct Sympoaioii könnten beide durch Zufall übereinstimmen, die eigenartige

Beiiotiang des platonischen Saixeços nXovç zeigt, dass Naumachios von Gregor

abhiogig ist Er ist wohl Zeitgenosse Gregors.

92 R. REITZENSTEIN

Eine AufzabluDg solcher ^ivoi nà&oi giebt Achilles Tatiiis I 17 er erwähnt den Içcciç U&wv,*) den yà/doç fpvxwvy and swar m besonderem Verweis auf die Palmen,*) sodann die Liebe und Eh der Ströme') und die Ehe der Fische. Mit Gregor stimmt in de Gedankenfolge Himerios ($ 8) %bL%ê%ai di xal (purà xai Ç^ xal yij olxeîtai aal vo vrjxofievov lafißavei &âlaaaa xal ch} içàvf] rt%eçip noçevaifdoç. iq>^xê de 6 Fafioc xal qfvtà ^ %oîç xal notafAOvç m^yaiç xai xâlaÇav xal ofißQOvg %fî y^,' Noch fehlen die fiv&oi, die Gregor erwähnt; sie schliesae offenbar an die bei ihm ?erdunkeUe Behauptung, dass auch di Gottheit dem Zwang des Eros unterworfen ist und daher das Welta entsteht. Die AusfOhrung giebt Himerios $ 7 t^y ô^eoç xal qrûaé ... § 8 ôévTéçovç ôè yafiovç (àb%* aitovç ^xeavov xal T\ ^oç ... in demselben Zusammenhange.*)

* Gregor fôhrt fort:

tiç ao(fir]v iôida^c çiXtjv xal ßiv^e^ avevçev

250 oaaa x^^^» ^^^ novxoç, Sa* oiçavoç itroç iéçyei; Tiç ftxoXuoaiv ï^r^xe vofiovç; xal twvôe nàqoL&BV riç rt%6Xiaç à* àvéyeiçe xal êigeto lAtfitai %éx^ag; tiç nh]aev (d') àyoçàg xal ôwftava; xal %lç aywpaç; Jiç axQotov iv noléfioiai xal |y &aXif]ai tçani^ç;

255 riç x^Ç^^ vfAVt^Tf^ça &vfid€t Tttj^aro vriÇ; tiç &rjgwv xarêXvae ßiov xal yaîav ègàaaeiv xal q^vtOBçytlr^v iôiôa^atOy xal nêhiyeaai vf/ j/ra9>j^x€ fiékaivav ineiyofiévr^y àvifâoiai; ttç yaîcnf xal novtov vygij avéôïïjoe xelevô^

200 jtôatfi yâfAOt\ ta ôh noiXov anànQO&ev elç er àyëlçêi;

\) V(r). Theophrist 9r<^ It^mr § 5. Plio. n. A. 36, 134.

2) Die PariHelfo aus Kallimacbos odö der gesamiBteB too den Alexa drinern bebenschten Litteratur giebt Dilthey df C4tliimachi Cydippm 79.

3) Alpbeios aod Areihosa als Beweis für die Macht des Eros ibnlich dem aus eiaem grössereo Gedicht excerpirten Id. 6 des Mosches; in aodi Verbiodung erwähnt ihn Gregor im iweiten Gedicht V. 596 und Statins Sih, 2,203 0:

4) Es folgen, wohl ans andrer Quelle , eine Reihe tos Sagen tob d Liebe der Ströme. Mit Himerios t»erûhrt sich eng SutHis 5ilp. I, 2, 183— tC Breiter ist Menander (ilAef. frmec. IX 267. 7—26$ Wall), ancb er Tenre anf Alpheio« nnd die Liebe der Palmen; doch ist die Ânordnang aaders.

5) Aehnlich. doch nach andrer O^^l^ Meoander 266,7flC

DIE HOCHZEIT DES PELEUS UND DER THETIS 93

Dl» Gregor hier eioe Vorlage abgeschrieben bat, ohne sie zu ver- steben, leigt die Widerlegung V. 429—440: das alles hängt mit der Ehe doch gar nicht zusammen und macht ausserdem nicht glocklich. Wir finden den Gedanken, dass die Ehe den Städten, Markten u. s. f. die Henschenfalle giebt und dass aller Culturfort- tduritt, Kunst und Wissenschaft nur in der ununterbrochenen Folge der Geschlechter, die aus der Ehe folgt, entstehen konnte, auch bei Libanios (IV 1060 R.) und näher an Gregor anklingend bei Menander 267, 4 wieder ort di* ovtov o'äkazxa TtkeîTai^ di mov yewçyeitai yfj, o%i q>iXooo(pla xal yvwoiç tdv oiga- fim öl* èxeîvov ea%i xai vofioi xal noXiTeîai xai navra mhLç Ta àp^çùiTteia. Gregors Vorlage aber hat danach den Fafiog nun Erfinder, zum evQetijç aller dieser Dinge gemacht, genau wie Himerios $ 9 narra avxfß avve^evçe xal avvenoQiaev olç fil Te oixeivai xal ^dkarra' ^ççrj^e fièv yrjç ôi av%oi àço- Tçotç dlaxa, oxâq>oç de ènaçfjxë toîç xv fiaaiv, ïn- novç 6b tf/alloiç ineiaev, $ôœxe de noXéfi(^ fihv Snka^ itQTivrj ôk &aklaç. Eine derartige Kühnheit möchte ich eher einem Dichter als einem Redner zutrauen; dass er an die philo- sophischen Constructionen der Urgeschichte und die Litteratur Ober svQrifAora anschliesst, zeigt alexandrinischen Einfluss. Eine gewisse Aehnlichkeit bietet der Preis der di agrestes bei TibuU U 1, UDd schon ?or diesem hat Calvus wahrscheinlich in einem £pi(halamion Demeter als Freundin des Fafjioç das vollbringen bssen, was Gregor dem FdfAOC allein zuschreibt et leges sanctas éêQât et eara iugamt corpora conubiis et magnas condidit urhes. Gregor hat seine Vorlage nicht verstanden, als er V. 251 xal vtavoe nd^id'ev schrieb.

Zum letzten Theil geht Gregor fiber: Kai va (ikv iv^dde %ola, ô^ vipôd^t nokXov açelw. àXkijkoiai x^Q^S ^^ ^^^ ovata xal noôeç kofiiv avÇvyljjf ôinXovv de ydfÂOÇ xal avakxiv e&rjxev, XOQfia fiéy^ evfievieaaiv, axoç ôé ze âvofxevéeaaiv.^)

1) Der Gedanke erklärt sich aus Antipater nagi yâfwv Stob. 67, 25 optoi- ya^ àcruy oiS tX t«6 fila» ixaw x^Hf^ irsQav no&av ncoalaßoi^ rj ttm. n63a tx»v txtijov akhtxôà'ÈV iitnrflaxo, dtç yà^ ovtos noXv âv ^ov mml ßalBiötu av ^éloê xal n^ayayovwo, ovrtûS 6 yvvaïxa eicayéfuvoç ^qov mnuXtf^fmras ràç «atà rov ßiov at^jfjçiovs xai cvfifegovaaç x^eiaç. àpri ymvw 9vo è^&aXfê£v xif^^rttu récaaçaê xal avrl Svo x^Hf^^ été^êS Toccetf

94 R. REiTZENSTEIN

265 §vval xal fÀêXeôùivai iXaq>QiCovoiv àviaç,

^vrai d* 8vq>Qoavvai ylvxeçtitëçai àfiqxnéçoiai. TBQTtvoTBQOÇ fABv TtXovToç ôfÂoq>QOvéovGi Tevvxrai, TsçnvotiQfj nlovTOio ô^ ofioq>Qoavvr] %a%éovot. Die folgenden Abgcbnitte sind von Gregor theils nach BibelsprOcheii umgebildet, tbeils im Hinblick auf christliche Verhältniise hiniii- erfunden. Was hier fehlt, zeigt die Widerlegung V. 592

vli^eaaiv ava%Xoâovai tox^eç

yrjQoxofÀOiç, àkoxtp t6 noaiç aXoxoç ts àxolvf].

Gnà^ovTi viç ßeßawg fiéy^ ÏQBiOfia.

Dem entspricht in derselben Reihenfolge bei Himerios $ 9 {Jtomu) xaï yijçif tifiijv xal rjßaic av^og xal naldiov ykvxelaç èhxlôaç. Wortlaut und Reihenfolge verbargen, dass Gregor und Hime- rios in diesem ganzen Abschnitt eine gemeinsame Quelle benutieBy und als ein Ganzes kennt diesen Preis des rdfAOç auch Chorikios (Förster S. 19, 20—20, 1).') Die im weiteren Verlauf der my- xQiaiç nicht ungeschickt benutzte ^éoiç war es nicht, und da Himerios (§12 Eingang) ausdrücklich bezeugt, dass sich dieser Preis des FafAOc auch in Hochzeitliedern finde und noch zu seiner Zeit in denselben regelmässig wiederkehre, werden wir an ein be- kanntes Hochzeitslied am liebsten aus alexandrinischer Zeit denken. Der gewaltige Einfluss, welchen die alezandrinische Poesie auf Gregor übt, bat m. W. noch keine genügende Darstellung ge- funden.*) Mit ihr steht auch der km^aXâfAtog kôyoç^ wie ihn

Ta«ff, ok xai à&çotûS nçârroi ov Qqov to fà.v x^^Q^^v é^ar. Der ans Plato Symp, 189. 190 herausgebildete Gedanke hat bei Gregor in Y. 263 so wonder- voUen Ausdruck gefunden (während doch 261. 262 zeigen, dass Gregor die Sache nicht versteht), dass ich auch das Original dieser Verse troti des nahen Anklangs von V. 264 an Od. 6, 184 für einen älteren Dichter in Ad- sprucb nehme.

1) Vgl. z. B. 19, 30 fièv ovv nalypui jov d'aov dipd^ nal li^avs èôj (xal nix6yfi»vd re xai vri%6fieva yévrj xal norafiov r&va nriyr-Ç ifa" axriv q^érop afitx^Xoyos av^^.

2) Wenigstens so weit es sich nm die Erfindung, nicht den sprachlichen Ausdruck bandelt. Gleich der erste Vers unserer Ausgaben (Hda /sir ds ax*9i^at fiax^op nXàav ixne^omfisv verbürgt durch seine UebereiostimmiiDg mit Properz III 9, 35. 36 seinen alexandrinischen Ursprung. £aphoiioa (Meineke j4naL AI. S. 120) beginnt die Erzählung eines Traumes (des Herakles?) mit den Worten x^*Z^^ f^*** xvmaaom ntiç l4^avd'mvêO¥ cJsca«, Gregor (eamu de te 45, 229 Migne III 1369) mit den Worten xai nowé /ÊOê xvei^aopti na^iara/TO rolaç Cveêçoç; das Traumbild selbst, die Beschreibnog 4er

DIE HOCHZEIT DES PELEDS UND DER THETIS 95

Meoander UDd Himerios cbarakterisiren, im eogsten Zusammenhang; ift er doch nur eine Art des içwvixoç Xoyoç und zwar diejenige, Id welcher der Brauch des taglichen Lebens, das beständige ge- meiDsame Auftreten ?on Rednern und Dichtern« eine fortgesetzte Wechselwirkung von Rhetorik und Poesie am meisten erzwang.

Als classische Vorbilder dieser fortlebenden und wenigstens zum grossen Theile ?on den Alexandrinern abhängigen Poesie gellen dabei die Hochzeitslieder der Sappho. Das bezeugen Pseudo- DioDysios und Henander, das zeigt Himerios und bis zu einem ge- wisseo Grade noch Chorikios.') Eine treffliche Bestätigung giebt Gregor in der Klage des Sohnes des Vitellianus,*) der von der flochxeit seiner Schwester ausgeschlossen ist und doch gar 10 gern seine poetische Begabung in einem Liede auf die flochxeit gezeigt batte.*) JOnglingschOre umringen den Bräuti- gim und preisen ihn ioixova içveï xaiU^/) Jungfrauenchore Khmflcken offenbar ebenfalls unter Liedern die Braut hr den Svtlafiog, einzelne Sanger, leider nicht die besten, singen : ttUoç aeias xaXlLoç iov, ^av^olaiv vno nXoxâfioiai (léXaivav ifp^w vnegvéXlovaay in^ açyvQéfjOi naçeuxîç. ï a ne gov bÏ-

Widen Joogfrauen ist durchaas alexandrinisch. Den langen Aofzählungen der liederatoffe, welche der Dichter nicht besingen will, entspricht bei Gregor (com. de ae 34, 71 Migne III 1312) fiêlnœ 8' av T^ifjv, ovx evnloov oîa w Afyw, ov8i avoç xe^aXrjv^ ov noXvv 'H^anlsaj ov y^ç av^éa Ma oncH nêXayB99tiv â^^ar, ovk avyàs Xi&aMOfv, ov Sgô/wv ovçaviaar, **èè nô&aav fiiXnœ fiavii^v nal xàXXos itprißiov^ olct X\i(nj ftaXanov itfovn' àno n^orâçaav* fiiXnm 8' vrpifii8i»rta ^aov fAéyap tnX. Das ist, wie wieder Properz zeigt, alexandrinisch empfunden, und die Erwähnung von Kpen aof die kalydonische Jagd und Herakles mag auch direct aus einem Alexindrinef übernommen sein. Sollte in dem Letzten übrigens eine Hin- deotQog auf Phanokles' 'E^aneç ^ naXoi liegen?

1) Förster S. 16, 20 t^ vvfiftiv , . . San^êx^ fiaXip8iq Koa/irjCaf col XPftap ßh^ aî8oç xal OfL/iaxa fuhxçâ^ 'Eçm^ tiaX^ naçiicéxvraê nçoownqf (Sappb. Fr. 100 ßtaXUxiOC J' in* tfiêçrq^ Ke'xv^ai n^oao^ntçi) ual aa rari/irjxar iffixtK ri *AtpQo8ixri, aXX* inai ovtm (Cod. ovnto) r^s ^anf>ovç fjxQodatu mM^ mL Man vergleiche hiermit die alexandrinische Ausmalung bei Hi- ■erios § 19, bei der man, wie Ghorikios zeigt, irrig an Anakreon Fr. 2 ge- 4adit bat

3) Carm. ad aUoa 3, 177^215, Migne III 1493-1495.

3) V. 198 17 yà(f àoêSrjç t8çiS iow no^iatv %a Fafiov uai Xdxzçov aaiaai . . ual ^aMfiOv /laXéaCGê 7tar(^s %6lov i^oMiatufd'tu, Die Hochzeitsreden erwibot V. 180.

4) Vgl. Sappho Fr. 104.

96 R. REITZENSTEIN

Qvaev aXi.0Çy éwaq>6çov aXkoç Seiaev. Die aus de Lebeo gegriffene Schilderung giebt wenigslens annähernd ein Bi ?on dem Fortwirken der durch Sappho in die Litteratur eingefOh ten Form des Hochzeitaliedea.

Wie die Hochzeitslieder Sapphos von den Alexandrinern nad geahmt werden, hat Kaibel an einer Aitiendichtung Theokrits zi ▼ollsten Anschaulichkeit gebracht. Aber auch Eratosthenes hl was man bisher nicht beachtet hat, in einem Epithalamion di Vergleich des Madchens mit der Rebe von Sappho entlehnt Nicht im Gegensatz zu den Alexandrinern, sondern im engst« Anschluss an sie und z. Th. wohl durch sie haben Catull, Calr und Ticidas fOr ihre Epilhalamien Sappho benutzL Sie fahre soweit wir erkennen können, die griechische Sitte solcher Die tungen in Rom ein. An sie schliessen die zugleich stärker ▼< der Rhetorik beeinflussten Dichter der ersten Kaiserzeit: zwisch* Catull und Statins steht Ovid.') Eine Vorstellung von dieser Poei giebt das Epithalamion fQr lason und Kreusa bei Seneca (Medea i bis 115), dessen einzelne Züge wir fast sammtlich bei Sappli Theokrit und Catull nachweisen können.') Das Vorbild wird Ofi Medea gegeben haben, da in der Epistel XU 137 der Hymenal ausdrOcklich erwähnt wird.^) Durch die Rhetorik und weit mei

1) Vgl. Elym. genuin. Avçotrxâs' r- â/untloç. fié/ivrjTeu ïla^d'iptos i 'HcaxXdi ,avçoffx^^^ ßorcw 'Ixaçêœvîrjç^. *EçaTOff&èvTjÇ iv *JSn*^alafd Hotà ßor^w icJSjfia. Vgl. Catull 62, 49 ff. Die wunderliche Missbaodlui der Stelle bei Hiller hätte schon nach dem, was Jacobs, Welcker und Wüste mann zu Theokrit und Sappho bemerkt hatten, unmöglich sein sollen; li verdient keine Widerlegung mehr. Ein Epithalamion oder eine diesem tci wandte Dichtung ist auch für Kallimachos bezeugt (Fr. 196 ^A^iv&tfi, œffiift yâftov Maraßallofi* àeiSeiv)^ fur Parthenios wenigstens wahrscheinlich (Fr. ) Mein. tXaoç, w ^Tfuvau),

2) Vgl. ex Ponto I 2, 13t iUe ego, qui duxi ve tiros iiymena99 ad ignea et cecini fauslo carmina digna thttro. Es scheint, dass dasUc wirklich gesungen wurde.

3) Man vergleiche, um die Unterschiede voll zu empfinden, die Ve Wendung des Hymenaios im älteren Drama (Eurip. Troad. 308->340, PhaMi Fr. 781, 14—30, Aristoph. Friede 1316—1357, Vögel 1720—1754). Einidi Wendungen (wie z. B. lumine non suo) verreiben alexandriniscben Einfloss; n V. 100. 101 pastor roscidus vgl. Kallimachos Hecale ed. GomperzIV U axtßif^ ayxovQas, Mit der alexandriniscben Schilderung der Hochzeit des Pelc berührt sich der Eingang ad regutn thalamos nutnine prospéra qui eofik superi quique regunt fretutn adsint cum populis rite faventibus,

4) Vgl. Leo Seneca I 168 ff.

DIE HOCHZEIT DES PELEUS UND DER THETIS 97

Docb durch allere Vorbilder hangen dann die Spatlinge der latei- lischen Poesie« Glaudian, Luxoriua, Sidonius, Dracontius, ja selbst EoDodius und Venantius mit der alexandrinischen Dichtung zu- sammen.

leb Terzicbte darauf, zum Beweis hierfür die EinzelzOge bei dieuD Dichtern in Himerios, Meuander und der alexandrinischen PoMie aufzuweisen^); stets kann hier die Rede, nicht die Poesie dieTermitÜerin gewesen sein; ich beschranke mich auf die grösseren ErflodoDgen, weiche Himerios ausdrücklich für Sappho oder ,die Dichter* in Anspruch nimmt')

{5 Alle Dichter lassen im HochzeilsHede Sappho den Preis

und schliessen an sie; sie errichtet den d-akafiog*) sie

tritt nach den Wettgesangen herein, sie rüstet das Lager,

(A) sie beschreibt die Braut und den Bräutigam ; sie führt

Aphrodite auf dem Wagen herbei mit den Charitinnen

und dem Obermüthig sich tummelnden Chor der Eroten

{ t9 (B) mit goldenen Flügeln und goldenen Locken. Auf die

Braut passen die bewundernden Rufe Sapphos et xaili^,

b Xagieaoa; sie ist ja Spielgenossin der Charitinnen und

der Aphrodite,^) ihr schmücken die Hören die Wiesen mit

dem Blumenteppich, über den sie in leichtem Tanz dahin-

(A) schwebt.*) Die Eroten umkränzen das Brautbett mit

Rosen, die sie in dem Garten der Aphrodite gebrochen

f 20 (B) haben. Ware ich ein Dichter, ich versetzte sie in den

(A) Hain der Aphrodite. (Zu der Hochzeit) riefe ich die

Musf^n herbei und die Nereiden und Chöre von Nymphen

und Dryaden, Echo und tanzende Satyrn, Pan mit der

1) Weoo z. B. aaadiao X 289 ff. den Briatigam mit dem Füllen ver- gleicht, ao dessen erster Uebealust die Hirten sich freuen, und Himerios § 5 teiellien Bilde eine neue, rein persönliche Wendung giebt.

2) Dass Himerios, auch wo er Sappho citirt, ihren Worten und Bildern hcttiodig jüngere Zöge beifügt (z. B. in der Schilderung der Eroten), erklärt äek ans leicht; die Ausführungen und Anklinge der jüngeren Poesie beein- ioiien ihn.

3) VgL Sappho Fr. 91; anders Glaudian X 213.

4) Vgl. das Fragment der Sappho bei Ghorikios S. 95 A. 1 und die Fort- aelmog bei Himerios.

6) ^iofv^ê Xa(nTB6 avfincUiovaiv , vgl. § 20 (nach einer alexan« dMniacben Einlage) x"^^^ ^^ Xa^ixatv nXêiafievos é'Staxsv âv TaU &aaXç

HoMsXXXV. 7

98 R. REITZENSTEIN

Syrinx und den gaozen Tbiasos des Dionysos. Aphrod aber (wie sie eben aas dem Meer entstiegen ist) lief icb zu Häapten des Bettes treten und mit süssem Lflcbc den Eroten den Befebl geben, das Paar mit ihren Pfeil zu treffen.') Verscbiedene Bilder geben, z. Tb. vielleicbt nicbt einmal durch d Redners Schuld, hier durcheinander; wir mOssen einen Anb suchen, um sie zu scheiden. In der lateinischen Poesie sonde sich leicht zwei Haupltypen. Der Dichter erzahlt entweder c Vorgeschichte der Hochzeit: Venus berflth mit Amor; er hat d< JOngling getroffen, sie begiebt sich zu dem Mädchen, um sie s Ehe zu bestimmen; zu diesem Typus gehört das Lied des Stati (ßilv. 1 2), ferner nach ihm Claudian IX. X') und nach diese Sidonius X. XI.*) Oder der Dichter beschreibt die Hochzeit seit und lässt alle Gotter zu ihr kommen. Venus kommt mit den Obe müthigen Eroten und mit dem Hymenaios durch die Luft zu de Brautgemach; sie holt als fronuba das Mädchen vom Scbooss d Mutter weg und führt es zu dem Gatten, vereinigt beider Hänc spricht die Segensworte und befiehlt zwei Eroten, sie mit ihr Pfeilen zu treffen. Diesen Typus vertritt am besten Claudian dem Hocbzeitsliede für Palladius; in allen Einzelheiten stimmt zu Himerios,^) und eine starke Benutzung älterer griechischer Die tungen wird bei Claudian niemand befremden; er genügt allei

1) Auf dasselbe Lied nimmt Menander IX 271, 15 Bezog: ^aXaftoç neTTOitulrai av&iüi xai y^atpals TtavroiaiS noXkr^v Sa tt^v l^y^fodixtjr i'x Ttêi&Oftai 8i xal "Mçanaç na^eXvai, Tofa fiiv èvrêivofiivovç ßäkq Si èfê fiOTTOvraç yaçfiâicOie nod'œv ràe dxiSas xç^^^*^^^ , ^^' ^^ '^às ywxàs m xvçeicovaiv àvanvêlv aXXr^Xaie,

2) Dass die Beschreibuog des Haines der Venus auf alexaodrioische V( bilder zurückgeht, bat Dilthey Cydippe S. 79 bewiesen; den Hain der Âphr dite erwähnt Himerios § 20.

3) Scherzhafte Weiterbildung ist Sidonius XIV. XV (vgl. Vollmer Silven-Gommentar S. 235 ff.); an denselben Typus schliesst Loxorius Bihrf PLM IV 237 ff. Eine wenigstens ähnliche Erfindung verwendet Ghorikioi der ersten Hochzeitsrede.

4) Carm. min, XXV; vgl. besonders V. 116—123 die Eroteo streoeo < Kosen aus den Gärten der Venus (vgl. die leichte Umbildung bei Statins bis 21). Mit Gatull LXI beröhrt sich das Gedicht in dem Gedanken, d der Festjubel selbst die Hochzeitsgötter aus ihren Träumen weckt, and der Beschreibung des Hymenaios (vgl. Menander 272, 7, Seneca Mn V. 67—70).

DIE HOCHZEIT DES PELEUS UND DER THETIS 99

um aus den AndeutuDgeD des Himerios ein zusammeDhäogeodes Lied la gewinneD. Freier spielt mit diesem Typus DracoDtius VI/) aber er ist im Wesentlichen uoabhaogig tod Claudian uod hat eineo eigenthOmlichen Zug mit Sappho gemein. Als Aphrodites Zaoberwagen das Haus erreicht, eilen alle Freuden ihr entgegen, tmm mre modesio anxia sola procul thalamo florente rdieto Ytr- pdàm pudibunda fugit raptumque pavescens fletibus ora rigat, quae non reditura recedit,*)

Sutius kennt diesen Liedertypus schon und nimmt im Eingang aosdrOcklich auf ihn Bezug ; er hat sogar die Form der Vision lof welcher die ganze Erfindung beruht am treusten bewahrt. Es ist dieselbe Form, welche Kallimachos in seinen Hymnen ver- weiMlet, and es ist dieselbe Vision, welche Kallimachos im Fr. 116 beschreibt eveav* IätcoHwv riß X^QV' ^^^ i'VQtjg dnovw xai m^EQtitwv "^a^ofirjv ïavi xàg>QOÔlTrj. Sehr wohl kann dieses Fragment daher einem melischen Hochzeitsliede angeboren.*)

Es ist ein weiter^ yieherschlungener Weg, der von Sapphos wttDderbaren Dichtungen bis herab zu den kläglichen Stümpereien eines Dracontius fQhrt^ und nur auf kurze Strecken fällt bisher ein dämmerndes Licht, wie wir ja Oberhaupt das nie wirklich unter- broGhene Fortwirken der alexandrinischen Poesie bis in die Aus- UiDge des Alterthums hinein, nicht mehr im Einzelnen verfolgen kOonen.

1) Zo demselben Typus gehört noch das Lied, welches Drtcootios VII 2Î-68 beschreibt, so wie z. Th. Enoodios 1 4 uod Veoantios VI 1. Vgl, auch CliQdian de com, StiUehofäs II 354.

2) Demetrios ytê^l é^fifjv. 140 naçà ^anfpol . vvfuyrj nçoi xtiv Ila^

3) Vgl. z. B. Dracontius VI 4 Fenus alma, poiestas Delphica^ flammi- poUm invasit tecta Cupido; vgl. VII 10 und für die Form der Einführung Cborikios (Förster 23, 24) nêi&o/iai tnfv ras Motiaas ror i/iivautv qBëiv und Menander 271, 15 (oben S. 98 A. 1). Die Ausführung wäre freilich hier eine au- to. So berühren sich ja auch die in anakreonteischen Maassen geschriebenen spâtgriechischen Bochzeitslieder nur ganz selten mit den hier berücksichtigten, te stark auch der Einfluss der Rhetorik auf ihre Verfasser sonst ist. Genau io hält sich die in lyrischen Maassen geschriebene Feseennina des Claudian (H— >XIV) und der (^nto des Âusonius auf einem anderen Gebiet und wird die Nachahmung einer ^^17 bei Himerios 20) deutlich von dem Torher- gebenden Uede geschieden. Die Verquickung yerschiedener Elemente bei En- oodios ist offenbar stilwidrig.

100 R. REITZENSTEIN

Den Dichtero entlehnt die Hochzeitsrede auch ihre myth« Idgiscben Beispiele, and hierfOr empfiehlt Menander 268, 15 d Stadium Homers und vor allem Hesiods: noiXà dh av%^ ip %o Kataloyoïç jwv yvvainLwv eÏQijrai ftegl ^eahf awovalag x< ydfiov.^) Das berühmteste dieser Beispiele, die Hochzeit de« Pelei und der Thetis, erwähnt er selbst als passendste Einleitung ein avBToç Xôyoç verbunden mit der Hochzeit des Dionysos and d Ariadne 265, 8: olov al Xéyoïç viog Jiv o%i yafiovrtoç Jiotvai 'uàQiââvrjv naçrjv o ^AnoXkwv xal rrpf kvgav ïnlrjTtev' îj 9 nrjXéwç yafiovvToç naçrjaav fikv anonfTsç ol ^eol xal tcgot fjeaav ai Movaai %ai ovx '^fielet %(âv Ttaçovrwv ixaaxog nçi Ttovaav av%(f àwqeàv xaqÜ^Bad'ai tip yctf^fi' a^' i fiiv idlêc dwQa, o dh HnltjTve XvQav, al êi rjvlovv, al di fjôav, *Eçpiê^ de ixtJQwre rov vfAvov roi ydfiov. Hesiods Lied ist dabei ebc so frei umgebildet, wie die Anführungen aus Sappho bei Hiffl< rios; der Redner bringt den Hermes loyioç herein; auch für di erste Beispiel wählt er eine junge Umformung, die wenigstens m nur aus Georgios dem Grammatiker (C. VU Bergk PLG^ HI 371 bekannt ist xi&âçijç ava§ 'AnoXliov yâ/aiov fiéXoç Xiyahê yXvKBQai nàgeiai Movaai BgofiUp yà^ovç %eXoiaai\) D< Vorschrift Menanders folgen Qaudian IX. und Sidonius X.; wei ihr Vorbild, oder besser, ihre Vorbilder für diese Schilfierung wirl lieh, wie ich vermuthe, Hesiod benutzten, so folgten sie au« darin nur der technischen Vorschrift und der herrschenden SitI Wenn ferner Himerios 20) angiebt, dass in einem Hochzeit liede die Musen uud Nereiden einerseits. Pan, Echo, die Satji

1) Unmittelbar Toraos geht die Aofsahloog der Beispiele Poseidon m Tyro, Zeus und Europa, Zens und lo; eine ähoUche AofsShloog bringt 276, j Dionysos und AriadDe(?), Aiakos und Aigioa, Peleos nod Thetis, Zeos w Leda, Telemach und Polykaste, Anchises und Aphrodite. Das vorletzte Bc spiel weoigsteos stammt in letzter Lioie sicher aus Hesiod (Fr. 36 Rs.).

2) Das gaoze Lied schliesst ausnahmsweise (?gl. S. 99 A. 3) an den Torhi besprochenen Typus: der Chor der Charitinnen rüstet das Lager, Eros nini den Pfeil des Himeros aus dem Köcher , der greise Nil schwingt sich mit i Reigentanz; so will auch der greise Dichter muthig mit tanzen und singe Die Hochzeit des Dionysos erwähnt in ihnlicher Gedankenverbindang m Menander auch Himerios 5) àuovm xal rov Ilàva &aàv ravrov xo^ fuar fUîiop ifiTivëtccu Tj oi(>iYYi, ot» xr^v li^tâSpijy Jêorvcos ir K^ifTtm âtrif^ç ivvfAtpavav, Beide Hochzeilssagen erwähnen femer Statins, Dnco tins (VII), Ghorikios, Psendo-Dionysios.

DIE HOCHZEIT DES PELEUS UND DER THETIS 101

und der ganze Thiasos des Diooysos andrerseits id das Hochieits- baas doziebeD, und die lateinischeo Dichter dies dadurch bestfltigeD, dass sie fast alle die CbOre des Apollo und die des Bacchus ein- fdhreD,') so ist die einfachste Erklärung, dass von allersher diese beiden ya^ioi d-etSv im Hochzeitsliede besonders oft angeführt werdeo und typisch sind.

So ist m. E. eine Erklärung, wie fOr die starke Benutzung gerade dieses hesiodischen Gedichtes, so auch für die Composition CaUiUs gewonnen. Nur wenn ich das Original seines Liedes mit einer Hochzeit in Zusammenhang bringe, vermag ich Gewicht darauf n legen, dass der Hochzeit des Sterblichen mit der Göttin die des Gottes mit der Sterblichen entspricht.*) Wenn der Dichter, um eioea Gegensatz und eine gewisse Mannigfaltigkeit der Töne zu fewinnen, das Liebesleid und die Klagen der Ariadne stärker hervor- treteo lässt,') so weiss er doch, dass jeder Anstoss und jede Qble Vorbedeutung durch den Schluss der Peleuserzählung beseitigt wird.

Dass das Lied von Ariadne aus einer alexandrinischen Vorlage stammt, beweist bekanntlich der bei Cicero erhaltene Vers des Ori- ginals nolka fÂàrijv xeçaBoaiv àéça &vfÀijvavja,*) sowie die Klage der Ariadne bei Nonnos.*) Dass es dasselbe Lied ist, welchem ittch die Hochzeit des Peleus entnommen ist, beweist ausser der l^procbenen Gleichheit des Inhalts die vollkommene Ueberein- ^mong des Stils.*) Der Dichter schloss in der Composition m.E. an

1) Falsch erklärt yoo Herzog Siatii Epithalamium p. 39.

2) Vgl. Sliadworth Hodgson bei Ellis Commentary* 280.

3) Dass auch dieser Gegensatz zum Preise der rechtmässigen Liebe in ^er Ehe dient, zeigt bObsch Lafaye CnUdU et see modèles 139 ff.

4) Der nnglûckliehe Zufall, dass Haupt bei demselben an die Hekale ^dite ond darum die Uebereinstimmung mit Gatull V. 111 unter demselben Mcbtswinkel, wie die übrigen ,An8pielungen* betrachtete, hat die Unter- üdiBDgen bis in neueste Zeit beeinflusst Mit dem Vers vergleiche Hesiod Schild 262 Bêêvà 8* is âXXrjÀas Sffâxov o/ifianfi &vfiirjvaaai,

5) Vgl. besonders Nonnos 47,368. 369, Gatull 139. 140; Nonnos 390 ^ 395, Gatull 15&— 163 u. a.

6) Sie zeigt am besten eine Zusammenstellung der Anklinge einerseits •B Homer ond Hesiod, andrerseits an Euripides und ApoUonios; Ellis bietet daffir wenigstens einiges Material, das sich allerdings sehr vermehren llsst, hcaonders wenn man bei Euripides nicht nur die Nachbildung ganzer Sitze, flaadern auch des einzelnen Ausdruckes, bei ApoUonios die Behandlung ganzer Seeoen mit hineinzieht Nicht die Prioritit des einen oder anderen der beiden alezandriniscben Dichter, noch directe Benutzung der ilteren bei Jedem ein-

102 R. REITZENSTEIN

Hesiod ; aber wIlbreDd dessen Lied tod der Hochicit des Peleas im Ver gleich mit dem früher besprocheneo PeieusUede wahrscheinlich nur da einfache Kunstmittel verwendet zeigte, dass ein Theil der Handlani in einen Bericht umgesetit war, etwa wie im ersten Theil der Odyssei spielt unser Dichter mit der Technik der hesiodeischen 'Aattiç^^ wie sie sich dem Alexandriner darstellte, nur dass die scheinbar Schilderung des Kunstwerkes unmerklich zu einer zweiten Enflhluni von weit lebhafterem Charakter und mit eingelegter leidenschaft lieber Rede wird ein Virtuosenstock von feinster Berechnung, den auch wir die Bewunderung nicht versagen können.

Den Namen des Dichters kenne ich nicht, nicht einmal sein Zeit. Auf Kallimachos räth jeder, der sich an der Schönheit de Liedes und der maassroll feinen Verwendung der poetischen Mitte erfreut, aber die Yieigequâlten Fragmente ergeben nichts. Au den Deutungen der Sternbilder bei Hermippos ist m. E. ebenfall nichts zu erschliessen, selbst wenn es sicher ware, dass gerade e in dem Knieenden, dem Adler und dem Pfeil eine Darstellung de Befreiung des Prometheus sah, wie er in den Sternbildern des Ken tauren, Thieres und Altars in der That eine Scene aus de Hochzeit des Peleus erblickte.*) Nicht auf den Namen de Dichters, sondern auf die Art seines Schaffens kommt es mir an Ich wäre glOcklich, wenn es mir gelungen wSre, zu deren Er kenntniss einen Beitrag zu bieten.

Ich habe in der griechischen Dichtung des 4. Jahrhundert eine ähnliche Behandlung rhetorischer Schulthemata, wie in de

zeloeo Anklang soll das erweisen, wohl aber die Einheit der Sprache on Erfindung in Gatnlls Original. So ist für den lateinischen Ausdruck sogt Munros Vergleich von Gatuli und Lukrez nützlich geworden, wenn er anc das Umgekehrte von dem, was Muoro wollte, erwies (vgl. Ellis lu V. 18; di Sache wird klar, sobald man Ennius mit sum Vergleich heranzieht).

1) Der Vergleich lässt sich weit ausdehnen; Aolage und Umfang beide Gedichte entsprechen sich und selbst das Kunstmittel, in der Wiederaofnalim der Erzählung die gleichen Ausdrucke, wie bei dem Verlassen derselben s gebrauchen (V. 140 d'avfUL idsa&ai und 318 &avfm iSaUf) ist bei Gatnll ani gegriffen, nur dass er es nicht nur V. 50 und 265, sondern bei all den ▼« schiedenen Einschachtelungen und Verschrinkungen durchgeführt zeigt.

2) Schol. zu Arat 437, vgl. Robert Eratosth S. 223. Eine bildliche Dsi Stellung ähnlich der Chirongruppe in der Frsnçoisvase mag hierzu den Ai

4t gegeben haben. Einen Beweis dafür, dass Hermippos den Prometheus al chidtsgast kannte, finde ich nirgends.

DIE HOCHZEIT DES PELEUS UND DER THETIS 103

spSteren lateiDischeD (iind griechiscben) Poesie nachzuweisen ver- tachU Es sei gestattet, anhangsweise noch die auf zwei Papyrus- blSUeni des 4. Jahrhunderts erhaltenen Reste einer griechischen Dichtung lum Vergleich heranzuziehen, in der ein deutscher und ein englischer Rearbeiter ein wunderliches Heldengedicht aus dem troiiehen Sagenkreise zu finden geglaubt habend)

Fol. I' 9 ist erhalten rj naQafAv^ovfiivt] vi^v Qé-

r4Jo]i^ Ton einem Epos oder einem fortlaufenden Gedicht kann also Dicht die Rede sein. Es ist die Inhaltsangabe zu einer in Vereea mitgetheilten Rede. Wir müssen einen auf rj endigenden Nimeo suchen, dessen Trägerin mit Thetis in Verbindung gebracht werden kann. Die Wahl ist klein. Quintus Smyrnaeus lässt 3, 633 ff. Killiope die Thetis Ober den Tod des Sohnes trösten ; wir erkennen Id Zeile 16, welche zu dieser Rede gehört, vor den Ruchstaben mtia noch deutlich die Spitzen des doppelten X. Die Reste der Rede, in welchen die Heransgeber die Aufforderung Achills an Helena sehen, mit ihm die Ehe zu brechen, lauten

[ïiTxeo d€i]và na&ovaa' to fiogaifiov [ovx vnalvxvov].

a\a^vq>élciiToç à7cel&av[oç Alaa].

firjd* inaxi^B Jibç v[ôov\

[Mé]^vova è[îov] y OTêvax 'OQg>ia Ka]lkiÔ7irjç

1) Erworben too dem Bischof von Limerick nod von ihm nod Charles GnTci io der Hermatheoa von 1885 (XI 237) mit gutem Facsimile pnblicirt; die Erginittog versnehte A. Lndwich Carminis IHaci deperdiü reliquiae Kioigsb. 1807. Von einem »Homer-Gento* spricht » ohne nähere Begründung, flaeberlin Gentralblatt für Bibliothekswesen 1897 S. 218.

6

2) Geschrieben TTAPAMY0OYM also mit der bekannten, übrigens selbst

bei Gardtbaosen erwähnten Abkürznng der Participialendung, die auch in jôogeren Minnskelhandschriften nicht selten ist. Graves sagt, dass er nichts ^Biit zn machen wisse. Lndwig liest [aov 9* aqa Slq na^ta/iv^ov trrir, êétiSos S^ oniv oiBov] und lässt, wenn ich seinen Gommentar richtig ver- stehe, Helena zu Achill sagen, da sie die ihr von ihm drohende Vergewaltigung aicbt überleben werde» so solle er ihren früheren Freier Patroklos über ihren Tod trösten, und den Zorn seiner Mutter, welche jetzt die Helena begleitet, fchenen.

3) So nach der Photographie.

104 R. REITZENSTEIN

Deo besten CommeDtar giebt die Rede bei QuinUis; miD vergleid besonders ïaxéo xwxvtoïo firja^ alvovaa ^ecDy fisdeoru, xt àvdçav axvÇeo xatd-ave â* vloç ifiélo xài airt^g à&avi %oio *Oçg>evç iXofi TtêQ^nimatai aaxetoç Alaa. Der Epiki scheint direct benutzt.

Auch sonst finden sich mehrfach prosaische Abschnitte, d von den Herausgebern natOrlich wohl oder Obei daktylisch scandi werden. So auf der lesbaren Seite des zweiten Blattes II' 3 U und deutlich [M]€VBlàov x€iUi;aayro[ç]. Es handelt sich in de folgenden Versen um Bestattung eines Toten. Ich erginze scho jetzt [AXarta fifi d'ôtipai] und lese

%à\td^BÇ VBXVWV »

[fii^] Vi &ëwv ßaaiXrja X^^^^ns]*

Die nächsten zwei Zeilen sind wieder Prosa, das beweisen der zweiten die selbst von dem englischen Herausgeber gelesmi Worte ovalav xal und in der ersten das von ihm nicht erkannt aber nach der Photographie völlig sichere àv[àVUo7LovTo[ç]. D Inhaltsangabe lautet etwa [Tgionag *EQ]uaix^ovoç àv[a]lU xovvo{ç näaav %riv avtoi] ovaiav xai fi^ xogov ioxl^à xovog]. Die Probe auf die Ergänzung geben die folgenden Zeile [^r^w, naiêog] ljU€î(7(?) xaxtjv [àa]aiÂVVoy ^qiv[vv]. fAivfiagCl) ofÂfjâ^ea fi^Xa vofÂêv[eiw]. V knitegnofiai ïa%^ ïxi, X^valataY) Âw z€ xai ovxoQOV bvqbv kèui\df^% Die Rückseiten heider Blatter sind arg verwischt und die Lesaa noch von keinem Fachmann revidirt. Ein auffälliger Umbruch d< Themas scheint in H^ mit Zeile 8 zu beginnen, und wieder hOi ich hier die reine Prosa. Da . . v^pî\eaiv rww nalöwv rijg N o[ßr]c]f was beide Herausgeber aufnehmen, mir keinen Sinn : geben scheint, vermuthe ich, dass [âjv^[ç]€aiy fflr ipalgeaiv g schrieben war und lese [fi€tà xr^y à]vai[Q]Baiv TcSy naidtuv «i 2Vio[/3fr;(;]. Es entsprechen die, ebenfalls jener VerfOhrungsscei zugeschriebenen Verse

^iiAVivf] N]i6ßi^ ; >€xtiov arijfoç') ïxBO t6a[awv] x]ai yiyvwGXf &f(M»y ad^h*oç i;

1) i€x der K^p. nach (braves, der Photographie nach eher ëUitu t\ ITIXAA glaubte Grares xo lesen; so könnte man mit andrer I gâoxung auch 9jixa i* versuchen. Einen AccosatiT mnxâêa anzaaebmi •eke kh keinen Grund. Der Autor versteht viel mehr Griechisch, als die 1

DIE HOCHZEIT DES PELEUS UND DER THETIS 105

veQBrjaiti . . v zujv eex . . ae

arçoç xoi . . .

Wir babeo es mit einer Bucbhandschrift zu thun; das zeigt die AuMUttuDg, vor Allem der üppig breite Rand. Es ist ein Litte- nuirwerk. Schon darum ksDD man nicht einmal an Excerpte aus doem sonst unbekannten, jungen Epos denken; auch warden sich solche nie auf Reden beschränken und nie mit derartigen Inbalts- iDgaben versehen sein. Die Losung giebt die Palal. Anthologie IX 457—480. Wer sie gelesen hat, wird die metrischen rj^onoUai oboe Weiteres erkennen und die Ueberschriflen ergänzen (Tl av Anoi) Kalkiontj TtaQafAV&ovfiivrj jtjv Qitiôa {tI av einoi) \)èvaaBvç MsvëXaov xei>evaavjog fif^ d^ixpai Aïavra {%i av ànoi) Tçiônaç ^QvaLx&ovog avaklaxortoç nâaav ri^v avxov mlay %al ^17 xoçov iax^y^otoç (tI av eïnoi) IdnoXkiav ^era n^y avalgeaiv %(xiv nalêwv Ttjç Nioßrjc,^)

Eine rhetorisch -poetische Spielerei entsprechend einer Quelle de Anthologie liegt uns vor. Interessant ist sie durch ihr Ver- \äiUm zu Quintus Smyrnaeus, dessen Zeit etwas näher bestimmt wird, und vielleicht auch durch das Seltsame, was man aus ihr gemacht hat.

Sürassburg i. E. R. REITZENSTEIN.

arbeit«r anzanehmen scheineD; er hat, om wenigstens zwei Beispiele aus dem Hiebt besprochenen Blatt I^ herauszugreifen, die Dioskuren nicht [L]na^6' 9^96 genannt (Oberliefert ist Z. 4 . . re^of^ot^ae oder na^of^oraSy also hfafjjfof^ovas) oder eine l4yço9iTrj yawsaiij (genitalis) erfunden (zu lesen ist [vjn' iwredija^ lef^irtjs) u. s. w. 1) Vgl. Anth. IX 479.

KALLISTHENES HELLENIKA.

Kallistheues tod Olynth begrOndete seioeo Ruhm als Gesebiehtp Schreiber durch die j&ÜJlijvixd, welche io 10 BOcheru den Zeitreoa vom KOoigsfriedeD [387/6] bis zur Besetzung des delphischen Heilig- thums durch die Phokier [356/5] behandelten.^) lieber die Vei^ theilung des Stoffes lässt sich Folgendes ermitteln. Im 2. Buch kam der Einfall des Spbodrias in Attika vor [378],') im 3. die Schlacht bei Tegyra [in der Mitte der siebziger Jahre]/) im 4. das altisch-spartanische BOndniss von 370/69.^) Das Hauptwerk war abgeschlossen y als er sich daran machte, den phokiscben Kri^ [356/5 347/6] zu erzählen: das Buch erschien unter besonderoD Titel,*) jedenfalls vor 334, ehe der anerkannte Schriftsteller sich dem Gefolge Alexanders anschloss, um das historische Epos anf den neuen Achill zu verfassen. Die Katastrophe des Winters 328/7 ist bekannt. Der unvollendete Torso erhielt ebenfalls den Titd 'EiJir]vixà; da aber wegen des Sonderbuchs Ober den heiligen Krieg ein Durchzählen nicht möglich war, setzte die Buchzftblung dm ein: im 2. kam die Schlacht am Granikos vor,*) im 4. die E^

1) Diod. 14, 117, 8. 16^14, 4 aas dem Ghrooographen.

2) Harp. ^oS^iasi èv ß "Elhjvixœv, Zar Sache Ygl. ImL Roêtoeh, 1893.

3) Steph. Téyvça: èv rçirm tcâv 'EUajvtxœr, Der Schluts des Frag- meots beweist, dass die Geschichte bei Plut de def, orae, 5 p. 412^ aos Killî- sthenes stammt Plutarch hat an dem ersten peripatetischeo Geschicbtacbreiber sehr grosses Gefallen gefunden.

4) Anonym, in Ari$t. eth, ^ 8 p. 1 124^ 15. Es ist klar, dass Aristotelet das Beispiel aus der Geschichte seines Neffen entlehnt hat Für èv %ijê n^ rrjt ist natürlich ir t^«7zu schreiben.

5) Gic. ep, 5, 12, 2. Athen. 13, 560«^ Ue^i rov Uqov nolifuov. Da auch Kephisodor der Isokrateer, Aristoteles erbitterter Gegner, den gleichen Stoff behandelte [Anonym, in AritL eth, r W p. 1116^ 11 iv t^i [i\ß UbqI rot U(>ov noléfuw], so hat hier die Polemik eine Rolle gespielt, näheres ist nicht zu wissen.

6) Schol. Eur. Hec. 910 iv'^ (so überliefert) rœv 'BXltjvauSr , die Be- ziehung ergiebt sich aus Plut Cam, 19.

KALLISTHENES HELLEMKA 107

oberuDg Aegyptens.*) Es ist sehr möglieb, dass Rallistbeoes die Bacher eiozelo tod Asien nach Griechenland zur Veröffentlichuog schickte: wenigsteos hatte der KOnig schwerlich ein loteresse daran, den Nachlass des von ihm bestrafleD Sophisten za publiciren, und die Anhänger des unglOcklichen Mannes noch viel weniger, wo der panegyrische Ton des Werkes dem Tode ,fQr die Freiheit* so wenig entsprach, neçaixà hat Kallisthenes, um von den gefälschten Titeln der ParalUla minora zu schweigen, nie geschrieben. Aller- dings scheint ein Citat daraus vorzuliegen in dem Scholion zu Aristo- phines VOgeln 1041 bei Phot. Suid. Saçêavanàlovg: èv ß tleQai" têf ovo q>ijaî yeyovévai KaXXia^évrjç, ^va fiiv dgaaTrjQiov %aî ymaîoyj aUiov ôk fiaXaxôv. Aber ist schon die Wortstellung sehr sonderbar, so genügt es die Fassung, welche das Scholion in unseren Handschriften bewahrt hat, zu vergleichen, um zu erkennen, dass der Name des Kallisthenes an unpassender Stelle steht: b dk^Ellavi- toç iv %olç nsgaixoîç ovo çiqal SaçôavanàiJLovç yeyovévai^ Bellanikos ueQaixa in mindestens zwei BOchern sind durch das Citat Harp, ^zgétpa gesichert.

Kallisthenes hat, wenn nicht alles täuscht, die panegyrische Tradition Ober Pelopidas und Epaminondas begründet und den Ghni der neuen historiographischen Kunst, die er im Gegensatz a dem Isokrateer Epboros schuf, in den Dienst der so plötzlich herrorgetretenen dritten hellenischen Grossmacht gestellt Das ist Tersttiidlicb bei einem Olynthier') und einem von künstlerischen Gesichtspunkten geleiteten Geschichtschreiber, der eine innere, den Stoff beschränkende Einheit im Gegensatz zu der einen unendlich fortspinnenden Weltgeschichte verlangte.

Ueber den attischen Demos hat er schwerlich günstiger gedacht als sein Oheim; die Hoffnungen, die er auf Alexander setzte, seine Verbiodangen mit dem makedonischen Adel schliessen jede Sym- pathie mit. dem neuattischen Patriotismus aus. Aber in der Ver- ortheilang der attischen Vergangenheit kann er nicht so weit ge- giDgeo sein,*) als der Chier Theopomp, der nie vergessen hat, dass

1) Lyd. de ment. 4, 107 p. 146, 20 W. [aus Seoeca] iv tc5i xaxâçrtan ßtßlitn %év 'ElhjviMà^r.

2) Xeo. BeiL 5, 2, 14. Oxyrhynchos Papyri XIU p. 37.

3) Vgl. Prod, ad Tim. p. 30®. Die eotgegeogesetzte Aoffassang vertrat aüerdings nicht der echte Theopomp, sondern die boshafte Fälschung des Ana-

Sy TgL AfricaDQS bei Eoseb. PE 10, 10 p. 491«.

108 E. SCHWARTZ

der Anschluss seiner Ueimalh an Athen seinen Vater und ihn î Elend gejagt hatte.*) Wenn er ebenso wie dieser sich bemOht, d( Vertrag mit Persien, den die attische Rhetorik nicht gans mit Rec zu einem glanzenden Gegenstück des Kalliasfriedens gestmnpi hatte,') aus der' Reihe der attischen gloires des 5. Jahrhunderts ] streichen, ohne dass diese Kritik eine scharfe Pointe gegen Atb enthalt,*) so ist die Vermutliung unabweislich, dass er diese Kril aus Theopomp entlehnte, bei dem sie nicht isolirt stand, nicht a geschwächt war, sondern ein Glied eines zusammenhängenden Ai griffes gegen den historischen Ruhm Athens bildete.^ Es erbe

1) Phot. bibl. 176 p. 120*> 19 [aas einem Bioç eaané^nav, deo Photii in seiner Bandschrift fand] iari 8i ßeimofinoi Xïas fUtf xo yévos, vioQJuß oxçaTOVf fvyBiv 8i Xéyarat éx rr^s 7tarçi8os a/Aa rwê nat^i^ inl leatmtnfpà rov Ttar^e àlâvros. Die Zeit weiss ich nicht.

2) Das Vorbild für alle ist Isokrates Panegyrikos 117 ff. Dass es é Gemeinplatz war, bezeugt Demosthenes 15, 29 êtol cvr^r^uat xoU "EJihiß^ in Tai n^oe flaüilea, ae enottfiaTO i} nokii ^ i^^cTci^, aV anca^K iyM»f» gova», xai furà xav&' vaxaçov ^axêSaifiônoi ravraç wv drj xar^yo^ôiMf 19, 273 ravnjv xijy vnè nâvrwv d'(gvhovfêivriv Bt^rfVfjv,

3) Plut Atifi. 13 xovTo TO i^ar [Kimons Sieg am Earymedon] «voi ixanêiv»iS» %fi¥ yvmfufiv xolv flaaiXémQ Sctm avr&éir&at vijr nê^ô^fm^d ^9njv iueltn^, tnnov /iiv S^ftoy àêi t^ 'ElXipfU^ç inéxêuf ^tilamiS, Ê^ 8or 8i Kvaviœv xai XêXiSopiofv ftax^i t^i xal x^^ß^fi^^* f^ ^*^ xaixoê KalX*o&éinjç od ftjat xavra cw&sad'cu xov fta^fta^av, i^t^ ^ nouiiv 8^à' fpeßov x^q ^rn^ff éxeit^fjs xai fiax^v ovxats aTtocx^fWt x^V Xa8oe eScxB nêvxîxavxa vavoi ntçtx7.éa xal xçiaxotna /levons ^BfUkoj^ inéxëiva nXevaat XêXiioviœv xai fifjèir nvxoU vavxixov ànavxijcai %9^ xwv ßacßaQWV,

4) Theon. profç. 2 p. 162 W. xœv 8i n^ayfiaxixœv êêtiyiicetÊv icxißi xiva xai naq^ 'HqoSôxov XaßaXv . . . nlêiœ 9i àxofAtv xai naq* âlXotp «ff« ^ixmv XaßeZv, naqà fièv *Etp6(fOv . . . naçà ßaonofinov ix x^Ç nifOif^ xai eixooxfjs xœv 4>éXinnixwv oxi (ô) 'EXkrivmoQ oqxoç xaxé^pavcxat [uatt tpevSsT ai cod.], vv *A&tivaioi <paaiv ofiécoé xovs''BXh^a9 npo xijs /tag^ xr^s év nlaxauiU 7tQo9 xovs ßizqßc^vc, xai ai n^s ßaaMa [Jaqmm ^Adr^raiotr (^xaÀliopeç ij ßaciXews) nqoe "EXhp^as ovv&ijxa*^ ikt 9i Mal xi ér Maqa&àvi fiôxrjv ovx oïav anavxBi [olxji a/ia na$rr9Ç cod.] iftvoufe, y Y^vfifUvriv xai oaa âXXa^ ^aiv^ rj Ad^vaicav no Jus àUi^ov9V9xai xal na^ xçovêxaè xovs "Ekhjvas, Mag meine Herstellung der verdorbenen Worte ao< nicht in allem das Richtige getroffen haben, dass der Vertrag mit Persien g meint ist, steht fest durch Harp, jixxixole yqâfifiactv womit Phot. Soi Xafiiatv ô BrjfAOÇ zu verbinden ist ßeonofinoc S* iv xrji "xi xœv ^tJU ntxdv iaxtvmçTic&ai léyaé xàs nqoç xov ßa^ßacov awd^ixas^ Sc €v xi làixxtxoU yqafAfâaaiv iarriXtTsiad'ai àXXà xols 'lojvafr. Der Excars mass i Abschloss der mit grosser Breite in den Büchern 20 [vgl. Theon 2 p. 11

KALLISTHENES HELLENIKA 109

flcb die, for die Chrooologie Theopomps wichtige Frage, io welchem der GeschichUwerke des Kallisthenes dieser kritische Excurs ge- ituideD hat: nar ein solcher kaoo es gewesen seiD, da die Ge- Khichte des 5. Jahrhunderts kein Gegenstand seiner Schriflstellerei lewesen ist. Die Antwort lässt sich mit ziemlicher Bestimmtheit geben. Kallisthenes knüpfte die Leugnung des Vertrages au eine SchiUerang der Schlacht am Eurymedon : für eine solche Schilde- nmg ist kein leichterer Anlass denkbar, als Alexanders Marsch durch Pamphylien im Jahr 333.'} Damals, vermuthlich schon vor 334, müssen von Theopomps philippischen Geschichten mindestens die ersten 25 Bücher veröffentlicht gewesen sein. Nicht lange vorher; es muss ohnehin angenommen werden, dass Theopomp ein frühreifes Talent war und sehr rasch producirte. Er war ge- borea 377/6.*) Dem Isokrateer galt wie dem Meister die Geschichte ik der Stoff für die Kunst des Stils,*) wenn er auch ein viel zu «nrohiger Geist war, um sich wie Ephoros auf die Geschieht- «hreibung zu beschränken^) und die Epideixis als ein rascheres Mittel zu Ansehen zu kommen nicht verschmähte. Herodot in den lenen Stil umzuschreiben, Thukydides besser fortzusetzen, als es der altfränkische Xenophon gekonnt hatte,*) waren die ersten Auf- I pbea, die er seiner historiographischen Kunst stellte: es spricht

tar seine Jugend und seine Selbstkenntniss, dass er es nicht wagte Bit Thukydides selbst zu wetteifern, wie Philistos und Ephoros. Möglich, dass er ursprünglich die 'ElltjviKa bis auf seine Zeit

^2& cnsäblten Geschichte des eaboeisch-olyothischen Krieges [349/8] ge- itiodeo haben; die attischen Üeclamationen über die Olynth geleistete Hülfe gaben den Anlass.

1) Arr. 1, 27, 1.

2) Nach der Vita bei Phot a. a. 0. war er 45 Jahr alt, als Alexander ^t d. h. die Verbaonten flberhaupt, nach Chios zurückrief. Der Brief des I^teigs ist wiedergefunden, SIG. 150*; Dittenberger seUt ihn mit Recht in das ^r 853/2. Es ist ja nicht absolut unmöglich , dass die Altersangabe be- ndiset ist, aber doch Tiel wahrscheiolicher, dass sie auf Theopomp peraön- fieh, etwa die Xtaxal imaTolai oder eine Epideixis, xurûckging.

3) Isokr. 4, 9 cu fUv yàç n^dSetS ai 7t(foyayêVTj/iêvai xoêvcU nâaiv rifilv tntltUpdii^tt»^ TO B* iv xat^i ravxaiç xaxaxçricaa&aê xai n^Oürptovxa Mi^ htâaxfiç h^Oiffoj&rfVai xal toU ovà/uiaiv ai 8ia&éa^ai xciv ev ^fo*

4) Polyb. 12, fe, 8 ff.

5) Theon 2 p. 167 W.

no E. SCHWARTZ

hiDabftthren wollte*): das aufgebende Gestirn Philipps wie« il andere Wege.

flminer gefillU das neue Lied am meisten^ das galt tod A Geschichtschreiber nicht weniger als von seinem Vorgänger, A epischeu Sänger: die auf einem langen Wanderleben gewönne Weltkenntnisse die brausende Leidenschaftlichkeit mussten ohnel Theopomp mehr zur Zeilgeschichte drängen, ab lu der mhig Stubenarbeit, welche die Leistungen der Vorgänger in neue Vm kleidet. So Hess er alles liegen und begann die Geschichte i Mannes, der aller Blicke auf sich zog.^ Das kann nicht vor 34 ja kaum vor dem Ende des phokischen Krieges 346 gewesen sd Immerhin war Theopomp damals nicht viel älter ab 30 Jahre, oi sah doch schon auf eine stattliche Aniahl von Bänden znrttd Andererseits kann er auch nicht viel später sein Hauptwerk b gönnen haben : es geschah sicher noch zu Philipps Lebzeiten oi das Prooemion des 1. Buches behandelt Isokrates und Theodeb so y als lebten sie noch.^) Dass er, anders ab der buchgddvt Timaeos, in höchstens 12 Jahren mit mindestens 25 BOchem ferti wurde , ist in dem Bilde des reichbegabten , aber im Leben wi im Schreiben ruhelosen Mannes kein unwesentlicher Zug.

1) Polyb. 8, 13, 3 os yt imßalofiBvoi yçâfpsiv râç 'Ellijrmaç ^{i ay* oiv ßovxvSiSrjs ànéXêntVy xai owëyyiaaç toXq AevmQêMoXn utu^ok» TOÎS inètpavëcrdroiQ rtôv *EXhfivtx<Sv tqytov^ %riv fièv 'Ellâêa fUvaSv %àç TavTijs inêfioiàe àn6(fçi,\p»y furaßalcuv ttjv vnohijyffiv ràc <PtUKM n^Sats ngovd'sro yçatpêw. Dem wird um so eher eine Aeosserang TheopoB| in der Vorrede sur Geschichte Philipps zu Graude liegen, als die heraosgegebcai *ElhfivêKo durchaus nicht so weit reichten, als Polybios aagiebt, sonden ii bis zur Schlacht bei Knidos [Diod. 14, 84, 7]; nur Theopomp selbst koiintes geben, wie weit er mit der vorläufigen Ausarbeitung schon gekommen wf

2) Polyb. S. 11, 1 èv oQx^t tt^q <Pihnn{êi)ùv trwrdSêOfÇ J** avtè ^ iiGTa naçoçfjtTj&r^vaê yr^aas nços Ttjv émfloXrjv xr^s nqayfULraias dêà xo ^ dmaxa xtjv Eilçwnrjv évrjvoxâvai xoêovxor âvSça naQanav 0IOV xhv *AfA xov 4HXênnov.

3) Phot. bibL 176 p. 120'^ 39 aus dem Prooemium des ersten Baches i Geschichte Philipps: œs oIh âv êCrj avxtôi Tta^loyov dvxinoiavfUrm& n Tt^aneitovy ovh éXaxxvvoyy fièv ^ Butfiv^latv inwr xovç émSêutiiianfS Xi Xoytov cvyyçaxpafiévœi , nXaiove Si rj ïi /ivQidSas iv oïs xclq tc xé^v !fiSL vtov Kai ßa^ßactov Tiça^eis f^XQ^ ^^ djtayyaXXo/uvas ëaxi Xaßehf, ] den letzten Worten sind die'ElXriviKa gemeint: 'die Thaten der Hellenen u Barbaren, die ich bis jetzt, wo ich die Geschichte Philipps beginne^ zählt habe.' Die Stichenzahl scheint verdorben,

4) Phot. bibL 176 p. 12Ü»> 30—121« 22.

KALLISTHENES HELLENIKA 111

Der Vertrag mit PersieD oder der sogenaDDte Kalliasfrieden ist kein Problem der politischeD,*) sondern der litterariscbeD Geschichte. Von der Kritik Theopomps ist nur das für die rQcksichlslose Ad- focatenmanier des Rhetors charakteristische Argument erhalten, das nfGrond des ionischen Alphabets, in dem die Vertragsurkunde lof dem Stein geschrieben war, den attischen Staat einer gran- Hosen Fälschung beschuldigte: Ober die Ansicht des Kallisthenes Eegt etwas mehr vor. Er ging von der Vorstellung aus, als sei der Vertrag nicht nach dem kyprischen Feldzug von 449, sondern oagefilhr 20 Jahre früher, nach dem Sieg Kimons am Eurymedon ab- geschlossen. Es versteht sich im Grunde von selbst, dass Kalli- ttheoes, der an den Vertrag nicht glaubte, ihn nicht zuerst falsch ihtirt hat; es lasst sich aber auch positiv beweisen, dass er eine ; sehoD vorhandene Vorstellung zum Hebel seiner Kritik machte. Ljknrg stellt in der Rede gegen Leokrates den Frieden als die gläDieodste Folge des Sieges am Eurymedon hin*); da die Rede

l) Der Grosskönig trat die asiatischen Kûstenstâdte nicht ab, versprach iber der attischen Verwaltung keine Schwierigkeiten zu machen : das Verhält- iIk twischen dem Saltan oder dem Kaiser von China und den earopiischen Oecopationen ist eine schlagende Analogie. Die persische Reichsregiemng hatte OD starkes Interesse daran, dass Athen Kypem and Aegypten in Ruhe Hess; üe ittiiche, dass sie bei Verwicklungen mit aufständischen Städten oder ehr- geiageD Satrapen die persische Reichsmacht, vor allem die phoenizische Flotte liebt IQ fârchten brauchte; wenn es einem einzelnen Satrapen einmal gelang, Ol plM>enizische8 Geschwader mobil zu machen, so hob das den Vortheil sich TV doem Krieg mit dem ganzen Reich sicher zu wissen nicht auf. Der PcfNrkôoig Terzichtete darauf, ein factisch verlorenes Gebiet zurückzuerobern, te tttiache Volk auf die formelle Abtretung eines Besitzes, den es factisch kttte, and das um so lieber, als mit der rechtlichen Unklarheit auch die Noth- vcadigkeit diesen Besitz weiterhin zu schützen, der Rechtsgrund des Bundes fortbestand. Ich wûsste gar nicht, was hier nicht haarscharf zusammenschlösse. Ihm Tbukydides den Frieden kennt, betont Nôldeke mit Recht.

3) 72 TOtyoLdOw TOiavraêS x^/^^^'Oi yvcjfiaiÇ évnn^xavra fUv Htij %à)v

Smfpcfv ^yêu6vê£ MaTdtnTjoaVf ^oêvixfjv 8i xal KiXixiav inoQ&tiaav ^ èn^

^^fUSopxi 9i Koi ns^o^axovrrêS xai vavfiaxovprêç éviKijaaPy éxaxov Si

tfi^tf TÔ^y ßaqßa^mtf aixfiahù'EOvs Haßor, anaaav Si t^ ^Aaiav naxcàQ

*mw%K nMçUffltvffar, xai to xê^âXeuov T^ff vùeijSy ov to iv ^aXafiwê

TfMraioy ayanr,aapr96 êèTt^aary àXX' o^ovç toîs ßacßdgoic TirjèavTêS tovs

tk Tfi¥ iXn/&adiav rijs 'EXXuSoi xai tovtovç xœXvaavrêi vnacßaivavy avr-

^ijxas inotticavTO faaxçdn fièv nXoiofê firi nXtiv àvTos Kvavitov xai <Paai^-

ïêSoQy TOVS S* "EXhrfPO» avrovo/tovs iîvai firj /lôvov tovq Tt^v Ev^œTïtjv [da

icbwebt der isokrateische Vergleich mit dem Königsfrieden vor] àXXà xai rois

Tijp ^AßUw xafïïomowTM, Es ist unmöglich das kyprische Salamis zu ver-

112 E. SCHWARTZ

331/0 gehalten wurde,') ist, too allgemeineo GrflDdeD abgesd die Möglichkeit, daaa er Kallistheoes^ beDUtzte, so gut wie ao schlössen. Dieselbe Datiruog findet sich im Menexenos^: es y sich noch ergeben, was daraus für die Autorschaft Piatos m sebliei ist. Zunächst muss der Nachweis ?ersucht werden, wie der in zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts in Athen offenbar weit verbrei Irrthum entstanden ist.

Thukydides kennt zwei combinirte Land- und Seesiege Athener über die Perser, die Eurymedonschlacht 1 oder S Ji vor dem Aufstand der Thasier, 467 oder 466 und die bei Kj| 449 kurz nach Kimons Tod, ausserdem zwei an kyprische peditionen sich anschliessende Unterstützungen aegyptischer i Stande, Ton denen die zweite mit dem zweiten Land- und Seei zusammenßlllt, die von 459 und 449.') Daraus ist bei Ephoi

sleheo, aus sprachlichen Gründen und wegen des ganzen Zasammenhaoi Lykurg spricht hier nur von einer Eipedition, wie er vorher nur von Schlacht bei Salamis gesprochen hatte.

1) Blass, Attische Beredtsamiteit III* 2, 111.

2) 241^—242* Sùtaêor Bti nal tovxtov r;ftàç inifivffü&yircUf ol téiit Tt^oté^opv içyoêÇ réXoç rr^s uMTfjçias éné&Êffav, àvoKa&fKfafiêPOt fud ift* carres nàv xo ßa^ßa^ar in t^€ d'aXnxrriç ' tjaav Se ovxot in* £k fiéBovTi vavfiaxr^aavrBS nal oi êis Kvn^or CT^arêvuavrêS uai oi §U Jt^ Ttxov nlêvcavreç ual aXXocê noXXaxoOf à.v fj^ri fi8ftvfi9&at Mai %è^i¥ m/i aiâérat ôxê ßacitia htoirjaav Seiüavra r^i iavrov amxfj^Uu tèv vow % uéxtt^t àXXà ßi^ T^i rébv 'EXXijvwv enißovXtieiv ^OQat. Koi avroe ßef nàs r^i noXBê SajvTXrj&rj 6 7t6le/ios vnèç iavxâv ko* rwv aUmv û^ ftûvmp n^£ raifS ßa^ßacavc' êtçrivfjs Se yBvo/iivrfi nai rifi nôlêmi tt/t fuptie fjX&Bv in* avrr^v o Srj fptX$X hc xœv àp&^neav roï$ 9v npâ%t» n^ocninTêtv, n^wrav fiir ^^loe, àno ^rjXov Si f&6roÇ' S «ai rijrSê i nôXiv âxovonv iv nole/iœi vole "Ekltjai xavêcrfiCêV fmà Si rovro p fiévov noXê'fiOv cvpißahov fiiv iv Tavâyça* «%L

3) Thuk. 1, 100, 1 iyivBxo Si (ma xaÀfta «ai 17 in* Ev^fUSorrt : rafuoi iv Ila/AfffvXiai nê^ofia^ia «aJL vav/iaxia *Ad'rivaU9v «ai xwv ^fitftâx nços M^Sovs «ai ivUatv T^i avr^* ^fUQoi àfifôrë^ *A&fjvatOi KifUà xov MêXxtâSov orçaxijyovvxoç «ai tOioy x^^^s ^oivùtmv «ai Sié^&Mn xàç nacaç is S&a«ocias. 104, 1. 2 'Ivof^ats Si , , . ànioxrjcêv Aiyvmoo nltiw ano ßaaelätus *AçxaiéQiov «al avxos â^x"^ yovéfUVùG l49ijvm éntjyâyêxo, oi Si^ ixvxov yàç is Kvnçfov ox^xwofuvoê vavci SêomMi aixdv xe «ai ^fiuaxtov^ rjX&oy ànoXinôvxos xrnv Kvn^ov, 112, 2 nmi ! XijviMOv fUv noXé/iov ioxov oi lédljvaloi, is Si Kvnçov ivxç&xtCovxo vm Siaxoaiais avxwv «ai xeuv Sv/ifiax^'^t KifMOvos irx^Xfjyovvros, nai 1 xovxa fiiv vijêS is AXyvnxov an* avxdfv inXevoav . . ,, ai Si âXXuê Kit énoXi6^«avv. Kifiœvos àno&avovxos «al Xifiov yêvOfUvov anë^w^

KALLISTHENES HELLENIKA 113

des Diodor in dieser Partie durchweg excerpirt,*) folgeDdes ge- worden.

Auf dem ersleo Zuge gewinnt Kimon zunächst die karischen und lykischen Städte. Auf die Nachricht, dass die von den Persern ioPboeoizien, Kypern, Kilikien zusammengebrachte Flotte in Kypern siatioDirt, fôhrt er dorthin und besiegt sie in dner Seeschlacht: 100 Scbiiïe werden in der Schlacht selbst genommen, der Rest in den Grund gebohrt oder später an der KOste erbeutet.') Noch an demselben Tag'j segelt er nach dem Fluss Eurymedon, wo das peraische Landheer sein Lager aufgeschlagen hat. Am späten Abend iDgebogt, richtet er in der Nacht unter den Persern , die durch one Kriegslist getauscht, in den Athenern die Feinde nicht erkannt und sie ins Lager gelassen haben, ein grosses Gemetzel an. Nach den doppelten Sieg kehrt er nach Kypern zurück.

Die aegyptische Expedition ist von der Verbindung mit einer kjprigchen gelöst: wenigstens Diodor erwähnt eine solche nicht.

Bei dem dritten Zuge finden die Athener unter Kimon die pergjscbe Flotte in Kypern, das Landheer in Kilikien. Kimon er- obert zunächst die kyprischen Städte Kition und Marion und schlägt die persische Flotte bei Kypern^); 100 Schiffe werden genommen, die Übrigen bis nach Phoenizien verfolgt. Sie flochten in den Schutz

no Kniav xai nlMavrëS vniff ^aXafiïvoe ttjS iv Kvjiçan 0oiviSi xcd •K^ir êt^avfidxfjcav ued i7tëZoftâx;rjaav a/ia nai vexi^aapxas àfnp&isQa ant" Jf»f^9¥ in* iHMOv Kai ai é^ Aiyvnxav vriê£^ naXiv él&ovoaif fin* avrtir,

1) Diod. 11, 60, 3-62. 71. 74. 12, 3. 4. Die Abhängigkeit von Ephoro^ «ird erwiesen dorcb die Gleichung Diod. 11, 60, 5. 61, 3 Plut, dm, 12. IHekldoe Abweichung in der Zahl Diod. 11,60,6. 62,6 beweist nichu, ist loch leicht zu beseitigen, wenn man in dem Gitat bei Plutarch fi für v schreibt. Aof Epboroa gebt auch surück Frontin. 3, 2, 5 [vgl. Diod. 11, 60, 4]. 2, 9, 10 -Diod. 11, 61.

2) Es ist Flüchtigkeit Diodors, wenn er 11,62,2 die Geaammtzahl der «îbenteteD Schiffe dem ursprünglichen Bestand der persischen Flotte gleichsetzt.

3) 11, 61, 4 Kora njf avrrjr r^fu^av.

4) Nach den Worten Diodors 12, 2, 2 l^^aßa^oi fiiv xr^v riyêfàoviav Hß'^ iv %ifi Kvn^oH iutc^ßav M%a>v T^ê^(feêS r^HoxoaiaQ und im folgenden Paragraphen fttro Si %avra in KiXuUas uai 0oivixrjç nQoa^Bcofiivtov xqê» ifmw t^ê r^mê könnte man versucht sein, an zwei persische Flotten zu desken, aber die letzten Worte sind verdorben, und es muas zum Mindesten (Twr) x^^mv gelesen werden; im Original war ausführlicher beschrieben, »ie Artabazos in Kypern aus Phoenizien und Kilikien eine Flotte zusammen- brachte: Tgl. den Parallelbericht 11,60,5.

Ramm ZXXV. 8

114 E. SCHWARTZ

des Landheeres, Rimon landet und besiegt dieses, kehrt dann na« Kypern zurück, wo er Salamis belagert. Da zieht der GrosskOn vor, Frieden zu schliessen, und der berOhmte Vertrag kommt : Stande. Die Bestimmung avtovôpiovç eîvai zàç xavà r^y ié^aU ^Elltivldaç nokeiç omâaaç, die in der echten Urkunde nicht g standen haben kann, zeigt unverkennbar, wie der berflchtigfe Pur graph des KOnigsfriedens als Gegenbild gewirkt hat; in einer sp teren Stelle Diodors schimmert der Vergleich zwischen den beidi Vertragen, den Ephoros aus Isokrates übernahm, noch durch. Der Tod Kimons wird nebenbei erwähnt. Die Combination m der Unterstützung des aegyptischen Aufstandes, für die historisct Beurtiieilung des Kalliasfriedens von primärer Wichtigkeit, feb wiederum.

Die Erweiterungen des thukydideischen Berichtes drängen sie auch der oberflächlichsten Betrachtung auf; sie werden, von Ungeheuerlichkeit abgesehen, dass der Seesieg bei Kypern und à Landschlacht am Eurymedon in einen Zeitraum von 24 Stund« zusammengedrängt werden, gänzlich discreditirt durch die mit Tht kydides unvereinbaren Verschiebungen in der Erzählung des letiU kimonischen Feldzuges. Mit diesen beiden Fehlern hängt ein driti unlöslich zusammen, das congruente Schema, nach dem die beid« kimonischen Feldzüge angeordnet sind. Alles ist doppelt: die St€ lung der Perser mit der Flotte in Kypern , mit dem Landheer ^ der gegenüberliegenden Küste, die Städte, die Kimon zunächst g winnt, die Reihenfolge von See- und Landsieg, die 100 genommene Schiffe, die Rückkehr nach Kypern. Das erste Mal wird der Si< in Pamphylien mit einem kyprischen, das zweite Mal der kypriscl mit einem in Kilikien combinirt, beide Mal gegen den kurzen, ab unzweideutigen Bericht des Thukydides. Es sieht ganz so aus, i hätte Ephoros einen Feldzugsbericht verdoppelt: freilich mOss dann auch dieser Bericht eine Erfindung sein. So sonderbar d erscheinen wird, es ist wirklich so hergegangen.

1) tiiod. 12, 26, 2 rovrwv Sa nçotxTOfidvatv ret nJisUfxa rœv xarà x oixov/jiévriv è^t'éov iv i^avxiai vnriQx^ navxtov ox^Bov eiQtpnfir ayo^fxofv, fAsv yaç néçaai SiXTas avv&rjxag bÎxov nçoç rovg "Ellr^vas, xàs ftètf n{ *A&ijvaiovs xal rove avft/udxove avxdv, èv aïs rjcav al xarà njv Wtf'^av *i lijviSeç néltêS avrovofiot, nços roiç AaxaSaifAOvUtvç varegav iy^^pij^i iv ah xoivavriov r^ ysyçafifiévov vnrjxôove tîvou roU Ué^aiS ràç na Trjv 'Affiav ^EilrjviSas nôltiç. Die bis zur Unverständlichkeit uogesehicl Fassung des Vergleichs beweist, dass er aus der Vorlage ûbernommeD ist

KALLISTHßNES HELLENIKA 115

Lykurg schiebt Folgendes in einen Feldzug zusammen:

1. Die Verwflstung von Phoenizien und Kilikien: das gehört 10 der Verfolgung der persischen Flotte nach Phoenizien im letzten Fddxug bei Ephoros.

2. Den Land- und Seesieg am Eurymedon, 100 Schiffe werden erbeutet.

3. Die Plündeningsfahrt an der asiatischen Küste, sie fehlt beiEpboros, wenn man nicht die Eroberung ?on Karien und Lykien beim ersten Feldzug dahin ziehen will.

4. Den Vertrag, den Ephoros, richtig, dem letzten Feldzug aoicbliessL

Der rhetorischen Geschichtsmacherei Lykurgs steht die des Menexenos sehr nahe durch den fast identischen Uebergang von defi altischen Siegen der Freiheitskriege zu denen der Pentekon- Uetie: eine traditionelle Anordnung ist unverkennbar, die auch bei Isokrates Spuren hinterlassen hat') Nur tritt im Menexenos noch scharfer hervor, wie in der panegyrischen Tradition die attischen Eroberangskriege gegen Persien zu einem verschwommenen Ganzen zoammengelaufen waren. Hier werden die Seeschlacht am Eury- medoo, der Feldzug gegen Kypern, die Fahrt nach Aegypten zii- Nomeo vor den Vertrag gerückt, ferner in eine solche Reihenfolge geschoben, dass man den kypriscbeo Feldzug vor den aegyptischen steilen muss und nun nicht weiss, welcher von den kimonischen Zogen, die Ephoros beide mit Kypero in Verbindung bringt, ge- Deiot ist, auch nicht wie oft die Athener nach Aegypten gefahren «od, ob öfter, wie bei Thukydides, oder einmal, wie bei Ephoros. Am allerschlimmsten ist, dass alles der Schlacht bei Tanagra zeitlich vorangehen soll. Es ist an und für sich nichts dagegen zu sagen, da» der Vertrag die Kämpfe gegen Persien abschliesst, auch nicht, dass die rhetorische Darstellung diese und die gegen die Griechen in zwei grosse Massen sondert: zum directen Fehler wird das un- klare Zusammenfassen der ausländischen Ereignisse dann, wenn

1) 4, 117. 118 av£ rjfuiic diaßijpai Tolßn^aavraS eU rr;v ßi^cmtjr xal ftëZÇiov ff n^oOTfXetf avroU ipQovttaavras ovrto SU&êfA9v moi^ fir, fwvov 9rat- 0a0&at üT^areias i^^ ^/*ôs ytoiovfiévovç^ àXXà xal rrjv avrov x^Q^'^ àvdxe- 0&tu 7tO(^ovfiévfiVy xtd S$axo<rlcuç nal ;i(iAia«s vavai ntçmXeotnas eiç to- 0mvtifr Tonêwôxfira Hœ€êiiTr,aafA8v œaje fiaxçov nXotor ini xdSa tpaai^- Xi/9os fiti 9ta&éXttêiv àXi^ riifvxioLv ayetv xal rot)£ xai^vG yiSQifidvêiv ^ àXXà fiWf r^i na^vmjê 9waftêi Tiunavetv.

8*

116 E. SCHWARTZ

diese aus rhetorischen Grflnden auseinandergehalteDen Massen aa< chronologisch getrennt und in ein falsches Verhflitniss gebrac werden. Nur weil Lykurg den hellenischen Krieg auslasst^ tri der Fehler bei ihm nicht so sichtbar hervor: dass er ihn TorCui leigt die falsche Verbindung des Vertrags mit der Eurymedo Schlacht.

Isokrates hat, wie oft, das herkömmliche Schema geiatvi durchbrochen.^) 380 war die Politik des attischen Reichs wflhrei des peloponnesischen Kriegs lebendiger im Gedachtniss als die k monische Zeit: so springt er sofort von den Freiheitskriegen : <ler Apologie dieser Politik und dem Angriff gegen die Genoi» Lysanders über, um mit dem effectTollen Vergleich iwischen d< iwei Vertrügen zu schliessen. Ungeschickt ist diese kunstvolle Arcl tektonik Ton dem Verfasser des lysianischen Epitaphios umgestalte! Er bsst auf die Freiheitskriege ein paar Episoden aus dem hell nischen Krieg der Pentekontaetie folgen, als Gegenstücke su de korinthischen Krieg, den er feiert, und schiebt dann ein aus Rea niscenzen an Isokrates*) zusammengeflicktes, unklares Bild des a tischen Reichs ein, in dem auch der persische Vertrag auftaucht' der peloponnesische Krieg folgt Nur die unflbertreSliche Disponi kunst des Isokrates Termochte die hergebrachte Manier, die ehr Dologisch ordnete,*) bei Seite zu schieben und durch ein belebend Abwägen und Vergleichen, ein wichtiges Mittel der at^tjoig^ ' ersetzen.

So fallen er und sein stümpernder Nachahmer aus der Reil

1) 4, 100—121.

2) [Lys.] 2, 48-57.

3) 55 Isokr. 4, 106; 56 Isokr. 4, 105. 104. 118; 57 Isokr. 4, 11 Die Âbhingigkeit von Isokrates wird hier besonders deotlicb, da der Vergleii den dieser zwiscbeo der Zeit des Reichs uod der spartanischen HeriBchi anstellt, m inhaltslosen Phrasen zerfetzt ist: Isokrates giebt wenigstens r* der Zeit nach 404 scharfe Bilder, die sich historisch interpretiren lassen; d Nachahmer hat keine lebendige Anschauung, und sein Geschreibsel rente nnr der, welcher das Original nachliest.

4) 56 T^ ttvrwr Svrofur rocecfinpf imSëiSturits wed'* 6 ftéyas ßae iltès 9VHiT$ rwr akhnqimv àvf^fiMi^ àJU' ÜiSov %Sr iawrov «al ta^ lomAr ifoßevto»

5) Thukydides deutet die tralaticischen «a^éhua an 2, 36, \ iv iy ftètf «axà noXéftovç içya oîs Sxaara Aen?^, ^ bX avxoi ^ oi noH^ flftwtf ßOLf^ßm^op tj "Eklrjva noXifuov énêôvra n^&vfitoç fipwofu^a^ /mm^ yo^ûv iv ëiBoCê^ ov ßavl6/Mvo£ iaato.

KALLISTHENES HELLENIKA 117

lienus: die Rede gegen Leokrates und der Menexenos sind ge* tmere Repliken der Manier, mit welcher das 4., ja schon das aus- gebeode 5. Jahrhundert die gloires Athens immer wieder vorzufahren pSegte. Zu ihnen gesellt sich noch ein drittes, nicht minder wich- tiges Zeugniss, das vielbesprochene') Epigramm, das nach Ephoros auf dem Weihgeschenk stand, welches die Athener nach dem Sieg am Eurjmedon nach Delphi stifteten. Es lautete nach der Fassung bei Ephoros, die der von Aristides [de quaUuarviris p. 209 D. 28,64 K.] und der Anthologie [7, 296] überlieferten^ fast durchweg Tomiziehen ist: 1$ av t' EvQwmjv [Aalag dlxa növrog eveifÀe')

xal TtoXeag ^rjtdh &ovqoç ^^çtjç ènéxei,*) oiôir nw voumov') inix^ovlwv yever^ àvdçiuv

igyop Iv '^nelQWt xal xcttà nortov afia^) oUe yàq h Kincwi"^ Mijdovç noXXovç oXéaavreç

0otplxwv ixccTov vavç Mkov Iv nekayet ivi^ùfv nkt)-9'0vaaç^ fiéya à^ Saver ey Idaiç irt^ o^TcJi*}

nkfjyeîa* afÂg>otéçaiç x^Q^^ Kcaret nokéfAOv. Ephoros belegte seine Darstellung gerne mit Epigranunen.*) Dass tf »eh Öfter Ton Fälschungen täuschen liess, ist an und für sich kein Beweis, dass er die Steine nicht selbst sah; hat doch auch

1) Die Litterator bei Preger, inscr, gr. meir. n. 269.

2) Der Scholiast zo Aristides [3, 209 D.] bat dieselbeo Lesungen wie der Tat des Aristides, flllt also weg.

3) /' Diod. Aoth. ix^ira Arist

4) noXias &vfit69v ifinu ArisL noXsftot^ Xadv itpintt Aoth. «Seitdem die Staaten der Mensehen Krieg fuhren' ist besser als »seitdem Ares ^ Kriegigott ist'. noXêiK behalte ich mit den Diodorhandschriften bei: es irt die alezandrinische Lesung J 308 und liegt in dem Epigramm Hoffinann 322 a Raibel 759 dem unmetrischen nohjas zu Grunde.

5) MmfM na xaXXior Anth. ovSêvi not xaXkiov Arist. Aristides Lesung ist wegen des Singulars unbrauchbar, die der Anthologie wegen ovSa/ia, ausser- dem ist tounrrar stärker und stolzer als nâllior.

6) ofutv Arist

7) iv ynüjt Arist. mit augenscheinlicher Interpolation.

8) avTw3^ Arist., in der Anthologie fehlt der Versschluss. Bei vn^ av- teôê K^%Bé noXifêiov wird àfi^^oréifatç x*^^ verständlich, bei vn' avrwv ge- icfamacklos. Kaibel [Jahrbb. 105, 799] hat in Aesch. Pers. 548 rvr 8^ n^- iKttca fUw 9Ta¥êi ytu jicle hotavavfUva, das Original aufgezeigt.

9) Diod. 13, 41, 3 wo für ir xœi nnql Koçmrêtar vawi natürlich To- ^m^fltf zu schreiben ist. Strab. 10,463. 464.

118 E. SCHWARTZ

Uerodot gefôl»chte iDSchriften io Thebeo abgeschrieben.*) Afa das Epigramm, das Dach Ephoros auf dem nach den Freiheitskrieg ?on dem Uellenenbund in Delphi gestifteten Dreifuss stand,^ km nie einer anderen als einer papierenen Existenz sich gerühmt hah und die Fassung, in welcher er die Aufschrift des Spartanergrat bei den Thermopylen überliefert,^) liefert den bestimmten Bawc dass er auch die echten Epigramme aus litlorarischer Ueberliefemi welcher Art sie auch sein mochte, entnahm.

Es zweifelt niemand, dass das Epigramm auf die Eurymedo Schlacht in der Form, in welcher Epboros es in sein Geschieht werk aufgenommen hat, auf einem attischen Weihgescheok d 5. Jahrhunderts nicht hat stehen können.^) Am anstOssigsten die Unbestimmtheit, mit der der Sieg selbst bezeichnet wird. Ephor behauptet, es bezöge sich auf die Eurymedonschlacbt, die er freili mit einem kyprischen Seesieg verbindet: nach dem Wortlaut gc es auf einen Landsieg in Kypern, einen Seesieg im Meer, den m sich an manchen Stellen denken kann. Die unklare Art, mit welch die panegyrische Tradition von den Persersiegen der Pentekontae spricht, ist hier durch den Zwang der epigrammatischen Form na gesteigert; ja es sieht so aus, als wären die 100 gefangenen Scbif die auch Lykurg kennt, die Ephoros beide Mal anbringt, von eiiM schlechten Poeten aus den 200 gefangenen und zerstörten Schiff bei Thukydides zurechtgemacht, um sich auf das Gefangene li schränkend und das Vernichtete weglassend, einen rhetorisch Gegensatz zwischen Ooivlxtav éxarov vavç slov und Mfjât noiXovg okéaavzeç zu gewinnen, und auf diese Weise in die rh torische Tradition gelangt.

Die Verbindung zwischen den beiden Theilen des Gedichts i schlecht. Man erwartet eine Fortfühniug des roiovvov, eine Fo mulirung des Gedankens, wie sie in umgekehrter Reihenfolge der Damonouinschrift gewählt ist [Hoffmann 374]:

1) 5, 59 ff.

2) Dioü. 11,33,2.

3) Diod. 11, 33, 2 w fêïpê àyyaïXor jdaxaâatftovùus ot$ ttjiSb m fitd'a roSs ttêivnv nai&ofABvot yo/iifiOiç, Ebenso citiren bekanntlich L kurg. 109, Stnb. 9, 429, Gic. Tusc, 1, ICI; auf dem Stein stand dyydlh [Her. 7, 228] and ^fiaai nê$&6fuvoi [Her. ÂP 7, 249].

4) Die Grabschrift ÂP 7, 258 bat Keil in dies. Ztschr. XX 341 ff. : litterarisches Fabricat erwiesen ; ÂP 7, 443 hat gar keine bestimmte Heciehu

KALLISTHENES HELLENIKA 119

JafAioviûv àvi&rjue 'Ad'avaiai noXiaxwt viKohaç tavtä Aar' ovâfjç nrjnoxa xiav vvv. Slatt dessen wird der zweite Theil mit einem oïds begODoeo, das aus der Formelsprache der GrabschrifteD herstammt und in die Aufschrift eines Weih^escheuks sich nicht fQgen will.

Schon vor langen Jahren ist die Vermulhung aufgestellt,') dass das io der Anthologie [Plan. 26] unter Simonides [89 B.] Namen erbaiteoe Epigramm auf den Sieg der Athener über Ghalkis zu- nmmeogesetzt ist aus der echten Grabschrift

JiQipvoç êdfÀjj&ijfÀev vno Ttrvxl, afjfÀa d^ iq>^ fifAîv iyyvâ^ev Eèçinov ôrjfÀoalac xéxvtai ood dem rhetorischen Flicken:

oux àôixwç* içatijv yàg ànwXéaafÀBV veoTïjta Tçrjxeîav nokéfÀOV ôe^àf^evoi vëcpékriv.*) DieVermuthung ist glänzend bestätigt durch den Stein von Salamis,') der die sicher zu deutenden und zu begrenzenden Reste der Grab- icbrifl der 480 gefallenen Korinther trägt, welche längst aus Plu- twcb und Favorin^) bekannt war:

(i ^ive, evhvÔQOv no%^ iyaiofieç aatv QoQlvâ'Oy vvy ô\ a fié Aïavroç vàaog ex^c ^alofilç. Der Stein lehrt, dass erst in der litterarischen Ueberlieferung das Stilkondigen stets anstössige zweite Verspaar zugewachsen ist: hx^döe OoLviaoag vrjag xai üegaac ékovTeg Tuxi Mijàovg leQCcv ^EkXaôa ^vadßei^a. Ke Zusammenstellung der phoenizischen Schiffe, der medopersischen Truppen kehrt hier ganz ähnlich wieder, wie in dem Epigramm auf die Eorymedonschlacht und den Schlachtberichten des Ephoros.') Nach dieser Analogie ist auch die Inschrift*) auf dem Kenotaph itt Koriolh in der Fassung Plutarchs und der Anthologie von dem Verdacht der Fälschung befreit:

àt^&g iarrjxvlav irci ^vqov 'EU,ciâa nàaav xaîg avtwv xpvxctlg xelfÂBÔ-a ^vadfisvoi^

1) Kaibel Jahrbb. 105, 801.

^^ ^gl. Find. nem. 9, 37 nav^oi Si ßovXnfOai tpovov naçnoSiov v- ' * V^'ywi norl Svafiavitov àvS^àv arixas x^i^^ ^^ y^X^* Swenoi, ^) Mai 22, 52 ff. Wilamowitz Nachr. d. GöU. Ges. d. Wiss. 1897, 306 ff. ^> l^lwU de mai Herod. 39 p. 870«. [Dio] 37, 18. ^^ öiod. 11, 60, 6. 12, 3, 3 vgl. 11, 75, 2. ^^ ï^lttt. a. a. 0. AP 7, 250. Arisl. 28, 66.

120 E. SCHWARTZ

die Fortsetzung, die Aristeides kennt, als ein neues Beispiel r torischer Fortwucherung erkannt:

dovkoavvtjç' négaaiç di negl q>Qeal TajfAora ttwxa ijtpafiev^ aQyakérjç fÂvrJinata vavfÂaxlf]Ç»

oatéa y rjiAiv %xet Sakafilç* natçlç dk Koqiv&oç ovt' eveçyeaiïjç lÂvrlfi ifté^rjxe tôde. Korinthische Apologetik hat in diesen, attische Epideixis in jen ersten Beispiel die alte, grosse Einrachheit ?erschnOrkelt. In i Tbeile mit sichtbarer Fuge zerfiel bei genauer Betrachtung ai das Epigramm auf die Eurymedonschlacht. Der zweite ist i rettbar, aber der erste kann auf dem Weihgeschenk in Del| dessen Existenz durch ein von Ephoros unabhängiges Zeugniss sichert ist,') gestanden haben:

1$ ov %^ EvQiircTjv idalag dlxa novtog ivetfÂB xal nokeag ^rjTwv ^ovqoç ^Agr^g inéx^h

ovâév nw xoioîtov èmx^oviwv yévex* àvÔQfHv ïgyov iv rjTtelgtüi xal xavà novxov Sua, Das echte Epigramm war bekannt und berühmt: dass Isokn darauf anspielt,') dass es in zwei noch erhaltenen Inschril nachgeahmt wird,') ist nun nicht mehr wunderbar. Der Gada

1) Paus. 10, 15, 4 rov Se fpoivma àvê&eaar*A^i]valoi tov x^^knavv avrov xal ^Aâijvâs âyaXua inlx^cov ini rcji tpoivmi anb kf^tav tuv EvcivßiSov%i èv rjfiiqai ttji avriji %o fiàv Tr^^^i, to 8i vavalv èv xéût ra/Awi xnroiçd'afcaVf der Relativsalz umschreibt den prosaischen Tbeil Inschrift. Es folgt eine Geschichte, die Kleidemos von dem Weihgescl erzählt hatte.

2) 4, 179 T^s yà^ yrfi ànàcriç triQ vno ttui xoc/ian xetfUtnjç SIjuhl TfiijfUtnjs xal xrjS fiiv jéaiaç^ ri^e 8* Evçœnijs xaXovuévrjs^ rrjtf ^fUaBun xtov aw&fptwv êilrjtpar wanB(f nçès vov Jia trjv x^^t'^^ vBfiOfisvoç àlX nçbs àv&QcjnavQ tos aw9'T,xni noêov/Mvoe. Als Gegenstück za dem 1 gramm gefasst, bekommt die Stelle eine ungleich grössere Schärfe.

3) Hoffmann 330 » Kaibel 76S

*£$ ov T* Evç€J7tijv \iaiaç Sîxf^ nonoe é't^eê/iét^, ov8ais nm Avxiatv airihfjv rotâv8ê âve'^xer

8d»8»xa &êoîs àyoçàc év xa&açdbi Te/iivei.

vixôâv xal noXêfiov fivr,fia i68e a^avarov xtX. Hoffmann 352 Kaibel 844, aus dem Jahr 376/5

*Eè ov Kix^na >lao6 A&rivaiofv ovoud^ei

xai x^9^^ IlaXlàs rtjvS* ixtiOê Srifion lédijvwVf

ovSilç 2o»a$ßiov xal Ilvçça fiêi^ova &vfjrwv

^Xt]v KaxQ07n8(üv ifçya9i iSçaaa àya&â. Es folgt eine prosaische Inschrift.

KALLISTUENES HELLËNIKA 121

ist: Docb nie ist im Krieg , den die Hellenen von jeher mit den Persern und ihren Vorgangern geführt haben, ein solcher Sieg, zur See zugleich und zu Lande, erfochten. Die Vorstellung von der Zweilbeilung der Erde, welche die physikalische Geographie der loDier im bcwussten Gegensatz zu der Conventionellen Scheidung Dach Völkern und Städten geschaffen hatte, ist benutzt, um den Kampf des attischen Reichs gegen den GrosskOnig zu einem von jeher geführten, durch die Natur, gegebenen zu stempeln : das ist ein für die kimonische Zeit charakteristischer Zug, den kein Fifl- scher erfinden konnte. Nur auf den Einwand bin ich gefasst, dass das Epigramm eine zweite prosaische Inschrift voraussetzt mit dem Namen der Weihenden, der Dedicationsformel, der Bezeicb- BQDg der Schlacht. Wenn das Stilgesetz, dass diese Dinge in ein Epigramm einbezogen werden müssen, unverbrOchlich ist, 80 muss jene Hypothese, welche die ersten beiden Distichen retten will, fallen. Ich will mich nicht allein darauf berufen, daas die attische Nachahmung vom Jahr 375 thatsächlich nur dorch die hinzugefügte prosaische Inschrift verständlich wird, aoch die Analogie einer auf dem Stein erhaltenen Inschrift') Dicht allzuscharf betonen, da diese nicht älter als die Mitte tiea 4. Jahrhunderts sein soll. Beispiele aus dem 5. Jahrhundert (ebleo nicht ganz; es ist ausserdem nicht zu vergessen, dass iDsehriften grosser, staatlicher Weihgeschenke in sehr geringer Anahl erhalten sind, sodass ,Geseize^ nicht ohne Reserve slatuirt werden dürfen, um so weniger als die Kunstwerke selbst den Anlass geben konnten die Inschriften zu vertheilen. An der Echtheit der mit der Eurymedonschlacht etwa gleichzeitigen olympischen Inschrift [Paus. 5, 27, 2 Preger 55]

OôçfÂtç àvé&rjxev ^Aqmç Maivàkioç, vvv ôè 2vQax6aioç )«t auch nicht der geringste Zweifel möglich, und die ebenfalls Dicher authentische Hieroduleninschrift von Korinth verlangt eine prosaische üeberscbrift *) ; ebenso die von Ephoros [Diod. 13, 41, 3]

1) Hoffmann 100 «— Kaibel 28, ich bezeiche nur die nicht sicheren Er-

giozongeo

yavfiaxias iv àyœvi' Tâfp[oç lH* ov 9rj/ios iSatKêv 9P^S«i [nai] Ttarf^iS* als [^yXaiaav x^Ç^^^^-

2) Wilamowitz Comm. gramm. IV IfT.

122 E. SCHWARTZ

aogeführte aus Torone. So lässt sich ohne zu grosses Bcdeoki das Gleiche auch von der Aufschrift auf dem attischeo Weihgeschei io Delphi voraussetzen, weun mau nicht vorzieht, was ich nie thue, eio zweites Epigramm anzunehmen.

Die unechte Fortsetzung der Inschrift reiht sich mit ihrer ( schichtlichen Unkenntuiss in die panegyrisch-rhetorische Traditi ein, welche die attischen Persersiege der Pentekontaetie nicht ai einanderzuhalten vermochte. Es dürfte dies Oberhaupt ein Fingi zeig dafür sein, in welchen Kreisen die Sammler und Verfalact der historischen Epigramme zu suchen sind. Nicht nur Hero< und Thukydides haben sich auf Inschriften berufen, die Localhisla wird noch in viel höherem Grade mit diesem Material, gutem o schlechtem, gewirthschaftet haben. Die Trübungen der korinthisch Epigramme aus der Perserzeil weisen auf korinthische Chronik« die ähnlich wie die megarische gegen die Glorification Athens poi misirten ; manches von seinen Epigrammen wird Ephoros aus Bei. nikos und derartigen Sammlern locaier Ueberlielerung entnomm haben. Neben die Geschichte grossen Stils und die localantiqo rische Forschung stellt sich die Pseudohistorie der attischen E| taphien und Panegyriken milsammt den polemischen Pamphlete die sie hervorrief. Sie brauchte die Citate, ,wie der Dichter sing ,wie der Stein kündet' so gut wie unsere beutigen Festredner, ui man soll sich dadurch nicht lauschen lassen, dass die uns erbi tenen Proben dieser Beredtsamkeit das Sulgesetz streng befolge welches das Einstreuen solcher Dichterworte als schülerhaft verpOi Ephoros band sich keineswegs daran und cilirt nicht nur um beweisen, sondern eben so sehr um zu schmücken*); Timae putzte gerade seine Reden mit poetischen Brocken überreicbli aus. Polybios') nennt sie darum Schüleraufsätze und verrfith dam dass die Rbetoreuschuie zur Verwendung auch solcher T€Xfiry^ anleitete, gewiss nicht erst im 2. Jahrhundert, wenn man bedenl welche Rolle die Poesie in der allgemeinen Bildung des 5. u. 4. Jak hunderts spielte. In der Schule, in dem Formelschatz, den ( Epitaphien anhäuften, ist das historische Epipramm fortgepflar

1) Vgl. das Gitat aus Simonides Diod. 11, 11, 6; aus Choerilos Strab. 7, 3(

2) 12, 26, 9 &avfm^(a 8tj r/a» jror* av ä?.Xots ext^rjoaro kSyoiS tj ni ^o^ale [^ Gilate] fteiQaxtov a^i ytveftsvav neçi 8iarctßa€ m€lI ras am ti vnofAVtifidtofv nolvngay/ioawaç nai ßavkofuvov nnçayyelfiartxtSç in tt

KALLISTHENES HELLENIKA 123

nod rhetorisch umgebildet, nicht io eigenen, um des poetischen Intéresses willen zum Buch zusammengestellten Sammlungen. Dann wflrde ein fingirter Autorname sich eingestellt haben; aber weder Epboros noch die altere Ueberlieferung der Historiker und Rhetoren keoDt die Manier solche historischen Epigramme Simonides oder auch nur irgend einem bestimmten Dichter zuzutheilen, wo sie sieh doch nicht entblödet, wenn sie andere Poesie citirt, den Dichter xa DeiineD.

Kehren wir zur Eurymedonschlacht zurück, so wird nach dieser Uitenuchiing die Art nicht mehr aufTallen, mit der Epboros den Bericht von den zwei kimonischen FeldzOgen zu einem äusserlich doppelten, innerlich identischen Bilde formt. Der kyprische Peldzug Old der Sieg am Eurymedon waren der rhetorischen Tradition in «ios zusammengelaufen : der Geschichtschreiber wusste so viel aus Thokydides, dass beide zu trennen waren, beschränkte sich aber io seiner das Halbe liebenden Art darauf, das falsche rhetorische Cesammtbild zweimal zu verwerthen, mit unbedeutenden Modifica- tioneo; ja er verstieg sich bei der Eurymedonschlacht sogar zu der ÜDwahrscheinlichkeit, Kimon in wenig Stunden direct nach der See- schlacht von Kypern nach Pamphylien fahren zu lassen, damit der sHgeiiiein berühmte Doppelsieg ein einheitlicher bliebe und doch <üe Combination zwischen dem pamphylischen und kyprischen Sieg, die ursprünglich etwas ganz anderes bedeutete, nicht aufgegeben ^fMt, Er fand auch nichts dabei, seine Darstellung mit dem der rhetorischen Tradition angehörigen Epigramm zu krönen, ü1)gleich » zu seiner halben Correclur der rhetorischen Manier die Dinge ZQsammenzuziehen nicht mehr passte; ein kleiner stilistischer Kunst- griff vertuschte den Widerspruch.')

Epboros hat sich vor dem Fehler allerdings gehütet, den Ver- trag mit Persien an die falsche Stelle zu rücken : dass dieser Fehler wirklich und mehr als einmal gemacht wurde, beweisen, von Kalli-

1) Bei Ephoros geht der Seesieg der Laodschlacht voraus; aber in der ^^Itliessenden Wfirdigoog heisst es, mit genaoem Anldang an das Epigramm nii61,7]: vêftxipeoTaÇ Sto xakXiffraç rixaÇy rtjr ßuv narà yrjv, rijv 8i xarà

f^olyaeo 1, 34, 1 erzihlt im Debrigen nach Ephoros, stellt aber die Schlachten gemäss dem Epigramm um: er oder sein Gewährsmann haben also das Epi- irraiDin bei Ephoros gefunden.

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sthenes Polemik abgesehen, der Menexenos und Lykurg. Er i enUtanden aus der rhetorischen Unsitte, die persischen FeldzQj der Pentekontaetie zu einem Bilde zusammenzuziehen. In diese Bilde prangte der durch das delphische Weihgeschenk mit seine berühmten Epigramm gefeierte Sieg am Eurymedon mit den leoc tendsten Farben und zog daher den Vertrag um so eher an sie als dieser fOr das ruhmreiche Gegenstück des KOnigsfriedens ga für einen Erfolg, nicht fOr eine Concession Athens. Ephoros ric tigere Darstellung beseitigte den Fehler nicht, sondern trug dar die Identität der Berichte von den beiden Siegen nur noch me dazu bei, dass die Confusion sich einbürgerte. Soll man nun ab glauben, dass auch Piaton den Irrthum getheilt hätte, dass dersel Geist, der in den Gesetzen so tiefsinnige Gedanken Ober den Gai der griechischen Geschichte ausspricht, einen Schnitzer begang( hätte, den ein Ephoros vermeiden konnte, dass der Todfeind d verflachenden Rhetorik dem Laster der Rhetoren verfallen wSi tralaticische Phrasen urlheilslos nachzuplappern? Sollte er eine dumme Erfindung sich erlaubt haben, wie die, dass Perikles Hl tresse dem Sokrates im Jahr 386 eine Rede hält? Sollte er, d in der romantischen Erneuerung des Heldenepos die Poesie d Zukunft sah und von der grassirenden Verehrung des Choerilos nich wissen wollte, das panegyrische Gerede von den Perserkriegen fl einen dankbaren poetischen Stoff erklärt haben?*) Aber Aristotel citirt den Menexenos.') Gewiss citirt er ihn, unzweideutig: a

1) 239^ wv de OVT8 noifjTTi^ nto 86iav dSiav in* a^ünc Xaßatw ix iVi ètfiiv év ftvijcrêiaê, rovrofv naçê fioi Soxêï x^V^ft* én&fivrjad^ai ixtL vovvxâ T6 xal nçofti^caftêvov âXloi£ is (èêSds t< nal Tr^v oXkrjv noirjaw avi d'ëlva^ nçtnévrws xwr nçaidvxav, Procl. ad Tim. p. 28^ 'H^axXBiSrjç ym 6 UovTixoe ^aw on xùiv Xoêffilov rare êvSaxi/iOvvratv nJuaxatv lipt fiâxov nçovilfâriUB ual avxov énêiCê rov ^HçaxXâidtjv eis Koloipwva iX^iwt not^juaxa avXXeiai xov avisos, ftâxriv ovv fXrivaipoviit, KaXU/uagos m Jovçu WS nX&xmvos ovx ovxos ixarov nffivtiv noirjxâs. Vgl. Plot. Lyt, \ etc. Brtd. 191.

2) RhêL r 14 p. 1415^ 30 o yàç Xéye* ^StOM^ârr^s étf xa$ inixtupim àXaj&is Sxt av x^^^ov ^A&rjvaiovs iv 'Ad^aùns inatvaiv âiU* év Aom ecußAOvüHß •» Menex, 235<>; derselbe Ausspruch wird rheU .<^ 9 p. 1367^ mit tuCTtê^ 6 Smn^xris HXayw eingeführt, vielleicht als Apophthegma, dm kommt, da an dem Zeugniss in IL%ql XiSaafs kein Zweifei möglich ist, dara nichts an. Gegen eine ultraradikale Kritik, die behauptete, dass platoniscl Dialoge nach Stellen des Aristoteles gefälscht wären, hat der Satz, dass e

KALLISTHENES HELLENIKA 125

wenn das etwas anderes bewiese als dass, was ohnehiD wahrschein- lich ist, der Meoexenos io der Zeit Alexanders geschrieben ist. Es hat damals genug Isokrateer gegeben, die Piaton verehrten man denke an Isokrates von Apollonia und Philiskos und Pla- toniker, die mit der Rhetorik coquettirten: wo es lebendige Gegen- sUxe giebt, fehlen nie die Leute, die sie vertuschen. In jener Zeit des DebergangSy in der die Principien der Bildung und des Stils in buntestem Durcheinander sich mischen, erschien die thörichte Idee nicht thOricht, die mimetische Kunst Piatons und den ernsthaft gemeinten Pomp der Panegyriker zu einem kentaurischen Ganzen ZQ ?ereinigen. Nicht mit dem Gorgias oder Phaidros, mit dem

aristotelisches Gitat die Ectilbeit verbürgt, gute Dienste gethan : jetzt wo viel mehr Gefahr von einer Berge versetzenden Gläubigkeit droht, dOrfte es hohe Zeil seio, das seit Jahrzehnten für ein noU me längere gelteodene Aziom 20 revidiren, damit es nicht zu einer Formel sich versteinert. Es ist einfach mtfetitio jtrineipii, dass Aristoteles eine unter Piatons Namen gehende Schrift, SDch wenn sie unecht war, nicht hätte citiren können, ohne sie ausdrücklich 9k onecht zu kennzeichnen. Sieht man sich die von Bonitz Ind. ArUtot, ^596f. zusammengestellten Gitate des platonischen Sokrates naher an, so Ofiebl sich, dass Aristoteles diese Form anwendet, wenn er eine Lehre oder Aiicbaaung als einer bestimmten Schrift eigenthömiich charakterisiren will: to wird die Ideenlehre des Phaedon besonders hervorgehoben, weil sie ein bcssaderes Entwicklungsstadium darstellt [vgl. de gen, et eorr, ^ 9 p. 335i> 10 Biit met, A 9 p. 991i> 3] und in der Politik steht der Sokrates des Staate den iiRiter geschriebenen* Gesetzen gegenüber. B 6 ISsst das deutlich erkennen, sttTts ol Tov ^mHifotovç loyot heisst ,der Staat*, auf den ebenvorher die CcMUe zurückgeführt sind, mit Nichten ,der Staat und die Gesetze*; zu ^ 7 P* 1342* 33 ff. bemerke ich, dass die Erörterungen der Gesetze über den dio- Byiiiciieo Chor der Alten [2, 665* ff.] den aristotelischen Gedankengängen er- ^lieh näher stehen, als die kritisirten Erörterungen im Staat, ^ofx^ânjs iitalsomit Nichten eine Formel für Piaton, sondern soll, wo nicht witpoL A 13 P.1360* 22 «<A.^ 3 p. 1145^ 23 der historische Sokrates gemeint ist, einen l)i>log bezeichnen wie Lf^toro^at^s év rois é^anutoU loyois [pol. B 4 ^•1262^ 11] das Symposion, ô KcdXtMlrjs év rtüt Po^iai [top. / 12 p. 173* 8] <leo Gorgias. Es ist gewiss charakteristisch, dass Aristoteles die Dialoge des Aesdüoes und Antisthenes nie so citirt, aber daraus folgt noch lange nicht, àsi it immer und unter allen Umständen nur ein echt platonisches Buch so dtirte. Er citirt auch [met. J 29 p. 1025* 6] den kleinen Hippias mit o év fm 'bntitu lâyoç^ und doch glaube ich nicht, dass Piaton selbst seine eigene ipologie [p. 17«] so ungeschickt copirt hat, wie der den platonischen Humor «efa aoqoälende Verfasser dieses kümmerlichen Machwerks es thut [368^]: So- lrates Platz ist auf dem attischen Markt an den Wechslerbuden, der vornehme Sophist gehört da nicht hin.

126 E. SCHWARTZ

pseudolysianischeD Epitaphios gehört der MenexeDOs susamm« beide lehren viel Tür die Slelluog, die um 330 das gebild Publicum zu Lysias und Platon einnahm, für diese seibat s bedingt nichts.

Die Anschauung von dem Frieden, gegen welche Kallistbeo polemisirte, ist in ihren Ursprüngen aufgedeckt. Es bleibt bo übrig die seltsame Beschreibung der Schlacht am Eurymedon, welcl Plutarch [Kim. 12, 13] aus Kallisthenes und Phanodem entkh haben will, mit Ephoros zu vergleichen und zu analysiren. Geblieb ist die Reihenfolge 9 dass zuerst der Sieg zur See, dann zu Lau erfolgt, insofern als die im Eurymedon stationirte Flotte der Pen zunächst geschlagen, dann sofort das Landheer vernichtet wir andererseits ist hiermit die Einheit der Schlacht, die Ephoros dun die unwahrscheinliche Fahrt nach Kypern zerstört hatte, wiede hergestellt. Aber diese Combination mit dem kyprischen Sieg, d den Berichten des Ephoros so verhängnissvoll geworden war, i nicht ganz aufgegeben, sondern mit der allgemeinen Wahrscheii lichkeit in Einklang gebracht durch die Erfindung, dass ein pbOii zisches Geschwader von 80 Schiffen von Kypern her im Adioj gewesen sei und Kimon dies sofort nach dem Landsieg am Ear medon geschlagen hätte. Nur weil Ephoros noch vorliegt, ist möglich die Technik dieser Erzählung zu durchschauen: Plutan führt sie ausdrücklich auf Kallisthenes zurück. Aus dem von Plo arch erhaltenen Rest von Polemik, die Phanodem gegen Ephor über die Anzahl der persischen Schiffe führte, lässt sich mit B slimmtheit nur so viel schliesseu, dass dieser den Glanz des Sieg durch eine ungeheuerliche Uebertreibung zu erhöhen bemüht g wesen ist. Möglich ist, dass Kallisthenes, der auch sonst einn mit Phanodem zusammengestellt wird,*) aus ihm im Wesentlich die romanhafte Correctur von Ephoros' Bericht entlehnte, mögli auch, dass Phanodem den falschen Ansatz des Vertrags mit Perti in seine Althis hinübernahm: aber zu sicheren Schlüssen rei< die Ueberlieferung nicht aus, und keinenfalls durfte man einen e zelnen Atlhidographeu zum Erfinder des in der panegyrischen Lit ratur feslge wurzeilen Irrlhums stempeln.

1) Proci. ad Tim. p. 30^ Der CIG. Sept. 4252. 4253 [332/t] Qod A [329/S] genannte 4>av68ri/ioç JMXov BvfiairdSrjç ist der Âtthidograph, Historiker Diyllos sehr wahrscheinlich sein Sohn.

KALUSTHENËS HELLENIKA 127

KallistheDes wird Olynthier genannt, weil er vor 348 geboren war. Es ist nicht ohne Interesse, die Schriftsteller zusammen- luslellen, die auf diese Weise dem 4. Jahrhundert zugewiesen werden mOsseo.

Der Neffe des Aristoteles hat es Alexander nicht nachgetragen, ^ sein Vater ihn heimathlos gemacht hatte: er hat Alexander oppooirt nicht als Bürger einer hellenischen Stadt, sondern als Génoise des makedonischen Adels, weil er die Chancen des Conflicts iwischen diesem und dem König falsch berechnete. Dagegen stimmte ein anderer Olynthier in die Hetze gegen den todten Löwen mit lauter Stimme ein : Ephippos schrieb, zweifellos gleich nach Alexan- ders Tod, ein giftiges Pamphlet zum Nachweis, dass der Welt- beherrscher, der als Gott hatte verehrt sein wollen, und sein Freund, deo er zum Heros declarirt hatte, sehr sündhafte gotteslästerliche Meoschen gewesen seien, die gestorben wären und im Grabe lägen wif andere auch. Alexander hat sich zu Tode gesoffen, weil Dio- nysos an ihm die Zerstörung Thebens rächte; die Makedonen können nicht gebildet zechen, sondern sind schon vor dem Dessert be- tranken: das charakterisirt dies Product frommen Patriotismus und griechischen Bildungsstolzes zur Genüge, es war ein Pasquill, kein Geschichtsbuch. Der Titel Tleçl t^ç ^Hq^aiaTiœvoç xal ^AXe- \Mqov Tag>Yjg^) reiht sich einem* Pamphlet Hegl tov tôçov fiii noirjaai OiXinnœi an, das ein Gegner des Isokrates diesem untergeschoben hatte, um dem Redner, welcher mit Demosthenes vnd Hfpereides nichts zu schaffen haben wollte, die Schande an- XQhangen, dass er für die göttliche Verehrung Philipps eingetreten sei.') Aoaximenes BaaiXiwv (uêTaXXayal^) gehören in den gleichen Zosammenhang, mehr lässt sich leider nicht erkennen.

Dagegen ist der Olynthier Strattis völlig verschollen, der in fünf Büchern die officielle Version über den Tod Alexanders be- handelte und ausserdem Heçl TCOtafÂWV xa/ xçtjywv xal XtfAvwv (Soldas) schrieb.

1) Athen. 3, 120«. 10, 434«. Für täcp^c steht 4, 146« /laTaXXayriQ, 12,

2) Soldas fährt es unter deo Schriften des Isokrates von Apollooia auf; das ist ebenso zo beortheilen, wie wenn Harp, inaxroe cqxos U^ü JrjfAovi' mp ibm zogescbrieben wird. Für die übrigen Titel, wie für die des Pbiliskos rao Miiet gilt dasselbe.

3) Athen. 12, 631<». Steph. naacacyadoe.

128 E. SCHWARTZ

EupbantoB vod Olynth') schrieb die Geschichte seioer Zeil und Tragoedien. Das zeigt erstens, dass damals, wie in Rom lur Zeit Ciceros, jeder der die Kunstprosa beherrscht, glaubt eine Tragoedie machen zu können: Agatbon und Tbeodektes haben ge- wirkt Ferner kann dies ZusammentrefTen dafür angeführt werden, dass die bistoriographisclie Technik der hellenistischen Zeil ihre Mittel von der Bohne entlehnt: Duris und Phylarch habeD so gol Furcht und Mitleid erregen wollen, wie das tragische Spiel nach Aristoteles soll.') War Eupliantos vor 348 geboren, so konnte er bei Eubulides, Aristoteles persönlichem Feind, hören und AnligooM Gonatas Vorträge halten, aber nicht von einem g>lloç des Ptole- maios Euergetes erzählen'): der Kallikrates, den er erwähnt, istaisc^ nicht der Admiral des Philadelphos, der der Arsinoe Zephyriti» einen Tempel und die Standbilder der Götter Adelphen in Olympiai errichtete, sondern der ältere, den Ptolemaios 1. 310 nach Kypero schickte, mit dem Auftrag Nikokles von Paphos wegzuschaOeo.*>

1) Diog. 2, 110 EvßovUBov xcù Eltpavxoç yéyovap i 'Olir&iOS, çiaç ytyQatpwç ràs naxk tovç %q6vovQ tovç éavtov' inoùjoê 8i ual x^tpÊêr- Siaç nXeiovç iv aU »vdoxifiêê uarà vois aywvaS' yéyopê 8i utd jivtvfifO^ Tov ßaaiXe'afS SiSaoxaXoe, ff(fos ov xai Xôyov yéyqaipe neçi fia€iktiaç Cfô^f^ BvBoKiftovvTa, TOV ßiov Se yriQtu Kavdctçêyfev,

2) Vgl. Fünf Vorträge über den griechischen Roman 116. Died. 19,8, 4 [aus Doris] à^' wv fifdv nêçgaiçaxéov iati ttjv inid'nov nai aw^^ fpSff avyyçaupàlai x^ayandiav fidXiaxa /iiv 9ià rov xdßV nad'6vx»v iXaor, itm^^ ual Sià rv fitjdiva xwy avayivofaxovrofv ini^ijTtîr axovcrai xarà ^ä|p»*j év iroifiwi rrj« yvatcsafç ovarjç. Polyb. 2, 56, 7 [gegen Phylarch] 9ftov3i{ß^^ S* eis iXaov ixxaXàia&ai rovç avayivcûaxovxaç xai avftnad'eîe nouîw %9fSB Xayofiévoie êtaàyêi neçmXoxàç ywaixœv xai xofias Sêe^çififuraç uai fUt9xS^^ éxfioXdç^ ngoç Si rovrois Sàx^a xai ^çi^vovs àvSçtûv xai yvraauSv uray^^ renvois xai yovexai yrjçaiolç ànayofiivojv noul Si tov%o na^* olqv tô^ iaroçiav nsiçiôftêvos éxdajois àei nço 6^t^aXfi(ùv Tt&dvoé Sêtrâ ... * Sëï toiyaçovv ovx iTunXrjrreiv xov avyyçaipda ra^arevo/iMt^v Sêà xijç i9t^F^ çias roifÇ ivrvyxdrovraç ovdè tovs àvSexofiévovç loyovç ^fjrBW xai f^ na^anofiiêva rois vnoxtifiévois i^açi&fieîa&ai xaâ'dnan oi XQaymtSioy^Aft^^ .... TO yàç rélaç iaroçias xai rçayatiSias ov tavrov aXXà towkäMÄ^^'* Mit der Technik der hellenistischen Historiographie übernimmt die rtoisdi^ natürlich auch das »dramatische^ der feuilletonistische Augenblickseinfiill, 4ie^^ aur die Praetexta zurückzuruhren, verdiente nicht verfolgt zu werden.

3) Athen. 6, 251** Elfpavros 8* év rrrâ^ri/i ^laxo^iwv UxoXefuUev f^jT^^ 10V TQixov ßaOiXtvaavxoi j4iyvnrov xoXaxa yBvt'ü&oe Kaklitt^cit^r ktA- '^ Schon Mallet [vgl. Zeller II 1^ p. 211] hat für r^irov hergestellt n^ov.

4) Dittenberger zu SIC. 223'.

HALLISTHËNES HELLBNIKA 129

Ich fuge noeli biozu den Horoeriker Dionyaios,') der in dem

von Tatian erhaltenen und chronologisch geordneten Katalog der

Schriftsteller Ober flomer zwischen Herodot und Epboros steht:

er dOrfle mit den grammatischen Studien Demokrits zusammen-

hSiigeD, ferner den in einem der Ezcerpte nsçl evQéaswç avoi-

liuûv auftauchenden Menekrates.*)

Köhler*) bat die Behauptung des Demosthenes, dass Philipp die S(8dte der Chalkidike dem Erdhodien gleich gemacht habe, als eine rhetorische Phrase erwiesen, zugleich aber gezeigt, wie das moDicipale Leben der hellenischen Bevölkerung von ihm unter- drOckt ist. Erwagt man ferner, dass die NeugrQndungen Kassanders, Kassandreia und Thessalouike die Elemente der Cultur so ziemlich aorsaugen mussten^ so wird man den Satz nicht zu kOhn finden, dass Schriftsteller, die als Bürger einer der kleinen chalkidischen Städte bezeichnet werden, nicht unter das 4. Jahrhundert hinab- geschoben werden dürfen. Folgende sind mir bekannt:

Herodotos von Olophyxos, schrieb Ileçi vvfÂfpwv xal d^ewv. Sleph. 'Okoqnj^oç.

Hegesippos von Mekyberna/) der Chronist der Pallene. Dionys i)ezeichnet ihn ausdrücklich als einen alten Schriftsteller und L}kopbron acheint ihn benutzt zu haben.*) . Philonides, ebenfalls von Mekyberna, wird nur von Plioius |5,i29] citirt, ohne Angabe des Titels. Er gab als allen Namen von Kypern ^uixafiavtic aus: itixàfiaç ist ein kyprisches Vor- gebirge, aber der attische Heros stammt aus der Strymongegend.

1) Tatian. p. 31, 20. Nach Varro bei [Serg^.] expl. in Donat, p. 531 ! er die nê^tan»iUvfi duraros^ beschäftigte sich also mit der Âccent-

lebre: das gehört zor Lehre von der îU|«ff.

2) ßekker AG p. 782, 19.

3) SB. d. Berl. Âkad. 1891, 473 ff.

4) Step h . MfjKvßBcva . . . Mijitvße(fvalo£ * ovrms yàq avayqatpiffcu ^Hytr ^wiw o IlaXh^^aità awrnaxiùs xal ^ilan'iSfjç xal [oi] âXhn, Dionys. ^A 1, 49, 1 KâfuXmp é Fegyid'toç xal ^HytjOinnoç 6 Ilegl JlaXXrjrtjs y^' ^ Mqts aQxaSct tud loyov â|io«. Dionys bat nicht gewoast, dasa Kepha- ^01 Chronik eine Fälschung des 2. Jahrhunderts war. Das Gitat Mèhrjaiaxœv « Pirthea. 16 ist oatärlich ein Versehen für üalkrirwMcuv, Skymnos 640 T. l^^ichnet Meky berna als nicht mehr existirend.

5) Vgl. 494 ff. mit Parthen. 16. Hoefer Konon 53 ff. ist mit seiner Unter- svchïïDg über Hegesippos besonders glflcklich gewesen. Konon 17 ist nêçi w Myytuov [nriXêMhf cod.] 6(^ [ttfi BMcaXiai] zu lesen.

HwwiXXXV. 9

130 E. SCHWARTZ, KALLISTHENES HELLENIKA

Nikomedes tod Akanthos Terfasste Maxedovmd,^) selbsUersUod- licb Dicht ?or Philipp, achrieb ferner Ober Orpheua,^ deaaen pieriachcr Cult ala DationalmakedoDiach zu Alezaodera Zeit angeaeheD wurde.) £a iat ?od Intereaae, daaa eio Chalkidier den Eroberern die ge- achichtliche Vergangenheit beschafft, die aie brauchten, wenn ric sich als HelleneD legitimiren wollten.[*)]

Strasaburg. EDUARD SCHWARTZ.

1) YoD Lysimachos schol. Eor. jéndr, 24 citirt

2) Athen. 14, 637«.

3) Arr. 1, 11, 2.

[*) Der Verfasser batte ManiMcript and Corrector geraome Zeit Tor defl ErschelDen Ton Ed. Meyers Forscbongen i. alten Geschiehte II ans den Héndei gegeben. ANM. D. RED.].

BERICHTIGUNG.

Durch eine freundliche briefliche Hittheilung yon H. Dessau ich darauf aurmerksam gemacht worden, dass meine auf die Wort^ Hommsens Rom. StaaUr. P 590 gebauten Schlüsse Bd. XXXIV S. 36^ und 371 nicht stichhaltig sind, sondern auf einem His8TeratSndoi0< dieaer Stelle beruhen. ,Wenn Mommsen sagt, daaa der Name doi renuntiirten Beamten in die Magistratslisten eingetragen wird, aiid wenn er das Amt nicht angetreten hat, so meint er damit Magistrat» listen von der Ausführlichkeit, wie wir sie fOr die republikanisch^ Zeit nur in den capitolinischen Fasten, für die Kaiserzeit aber Ober haupt nicht besitzen. Natürlich wurde in diesen vollständigen Listel dann auch bemerkt, dass der Betreffende das Amt nicht angetretei hat. Mommsen meint selbstverständlich nicht, dass ein vor Aa- tritt des Amts verurlheilter Beamter den späteren rechtmflssigei Inhaber desselben aus den Listen habe verdrängen können.^

Indem ich diesen Irrthum berichtige^ bemerke ich noch, das auch nach Wegfall der auf ihn gebauten Schlüsse mir genügend Gründe für die Datirung der Hinrichtung des Sabinus auf da Jahr 82 vorzuliegen scheinen.

Rostock. H. V. ARNIM.

VARIA.

(Cf. Tol. XXXUI 245 sqq.).

LV. Praeclara est oarratio CiceroDis de Pompeio et Crasso I senaiu verba facientibus in epistola ad Atticum libri primi XIV a. 693 exposita; quae nuper mirum io modum emendaDdo et iterpretando obscurata est et depravata. Sunt verba haec.

Pûiiea MessaOa consul in senaiu de Pompeio quaesivit, quid

de religione el de promtdgaia rogatione eentirel: loeiUui ita

esi m senaiu, ui omnîa iUius ordinis eonsulia yevixwç bu-

daret, mihique, ui assedù, dixii se puiare saiis ab te eiiam de

isiis rebus esse responsum. Crassus posieaquam mdü ilium ex-

esfisss laïudem ex eo, quod hi suspicareniur homines ei eon-

sulatum wieum plaeere, surrexii omaiissimeque de meo con-

sulatu locuius esi, ui iia dkerei, se, quod essei senaior, quod

dois, quod liber, quod oioerei, mihi aecepium re ferre; quoHes

eoniugem, quoiies domum, quoiies pairiam oiderei, ioiies se bene-

fäum meum vidore: quid multa? toium hune loeum, quem ego

varie meis oraiionibus, quorum iu Arisiarchus es, soleo pin-

gere, de flamma, de ferro (nosii illas Xrjxvd^ovç), valde gra-

tiier periexuii. Proximus Pompeio sedebam: inieUexi hominem

moveri, uirum Crassum inire earn gratiam, quam ipte praeier-

misiss^, an esse ianias res nostras, quae iam Ubenii senaiu

kudareniur, ab eo praesertim, qui mihi laudem illam eo minus

ieberei, quod meis omnibus liiteris in Pompeiana laude per-

sirieius essei. Bit dies me valde Crasso adiunxü, et tarnen

ob itto aperie ieete quidquid esi datum libenier accepi.

De his igitur Terbis, quae pleoius perscripsi quo facilius teoor

Moteoüarum perspiceretur, perscripsi autem ila ut librorum fide

rolgo tradi soient, Dovissimus harum epistolarum editor ila egit

io museo Rheoaoo vol. 53 a. 1898 p. 121), ut summam eius oar-

atioDis absurdam esse affirmaret et taotum abesse ut Pompeius

b Cicerooem a se laudatum senatus plausum consecutus esset,

9*

132 1. VAHLEN

quae vulgaris erat sententia, ut coDtrarium Decease esset a Cicero dici, Pompeio oullum a patribus hoDorem cootigisse propterea nulla CiceroDem laude impertisset.') Quam seotentiam eo mo posse yerbis exprimi sibi persuasit, ut ex At nupkarwiwr efBccnl mmtis noficarentur et non exeepisu laudem sed exctVIusa Im scriberetur. Itaque ne editionem ipsam bis inventîs frustrant sic baec edenda curavit.

Crassus posteaquam vidit tfftim'excidisse laude ex eê, fi minus suepicarentur homines ei eoneulaium meum plaeere, n rexit amatissimeque de meo eansutatu loaUui esi. Pion quaero quam recte exddiese laude dicatur cui nihil laudis et tigerit neque magis illud quam probe minue critici arbitrio eo lo positum sit ubi vix possit quin minue suspicarentur, non MÉi placere intelligatur. Sed explanato narrationis itinere totam isti rationem irritam esse et a Ciceronis mente atienam puto pai probari. Proficiscor autem a suepieando. Quid igilur? Nempe Pompeii oratione in senatu habita hoc suspicabantur patres, orati Ciceronis consulatum non displicuisse: hoc enim sibi ?oluDt ler quae leguntur vidit iUum excepieee laudem ex eo quod euspiearmiÊ homines ei consulatum meum placere. Et recte quidem« Nam Pol peius etsi de Ciceronis rebus nihil expresse dixit, tarnen qui f vixwç omnia senatus décréta sibi probari') profitetur, is dob i iuria putabitur ne Ciceronis quidem res auctore senatu iUo am gestas damnare. Neque id secus aut Pompeius accepit, qui habt oratione Ciceroni insusurraret se sibi videri etiam de istis b. e. Ciceronis rebus satis dixisse, aut Cicero, quem voluntas qoiflk Pompeii, quamvis eins ambitioni minime satisfecisset, follere m potuit; id quod cum narratio ipsa declaret^ tum ilh quae deinee dicit ab iUo (b. e. Pompeio) aperte tecte quidquid est datum benter aceepi. Sed senatores, quia iure suo suspicabantur Pompi Ciceronis consulatum non improbari, plausu eins orationein (

1) In adnotatione ex illius disputatione parum ut mihi videtor perapk aut ad persuadendum apposita haec pauca quidem afferam verba: Pomfe hat ebenso wie vor dem Folke^ wo er frigebat, auch im Senate kein Beifall geemtet^ und »war in Folge dessen, dass er dem Oeero kein à gespendet hat,

2) Eoudem in modum Pompeius ante in conlioue habita locatos e ul Cicero eadem epistola scribit, tum Pompeius /laX* àçêaTOHÇixxittwe toem est senatusque auctorilatem sibi omnibus in rebus maximam videri 4 que visam esse respondit.

VARIA 133

ciperuDt. Sic eDim explicaDdum arbitrer quod scriptum est, non «tPompeius laudem ezcepisse h. e. captasse, ut nonnulli ioter- pntahaiitur, sed contra laudatio Pompeium Pompeianamque ora- tioiiem ezcepisse dicatur, eo loquendi modo quo cum alia. tum ilia apod Ciceronem io Sestiana (68, 143) elata suot de Hercule, cuius Miyire ambusto vitam eius el virtutem immortaluas excepis$e di- ctfNT. Etenim Pompeius tantum aberat ut laudem captaret, ut ne eiipectareC quidem, cuius orationem laudatio ista praeter opinipnem Mcata est. Et hoc illud erat quod noo fugit Crassi prudentiam, qni quia intellexit Pompeii orationem plausu patrum excipi quod impicabaotur tantum ei Ciceronis consulatum placere, baec sibi reiontiavit, ,illi qui ob levem suspicionem consulatus TuUiani a Ptapeio non vituperati laude eius orationem prosequebantur, quid ' iKieat mihi, si non tecte ut iUe, sed aperte, sed magnis laudibus RHwdaras res Cicerone consule gestas eztulero^ Atque ille asse- cHiis est quod voluit, cum luculenta oratione, qua Ciceronis laudes et bénéficia consulatu eius accepta pertezuit, tarn senatui grati- leiretur quam Ciceronis admirationem ezcitaret, Pompeium autem phse incertum relinqueret, quid de ea re iudicandum censeret, . CruMunne bac laudatiooe sibi tantum parare patrum gratiam Telle Vm. ipse non nisi incerta memoria Ciceronis usus praetermisisset, *•) res a Cicerone consule gestas re vera tantas fuisse, quarum hi4atof«m senatus approbatione ac plausu prosequeretur.

Baec quae Ciceronis verba cum cura secutus ezposui ila oeza tt celligala esse inter se videntur, ut de consilio narrantis dubi- lüio.eise non possit. Et bine si quis ad ea respexerit, quae a >iWmio editore suo periculo novata sunt, intelliget, opinor, quam hige is interpretando a vera ratione aberraverit et quam prava sit ■ttiptom qua Ciceronis orationem planam et perspicuam defor-

Sad restant nonnulla in singulis quae seorsum a toto senien- Ittira cursu disceptare licet: primum At in verbis ex eo quod hi ^V^pteran/tir hêmines, ez quo ille suum illud minus efflciendum fitSfit quod ezpendimus; sed fuerunt qui aut dempto pronomine fni ituptcarenltir homines, aut in sic mutato quod sic suspi- tsmiur homines scribi mallent; quorum neutrum vituperabile est. Minim tamen valde probabile. Intimam sententiam consulenti iod scio an ad suspicarentur nihil aptius videatur addi posse quam flf particula: ex eo quod vel (tiQ suspicarentur homines; qua re

134 1. VAHLEN

sensus dum miouitur augetur, ut vel istam suspicionein satk fuiss indîcetur, qua patres moti plaudereot oratori. Sed res est incert et eruDt fortasse qui ipsum quod scriptum est in libris quod l iuspicaretUur homines*) defeûdi posse censeant; quod utut est, a summam certe sententiam hoc non ita pertioet

Impeditiora suot quae sequuutur intellexi hominem nHn>er utrum Crasium mire earn gratiam, quam ipse praetermisisset , a esse tantas res nostras, quae tam libenti senaiu laudarentur. Si haec édita sunt in libris scriptis et impressis: nam quod in coc Mediceo uerum exaratum dicitur, le?is error est in margine coi rectus; utrvm autem Wesen bergius uncis inclusit maluitque abessi aut hoc aut cum Bootio servata utrum particula ineertum ei prac mitti. At utrum aliéna manu adiectum esse (quo consilio no apparet) credibile non est; addi autem unde utrum ipsum pen deret, inutile erat. Sed sive banc si?e illam emendandi ?iam ini eriS| quod summum est, ne attingitur quidem, hoc est, quo mod< inflnitivorum ratio in bac duplici interrogatio^e pendenti explicetur cui rei a nemine allatum vidi quod satisfaceret: nam quae noU sunt infinitiyorum exempta in interrogatione positorum in baD< orationem cadere non ?identur. In qua re ut aliquid efOciatar moveri yerbum, quod interprètes fere praetermittunt, acrius atten* dendum est; cuius vis verbi quae h. I. sit, doceri Taciti verbii videtur, quae de Tiberio scribit in Annalium IV 57 causam ah cessus quamquam secuius plurimos auctorum ad Seiani artes rettuli quia tamen caede eius patrata sex postea annos pari secreto con iunxit, plerumq^e permoveor, num ad ipsum referri verius si h. e. ich gerathe ins Schwanken, werde unsicher, ob nicht riduigoi sei, quo modo etiam Graecorum xipeiad'ai poni notum est. Se« quod Nipperdeius hoc nove dictum esse a Tacito adnotat, videmo Ciceronem iam ante eundem in modum locutum esse. Nam do bium non est quin is quoque haec in banc sententiam coniung voluerit intellexi hominem moveri (h. e. pendere animi et incertun FS9e) utrum haec an illa pro veris haberet: nimirum Cicero e vultu geöiuve Pompeii propter sedentis hoc sibi videbatur intelli gere, ille quid sentiret aut secum deliberaret Quod si ita rect statuitur, necessario colligitur ad perficiendam orationem nihil desi

1) Cicero de legibus III 13, 29 non enim de hoc senaiu nee his d hominibtu qui nunc êunt . . haec habetur oratio.

VARIA 135

derari oisi verbum quod particula iolerrogativa poscatur et unde apli nnt infiniti?!, qui istis particulis régi non possunt neque vero pendere soluti. Suspicor igitur Ciceronem scripsisse ùudlexi kontiMsi moveri, tUrum [crederet] Crassum inire earn graiiam quam ifm froitermisisset , an esse tanias res nostras quae tarn /t beult aeMTM hudareniur; neque vereor, ne liuic opinioni überlas mu- toDdi obesse existimetur. Nam cum pateat quo errore erederet ante Cmsmn praetermisaum alt, tum omnino faciliua credilur inter- ciditse verbum scriptum quam quod scriptum non erat falso ad- iectum esse, propterea quod illud errore fit, quo errore omni tem- pore errarunt bomioes, hoc non potest nisi consilio factum esse^ cuius raro manifesta ratio ostenditur.

LVI. Cum nuper b. e. ante aliquot annos certo consilio Gellii Noctes Atticas relegerem, incidi in quaedam antea a me neglecta, fuibtis scripturas quasdam Ciceronis de legibus in suspicionem vitii Focatas ac demutatas slabiliri posse crederem. Primum haec 1 26, 66 fuit enim kic vir non solum eruditissimus sed etiam eivis I rt fublica maxime tuendaeque civitatis paratissimus. Plerique pert- edunt de coniectura Roberti Stepbani, id quod ad gene- commodius, ad tuendae civitatis notionem alterum magis tppositoro esse olim adnota?i. Quod quam verum fuerit, et illo aemplo quo tum usus sum de re pubt. 6, 13, 13 alacrior ad tu- mAmi rem publicam et multis similibus confirmatur, Asellionis apud Ulittm 5, 18, 9 alacriores ad rem publicam defendundam, Cice- ronis autem Philipp. 4, 1, 1 alacritatem summam defendendae rei piHtae; 9, 5, 10 praestantem in re publica tuenda curam atque fniimtiam; 11, 15, 39 ad liberandam patriam paratissimae; cf. iM. 14, 35; 2, 44, 113 hab^ res publica adulescentes nobilissimos tîntes defensares; adde etiam pro Sest. 18, 41 cupidissimum rei fMeao^ conservandae; et pro Mil. 9, 25 homo ad omne facinus l^missimius'f neque praetereo aut de re publ. 2, 34, 59 aut de b. 4, 22, 61 et de off. 2, 1, 2. Quamobrem peritissimus si Cicero Toluisset, non tuendae opinor eum sed gerendae sed regendae dvi- tstis scripturum fuisse. Ut enim dicit belli gerendi peritissimos (pro Font. 19, 43, ubi vide etiam quae insequuntur) vel universe fimpeium iuris publid, vnaris maiorum, rei denique publicae peri- tisttmum (pro Mil. 26, 70) , sic qui scripsit pro Rah. Post. 9, 23 Demetrium et ex re publica Athenis quam optime gesserat et ex doc- ^rina nobilem et darum, de leg. 3, 6, 14 Phalereus ille Demetrius

136 1. VAHLEN

«

fU et dourinae stuHii et regenda cinitate frhueps etftfi is

certe optime scribere, de eodem praesertim Demetrio, germâeie site regendae eimtatis peritiisimuê potuit. Sed tuendae cum pontum eMet, eum pehtùsimus addidisse mihi De nunc quidem fit credibila Dec me paenituit quod inlacta reliqui quae libri teslaolur iumidm eimtatis paratissimus , quaroquam geDetiyum quo taerer exeoaplum gemiouro tum in promplu dod erat. Id nunc obtulit Gellius cuoi ita seribii 10, 22, 1 Plato veritatis homo amieissiwme ancagn« aM- nibus exhibendae promptissimus, quamquam idem alibi promptm et paratus cum ad praepositione iuogere solet ?elut 13,28,3 ai u cavenda esse oportet animo prompte atque intente; 4 ad nitanies ictus catUa stint aut ad faeiendos parata; 14, 4, 5 ut prompta camsiderandum iudieandumque sint. Quo mious improbabile eit, Cicerouem quoque hoc sibi permisiase ut tuendae eimtatis parth tissimus siugulari exemple scriberet.

Alter locus, in quo Ciceroui attemptato Gellius succurrera fi« - detur, hie est 1, 23, 61 idem cum caelum terras maria rerumfÊê omnium naturam perspexerit eaque unde generata quo recmnat% quando, quo modo obitura, quid in iis mortale et caducum, ftU divinum aetemumque sit viderit ipsumque ea moderantem et regentem- paene prenderit seseque non omnis eircumdatum moenibus popuiarem alicuius definiti loci sed civem totius mtmdi quasi unius urhis agao* verit, in hac ille magnifieentia rerum . . . quam se ipse noseeu Sic baec edidi olim recteque scripta e^e in aduotatiooe compro» bare studui: nisi quod dubitatio haerebat omnis quod falaom est quo modo emeodaDdum dicerem : quod proposui commsmibus habet illud quidem quo se tueatur, sed melius fortasse est et simpliciiii scribi seseque non suis eircumdatum moenibus popuharem alieuàsi - definiti loci; id quod Seneca praeivii cum dicit Natur, quaeat 3f 27, 7 (lorrens) urbes et implicites trahit moenibus suis populoi. Sel^ de illis quae sunt seseque non suis eircumdatum moenibus larem alicuius definiti loci, sed civem totius mundi quasi unius \ agnoverit, quae mihi egregie inter se opponi videntur, ut ipsa contrariorum ratione defendantur, plerique ahter sentiuDt et baec verba potissimum populärem alicuius definiti a Cicerooe abiudicaDdt- esse censent: quo facto quae reliqua sunt ita scribi volunt semque non unius circumdati moenibus loci. Ego ne quia denegaret jnh pularem alicuius loci recte dici, hoc attendere iussi baec singulari numéro de homine proferri quae aptius poterant plurativo de lio-

VARIA 137

«lid, ui easel tiofi pêpulares alicuius loci ud cives urdtk Sed i de ea re, qu»e mihi adhuc probatur, iudicant alii, j>e- êMeuiuê loci potuisse plaoe pari modo cum cive mundi pooi testis est qui ita scnbit 5, 3, 3 Protagoras de froosimo rure m oppidum, cuius popularis fuii, caudicês ligni . . r: mm forte Democritus civitatis eiusdem civis . . aim fur extra urbem videt eunu Nam Gellii ne quis auctori-

0 emendando Cicerone respuat, non hoc agitur ut flcta ■genio defendantur, sed quae librorum fide constant iis ad- i quiddam accedere etiam ex Gellii testimonio cur negemus

non Tideo.

IL Gellium, qui modo Cicereni aliquam utilitatem atlolit !dX non multa habeo quibus ?ice versa ipsum adiu?are li- fferam tamen quamvis pauca. In quibus si forte est quod opaverint, neminem sua laude fraudatum volo. Ego Hertzii editiones duas. Qui quod 1, 9, 3 (de disciplina Pylhagorica) lidit in libelle minore Tum qui exploratus ab eo idoneusque tus] fuorai, redpi in disdplinam statim iubebat et tewvpus îaeere, id quidem probe intellezit, desiderari non posse al- Mirlicipium« Terum addi debebat non declaratus sed tiioeiiliis, OD difficilius eo loco insen apparet: qui exploratus ah eo pce [inuentus] fuerai. Idque iam ab aliis, postremo a Maeh- iposilum est, mihi ut nihil relinquatur nisi ut exemplis Iam hoc usa probari ostendam. Itaque Cicero dicit pro S, 72 m fUa gravi £. SuUae turbulentaque victorm quis

1 mitior quis misericordior inventus est; in Pison. 17, 40 » qui ad senatum nihil scripseris^ ut in urbe neqiuior tn- I es quam Gabinms, sie in provinda paulo tamen quam iUo fr; pro Balb. 26, 58 huic quidem ipsi quis est umquam tus inimicus aut quis iure esse potuü; Horatius ipse ego los me adfirmo scribere versus^ invenior Parthis mendador. seeus Graeci, %i nçà^aç f^tj xaktug evçlaxofiai Euri- uppl. 254, cf. 319.

la Toce amissa laborare putaverim etiam ea quae Hertzius .7, 15, 5 (de elleboro) utriusque esse hane vim, ut humores m quibus causae morborum sum, extrakant. Esse autem tm, ne inter causas morborum, omni corporum via patefaeta, ue ipsa, in quibus causa vivendi est, amissoque omni natu^ mumiae fundamento homo exkaustus intereat. Nam apparet

138 I. VAHLEN

sententiain ta quoque ipsa m quil/us causa vivendi esi pendere, Deque e vicinia quod HerUius opinabatur meote addi Terbom potr est, sed necesse est adiiciatur. lotegra autem erit oratio iuserlo verbo quo nullum facilius librarii incuria praetermitti poluit, amittantur ante amissa. Ut baec sit sententia: esse periadum, n$ inter causas morborum omni corporum via paiefacia ea quaque ^sa in quibus causa vivendi est [amittantur] amissoque omni naturalis alimoniae fundamento homo mtereat. Quod quam yenim fuerit, Gellius ipse sibi testis exstitit, cum ita scribit 19, 12,5 DicAat enim (Herodes Atticus) sensus istos motusque animi, qui cum immê- deratiores sunt, vitia fiunt, innexos impUcatosque esse vigarihu quibusdam mentium et alacritatibus, ac propterea si omnina owmss eos imperitius convellamus periculum esse, ne eis adhaerentes bonos quoque et utiles animi indoles amittamus. Moderandos esse igitwr et scite considerateque purgandos eensebat, ut ea tantum quae a/teM sunt caniraque naturam videntur detrahantur. Sententiae simi- litudo aperta est, et ut nunc oratio verbis amittamus et detrakaniur variatur, ita isto loco verbis extrahant et amittantur^ si quidem hoc recte adieclum est. De amittendi vi, de qua non semper rette iudicatur, non inutile erit conferri quae Gellius ipse scribit 15» 10, 1 et quae Cicero de naL deor. 3, 14, 35 Tusc. disp. 1, 35, 85. Plura verba intercepta esse probabile est in his quae 19, 10 de verbo praeter propter ezposita sunt 6 Âtque iUe amicus jiMm meum' inquit ,hoc verbum est sed multorum hominum, quos loquentem id audias; quid autem id verbum signified, non ex me sed ex gram- matico quaerendum est' ac simul digito demonstrat grammaticum' haud incelebri twmine Romae docentem (sedentem). Sic baec Bert- zius edidit secluso sedentem participio, quod in maiore editione 09 toleravit quidem in textu. Sed ut hoc sic nude positum et alter! participio agglutinatum ferri nimirum non potest, ita falso ad^ scriptum esse (ex lis, putabat Hertzius, quae supra 1 legerentur* circum undique sedentibus multis) eo minus credibile est, quo magi» apparet desiderari aliquid in earn sententiam quam participium illu<L subindicat: necesse enim erat indicari quodam modo hunc gram^ maticum qui Romae docehat inter ceteros fuisse praesentem. Ita que sic statuendum est opinor inter duo participia docentem e^- sedentem nonnulla inteicidisse, quae audita stabilire sedentem po-^ tuerint, Gelliumque (ere ad huuc modum scripsisse ac eimul digit^^ demonstrat grammaticum haud inulebri nomine Romae docente

VARIA 139

imm forte una ibidem] sedeniem. Sic enim loqui solet: 1, 2, 3

erat ibidem nobiseum timvl adulescens phihsophiae seciatar (cf. 2,

21, 3); 15, 9, 3 tum de grammatieorum vulgo quispiam nobiseum

ih Qdsi$ien$ non sane ignobilis (18, 1, 2. 19, 13, 1); 19, 9, 2 c;e-

neror tum nobiseum ad eandem eenam Iulianus.

20, 1, 2S haec leguotur in Hertzii editione minore: iumentum {Mtffiie non id solum significat quod nunc dicitur, sed vectabulum etîèM quod a iunctis pecoribus trahebatur; veteres [scilicet] nostri hÊmmhtm a iungendo dixerunt. Addidit scilicei, in maiore editione «mR, quod olim propositum et receptum est, sed addidit alteram utroni ut duo seiungeret enuntiata. At nihil addendum fuisse et omoia sana et intégra esse recte distincta oratio patefaciet: m- MaiAm quoque non id solum significat quod nunc dicitur, sed vee- téuhm etiam quod a iunctis pecoribus trahAatur veteres nostri imeiUuM a iungendo dixerunt. Quid enim baeremus in eo, quod paalalum variata oratione banc alteram sententiam unam esse et totim Toluit? Quod genus vel illa prae se ferunt quae 17, 12, 1 iegoDlur Infames materias . . et veteres adorti sunt, non sophistae nhm sed philosophi quoque, et noster Favorinus oppido quain libens m eu materias se deiiciebat, vd ingenio expergificando ratus idoneas w/ etc. Nam in Farorinus subsisti poluit et nova sententia sub- iici. Sed erunt fortasse qui illo loco a iungendo verba non com- mode addi obiiciant, et poterant abesse : sed vectabulum etiam quod e noiertis pecoribus trahebatur veteres nostri iumentum dixerunt: Bam causa que vectabulum etiam iumentum appellaverint significatur v^is quod a iunctis pecoribus trahebatur, sed quo magis appa- Kret a iungendo iumentum nomen accepisse, non inepte quamquam DOD sine abundantia quadam hoc in eadem sententia adiectum est. Id qaa re qui Getlium vituperabit, vitupère! Ciceronem qui ita scribil de nat. deor. 2, 28, 72 911t omnia quae ad cultum deorum ?Wmerent, diligenter retractarent et tamquam relegerent sunt dicti f^isiosi ex relegendo, ut élégantes ex eligendo, una sententia ^mpiexus quae distribui poterant in duas.

Maie dirempta et discissa mihi videntur quae Hertzius in utra- que editione ita descripsit 4, 11, 14

Pythagoram vero ipsum (sicuti) célèbre est Euphorbum primo

fvisu dictasse,

ha haec. Remotiora sunt his quae Clearchus et Dicaearchus

memoriae tradiderunt, fuisse eum postea Pyrrum Ptpranthium,

140 I. VAHLEN, VARIA

ddnde Aethaiidem, deinde feminam puUkra fade mêretrkem eut

nomen fuerat Aleo. In libris scriptum est 5tci«(t ipnm, quod maDifestitsimuin indicium orationis formatae Hertzius miro consilio sustulit, qui stcitfi in ma- iore editione delevit, in minore pronomini postpositum lunulia oo- tafit ut spurium. At haec recte tradita sunt Piftha^oram vero sh- cult iptum cekbre M Euphorbum primo fuitse dictasse h. e. sicut célèbre est Pytbagoram ipsum dictasse Euphorbum se primo fuîase. Quae pars est orationis, cui necesse est subiiciatur altera; neqoe ea desideratur, modo iungamus ea quae iungenda sunt: P^tha- goram iieuti iptum cehbre e$i Euphêtimm primo fmsso dkUuse, tta haee its romotiora (b. e. minus Celebris aut minus vulgata) mM quao Cloarchus et Dioaoarckus memmiae tradidiruni, fvmà evm foUoa tdkm et takm. Nolo persequi interpretando singula: illud unum fidentiiis obtineo, banc unam esse orationem cuius membra per siaUi et ita particolas compingantur.

Berolini m. Octobri a. MDCCCIC. I. VAHLEN.

DIE ORDNUNG DER OLYMPISCHEN SPIELE UND DIE SIEGER DER 75.-83. OLYMPIADE.

(Nebst eioer Beilage).

Wean die antike Kunstgeschichte bisher aus den dgyptisclien PapjrosfuDden keinen nennenswerthen Nutzen ziehen konnte , so wird sie jetzt fQr manche Enttäuschung reichlich entschädigt durch das Fragment einer olympischen Siegerliste^ das uns der eben aus- gegebene zweite Band der Ozyrhynchos- Papyri von Grenfell und HoDt bescheert Der Name dieser beiden ebenso unermüdlichen wie giQcklichen Forscher wird fortan in den Kreisen der Archflo- iogen mit derselben dankbaren Anerkennung genannt werden, wie KhoD langst in denen der Philologen. Aus der dunkelsten und ragleich wichtigsten Periode der griechischen Plastik, der zwischen der Schlacht bei Salamis und dem Beginn des Parthenon, besitzen vir DUO ein im wesentlichen yollständiges Verzeichniss der Olym- pioDikeo, unter diesen manchen wohlbekannten Namen, der seinen l^ntigeo Ruhm allerdings weniger der gymnastischen Meister- Rbaft seines Trägers als dem Künstler verdankt, der ihm die Sieges- statne verfertigt hat. Dass wir auf diese Weise für eine Anzahl benorragender Bildhauer des 5. Jahrhunderts endlich feste chrono- logische Daten gewinnen, darin liegt die grosse Bedeutung dieses Fondes for die Archäologie, ein Gewinn, den ich kaum geringer anschlagen möchte, als wenn ein Stock aus Xenokrates oder Anti- gooos gefunden wäre, das übrigens vielleicht auch noch einmal aus eioeiD ägyptischen Grabe oder Kehrichthaufen auftaucht. Uebrigens geht neben der Kunstgeschichte auch die Litteraturgeschichte nicht leer aus; namentlich ist die Belehrung Ober die richtige Dätirung eioiger Oden Pindars dankbar zu begrOssen. Auch von den olym- pischen Siegerbasen werden einige chronologisch zum ersten Mal ûxirij und endlich erhalten wir Ober die Ordnung der olympischen Spiele definitive Aufklärung, die freilich, wie sich jetzt herausstellt, auch aus den schon längst bekannten Zeugnissen zu gewinnen ge-

142 C. ROBERT

wesen wflre, hätte man diese Dur nach ihrem wahren Werthe ab- gewogen.

Wenn ich schon jetit nach allen diesen Seiten hin die Goose- quenzen aus dem schonen Fund lu liehen mir getraoe, so Ter- danke ich das dem liebenswürdigen Entgegenkommen der beiden Entdecker und der Freundlichkeit von Friedrich Blass; denn darch die GOte dieser Männer befindet sich das BruchaCbck schon seit Monaten luerst in Abschrift, später im Aushängebogen in meinen Händen. Ich brauche übrigens kaum lu bemerken, dass die Er- gäniungen, um die der Text meiner Tabelle reicher ist als der foik Grenfeli und Hunt, von mir erst gefunden sind, als der Druck de^ Papyrosbandes schon abgeschlossen war, so dass die Herausgeber meine Mittheilungen nicht mehr ferwerthen konnten.

Das iwei Columnen umfassende Bruchstück beginnt ungelihr in der Mitte der 75. Olympiade, enthält die beiden folgendea Olympiaden foUständig und die 78. Olympiade bis auf den lelitea Namen. Damit bricht die erste Columne ab; in die Lflcke iwischen ihr und der am Anfang ▼erstUmmelten iweiten Columne entbllea« ausser dem Ende der 78., die game 79. und 80. Olympiade sowie die ersten Namen der 81. Die iweite Columne umfasst den grOsstaD Theil der 81. Olympiade, die 82. follständig und die 83. bis auf die beiden letsten Namen. Von jedem Sieger wird ausser de^ Namen auch die Heimath und der Agon angegeben, also KaUJatC Id&Tjvàîoç nayKgàriov. Viermal findet sich hinter dem AgoD eine kune Notiz, nämlich einmal âlç, worüber unten lu sprediea sein wird, und dreimal die gleichartigen Angaben O KPATIC, O <t>IAIC, ÔKAAAIC, was wohl mit Blass nur outroç (oder '02vf^' niovixrjgl) xçotiotoç, g>i)Lia%oç^ xdiJiia%oç gelesen werden darf* Wer diese Prädicate ertheilte, die Hellanodiken , die Volksttinuii« oder erst die Verfasser der Olympionikenlisten, ist unklar, ebenso wie oft oder innerhalb welches Zeitraumes sie ertheilt wurdeo- Keinesfalls in jeder Olympiade, denn, wie schon die Herausgebar treffend beobachtet haben^ in der 77., wo das Ende sämmtlicber Zeilen erhalten ist, fehlen sie. Beachtung ?erdient aber, das* auch Pausanias VI 3, 6 von Kratinos, der etwa in der ersten Hälf^ des 3. Jahrhunderts gesiegt haben muss,') bemerkt: %o%6 iyivê^^

1) Die Zeit wird bestimmt durch den Verfertiger der Siegerstatoe Ks^* tharos, der ein Schüler des Eutycbides war; vgl. G. H. Förster Die Sieger ** den olympischen Spieleo n. 433.

OLYMPISCHE SIEGER 143

xâXkiinoç %div èg>* éavvov xaï avv zéxvtji fiàkiOTa inaXaiae. Jedem Sieger ist eioe besondere Zeile gewidmet. Da ouo die erste Columoe am Aofaog, die iweile am Eode verstümmelt ist, so ist dort bfluflg nur ElhnikoD und Agon, hier nur der Name erhallen, IQ dem aber der Agon aus der Reihenfolge stets mit Sicherheit ergiDxt werden kann. Die Nammer der Olympiade steht selbst- Tentaodlich for dem Namen des Siegers im Stadion, der die Auf- dhloDg eröffnet.

Das Fragment steht auf der Rückseite des Blattes. Die Vorder- seite enthalt eine Rechnung aus der Zeit entweder des Commodus oder des Caracalla. Die Schrift der Olympionikenliste setzen die Heraasgeber in die Mitte des 3. Jahrhunderts.

Die Agone werden in folgender Ordnung aufgezählt: aràôiov, iiavloç, ôokixoç, nivva&XoVj ftaXtj, nv§, TtayxQariov, naldwv otiötoy^ naidußv nâXtj, nalâwv fiv§, onXljriç, %é&Qinnov^ ti%. Bei den beiden letzten Kampfarten steht der Name des Kegers im Genetiv, z. B. Qi^gwvog idxçayavtlvov Ti&Qiitnov, ^Uffmog Svçaxoalov KiXrjç, Also im Ganzen 13 Agone; vor- übergehend geübte Kampfarten, wie àni^vri und Kdknrj, die gerade «ibread der hier behandelten Olympiaden bestanden, werden nicht kerücksichligt; vielleicht weil der Verfasser nur die noch zu seiner Zeit ablieben Agone in die Liste aufgenommen bat. Auch in dem Olympionikenverzeichniss, das Pausanias benutzte, standen die Sieger mit der xalTcrj nicht, wie VI 9, 2 lehrt: fiêjà âè t^v ei- tifa %ov àvôçoç, ov *HXelol q>aaiv ov yçaçfjvai fit%à twv ühoPf OTi Ini xdXfnjg àvrjyogev&ri ôgofÀWv xtX.^ und ebenso veoig verzeichnet lulius Africanus das Stiflungsjahr dieser beiden bmpfarten. Schon die Herausgeber haben bemerkt, dass die kier vorliegende Reihenfolge dieselbe ist wie bei Phlegon FHG. 111606 fr. 12 (Photios Ml. XCVll) t^g ^o^'mvfÄTtiadog, iv ^i ifUa ^EnatofÀVwg MiXi^aiog aradiov xai dlotvXov T^al onXi- ^^9 rç/g» 'YtfßixX^g Sixvfjiviog doXixoVy Faiog ^Pwfxalog do- ^20v, IdçurtfavvfÀlôag Kwtog nivta&Xov , 'loiôwQog HXe^av- iflivg naXf)v arctanog rceglodoVy ^Atvavag 'Innoxgdjovg l^dga- MVTTijydç ÇAdgaiivrlov nalg cod., corr. Rutgers) nv^y 2q>oàgiag Sixvwnog nayngcniov^ Swaiyévrig ^Aoiavog naiâwv ardâiovy ^nolkotpdrqg Kvnagiaaiëig nalôtov ndXrjv, 2w%ijgixog 'HXeîog ^ö/oüif nv§, KdXag ^HXelog naidwv nayxgdrtov, ^ExatofAVwg Miirjaiog énXitriv (ovrog iv t^i avrrji ta tgia iateg>ttV€i&rj,

144 C. ROBERT

avddtov, dlavXoVy onllzrjv)^ ^AçtatôXoxoç ^Hksioç %é&Qênfiav, ^AyruÀoyoç 'Hlelov KéXrjç^ %ov avvov nwXiKLOv Tè&gumow, Khqxla ^kelov nwkix^ ovvwqIç^ KalÀbtnov ^HXbIov *) Ttu»Ï4,Tithç xéhqç. Die KampfarteD, die diese Liste mehr eothalt, das Pftn- kralioD der Knaben und die vier letzten hippischeo Agone, existirteD OL 75 83 noch nicht. Der onklTrjç ist freilich schon bei dem Siadioo vorweggenommen, weil derselbe Läufer in beiden Kampfarteo und überdies noch im Diaulos gesiegt hat, erscheint aber dann noch einmal und zwar an derselben Stelle wie in dem Fragment. Welche Bewandtniss es mit den beiden Siegen im ôôkix^ç hat, wissen wir nicht; fielleicht handelt es sich nur um eine Courtoisie gegen den con- currirenden ROmer.') Auch im Uebrigen geht die Uebereinstimmnng zwischen dem Fragment und Phlegon sehr weit. So fehlt in der Liste stets der Vatername, ebenso bei Phlegon mit einer einzigen Aus** nähme, und dieser Ausnahme es handelt sich um ^^Tvdvaç wird man vielleicht kein zu grosses Gewicht beilegen, wenn maià sieht, dass auch in den beiden anderen aus den ^Okvfifttoflwat^ stammenden Fragmenten, die Siegernamen enthalten,*) der Vatemano fehlt. Angesichts dieser Thatsache darf man vielleicht, zumal aocb das Folgende verderbt ist, corrigiren : o xal ^iTtnoKQdzrjç. WeiCer* stehen, wie im Papyros, so auch bei Phlegon die Namen der hip— pischen Sieger im Genetiv, wieder mit einer Ausnahme, der de9 ersten in der Reihe. Hier aber verlangt die Analogie des folgende» gebieterisch die Correctur: i^QiaroXoxov 'Hkeiov. Wo dersdb^ Agonist in zwei aufeinander folgenden Spielen siegt, wiederhole Phlegon nicht den Namen, sondern schreibt tov avzovj flhnlicb der Papyros: IlacfAevldfjc o avroç (Ol. 78). Ebenso hat daiP> Exatofivwç Mihtjaioc . . . tqLç des Phlegon in dem . . ylaç" ^EmèavQioç . . . . ôlç des Fragmentes seine Analogie. Auf di^ allgemeine Aehnlicbkeit zwischen dem Papyros und Phlegon weiseifc auch Hunt und Grenfell hin und, wenn ich richtig zwischen dei^ Zeilen lese, sind sie sehr geneigt, das Bruchstück geradezu diesa»- Schriltsteller zuzutheilen. Sollten sie das thun, so kann ich ihneik^

1) So Meier. IlfjXiov Cod., TVjXiov Ratgers.

2) Andere Erklärungsversuche bei Förster a. 0. n. 554. Worauf die voo^

Christ Pindari carmina p. LXXVII statuirte Unterscheidung eines SéhxQs'BX

Xr^vwv und 9cXixos *Pwfiaiafv beruhe, vermag ich nicht zu sagen.

3) Fr. 1 JaixXi^e Meccrivtoç, fr. 4 'Avrifiaxos ^ffXaXos in Jvenarxicv^,^-^ Jciinnos Kçormviarfie.

OLYMPISCHE SIEGER 145

BUT luslimmeo. Mao wird Tielleicht einwerfen, dass bei derartigen Lislen die ZurQckfahrung auf einen bestimmten Autor überhaupt mn Ding der Unmöglichkeit sei, da sie sich alle gleich gesehen haben mOssen, und es kein Mittel gebe, um zu entscheiden, ob wir es mit ein Excerpt aus Hippys oder Philochoros^ Aristoteles, Eaanoridas oder Phlegon zu thun haben. Indessen so ganz trifft das nicht zu. Die Angabe oder Auslassung des Vaternamens, die Bezeichnung der Kampfarten, die Form des Ethnikon sind vieUeicht nicht ganz entscheidende, aber doch immerhin recht be- achtenswerthe Merkmale. Dass im Weglassen des Vaternamens Phlegon und der Papyros zusammengehen, haben wir bereits gesehen. Dasselbe ist freilich auch bei lulius Africanus der Fall; iher Pausanias setzt den Vaternamen in der Regel hinzu; er wird iho doch schwerlich in allen diesen Fällen von der Inschrift oder lOfl seiner periegetischen Quelle entnommen, sondern in seinem 01jmpioniken?erzeichniss gefunden haben. Schwerer fallen die Nameo der Agone ins Gewicht Der Papyros und Phlegon schreiben ni^, lulius Africanus*) und Pausanias nvyfuij. Jene Bezeichnung ist kkaootlich die ältere, die sich, ausser bei Homer, bei den Ly- rikern,*) bei Hippokrates, Xenophon und Demosthenes und in der Dorieosinschrift (Olymp. Inschr. 153) findet. Hingegen haben die jflDgeren olympischen und die attischen Inschriften*) regelmässig inyii^, ebenso Polybios (XX VU Tbl), Philostrat {d. gymi. 22) >• s. Téô'Qinnov schreiben Phlegon und der Papyros, agpia PtonDias. Hier ist allerdings der Sprachgebrauch schwankender, wie denn lulius Africanus Ol. 25. 99. 199 Ti^Qircftov, Ol. 211 iQfia setzt Aber im Grossen und Ganzen scheint auch hier U^utTcov das altere und correctere zu sein, vgl. Herodot VI 103. 122, das Epigramm des Deinomenes Paus. VIII 42, 9, und noch die H^teren olympischen Inschriften 56. 177. 198 ff. 220. 221. Syno- via) damit steht ÏTtnoiç, Pind. P. VII 4, Herodot. VI 103 und in den

t) Unter Ol. 32. 41. 48.

2) Piod. OL VII 163, Simonides fr. 152. 154. 158. Sehr charalcteristisch ^ Paos, VI 9, 9 Tovro9t tcùi ^iXtovi JS&/ic9i^i9Tj9 6 yHaantçdnovç éXeyeïov 9am

narbig ftèv KôqxvQa^ 0lXœv 9* ovo/a , êtjd 9i rXavxov i;*00, xal vutm nv^ 9v* olv/inid9aç, ftMKftrai fuzi Mavxwtvç *Ayafi,riTtoq^ x^r^aas nvy/irji ntû9aç.

3) 01. Inschr. 56. 185. 186. 213, CIA. II 444—446. 448. 966-968. 970.

m. m 1079.

Hwmxxxv. iO

146 C. ROBERT

Epigrammen Ol. loschr. 166 und Paus. VI 10, 6. Dagegeo Sgfia im Epigramm der Kyuiska (Ol. Inschr. 166) und anderen olym- pischen Inschriften 56. 188. 206. 236, stets auf den attischen CIA. II 966—968, bei Athenaeus I 5 p. 3 u. s. w. Die Pindar- handschriften endlich schwanken in den Ueberschriften und den Scholien zwischen allen drei Bezeichnungen bin und her.') Aehn- lich steht es mit xéXrjç, wie der Papyros mit Phlegon und Afiri- canus (OL 33) schreibt, gegenüber dem ïnnoç xékrjç, das Pau- sanias bevorzugt Die olympischen und attischen Inschriften setxen sonst stets das einfache niXrjç,*) nur Ol. Inschr. 239 (3. Jahrb. n. Chr.) und CIA. II 965 b ("= TcolefAearriQioiç) machen eine Aus- nahme. Die Pindarhandschriften zeigen dasselbe Schwanken wie bei agfÄG und Té&gmnov/) Die vollere Bezeichnung herrscht hm den Prosaschriftstellern vor, Herodot. VI 122, Plutarch Alex. Schol. Arist. Äves 283. Gerade diesem schwankenden Sprach- gebrauch gegenüber ist aber das Zusammengehen des Papyros mit Phlegon bedeutsam.

Für den Gebrauch der Ethnika bieten sich zwischen dem Fragment und Phlegon keine directen Vergleichungspunkte. WoU aber können wir auch hier Abweichungen des Papyros von Pau- sanias und anderen Schriftstellern constatiren. Ev&vfioc ^ongog an 'Izaklaç Pap. (Ol. 76, 77), Ev&vfAog Ix zdiv èv 'haXlai ^o- Tcgwv, j^fti^ay Jtjv ngog t(5i Z6q>vglwi trji äxgai vefAorvat- Paus. VI 7, 10, ^oxgoç twv iv 'ItaXiai Aelian v. h. VIII 18. ^o* xgog ano Zeipvglov die Inschrift (Ol. Inschr. 144). Ferner jii%9Ç Oeaaalog Pap. (Ol. 82), ^vxog ^agiaalog Afric, Avxog BêO'- aalog ano ^aglar]g<, was vielleicht auch in dem Papyros ergänzen ist, Dionys. Halic. X 53.

Dass diese Uebereinstimmung zwischen Phlegon und dem Pïk pyros nicht absolut entscheidend ist, muss man freilich zugeben» Auch Aristoteles kann nv§ statt nvyfÂtj gesagt und die Vatemamen

1) OL lY Ueberschrift T8d'(finnaft BD. ïnnois G. a(f/iati A OL I Hypo- tbesis Ta&çlnnaft uod a^fiart. Pyth. VIII rad'^innwt Hypothesis D. Trnvots Ueberschrift B. Isthm. 111 ja&çinTfon uod înnoiç Hypothesis. âg/êott OL H. Pyth. 1. II. IV^Vl. Jsihm, II, dagegen mnoêç Bakchylides IIL

2) Ol. loschr. 56. 177, k. rälaios 198. 199. 207. 217. 226. CIA. U 965 967. 968.

3) KthjTi and ïn7rot& xél^i. OL I (Hypothesis) xélijrt OL I (Ueber- schrift), Pyth. m, Isthm. UI (Hypothesis).

OLYMPISCHE SIEGER 147

weggélMBen haben» obgleich letzteres nicht eben wahrscheinlich Wl Aber man erwäge, ob es wahrscheinlicher ist, dass man im 3. Jahrhundert in Aegypten sich des Olympionikenverzeichnisses des Aristoteles bediente, das die Sieger der hellenistischen und römischen Periode nicht enthielt, oder der bis auf Hadrian fort- gehbrten Liste des in damaliger Zeit so beliebten Phlegon. NatOr^p lieh ist, was uns hier geboten wird, nicht ein Stück der grossen 14 BOcher umfassenden ^OJivfAniovixaiv xa2 Xqovixwv ovvaywyi^^ soadern der 'BnaofAfj VIvfÄniovixwv iv ßißUoig ß\ Darauf führt schoo die ganze Anordnung, eine Zeile für jeden Sieger. Hin-^ gepo stammt das Excerpt des Photios und das der Heidelberger Haodschrifi (fr. 1. 12) wohl sicher aus dem grossen Werk, wahrend sich bei Stephanos von Byzanz kaum wird entscheiden lassen, ob er dieies oder die Epitome benutzt hat. Ralkmanns Hypothese,') dass die TOD Paasanias benutzte Olympionikenlisle die des Phlegon sei, wird sich gegenüber den oben constatirten Abweichungen beider kaam mehr aufrecht erhalten lassen. Auch die Ausflucht, dass <las Tollständige Werk vielleicht die Vaternamen enthalten habe, ist dadurch abgeschnitten, dass diese auch bei Photios und in dem Heidelberger Fragment fehlen. Auch bliebe immer noch nv§ und mynr. Selbstverständlich haben schon vor Phlegon andere die Liste des Aristoteles weitergeführt , wie vielleicht schon der Ralli- nacbeer Apollas.*)

Wäre das neue Fragment nicht von Phlegon, so könnte der

Dostaad, dass zwei verschiedene Autoren die olympischen Wett-

Umpfe in ganz derselben Reihenfolge aufführen, uns bis zu einem

tewisien Grade zur Gewähr dienen, dass diese Reibenfolge authen-

Kb sei. Da es sich uns aber als sehr wahrscheinlich ergeben

t, dass auch das Fragment Phlegon gehört, und wir es also

de Haie mit einem und demselben Zeugen zu thun haben , so

für die Frage, ob dieser die Sieger nach der Ordnung der Spiele

* nach einem anderen Princip aufzählt, scheinbar nichts Neues

tonen. Dennoch glaube ich, dass sich seine Angaben auch in

* Hinsicht als absolut authentisch erweisen lassen. In den

idlungen über die Organisation der olympischen Spiele wird

\ Pausanias der Perieget S. 107 ff.

FfiG. IV 307, vgl. Kalkmann a. 0. 105, der diesen Namen auch bei VIII 82 herstellen will, wo andere an Eoanoridas denken. S. aber

irtz bei Pauly-Wissowa I S. 2841.

10*

148 C ROBERT

er freilich meistens mit schnOder GeringschfltiUDg behandelt^ Die Frage, welch anderes Princip denn der Aufzahlung zu Grunde liegen könne, wenn es nicht das der wirklichen Reihenfolge ist, sucht Kindscher^ dahin zu beantworten, dass die Agone in die beiden Kategorien der gymnischen und hippischen gelheilt, innerhalb dieser Kategorien aber streng chronologisch aufgezählt worden, allerdings mit Ausnahme des nayifcgariov naldwv (gesL Ol. 145), das vor dem onUrrjç (gest. Ol. 65) genannt werde, um es den tlbrigen Knabenkämpfen anzugliedern. Aehnlich nimmt Hie (p. 20) drei Kategorien an, Manner, Knaben, Rosse. Dass der onlltfjg zwischen den Agonen der Knaben und denen der Rosse steht, wird vermuthungsweise auf eine Eigenmächtigkeit des Phlegon in diesem besonderen Fall zurückgeführt. Dieser Ausweg erweist sich aber an- gesichts des neuen Fragmentes als unmöglich, und insofern trSgt dieses doch etwas zur Losung der Frage bei. Der Erklärung Kindschers hingegen liegt etwas richtiges zu Grunde; nur gilt sie nicht fQr den Schriftsteller, sondern für die thatsächliche Ordnung der Spiele.

Christ allein ist, in seiner grossen Pindarausgabe p. LXXVD» wenn auch mit einer gewissen Schüchternheit, für die Glaubwürdige keil des Phlegon eingetreten , aber auch er will die dort flber-^ lieferte Reihenfolge nur für eine kurze Zeit der spateren Periode» gelten lassen. Warum aber hat man die doch wahrlich natürlichstes Annahme, dass Phlegon die wirkliche Ordnung der Spiele wieder gebe, nie ernstlich in Betracht gezogen? Weil man stets, sei e^ bewusst oder unbewusst, von der bekannten Stelle in Xenophoft.^ 'ElXr]vixâ VII 4, 18 ausgegangen ist und nach dieser die Obrigeiff^ Zeugnisse gemodelt, hat, und weil man die Pausaniasstelle (V 9, 3), di ^ von der Neuordnung von Ol. 78 handelt, etwas zu voreilig für schw^^* corrupt hielt. Es sei hier gleich bemerkt, dass Phlegon die damals eingeführte Reihenfolge auch auf die früheren Olympiaden flber^^ tragt, was, wenn vielleicht auch nicht historisch exakt, so doel' für den Benutzer höchst praktisch war. Man gestatte mir, di^ Xenophonstelle zunächst ganz bei Seite zu lassen und dafür die übrigen Zeugnisse um so unbefangener zu prüfen. Unlösbar mit

1) Mie quaesUones agonisticae p. 20, der auch p. 1 die illere Litteratnr Teneichnet. Holwerda (Arch. Zeit. 1880 S. 169) uod A. Mommsen (Deber die Zeit der Olympien) igooriren Phlegon gänzlich.

2) Jahns Jahrbücher XI Suppl. Band S. 519.

«

OLYMPISCHE SIEGER 149

dieser Uotersuchung ferknOpft hi die Frage nach der Zahl der Spieltage und der Vertheiluog der Agone auf diese Tage.

IlëfimafÀiQOiç afAÛJiaiç oder, wie die modernen Herausgeber mit Triclinius und den schlechteren Handschriften schreiben, ne/Â- naiiigoiç àfAlXXaiç lesen wir in der fünften olympischen Ode, und die Schoiien bemerken dazu: i/ri névte ^ fié ça ig ijyeto atfà Ta àywvéa^ata ano évdexthrjç eiç u; so wenig- steiu der Vratislaviensis A , während andere Handschriften (ii%Qiç IxxàidexoTi^g haben, im direkten Widerspruch mit nivxB ^fiiçaiç. Mit dem Vratislaviensis stimmt Tietzes überein, der offenbar aus mm Pindarcommentar zu Lykophron V. 41 bemerkt: va de ^Unnia niwe '^fÀiçaç iveleîto arte ta rrjç aelijvi^ç iÂi%Qi ^$ ohiç u\ Dazu kommt Schol. Ol. V 8 tiqxbxo àè ^ navT]- yvdiç Kctrà rfjv âexàrrjy %ov fÀtjvoç %al izekêîto (léxQi xai ^^ Uxaidënarrjç, iv iji Toi a&ka idldtno^) Somit würde das game Fest sieben Tage gedauert haben und von diesen die fünf mittleren Spieltage gewesen sein. Das ist die Ueberlieferung, die nio als falsch erweisen mag, wenn man es kann, die sich aber nicht umdeuten lässU Am wenigsten ist man berechtigt mit Hol- werda, Mie, A. Mommsen, Christ u.a. zwei oder drei der fünf Spieltage als blosse Opfertage anzusehen, und das angesichts des ovra ayœviafÀata der Schoiien.

Was sagt nun der Dichter der fünften olympischen Ode, wenn Otto die schlechter bezeugte Lesung ncfAna^éçoiç einsetzt? og %àv aàv nôXiv av^tav, KafÀciçiva, XaotQoq>ov ßwf40vc S^ ôidvfÀOvç iyéQQQBV éograîç ^ewv fieylOTaiç vnb ßov^aLatg ài&hav re rtsfAftafAicoic àfiLXkatç, ïnnoiç ^fÂiovoiç Te fÀOvafinvTLlai Te. Hag man die letzten Worte als Dativus instrumentatis von afiliXaic abhängen lassen oder sie, was mir allein möglich scheint, als Appo- MlioD dazu auffassen, immer bleibt es höchst seltsam, dass aus sämmt- licheo Agonen der fünf Tage nur diese drei herausgegriffen werden. Cad wenn man mit Bergk in seinen letzten Ausgaben ne^rta^ fiiçovç éfilXlaç schreibt und übersetzt: er ehrte die sechs Zwillings- altâre mit Stieropfern und die fünftägigen Wettkämpfe mit Vier- gespann, Haulthierwagen und Rennpferd, so ist es abgesehen von der Abgeschmacktheit des Gedankens doch wunderlich, dass Psau-

1) Ueber diesen onrichtigen Zusatz s. anten S. 157.

150 C. ROBERT

mis auch mit den beiden Agonen, in deoeo er unlerlegeo i mflsste, ,die Wettkämpfe geehrt' haben soll; denn dass er nur der anr^vrj gesiegt hat, lehrt V. 3. Hält man aber mit G* E mann (ap. VI 15), L. Schmidt (Pindars Leben 394) und Mets (Pindars Siegeslieder 141) an der guten Ueberlieferung nefift fAiçoiç efÄiklaig fest^ so besagt die Stelle, dass die Wettkäm des fünften Tages Viergespann, Maulthiergespann und Rennpl waren. An dem Fehlen der xalrcrj kann nur Anstoss nehm wer von dem Dichter die Pedanterie eines Registrators Terbi In der That machen nun bei Phlegon %é&Qinnov und niXtig < Schluss,') während die an;i]vr} aus den oben erörterten GrQn< fehlt Ausserdem lehrt die Stelle, wenn man, was meiner Ansi nach unumgänglich nOthig ist, vrco ßov&ovaiaic ài&lwv vb m TttafAiçoiç afiilXaiç verbindet, dass am fünften Spieltag auch Sti Opfer stattfanden, selbst wenn man nicht ne/ÂtafAéçoiç als i noivov auffasst, was sich wohl am meisten empfiehlt. Dies n sich unten bestätigen.

Den Schluss des vorhergehenden Tages würde demnach « Oftlltr]ç gebildet haben. Daxu stimmt Artemidoros I 63 onkov keyofAevov ènî navruv näai naçoX^àç aijfialvei ' veh %alov yàq knl nâai to a&lov, wenn man annimmt, dass er da nur die gymnischen Agooen im Auge hat, die hippischen à unberücksichtigt lässt. Dieselbe Einschränkung findet sich in d übereinstimmenden Zeugniss des Plutarch quae^. symp. II 5, der ganze Zusammenhang lehrt, dass nur von den gymnisd Wettkämpfen die Rede ist: xat yàç onllTfjç inï n&ai eloayet fiaQ%vQOvf€voç oil TovTO TO zéXoç ioTi Ttjç aiû^aanlaç : jtjç afÂlXkfjç.') Allein eben derselbe Dialog bereitet uns die ei ernsthafte Schwierigkeit, denn kurz vorher lesen wir: inel dk o% ol Ttaîâeç diaywvlGwvtai, jovg avâgaç xaXovoiv, und auf Gri dieses Zeugnisses wird denn auch in den neueren Arbeiten Q' die Ordnung der olympischen Spiele, so viel ich sehe, allgem angenommen, dass die Knabenspiele den Anfang machten. sich ist das im höchsten Grade unwahrscheinlich. Sollen wir i

1) Auch in Delphi gingen bekanntlich die gymnischen Agone deo 1 pischen voraus Soph. El, 691.

2) Vgl. auch das allerdings ironisch gemeinte Epigraoim Anth. Pal. Xl rixra fiearjv inoirjaa r^éxtov Ttorê Mà^HOS onkirijs und dato INttenbéi Ol. Inschr. S. 117.

OLYMPISCHE SIEGER 151

•rirklich vorstellen, dass die älteste Rampfart, das Stadion, das eeûem Sieger die Ehre einbringt, Eponym der Olympiade zu werden, jemals seinen Platz an der Spitze der Agone verloren babe? Man denke doch an die grossen Dionysien in Athen, bei denen der Älteste Agon, die kyklischen ChOre, die erste Stelle durch alle Zeiten hindurch behauptet hat. Und doch scheint es «chwer der bestimmten Angabe des Plutarch den Glauben zu ver- sagen. Partiell trifit sie allerdings für die bei Phlegon vorliegende Ordoung zu, da nach ihm dem onllTtjç die Knabenkampfe voran- geben, aber alle (Ihrigen Agone der Mäoner fallen frQher als diese, und dass Plutarch seine Bemerkung ganz allgemein verstanden wissen will, lehrt der Gegensatz zu den unmittelbar vorher er- wähnten pythischen Spielen,*) bei denen auf jeden Rnabenkampf (1er entsprechende Hannerkampf folgte. Will man sich also nicht tu der Annahme entschliessen , dass Plutarch Ober die Ordnung <ier olympischen Spiele nicht genau unterrichtet gewesen sei, so bleibt scheinbar nur das Gewaltmittel Obrig avdgeg und naldeg u Tertauschen; also ixel â^ o%av ol avâçeç diaywvlatavtai, tore toiç naîdaç naXovaiv. Aber selbst dies wQrde nicht correct SQD, da ja nach Phlegon der OTtllTrjç auf die Knabenkämpfe folgt. Aber ist es denn wirklich ausgemacht, dass der fragliche Satz sich )Qf Olympia bezieht? Freilich heisst es kurz vorher: ftolov ovv ^1} TIC Sv tüjv àytûviafiàrwv yeyovivai nccÜTov, ^ ri ova- iiov waneg ^OXviinLaaiv ^ so dass man auf dieses das 1%bI zu ^ehen verführt wird. Aber hinter ^Olvf^ftlaaiv ist eine grosse I^cke, in der sogar die Person des Redenden wechselt, und dass ifi dieser Lücke ausser den pythischen und olympischen Spielen iM)ch die Spiele mindestens einer dritten Cultslätte genannt ge- wesen sein müssen, Idsst sich wie ich glaube zur Evidenz bringen. Man erwäge: Lysimachos wirft die Frage auf: welcher Agon ist der ^e? und geht dabei von der Voraussetzung aus, dass hierfür nur solche Agone in Betracht kommen, die an den verschiedenen Cult- sUitten den ersten Platz einnehmen. In Olympia ist das das Stadion, ^ wir uns gleich für spflter merken wollen. Nun muss eine

1) Nicht den panathenâischeo , wie Christ a. 0. p. LXXVIU annimmt ^M Local des Dialoges ist dorch den unmittelbar vorhergehenden bestimmt, ^0 Fortsetzong er bildet. Dort heisst es: JSaainXea %bv Ko(ftûri^êr, ^io^Q vêtutapcôra noif^râç, alaruTftav inwUtcu Also bedeutet ivrav&a ^^' fl/thf in Delphi.

152 C. ROBERT

andere CulUUiUe gefolgt sein, an der eine andere Kampfart an der Spitie stand. Delphi kann das nicht gewesen sein, weil dort ebenfalls das Stadion die Agone eröffnete, wie sich aus Sophokles JB. 684 (?gl. Heliodor Aeihiop. IV) ergiebt') Es kann also nur in derselben Kategorie mit Olympia, etwa durch ^OXvfinlaal %% xa2 naq* fiiilv, erwähnt gewesen sein. Welches dritte Fest als Vertreter einer anderen Kategorie erwähnt war, ist natQriich mit Sicherheit nicht zu sagen. In Betracht kommen die Panathenflen, wo der dlavXog den Anfang machte, ferner die isthmischen und nemeischen Spiele, deren Reihenfolge wir nicht kennen, die aber ganz gut mit nalrj oder nvyfirj begonnen haben können. Und an diese mochte man darum lieber denken, weil der dlavlog den aradiov zu nahe steht und in dem Dialog nur die Hauptclassen der Spiele berücksichtigt werden. Timon, der in seiner Entgegnung offenbar darauf hinwies, dass die Ordnung der Spiele an den schiedenen Orten keineswegs eine streng chronologische sei, natürlich auch auf dieses dritte nicht zu bestimmende Fest Bezug genommen haben, und auf dieses wird sich denn auch die mit Ixaf eingeleitete Bemerkung beziehen. Ich ferkenne die Schwierigkeil nicht, die darin liegt, dass sowohl bei den Panathenäen als bei den isthmischen und nemeischen Spielen die Agonisten in nali^ç, ayéveioi und avàçeç zerfielen, während Plutarch nur von naldi^ und avÔQ€ç spricht. Da aber für den Zusammenhang der Stella auf die Zahl der Classen nicht das geringste ankommt, wird mafl» dem Schriftsteller die kleine Ungenauigkeit wohl zutrauen dflrfeiB« dass er die ayeveioi zu den naîôeç rechnete. Und wenigstes^ für die Panathenäen steht es urkundlich fest, dass an ihnen d»^ avdceg nach den nalàeç und àyiveioi auftraten.^ Jedenfatt^ aber ist dieses Zeugniss nicht der Art, um die Glaubwürdigke^^ des Phlegon erschüttern zu können.

Die drei Knabenagone, die bei Phlegon dem onllvfjç Tor gehen, wird man a priori geneigt sein, auf denselben Tag

1) Unter dem d^é/ioç auch deo 96Lxo£ mit einzubegreifen ist rcii^ ' Willkür von Â. Mommsen Delphi 199. Auch bei dem pythischen Agon d^^ Götter steht das <na8éov voran (Tnod; üv&iofv p. 297 Böckh).

2) Für die Nemeen auf Keos scheint sich aus der bekannten SiegeriisO^ (Pridik de Cet intulae rebus p. 160 n. 39) die umgekehrte Reibenfolge ( ayévaiOi naldsç zu ergeben, und zwar nach dem delphischen Princip, sie sich in denselben Kampfarten unmittelbar folgten.

OLYMPISCHE SIEGER 153

dieMiD EU ferlegen. Das wird bestätigt durch die olympischen lo- schriften 54. 55« nach denen der Pankratiast Ti. Claudius Rufus bis in die Nacht kämpfte. Das Pankration bildete ako den Schluss des vorhergehenden Tages. Die Reihenfolge ndkrj ni^ nay- xpofioy ist durch die Geschichte des Kapros bei Paus. VI 15, 3 bexeagt. Gans dieselbe finden wir bei Phlegon. Ausserdem folgt m der Stelle des Pausanias, dass diese drei Kampfarten auf einen and denselben Tag fielen ^ den dritten , wenn wir auf Pindar und Kineo SchoUasten gestützt fOnf Spieltage annehmen.

Auch f(lr die drei Agone im Lauf: a%aâiov dlavkoç ôolixoç ist durch die Geschichte des Polites von Keramos (Ol. 212) ein und derselbe Tag bezeugt (Paus. VI 13, 3) , aber freilich scheint »eh aus dieser eine andere Reihenfolge als bei Phlegon , nflmlich ^^%0Ç9 aràôiov, diavkoç zu ergeben: avéq>fjvB de agev^v no- iw iv ^OkvfAnlai näaiv äno yaQ tov fÀtjxlarov tloI diaç- unifov dl oXiylaxov Ji} xaiqov fie^QfÀàaato inl %6 ßga- jjnmtyif of40ü xal wniajov xai doXlxov re h fifiégai zfji avHji xa2 naQonnUa aradiov kaßwv vUr^v nQoaé^%B diavXov aq>lai ^f fQlTfjv. Allein gegen Pausanias und fQr Phlegon spricht nicht Dor wie wir bereits oben gesehen haben , die innere Wahrschein- Kebkeit, sondern auch das directe Zeugniss des Plutarch : ngdS^ov ^0 tnidiov ^OlvfÄTtlaoiv , der, wenn er die sdmmtlichen Agooe des Laufes gemeint hatte, nicht aradiov^ sondern àçofiog gesagt bbeo wtlrde, und das dçs Platon leg. VIII 833 a: ataâioÔQOfiov dt]

^^ov 6 x^QV^, xa&dneQ rvv, iv %oîç aydüai nagaxakel

ieifiçoç dk o tov öUxvJiov {afÀikkriaofÀevoç), tçltoç 6 %ov kq>Ln- ^tov, xal dfj thagzog b %6v ôolixov xtL^ der gewiss nicht in Kleber Alh^emeinheit xa&àneg vvv sagen würde, wenn er nicht i^ebeD Delphi auch Olympia im Auge hatte, zumal in Athen an den Panathenflen die Reihenfolge eine andere war. Diesen drei Zeugen gegenüber kann die widersprechende Angabe des Pausanias Qq 80 weniger ins Gewicht fallen, als er sie nicht in der Form ^es schlichten Referats, sondern in der einer rhetorischen Phrase giebt. Es ist denkbar, dass Pausanias in der That über die Reihen- folge der Agone des -ersten Tages nicht genau unterrichtet war; ^ ist denkbar, wenn auch nicht gerade wahrscheinlich, dass an fiesem speciellen Tag die Agone anders geordnet waren, wie der fsiU des Kapros, wo das Pankration ausnahmsweise vor den Faust- kampf gestellt wurde, ein Beleg dafür ist, dass Verschiebungen inner-

154 C. ROBERT

halb der Kämpfe desselbeo Tages allerdings möglich waren; et i weiter denkbar, aber noch weit unwahrscheinlicheTt dass, wie Kim! scher zweifelnd (Jahns Jahrb. XI Suppl. Band S. 517), Kalkmai {Pausanias der Perieget S. 73) mit »emUcber Bestimoitheit ai nehmen, in der 212. Olympiade eine Neuordnung der Spiele stitl fand, die aber dann zu Piutarchs Zeit wieder abgeschafft geweae sein müsste. Am wahrscheinlichsten aber ist mir, das« Paaaaoii seiner rhetorischen Phrase zu Liebe hier die thatsüchliche Reiba folge der Spiele einfach ignorirt, indem er, um mit Gottfried Ha mann (Op. Vi 10) zu sprechen ,nach seiner gesuchten Art la red« rückwärts ?om längsten und die meiste Ausdauer erfordernden tm kürzesten und schnellsten Laufe gemessen hat'. Dabei mag ih ▼ielleicht auch die Ordnung der Panathenäen im Sinne gelegi haben, falls er nicht etwa die ganze Wendung einem sophislischc CoUegen nachgebildet hat, der von einem Siege an diesem attiaclM Feste sprach. Man hat fQr die Ansetzung des dolix^g an enk Stelle auch die Geschichte ?on dem Argiver Aigeus ins Feld geftihrt, der seinen Sieg noch an demselben Tage in seiner Vaterstadt ?fli kündete. Aber einem solchen Läufer darf man es schon zutrasei dass er von Mittag bis Abend von Olympia nach Argos gelangt konnte. Man denke an die Leistung des Pheidippides bei HeroA VI 106. Uebrigens ist es psychologisch h(Vchst unwahrscheinlid dass ein Sieger im Dauerlauf nicht auch den Ausgang der beiden wandten Agone abgewartet haben sollte^ so dass für den Zei punkt, an dem Aigeus von Olympia aufbrach, die Reihenfolge die» drei Kampfspiele gleichgültig ist.

Das TcivTad-lov steht bei Phlegon zwischen den dgofiuu ayùiveç und der nakrj. Eine indirecte Bestätigung giebt Pao* nias VI 24, 1^ wo er, von den Vorübungen im Gymnasium handebi für diese dieselbe Reihenfolge bezeugt: eloiaai de (ol ^Ellan dixai) ngiv fxhv ijkiov clviaxeiv avfÄßalovvrac dgofiéaç^ fii aovarjg de Tijç f^f^égaç inî to névta&Xov %ai oaa ßagia a^i ovofAÔÇovoiv. Eine weitere, allerdings gleichfalls nur indirecte statigung wird durch die olympische Inschrift aber die nepolit nischen Seßatnd (Ol. Inschr. 56) geboten ; denn dass sich die» Fest, die ^iTalmà 'Okvfxnia oder laoUfinia, wie es urkundlk

1) lui. Africanus Ol. 113 Uysi^; vgl. Rutgers p. 67, Förster n. 3fi Krause und Holwerda wollen "AçyM corrigiren; mehr empfiehlt sich jifyê «owohl palaographisch als onomatologiach.

OLYMPISCHE SIEGER 155

hdsst (fgl. Dittenberger zu der Inschrift), auch bezüglich der Reihenfolge der Kampfspiele wenigstens in den Grundzügen einiger- maatsen an sein Vorbild anlehnte, dürfen wir ohne Weiteres voraus- setieo. So Terstümmelt nun leider gerade die von den Agonen bändelnde Stelle (Z. 42 ff.) ist^ so läset sich doch so viel erkennen, ém auch dort das oTadiov ivögwv den Anfang machte, dann nina^koVf nakrj, nvyfiij, TcayxQoriov folgten und der onllttjç den Schluss der gymniscben Agone bildete. Hingegen liegt eine Abweichung darin, dass wie in Delphi, die Agone der Knaben und MlBoer nach Kategorien zusammengestellt waren und die Knaben dea Vortritt hatten; wenigstens lesen wir navxQoxiov nalâofv, nançariov àvÔQwv. Nur im Wettlauf müssen, was für unsere (rtthere Betrachtung sehr beachtenswerth ist, die Knaben auf die Iboner gefolgt sein. Dagegen sind wieder wie in Olympia die Uppiachen Agone hinter die gymniscben gestellt, allerdings in der ibweicbenden Reihenfolge: xilrjg, gvvwqIç^ xid^ginftov.

Auf wie fiel Tage sind nun die sieben zuletzt besprochenen Agone so fertheilen ? Auf drei, auf zwei oder einen? Der Scholiast oder ricbtiger der Paraphrast der XIII. olympischen Ode behauptet aller- üogs von dem Korinthier Xenophon, dass er seine beiden Siege im Stadion und Pentathlon an demselben Tage errungen habe. Aber leboo Nie hat p. 34 mit Recht hervorgehoben , dass davon bei Kndar selbst nichts zu lesen ist; dieser sagt nur V. 30 Ttevzae- ^W Sfia Gtadlov vixœv dgôfAOV avTeßolrjaev t(üv avtjQ ^atog ovTto) %ig ngotêQOv, was um so mehr ins Gewicht Mit, als er nachher bei den pythischen Siegen ausdrücklich hervor- bebt, dass sie an einem und demselben Tage errungen seien: Bv^ol t' tx^i atadlov rtfiay diaiXov t' aekiwi afÀq>^ ivL Uer dafür beruft sich nun Mie auf das Décret des Demeas in Ukians Timon 50 vevlnrjxe de ni^ xal nàkrjv xal ôçôfiov i^^Olvfiniai fAiSg ^fieçàç xal veleiwi agfiati xal avvwQlâi ^Ux^i. Wenn wir das allerdings gläubig hinnehmen, so hatte der Pindarscholiast auch hinsichtlich des Ttévta&kov, das vor der nüfj vorhergeht. Recht, und wir müssten in der That alle sieben Agooe auf einen Tag verlegen. Aber ich dächte, schon die perverse (Reihenfolge der Aufzflhlung lehrt, dass es sich um absichtliche In- correciheiten handelt. Bis zu einem gewissen Grade greift nun hier dievielbehandeltePausaniasstelle V9, 3 aufklärend ein: 6 âk xoofÀOç

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nsvzà&kov fiiv xai dgofiov twv ïnnoiv vavega aytaviafâ^ oitoç xarioTTj aq>iaiv o xéofÂOç ^OXv^niâdi éfido/Âtji Ttgoç ißöofAiJTiovta' ngo tovzwv ôè ènl ^fiégaç tjyov v^g i ifÂoiwç xal àv&goimav xal ÏTtntav dywva, %6tb dk ngorjx^ yvxra ol nayxgaTidÇovveç, Sre ov xcnà xaigbv iaxh TêÇ| aïxioi dh iyivovTO ze ïnnoi xal nïÀov Ïti i^ nevta&lwv SfÀiiXa' xal ixgarei fÀkv KaXXlaç %ovç na] riàaarraç. ifATtôdiov ôè ovx ifiekke nayxgarlwi vov h. %o nirrad'kov oiài ol ïnnoi yBrrjoea&at. Der letite Sal weist, da88 seit Ol. 78 PankratiasteD und Fonfkämpfer nicht an demselben Tage auftraten. Folglich sind die betreffenden i auf mindestens zwei Tage zu vertbeilen, und es fragt sich nur ob wir für das nérta&kov einen besonderen Tag anzunehmen 1 was angesichts der Thatsache, dass es eigentUcb fünf Kamp reprasentirt, doch wabrlich nicht unglaublich ist. Thun wii so erhalten wir die von Pindar und seinem Scholiaslen beze fOnf Spieltage, und die Vertheilung auf diese ist eine so g massige, dass ich jeden auffordere eine bessere zu finden:

I. Tag : 1. aiadiov. 2. diavXoç. 3. dolixoç.

H. : 4. nivra^Xov.

III. : 5. ndXtj* 6. nv§. 7. nayxgâziov*

IV. : 8. naidwv ardôiov. 9. tt. nakt]. 10. n.

11. onXirijç. V. : 12. Té&gmnov. 13. xilrjç, (14. aTcrjvrj. 15. xi

oder später 14. avvwglç etc.). Doch wir sind mit der Pausaniasstelle noch nicht fertig erster Satz gilt ja allgemein für verderbt und zahlreiche Aenderi sind vorgeschlagen; auch ich selbst bekenne mich früher ai versündigt zu haben; zum Glücke ohne meine Vermuthung Offentlicht zu haben. Die Ueberlieferung ist ja an sich bis ai einziges Wortchen ganz untadlig. Die Opfer, heisst es, w nach dem Pentathlon und den hippischen Agonen dargebi da diese nach dem Folgenden seit Ol. 78 nicht mehr an demt Tage stattfanden, handelt es sich nicht um ein einziges, so um ein zweimaliges oder zwiefaches Opfer. Damit ist das oft Hauptopfer am grossen Zeusaltar ausgeschlossen'); gemeint

1) Dionysios Hai. Lys, 520, Lucian. bis aceusatus 2, Pseado-And c. Alcib, 29.

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die Opfer, die die Sieger zuerst an demselbeD Zeusaltar/) daher f(M ^edji, daoD aber auch au den sechs DoppelalUlreD darbrachten,*) welcher Gelegenheit die achte olympische Ode gesungen worden ÏA. Aus Paus. V 21, 12 hat Mie p. 30 richtig geschlossen, dass die Proclamation und Krönung des Siegers unmittelbar nach dem Wettkampf geschah'); wenn er aber hinzusetzt, dass auch das Opfer des Siegers an demselben Tage stattgefunden habe, so vermisse ich für diese Behauptung die Beweisei Vielmehr sagt Pausanias, dass es nach dem névta&Xov und den hippischen Agonen stattfand. Die Sieger opferten in zwei Abtheilungen, die der vier ersten Agone am zweiten, die der neun oder elf folgenden am fünften Tag, und wir Terstehen nun, warum diese beiden Tage verhflltnissmässig im wenigsten belastet sind, der eine mit einem einzigen, der an- dere mit den sich am schnellsten abspielenden hippischen Agonen. Dod nun erinnern wir uns, dass wir bereits S. 150 aus dem ino ßov^aiaic ai&X(av %e nef/Tctafiéçoiç àfAiXXaiç der fünften ol. Ode geschlossen haben, dass am fünften Spieltag auch Opfer stattfanden. Eine weitere Bestätigung bringt die unter Andokides' Namen Überlieferte Rede gegen Alkibiades, wo § 29 erzahlt wird, dass Alkibiades für die inivUia seines Wagensieges, die er tt^o- n^alai t^ç -^aiaç, also am Tage vor dem officiellen Opfer, dar- kriogeo wollte, das staatliche Opfergeräth von den attischen Theoren ^otlieh, dann aber, wenn ich den Hergang richtig auffasse, dies KID privates Opfer ordnungswidrig erst am folgenden Tag vor der Hebtombe in Scene setzte. Wir ersehen also auch daraus, dass am Sofien Spieltag von den Siegern geopfert wurde. Nach dem Pindar« tcholjasten muss das officielle Opfer auf den 16. Monatstag fallen, was derch Bakchylides VII 3 bestätigt wird. Wenn Schol. Ol. III 32 auf diesen Tag auch die xqIoiç verlegt wird, so ist das ein falscher Schluss ^tts den Worten des Pindar, und auf diesem falschen Schluss mag <laQn weiter der unrichtige Zusatz Schol. Ol. V b èv ^i ta a&la iilioto (s. S. 149) beruhen. Denn dass die Entscheidung unmittel- l^r nach dem Kampfe erfolgte, liegt in der Natur der Sache, und ^en Kranztisch wird man sich doch in dem Stadion, der Palästra,

1) Schol. Piod. Ol. IX 1 xaf/iâ^ai de n^os top rov Jioe ßtofiov 6 vf >i^«afi furà rcüv tpiXœv^ avrbs t^ toidfjS iirjYov(A9v9S.

2) Find. (?/. V 8 Schol.

3) Vgl. Paus. III 21, 1 und die Geschichte von Aigeus, der doch nicht ^^Qe den Kranz nach Argos gelaufen sein wird (%. oben 8. 154).

158 C. ROBERT

dem Hippodrom ?or den Hellanodiken aufgestellt la denken babeo*' Dagegen fiel natürlich auf diesen Tag das Festmahl im Prytaneio (Paus. V 15, 12). A. Mommsen Ueher die Zeit der Olympien S. ; wQûscht sich für das «Hochfest* die XV Luna. Sein Wunsch lisi sich erfüllen, denn das Opfer des Herakles, das die von ihm heran gesogene Pindarstelle OL HI 19 feiert fjdrj yàç avrûi^ lunq fihv ßiafAwv ayia&évTWv, ôixofÂTjviç olov XQvaaçiAonog éaftiçoi 6q>&(ikfA0v civri(pXe^e Mijva ist natürlich nicht das mytblscb Prototyp für die Hekatombe am 16, sondern für die Opfer dei einzelnen Sieger am 12 und 15, und dass der 15. fon Anfang ai der Hauptfesttag war, worüber unten mehr, glaube ich allerdingi auch. Auf den 10., um die seit OL 78 bestehende Festordnuif gleich zu erledigen, fallt dann alles das, was Mie p. 40 höchst an* nOthiger Weise auf zwei Tage vertheilt: die allerdings nicht über lieferte, aber mit Bestimmtheit zu postulirende religiöse Einleituogs- feier, der Eid der Hellanodiken und Agonisten, die Prüfung da Athleten und der Pferde.

Dass der Ausdruck des Pausanias aa der Stelle, die uns dies« erwünschte Aufklärung gebracht hat, absonderlich und gesudH ist, wird man bereitwillig zugeben. Ein natürlich und einbcl schreibender Schriftsteller würde gesagt haben , seit Ol. 78 fandea der Fünfkampf, das Pankration und die hippischen Agone an dre verschiedenen Tagen statt. Aber von diesem Sophisten sind wir e ja längst gewöhnt, dass er häufig nur für solche verständlich isl welche die von ihm berichtete Thatsache bereits kennen. So selfl er die Vertrautheit mit der bestehenden olympischen Spielordnuifcj auch hier bei seinem Leser voraus. Gewaltsam geändert dar unter keinen Umständen werden. Anstoss erregt auch nur um beziehungslose fiiv hinter nevTà&Xov; man wird dafür entweda vvv zu schreiben oder vielleicht noch besser vvv vorher einzit schieben haben, damit ein Gegensatz zu dem tu uqo tovtuv d* am Anfang des folgenden Satzes gewonnen wird.

Aber ein Zeugniss ist noch übrig, das alle bis jetzt gewonnenei und, wenn ich mich nicht täusche, vortreOlicb zusammenstimmende!

1) Vgl. ausser Mie p. 30 f. auch Krause Olympia 164 A. 16. Steng« Griech. Kultusalterthünier^ S. 184 A. 9 beruft sich für sein abweichendes Uf theil auf Schol. Find. Ol III 33 p. 97 Böckh, wo gesagt sein soll, dass all Kränze an einem Tage ausgetheilt wurden. Ich habe die Stelle, die er meint nicht finden können.

OLYMPISCHE SIEGER 159

Besoltate umzustOrzen droht: der bisher geflissentlich bei Seite ge-

tassene Bericht des Xenophoo über die von den Arkadern und

Kttteo Ol. 104 begangene Feier, die die Eleer stören. Wie

veit die Agone sich bereits abgespielt hatten, als die eleische

Armee heranrOckte und der Kampf in der Altis begann, das be-

leichDet Xenophon {HeU. Vll 4, 29) mit den Worten : %al t^v fier

InnoiçofÂlav ijôrj inenoii^iieaav xal dçofAixà rov Ttevva^

^lov' ô* bÎç naXtjv aq)i%6fAavoi oixéri iy rm Ôqoilkûi, alXà

fina^ %ov ÔQOfAOv xaï toi ßwfAov ènàlaiov. Danach mttssten

afao die hippischen Agone vor dem Faustkampf stattgefunden haben,

nicht nothwendig an demselben Tage, einen solchen eclatanten

Widerspruch mit Pausanias, nach dem seit Ol. 78 gymnische und

bippische Agone nicht mehr auf denselben Tage fielen, haben wir

Dicht nOthig zu statuiren; denn es kommt Xenophon nur darauf

m, den letzten wirklich zu Ende geführten Agon zu bezeichnen.

Aber nicht aus der Welt zu schaffen ist der Widerspruch mit der

fOnften olympischen Ode; denn einen sechsten Spieltag fOr das

Pentathlon wird doch im Ernst niemand postuliren wollen. Ich

bekenne nun, dass die Uebereiostimmung aller wirklich zuver-

tMgen Zeugen mit Phlegon für mich so entscheidend ist, das»

vir fest vertrauen dQrfen, der Widerspruch dieses einen Zeugnisses

^ nur ein scheinbarer. Ich glaube aber, dass man weder anzu-

Bdunen braucht, dass wahrend des 4. Jahrhunderts zeitweilig eine

andere Spielordnung bestanden habe, was ja an sich denkbar wäre,

Boch dass die Pisaten und Arkader von der üblichen Reihenfolge

gewichen seien, was unwahrscheinlich ist, da Xenophon von der

Ordnung wie von einer allgemein bekannten Sache spricht. Ich

''üge mich, welcher Agon müsste in Wahrheit dem TtivTa&Xov

Vorausgehen. Der dàXixoç. Wenn wir uns nun erinnern, das»

^n dem doXixog sehr ähnlicher Agon in Athen und anderwärts

^nnioç oder Innixôç oder iq)lnniog hiess,^) so ist vielleicht die

Annahme nicht zu gewagt, dass hier Xenophon statt öoXixog den

Ausdruck InTCOÔQOfAia gebraucht habe. Noch einfacher wäre es,

^enn man sich, wie Blass mir vorschlägt, entschlösse IrcTtioàçoiilav

^ schreiben, ein Wort, das freilich sonst nicht bezeugt ist. Sollte

ionand für die übliche Auffassung von Innoôçofila geltend machen

1) tnmoG CIA. II 966. 968, Dittenberger Sylt. 398. é^inmoç Plut. leg.yWl ^3b. inniuoQ CIA. U 970.

160 C. ROBERT

woUeD, dass das WageDreonen id jener Olympiade doch statt- gefundeD habe, da bei Pausanias VI 8, 3 der Name des wirklicheo oder angeblichen Siegers steht, so erwidere ich, dass die Spiele, nachdem die Eleer zurückgeschlagen waren, natürlich ihren Fort- gang nahmen, wie das auch aus Xenophons Bericht indirect henror- geht, und also das Wagenrennen ebenso gut auf die Unterbrechang folgen, wie ihr vorhergehen konnte.

Schon oben haben wir constatirt, dass Phlegon die Ol. 78 ge- schafTene Spielordnung auch auf die früheren Olympiaden überträgt, was für ein Handbuch gewiss sehr praktisch war. Die Wissenschaft aber kann sich der Aufgabe nicht entziehen, auch fon der Reihenfolge, wie sie bis Ol. 77 bestand, ein Bild zu entwerfen. Aus der oben be* sprochenen Pausaniasstelle geht hervor, dass damals der FOnfkampl^ die hippischen Agone und das Pankration auf denselben Tag fidea« mit nichten aber, was auch besonnene Forscher daraus entnehmen wollen, dass alle Wettkampfe an demselben Tag abgehalten wurden: bti rifAéqaç rjyov Tfjg avrtjç ofÂolwç xal àv&çainwv xai ÏTtnwv àywœ steht da, nicht tovg àv&çœnwv xori ïrcTtwv aywvaç. 13 Agone an demselben Tag wäre doch auch wirklich ein Ding der UnmOglkè- keit, womit natürlich nicht gesagt sein soll, dass nicht noch zwei oder drei weitere Agone auf denselben Tag mit den oben ge- nannten fallen konnten. Die Neuerung bestand darin, dass sowohl das névra&Xov als die bippischen Agone einen besonderen Tig für sich erhielten. Nun beachte man, class, wie auch Kindseber 1 beobachtet hat, die bei Phlegon vorliegende und von uns mit der seit 01.78 bestehenden identificirte Ordnung genau die chronologische sein würde, wenn man die bippischen Agone vor das Pankratioo setzte, also an die Stelle, die sie nach Pausanias bis Ol. 77 that" sächlich einnahmen. Es sind nümlich gestiftet axadiov Ol. 1, dUnr^ log Ol. 14, doXixoç Ol. 15, nivra&kov und nalt) Ol. 18, fcv^ Ol. 23, Ti^QLTtnov Ol. 25, nékriç und TcayxQaTiov Ol. 33, naC^ dwv (nââiov und naXrj Ol. 37, naidwv tcv^ Ol. 41, onkltf}^ Ol. 65. Da ergiebt sich denn doch die Schlussfolgerung eigentlict* von selbst, dass bis Ol. 77 die Reihenfolge der Agone durch da^ Datum ihrer Einfübrung bestimmt wurde. Wenn Pausanias sagt«^ an dem späten Auftreten der Pankratiasten in der 77. Olympiade seien Te ïnnoi xaï èg nXéov evt ^ tcJv nevTa&ixov SfitiXi^ scbuld gewesen, so greift er offenbar einerseits den dem PankratioiP unmittelbar vorangehenden, andererseits den am längsten dauerodei^

OLYMPISCHE SIEGER 161

Agon heraus. Die vor dem nivxa&Xov liegeoden WettkSImpfe liesseo «kh BatOrlieh bequem au einem einzigeo Tag erledigen, ebenso die auf das Pankration folgenden. Wir erhalten also für Ol. 77 und 4ie ?orhergeheuden Olympiaden eine Vertheilung auf drei Tage: I. Tag 1. atadioy, 2. dlctvlog, 3. doXixog. II. yf 4. nivTa&lov, 5. nâXrj^ 6. nv^^ 7. zi&Qinnov^

8. xéXfjÇ, 9. TcayxQajiov. m. ,9 10. naldwv OTaôiov, 11. jcaidœv TtdXrj, 12. Tval- âcjv Tfv^, 13. onXlTtjç.*) Als dann Ol. 70 die anr^vr}, Ol. 71 die xalrtt] hinzutrat, wird man diese nach dem üblichen Princip ans Ende, also hinter den onXlTrjç, gestellt haben. Der zweite und dritte Spieltag wurden auf diese Weise so überlastet, dass man sich endlich doch zur Zugabe zweier weiterer Spieltage entschliessen musste, wobei man dann sämmtlicbe hippische Agoae ans Ende stellte und die Opfer der Sieger, die vermuthlich bis- her am dritten Spieltage stattgefunden hatten, auf zwei Tage vertheilte. lieber den Zeitpunkt der Einführung dieser dreitägigen Spiel- ^irdnoDg lässt sich natürlich nichts Bestimmtes sagen. Bis ztir StiftoDg des Wagenrennens Ol. 25 wird man wohl mit einem Tag losgekommen sein. Bei der damaligen Reorganisation, als die Zahl fa Hellanodiken auf neun erhöht wurde, mag auch der zweite Spiellag eingerührt worden sein. Als dann weiter das Pankration, die Koabenagone, unter ihnen auch vorübergehend das Pentathlon, QDd endlich der bnXitriç hinzutraten, wird man sich zu der Zugabe ^oes weiteren Tages entschlossen haben,*) während in der Zwischen- ^t gewiss mehrfach Schiebungen vorkamen, z. B. Ol. 25 etwa

I. Tag: dgofioç, ôlavXoç^ âoXixoç

II. f, : nivTO&Xov, naXrj, 7tv§, vé&QiTtTtov, OL 37 vielleicht

I. Tag: ôçofÀOÇ, dlavXoç, âoXixoç, névza&Xov II. y, : TiàXrif nv^, té&Qinnov, xéXrjç^ TCayxçdtioVf nal^ dwv OTodiov, Ttaldwv naXrj,

1) Ordoet mao nach Kategorieo, wie das io Athen der Fall war, und 'dieidet also die hippischen and die KnabenkSnipre aus, so erhfilt man die ^nbenfolge: närra^lttr, nahn^ nvS, 7tayx(fâjêav, onXitrfi^ die für die Pana- l^sea orkoDdlich bezengt ist (CIA. II 966—968).

2) Aoch an den Panathenieo scheinen die hippischen and gymnischen ^oae drei Tage beanspracht zo haben; wir wissen aber nicht, ob das schon ^ ft. Jabrhoodert der Palt war, so dass ein Rûckschluss auf die Zeit der Ein- •ohning des dritten Tages bei der olympischen Panegyris nicht möglich ist

B«aeiXXXV. 11

16Î C. ROBEHT

Der 15. als Vollmondstag wird vermuthlicb io deir «IfesUso Zeil sowohl der eiozige Spieltag, als der einiige Festlag geweseo sefBl Die neueo Spiellage wurdeo vor ihm eiogeschobeo und spStesleM in der dreitägigen Periode trat eine Anfangs- und Scklassfeier» also bis Ol. 77 am 12. und 16. Monatstag, binzu, so dass die ganze Panegyris damals fünf Tage dauerte.

Wie die nacb Ol. 78, als das chronologische Princip wenigsteoft» partiell durchbrochen war, eingeführten Agone eingereiht wurden^ lehrt das Fragment des Phlegon Ober Ol. 177 (s. oben S. 143>« Die jüngeren hippischen Wettkämpfe avvwçlç Ol. 93« Ti&Qinntm^ nwkiKov Ol. 99, avvwçiç nfühnTj Ol. 128 oder 129, xili^^ TCwXiKcç Ol. 131 wurden hinter den xéXt]ç, also ans Ende des fOnfteo Spieltages, gestellt Bei ihnen trafen das chronologische und generische Princip zusammen. Das naldiav nayxçctTiov aber stellte man unbekümmert um die Chronologie nach dem gen»- riechen Princip an den Schluss der Knabenkampfe, also vor dorn viel älteren Waffenlauf.

Den Ol. 96 eingeführten Agon der Trompeter and Herolde hat Mie p. 35 richtig an den Anfang gestellt. Zwar die Analogie der Pamboiotien und plataeischen Eleutherien, auf die er àdk stützt, kann nicht viel beweisen, da z. B. bei den keischeii Nemeen der Agon der Herolde den Schluss bildete.') Aber eot- scheidend ist die Erzählung des Lukian vom Tod des Peregrioiü (c. 31), der unmittelbar nach dem Wettkampf der Herolde dae Scheiterhaufen besteigt. Der Erzähler trifft in diesem Moment i* Olympia ein, und der ganze Zusammenhang lehrt, dass das am ersteh J Tag der Panegyris geschah. Also, nicht wie Mie wilt, am dritleBt sondern am ersten Festtag, dem 10.^ an dem weitere Ago0^ nicht stattfanden, erfolgte der àyciv der Herolde. Er geMK^ gewissermaassen zur naçaaxëvij^ und so wird aiich flusseriid^ sein singulärer Charakter gegenüber den übrigen Agonen betone Desshalb ist diese Anordnung auch kein Verstoss gegen das obee aufgestellte Princip, dass dem Stadion der erste Platz gewabi^ bleiben müsse.

Wir wenden uns nun zu den einzelnen Olympioniken, der^^ Siege das neu gefundene Fragment verzeichnet. Ich habe es vo^' gezogen, nicht den Text nach den Oxyrbynchos-Papyri II n. GCX](^ p. 85 ff. einfach abzudrucken, sondern die Namen auf der Beila^^

1) Pridik de Cei insulae rebus p. 160 n. 39.

OLYMPISCHE SIEGER 16?

tabellarisch zu ordnen, wodurch ich dem Leser die Uebersicht nicht ofierheblich zu erleichtern hoffe. Dabei habe ich mir nicht ver- Bageo wollen, sowohl die unvollständig erhaltenen Olympiaden aU die in der Mitte ausgefallenen aus unserer sonstigen litterarischen Deberlieferung zu ergänzen, habe aber zur leichteren Unterscheidung die dem Papyros entnommenen Namen mit griechischen, die tibrigen mit lateinischen Lettern setzen lassen. Unsicheres ist mit einem Stern bezeichnet Ferner habe ich, um die Tür die Litleratur- vnd Kunstgeschichte wichtigen Daten sofort kenntlich zu machen, 10 deo beireff'enden Stellen den Namen des Dichters, der das Sieges- lied ferfasst, oder des Künstlers, der die Siegerstatue verfertigt hat, io Capitälchen beigesetzt; den letzteren in der Regel bei dem spitesten Siege.

Ein kurzer Commentar zum griechischen Text mag zunächst neine Lesungen rechtfertigen und die nöthigen Notizen Ober die doielnen Persönlichkeiten geben, für die es häufig genügen wird iof Rutgers Ausgabe der 'OXvfATtiidwv avayQaq>ij des Seztus laUiis Africanus und auf Hugo Förster Die Sieger in den olym- piKhen Spielen (Gymnasial-Programme von Zwickau 1891. 1892) a Terweiscui. Fehler orthographischer Art habe ich meist still- ichweigend berichtigt. Die Ziffern bezeichnen die Columnen.

Ol. 75: 9. vielleicht Jça^wv oder 'ElUwv. 11. Astylos von Kroton ist auch in der nächsten Olympiade Sieger im Waffenlauf. Er hatte sowohl in dieser als in den beiden vorhergehenden Olym- piaden auch im Stadion gesiegt und sich bei seineu letzten Siegen >ls Sjrakusier ausrufen lassen, Rutgers p. 32. Förster n. 181. Nun hieo wir bei Pausanias VI 13, 1 lda%vXoç de KQotùtviâtrjç ÏÏjû^ayoQOv fUv ia%iv igyov, rçelç de èg>e^^ç ^OXvfiniaai otaôlov aal diavkov vlxaç eaxBv^ 8ri âè iv dvo jalç ^tnif^aiç X^Qi^ i^^v ^liçwvoç vov ^eivofiivovg avriyoçëvaev Wor SvQttxovaioVy tovtwv Svexa oi KçorwviaTai ttjv oixlav ffvrov ôêafuajiJQiov eïvai xajéyvwaav xal t^v elxova xa^ei- W naçà rfji "Hçai trji Aaxtviai xeifiévi^v. Die Herausgeber nehmen an, dass Pausanias hier âlavXoç und OTjclltrjç verwechselt Ittihe. Allein so einfach liegt die Sache nicht. Der Anfang des zweiten Satzes Sri dh iv ovo valg vojigaic zeigt, dass das Wort OhffAniâç vorangegangen sein muss.. Daher hat Schubert in der Ueioen Ausgabe die an sich tadellose Wendung vgelg iq>eSvS Oh)iinlaai plxag in rgial ètpeSrjç ^OXvfinidai vlxaç

11*

164 C. ROBERT

geaDdert« Nimmt mao dies an, so mOssten die drei Siege in d^^i zweiten Kampfari in denselben Olympiaden errangen sein, wie Ain im Stadion, was für den letzten Sieg im onlitfjg nicht lutrim iedenfaHs lehrt jetzt der Papyros, dass Astylos nicht in drei, sondari in vier aureinaoderfolgenden Olympiaden gesiegt hatte und da« für die beiden letzten, Ol. 75 und 76, die Notiz, er habe sich ab Syrakusier ausrufen lassen , richtig ist. Für Ol. 76 stimmt auch die Angabe, dass diese Fälschung dem Hieron zu Liehe geschebes sei, wahrend es für OL 75 bei der bisher statairteu Verwechslaog mit Gelon bleibt. Man könnte nun vielleicht annehmen, dass die Worte des Pausanias, soweit sie die Siege betreffen, der WaOh •inschrift der Statue entnommen und diese bereits Ol. 75 gesettf sei. Allein diese Hypothese erklärt wohl die Auslassung des zweitaa Sieges im onXlTrjç, nicht aber die des ersten. Man wird sich abo wohl zur Statuirung einer jener kleinen Locken verstehen mOttea, die im Pausaniastext so häufig sind; zu ihrer Begründung irefEM hier zwei Momente zusammen, die Beziehungslosigkeit der Worte èv ovo %alç varéçaiç und das Fehlen des onkljtjç. Also etwa ^QBÎç ôi iq>Bè^ç ^Olvfinlaai ataôlov te aal diavlov, (ßto ü ycal onXljov iv ^OXvfinidai vecaagai) vlxag eax^v. oti âk h ovo Talc varéçaiç %xL Er wQrde dann im Ganzen acht olympiscb« Siege davongetragen haben, wozu die Bezeichnung als xQcnictoÇf die ihm unter Ol. 76 gegeben wird, gut stimmt; denn selbst der berühmte Chionis hat es nur auf sieben olympische Siege gebrachL Vertbeilen würden sich diese Siege folgendermaassen : Ol. 73 Ofir^ iiov^ dlavXog^ Ol. 74 azâdiov^ olavkoc, Ol. 75 atàdiov, ilavloÇf onkltrjç, Ol. 76 onXltrjç. Als Krotoniate würde er sich OL73> 74, als Syrakusier Ol. 75. 76 haben ausrufen lassen, das letitf Mal in der That zu Ehren des Hieron, was Pausanias irrthümlick auch auf OL 75 Oberträgt Dass die Statue des Pythagoras OL 75, als er hgiaaevaev, aufgestellt worden sei, wird man am liebstes annehmen. Doch habe ich, da kein bestimmtes Zeugniss vorliegt, auch in diesem Fall den Namen des Künstlers beim letzten Sieg angemerkt 12. Jaixtivàa oder KQoxwvda Gr. H.

OL 76: 1. SxâfÂavôçog ^ ebenso Dionys. HaL IX 8 und der Armenier; Suafiâvôçiog Diodor XI 48 und luL Afric. Rutgers p. 37. Förster n. 194. 2. Javöig, ebenso Anth. PaL XIII 14, die beste Ueberlieferung (P) bei Diodor XI 53 und der Armenier; Javarjg die schlechtere Diodorüberlieferung und Africanus; ^dwtjç

OLYMPISCHE SIEGER 165

üoBji. Hai. IX 37. Ab Sieger im Sudion Ol. 77 langst bekanoU

ber seine dem Simonides lugeschriebene Grabschrift (Anth. Pal.

0. Bergk fr. 125) erwähnt zwei olympische Siege, deren

Oberen ans nun der Papyros kennen lehrt, Rutgers p. 39. Förster

••^ 204. 205. 3. ••-[••] f^i ^1^ beginning of the Une some

(en have been crossed out and others added over them. The re- }t is a confused 6/ur» in which «t is scarcely possible to read }fkmjf. Gr. H. Da demnach der Name 5 6 Buchstaben enthielt d das letzte y, wie mir auch Blass bestätigt, höchst unsicher ist, M ich der Versuchung nicht widerstehen können, den Namen I bertlhmten lakonischen Dauerläufers wenigstens frageweise ein- etien. Rutgers p. 107. Förster n. 249. 4. Obgleich die nusgeber einen Namen von etwa sieben Buchstaben verkingen, le ich meine Ergänzung für sicher. Paus. VI 10, 5 7xxoç dk Ifixokalda Taçavtlvoç %6v %e ^OXvfAmxov aTéq>avov laxev 1 nerrd&JLoßif xal vavegov yvfivaajf^c agiajog kiy etai %iüv ^ Qvsov yevéa&ai. Plat. Prot. 316 D iyw di jrjv fikv ao- nixr^v téxy^y (p^ipà fiiv elvai naXaidv, %ovç ôè fieraxeiQi' ihovç avJTjv luv naXaiwv otvdçwv nçoax^fici noieîa&ai I ngoxaXvntea&ai toiç f^h noitjaiv . . . èvlovg ôè fjia&rj" I xal yvpLvafnixjqv, olov "Ixxog o Tagavtivog. fep.VlIl 840 A ' Taçttvtîvov ^Ixxov did %bv ^OXvftniaai tb dydiva x%L Steph. !* V. Tdçag ..... ^xxog o Tagavtlvog iazgog ial T^g ilvfinidaog, fiéfivrjTai %ov%ov xal IHdrtov iv IlQùJTayÔQai. ion Sauppe hat bemerkt, dass dies das Datum seines olym- pien Sieges sein werde; aber Ol. 77 ist durch einen anderen Btzt, also og' zu corrigiren. Weitere Zeugnisse bei Rutgers p. 113f. Iter n. 240. 5. MaQtjveljfjgl Gr. H. ^he reading is very Uful; the traces before e suit a(or e)ç better than v, and vf4, vx anUd weU be read in place of gw\ Die Lesung ZVovx^a- ]g, die ich in Erinnerung an den reçrjvog Navxçatitrjg (Phi- *. n. yvfiv. 54) vorschlug, erklärt Hunt auf briefliche Anfrage ausgeschlossen. 6. Rutgers p. 38. Förster n. 195. Vgl. n. 7. Rutgers p. 38. Förster n. 191. 196. Siegerstatue dem Aegineten Glaukias Paus. VI 11, 9. Ol. loschr. 143. rotz der Bedenken der Herausgeber, die einen Namen von sechs Buchstaben wünschen, halte ich die Ergänzung für sicher, überlieferte Ansatz der VIII. Pythiscben Ode auf Pylb. 35 ) ist von Wilamowitz (Aristoteles und Athen II 302) und Christ

166 C. ROBERT

(a. 0. p. 193) mit Recht vertheidigt worden. Darin heisst es tod AristomeDes V. 35 nalaïa/Âateaai yàç Ixvbvwv (natQadehpeoifç ^OXvfinLai re Oeoyvfjtov ov xaTsXeyx^^S xtA. Zu dem Sieg des Neffen 446 passt ein Knabensieg seines Oheimes 476. Die vorhergehende Olympiade ist besetzt, und Ol. 74 jst entschieden zu früh. Rurgers p. 37 hatte ihn Ol. 75, Förster n. 193 zwischen Ol. 75 und 78 angesetzt. Die von seinem Landsmann Ptolicbos gerertigte Siegerstatue stellte ihn mit einem Granat- und einem Pinienapfel in der Hand dar Paus. Vi 9, 1 ; das Epigramm scheint^ natürlich unter Simonides Namen, in der Anth. Pal. 2 (Bergk fr. 149*. Crusius fr. 130) erhallen zu sein. 10. Der Papyros bestätige, die Lesung der Schol. Ambr. und Vrat. og' gegenüber der iem^ vaticanischen oô\ der die meisten Herausgeber des Pindar sowi^i Rutgers p. 35 und Förster n. 186 gefolgt sind. Richtig urtheill« Christ. 11. VQOÇ Pap. Vgl. unter Ol. 75. â ist mir unverstflndlich« die Herausgeber schlagen zweifelnd Ttdvrwv vor, was aber hinter q)cXia und xaXlia fehlt; der Strich über dem a kann nach ihrer Angabe auch ein Buchstabe sein. 12. og Schol. Ambr., o^ Schol. Vatic. Mit Recht sind alle Herausgeber der ersteren Lesung gefolgt, auch Bergk, von dem Christ a. 0. p. 14 irrthümlich das Gegentheil angiebt. Rutgers p. 38. Förster n. 198. 13. I>eY Papyros bestätigt Bergks mit Recht von Blass angenommene Aeü- derung og für oy in den vaticanischen Pindarscholien. Rutgers p. 33. Förster n. 199.

Ol. 77: 2. Evàyrjçl Qeâyrjçl vgl. U. 3. Rutgers p. 40- Förster n. 206. üeber den zweiten Sieg des Ergoteles s. S. 173. 4. Sœâafioçl 5. Die Ergänzung ist wohl sicher, obgleich âk Herausgeber nur für drei Buchstaben Raum angeben. Porphyr. <?. Pyth. 15 XQ^^ov ôé ziva avTov diaTQißwv (Pythagoras io Samos) Evgvfiivovg zov ^afiiov a^XrjTov èuêfielelto , tqi Ilvô'ayoçov aoq>lai Ofiixcog jo aw fia wv noXhJjv %aï fii- ydkiov èxçàrei xal hUa 'OlvfAniaaiv. Vgl. Favorin hei Diogenes Laertius VIII 1, 12, der erzählt, dass er auf Rath des Pythagoras gegen die bisher übliche Athletentrad ilion sich von Fleisch genährt habe, eine diätetische Neuerung, die Pausanias VI 7, 10 dem Dro- meus von Stymphalos*) zuschreibt. Die Legende setzt die Ge- schichte freilich in die Zeit des Polykrates, aber was kümmert sich

1) Ueber das routhmaassliche Datum seines Sieges s. onteo.

OLYMPISCHE SIEGER 167

die Legeode um die Chronologie. 6. Vgl. Ol. 76. lo diesem Falle steht fesl, dass die von Pythagoras gefertigte Siegerstatue erat nach diesem dritten Sieg der erste fällt Ol. 74 gesetzt wurde. Die Balis Ol. loschr. 144. 7. Rutgers p. 41. Förster B. 208. Vgl. oben S. 156. Die Basis der von Mikon gefertigten Siegerstatae Ol. Inschr. 146. Eine Copie derselben vermutbet Furt- wlDgler in einer Statue der Sammlung Somzée Taf. III. 8. ,The Mtfnl % may bey or a" Gr. H. IlavtavÔQLàaçt Iliavavôçlâaçl - 10. Rutgers p. 138. Förster n. 237. Die Basis der Siegerstatue Ol. Inschr. 147. 148, dorl'^^xàç 'Oçea&âaioç. 11. ,The vestiges •f the first letter are also consistent with t or k" Gr. H. Unter Hioweis auf Pblegon fr. 12 (s. S. 143) nimmt Blass an, dass dig «oeo zweiten Sieg in derselben Olympiade bezeichne, also der Sieger in onXitrjç mit . . . yrjg ^Enidaiçioç, dem Sieger im ôiavloÇf ideitisch und entweder hier oder dort zu corrigiren sei. Dabei vflrde nur auffallend sein, dass bei Astylos Ol. 75 Col. 11, wo gieichfalls das Ende der Zeile erhalten ist, nicht auch der Zusatz dig oder vielmehr zqIç steht Daher ist mir die Annahme der englischen Bcnusgeber wahrscheinlicher, dass der Walfenlauf zweimal statt- gefoBden habe, vielleicht weil das erste Mal die Entscheidung un- «eber geblieben war. 13. Schol. Pind. Ol. 1 Hypothesis. Rutgers ^41. Förster n. 209.

Ol. 78: 1. Rutgers p. 42. Förster n. 212. Dass Parmenides ÎD derselben Olympiade auch im Doppellauf gesiegt hat, war bisher Biclit bekannt. 4. Kaçtiwvl 2utlwvl 5. Der Papyros be- s'iitigl aufs glänzendste G. Hermanns Ansetzung der IX. olym- pitchen Ode, der nur Lübbert zugestimmt hat. Die richtige Zahl <ni ist in der Hypothesis des Mediceus zu na\*) in den Scholien 10 ¥. 17 leichter zu oy verderbt; dort aber haben alle Hand- schriften die richtige Zahl der Pythiade X\ nur der Ambrosianus ly, wo y sich jetzt als Dittographie des Anfangsbuchstaben von JJv&iada darstellt« Rutgers p. 46. Förster n. 231. 6. Natürlich eio anderer als der Menalkes von Elis, der in unbekannter Zeit in FOnftampf gesiegt hat, Paus. VI 16, 5. 7. ,The first i was €ûnnected with the preceding letter with a ligature at the top^ which should be eoniistent with e, /, a, or %^. Gr. H. Ferner tlieill mir Bunt auf briefliche Anfrage mit, dass der zweite und dritte Buch- «tabe des Elhnikon unsicher seien, und auch ^ly, weniger wahr^

1) Vielleicht na oL aus iX^^.

168 C. ROBERT

scheinlich 'Agyi gelesen werden kOnne. Der Name mag elwa %if<* Tifâiaôaç gelautet haben. Darf man nun hiermit den . aôaç der in Olympia gefundene Basis (Ol. Inschr. 150) combiniren, die ntcb dem Scbriftcharakter innerhalb der auf dem Papyros regislrirten Olympiaden fallen muss? Nach dem Vorbild Paus. VI 10« 7

KXeoa^ivrjç (i avi&tjxBv 6 Tlôvrioç i^ 'EnidàfÂVOv vixT^aaç ïnnoiç %aXbv aydtva Jioç und nach der Nachbildung Kaibel Ep. gr. 938. CIGGS. I 530

Elxova trivè' àvé^rjne Ooçvavaç nalç 6 Tçlaxoç yifJQv^ vixijaaç ycakov aywva Jioç liesse sich unter dieser Voraussetzung das Epigramm etwa so erginie^^i

EIkovo ravâ' loocäv 'E7ciTifÀi]QÔaç àvéd'rjxB XBQalw viiiaa]aç xakov àywva Jioç. Das Fehlen des Vatemameus und des Ethnikon ist freilich nicByl schön, aber ersterer fehlt auch in der Kleosthenesinschrift, and ^ folgt noch eine dritte Zeile, in der beides gestanden haben kaiin. Die unbestimmte Bezeichnung der Kampfart wird durch die Eo- thymosbasis geschüttt, auf der der Agon Oberhaupt nicht angegebea ist. Argifisch kann die Inschrift wegen der Form des X allerdings nicht sein, aber nach Hunts Mittheilung kann das Ethnikon del Papyros ebenso gut zu Aiyivrizriç ergänzt werden. An Aigisi dachte bei der Inschrift bereits RobI, allerdings auf Grund eioer unhaltbaren Combination. Aber immerhin ist es sehr verlockeiui mit ihm den Rest der dritten Zelle vaifA zu Iv Aly(\vai zu e^ ganzen. Mehr als eine Möglichkeit soll natürlich auch mein Vor- schlag nicht sein. Für den àiaç der Inschrift stehen auch noch der Doppellauf Ol. 79—81, der Dauerlauf Ol. 80. 81, das Pas- kration und der Faustkampf Ol. 80, der Waffenlauf Ol. 79. 80 nr Verfügung. Auch könnte er zur Nolh erst Ol. 84 oder 85 gesiegt haben, während man über Ol. 75 schwerlich gerne wird hinaufgehea wollen. 8. Neben Aux6(pçu)v , wie die Herausgeber ergflnzeft» ist auch OiXoqiQiüv möglich. 9. Die Endung i^juoç ist bei eioem Arkader kaum denkbar. Vielleicht ist rivoç zu schreibeb und Ev&Tjvoç (Fick-Bechtel S. 146) oder ^nrjvoç zu ergänzen. 10. TevvT^g, 2&évrjç und vieles andere kann ergänzt werden» Wenn in dieser Olympiade ein Tirynlhier siegt, so lehrt dies, wie bereits die Herausgeher richtig bemerken, dass die in dieses Jahr fallende Zerstörung von Tiryns erst nach der Olympienfeier erfolgt sein kann. 11. Fgvkog, 'HàCXoç, Jivkoç und vieles andere isi

OLYMPISCHE SIEGER 169

deckbar. 12. Rutgers p. 42. FOrsler d. 215. Soll maa die volle fom'hçwyvfiov eioselzen? Aber warum steht dann Ol. 76 und 77 die Kurzform? Also ein Abschreiber müsste aus reinem Versehen (SeVollform hergestellt haben. Oder sollen wir aviavifiov lesen? Aber wie ist es denkbar, dass Hieron einen Sieg, den er durch das prächtige Viergespann von Kaiamis und Onalas verewigte und durch fiakchylides feiern liess, als Auonymos errungen haben sollte? Die Herausgeber treffen keine Entscheidung, ich möchte dem Gedanken an ein allerdings recht merkwürdiges Abscbreiberversehen den Vorzug geben.

Ol. 81: 4. . . yq^ot; Pap. ,The reading is dubious. The firsi hiter may be x and the last i or v or any similar letter with vertical left-hand stroke' Gr. H. Die Einsetzung des Namens Swôfiioç beruht auf folgender Combination. Paus. Vi 3, 2 sagt SfOfiliai de nev%a^Xovv%i iv ^OXvfAniai xal Nefielcjv Tçeîç ^nîjç^ev aveXéa^ai vIkqç. to ôk inlyçafAfÀa to In* aixwt xal rode inikéyei, trig ^^^ov te ^Xeloig aitôv fjyovfievov tnaairjaai tçônata xai awdga toîç noXefiLoig OTQon^yovvta eaio^aveî^ vno %ov Srofdov fiOvofiaxT^Gavrà ol xavà uqo- ^Qiv. êîvai ôk avrov èx 2iiiv(ûvoç ol ^HXeîol q>aai xal ^itv 2ixvtüvl(av, atQaievaai âh inl Sixvaiva aizol q>iklai 6tißai(üv ofiov %^i ix Boiwxlaç àwifiei. Das letzte, die Com- pilation der Inschrift mit der Eroberung von Sikyon im Jahr 369 (Diod. XV 69) , ist natürlich ein blosser Periegeteneinfall, und die llbliche Datirung von Stomios' Sieg auf Ol. 102 (Rutgers p. 115. Fürster n. 335) daher äusserst problematisch. Auf dem Steine «aad nur, dass Stomios eleischer ReiterfOhrer gewesen sei und eioeo feindlichen Strategen im Zweikampf getötet habe. Das kann ebenso gut in der Schlacht bei Tanagra oder bei einem beliebigen Scharmützel mit den Nachbarvölkern geschehen sein. Nun haben wir hier einen Sieger im Pentathlon, dessen Name sich nicht allzu schwer zu 2T6fiioç emendiren lässt, und sein Sieg f^llt kurz nach Tanagra. Wenigstens "mit einem Fragezeichen glaubte ich daher die Conjectur einsetzen zu dürfen. 5. Rutgers p. 110. Förster ü. 202. 203. Leontiskos siegt auch in der folgenden Olympiade. ■Seine Siegesstatue war eins der berühmtesten Werke des Pythagoras von Rhegion (s. S. 184). Dass sie nach dem zweiten Siege gesetzt war, scheint daraus hervorzugehen, dass Pausanias, doch wohl auf Grund des Epigramms, beide olympische Siege erwähnt.

170 C. ROBERT

6. Aristot. Eth. VII 6 "A^^çwreoç 6 'Okifirtia vevixfjxw Alexaoder Vod Aphrodisias Top. 61 rjv yàç ïôiov ovo/âo tow wov 'OXvfiftiovlxov TtvxTOv^ ov iv *H&ixoîç èfÀvrjfAOvevaev* D iRFeiteren Zeugoisse bei HudI und Grenfell. Wir wollen es de Arigtoteles und seinen Commentatoren glauben , das« "uiv&gtam ein Eigenname oder vielleicht ein Spitzname war. Aber der F pyros tragt zu der Entscheidung der Frage nichts bei, da der Schln der Zeile verloren ist und wir also nicht wissen können, ob ei Ethnikon folgte oder nicht. Sollte es gefehlt haben, so wOn av&Qwnoç wie 6 dsiva gebraucht sein. 7. Rutgers p. 12 Förster n. 232, der bereits die richtige Datirung durch Conjecl gefunden hatte. 8. ixavwv Pap., sicher verderbt. Paus. VI 17« erwähnt einen Sieger im Wettlauf der Knaben, dessen Name : den Handschriften ^EfxotvtLwv oder 'E/davTlwv oder J/Aavzlwv laat< also gleichfalls verderbt, aber von Bechtel sehr ansprechend ^Evarlwv verbessert ist. Diesen mit dem ixdviav des Papyros : identificiren und auch dort ^EvotIwv zu schreiben, habe ich kein B denken getragen. Das Ethnikon *Açxaç ist ein Nothhehelf, Plileg« wird gewiss die Landschaft genauer angegeben haben, naççâato. Maivalioç oder dergleichen. Aber Pausanias bezeichnet ib nach dem Epigramm nur allgemein als Arkader. 10. Alkaioelfl war bisher schon durch seine Söhne Hellanikos und Theantoi die Ol. 89 und 90 gleichfalls im Faustkampf der Knaben siegt« (Paus. VI 8, 9), annähernd datirt. Aber man hatte seinen eigeoei Knabensieg zu tief herabgerückl, Ol. 83 Förster n. 241. Jetzt seha wir, dass zwischen dem Knabensieg des Vaters und dem seiner Söhw 32 und 36 Jahre liegen, was wir uns für später merken wollet Der Sieg des Alkainetos im Faustkampf der Männer kann nad Ausweis des Papyros frühestens Ol. 84 fallen. FOr die Form dt Ethnikon vergleiche man die bereits von Rutgers p. 117 herai gezogene Pausaniasstelle V 5, 3 oaoi avTijv {twv Aençecnék 'OXvfÂTtia èvlxrjaav, TiXeiovg ix Aangeov ag>âç 6 x^qv§ avelft 11. kivaaq Pap. ,The scribe seems clearly to have wrütem and not fi, .... It is of course quite possible, that ki is a ooi ruption for /ti ; the mistake is a very easy one, e could ipeU read after a; a second a, a or v would also suit the vesiigeg' Gr. I Paus. VI 13, 7. Mit Rcicksicht aui den Sieg seines Sohnes Kr tisthenes, dessen Statue gleichfalls von Pythagoras war, hat ms den Sieg des Mnaseas bisher viel zu hoch datirt. Rutgers p. S

OLYMPISCHE SIEGER 171

Förstern. 184. 12. Vielleicht aus Sparta, vgl. S. 176; wenigsteos (odel 8ich der Name dort, Herod. VI 71, allerdiogs auch io Thes- Mliee, Herod. VI 127.

Ol. 82: 1. Xvxw Pap., aber Av%oç AoQiaaloç Afric, Av%og BioaaXoç arto ^açlai^ç Diooys. Hai. X 53, also gewiss idea- Hscb mît dem Sieger im onXlttig, was auch die Herausgeber an- deuten. Rutgers p. 47. Förster n. 235. 4. Rutgers p. 114. Förster d. 295. Die Rasis der von Polyklet gerertigren Siegerstatue Ol. Inschr. 162. 163 vgl. unten S. 185. 6. agiatiov Pap. lAgi- üxltaif Qeoq>iX€Oç ^Eniâavçioç Ol. Inschr. 165, ^Açiariiova Qeo^ ^pllmç'EjtidavQiov Paus. VI 13, 6. Rutgers p. 117. Förster n. 376. Wir lernen, also, dass die Siegerstatue von dem alteren Polyklet war, was so eben Löwy Strena Helbigiana S. 180 A. 4, ohne den Papyros lu kennen, höchst scharfsinnig vermuthet hat. 7. Paus. VI 7,3. Die Rasis der Siegerstatue Ol. Inschr. 152. Wir wussten bisher nur von einem olympischen Siege dieses Sohnes des be* fUbmten Diagoras, und zwar dem zweiten, den man aber allgemein spflt ansetzte. Rutgers p. 49. Förster n. 253. 8. kaxußv i^p. 12. oofÄCov Pap., emendirt von Gr. H. vgl. unten S. 182. Ol. 83: 1. xQiTwv Pap. KqIowv Plat. Protag. 335 E Scbol., Dioays. Hai. XI 1, Diod. XII 5, Paus. V 23, 4, Plutarch Mar. p.58F, Clemens AI. Strum. Ill 6, 50 p. 1534P, lui. Afric; rçiaœv Hesych. Rtitgers p. 47. Förster n. 239. Er siegt auch in den beiden nächsten Olympiaden in derselben Kampfart, wesshalb ihn der platonische Prota- gons als den berühmtesten Laufer seiner Zeit erwähnt. 2. Ueber den Anfangsbuchstaben des Ethnikon bemerken die Herausgeber: fie mutilated letter had a rounded first stroke; e, &, o^ a or to we moU probable^. 4. xtjtwv Pap. Zu dem Namen s. Fick- Bechtel S. 287. 5. xifiwv Pap. Paus. VI 9, 3. Rutgers p. 106. Fdrster n. 285. Deber den Sieg seines Sohnes Aristeus s. S. 179. ^.ayriatXaoç Pap. Rutgers p. 49. Förster n. 252. Akusilaos war Sohn des Diagoras und Rruder des Damagetos. Die von Paus. VI 7, 3 geschilderte Scene wird nun durch Phlegon auf Ol. 83 datirt. Ueber die Siegerstatue, deren Meister unbekannt ist s. Aristoteles fr. 264 ond ApoUas fr. 7 (SchoLPind. 0/. VII), vgl. unten S. 195. 9. Das Ethnikon bietet der Grabstein der bei Delion gefallenen Thespier CIGGS. I 1888 TIoXvvixoç 'OXvßirtiovlxag. Also 448 Sieger im Koabenkampf, 424 Landwehrmann. 10. Von dem Anfangs- buchstaben des Ethnikon sagen die Herausgeber, dass er auch À

172 C. ROBERT

oder /LI sein kOnoe. 11. ,Tke doubtful X may ht % êr ftrkofê ii^ Gr. H. VoD dem Lakedfimonier Lykioos berichtet Paus. VI 2, S uivxîvoç dk àyayùv ig 'Olv^nlav nwXovg xal ou doxifiO" oô^évtoç évoç i^ aitwv, xa&qxev èç twv ïnrnav top ôçofiùf rctfy Têlêiwv tovç noilovç xaï ivixa ôi aitwv' àvi^xe xal âvÔQiâvtaç dvo èç 'OXvfinlav, Muq(ûvoç tov L^^vo/mr nof^^ara. Rutgers p. 144 hat mit Recht darauf aufmerksam ge- macht, dass das FohleoreDDeD erst Ol. 99 eingefOhrl sei, und mitbii entweder die Anekdote ungeschickt erfunden sein mQsse oder die Standbilder nicht von Myron sein konnten. FOr die erste Alter- native spricht aber in entscheidender Weise, dass Lykinos bei Pas- sanias unter lauter Wagensiegern des 5. Jahrhunderts erscheiot. Man konnte nun meinen, dass dieser Sieg der im Papyros ve^ leichnete sei. Dann mOsste also zwischen Ariston und Lykinos eine Zeile mit dem Namen des Siegers im onlltfjç ausgefalles sein. Diese Annahme wird aber von den Herausgebern mit der durchschlagenden Motivirung abgelehnt, dass dann der Name Av' XÎV0Ç im Genetiv stehen müsse. Nichtsdestoweniger wird an der Identität der Persönlichkeit festzuhalten zu sein. Zwei Statuen da Lykinos, beide von der Hand des Myron, standen in der Altii Dass die eine die seines Wagenlenkens gewesen sei, ist kein glflcfc- licher Einfall von Förster n. 211a. Vielmehr haben wir daraus m schliesseu, dass Lykinos zweimal in Olympia gesiegt hatte. Dt« er beide Siege im Wagenrennen errungen habe, folgt aus Pausaoiii keineswegs. Der eine dieser beiden Siege wird der hier verzeich- nete im onklT¥]ç gewesen sein. Der Sieg im Wagenrennen rnntfi wnn er nicht Ol. 79 errungen ist, was sich uns unten S. 176 ab wenig wahrscheinlich ergeben wird, auf eine der folgenden Olyia- piaden angesetzt werden.

Hier bricht der Papyros ab. Sehen wir nun, in wie weit sieb seine Lücken aus der sonstigen Ueberlieferung ergänzen lassen, indem wir mit dem Sicheren, grOsstentheils schon langst Aner- kannten beginnen.

Ol. 75. Stadion: Astylos. Doppellauf: derselbe, falls die oben S. 164 vorgetragene Erklärung richtig ist. Faustkampf: Tbea- genes von Thasos. ^ Pankration : Dromeus von Mantinea. Rutgers p. 35f. Forster n. \bl. 188. 191. 192.

Ol. 79. Stadion: Xenophoo von Korinth. Fünfkampf: der- selbe. — Fauslkampf: Diagoras von Rhodos. Rasis seiner tod Kai-

[ OLYMPISCHE SIEGER 173

iikles gefertigteo Siegerstatue Ol. Inschr. 151. Pankratioo: Epbu- dioo foo Mainaloa, Ringkampf der Knabeo: Phecias von Aigina. fintgen p. 43 f. Förster n. 218—222.

OL 80. Stadion: Thorymbas aus Thessalien. Ringkampf: Amesioas von Kyrene. Ringkampf der Knaben: Alkimedon von Aigioa. Wagen: Arkesilas von Kyrene. Rutgers p. 44 f. Förster 1.224. 225. 227, 229.

OL 81. Stadion: Polymnastos von Kyrene. Rutgers p. 46. hnter n. 230.

Die Listen fOr Ol. 79 und 80 lassen sich aber noch vervoll-

stäodigen. Das Datum des iweiten Sieges des Ergoteles (s. Ol. 77

CoL 3) ist io den Scholien des Ambrosianus zu Pind. Ol. XU ganz

Tiditig Oberliefert: ^Olvfiniaöa fxlv ivlxrjoêv o^ xal Trjv i^^ç

9^ {ri&' Vrat.)f ist aber von Mommsen fïilschlicb in orj' ge-

lidert worden. Auch Rutgers p. 42 setzt den zweiten Sieg Ol. 78

«Kder Motivirung, dass Ergoteles 472 nach Pind. Ol. XII 26 bereits

iveinial in den Pythien, also das erste Mal spätestens 479 gesiegt

fabe, und dass es nicht glaublich sei, dass er sich 15 Jahre lang im

W ausgezeichnet habe. Nun 13 Jahre hat das, wie wir oben

tthea, auch Astylos gethan, und da Ol. 78 durch einen anderen

besetzt ist, behfllt die Ueberlieferung der Scholien wieder

Recht.

Den Sieg des Sostratos von Pellene im Wettlauf der Knaben

iit schon Rutgers p. 45 in die 80 Olympiade gesetzt, weil damals

die Dachträgliche Aufstellung der Statue des Oibotas errolgt und da-

r Atfch der Fluch dieses Olympioniken gesOhnt worden sei, nach dem

keil Achâer in Olympia siegen sollte. Mag die Voraussetzung der

Legende auch unhislorisch sein, da zwischen Ol. 6, dem Jahr des

Oibotas, und Ol. 80 thatsflchlich Achfler den olympischen Kranz

gewonnen haben,') insoweit hat Rutgers gewiss richtig gesehen,

als die Datirung der nachträglichen Aufstellung der Oibotasstatue

Bach dem Siegesjahr des Sostratos erfolgt sein wird, und jedenfalls

Tcrbieten die Worte des Paus. VII 17, 14 ovvw xal äkXa èç tifi^v

aqfici rov Olßdza Tcoitjoaai xai ziiv eUtva àvaô^elaiv ig

XUvfinlaVy Swargatog Ilsilrjyevç atadlov vUrjv ia^ev ^t'

natahf zwischen Ol. 80 und dem Sieg des Sostratos einen längeren

Zwiacbeoraom anzunehmen. Nun zeigt der Papyros, dass 01.81

1) Ktlkmann PaoMnias der Perieget 130 f.

174 C. ROBERT

bis 83 andere im Wettlauf der Knabeo aiegen. Rutgers hat alaa gaoz gewiss das Richtige geaeheo ; ?gl. Förster p. 226.

Für die beiden disponiblen Stellen in der Liste der KoabeiH' sieger im Fauslkampf haben wir fOnf Concurrenten , tod deoei^ einer unbedingt zu berOcksicbtigen ist, Kyniskos von Manlineia^ dessen Statue bekanntlich ein Werk des alteren Poiyklet war^^ Paus. VI 4, 11, Tgl. Rutgers p. 134. Förster n.l5$. Die in Olympia^ gefundene Basis (Ol. Inschr. 149) muss nach ihrem Schrirtcharaktecr alter sein, als die des Pythokles aus Ol. 82 (Ol. Inschr. ^62. iVi% was durch die Vergleichung des Standmolives beider Statuen be- stfltigt wird, vgl. unten S. 189. Da nun über Ol. 75 gewiss Niemaml wird hinaufgehen wollen und Ol. 75 78 anderweitig besetzt üad, so bleiben fOr Kyniskos nur Ol. 79 oder 80 übrig. Ich habe mkb für das spätere Datum entschieden, da schon dies ein Oberrascheml froherer Zeitpunkt für den Beginn der künstlerischen ThSligkot des Poiyklet ist, den zu überschreiten sehr bedenklich sein würde (s. unten S. 186). For Ol. 79 kommen nun in Betracht: 1) Epi* kradios von Mantineia, Siegerstatue von Plolichos von Aigina (Jhm^ ■. VI 10, 8, Rutgers p. 127. Förster n.228), 2) Protolaos von Mia- tineia, Siegerstatue von Pythagoras (Paus. VI 6, 1. Rutgers p. 13& Förster n. 200), 3) Gnathon von Dipaia, Siegerstatue von KalliUeii (Paus. VI 7, 9. Rutgers p. 132. Förster n. 200), 4) Charmides M Elis (Paus. VI 7, 1. Basis der Siegersutue Ol. Inschr. 156. Rutgers p. 127. Forster n. 763). Prüfen wir ihre Ansprüche. Ptoiicboi» den wir Ol. 76 thätig finden , konnte es auch schon vor OL IS und zur Noth auch noch nach Ol. 83 gewesen sein. Dasselbe in noch höherem Grade von Pythagoras und wahrscheinlich SQcb \ von Kallikles.*) Die Inschrift des Charmides ist nur in spUtf Copie erhalten, da aber diese BoXbIov offenbar als Transscriptioa von ßaXeiov hat, haben Dittenberger und Purgold mit Recht ge- schlossen, dass das Original im 5. Jahrhundert abgefasst sein mOiae. Eine genauere Datirung innerhalb dieses Zeitraumes Iflsst sich aus dar 1 Inschrift nicht gewinnen. Aber schwer fällt ins Gewicht, worauf die I genannten Forscher gleichfalls hingewiesen haben, dass die Statue ! des Charmides zwischen der des Euthymos (Ol. 77) und denen des ! Diagoras und seiner Sühne (Ol. 79. 82. 83) in der Mitte stand. Dazu würde eine Datirung auf Ol. 79 ausgezeichnet stimmen. Nebeo

1) Vgl. unten S. 194.

OLYMPISCHE SIEGER 17S

der Statue des Cbarmides staod die des Pytharcbos von Hantioeia, Siegers im Wettlauf der Koabeo (Rutgers p. 127. Förster o. 798), DodfiDrdieseD ist die entsprechende Stelle 01.79 ebenfalls frei. Frei- lieb kommt fOr sie aucb Asopicbos von Orcbomenos (Find. OL XIV. Rutgers p. 38. Förster n. 197) in Betracht, aber seine Ansprüche werden sich uns unten -(S. 183) als weniger berechtigt erweisen. lit allem Vorbehalt sétie ich also Charmides und Pytharchos in die betreflfenden Stellen ein. Denn freilich bleibt zu berücksichtigen« km für den Faustkampf der Knaben bis Ol. 89 (Hellanikos), für des Knabeniauf sogar bis zum Anfang des 4. Jahrhunderts alle (Kfmpjaden von Ol. 83 an disponibel sind, nur muss in einer noch

der xçàrrjç o Ili&iavog der olympischen Inschrift 157 unter-

(ebraeht werden, der im oradiov naldußv gesiegt zu haben scheint.

Nicht minder gross ist die Zahl der Bewerber um die Stelle des

Wigensiegers von Ol. 79. Ehe wir sie aufzählen^ wird es gut sein

lieh darüber klar zu werden, welche Platze in den nächsten auf

OL 83 folgenden und vor Ol. 75 vorausgehenden Olympiaden noch

irei sind. Wir haben Ol. 85 Leon von Sparta, Schol. Eur. Hipp, 23/)

OL 90 Lichas von Sparta, ofûciell &rjßal(ov ôrjfÀoaiov^ Thuk. V

4t. 50, Rutgers p. 52. Förster n. 270, Ol. 91 Alkibiades, Rutgers

f. 53. Forster n. 270, dann alles disponibel bis Ol. 104. Wir haben

MfmirU Ol. 73 Gelon, Rutgers p. 32. Förster n. 180, Ol. 66 Kleo-

Abenes von Epidamnos, Rutgers p. 27. Förster n. 143; die früheren

Olympiaden kommen für uns nicht in Betracht. Vor Ol. 79 sind

aho frei Ol. 67—72 und Ol. 74 = 7 Stellen, nachher Ol. 83. 84.

86-89 ~ 6 Stellen. Nicht in Betracht für Ol. 79 kommt Krati-

itheoes von Kyrene (P,aus. VI 18, 1; Rutgers p.l43. Förster n. 193»);

deoo da er, einerlei ob mit Recht oder Unrecht, für den Sohn des

Moaseas galt, muss er jedenfalls nach diesem, also nach Ol. 81,

gesiegt haben. Andererseits verbietet die Rücksicht auf Pythagoras

YOD Rhegion, der aucb für ihn das Standbild verfertigte, zu tief

fliit seinem Sieg hinabzugehen. Da nun Ol. 85 besetzt ist, kommen

Ar ihn nur Ol. 83 und 84 in Erwägung. Eine Entscheidung zwischen

diesen beiden Möglichkeiten wird sich uns gleich ergeben. Den

1) n&- A. nâ^ B. Die erstere Lesuog mit SchwarU zu bevorzugen, AÔtigt àtr Zosammeohaog. Die ErwahouDg der veoetischen Rosse im Text wird darauf zurückgeführt, dass Leon mit Thiereo dieser Rasse in Olympia gesiegt babe. Natürlich muss also der Sieg des Leon vor die AufTührung des Hippolytof Ol. 87, 4 fallen. Unrichtig nrtheiit Förster n. 264.

176 C. ROBERT

meisten Anspruch auf BerOcksichtiguog habeo aber die lakedl niscben Wageosieger. Paus. VI 2, 1 schreibt ^axadaifiövioi lA€%à Tryv iTtiatgattlav %ov Mtjdov diBté^aav nivttav ^ TifAOtoToi ^ElXrjvwy nçoç ïnnmv rgoqxiç. Wir habeo abef jetzt ausser Leoo (Ol. 85) nur einen lakonischen Sieger im ol piscben Wagenrennen gefunden, Diaktoridas (Ol. 81), und bei die ist die spartanische Herkunft blosse Vermuthung. Es ist alsc höchsten Grade wahrscheinlich, dass der Sieger von Ol. 79 Lakedfimonier war und unter denen zu suchen ist, die Pausa an der angeführten Stelle aufzählt. Es sind dies 1) Xenarc Rutgers p. 124. Förster n. 211, 2)Lykinos, s. oben S. 172, 3) kesilaos zweimal, Rutgers p. 141. Förster n. 250. 256. Sein 8 Lichas, der Sieger von Ol. 90, scheidet aus unserer Betracht aus. Dazu kommen die beiden schon vorher VI 1^ 7 genannten, durch die Worte x^Q^S V ^^ovg xatiks^a tjotj ausdrücklich unter die oben citirte Bemerkung mit einbegriffen bezeichnet wer( 4) Anaxandros, Rutgers p. 140. Förster n. 233, 5) Polykles, Rutf p. 148. Von Anaxandros heisst es nun: 'Avâ^avôgoç fikv OQfi avrjyoçev&ïj nçwzoç. Da unmittelbar vorher gesagt ist S/rn vluLai yeyovaaiv avzoiç, kann das unmöglich eine blosse l Schreibung von agfiari ivUa sein, sondern es heisst, wie For richtig erklärt: unter den dort durch eine Statue verherrlidi Wagenlenkern war Anaxandros der älteste. Da hatten wir di also den Sieger von OL 79; denn nach dem Gesagten muss An andres vor Lykinos geniegt haben, Lykinos kann aber mit Rfl sieht auf Myron, der ihm das Standbild machte, nicht unter L herabgerOckt werden; sein Wagensieg fôlll also Ol. 84, denn w< er in derselben Olympiade mit dem Té&çiTcnov gesiegt hl würde er wohl nur ein einziges Standbild geweiht haben. Dado wird nun auch der Sieg des Kratisthenes auf Ol. 83 festgelegt (9. ol S. 175). Es bleiben also zwischen Ol. 85 und 90 noch vier Stel übrig, von denen zwei durch die beiden Siege des Arkesilaos ansprucht werden, der natürlich vor seinem Sohn Lichas gesi haben muss, am wahrscheinlichsten doch Ol. 86 und 87. Für beiden noch disponiblen Stellen stehen Xenarches und Polyl zur Verfügung. Setzt man sie ein, so haben von 444—420 i Spartaner im Wagenrennen gesiegt, was zu den geschichtlichen V hältnissen gut passen und dem Sieg des Alkibiades im Jahre i eine erhöhte politische Bedeutung geben würde. Aber freilich 11

OLYMPISCHE SIEGER 177

Ues und Xeoarcbes auch die Möglichkeit vor, dass ihre ie der der gleichfalls zu jener Gruppe gehOrigeo Kyoiskä, \k Ol. 90 fallen.

aber bleiben bei dieser Rechnung die drei Wagensiege ias, von denen Schol. Arist. Nubes 64 spricht: Kàkklaç b %Qiç 'OXvfiTua vixTjaag agfiOTi tov vlov ixàleaev ovt (Rutgers p. 142. Förster n. 186 a. 242. 247). Selbst r Polykles und Xeoarcbes ausschalten und die beiden Siege ssilaos unmittelbar vor die seines Sohnes stellen, bleiben i Siellen frei, Ol. 86 und 87. Seine beiden letzten Siege er also als uralter Greis, den ersten aber vor Ol. 75 als [ano errungen haben. Auf keinen Fall ware dann die Ge- von der Namengebung richtig; denn sein Sohn Hipponikos, iviegervater des Alkibiades, fällt bekanntlich 424 und war ewiss kein junger Mann mehr. Dass aber Rallias 432 noch am ewesen sein sollte, ist Oberhaupt äusserst unwahrscheinlich, »s sich also schon entschliessen, allé drei Siege in die Jugend ias zu verlegen und würde dann, da 01.73 durch Gelon U, auf Ol. 71. 72. 74 kommen. Hipponikos würde somit um »ren sein, was ganz gut passt. Kallias ist 490 schon Daduche, soll er also nicht schon 496 in Olympia gesiegt haben? »schluss des nach ihm benannten Friedens kann er ganz hon ein hoher Siebziger gewesen sein. Dass die Legende

einen Rrechung sçinen Vater Hipponikos I. noch 490 am en sein lässt, wird man schwerlich einwenden wollen, ieser erste Hipponikos gleichfalls nach einem olympischen ämlich dem seines Vaters Kallias I. mit dem xéXriç (Ol. 54),

ist, würde er. nach 564 geboren sein, was gleichfalls passt. 5 desshalb keinen ausreichenden Grund zu der Annahme, Geschichte von der Benennung des zweiten Hipponikos nach ersten erfunden und die drei olympischen Siege des zweitea diu blosses Autoschediasma des Scholiasten seien, r das Pankration der Knaben in Ol. 80 kommt Timodemos m, dessen nemeischen Sieg Pindar iVem. H feiert, in Betracht, e es aber vor, diese Frage erst weiter uolen im Zusammen- it der Chroqologie anderer Pindarischer Oden zu behandeln, die Rubrik des Dauerlaufes könnte man versucht sein, unter und 81 die beiden Siege des Dromeus von Stymphalos ein- 1, Rutgers p. 34 f. Fürster n. 183. 189. Denn Pyihagoras, »xxxv. 12

178 C. ROBERT

von dem die Siegeretatoe herrflhrte, war ja nach Ausweis i Papyros Ol. 81 uod sogar darüber hinaas noch thitig; denna habe ich den üblichen Ansatz OK 74. 75 « wenigstens fragewe beibehahen, auf das freilich höchst unsichere Indicium hio, d dem Dromeus dieselbe diätetische Neuerung lugeschrieben wi wie dem Eurymenes (s. oben S. 166), und es sich daher empAel ihn möglichst nahe an diesen heranzurücken.

Für Sieger im Fünfkampf ist OL 75 und 80 noch frei, f OL 75 kommen in Betracht Hieronymos von Andros, dessen Si nach der Erzählung des Herodot IX 33. 35 (vgl. Paus. III 11, VI 14, 13), da sein überwundener Gegner Tisamenos bereits ! Plataiai als Wahrsager fungirt, spätestens Ol. 75 fallen muss, al auch schon OL 74 fallen kann (Rutgers p. 35. Förster n. 190), u Alexibios von Heraia, dessen Siegerstatue von Akestor war (Rutg p. 112. Förster n. 236). Akestor war Vater des Amphion, der Enkelschuler des Kritias gewesen sein soll. Die Richtigkeit die Diadochie vorausgesetzt/) würde zwar für seine Tbätigkeit OL nicht unbedingt ausgeschlossen sein, aber doch Ol. 80 weit bes passen. Ich habe daher für Hieronymos von Andros den Oblid Ansatz OL 75 beibehalten und vermuthungsweise OL 80 Alexih von Heraia eingesetzt. Seine Statue stand neben der des Enati der OL 81 siegt, was doch auch zu beachten ist (vgl. oben S. 11 Im Fünfkampf batte auch der seinem Namen nach unbekannte Gro vater des Anaxandros (Ol. 79, s. oben S. 176) gesiegt. Dieser Si den Förster n. 170 an den Anfang des 5. Jahrhunderts setzt, w wohl an das Ende des 6. gehören.

Für die einzige noch leere Stelle von OL 75 kommt Tb pompös von Heraia in Frage^ der nach Paus. VI 10, 4 zweimal Ringkampf gesiegt hat; Rutgers p. 110. Förster n. 216. 217. S Grossvater Damaretos siegte OL 65 und 66 im onUrriç, Rutg p. 25 L Förster n. 135. 140. Dazwischen siegt der Vater Th pompös I. zweimal im Fünfkampf (Rutgers p. 113. Förster n. i 169), d. h. da er in unserer Liste nicht vorkommt, spätesl OL 73. 74. Wann also siegte Theopompos II.? Wenn man ihn uo OL 83 berabrückt, muss man gleich bis OL 85 und 86 gehen, OL 84 durch Taurosthenes besetzt ist, s. unten S. 179. Dann wün zwischen den Siegen des Grossvaters (520. 516) und des Enkels (4

i) S. Archiologiscbe Märchen S. 14.

OLYMPISCHE SIEGER t79

436) 80 84 Jahre liegeo, was doch eio bischen reichlich ist. Bei

AJkaioetos und seinen Söhnen beträgt der Abstand 32 und 36 Jahre

I (l oben S. 170), bei Diagoras und seinem jüngsten Sohn Dorieus

(OL 87—89) allerdings 32 40 Jahre. Dagegen fallen die Siege seiner

kdden Alteren Sohne nur 12 und 16 Jahre später, als sein eigener.

Danach empfiehlt es sich doch wohl mehr, die Siege desTheopomposII.

näher an die seines Grossvaters heranzurücken. Einer von ihnen wird

dasD mit grosser Wahrscheinlichkeit Ol. 75 angesetzt werden dürfen,

wie ich es in der Tabelle getban habe. Den anderen könnte man

venncht sein, in die leere Stelle Ol. 79 einzusetzen. Aber dann

monte Tbeopompos II. sich 17 Jahre im Ringkampf ausgezeichnet

babeo, was selbst Ober die Leistungen des Astylos und Ergoteles

im Lauf hinausgehen würde. Tgl. oben S. 173. Es ist desshalb

wohl wahrscheinlicher, dass dieser andere Sieg früher, vermuthlich

OL 74 fällt. Die Siege des Vaters Theopompos I. im Fünfkampf

mflssen dann etwa Ol. 69 und 70 fallen, und so hat sie auch

bereits Purster auf den Anfang des 5. Jahrhunderts datirt. Die

Kitaoz zwischen den drei Generationen wird auf diese Weise ganz

ifieKlbe, wie zwischen Diagoras und seinen älteren Sühnen.

Bei diesem Versuch die Liste des Papyrus zu ergänzen hat lieh uns auch für die vorangebenden und folgenden Olympiaden BiBcberlei ergeben. Hierzu ist noch Folgendes nachzutragen. Der ftiager, den Cheimon Ol. 83 besiegte, Taurosthenes von Aigion (htts. VI 9, 3, Rotgers p. 111), war in der folgenden Olympiade Mibet siegreich. Dieser Sieg ist also nicht mit Förster n. 288 OL 95, sondern Ol. 84 anzusetzen.

Noch eine weitere Corrector der Olympionikenliste wird uns dirch die Datirong von Cheimons Sieg ermöglicht. Sein Sohn Aristeus siegt im Dauerlauf, Paus. VI 9, 3, Rutgers p. 106. Wenn FOrsto* n. 329 diesen Sieg auf Ol. 101 datirt, so stellt sich das jetzt als entschieden zu spät heraus. 3 10 Olympiaden haben wir oben als den Zwischenraum zwischen den Siegern zweier Gene- rationen festgestellt, dadurch wird der Sieg des Aristeus auf Ol. 86 bis 93 befristet Die Siegerstatue des Aristeus war aber von Pan- tias von Chios, und derselbe Pantias verfertigt die Standbilder des Pfifcostratos von Heraia, Siegers im Ringkampf der Knaben (Paus. VI 3, 11, Rutgers p. 130, Förster n. 331), und des Xenodikos von Kos, Siegers im Faustkampf der Knaben (Paus. VI 14, 12, Rutgers p. 135, Förster n. 332), von dessen Sieg der seines Vaters Xenom-

12*

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broto8 mit dem xélrjç (Rutgers p. 150, Förster n* 327) nicht alli weit abliegen kann , da das Siegesdenkmal den Knaben auf d< Rennpferd reitend darstellte. Auch diese drei Sieger rdcken al jetzt in das 5. Jahrhundert hinauf, und ebenso der nicht oit bekannte Plastiker Philotimos von Aigina, der in dem eben < wähnten Siegesdenkmal die Figur des Vaters Xenombrotos, die neb dem Rosse stand, gearbeitet hatte. Die Basis dieses Denkmale« uns, wenn ich mich nicht sehr tausche, in dem Block aus schwär» Kalkstein Ol. Inschr. 155 theilweise erhalten. Kirchhoflf hat i Epigramm, wenn auch mit grossem Vorbehalt, so ergänzt: ng T]éQO d^ andre J[afAàa]in:noç , xleivorégav ôk nokiv jtctrgl £[^x€— ] und danach angenommen, dass es sich um den Si eines Läufers handele. Aber der erhaltene Block reprüsent höchstens die Hälfte der ganzen Basis, da er rechts Stossfläc hat, und ist selbst schon Ton recht ansehnlichen Dimensionen, 0,1 breit und 0,43 tief. Für die Statue eines Läufers, überhaupt f eine einzelne Figur, ist dies Batliron entschieden zu gross. I habe desshalb schon längst den Verdacht gehabt, dass es mi destens eine Reiterfigur getragen und dass das Epigramm aus Distichen bestanden haben müsse. Dann muss für den Schlc des erhaltenen Hexameters eine andere Ergänzung gesucht werde und schon lange, bevor ich auf die folgende Combination verft hat mich Blass darauf aufmerksam gemacht^ dass die ersten Buc Stäben auch die Lesung ngoTéçœ ôk narrJQ zuließen. Für d Schluss des Pentameters wird ein iambischer Städtename gesuci der bietet sich in Kowv. Ich schlage also zu lesen vor: ngoii. ôk Ttazkç [èkaa]innoç, ukevoregav ôk TtoXiv natçlô* f[^« Koov].^) Das erste Distichon und der Anfang des zweiten ma den Gedanken enthalten haben: ,Xenodikos der Sohn des Xeno brotos hat dies Bildwerk geweiht, nachdem er im Faustkampf c Knaben gesiegt hattet die Verse herzustellen muss ich Gewandter überlassen. Daran schliesst sich das Erhaltene: ,vorher aber ha sein Vater der Rosselenker (also mit dem Rennpferd) gesiegt ii

1) An dem Fehlen des œ wird keinen Anstoss nehmen, wer sich erlDO^ dass auch auf der ältesten, aber nach 480 geprägten koischeo Münze K< steht. Und da IGA. 471 jetzt von Hiller von Gärtringeu IGI. 1 450 als tl räisch erwiesen, ist auch e für langes e nicht mehr anstössig. Wir hat dann in dieser Basis die älteste koische Inschrift. Das Alphabet entspric wie zu erwarten war, dem von Epidauros.

OLYMPISCHE SIEGER 181

(Uorch den Ruhm seiner Vaterstadt Kos vermehrte Ist das richtig, so lassen sich beide Siege noch etwas genauer datiren; denn die &elle des Siegers im Knabenfaustkampf ist fOr Ol. 89 und 90 <iiirch Hellanikos und Theantos besetzt und bis Ol. 91. 92 herab- sagehen wird man mit Rücksicht auf den Schrirtcharakter Be- deoken tragen. Dieser empfiehlt vielmehr eine möglichst frühe Datirung, und so kommt man, da die Stellen für den Knabenfaust- kampf bis Ol. 83 besetzt sind, für Xenodikos auf Ol. 84, für Xenom- brotos auf Ol. 83. Deber die Siege der Kyniska s. unten S. 195. Sind schon diese Erweiterungen und Correcturen unserer Olympionikenliste höchst erfreulich, so liegt doch die grossie Be* dculung des Papyros in der Datirung einer Anzahl von olympischen loscbriften und in der reichen Belehrung, die er uns mittelbar Ober litterarische und kunsthislorische Fragen bringt. Von den olympischen Inschriften werden zum ersten Mal aufs Jahr datirt 147. 148 Tellon: Ol. 77; 152 Damagetos: Ol. 83; 162 Pythokles (d.h. die ältere der beiden Inschriften): Ol. 82. Die Aristionbasis 165 stellt sich als jüngere Erneuerung der ursprünglichen Ol. 82 gesetzten Inschrift heraus, s. S. 185. Das Original der Charmides- ÎQschrift 156 scheint aus Ol. 79 zu stammen; 149 Kyniskos darf mit grosser Zuversicht Ol. 80 angesetzt werden, 164 Xenokles muss jünger ^01.83 sein; ibO'EnitifiiadacCl)gehöTU wenn unsere Combination Hchtig ist, in Ol. 78, 154 Xenombrotos und Xenodikos OL 84, end- lich 157 .. . xQCCTriç o Jll^wvoç, nach KirchhofTs überzeugendem Nachweis ein Sieger im Knabenwettlauf, ist nach Ol. 83 anzusetzen, da Ol. 75 83 vollständig besetzt sind und über Ol. 75 schwerlich hinauf gegangen werden darf. Man muss den Bearbeitern des olym- pischen Inschriftenbandes das Compliment machen, dass ihre chrono- logische Anordnung sich in der Hauptsache glänzend bewahrt hat. Vtt die zweite Pythogorasinschrift 145 betrifft, so darf Angesichts der Ton den Herausgebern constatirten Aehnlichkeit des Schrift- ^rakters mit der Euthymosbasis (Ol. 77} vielleicht die Vermutung S^assert werden, dass sie vom Standbild des Dromeus oder des ^stylos (Ol. 75. 76) herrührt. Die nächstfolgende Olympioniken- ^^toe des Pythagoras, der Mnaseas, fallt erst Ol. 81.

Ziehen wir endlich das Facit unseres Gewinnes für die Litte- ratur- und Kunstgeschichte.

Die Lachongedichte des Bakchylides (VI. VIl) werden auf ^^* 82 festgelegt. Die Datirung der ersten drei olympischen Oden

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des Piodar sowie der zehuten und elften auf OL 76« die der nmm auf Ol. 78, in welchen Fällen die Zahlenangaben der Schot schwankten oder verdorben waren, wird urkundlich bestätigt S interessant ist das Ergebniss fOr die Psaumisgedichle IV uaë Zwar stand fdr IV Ol. 82 schon langst fest, aber man hatte Widerspruch mit der Ueberschrift der Handschriften an eil Sieg mit dem Ifaulthiergespann gedacht Jetzt lernen wir, d der Sieg in der That mit dem %é&QL7tnov gewonnen war, wor übrigens in dem Gedichte selbst sowohl V. 12 Vccvfuog yàç & oxétov (xw^oç) als V. 18 ftâka fièv Tçotpalç ivolfior ïftawp h deuten. Wann ist nun aber der Sieg mit dem MaulthiergesptJ auf den die V. Ode zweifellos gedichtet ist, errungen worden? Nn in derselben Olympiade, wie der Wagensieg; sonst mOsste er der vierten Ode erwähnt sein. Aber auch nicht in der vofb gehenden, 01.81, obgleich das die Scholien zu V 19 anneh« und auch Grenfell und Hunt diese Möglichkeit offen lassen. De IV 20 dianeigd toi ßgozup Mleyx^S in Verbindung mit d folgenden Beispiel des Erginos beweist, dass Psaumis sich Ol. zum ersten Mal an den Agonen bßtheiligte und dies Dnterfanf in den Kreisen seiner Bekannten Kopfschtttteln erregte. H andrerseits deutet V. 19 f. O^eog Bvççiav eïtj.Xoinaïç êixaïç Hoffnung auf weitere Siege an. Also fôllt der Sieg mit der a/nr nach Ol. 82, und da diese Kampfart bekanntlich Ol. 84 abgesck wurde, entweder Ol. 83 oder 84. Es lässt sich aber, wie glaube, zwischen diesen beiden Möglichkeiten mit Bestimmtheit Entscheidung treffen; denn wflre Psaumis der letzte Sieger mti anfjyrj gewesen, so würde der Dichter wohl nicht unterla« haben, dies ausdrücklich hervorzuheben. Also fällt der Sieg Ol. f Pie Annahme der Scholien, dass Psaumis bei dieser Gelegenb auch mit dem Wagen und dem Rennpferd gesiegt habe, bero wie längst erkannt, auf falscher Deutung von V 6 nefinrafii^ éfilklaiç, tTtTtoiç '^fÂiovoig te fÀOvafÀnvxlai zs. Wir sat oben S. 150, dass hier die Kämpfe des fünften Tages, mit Ausnah der xdlnrjy als Apposition zum TtBfxmafxéQOiç afxliXaic aufgeii werden. Eia zweiter Sieg des Psaumis mit dem Viergespann auch dadurch ausgeschlossen, dass die Liste der Wagensieger diese Periode vollständig besetzt ist Da die V. ol. Ode erst i Didymos unter die Pindarischen Siegeslieder aufgenommen ist i heute bei den meisten Pindarkennern für unecht gilt, ist das ,

OLYMPISCHE SIEGER 188

woDoene. Resultat fQr die Frage oach dem Todesjahr des Pindar nicht voD Belang und wird die nicht bekehren , die Pindar schon OL 82, 1 sterben lassen. Für eine längere Lebensdauer sind neuer- diags mit Recht Wilamowitz, Kaibel und Christ eingetreten, ersterer namendich mit Hinweis auf das Überlieferte Datum von Pyth. VUI OL 85» 3, Tgh oben S. 165 f.

Indirect lehrt der Papyros^ dass die XIV. olympische Ode auf Asopichos Ton Orchomenos, Sieger im Wettiauf der Knaben, io den Scholien unrichtig auf OL 76 oder 77 (og', o^') datirt wird. Beide Olympiaden sind durch andere Knabenifiufer besetzt. Aho ist die Zahl verderbL Es versteht sich von selbst, dass man an der Zehnerangabe o festzuhalten bat, zumal 01.80 mit ziem- Ucher Sicherheit Sokrates von Pellene eingesetzt ist Also hat msD die Wahl zwischen Ol. 79 (o^'), wo wir vermuthungsweise t^jtharch eingesetzt haben (S. 175), und zwischen Ol. 71 74, in welchem Fall das Gedicht eines der frühesten des Pindar sein wtrde. For letzteren AnsaU spricht die Metrik; E. Graf (Pindars logaOdische Strophen S. 24 f.) hat, obgleich er natOrlich unter dem Buine der überlieferten und bisher unangefochtenen Datirung aUod, doch die grOsste Verwandtschaft mit Isthm. VII auf Kleandros ^0 Aigina gefunden , das jetzt ziemlich allgemein Ol. 75, 2 an- g«ietzt wird. Ohne mir ein ausschlaggebendes Urteil anmaassen m wollen , da mein näheres Verhflltniss zo dem Dichter von sehr }«Bgem Datum ist, möchte ich es doch aussprechen, dass mir die Ode gerade in ihren Vorzügen durchaus den Eindruck eines ^endgedichtes macht. Paläographisch am nächsten liegt dann wohl die Aenderung o/, also OL 73, und sie ist auch ungleich lôcbter als die in o&\

Timodemos von Athen, dessen Sieg im Pankration die zweite Moieische Ode feiert, hat nach dem Scholiasten bald darauf auch in Olympia, doch jedenfalls in derselben Kampfart» gesiegt. Eine Stelle ÎS der Rubrik der Pankratiasten ist noch frei, Ol. 80. Setzen wir Uer Timodemos ein, so mttsste die nemeische Ode vorher, etwa Ol. 76 79, um einen möglichst weiten Spielraum zu lassen, ge- dichtet sein. Aber es bleiben noch die beiden weiteren Möglich- teiten bestehen, dass der Sieg des Timodemos vor Ol. 75 oder oach OL 83 falle; denn auch dort sind die nächsten Stellen fQr den Pankratiasten frei. Und in der That rechnet einerseits L. Schmidt das Gedicht zu den spätesten, andrerseits Fraccaroli

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ta den frühesten Arbeiten des Pindar. Und wenn Graf a. a. 0. 39 unter Christs Zustimmung die Ode aus metrischen Gründen in die Jahre 459 451 setzt, so würde dieser Ansatz die Datirung de« olympischen Sieges auf Ol. 80 ausschliessen, aber die Möglichkeit offen lassen, ihn nach Ol. 83 zu setzen. Persönlich bekenne ich allerdings, dass mir FraccaroHs Argument, die Ode müsse vor 480 gedichtet sein, weil sonst V. 13 der Schlacht bei Salamis gedacht sein würde, einigen Eindruck macht. Bei dieser Sachlage muss das Datum unbestimmt bleiben, und man sieht jetzt, aus welchen Gründen ich Aer Versuchung widerstanden habe, die einzige in der Rubrik der Pankratiasten noch vorhandene Lücke mit dem Namen des Tiroo- demos auszufüllen.

Noch reicher ist der Ertrag für die Geschichte der Plastilu Von Myron werden zum ersten Mal zwei Statuen sicher datirt, der Timanthes 456 und der Lykinos 448, und aus dem oben (S. 176) über den zweiten Sieg des Lykinos Ermittelten ergiebt sich, dass der Meister mindestens noch bis 444 tbätig war, also zu einer Zeit, wo bereits sein Sohn Lykios die bekannten Reiterstatuen für die Burg arbeitete (CIA IV 3 nr. 418 p. Lolling Jektiov 1889, 181). Und wenn wir oben den Ladas richtig 476 eingesetzt haben, so wäre dieses bochberühmte Werk eine Jugendarbeit des Meisters und der zweiten Gruppe der Tyrannenmörder von Kritios und Nesiotes gleichzeitig gewesen. Leider aber ist die Ergänzung nicht sicher, und es bleibt die Möglichkeit bestehen, den Ladas auch in den freien Stellen Ol. 80. 81 unterzubringen, welche Zeit Furtwängler Meister- werke S. 456 als die eigentliche Glanzzeit Myrons betrachtet.

Mehr positiv Neues ergiebt sich für Pythagoras von Rhegion. Wenn bisher nur sein Euthymos und sein Astylos, und dieser auch nur annähernd, datirt waren, so erfahren wir jetzt, dass sein Mnaseas 456 und eines seiner berühmtesten Werke, der Leonliskos, 452 gearbeitet ist, also in einer Periode, wo man sich seine Künstlerlaufbahn bisher meist schon abgeschlossen dachte. Und so- gar noch länger, mindestens bis 448, muss er thätig gewesen sein, da dies der denkbar früheste Ansatz für seinen Kratisthenes ist (s.obeB S. 175). Seine Wirksamkeit erstreckt sich also sicher Ober die Zeit von 476 (Astylos) 448, wobei wir besser thun, die obere Grenze gleich bis 480') zu stecken, weil es wahrscheinlich ist, dass die Statue

1) Dass die Ol. 75 demolirte Statue des Astylos im Heiligtham der Hera Lakinia gleichfalls von Pythagoras gewesen sei, ist eine ansprechende» aber

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des Afltyios schon damals verfertigt wurde (S. 164); Dromeas kommt Dicht ia Betracht, weil er möglicher Weise auch Ol. 80. 81 ein- gesetzt werden konnte. Wir müssen aber entweder nach oben oder nach unten noch über diesen Zeitraum hinausgehen, wenn wir S. 174 f. mit Recht in die einzige Stelle, die fOr den Sieg des Protoiaos in der Rubrik der Knabensieger im Faustkampf frei war Ol. 79« den Charmides eingesetzt haben. Dann muss also Proto- bos entweder nach . Ol. 83 oder vor Ol. 75 gesiegt haben. Für die letztere Alternative fällt die sehr ansprechende Hypothese von Urlichs ins Gewicht, dass Pythagoras, der sich noch 472 auf der Basis des Euthymos Safiiog nennt, zu den Samiern gehört habe; die Ol. 71 nach Italien auswanderten. Die Annahme, dass er um 510 geboren sei, kann also bestehen bleiben. Bemerkenswerth aller ist, dass er. im höchsten Alter gerade seine berühmtesten Werke schafft; denn auch der delphische Pankratiast muss nach dem Ausdruck des Plinius 34, 59 todem vicit et LeorUiseum (d. h. skh selbst in seinem bisher besten Werk) nach 452 fallen. Der lAifipuer tenens tabeüam konnte einer der Knabensieger von OK. 81 uid 82, deren Ethnikon im Papyros verloren ist^ also Phrynichos oder Kleodoros oder ApoUodoros gewesen sein.

Am grOssten aber ist der Gewinn für Polyklet. Wenn ich diesen früher^) tief herunterrücken zu müssen glaubte, so erweist fich das jetzt freilich als ein Irrthum , aber die Beobachtung , die mich tu diesem Fehlschluss verleitet hatte, war richtig. Der Pytbo- Uei und nicht nur dieser, sondern, was so eben LOwy {Strena Bdbi^ana S. 180) durch feinste Beobachtung erkannt hat, auch der AhstioD geboren dem älteren Polyklet. Beide haben Ol. 82 gesiegt, aber wahrend auf der Pythoklesbasis (Ol.Inschr. 162. 163) wenigstens noch der Anfang der ursprünglichen Dedications- und Künstler- iofchrift neben der spateren Erneuerung erhalten ist, fehlt auf der Ariiiionbasis (Ol. Inschr. 165) jede Spur einer älteren Inschrift, so dtts doch wohl das ganze Balhron erneuert sein wird. Hier- für spricht auch die Form des Steines, den Purgold Olympia II (fiaodenkmäler) S. 150 ,als typischen Vertreter der Basenform

iikbt gesicherte Gombioation von CoUignon HUtorie de la sculp, gr. p. 409, ^ daher bei chronologischen Untersuchungen besser aus dem Spiel bleibt Auf das K^oxmifiâxrii bei Pausanias ist schwerlich grosses Gewicht zu legen. 1) Arch. March. 98 f. and in dies. Ztschr. XXllI 429.

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griechischer Zeit, specieil des 4. vorchrisllichen Jahrhuodertä^ be- seichnet, sowie die Befesliguogsart der Statue, fOr die die BettungoB in der Oberflfiche der Basis eingearbeitet sind, wie bei der Xeookks basis (Ol. Inschr. 164), während bei den Basen des Kyniskos (OL Inschr. 149) und Pythokles nur fOr die Zehen beider Fasse und fOr die Ferse des Standbeins Vertiefungen angebracht sind. Mai vergleiche die höchst instructive Zusammenstellung der drei Polykletbasen auf Tafel XCII des zweiten Olympiabandes und die feinen Bemerkungen von Purgold II S. 148 ff. Somit ist die kOnat- lerische Thätigkeit des Polyklet bereits far 452 urkundlich be» zeugt. Aber wir müssen ihren Beginn noch weiter hinaufrückea, denn die Inschrift der Kyniskosbasis trägt so ausgesprochen altéras Charakter ab die ursprüngliche Pylhoklesinschrift, dass sie unbediiigl früher*) anzusetzen ist, also 460; denn 456 ist besetzt und bis 404 hinaufzugehen, haben wir keinen Grund. War aber Polyktot bereits 460 künstlerisch thUtig, so muss er spätestens 477 gebonD sein. . Er könnte also immerhin noch die Aphrodite von Aaiykhi» wenn auch als Siebziger, gemacht haben, man denke an daa oben über Pythagoras ermittelte, und als er die Hera schuf, war er, «ie wir jetzt sehen, mindestens ein Sechziger. Aber man muss ie> geben, dass die Ansprüche des jüngeren Polyklet auf die Aphrodite bedeutend gewachsen sind , seit sich die thebanische Basis als flhr die Chronologie dieses Künstlers nicht verwendbar herausgestalll

1) Löwy a. a. 0. S. 180 macht für diese Datirang auch das Material der Basis geltend. Er glaubt, dass in den letzten Jahrzehnten des 5. Jahrhoodcfti durch lange Zeit bei den Basen die dunkle Farbe des Steines vorgehemdtt habe, während in der älteren Zeit die Verwendung hellen weissen Steines ë» selten verlassene Regel gewesen sei. Die Beobachtung hat dneo ricbtifü Kern, kann aber Angesichts der Datirung der PythokJesbasIs nicht mehrll* unbedingte Norm gelten. Es haben nämlich Kyniskos weissen, Pytbokkt schwarzen, Xenokles weissen, Aristion (erneuert) schwarzen Stein, and nach Purgold a. 0. S. 150 gewann dieser schwarze in den benachbarten Gebirgen brechende Kalkstein gerade im 4. Jahrhundert grössere Verwendung. Dev Xenokles Tor den Pythokles in dieselbe Zeit mit Kyniskos an stellen ist, nAt ein Blick auf die Tabelle lehrt, nicht möglich, and da der Pythokles sdM* 452 fällt, lässl sich auch die sehr bestechende Combination, dass die nacb Löwy zur Aufhebung der Reflexe vor dem Zeusbild des Pheidias angebrachte schwarze Pflasterung das Vorbild für die dunklen Statuenbasen gewesen ad, nur unter der Voraussetzung aufrecht erhalten, dass diese schon in einon sehr frühen Stadium der Arbeit von Pheidias geplant und dieser Plan desi Polyklet bekannt geworden war. Sehr wahrscheinlich ist daa nicht

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hat.*) Als sichere Daten für seine TbStigkeit besitzen wir jetzt aar noch den Zeus yon Megalopolis, bald nach 369*)« und nichts hindert mehr, diesen in die Mitte oder an das Ende der Künstler- lisfbahn des zweiten Polyklet zu setzen. Es ist also sehr wohl sOglicb, daas Brunn und Furtwflngler recht gethan haben , ihm «och die Aphrodite zuzuweisen, und wenn die Ton Paus. IV 2, 6 erzählte Anekdote authentisch sein sollte, was ich allerdings auch heute noch bezweifle, gebort ihm auch die Olympionikenstatue des Antipatros wie selbstTerstäodlicb der Agenor (Paus. VI 6, 2).

Auch hinsichtlich meiner Zutbeilung des Xenokles an den älteren Polyklet, der Ditlenberger, Purgold und LOwy zugestimmt haben, bin ich jetzt zweifelhaft geworden. Fest steht zunächst, ém sein Sieg im Knabenringkampf (Paus. VI 9, 2, Rutgers p. 136. Förster n. 308) nach OL 84 fallen muss, denn vorher ist die be- treffende Rubrik yollsUndig besetzt Die Basis (OL Inschr. 169) ttts gelblichem Marmor von Dolianâ «bringt den. stufenförmigen Asfbau des Balhrons, der sonst immer durch zwei auf einander goeute Quadern gebildet wird , an einem Stein zum Ausdruck* (Porgold). Diese Stufenform weisen die Zanesbasen schon in ihrer iltesten dem 4. Jahrhundert aogefaOrigen Gruppe auf (Olympia U Taf. XCU 6). Sie findet sich aber allerdings auch bereits im & Jahrhundert bei der Prazitelesbasis (a. 0. XCII 9). Die Statue «^ in derselben Weise, wie der Aristion bei seiner zweiten Auf- stdlang, befestigt. Aber diese Methode der Befestigung findet sich auch bereits bei der Statue des Hellanikos Ol. 89 (OL Inschr. 155). Die im ionischen Alphabet geschriebene Inschrift wird ?on Ditten- bei^er und Purgold den beiden ersten Jahrzehnten des 4. Jahr- iHiiiderts zugewiesen, während sie Lowy neuerdings so alterthOm- lich findet, dass er sie nicht erheblich unter 440 435 herünter* Hlcken mochte. Bei dieser Sachlage scheint mir eine sichere Ent- scheidung dartlber, ob der Xenokles eines der späteren Werke des Uteren') oder eines der früheren des jüngeren Polyklet ist, zur Zeit nicht möglich. Ich persönlich neige jetzt mehr zu der zweiten f AiiDahme, und zwar aus folgendem Grund. An der Niedrigkeil der

1) Diiteoberger GGGS. I 2532, Keil Aih. Mttlh. XX 1895 S. 111, wo die übrige Litteratar yerzeichnet ist.

2) S. Niese in dies. Ztschr. XXXIV S. 527 ff.

3) Daoo etwa Ol. 87— 90, denn Ol. 86 ist durch Pantarkes Ton Elis besetzt.

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Baseo de8 Kyniekos and des Pythokles sehen wir, dass es der grosse Polyklet liebte, seine Statuen tief zu stellen, und dieser Tendeni scheint man auch bei der Erneuerung der Aristionbasis, die doch wohl im 4. Jahrhundert erfolgt ist, Rechnung getragen zu habea. Die alten Pompejaner, die ihre Harmorcopie des Doryphoros auf den flachen Boden stellten,^) kamen damit den Intentionen des Heisters entschieden naher, als die modernen Museumsdirektoreiy die sich darauf capriciren, seinem Gipsabguss ein hohes Postameat zu geben. Es wird mir schwer zu glauben, dass Polyklet in seinen alten Tagen sich selbst so untreu geworden sein sollte.

Sein berühmtes Standmoti?, das uno erure innstere, hat abo Polyklet schon 460« bei seinem ersten fQr uns kenntlichen Werk, dem Kyniskos, den ich mit Petersen, Collignon und Furtwlngler in dem Westmacottschen Athleten wieder erkenne, angewandt. Dan er diese Schrittstellung selbst erfunden habe, hat schon Furtwaoghr Meisterwerke S. 405 bestritten, indem er einerseits auf die Staad- spuren der einen Smikythosbasis (Ol. Inschr. 267), andrerseits aif den Münchener König hinwies, und diesen dem für Smikydwi arbeitenden Dionysios ?on Argos zutheilte. Wenn auch diese Ur Weisung nicht absolut sicher ist, so wird man doch FurtwSagkr sowohl in der Abweisung der Hypothese, dass der MOncheaer König polykletisch sei, als in der Ansetzung um 466 unbediagt zustimmen. Allerdings sind die Weihgeschenke des SmikythM selbst nicht alter, als 460, also dem Kyniskos ungefähr gleichseitig, aber es ist ja auch nicht gesagt, dass das Slandmotiv damals suis ersten Mal in Anwendung kam. Jedenfalls wird es verstandlicby wie es Polyklet bereits 460 bei einem seiner frühsten Weiki verwenden konnte. Man möchte sogar die Frage aufwerfen, A er nicht geradezu, woran auch Furtwangler zu denken scheint, cii Schuler des damals für Olympia so viel beschäftigten Dionysioi war, und dessen Vermittelung den Auftrag verdankte, die olympiscba Siegerstatue für den Knaben aus Mantineia zu arbeiten. Wenn nuo auch Polyklet spater jenes Standmotiv weiter entwickelte und Vorliebe verwandte, so hat er sich doch keineswegs sciavisck daran gebunden. Vielmehr sehen wir ihn anfangs mannigfaâ ezperimentireo. Das lehren sehr eindringlich die beiden Statues

1) Mau Strena UeWigiana S. lS2fr.; vgl. Bulle Griechische Stataea- basen S. 8 f.

OLYMPISCHE SIEGER 189

von 452. Beim Pythokles, *) fQr den ich mich hier damit begnOgen nuss, auf die schonen AusfahniDgen von Furtwangler a. 0. S. 471 VOL Terweisen« war die Function der Beine die umgekehrte wie bei dem Kyniskos. Dasselbe finden wir bei dem entschieden jüngeren Ihresdener Knaben. Der Aristion hingegen muss eine ähnliche Stellung wie der Dresdener Zeus und der Casseler Apollon gehabt bben, nur dass die rechte Fussspitze mehr nach aussen gekehrt war. Der Hermes Lansdowne^ der im Standmoti? nach Furtwänglers Nachweis dem Aristion am nächsten kommt, kann, wie derselbe Forscher selbst zeigt, nicht dem Poiyklet selbst^ sondern nur einem seiner Schüler geboren. Dieses Standmotiv ist aber, wieder nach Furtwflnglers Nachweis, die Umbildung desjenigen der Stephanos- igor, in der er vielleicht mit Recht den Kanon der alten argivi- ichen Schule sieht. Also hat der jugendliche Poiyklet in dem- selben Jahre sowohl ein altes Standmotiv weiter entwickelt, als ein eben neu geschaffenes variirt. Dass auch die Schule des Poiyklet 4ieses filtere Motiv weiter cultivirte, zeigt ausser dem eben er- wähnten Hermes Lansdowne derEukles desNaukydes (Ol.Inschr. 159, s. onten S. 191), wie übrigens auch der sog. Ares Borghese, in dem ieh nach wie vor, trotz Furtwänglers Einwendungen, nur den Paris des der polykletischen Schule nahe stehenden Euphranor sehen kann. Damit ist der weitverbreitete, von Furtwäogler selbstver- •Undlich nicht getheilte Aberglaube, als ob Poiyklet und die Seinen SDsschliesslich das uno crure insütere angewandt hätten, wohl ge- DQgend widerlegt. Von dieser Seite stände also auch der Zu- weisung des Xenokles an den alleren Poiyklet nichts im Wege. Das Standmotiv ist das umgekehrte, wie bei Aristion, leicht vor- lesetztes linkes Bein mit massiger Auswärlsdrehung, wie es auch de beiden Mittelflguren der olympischen Giebel gehabt haben ttflssen. Athletenstatuen in dieser Stellung hat Furlwängler a. 0. 497 üifgezeigt, darunter namentlich eine schone Bronze des Louvre. Ich muss es mir versagen, hier alle Folgerungen zu ziehen m ind zu begründen, die sich nach meinem Dafürhalten aus dieser Ihlberen Datirung der Jugendarbeiten Polyklets für seinen Ent- f wjcklungsgang und für die Ansetzung seiner berühmtesten Werke f ergeben. Aber kurz andeuten will ich sie doch ; der Kürze wegen,

1) lieber die in Rom gefoodene Basis ^ die wahrscheinlich das dorlhia eotfûhrU Original des Pythokles trog, vgl. Petersen Rom. Miilh. 1891 S. 304f., Fortwäogler Meisterwerke S. 472.

I^

190 C. ROBERT

in apodiktischer Form. Der Dresdener Knabe gehört an den A Tang, der Doryphoros an daa Ende der Tierziger, der Diid menos hingegen erst in die swanziger Jahre; er steht d Hera nahe. Und was die leidige Amasonenfrage betriiEt, ; halte ich es keineswegs für ausgeschlossen ^ dass die in Betrae kommenden Typen beide dem Polyklet gehören; denn das IbrdM ▼on der ephesischen Concurrenz sollte man doch endlich aufhön fOr historisch zu halten.*) Die Berliner setze ich in die Tierzigi Jahre, bald nach dem Doryphoros, die ^Capitolinische* m à zwanziger ungefähr gleichzeitig mit dem Diadamenos.^

Im Wesentlichen haben sich also Furtwflnglers AufstelloBge aufs Glänzendste bestätigt. Mit Recht hatte er meiner Annahw dass Polyklet später angesetzt werden rnttsse, keinen Glauben gl schenkt und sich auf die Piatonstelle (Protagoras 328 C) TerlaMi nach der Polyklet um 428 bereits erwachsene Söhne, die deaa des Perikles ungefähr gleichaltrig waren, gehabt haben moss, li Recht hat er ferner daran festgehalten, dass Polyklet in Argos ge boren sei und nicht das argirâche Bürgerrecht, wie ich nad LOschckes Vorgang und unter Zustimmung von Dittenbergo' ■» Purgold angenommen hatte, erst nach Ol. 90 zum Dank fttr dl Hera erhalten habe. Denn schon viele Jahre frOher, bereits ai der jetzt Ol. 82 datirten Pythoklesbasis, schreibt er das aigi Tische h Plinius' Angabe Sieyonius erweist sich als ein bf thum. Aber darin behalte ich Recht, dass Naukydes der Bmde des älteren Polyklet war; denn schon 448 arbeitet er die Statn des Cheimon, und also dtlrfte mein Vorschlag bei Paus. II 28, ' adelçoç IloXvxkeltov vedreçoç zu schreiben, wohl das Richtig getroffen haben. Denn der Patrokles, den wir durch Ol. Inschr. IS als Vater des Naukydes kennen, kann unmöglich dersdbe seil der an dem Weihgeschenk ftlr Aigospotamoi mitarbeitet (Paus. X 9, 10] Ein noch 405 thätiger Künstler wird doch nicht schon 448 äwä erwachsenen Sohn gehabt haben. Auch darin hatte ich also Recht dass ich den Vater des Naukydes von jenem Ërzgiesser, der m

1) Furtwängler a. 0. S. 289 giebt die GoDCurreoz auch Preis. Du bleibt also von der Nachricht des Plioius nur fibrig, dass im epbesiichc Artemistempel vier Amazonenstatuen von Pheidias, Polyklet, Phradmon Qi Kresilas standen, die doch wahrhaftig nicht gleichzeitig gewesen m se brauchen und uns nicht alle vier in Nachbildungen erhalten sein inûsscn.

2) S. B. Graef Arch. Jahrb. XII 81.

OLYMPISCHE SIEGER 191

den Schûlero des grosseo Polyklet zusammen das genannte Weifageschenk für Delphi arbeitet, unterschied, aber ich irrte darin, dase ich nach der bisher allgemeinen Annahme den gleich- Mmigen Vater des Daidalos (Paus. VI 3, 4, OL.Inschr. 161. 635. Lowy, Inscbr. gr. Bildh. 88) mit dem Vater des Naukydes iden- tiflöirte, und also Polyklet, Naukydes und Daidalos zu Brüdern ■lachte. Vielmehr ist Daidalos der Sohn jenes jüngeren für das delphisehe Weihgeschenk thätigen Patrokles und mithin awei Generationen jünger als Polyklet und Naukydes. Eine Musterung der datirbaren Werke des Naukydes und Daidalos wird das^ wie ich hoffe, zur Evidenz bringen. Wir haben von Nauky- des sicher datirt den neugewonnenen Cheimon 448 und die sog. Hebe, in Wahrheit "{f^a rtalç^ in Argos etwa 417. Den Faust- kämpfer Eukles (Ol. Inscbr. 159. Paus. VI 6, 2. 7, 2, Rutgers pill9. Förster n. 297), den Enkel des Diagoras, wollen Ditten- berger und Pui^old ans Ende des fünften oder den Anfang ücs 4. Jahrhunderts setzen. ErwSgt man, dass sein Gross- vitcr 464, seine Siteren Oheime 452. 448, sein jüngster ihm BOglicherweise gleichalteriger Oheim 432—424 siegt, so wird Bin die:^ reichlich spat finden und nach der oben angeführten analogie lieber an die Zeit 420 410 denken. Der Schriftcharakter ier Inschrift giebt für die Daürung nichts aus, da sie wie die des Aristion (S. 185 f.) wohl sicher im 4. Jahrhundert oder ?ielleicht loch spater erneuert worden ist, woran auch die Herausgeber ge- facht zu haben scheinen.') Aber selbst wenn wir bis zum Anfang des 4. Jahrhunderts hinabgehen, würde uns auch das noch sieht nOthigen, etwa einen zweiten Naukydes zu statuiren. Ebenso Gegt die Sache bei der Inschrift von der Akropolis N]avy:vârjç \*^(^eîoç èTtolrjae (Löwy 87), die gemeiniglich dem Anfang des vierten Jahrhunderts zugewiesen wird, aber ganz gut noch dem Ende des fünften angehören kaon. Auf Ol. 95 (400) wird übrigens Naukydes auch bei Plinius datirt, auf Grund welcher Combination wissen wir nicht. Wir werden also kaum fehlgehen , wenn wir leine ThStigkeil auf 448 400 festsetzen, ein recht langer Zeit- num, über den nach unten hinabzugehen sich kaum empfiehiL

Daidalos habe ich früher erheblich zu alt gemacht.^ Die Inschrift des arkadischen Weihgeschenkes für Delpi, an dem er mitgearbeitet

1) S. Dilteoberger Ol. Inschr. zu 151.

2) Arcb. Mircli. 104 ood io dies. Ztschr. XXIU 429.

192 C. ROBERT

hat, leigt jetzt, dass er noch nach 369 thatig gewesen ist.*) VermuthuDg, dass das yoo ihm fQr die Altis gefertigte Tro in die 90. Olympiade gehöre, kann ich dem gegenüber nicht aufrecht erhalten. Weiter kennen wir yon ihm Olympion Statuen aus Ol. 96 (Eupolemos) und Ol. 98 (Aristodemos). die beiden in Olympia gefundenen Basen mit seiner Signatu Inschr. 161 u. 635) gehören nach dem Schriflcharakter ii erste Hälfte des 4. Jahrhunderts. Nichts berechtigt uns daher i seine Thfitigkeit schon im 5. Jahrhundert beginnen zu im Nehmen wir aber selbst an, dass er 369 bereits ein alter 1 war und seine ersten Arbeiten schon 410 fallen, so wftre das immer Tierzig Jahre später als die Anfänge des Naukydes, fQr Sohne desselben Vaters doch kaum denkbar. Und tlberdies wird ^ dalos ausdrücklich als Schüler seines Vaters Patrokles (Paus. VI ! bezeichnet. Soll der Vater des Naukydes noch .zur Zeit des | ponnesischen Krieges gelebt haben ? Dagegen passt dies TorzUf auf jenen Naukydes, der an dem Siegesdenkmal für Aigospot^ mitgearbeitet hat. Wir h^ben also auf der einen Seite Pol] und Naukydes als Sohne eines Patrokles, auf der anderen S Daidalos als Sohn und Schüler eines zweiten Patrokles. Da nun wissen, dass Polyklel zwei Sohne hatte, die gleichfalls I hauer waren und ?on denen er wenigstens den einen selbst ui richtet hat,*) so wäre es doch reiner Eigensinn, die Baust nicht aufeinander zu setzen und nicht den zweiten Patrokles den Enkel des ersten zu halten. Das Ton mir in den Arch. March, aufgestellte Stemma ist also folgendermaassen zu corrigireo

Patrokles I.

Polyklet Naukydes

Patrokles II. x

I

Daidalos. Daidalos wird also aus einem Bruder zu dem Enkel des gro Polyklet. Warum er sich nicht, wie sein Grossyater, Arg sondern Sikyonier und einmal, falls Dittenberger die olympi Inschrift 161 richtig ergänzt hat, sogar Phliasier nennt, ?erm(

1) Pomtow Ath. Mitth. XIV 1889 S. 25 f., Frazer zu Paus. X 9 A ^ in dies. ZUchr. XXXIV 522.

2) In den JtaXiSßiS p. 228, 9 heisst es: éSlSaSav o nolvxXsitos vlov àvBçMvrai notdp, vgl. Trieber io dies. Ztschr. XXVII 239.

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Ilokvuxoç

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OLYMPISCHE SIEGER 193

wir natOrlich nicht zu sagen. Den älteren Naukydes aber mochte ich auch heute noch mit dem Sohn des Katillos (Paus. VI 19« 6) identificiren und fOr einen emîgrirten Krotoniaten halten. Wenn Furtwangler a. 0. 417 A. 1 einwirkt dass das einzig bekannte Werk dieses Patrokles, ein Holzbild des Apollon mit vergoldetem Kopf, gewiss archaisch gewesen sei, so möchte ich wissen, welch andere Bezeichnung man der Arbeit eines um 480 thätigen Künstlers geben sollte; und überdies ist die Voraussetzung nicht zwingend, denn aoch die Athena Nike war noch ein Holzbild.

In welchem Familienzusammenhang der jüngere Polyklet zu dem älteren stand, ist leider immer noch nicht klar. War er îieileichl sein Enkel? Ein Bruder des Daidalos schwerlich; denn soost würde er wohl, wie dieser, bei Patrokles und nicht bei Naukydes gelernt haben. Also vielleicht, ein Sohn des zweiten Polykletsohnes, dessen Namen wir nicht kennen, oder ein Schwester- sohn des Polyklet und Naukydes.

Auch für einige Künstler zweiten Ranges lernen wir manches recht erwünschte. Ptolichos von Aigina finden wir 476 thfitig. Er ist nach der bei Paus. VI 9, 1 überlieferten Künstlerdiadochie ein Enkelschüler des Aristokles, dessen künstlerisches Wirken noch dem 6. Jahrhundert angehört (Arch. March. 95). Ob das zweite bekannte Werk des Ptolichos, der Epikradios, der Zeit vor OL 75 oder nach Ol. S3 angehöre, musste zunächst dahingestellt bleiben (S. 174). Dagegen gewinnen wir aus dem indirect Ermittelten einen festen chronologischen Anhalt für ein anderes Hitglied derselben Künstler- diadochie, Pantias von Chios, der nach Paus. VI 3, 11 der siebenten Kflostlergeneration nach Aristokles angehört, also von Ptoljchos durch vier Glieder getrennt ist Von Pantias rührt nicht nur die Statue ÎOD Cbeimons Sohn Aristeus her, dessen Sieg zwischen 436 und 408 âiit (s. S. 179), sondern auch die des Xenombrotos, die, wie oben gezeigt, 444 gearbeitet worden ist. Die bisherige Datirung des Pantias ist also erheblich zu spät Daraus ergiebt sich weiter, dass Sostratos der Vater und Lehrer des Pantias, mindestens in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts hinaufgerückt werden muss. Ein Sostratos hilft dem Hypatodoros bei der Athena von Aliphera, demselben Hypa- todoros« wie ich in dieser Zeitschr. XXV 419 gezeigt habe, der das delphische Weihgeschenk .für. die Schlacht bei Oinoa verfertigt bat. Diesen Sostratos habe ich damals von dem Chier unterschieden, und mit dem Schwestersohoe des Pythagoras von Samos (Plin.34,60)

Herrn« XXXY. 13

IM C. ROBERT

idmUflcirt, eine Verdoppelung die sich jetit als ttnrichtig erwei Der Chier seltMt war der Meffe des Pythagoras, deoD dass eiae Sa»ia sich nach Chios Terhenrathete, ist doch begreiflich genug. Hierdur wird nun nicht nnr mein Ansata sowohl der Atbena Alipbera i der Schhcht bei Oiaoa und der sie verherrlichenden Bildwerke ai neu« bestätigt« sondern auch fOr die Datirung des Ptolichos ein festsr Anhalt gewonnen. Denn wenn bei Aufstellong jener KOnstk diadochie wenigstens einigermaassen die Chronologie berttcksichti ist, muss Ptolichos, der Repräsentant der tweiten Kftnstlergeneratic nach Ariatokles, beträchtlich filter sein, als Sostratoa^ der Reprflsents der sechsten. Der Theognelos 476 muss also schon eines sein spateren Werke sein, und hinsichtlich des Epikradios können n es jetit bestimmt behaupten, dass sein Sieg nicht nach OL 8 sondern yor Ol. 75 fällt.

Wir haben in den Torbergehenden Untersuchungen stets yorau gesetzt, dass die Aufstellung der Siegerstatue unmittelbar auf A Sieg gefolgt sei. Das liegt auch so sehr in der Natur der Sache, da das Gegentheil nur auf der Basis zwingendster Argumente ang nommen werden sollte. Welchen Grund sollte z. B. der reid Rhodier Diagoras, der Ol. 79 schon in ziemlich yorgerOcktem Alt im Faustkampf siegte, gehabt haben mit der Aufstellung der Siege Statue zu zögern? Also ist der KOnstler Kallikles von Hegara scb 464 thatig und danach auch Gnathon (S. 174) zu datiren, den m allerdings lieber nach Ol. 83 als yor Ol. 75 ansetzen wird, da neben den Söhnen des Alkainetos 424. 420 stand. Also mag se Sieg etwa auf Ol. 85 fallen, denn Ol. 84 ist durch Xenodikos bead (s. oben S. 181). Aber Paus. VI 7, 1 sagt doch MêyaQëvç Kall xA^^ GeoxocfAOv vov noiijaavtoç %o ayakfia iv Mêyâgo %ov Jtoçy und dieses Werk, bei dem der Legende nach Pb< dias geholfen haben soll , wurde nach Paus. I 40, 4 erst kurz y dem peloponnesischen Krieg begonnen, ein Ansatz, der dadnr bestätigt wird, dass Theokosmos noch am delphischen Weihg schenk fDr Aigospotamoi mitgearbeitet hat (Paus. X 9, 8). Dak setzt Brunn KOnstlergesch. I 246 den Sohn dieses Theokosm Kallikles nach Ol. 90 und supponirt, dass die Statue des Diagoi erst laoge Zeit nach dem Siege aufgestellt worden sei, und seil noch Purgold deutet Ol. Inschr. n. 15t den Gedanken an, < Statuen des Diagoras und die seiner Sohne seien yielleicht e yon seinen Enkeln gestiftet worden. Alles dessen bedarf es nie

OLYMPISCHE SIEGER 195

Tielmebr ist, weoD sonst jemals, sicherlich in diesem Fall die An- nahme eines dem Enkel gleichnamigen GrossYaters geboten. Auf der Basis des Diagoras stand doch gewiss nur: KaDiixk^ç Geo* tôanov iTtolfjaev, aber natürlich nichts davon, dass dieser Theo- komos den megarischen Zeus gearbeitet habe. Pausanias oder sein Gewährsmann bat diesen Vater des Kallikles schlankweg mit dem Verfertiger der Zeasstatue ideatiAcirt, der vermuthlich der Sohn dieses Kallikles war. Wie es kam, dass die Statuen des Diigoras, Damagetos und Eukles später neue Basen erhielten, wüureod die des Dorieus durch das ganze Alterthum ihre ursprOn- ïehe Basis behielt, entzieht sich unserer Kenntnisse Dittenbergers Amiihoie (Ol. loscbr. 159), dass ihatsftcblich zwischen der Zeit des Aristoteles und des Pausanias die Gruppe umgestellt worden ist, halte ich fOr viel wahracheinUcber, als den Versuch Purgolds die Angaben des Aristoteles und Paneanias mit einander in Einklang zu bring en, . «9bei er Qbersidit, dass den beiden Aufstellungen ein verschiedenes Plriicip zu Grunde liegt Bei der alteren folgen die drei Geoe- ntisien von links nach rechts aufeinander, Vater, S<ybne, Enkel Bei der jüngeren ist der Ahnherr Diagoras in die Mitte gestellt, bb icblieiseD sich die Sohne, rechts die Enkel an.

Ein anderer Sohn des Kallikles, also ein Bruder des Tbeo-

bsnos, war Apellees. Er arbeitete fOr Kyniska die beiden olym-

piseben Siegesauatbeme, deren Basen erhalten sind (Paus. V 12, 5.

VI 1,6. OL Inschr. 160. 634). Entscheidender als das ionische

Alphabet, das in Sparta so gut wie in Athen schon Ende des 5. Jahr-

hinäerts in priraten Gebrauch gewesen sein kann, seheint mir fOr

die ipsiere Ansetzung dieser Si^e der Anfang des Weibepigramms

a sprecbea: Snàçtaç fikv ßaaU^eg ifiol nazéçeg nalàôeX-

fçl. Danach mflssen ihre Siege unter Agesilaos, fermuthlich

ÂL 96 und 97, errungen sein. Die Tbiftigkeit des Apelleas so weit

nach inten auszudehnen bindert nichts, somal wenn wir annehmen,

dtM er der jUngere Bruder des Tbeokosmos war.

HaUe a. S. CARL ROBERT.

13*

PARMENTOEA.

I.

Vom Leben des grossen Paroaenides wissen wir soviel nichts, selbst wenn wir Piatons Dialog heranliehen, was aas kannten Gründen misslich ist. Die Biographie des Laertios hl im biographischen Theile hauptsächlich von Sotion ab, dessen streben, wie längst erkannt ist,') darauf abzielt, Parmenidesan Pythagoreer anzuschliessen. Hit welcher Willkür immer er i fahren sein mag, die Thatsachen, die er dafür anführt, hat er g gewiss nicht erfunden. Gegen Theophrasts Ansicht, der den P menides, von dogmengeschichtlicher Voraussetzung aus,^ an Xei phanes anknüpft, macht er folgendes geltend*): ofiwç d* i ànqvaaç xai Sevoçàvovç ovx iqxokov&ijaev avT(p^ imoivum^ dh xal ^AfABivl(f xal JioxaLvji üva^ayoQixq (wg I 2ùnlœv) avOQi nivriti fiév^ xalif ôè xaya&tß^ (p xal fiaii '^xoXovdriae xal ano^avévxoç fiqÇov lÔQvaato. yévovç vnaQXiav Xa^nQOv xaï TtXovaioç V7t^ ^AfjLBivLov^ oÀA' oix v, Sevoçavovç elç fiavxlav nQoevQafcrj, Die confuse Geschicl wird in der Regel so verstanden, wie Zeller paraphrasirt (I 554 ,Auf Antrieb des Pythagoreers Ameinias soll er sich dem phi sophischen Leben gewidmet und für Diochaites, gleichfalls ein Pythagoreer, solche Verehrung gehegt haben, dass er ihm ni seinem Tode ein Heroon errichtete.**^) Aber redet denn so < Grieche und wenn es selbst ein Diogenes wäre? Kann man i 'Afi€ivl(f xal JioxalTf] beginnend und mit t^ üvd'ayoQp

1) Dox, 148. Rohde, 34. Philologenvera. 83.

2) AI. Metaph. 31, 7 Hayd. fr. 6 (Dox. 482, 7) ne^i na^/iêviâov md SoSfje avtav moI ßeefcacroü à» rtp n^iotq^ Ile^l rw ipMftHoîv ovxms h 'rovrq^ 3i intytv6fi9voQ Uacfuvidtjc Uvçijroç 6 'EXêaTijç (Hyt 9i [moI] Se <pàvfi¥) *in â/A^poréças i]X&8 tàç êdovs' ktL

3) Laertios IX 21 fr. folgt Sotion hier ohne viel zu ändern.

4) Ebenso Gomperz Gr. Denk. 1 136.

PARHEMDEA 197

ivdçï ftivriti fikv xaXîp dk nèya^Ç fortfahren, als ob Amei«

Dias gar nicht genannt sei? Und am Ende des Satzes taucht

wiederuDQ Ameinias auf, während der biedere Diochailes wie in

einer Versenkung verschwunden ist. Es ist schwer Terstândlich,

wie wir alle so lange Ober diesen. Galimathias weglesen konnten,

wenn man nicht annimmt, dass unwillkürlich die Vorstellung in

uns festsitit, brave Pythagoreer mOssten paarweise auftreten, damit

sich ihnen dann der Dritte im Bunde nach bekanntem Muster an-

schliessen kOnne.

Sieht man sich die in diesem Buche maaèsgebende lieber- liehmog der Hss. BP an, so verschwindet jeder Anstoss mit- sammt dem Pythagoreer Diocbaites; denn die hier gegebene Ueber- fieferung aß^ivUf ôioxoItij nv&ayoQiX(^ braucht nur des durch dialektische Unkenntniss entstandenen lonismus entkleidet zu werden, so liest man den einen Namen ^A^eivUf Jioxaha Uv^ayoQixfp^ an dem nichts auszusetzen ist Denn dass der Tatersname des Pythagoreers in der dorischen Form erscheint, ist logar ein Zeichen guter alter Ueberlieferung. Der Name selbst, Most nicht nachgewiesen,') ist schon. Das lange Haar wallt dem sdligen (xaXoç xaya-96ç) Achter wie Zeus' Locken um die Schulter. Nicht umsonst spricht der Dichter von den hauptum- kckten Acbaern. Auch im Folgenden ergiebt die handschriftliche Oeberlieferung noch eine Kleinigkeit. Der Satt hOrt nicht hinter lèçiottto auf, sondern schliesst den Participialsatz yévovç ^' twa^oiy Xafjingov xal nXovvov an. Dann folgt mit xai an- pkaOpft der. Schlusssatz vtt' IdfiBivLov u. s. w.

Danach ergiebt sich folgende Schlussfolgerung Sotionç: ,Nicht

laoopbanes ist der Lehrer des Parmenides, sondern Ameinias des

Diocbaitas Sohn, der Pythagoreer, ein armer aber adliger Mann.

Beweis dafflr ist das Heroon, das er diesem nach seinem Tode

errichtete. Denn zu solcher Leistung verpflichtete ihn sein Stand

(noiksse ohUge) und befähigte ihn sein Reichthum.') Auch war

1) Er ist nach dem Typns JiO/ifjSrjs gebildet. Dass x^^'^ zur Nomen- datar verwandt wird, seigen die von Fick* 287 zusammengestellten Beispiele. fiiieo ganz ähnlich gebildeten Namen habe ich freilich nicht ermitteln können.

2) ^ofijt^ gehört zu yévovs und nlovrov gemeinsam, die nach natür- licher Anffaasnng zusammengehören, vgl. Eurip. fr. 1040 ^àv i9i^s nçoç vynts ^fiérov Vera, Xa/ifffq. Tf nXoviip xal ydvBt yav^fiêvov. Daher wird die eigentlich unmögliche Verbindung von nldvvov mit ina^x^*^ erträglich. Aehn-

198 H. DIEL8

es Ameinias, nicht Xenophaoes, der ihn antrieb, lich schattlichen Leben zu widmen/

Woher hatte Sotion diese erlesene Kunde? Offenbar tod m Westbellenen, der Ober das in Elea noch erhaltene Denl •und dessen Inschrift berichtete. Die Errichtung eines Heroeiu in Unteritalien nichts Auflsllendes. Die Verbreitung des Tod und Herooncultes daselbst ergiebt sich u. A. ans den dorti Vasen, deren Bilder die Form jener Aedicolae tu reconstruiren statten.')

In dieser Inschrift also, die den Kern der DeberlieiBn bildet, kann eine directe Beseichnung des Pythagoreerthums n wohl gestanden haben. Vielmehr war das ans dem besonds Inhalte der Weihinscbrift erschlossen und die Worte nçot^n elg fiQv%Uxv werden in dem Berichte des Sotion so Terwandt, ob sie als Beweisinstanz verwendet werden sollten. Sie wer daher entweder genau so oder ähnlich auf dem Stein gestan haben. D^ Ausdruck Tiav%la statt fpiloaoq^ia muthet nieht aleiandrinische Prosa an, namentlich bei Sotion, der fiber Verdacht erhaben ist, die quietistisdien Anschauungen pyrrh stischer araça^la auf Parmenides zu Qbertragen. Vielmefar seh sich ^avxla sehr wohl in ein alterthOmliches Griechisch, in i das Wort im Sinne von othm (syn. axoX^f Gegens. froitn TtoXvnQOYfjLoavvri) seine richtige Stelle hat.*) nqotf^ifteiv l lich ist in der Sokratik technisch zugespitzt worden und kOi darum als bedenklich gelten, aber in jenem Zusammenhange das gute alte Wort auch in einem Epigramme des 5. Jahrfaund denkbar. Es Hesse sich also aus den gegebenen Elementen I spielsweise folgendes Widmungsdistichon zusammensetzen: nagfißvldrjc Jioxaka ^AiieivUf êïactro firijfAa, fÀiv ig aefÂV^v ftgovrganev ijavx/i/r.

lieb ist die Yerbioduo^ Herod. I 107 oiuùjç fiip iêvra àyadijç^ rgoftoi fjavxiov. Aber der Fall ist leichter. Denn v^onov nrès tXvtu findet auch sonst, and es fehlt nicht das bei diesem (im Grieckisebeo aelte Gebrauch des Qualititsgenitifs unentbehrliche AdjectiT. Die Vnlgata nlm (oder wenn man daffir setsen wollte 9f JU«T«5r) verdirbt die rfaelorisehe F<

1) Watzinger de va»cuHs TareniinU. Bonner Dissert 1899.

2) Vgl. Pind. P, 4, 296 êr ts aofois BaêBtdiav ^(fpuyya fimmra noXiratç h^fvxiq ^iyifiM¥\ Isoer. 8, 26 t^ /lip ^^vxfmp dfehßmwefmm xê^aXêcrri^v elva$ x^ç nolv7t^yf$09wrjç.

PARMENIDEA 199

Der Gedâttke an die Ttêvjaetrjç ^avxla der Pytbagoreer, die den dotreteodeD NoTisea auferlegt wordeo sein soll, ist far das Ori- pul natürlich fern zu halten. Aber Solion konnte daran gedacht ui doe Bestfitigung seiner Ansicht darin gefunden haben. Doch anch abgesehen Ton einer solchen Missdeutung konnte eine un- Mugene Erwägung des Epigrammsy falls darin eine ähnliche Hoüfirung der Weihung ausgesprochen war, kaum auf eine andere EiUlrang kommen, als dass ein dem pythagoreischen Bunde an* gehöriger AchSer oder Dorer namens Ameinias entscheidenden finflass auf das Leben des Parmenides gewonnen habe. Denn war auch das pythagoreische Leben keineswegs der politischen Bewegung ganz entfremdet, so fohlte sich doch ein dem Verein aogeboriger Philosoph innerlich getrennt von seinen HitbOrgern, Qid wie er sich in seinem Gedichte entzückt und erhaben denkt ttcr das Getriebe der Menschen und in himmlische Hohe gehoben, m kannte er bereits damals, als er in den Orden eintrat, sich aus ta Wirren des Lebens in ein seliges Haus versetzt wähnen, 9^/ay xa^dttov ^eyaXwv noiyàv laxoyz* i^aigêtov, wie es iÔB Zeitgenosse Pindar dem verklarten Herakles verheisst. Die hterpretation des Epigramms scheint mithin das Richtige getroffen u haben, vorausgesetzt dass Parmenides der Philosoph ist.

Da Sotion, der Alexandriner, schwerlich Elea bereist oder be- MDdere Stadien Ober italische Localgeschichte angestellt hat, so sehne ich als Quelle den Bericht eines Westbellenen an. Ich weiss keiaiB bessern als Timaios, der sehr wohl diese Localnotiz auf- geMSbert und im Literesse des Pythagoras und dessen Schule nutz- bar gemacht baben konnte. So hatte er (Fr. 78) aus Kroton er- . Urea, dass Pythagoras' Tochter ChorfOhrerin der Jungfrauen und H^ler der Frauen , dass ihr Haus der Demeter geweiht und die ^ {arevtanoc) Museion genannt worden sei. Bei Empedokles btte er berichtet, dass Pythagoras sein Lehrer gewesen (!), der ibo ausgestossen habe. Er hatte als Beweis für diese pytha- goreische Beziehungen dessen Verse r^v tiç h xêLvoiaiv àv^Q Mquioêu éiôiûç u. s. w. angeführt. Besonders merkwürdig ist die kaiiiâge Bemerkung (98 bei Laert.VU171): ,wenn [Empedokles r wnllidi ab Gott gestorben wäre, so wOrde sein Freund Pausanias ihm ein Denkmal oder eine Bildsäule oder eine Kapelle geweiht Aaben. Denn er hatte ja das Geld dazu^ {xal yoQ nXovaiov

200 H. DIELS

Die kleioliche Motiviruog hier wie oben beim Denkmal de Ameinias, die für den Zusammenhang entbehrlich« für die Pedao terie des Timaios aber charakteristisch ist, berechtigt doch wol die Quellenfrage in diesem Sinne zu erledigen, zumal er gewii das Epigramm, das Sotion oder dessen Ausschreiber weggelasse haben, ausfQhrlich nach seiner Gewohnheit mitgetheilt hatte. Abc dieses epigraphische Interesse, das ihn trieb, die Steine in de Tempelarchi?en und die in den Fussboden eingehisseoeD Pro» niedekrete aufzustöbern, *) gehört zu den Leitmuscheln der Quellei forschung, die bei der Ermittelung der TimSlischen Schichten i der historischen Ueberlieferung gute Dienste leisten.

IL

Eine neue und nicht ganz werthlose Notiz Ober Parmeaidi Ansicht Ober die Fixsterne hat zuerst M. Treu^ aus dem Miscellai codex Paris. Suppl. gr. 607 A saec. X und danach E. Maaas j seinen Aratcommentaren') veröffentlicht. Sie lautet hier S. 318, IS xal Tùèv fikv dftlavwv tûv avv %(^ navxi negiayofiévùff «i fikv àxa%ov6(Aaa%a rjialv xai ànegUrirtra, xal üagfiivUifi b q)vaiiioç eicrjue, Ta dk xatwvofAaaiiéva èx %ov fié fi' &OVÇ x^^^tt elai xarà tov^Aqotov. Die hervorgehobenen WmU sind mir nicht verständlich. Die Hs. bietet, wie auch Treu ediii êwç ix Tov fieyé&ovç, ganz richtig, wenn man Mwg ïxrov fUff -d-ovc verbindet. Der Commentator hat die Sternlisten des Ptote- maios nachgesehen, die bekanntlich die Sterne bis zur sechslM Grösse aufzählen. Er selbst sagt das Math. 9ynt. VII 4 S. 29 Bain

1) Polyb. XII 11, 2 höhDt tod der Höhe der pragmatiscben Historie heut dieses philologische Interesse : 6 ras ^xarà tovs) omad'odoftovs irrfjXttS »• ras iv raXs ^XiaXe r(»v vêoJv TtgoSevias iStv^rfMCJS, Meine Ergänzung scheiti einfacher als die Aenderung von Wilamowitz èniad'oy(fa^pavt{Xu u. Ath.l 306*1 6 oTtiC&oSô/tos ■■ TO T^ *Aaias SrjfAoaiov àçx^lov bei Eoseb. fu eeei V II p. 185 B ff. Val. Verwandt ist seine archäologische Forschung, die sich in Akngi bis auf die Monumente für Rennpferde und Lieblingsvögel der Kinder erstreckt Auch hier hatte er in seiner pedantischen WTeise die Autopsie bezeugt, Dio 13, 82, 6 8rjlol Si Tr;v rçvtprjp a\ncâv xai tj nolvrélêia rmv firrjfiêioÊV tivà fiiv role â&XtjToXç ïnnoii xaxeansvaaaVy tivà Si roie vno Ttov se« &dvafv xal nalBwv èv otxq^ TçatpofAévois oçvi&açloiÇ ^ a Jïftaios im^axi» tpriai iidxjfii xov xa&* éavxov ßiov SiafAtvovxa,

2) Anonym. Byr. Ohlau 1880 S. 52, 19.

3) Commenlarior, in Arat, reliqu, BeroL 1898.

PARHENIDEA 201

ivrjçi^aafÀev oaovç dvvarov ijv (lixQi twv lov %%tov fieyé&ovç iiOTnevitv. lo der Tierteo Spalle seioer Listen wird die Grosse der Steroe regelmässig durch die Ziffero ä § bezeichnet.

Die Nachricht selbst ergänzt in etwas die Dozographie der PartDenideischen Kosmologie. Natürlich hat der Dichter sich anders ausgedrOckt. Die feinere, erst von Bpikur aufgebrachte Dnter- ttbeidoog zwischen anêiça und aTceQUrjTCTa liegt den Eleaten fern. Er wird die Fixsterne àvdwfia (vgl. 8, 17) xal arteiça geninnt haben. Wie sich nun aber diese ànlav^ in den Kosmos seiner KrSnze einfOgen, wie sich die Fixsternsphäre zu dem olvfi" HOC iaxo'^oç verhalte und wie das MissTersiaindniss der Placita lofzaklären sei, dass die «Sterne im Feurigen^ (ovçavoç) die unterste Stelle einnahmen, ist bis jetzt nicht in einwandfreier Weise er* üittelt worden. Die neueren Vermuthnngen hierober*) haben ?ieU nehr gezeigt, dass sich die schwierige und z. Th. mit unnOthiger Kreiferung gefohrte Controverse Ober die Parmenideische Kosmo- logie ohne neues Material kaum wird befriedigend lösen lassen. Okna Gewaltacte der Interpretation oder der Conjecturalkritik ist ■an bisher nicht ausgekommen. So muss man wünschen, dass «eitere Bruchstücke der Theophrastischen Tradition, aus der sich ni deo Aratcommentaren (aus Poseidooios und den Placita) manches ffhlteo hat, unserer lockenhaften Kenntniss dereinst zu Hilfe bmneo werden. Als vorläufige Abschlagszahlung darf man das Ueine Fragment des Parisinus immerhin willkommen heissen.

Berlin. H. DIELS.

1) VgL meiDCD Parmenidet S. 105 f.; Döring Ztschr. f. Phil. a. phil. KriU N.F.104 S. 161 ff., Patin J. f. cl. Phil. Suppl. 20, 598.

APVLEIANA.

Quod superest cbartae, mioutiis quibusdam ego mihi iilipleMi adrogavi, ne quia prae magnia donia quae Dovum aaecttlom iigr auri in hoc Hermae faaciculo coacervafimua minutalia deun Doatr apernere exiatimet

Apuleiua Lucii Patrenaia graecauicam fabulam ita narrafk ooDDullia mutatia, alieoia admixtia permultia, ceteroquiu graeci aar toria exemplum aatis diligenter aecutua id prooemio miro uaua ai ficio tamquam Lucii Domine de auia ipae atudiia expooerel, extra Jibri parte eidem Lucio adfiogeret quae dod niai ipai acddi certum eat Luciua enim de auia fatia quae iradiderit docet 1 ciauea quae fertur epitome. Apuleiua roaia aalutiferia laidia di auxilium addidit plane inutile, ut acilicet publice pronuDtiarel G rinthi se olim verno tempore featis nXoiaq>ëaUav diebua (III Isiacia sacria initiatum, deinde neacio cuiua anni Idibua Daoai bribua (c. 26) Romam profectum iam Isidia Oairidiaque üben Providentia atipendiia forenaibua bellule foveri (c. 30). repelita gn festiaaimi diei recordatione, quo légitima teletae conaummatio cd brata erat, ita religioaum quo utebatur habitum deacribit (e^l in ipso aedis sacrae medituUio ante deae iimtdacrum eoiufiMi tribunal ligneum iussus superstiti, byssina quidem ied flariiB i picta veste conspieuus. et umeris dependebat pone tergum takn tenus pretiosa Alamyda. quaqua tarnen viseres, colore vario eirm notatis insignibar animalibus: hinc draeones India, inde grj/l Hyperborei, quos in spedem pinnatae alitis generali munéu» aft hanc olympiacam stolam sacrati nuneupant, recte aie ial pretantur quod traditum est olipiaea{m) stolam. tamen ut ipai Aegyptii Olympicis alieni immo adversi sunt, ita ne atola quid Olympiaca did potuit. certam inventam mihi emendationem o firroavit Damascius Vit. Isidori 107 de Heraisco philoaopbo narr ono&avovTi ok Ineiô^ tic vofii^ofAeva toIq Uçevacv o 'AaiL niàôrjç ànoôiôovai TcaçeaKevâ^êto, %a tb alla xal vàç X)

APVLEIANA 203

f

QÉ.4idaç inl %m awfdcnc necißoXac, avzUa q>w%l xa%ëXafÂn$%o tmctnaxil tCh Oivdovwv anoQQijTa. aiayQa^iAata xai negl avtà nuM-^iùfQâto q>aafAa%(av eïdt} ^eonçenwv. îoduit igitur ille dod Oljmpiacam sed Otiriaeam siolam.

Isis dea Lucium dormieoteiD tali oratione digoata esse per- bibetur (c. 5) m adium tui$ eommota, Lud, preeibus . . cuius Mmm umeum muüiformi specie, rüu varie, nomine mtdtiiugo totus «eaentfiir mrbis. inde primigenii Phryges Pessinuniiam deam mairem, UM auiaehikones Attid Cecropeiam Minervam,, illine fluduantes Cgfrii Paphiam Venerem, Creies sagittiferi Dictynnam Diamm, Si- mk trüitigue$ Stygiam Prosarpinam, . . . Eleudnii Vetustam deam (knrem . priteaque docirina pollentes Äegyptii caerimoniie me pro- friù pertùlmUes appellant vera nomine Reginam leidem, notabili MMtaotia, ut solet Apuleius in oratiooe sublimiore, vides dod NhiiD siDgulis geDtiooa Domioibus siogula adiectiTa apposita^ ita tt EleusiDiorum epithetoD librarii culpa iDtercidisse coDiciaa, sed (tim siDgula dearum Doaiioa sacris slDgulis cogDooaiDibus oroata. nele eoim Apuleius dod tijv naXaiiv sed t^v ^Aqxalav ^- tapi^ iDtellegebal, i. e. primigeoiam fel frugum pareutem origi- (c. 2). iDauditum vero est Proserpiuae Stygiae DooaeD Dec quÎD Ortygiam Proserpinam Apuleius scripserit. coufir- igiiur quod Boeckbius cooiecerat (ad Piod. 01. VI 92) Cereris ^ProseqiiDae templuoi, cuius sacerdotium a maioribus receplum teidiii HieroD, id Ortygia iDsula situai fuisse.

multo iocertius est iudicium de difficiilimo loco c. 10, ubi

pHipa Isiaca describitur. agmeo ducuot lov%Qox6oif secuDtur

IBphoDiacif tum iDitiatorum turbae, deiode aotistites poteDtissi-

■orom deonioi profercDtes iDsigDCs exufias. e quibus primus

iMmiam claro praemicaotem porrigebat lumiue, tertius palmam

ittoUebat subtiliter foliatam et Mercuriale caduceum, quartus aequi-

Mii iodicium osteudebat deformatam maDum siuistram simulque

Miream vasculum iu modum papillae rotuodatum, quiotus auream

faiDum aureis cougestam ramulis, sextus amphoram ferebat. haec

ot iperta omoia ita obscura suDt quae de secuudo dicta legimns:

MomiiM veetitu quidmn (primo) similis sed manibus ambabus gerebat

ëbaria id est auxilia, quibus nomen dedit proprium deae summatis

auxiUaris Providentia, oihil profecit Hildebraodius deletis verbis

id est auxilia lamquam ab ioterprete docto additis. dod saDe is

erat Apuleius qui proprium iustrumeuti DomeD legeotibus divi-

204 G..KA1BEL« APVLEIANA

oaoduin relioqueret, at taceam altaria oullo pacto auxilla explicari potniase. proprium oomen fuisse conieci auxtlhu. auxilla eDim teste Festo (Pauli p. 24, 17) oUa parfola est, ut malas e mazillis, alas ex axillis factas perhibent, et recte opinor Guilelmus Heraeiis corruptam glossam (Thes. gloss. VI 1, 120) aifa^tï^tcm: Içétav lv%ça Tj ovfAfiaxlot ita emeudabat auxilla: Içécjv (potius Uçêltav) xvrça* ▼ideutur antem ollae sacro apparatu refertae Isidi Manium regioae (Apul. XI 5) eodem modo dicari quo Athenienses Anthesteriorom ritu Mercurio infero deo chytras saci*abant io eonim memortam qui e fluctibus Deucalioneis olim superstites evaseraot, teste Theo* pompo in schol. Anst. Ran. 218. tameo Apuleius quid scripserit ne sic quidem liquet, poteris facere verborum ordioe mutais auxillas id est altaria, si quidem altaria glossographi explicant doi solum ßwfAOvc sed etiam yh)aiaa%riQia vel xanvœttjçia, poterift etiam verba id est altaria tamquam interpretis additameutum de medio tollere.

Apuleius Isiacus factus, deinde Osiriacus, deoique tertiam quo* que cogitur teletam susceptare (c. 29), quae qualis fuerit noo satis perspicitur. mirantem et vario cogilationis aestu fluctuaotem diviai somnii suada maiestas firmavit et quod usus foret pronuntiavit. coi obsecutus (c. 30) protinus, inquit, eastimoniae iugum subeo et legs perpétua praescriptis Ulis decern diebus spontali sobrietate mnlii' plicatis instructum teletae compara largitus, ex studio pietatis WHsg^ quam mensura commoditatis, ita eoim extreme verba redintegrao^i^ esse suspicabar, quae io codice satis corruptam baoc fere habeol speciem quam mensurarum eolatis (vel cilatis).

Gottiogae. G. KAlBEL.

ZUM STADTRECHT VON ÜRSO.

Auf den BroDzetafeln von Osuna stehl der Text des Stadtrechtes der €ohmvi Genetiva hdia in eigenthamlichem Zustand. Die beiden mlen erhaltenen Stücke c. 61— 82 und c. 91— 106, der Inhalt 4er Tafeln I III« sind abgesehen von Schreib- und Orthographie- (cblern in bester Ordnung. Die Fassung ist in diesem Theil des Ceieties fast durchweg sachgemflss und klar, wie bei den übrigen StMtsurkunden der Cäsarischen Zeit. Der xweite Theil dagegen, te auf Tafel IV erhaltene Stück c. 123—134, zeigt ausser den ^cben flusserlichen Mängeln eine ungewöhnlich schlechte Form. Der Text ist hier weitschweiOg , unklar, theilweise geradezu nn- ^milDdlich, yoll unnützer Wiederholungen und sprachlicher Un- Mglichkeiten. Ausserdem betreffen die Beslimmungen über den fttroDat in c. 130 einen Gegenstand^ der schon im ersten Theil ^ 97 in anderer, scheinbar abschliessender Weise behandelt war.') Aus zufälligen Vorkommnissen bei der Entstehung des Bronze- ^ODplars lassen sich diese Dinge nicht erklären. Allerdings ist ^Qch die Schrift auf Tafel IV theilweise kleiner und enger als auf <len drei ersten Tafeln eingegraben. Aber der Abschnitt, der so österlich als Zusatz erscheint, c. 129 13t, deckt sich nicht mit ^ Theil des Textes, dessen Besonderheiten in der Form hervor- gehoben wurden. Und umgekehrt erstrecken sich die EigenthOmlich- keiteo der Orthographie gleicbmässig über alle erhaltenen Theile àfx> Gesetzes: die Vermengung alter und junger Sprachformen, die Verwechselung der Conjunctionen cue und ve^ die Missverständnisse eiDieloer Worte und die Entstellungen einzelner Wendungen ßnden sich eben so zahlreich auf der vierten, wie auf den drei ersten Tafeio.

Nach Hübner, der das Original geprüft hat, sind alle Inschrift- platten gleichzeitig in Domitianischer Zeit hergestellt worden. Die

1) CIL II Soppl. 5439. Brans Ftmies iur. rom. ant ed. VI p. 123. HenBM XXXY. 14

206 E. FABRICIUS

Leute, meint er, die das umfaDgreicbe ActeostOck auf die Bron tafeln zu übertragen hatten, könnten sich hinsichtlich des Raui verrechnet haben und während der Arbeit genOthigt worden m um auszukommen, gegen Ende SchriftgrOsse und ZeilenabsUli zu verringern.') Auch war die Vorlage, nach der sie arbeil mussten, stellenweise anscheinend schwer zu lesen. Und die eigi thOmliche Orthographie wird mit Recht darauf zurOckgeführt, d die Verfertiger der Inschrift sich nicht allein häufig geirrt, sonde namentlich die sprachliche Form der Vorlage, das heisst die Schrei weise der Cäsarischen Zeit, nicht immer gewahrt, sondern si hier und da der Rechtschreibung ihrer eigenen, der Domitianisch Zeit bedient haben. Während also alle diese mehr äusserlich Dinge sehr einfach und klar liegen, gehen über die Ursache i mangelhaften Fassung des Textes im zweiten Theil des Geseti die Ansichten weit auseinander.

Hommsen glaubte, dass die Urkunde hier durch Interpol tionen entstellt sei, Huschke, dass Caesar sich des Mittels der Arbdl theilung bedient und das Gesetz durch verschiedene Concipient habe herstellen lassen, und Nissen erkennt in dem ganzen zweit Theil Zusätze aus Augusteischer Zeit.') Die erste dieser E klärungen befriedigt nicht, weil, wie ihr Urheber selbst bemerl ein vernOnfliger Grund für die Interpolationen nicht zu erkenn ist.*) Wäre Huschkes Erklärung richtig, so dürften die gleich« Materien nicht in beiden Theilen des Gesetzes vorkommen. Dei bei der Arbeitstheilung kann vom Gesetzgeber doch nicht ein ui derselbe Gegenstand, wie beispielsweise der Patronat, verschiedeo« Bearbeitern zugewiesen worden sein. Und gegen die Annahf der Entstehung des so mangelhaft abgefassten zweiten Theiles spätaugusteischer Zeit spricht, abgesehen von den auch hier so zai reichen Beispielen voraugusteischer Orthographie, eben die Mang haftigkeit des Textes selbst. Es ist doch kaum denkbar, dass < kaiserliche Regierung gerade damals Verordnungen in solchem 2 stand in die Provinz hätte gehen lassen, und eben so wenig ka man sich vorstellen, dass dort an den Verordnungen willkOrlii

1) CIL. II Suppl. p. 860. Abbildungen der Schrift bei Hühner Ewern script, epigr, n. 805 a e.

2) Mpmmsen Ephem. epigr. II p. 121. Huschke Die Malta und Sacramenlum S. 548 ff. Nissen Rhein. Mus. 45 (1890) S. 107 ff.

3) Bei Bruns Fontes iur, roin, ant, ed. VI p. 135 not.

ZUM STADTRECHT VON ÜRSO 207

und sioolose AeDderungen vorgenommeD worden seien. Auch mOsste der Redactor dieser Augusteischen Zusätze, worauf Nissen lelbst hingewiesen hat, in c. 125 ohne allen vernünftigen Grund TOD dem Dictator Caesar gesprochen haben, als wäre er noch am Leben. So führen diese LOsungsversnche immer nur zu weiteren Aporieo. Aber durch die Erwägungen, die im Einzelnen geltend gemacht worden sind, scheint mir die Frage doch so weit geklärt, da» man von Neuem an das Problem mit der Hoffnung heran- gehen kann, eine Lösung zu finden, bei der alle formellen und nchlichen EigenthQmlichkeiten des Textes befriedigend erklärt werden.

Vor allem müssen wir uns nur über die Ursachen der Ver- kehrtheiten und Mängel an den einzelnen fehlerhaften Stellen ver- ständigen. Am klarsten liegt der Schaden an der schon von Nommsen und Nissen behandelten Stelle c. 127, wo von dem prae- fuctus fakrum die Rede ist, eins magistratus prove tnagistratu, qui fnmeiarum Hispaniarum uüeriorem Baeticae praerit optinebit. ,In der Vorlage des Graveurs war offenbar die Correctur Baeticae praerit ab Ersatz für die ältere Fassung angemerkt gewesen und der Graveur bat aus Nachlässigkeit die Correctur nebst den zu tilgenden Worten in^enoromen^ Man wird, um ganz vorsichtig zu sein, diese in der Hauptsache zweifellos richtige Erklärung Nissens dahin ein- schränken müssen, dass formell auch das Umgekehrte möglich ist >nd vielleicht die längere Fassung die kürzere ersetzen sollte, und dass der Fehler schon bei einer früheren Abschrift, nicht erst bei der Debertragung auf Rronze in den Text gekommen sein kann. ' Aof alle Fälle steht hier eine Correctur im Text, ohne dass die Vorte, die dafür in Wegfall kommen sollten, im Concepte getilgt oder bei der Copie fortgelassen worden sind.

Der gleiche Fehler kommt aber auch sonst an Stellen vor, wo er noch nicht recht erkannt oder beachtet zu sein scheint. Der Anfang von c. 126 lautet auf der Bronze: Ilvir, aedilis, prae- feetu» quicumque coloniae Genetivae luliae ludos seaenicos faciei, . . colonos Genetives incolasque hospitesque atventoresque ita sessum duetto, ita locum dato distribuito atsignato, uti de ea re, de eo loco dando atsignando decuriones, cum non minus L decuriones, cum ea res eonstdetur, in decurionibus adfuerint, deereverint statuerint sine doh malo. Hier sind die von Mommsen als Interpolation gekenn- zeichneten Worte tita loeum dato distribuito atsignato als Ersatz für

14*

208 E. FABRICIUS

ita seisum dudto gedacht und sollten, natariieh Dach Aeoder des Objectscasus , ao ihre Stelle treten; ebenso waren die W de to loco dando aisignando bestimmt, de eareva ersetzen, um dêcurianibuB sollte statt des zweiten decuriones in den Text komn Wenn es dann nach der ausgehobenen Stelle weiter heisst: < ita ab deewionibus de loeo dando atiignando üaiuium deerehtm ( so muss auch hier de loco dando atsignando nachtrSglicb hii gefflgt und bestimmt gewesen sein, fOr oder neben ita einges zu werden.

Gans ähnlicher Art sind die Teztentstellungen und Dngerei heiten im 128. Kapitel, dessen Anfang lautet: Ilvir aediUs p fectus eoloniae Genetivae luliae quicutnque erit, is mo quoque m magiitratu itnperioque facito curato, quod eius fieri potent, tili {i recte factum esse vokt sine dolo mah, magistri ad fana templa lubra, quem ad modum decuriones censuerint, suo quoque anno /b eique decurionum décréta suo quoque anno ludos circenses, sacrif pulvinariaque facienda curent, quem ad modum quitquit de Osréi magistris creandis, ludis drcensibus faciendis, sacrifidis procuran puhnnaribus faciendis decuriones statuerint decreverint, ea on ita fiant. In diesem horribeln Satz scheinen zwei Fassungen i selben Sache gleichsam ineinander geflossen: die Wendungen ] enis fieri poterit und quod recte factum esse volet sine dolo n sind eine unnötige Häufung, der Concipient hat wohl zwisc ihnen geschwankt, oder die eine war als Verbesserungsforscl far die andere angemerkt. Ferner suo quoque (auf der Tafel sl das sinnlose quemque) anno ist zuerst an den Schluss des Sa ▼or fiant gesetzt und dann an den Anfang hinter is heraufgerC worden; quem ad modum und quitquit, de iis rebus und de i gistris ereandis etc., decurionum décréta und quem ad modum . decuriones statuerint decreverint sind lauter Wendungen, von de immer nur eine im Text stehen bleiben sollte.

Ebenso ist in c. 130 (Z. 44) für decurionum décréta corn worden decurionum sententia per tabellam facta,^) décréta aber tr dem stehen geblieben; c. 132, wo der Text lautet: ne quis . petitor kandidatus . . magistratus petendi causa . . magistratus

1) Aaf der Bronze steht zweimal, c. 130 und c. 13t, sinnlos sentt per tabellam facito, SentenÜam per tabellam. facere für ferre ist i belegt, aber nach Analogie von discessionem facere^ senatus consutium fa^ decretum facere^ natürlich Tom Vorsitzenden gesagt, nicht aoTerstSndHc]

ZUM STADTRECHT VON DRSO 209

ttndi cmviüia fadto, sollte der wiederholte Ausdruck ao einer der beiden Stellen fortbleiben; und c. 133 in den Worten uxarei . . . kffäms eoloniae Genetivae luUae virique parento iuraque ex hae kgB, qmecumque in hae lege scripta sunt, omnium rerum ex hoc b^ habento, sollte das erste ex hae lege entweder durch quoeeum- fMe ere. ersetzt oder an den Scbluss gerückt werden, ist aber am infiDg trotzdem nicht getilgt oder fortgelassen worden.

Von Interpolationen im gewOhnhchen Sinn kann an allen diesen Stellen nicht wohl die Rede sein. Wir haben es fielmehr mit einem unfertigen Text zu thon, mit einem Concept, das, dnrchcorrigirl und Qberarbeitet^ mit allen Abänderungen und Ver- keeMruogen ohne Tilgung der Worte, die ersetzt werden sollten, gedankenlos abgeschrieben ist

Unter dieser Voraussetzung begreift man auch die meisten flbrigen Mängel, die unnOthigen Wiederholungen und Sprachwidrig- keilen. Am Schluss von c. 127 geht sachlich und formeil der Zittnunenhang geradezu verloren; man erkennt ungefähr den Ge- danken, den der Concipient ausdrücken wollte, aber was in dem Dorcbeioander angefangener Sätze ursprüngliche Fassung und was Zutatx oder Aenderungsvorschlag ist, lässt sich gar nicht mehr ent- wirren. Der Sekretär, dem die Ausarbeitung dieser Theile des Ge- leties oblag, war sichtlich ungewandt, und man hat ihm offenbar ■icbt die genügende Zeit gelassen , um seine Arbeit zu vollenden, (cicbweige denn nachträglich das Ganze in Ordnung gebracht.

So erklärt sich weiter die sinnwidrige Verwendung verschie- dener Formeln der Gesetzessprache. Während im ersten Theil die <A wiederholte Bestimmung Ober die Bussgelder mit geringer Ab- weichung regelmässig lautet : eiusque pecuniae cut (Fehler statt gut) ^ petitio persecutio ex hae lege esto, steht im zweiten Theil ^Imässig die längere Fassung: eiusque pecuniae cui eorum vokt ^^f^atorio iudicio aput Ilvirum praefectumve actio petitio per- *Kitfio ex hae lege ius potestasque esto. Hier verrälh der Zusatz ^ potestasque die Gedankenlosigkeit des ungebildeten Schreibers, der wie mancher moderne Subalternbeamte erlernte Formeln sinn- widrig verwendet« So ist es gewiss auf blosse Gedanketilosigkeit des Concipienten zurückzuführen, dass die Kapitel, die von den Ob- li^enbeiten der Beamten handeln (126, 128—131, 134), regelmässig mit den Worten beginnen : //t;tr aedilis praefectus eoloniae Genetivae luUae quieumque erit, auch in Fällen, wo es sich im Folgenden

210 E. FABRICIUS

um Fuoctioneo bandelt, bei deren Ausübung die Aedileo gar micA in Frage kamen (130. 131. 134), aedilis also h8Ue fortblôb«« müssen. Warum im zweilen Theil des Gesetzes in den Slrmf' androbungen der Hinweis auf das Recuperatorengericht immci' wiederholt wurde, während er im ersten weggelassen ist, mag dahin gestellt bleiben'): jedenfalls fehlt, das zeigt sich auch hierin, die letzte Deberarbeitung des Ganzen, bei der alle UngleicbaUlssigkeite0 und Verkehrtheiten hätten beseitigt werden müssen.

Endlich kann es, wenn man sich einmal klar gemacht hat» dass das Gesetz unvollendet ist, nicht befremden, dass in der Aift- einanderreihung der behandelten Gegenstände die grOssteVerwirraB^ herrscht, und dass auch die gleichen Gegenstände, wie der PatronaC« in doppelter Formulirung vorliegen. Nur fordern hier die Ab- änderungen der im ersten Theil enthaltenen ursprünglichen FassuBg^v insofern sie nicht formell, sondern sachlich sind, eine weiter«» besondere Erklärung.

Das Sladtrecht der cohnia Genetiva luUa ist also niemals fertig geworden, sondern wurde im Zustand eines ungleich gearbeitete!»« unvollendeten Entwurfes nach Urso geschickt Es fragt sich nufft" mehr, ob diese auffallende Thatsache sich nicht aus dem, wir über die Entstehungsgeschichte der Colonie sicher wissen, greifen lässU

Wie der Name lehrt und das Gesetz selbst sagt, gilt lalia* Caesar als Gründer der Colonie, quae i%U9u C, Caesaris diüMr^ deducta est (c. 106), die Ausführung der Deduction und der kBr signationen kann aber erst nach seinem Tod erfolgt sein, des* e. 104 heisst der ager im Gebiet der Colonie qui iussu C. Catupri^ dictatoris itnperatoris et lege Äntonia senatusque consuUü fiMff^ scitis ager datus atsignatus erit. Die Existenz der Colonie berub^ also rechtlich erstens auf der Bestätigung der acta Caesaris dardi den Senat und das Volk vom 17. März 44, wobei bekanntlich éi^ schriftlich hinterlassenen Entschlüsse mit einbegriffen waren, daher iussu Caesaris, zweitens auf der allgemeinen lex Äntonia de cobiiäf deducendis (Cicero Phil. V 10) oder einem Specialgesetz des An- tonius über Urso, und drittens auf den weiteren Aasftlhrungs-

1) Buschke meiot, der Goocipient des ersten Theiles könnte das Process* verfahren überhaupt und namentlich das Recuperatorengericht in eioem eigenes (jetzt verlorenen) Abschnitt behandelt und sich desshalb im Einzeln kurier gefasst haben. Vgl. c. 95 des Gesetzes.

ZUM STADTRECHT VON URSO 211

bestimrouDgen « die yermuthlich , als c. 104 des Stadtrechtes ab- gefasst wurde, vom Seoat und vom Volk noch erlasseo oder ge- nehmigt werden sollleo. Das Stadtrecht selbst ist folglich in der Fassung, io der es nach Urso ging, io der Zeit zwischen Caesars Tod und Antonios' Abreise von Rom (October 44) entstanden, und wir mQssen zwei Bestandtheile darin unterscheiden, den Ursprünge Ijchen Entwurf, der sich in Caesars Nachlass vorgefunden hatte, 1 uod die Zusätze des Antonius.

[ Denn dass ein Theil des Gesetzes noch zu Caesars Lebzeiten

I ibgefasst worden sei, hat Mommsen mit Recht aus c. 66 geschlossen,

\ wo es von den zukünftigen Priestern der Colonie heisst : çfios ponti-

fut quosque augures C. Caesar quive iussu eius coloniam deduxerù,

ffurü ex eolanis Genetivis, ei poniifices eique augures coloniae G. L

Mtfo. Man wird hiernach annehmen dürfen, dass der ganze erste

l Theil des Gesetzes, der ein so durchaus einheitliches Gepräge trägt

Qod alle Vorzage Caesarischer Technik aufweist, in Caesars Bureau

losgearbeitet worden ist und nach Caesars Tod nur einzelne Zusätze

(wie den in c. 104) erhalten hat.

Aber die ganze Angelegenheit war doch, als Caesar ermordet wurde, erst in Vorbereitung, das Stadtrecht unvollendet, die Aus- fähruDgsbestimmungen kaum beantragt, geschweige denn beschlossen. AotODius hat alles Weitere, so gut es ging, erledigt. Auf ihn wflrden wir dann im Wesentlichen den zweiten Theil des Gesetzes nirOckfOhren. Bei dieser Annahme wflre sowohl die (Jeberein- t^mong in orthographischer Hinsicht, die auf ungefähr gleich- artige Entstehung schliessen lässt, wie die Verschiedenheit beider Theile in der Fassung und Formulirung erklärt, und namentlich vwfioden wir den unfertigen Zustand des Ganzen. In den Wirren, fc Ton den Iden des März bis zu Antonius' Reise nach Brun- 'iiiiom im October in Rom geherrscht haben, sind Oberaus zahl- roche SenatsbeschlOsse, Comitialgesetze und Plebiscite Hals über lopf durchgesetzt und ausgeführt worden. Es ist wohl begreiflich, dan Antonius mit der Deduction der Colonie Urso nicht wartete, bis das Stadtrecht säuberlich ausgearbeitet und endgiltig redigirt war, sondern, als das Ungewitter des Bürgerkrieges heraufzog, die lex unfertig wie sie war ,gegeben' (lex data c. 132), das heisst nach Spanien geschickt hat.

Zum Glück können wir die Richtigkeit dieser Annahme aus dem Inhalt des Gesetzes selbst direct beweisen, eben durch die Ab-

212 E. FABRICIUS

ftnderuDg der BestimmuDgen über den Patronat. Im eralen, wii^ wir annehmen , Caesarischen Tbeil wird darüber c. 97 ferordneU^ dass ausser einer bestimmten Anzahl von Personen, denen ex I^i^ Itdia (gemeint ist die lex lulia agraria v. J. 59) das Recht wa ^ Ackervertheilung zustehe, und ausser den Gründern der ColonL^ selbst sowie deren Nachkommen andere nur unter gewissen B^^ dingungen der Ehre des Patronats theilbaflig werden sollen: i^ar Oberbeamte muss bei diesen einen Hehrheitsbescbluss fon mindesleait 50 in der Sitzung anwesenden Decurionen durch geheime Ab- stimmung herbeiführen und wird bei Zuwiderhandeln mit eJBcr Strafe von 5000 Sesterzen bedroht. Ganz anders lauten die Ver* Ordnungen im zweiten, von uns auf Antonius zurückgeführten Theü c. 130 und 131: hiernach darf ein römischer Senator oder desieo Sohn überhaupt nur dann zum patronus oder hoepes ernaoil werden, wenn er sich zur Zeit der Verhandlung des Gegenstandei als Privatmann sine imperio in Italien aufhftlt, und auch ein solche nur dann, wenn drei Viertel aller Decurionen in geheimer Bescblo«- fassung zugestimmt haben. Kein Beamter der Colonie darf aûdsrs- falls über die Ernennung eines patronus oder hospes an die D^ curionen referiren, noch Umfrage halten, noch abstimmen lassest noch die Publication bewirken, keiner der Decurionen bei der Umfrage eine Meinung sagen, noch das Protocoll über einen Be^ schluss zeichnen, noch die Publication bewirken, und wer dagegea handelt, wird für jeden einzelnen Uebertretungsfall mit einer BiiflW von 100000 Sesterzen, also einer ganz exorbitant hohen Strafe ] bedroht. Da für die Ernennung zu Patronen einer rOmischaa Uürgercolonie in republicanischer Zeit fast allein Leute senato- rischen Standes in Frage kamen, so hat Nissen, der überhaupt auf diesen Punkt zuerst aufmerksam gemacht hat, mit Recht ge* folgert, dass die beiden Abschnitte unmöglich der gleichen Zeit entstammen und von demselben Gesetzgeber herrühren konnten.*)

1) Nissen dachte desshalb an Augustus, der im Jahre 11 o. Chr. deo Provinzialeo verbot, den Slatthaitern während der Amtsführung oder innerhalb 60 Tagen nach dem Abgang aus der Provinz irgend eine Ehre za erweise«, weil einige Stalthalter sich lobende Anerkennungen von den Proviosialen verschafft und damit ihre Misswirlhschafl verdeckt halten (Dio LVI 25« 6). Diese Angabe müsste bei dem Historiker seiir ungenau gefasst sein, wenn sie auf denselben gesetzgeberischen Act, wie die Bestimmungen fiber Patrooat und Hospilium im zweiten Theil des Stadtrechtes, zurückginge.

ZUM STADTRECHT VON DRSO 213

b hl klar, dass die ausserordentliche Verscharfuog der Bestim- «uogeo aber den Patronat durch besondere Umslânde Teranlasst ieia muss. Nun wissen wir aus Ciceros li. Philippischer Rede, dem nach Caesars Ermordung zuerst die Sidiciner, dann die Puteo- hiier C Cassius, sowie H. und D. Brutus zu Patronen ernannt btten. Alle drei waren damals Beamte cum imperio, Cassius und I. Brutus Prätoren, D. Brutus Statthalter von Gallia citerior. An- •oius ist Ober die Demonstration der beiden Gemeinden zu Gunsten leioer Gegner Äusserst erbittert gewesen: Cicero sagt in der Rede t 107: quid ego ittas isttus minas contumeliasque commemorem, fâHnu invectus est in Sidicims, vexavit Puieolanos, quod C. Cassium d BnUos palronos adoptassent. Das war Ende April oder Anfang Mai 44, ungeföhr in der Zeit des Erlasses der lex Antonia de eo- kmis deäueendis und der Wirren in Campanien, die Antonius durch di« Deduction einer neuen Colonie nach Casilinum hervorrief. Zur gMcben Zeit beschäftigte er sich mit der Verarbeitung der acta Csttaris, zu deren Prüfung am 1. Juni eine Senatscommission ttmmnen treten sollte.^) Eben damals oder wenig später muss die ia IJrsonensis in Arbeit gewesen sein. Auch im October, als M. Brutus und Cassius Italien verliessen, fehlte es ihnen nicht an SjfBpalhien der italischen Municipien (Cic. Phil.Xl 14), und in Alheo wurden sie nicht nur glänzend empfangen, sondern die dor- tige Bürgerschaft beschloss alle möglichen Demonstrationen, wie die, ikn Statuen neben den TyrannenmOrdern aufzustellen (Dio 47, 20). Weao also im letzten, nur unvollständig erhaltenen Kapitel 134 iss Stadtrechtes die Bewilligung öffentlicher Gelder honoris habendi cmta munerisoe dandi poUicendi prove statua danda ponenda an- tebeinend von den gleichen erschwerenden Bedingungen, wie die Verleihung des Patronats abhängig gemacht wird, so darf man fies vielleicht gleichfalls auf die politischen Verhältnisse im Sommer •der Herbst d. J. 44 zurQckfOhren. .

So gewährt uns also der zweite Theil des Stadtrechtes von îrso einen kleinen Einblick in die Werkstatt des Antonius. Wir AeUy wie dort gearbeitet, wie dort gefälscht wurde. Denn die estimroungen Qber den Patronat sind geradezu Verfälschungen is Caesarischen Entwurfes, die augenscheinlich den Zweck hatten, (O Colonisten unmöglich zu machen, nach dem Vorbilde der

1) Groebe De legibus et tenatus coruultis aiuii 740 p. 2 3, 46.

214 E. FABRICIUS

Sidiciner und Puteolaner für die CaesarmOrder zu demoostrirei Wir werden annebmen dOrfen, dass den Stadirechten der von Ai tonius in Italien selbst geplanten Colonien entsprechende Verhol einverleibt wurden. Bei der Colonie in Hispania ulterior kOnal auch an Sex. Pompeius gedacht worden sein. Von der Verfillscbuii der Hinterlassenschaft Caesars durch Antonius ist oft die Rede, h der lex Ursonensis besitzen wir einen urkundlichen Beweis dafllr

Denn selbstverständlich wurde das Ganze als Bestandtheil da Hinterlassenschaft Caesars hingestellt^ und wurden demgemflss and die Zusätze so abgefasst, als ob sie zu Lebzeiten Caesars entstaodei wären. Auf diese Weise erklärt es sich, dass in c. 125 von doi zukünftigen Beamten der Colonie gesagt wird, ^t* tum magùtmm itnpehum potestatemve colonorum suffragio geret iussuve (so istidi husuq^ie zu verbessern) C, Caesaris dictatoris consults prove coimd habebù. Diese Worte, in denen Caesar ein Titel beigelegt wird, den er nie geführt hat, verrathen die Gedankenlosigkeit oder Ab- geschmacktheit des Fälschers, der so thut, als wäre das alles DOck zu Caesars Lebzeiten und in der Voraussetzung zukünftiger Aemltf des Dictators verfasst. Antonius selbst möchte ich dafür nicbl verantwortlich machen, sondern den Sekretär, von dessen Ungeschick fast jeder Satz im zweiten Theil des Gesetzes Zeugniss ablegt

Das Verhältniss der beiden Theiie zu einander und die Dr- sache der Schäden des Textes wären gewiss von vornherein richtlf erkannt worden, wenn die in c. t27 enthaltene Variante BaäiiM promt für provinciarum Hispaniarum uUeriorem optinebit die Aol' merksamkeit nicht in ganz anderer Richtung abgelenkt hätte. Bßit tica als officieller Name der Provinz kommt erst in Flavischer ZA vor. Auch die vollere Bezeichnung Hispania ulterior Baeticüp die neben jener noch im 2. Jahrhundert gelegentlich verwendet wird (CIL. XU 3167 n 1970), ist urkundlich als officieUer Name ent für die Zeit, in der Augustus den Titel pater patriae führt, also nach 2 v. Chr., durch eine neuerdings gefundene stadtrOmiscbf Inschrift vom Forum Augusti, Dessau Inser. lat. sei. 103, belegt Man nimmt also an, dass erst unter Augustus nach Abtrennunf Lusitaniens der übrig bleibende Theil von Hispania ulterior dei Namen provincia Baetica erhalten habe. Die Variante Baetica praerit schien hiernach als Ersatz für die ältere Benennung de Provinz nicht allzulange vor der Herstellung der Inschrift in dl Vorlage des Graveurs hineincorrigirt zu sein.

ZUM STADTRECHT VON ÜRSO 215

Von unserem Standpunkt aus ist aber die Annahme einer erst in Drso selbst vorgenommenen Aenderung des Gesetzes misslich. Go zwingender Grund lag doch kaum vor, denn misszuverstehen mr die andere Benennung keinenfalls; zum mindesten hätte der ZoMtz Baeticam genügt. Auf das alterthOmliche praerit, das in der lex lulia municipalis so oft vorkommt, will ich kein Gewicht legen, denn praerunt und praessent begegnen neben praeerunt auch io der lex Malaeitana. Es ist indess durchaus nicht unmöglich, dm der Name Baetica weit älteren Ursprunges ist, als die Theilung der jenseitigen Provinz, und dass Hispania Baetica, wenn auch nicht als officielle Bezeichnung, so doch neben Bispania ulterior, wie Gallia Transalpina neben Gallia ulterior, damals längst in Ge- bnoch war. Die Art, wie Strabo sich des Namens BaiTixr wieder- holt bedient (111 p. 139. 160. 162. 166), macht nicht den Eindruck, ab ob er erst seit kurzer Zeit Üblich geworden sei. Und wenn lach bei Livius 28, 2, 15 Poenus cum castra tum forte in Baetica ei todarum <mimo8 eontinendos in fide haberet in der einen Hand- Khriflengruppe in Baetica hinter animos an falscher Stelle steht, 10 ist es doch immerhin einfacher, dort das Versehen eines Ab- ichreibers als mit Mommsen in beiden Ueberlieferungsreihen eine alte Lacke anzunehmen und die unentbehrliche Ortsbezeichnung >b Interpolation zu streichen.*) Ich möchte also glauben, dass der CoQcipient unseres Gesetzes zuerst das für seine Zeit in einem oiBeiellen Actenstück incorrecte qui Baeticae praerit geschrieben btte, und dass eben desshalb qui provineiarum Hispaniarum uUe- riorem optinebit verbessert worden ist, beides im Hause des An- tonius.

Freiburg i. Br. ERNST FABRICIUS.

1) Res gestae Divi Augusti ed. II p. 120, 1; 222.

VERGLEICHENDE STUDIEN

ZUR GESCHICHTE DES GRIECHISCHEN

UND RÖMISCHEN HEERWESENS.

i.

Eine grundlegende Frage.

Vorbemerkung: Stand und Art der Forschung.

,Wer ohne wesenllich neues Material zur Verfügung zu nach ROstow und KOchly/) Delbrück') und Soltau,") Gienog;^ Lamroert") und Schneider') und noch so manchen anderen^) Ober Aufstellung und Taktik der Römer und Makedonier schreibt, der mag nur gleich alle Hoffnung auf Erfolg fahren lassen/ So kOoBti^ wer Unglück prophezeien woUte, mit allem Anschein der Wahrheit' Torhersagen. Denn in der That, es haben bei der Behandloo| dieser Fragen so ziemlich alle logisch nur irgend denkbaren aar sichten schon ihre Vertreter gefunden, und Neues ist also soUtt man meinen überhaupt nicht mehr zu erbringen. Dazu ist da» Interesse für diese Dinge in historisch-philologischen Kreisen, «ii sie heute sind, überhaupt ein ziemlich geringes. Nur wenige haben auf taktischem Gebiete ein eigenes Urtheil und die Mehrzahl begnOgt sich daher, wenn über Schlachten zu sprechen unvermeidlich ist, dit Entscheidungen als solche einfach zu regislriren und die politischra Folgen derselben zu erörtern. Man vermeidet es, sich eingehender

1) Griecb. Kriegsschriftsteller 1853 ff. bes. die Einleitung zu Bd. II. Ge- schichte d. griech. Kriegswesens 1852. Rûstow Gesch. d. Infanterie 1804«

2) Sybels hist. Ztschr. Bd. 51, 239. 56, 504. 60, 238; in dies. Ztschr. XXI 65. Perser- und Burgunderkriege 1887. Anhang.

3) In dies. Ztschr. XX 262. 1885.

4) Fieckeisen 1888 S. 849. 1889 S. 161.

5) Polybius und die röm. Taktik 1889.

6) Legion und Phalanx. Berlin 1893.

7) Die an ihrem Orte genannt werden sollen.

ZUM GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 217

mit der Frage zu beschäftigen, wie diese EntscheiduDgeD deno tigeDtlich zu Stande kommen konnten und zu Stande gekommen nnd. Dies an sich schon geringe Interesse ist nun durch die Art und Weise, wie neuerdings taktische Fragen vielfach behandelt werden, noch mehr geschwunden. Die etwas chevalereske Art, mit der die Forscher auf diesem Gebiete z. Th. mit den Quellen umgesprungen and, das Hineintragen von Analogien aus der modernen Kriegs- geschichte, die ferner Stehende nicht controUiren konnten und deneo sie jedenfalls die Berechtigung absprachen, eine gut be- gründete alte Tradition umzustürzen, das z. Th. etwas schnelle Vor- geheo, bei dem Hypothesen wie voUig gesicherte Errungenschaften bingestellt und bald wieder fallen gelassen wurden: das alles hat diese Seite der antiken Forschung leiden lassen , und indem man tos einem durch solche Eindrücke entstandenen Unbehagen heraus den Gedanken ,taktische Untersuchung* und ,Buch zu* identificirt, bst naan den, der dieses Gebiet behandelt, dem schlimmsten Ge- schicke verfallen, das einen Schriftsteller nur treffen kann.

Doter diesen Umstanden könnte man den Mulh yerlieren, mit solchen Dingen auf den Plan zu treten, wenn nicht der Vorwurf K^D die neueste Forschungsmethode gerade darum einen Schimmer ^n Hoffnung aufkommen Hesse, weil er so berechtigt ist: eine ^nichtige und wirklich kritische QuellenprQfung hat also bei ^cser Sachlage noch die Möglichkeit des Erfolges und könnte ^lleicht schon desshalb auf die Theilnahme der historisch -philo- logischen Alterlhumsforschung rechnen, weil durch sie die alten Ooellen wieder mehr die ihnen gebührende Würdigung finden und SQ gleicher Zeit durch die selbstverständlich in weitestem Maasse mr Erklärung und Ergänzung heranzuziehenden analogen Verhält- oisse aus anderen Perioden der Kriegsgeschichte in neue Beleuch- toog treten. Ja es fallt damit vielleicht sogar für das Interesse jm Gegenstande selbst etwas ab: die Frage, ob Rom durch seine Tüchtigkeit oder sein Glück die Welt erobert habe, hat ja von Polybius und Plutarch bis Niebuhr die Geister immer wieder be- wegt. Wenn unsere moderne Alterthumswissenschaft bestrebt ist, solche Probleme aus der Höhenluft geschichtsphilosophischer Be- trachtung auf den Boden der realen Thatsachen zu versetzen, so gebort die Frage, mit welchen taktischen Mitteln die Römer die makedonisch-hellenistische Welt bezwungen haben, in erster Linie mit in den Kreis ihrer Arbeit hinein.

218 J. RROMATER

Das ist der weitere Gesichtspunkt, aus welchem ich fOr diese specielleo Dinge ein höheres und allgemeineres Interesse in Anspmct nehmen möchte. Es muss aber eine Forschung, die nicht in da Luft stehen will, gerade hier mit den Elementen beginnen, ük denen sich alles zusammensetzt, d. h. mit dem einzelnen Maon« und seiner Stellung in Reih und Glied. Und so behandeln wi denn in erster Linie den Abstand der Rotten und Glieder, sowolij in der makedonischen Phalanx wie in der römischen Actes.

1. Die makedonische Phalanx. Jede Untersuchung, welche die verwickelte Frage des Rottet» und Gliederabstandes in der makedonischen Phalanx zu lösen ont6^ nimmt, wird sich in erster Linie mit der berQhmten Darlegung dai Polybius auseinanderzusetzen haben, in welcher dieser Kenner make- donischer und römischer Kriegskunst die Vortheile und Nachtbeilft von Phalanx und Manipularstellung einer eindringenden und geitfp reichen Kritik unterzieht.^) Ja man wird, wenn man wirklid methodisch und sicher vorgehen will, diese Darlegung zu Gmida legen und von ihr ausgehen müssen. Denn Polybius war eiM^ seits aus eigenster, persönlicher Erfahrung so in diese Diii|i eingeweiht und andererseits ist seine Darstellung so klar Olli peinlich genau, dass sowohl von seiner Seite ein Irrlhum als m unserer ein Missverstdndniss ausgeschlossen erscheint, wenn vir uns nur redlich bemühen, in den Sinn seiner Worte einzudringeo*) So wiegt sein Zeugniss schwerer, als alle anderen des AlterthUHi wenn sie ihm widersprechen sollten; und dreifach schwerer ah alle modernen Speculationen , die sich ihm desshalb gegenOb«' gestellt haben , weil deren Urheber dies und jenes aus ihrer E^ fahrung nicht mit Polybius' Darlegungen reimen zu können glaubteiu Diesen Standpunkt von vorn herein mit möglichster Schärfe n präcisiren, war unumgänglich nöthig, 'weil die moderne Kritik durch Abweichen davon und durch die Sucht Polybius zu meistera ohne ihn recht zu verstehen, sich selber den richtigen Weg da Erkenntniss verbaut hat.

1) XVIII 29 bis 30,4 (Hultsch).

2) Das bleibt selbst für den richtig, der etwa mit Delbrück (Sybd Ztschr. Bd. 56, 504) annehmen sollte, dass Polybius ,offenbar etwas rasch gt arbeitet' habe. Denn hier handelt es sich nicht um eine eventuell flûcbti| Quellenbenutzung von Seiten des Polybius, sondern lediglich am Niederschri persönlicher Erfahrungen.

ZUM GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 219

Der GliederabstaDd.

Polybius legt dar, wie es komme, dass in der zum Angriff vonrOckeDden Phalanx denn nur um diese handelt es sich^) eine bestimmte Zahl yon Speereisen vor jedem Manne des ersten Gliedes vorstarre: ,da* so führt er aus ,der Abstand der Leute von einander so und so gross ist, und da die Sarissen so und 10 lang sind, so folgt daraus, dass die Speere von so und so viel Gliedern bis vor die Front reichen/") Dies ist der von allen ueben- dchlichen Ausführungen gereinigte, in voller Nacktheit vorgeführte Poljbianische Gedankengang. In der Rechnung müssen also drei Grossen vorkommen. 1. der Abstand von Vordermann zu Hinter- anon. 2. die Länge der Sarissen. 3. die Zahl der vor das erste Glied vorragenden Speereisen.

bt das logisch gedacht, so folgt daraus mit Ausschluss jeder aideren Möglichkeit, dass in der einzigen Abstandsangabe, die in QBierer Stelle vorkommt, d. h. in den Worten des Polybius o fikv iniQ ïatatat . . iv tçcoI tcooï das Maass des Abstandes von Vordermann zu Hintermann enthalten sein muss.*) Sonst fehlt ein Bernent in der Rechnung und der Leser ist gar nicht in die Lage (Mzt die Deduction des Polybius zu conlroUiren.

Diesen einfachen logischen Zusammenhang haben ROstow und loecbly verkannt, und da sie in allerlei modernen Vorstellungen kfoogen, einen Gliederabstand von nur zwei Fuss annehmen zu nflssen glaubten, haben sie es wirklich für möglich gehalten, dass Polybius den Gliederabstand gar nicht erwähne, dafür aber durch eine andere, überhaupt nicht in den unmittelbaren Zusammenhang

1) Das muss gleich hier wegen yerschiedener moderner Verschleierungen üeses Tbatbestandes betont werden. Pol. a. a. 0. 29, 4: oTav trj. 30, 1: fyo- Ist Mtd ncoßokr,v. 4: ßuUav noéovai rr^r ^tpoSov u. s. w. Wie die Pha- iflz im Stehen gegen einen Angriff oder etwa beim Exerciren aufgestellt war, t eine ganz andere Frage.

2) ^Enü yo^ o fièv ârrjç ïararai . . ép rçêol noai ... to ^c xdv t^t/acœv fiéyad'ôi iaji . . nrixô^v [so die Ueberlieferung; noBàv ist Con- clor] . . leaaaQwv xai dexa . ., ^aveçov on , . ix Si tovtov avu- Uvté Tas Tov nifintov ivyov aapiaffas . . jiçonlnTHv . . nço tœv tiqco-

3) Nor dass es darin enthalten sein muss, folgt, nicht aber, dass diese «ummong nicht zugleich noch eine andere Angabe enthalten könne, wie es •tsächlich der Fall ist, s. unten.

220 J. KROMATER

gehörige Angabe den Leser grOndlich irrefohre. Denn da Worle b fièv avrjç ïa%a%ai . . iv Tçial noal nun einmal « standen, so halfen sie sich, indem sie sie wilikQrlich auf die E fernung zum Nebenmann bezogen.^) Das heisst den Polybios einen gedankenlosen und schluderigen Scribenten erklären.

Lassen wir uns also durch solche Gewaltsamkeiten nicht irren, sondern machen wir die Probe auf unsere Rechnung, drei Fuss Abstand von Vorder- zu Hintermann und bei 14 EU d. b. 21 Fuss*) langen Sarissen, von denen aber nur 10 Ell d. h. 15 Fuss vor den Mann fallen,*) sollen die Spiesse des fOnI Gliedes noch um zwei Ellen, d. h. drei Fuss vor dem ersten Gli vorragen.^ Die Rechnung stimmt aufs Genaueste und ich kOs hier unter Berufung auf die Autorität des Polybius die Ac schliessen mit dem Resultat: der Gliederabstand der mal donischen Phalanx, wenn sie ins Gefecht rückte, betrug d Fuss oder 89 cm,') von Brust zu Brust'} gerechnet. Aber i Ergebniss widerspricht einerseits zu sehr der bisher allgemein | tenden Ansicht, welche sich durchaus an Rüstow- Kochly an

1) Rüstow und Köchly griech. Kriegsschriftsteller II 1, 125 and 6< des griech. Kriegswesens S. 238 Â. 17. ^Beiläufig' heisst es bei ib an einer dritten Stelle ganz naiv (Gesch. d. griech. Kriegsw. S. 108 A. 15] soll sich aus Polybius die Distanz von Hinter- zu Vordermann auf 2' ergel

2) Der Fuss, nach welchem Polybius rechnet (Dörpfeld Athen. Mitth. 277 ff. Danach Nissen bei J. Müller Hdb. I S. 701, 2), beträgt 29, 57 cm. Elle «= 1 Va Fuss, also 44,36 cm. Wo in dieser Abhandlung Ton Fuss schle hin die Rede ist, ist überall dieser Fuss gemeint. H. Droysen Heerwesen Kriegführung der Griechen S. 172 ff. legt seinen Angaben den Fuss von 30,8 zu Grunde (Hultsch Metrol. S. 67 f.), der jedenfalls für Polybius nicht halten ist.

3) Weil vier Ellen (^b sechs Fuss) durch den Raum zwischen den be Händen und dem hinter den Mann fallenden Ende des Schaftes verbrt werden: tovs téxTaçaç {ntix^ii) aipaiçel to fieraSv rolv xBQoiv 9uiCt Hal TO xaroniv ar]xœfia t^c ncoßoXrjs. Pol. a. a. 0.

4) Ich folge hier natûriich dem Texte des Polybius, wie ihn die U< lieferung giebt, ohne mich um die Gonjecturen von Kôchly-Rûstow zu kons

5) Genau 88,7. Die Bruchtheile der cm. sind, je nachdem sie kl< oder grösser als 0,5 sind, stets nach oben bezw. unten abgerundet.

6) Der Platz, welchen der Mann einnimmt, ist also bei den drei mitgerechnet. Das geht aus der Rechnung hervor und ist überhaupt fast di gehend Brauch bei den Ansätzen sowohl der griechischen Taktiker, als d der Landsknechtszeit und der modernen Exercierreglements.

ZUM GRIECHISCHEN UND ROMISCHEN HEERWESEN 221

«blossen bat/) andererseits ist es fQr unsere folgenden Unter- sochuDgen selbst von zu grosser Bedeutung, bier auch nicbt die geringste Unklarbeit zu lassen, als dass wir uns nicbt der Mühe «oteniehen mQssten, den Grund der berrscbenden falscben Auf- fassung aufzudecken und ihn zu beseitigen.

ROstow hat den Gliederabstand der makedonischen Phalanx desshalb auf nur zwei Fuss angesetzt, weil er es für unmöglich Ueit, dass die Sarisse der Makedonier, wie Polybius angiebt, 14 Ellen Img gewesen sei. Er meint, sie könne höchstens 14 Fuss gehabt haben und ersetzt desshalb im Texte des Polybius viermal das d)erlieferte nrjx^g durch novg. Nun stehen bei ihm die Lanzen- ipilzen der fünf ersten Glieder nur noch in Abständen von je ivei Fuss hintereinander und folglich auch die Glieder selber nur •il iwei Fuss Abstand von Brust zu Brust. Diese seine Aenderung eilt Rüstow bezw. Köchly ffir eine besonders leichte , weil beide Worte mit einem n begönnen, daher wohl gleich oder ähnlich abgekürzt gewesen sein würden und so unschwer halten verwechselt «erden können. Ueber die Leichtigkeit oder Schwierigkeit einer solcben Verwechselung, für deren Thatsächlichkeit ein philolo- gischer Beweis nicht einmal versucht ist, enthalte ich mich schon desshalb billig jedes Unheiles, weil die Möglichkeit Yon Rüstow- löchlys Conjectur sich aus Polybius selbst widerlegt: die Rechnung nimmt dann nicht mehr oder man müsste auch noch das ö avfjQ totaiai iv rçtai nool in ein iv oval Ttoa/ verwandeln. Das thaten Rüstow bezw. Köchly auch am liebsten,') wagen es aber f lelber nicht und so greifen sie zu dem soeben charakterisirten, r tenweifelten Ausweg, es auf den Abstand von Nebenmann zu : Nebenihann zu beziehen. Dass das nicht angeht, haben wir gezeigt Ofid schon damit eigentlich die Conjectur widerlegt.*) Es kommt aber noch hinzu, dass auch die ganze übrige Ueberlieferung des Alterthumes gegen sie spricht. Die Taktiker berechnen die Ab-

1) H. Droyten Heerwesen S. 39 und 172 f. Schneider Legion und Phalanx S. 88 f. Ferner Delbrück, A. Müller, Jahns durch Annahme von Rü- «lows eng damit zusammenhängender und gleich naher zu besprechender Theorie Ton den kurzen Sarissen, s. unten S. 223 Â. 1.

2) Kriegsschr. II 1, 124.

3) Sehr mit Recht hat desshalb Hnltsch die überlieferte Lesart im Texte Masseo^ ohne sich um die Versicherungen der Taktiker und ihre Verwunde- f^of^eo aber die Ungliubigkeit der Philologen zu kümmern (S. Schneider, B. Legion ond Phalanx S. 89. H. Droysen Kriegf. S. 173 A. 2).

HennM XXXY. 15

222 J. KROMATER

stflnde der Glieder') und die Läoge*) uod Zahl*) der Torrageod« Sarissen gaoz ebenso wie Polybius; ja sie keDoen Oberhaupt keia Gliederabstand von zwei Fuss, soudera erwflbnen in ihren ausfOfa liehen Darlegungen nur solche von ein, zwei und vier Ellen Es ist nicht wohl annehmbar, dass sie gerade die wichtigste Wf allen Aufstellungen, nämlich die, in welcher man zum Angriff tq rückte, in diesen Erörterungen ausgelassen haben sollten. Eii Reihe anderer Zeugnisse, welche Sarissen von 12 bezw. 16 Ell« nennen, tritt ferner bestätigend ein/) Auch hier Qberall statt Eil

1) Asclep.y 1 (bei Köcbly-Rüstow gr. Kriegsschriftst II 1 S. 150) dßi yaQ ép rq^ Sêvr^çq^ i*^V 9S^x^^* 9vclv vnoßeßijKeree, ebenso Aelia 14, 4 and ferner 14, 2: o yà^ àvrjç ïcxaxo . . iv nrix^a^ 9vo, Endlich Arriti 12,6 (Hercher-Eberbard) » 14, 2 (RûstowKôcbly), àvrj^ yoQ aior^xu . , . it 9vo nrixM^ fidXMr%a. Hierher gehört ferner die Angabe des ScholiatteD ii llias XIII 130 (codex Marcianus), welcher berichtet, dasa die Speere des iwdtd Gliedes Bvtfl n^x*^^ länger als die des ersten gewesen seien.

2) Asclep. ib. £oja xr^v ni^onrantèv êlvai Bixanr^xv^ " Ael. ib. ol ièim

3) Asclep. ib. rdiv Xoxayoiv (so heissen die Soldaten des ersten Gliedcfl inaunov navré Bwaßisoe nBtp^ovçVf^^oP . . nQoßaßhiftdvtu xov n^rov ityti* néPTt ad(fiaaai, Ael. ib.: càç^acaê ntvrt ncoßsßlijfievae,

4) Die Abstände gelten überall für Neben- und Hintermann. Asclep. IV 1 dnéxùvai xard ta fi^KOS kcU ßi&oe ixtuijoi ntixsii raacaças . . . ixaitf^ ino Twv äXXatv navTuxo&av S^Jartjxav nrjxpaiov êuzanjfia . . . Statte »atfi navraxo^av 8vo ntixeis an' aXXijXafv, Ebenso Aelian toc&X12oB entsprechend Arrian tact. XI If. Hercher-Eberbard, nach welcher Ausgab durchgehends citirt ist.

5) Die 12 ellige Sarisse kennt als die längste Lanze dieser Art TbH phrast (Pflanzengeschichte III 12, 2), wie H. Droysen Heerwesen der Grieche S. 19 A. 2 mit Recht bemerkt. Sein Zeugniss ist für seine Zeit maassgebei^ Polyän nennt dann für die Zeit der Kleonymos Sarissen von 16 Ellen (#1^ tag, 11 29, 2) und Leo tacL Y 3 und VI 39, sowie Constantin Porphyr, t^' 1. Meursius p. 4 stimmen damit überein. Zu Polybius Zeilen kam man d* auf 14 ellige zurück. Die Sarissen haben also nach unserer Ueberlieferang schliessen ihre Geschichte gehabt und sind gerade wie die Piken der La0< knechte erst fortwährend gewachsen, dann wieder verkürzt worden. Dm 1 schon Lammert a. a. 0. S. 16 f. richtig erkannt. Mit Theophrast stimmt merkwürdiger Weise Asclepiodot überein, indem er V 1 sagt: ov fi^ ^ fialCfiv ixikacav Bvo xai Sana nrjxaofv. Das ist ein wichtiger Fingerzeig die Zeit des Asclepiodot, der meines Wissens durchgängig weit später * gesetzt und desshalb sehr unterschätzt wird. Dass man durch AeodertS von nrix*'^ in noSdÜv den Asclepiodot die Ungereimtheit sagen lässt, es h^ nie längere Speere als solche von 3,55 m gegeben, sei nur nebenbei bemer Auch bei Xenopbon jénab. IV 7, 15 kommen schon Lanzen von 15 Ellen V

ZUM GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 223

Fuss eiDZusetien oder diese zahlreichen und z. Th. von einander

pnz unabhängigen Nachrichten aus einer Corruption des Polybius

ni erklären, die gar nicht vorhanden war, ist natürlich schlechter-

àings unmöglich, und RQslow-Kochlys Versuch zu Gunsten ihrer

Ansicht die Ueberlieferung zu corrigiren, um an ihr eine Stütze

n finden, ist um so mehr verfehlt, als auch das letzte Zeugniss,

welches sie etwa fflr ihre Theorie der kurzen Sarissen und engen

Gliederahstflnde anführen könnten, versagt.

Es ist dies eine Angabe Arrians, die aber durch den Wider- ipracb, in den der Autor bei der Behandlung dieser Frage mit «eh selber geräth, alsbald zum wirksamsten Bundesgenossen seiner Kbeinbaren Gegner wird.^) So sind wir also vor eine böse Alter- Datire gestellt. Wollen wir Röstows Ansicht, dass Lanzen von 21 (nod Dattirlich erst recht solche von 24) Fuss eine Unmöglichkeit seien, gelten lassen, so müssen wir offen und ehrlich gestehen, dass wir uns dadurch zu der gesammten antiken Ueberlieferung mil Polybius an der Spitze in Gegensatz bringen. Haben wir dazu iber Dicht den Muth und den habe ich wirklich nicht so mOssen wir jetzt noch ein zweites Mal gegen Rüstow Front machen uod seine Ansicht, dass es unmöglich Sarissen von 14 16 Ellen Uoge habe geben können , zu widerlegen suchen. Rüstow führt, Auf zahlenmflssige Berechnung gestützt, des Langen und Breiten »Vi, dass eine Sarisse wie die in Rede stehende, welche nach Po- lybios' Vorschrift getragen wurde, von der rechten Hand einen Druck von 30 it. verlange, um im Gleichgewicht zu bleiben. Denn

1) Arrian setzt (Hereber-Eberhard 12, 7 Kôcbly-Rûstow 14, 1) in der

Tbat die laogsten Sarissen anf 16 Fuss an und berechnet den Abstand der

Glieder auf zwei Fass, so dass bei ihm sogar sechs Speereisen vor Jeden

Üiao des ersten Gliedes zu liegen kommen. Aber damit steht in unlösbarem

^idenprneh seine eigene, soeben (S. 222 A. 1) schon angeführte Nachrieht,

^ die Mannschaften zwei Ellen Abstand Ton einander gehabt hätten. Es

^DD kein Zweifel sein, welche seiner Behauptungen weichen muss. Auf

Seiten der letzterwähnten Angabe steht Polybius und die ganze andere Ueber-

fiefemog. Ob der Irrthum ein nur handschriftlicher ist, so dass man mit

Scheffer nrx'ts statt nodis einsetzen mûsste, oder ob absichtliche Aenderung

irriins vorliegt, was bei den vielen kleinen Verbesserungen und Zusätzen,

dk er gemacht hat, keineswegs ausgeschlossen ist, bleibt zur Entscheidung

^üJig den Philologen ûberiassen. Für uns ist die Sache erlegt mit der Er-

kenotniss, daas das stehengebliebene Rndiment arrj^ êiar^uêê iv dvo n^x'^^

^aXêOxa die ursprüngliche Fassung der ganzen Stelle erkennen lässt

15*

224 J. RROMATER

um 80 viel ziehe das lange vordere Ende mehr nach unten als ( kurze hintere. Einen solchen Druck längere Zeit auszuüben aber so gut wie unmöglich für einen Soldaten.^)

Dieses scheinbar so Oberwähigende Ergebniss hat den meist modernen Gelehrten, die sich mit dieser Frage beschäHligt hab< so imponirt, dass sie Rüstows Ansicht ohne weitere NachprQfu einfach angenommen haben.') Sie kommt aber durch drei falM Voraussetzungen zu Stande, t. Rüstow legt seiner Berechnung erster Linie die Lanze von 16 Ellen oder 24 Fuss zu Grum Polybius dagegen hat bei seiner ganzen Darlegung eine solche v nur 14 Ellen oder 21 Fuss im Auge. Die Lanze von 16 Ell existirt bei ihm nur in der Theorie: in der Praxis ist man seiner Zeit wenigstens nicht über 14 Ellen hinausgekommei Nur mit der Praxis haben wir zu thun, also auch nur mit eii Lanze von 14 Ellen. 2. Rüstow nimmt das Gewicht einer Lai von 16 Ellen auf 8 8V2 kg an, so dass sich für die Elle < Durchschnittsgewicht von stark V2 kg^) ergeben würde. Das etwa um das Doppelle zu schwer. Ein Baseler Landsknechtspi von 5,16 m, also 11,396 Ellen Länge wog nur 3,285 kg.^) I

1) Gesch. des griech. Kriegsw. S. 238 A. 17.

2) Schneider, R. Legion und Phalanx S. 88. Delbrück Die Perser- i Borgunderkriege S. 307: ,auch ist die Länge der Sarissen nach den Handsc nicht 16 Foss, sondern, natürlich falsch, 16 Ellen/ H. Droysen Hc wesen und Kriegf. der Griechen S. 19 und 171. Max Jahns Geschiche < Kriegswesens S. 100: ,Diese Ueberlreibung (von 16 elligen Sarissen) hat Rästo einschlägige Untersuchung endgültig beseitigt.* A. Müller bei Baumeister Dei mäler 111 S. 2042 Guhl und Koner u. s. w. Richtig Bauer bei J. Müller IV 1, : und Lammert, Polybius und die römische Taktik S. 19. Letzterer hat eine Na Prüfung versucht. Nach seinen Angaben wiegt ein Eschenspeer von 14 gric Ellen aus frischem Holz 6,5, einer aus trockenem 5,6 kg und die Druckk des rechten Armes wäre nach ihm auf 4,6 5,1 k anzuschlagen. Auch sc Untersuchung zeigt die Verkehrtheit der ROstowschen Annahmen und Möglichkeit der Führung einer so langen Lanze. Sein Gedanke, es könne Fusse der Sarisse ein eisernes Schuhstück, wie es wohl bei griechischen Lan vorkommt (H. Droysen Heerwesen S. 17), als Gegengewicht angebracht gewe sein {oriKOffia bei Polybius) ist ansprechend, aber nicht zu beweisen.

3) Pol. XVIIl 29, 2: TO 9i tdJv aaçiaacâv fieye&os iari uata fièv ' ii açxr^s v7i6d'8CiV éxxaiSaxa nrjxoiv, xara rrjv âçftoytjv tvjv nçoç i aii^&eiav dêxaxaxtâQatv.

4) Genau 0,50—0,53 kg.

5) Nach freundlicher Angabe des Herrn Abwart Küntly am Baseler h Museums. Der Umfang des Schaftes an diesem Speere betrug am Fuss 0,10

ZUM GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 225

El\e dafOD wog also mit EiDrechmiDg der eiserneo Spitze im IhirchscbDÎtt Dur etwas Ober ^/a kg*); und bei einem aoderea Spiesse im Zeugbause tod Luzern kam der Durcbscbnitt sogar nur auf 0,213, also beträchtlich unter kg zu stebeo.*) Legen wir trotzdem das volle Gewicht der schwereren Lanze der Berechnung des 14 elligen Speeres zu Grunde, so erbalten wir doch nur ein Gesammtgewicbt von nicht ganz 4 kg.*) 3. RQstow setzt den Raum xwiscben den beiden Händen des speerlragenden Soldaten auf nur zwei Fuss an/) Je kleiner dieser Raum war^ um so grösser musste allerdings der Druck der rechten Hand werden, welcher dem vor- deren längeren Theile der Lanze das Gleichgewicht halten sollte. Darum rechnet man aber auch in der Landsknechtszeit durchgehend drei Fuss zwischen den Händen und damals musste man doch wohl wissen, wie man am bequemsten solche Speere handhabt.*)

io der Mitte 0,115 m. Ich bemerke dabei gleich, dass alle langen Spiesse <iieier Art, die ich aolersucht habe, die Eigenthümlichkeit hatten in der Bütte im dicksten zu sein.

1) Genau 0,282 kg.

2) Von mir selbst gewogen. Der Spiess war 4,56 m lang, 2,2 kg schwer, listte ooten 9, in der Mitte 10, oben 8 cm Umfang. Er gehörte zu den leich- ^. Nach Angabe des dortigen Vorstehers des Zeughaases haben die dor- Htü Speere es sind noch mehrere hundert da alle etwa dasselbe Ge- bebt. Er taxirte , dass die Abweichung nach oben höchstens etwa 0,60 kg Intrigen könne.

3) Genau 3,953 kg.

4) Er setzt diesen Zwischenraum so klein an wegen des Schildes, den ^cr makedonische Hoplit trug : ,die rechte wird aber sagt er nicht viel ^titer als 2' hinter der linken angreifen können, wenn der linke Arm dicht *Bi Leibe bleiben soll, was man wegen der Deckung mit dem Schilde, zumal Ib der nvxvwais^ nothwendig annehmen muss.* Der Schild deckte indessen,

[ ▼ran er an halbgekrûmmtem und halb rechts vorgestrecktem Arme hing, auch I ohne an den Körper angepresst zu sein, ebensowohl. War er doch durch eine . besondere Vorrichtung (Plut. Cleomenet 11), die uns aber nicht genau be- gannt ist (Baumeister Deiikm. S. 2039, H. Droysen Heerführung der Griechen S. 14), zam Gebrauch neben der Sarisse eingerichteL Auch die Landsknechte des 17. Jahrhunderts fassten, wenn sie mit Schild und Pike bewehrt waren, die letztere mindestens mit drei Fuss Spannung, wie die Abbildungen in flaoptmann Lavaters Kriegsböchlein (Zürich 1644) das auf S. 84 deutlich zeigen, die auch lugletch aber die Haltung des Schildes Aufschluss geben.

5) Maechiavelii IieUe Ubri deW arts delta guerra. Opère Bd. IV (Aus- gabe 1813) p. 302: uno braecio e mezzo (88 cm. 1 braecio von Florenz 0,584 ID, Behm geogr. Jahrbuch I S. XXIV) ê oecupato dalle mani, Monte-

226 J. KROHATER

Der Druck, welcher das Gleichgewicht halt, verriDgert sich damit um ein yolles Drittel. Das Resultat dieser drei Correctureo ist, dass statt des Yermeintlichen Druckes yon 30 &. our eio solcher ▼OD kaum 6 kg nOthig ist.*) Die RQstow'scbe UomOglichkeit ist verschwunden.*) Wenn ich zum Schlüsse noch hinzufOge, dass die längsten Speere der Landsknechte, die uns bekannt sind, nur um 36 cm hinter den 14 elligen des Polybius zurOckbleiben,') so glaube

encoli Mémoires (Strassborg 1735) S. 26: t7 y a iroù pieds au entfiron {de la pique) occupe» par les mains, v. Wallhausen Kriegskunst za Pass (Oppen- heim 1615) die Abbild, zw. S. 54 ond 55. Man halte nicht entgegen (wie RQstow Gesch. der Infanterie S. 252), dass die Speerhaltung bei den Make- doniern eine andere gewesen sei als bei den Landsknechten, dass jene des Speer in Hûflhôhe, die Landsknechte ihn dagegen in Halshöhe gehalten hittea (s. die Abb. bei Wallhausen a. a. 0.). Denn 1. gab es auch bei den Lands- knechten die Haltung in Hufthöhe, wie die Beschreibung bei Mootecocali S. 21 und zahlreiche Abbildungen zeigen (Wallh. Taf. 32. 37 u. s. die Landt- knechtsschlacht von Holbein in Basel u. s. w.). Sie war sogar die gewöhn- liche (von Wallhausen wird sie S. 57 als die zweite Art des SpiessiSlIea» gegen Fussvolk ausführlich beschrieben). 2. ist dieser Unterschied fflr di^ Weite der Handfassung gleichgültig. Durch eine Senkung beider Unterarme um etwa 25 cm geht man ohne irgend welche Veränderung in der Fassoa^ aus einer Stellung in die andere über. Den Versuch kann jeder selbst mM^ Leichtigkeit machen.

1) Genau 5,924 kg. a b sei der Spiess von 14 Ellen, c der AngrtiSiB- punkt der linken Hand, zugleich der Unterstötzungspunkt des Hebels, dess^* linker Arm also 10, dessen rechter 4 Ellen lang ist Der längere Arm, 2,821 ^< schwer, wirkt in dem Schwerpunkte dieses Hebelarms d; der kürzere 1,128 ^f schwer in e. Der Druck, welcher an diesem Punkte durch die rechte B***^ geleistet werden muss, sei x. Er ergiebt sich aus der Gleichung:

5. 2,821 = 2. 1,128 + 2 X. a de e ^

10 9876543 2 1 A Î 2

Î I

2,821 kg. 1,128 kg.

2) Die Landsknechte, welche ihre Spiesse beim Fällen ganz am KO^ aiifassten (s. Macchiav. a. a. 0. Wallhausen a. a. 0. Montecuculi S. 26 n. s. ^^ hatten bei einer Länge der Spiesse von 18 Fuss sogar einen Druck von tt^^ 7,5 k mit der rechten Hand auszuüben.

3) Die Spiesse der Landsknechte betrugen 18 Fuss nach Monteca^^^^ Mém. p. 26, Macchiavelli a. a. 0. 11 S. 232 u. a.; 14 polybianische Ellen »i^^ 6,21m, (falsch Daremberg 7,20 m Lit. H p. 36), 18 alte pariser Fuss »î^^ 5,85 m, da der betr. Fnss 0,325 m beträgt Behm geogr. Jahrbuch I S. %f-^

ZOM GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 227

ich auch too dieser Seite her die ExisteozmOglichkeit der Poly- biaDiscben Sarissen erwiesen und somit jedeo Einwand, der fOD ^eser Seite her gegen den Gliederabstand Ton drei Fuss erhoben werden kann, aus der Welt gescbaflTt zu haben.

Doch es erhebt sich alsbald eine neue Schwierigkeit. Es giebt nadi Niebuhrs^) nicht nur geistreicher, sondern, was mehr ist, wahrer Bemerkung, im Alterthum zwei ganz entgegengesetzte Arten der Taktik. Die eine yerlasst sich auf den einzelnen Mann, seine Geschicklichkeit in den Waffen, seine persönliche Tapferkeit, die andere wirkt durch die Masse, der Einzelne thut fOr sich allein niebts oder fast nichts. Jene ist die römische, diese die make- donische KampfesarL Wie nun? Wenn die Phalanx, in der ja dieses Hassenprincip am stärksten ausgeprägt ist, mit ihrer 16 oder gar 32 Glieder*) tiefen Aufstellung durch den Druck allein, aber durch ihn auch mit Tollster Gewalt wirken soll,*) wie ist dann One 80 weite Aufstellung der Glieder Oberhaupt denkbar? Hat nsn da nicht doch vollkommen Recht mit der Annahme, dass die Uoteren Reihen, die ja zu gar nichts weiter nütze waren, als zu sehieben, dicht genug aufgeschlossen sein mussten, um dieser Auf- gabe auch gerecht werden zu können?^ Wie yermochten sie aber <kn Stoss der ersten Glieder wirksam zu unterstützen , ja wie konnte auch nur das zweite und dritte Glied den Stoss des ersten verstärken, wenn zwischen Vorder- und Hintermann ein lichter Baom ?oo wenigstens 58 60 cm gelassen war? Das will in der thii uns Modernen, die wir ohne eigene Anschauung und prak- liicbe Erfahrung in solchen Dingen sind, unmöglich erscheinen, und hilfesuchend sehen wir uns nach einem Zeugen um, der uns JDit lebendiger Anschauung zur Seite treten könnte, um uns gegen-

Volle 14 Ellen würden nach Jahns a. a. 0. S. 756 auch für die Landa- knechte heraus kommen. Er spricht von Piken Ton über 6 m Länge, aber leider ohne Beleg.

1) Römische und makedonische Taktik, in der röm. Gesch. $.987 ff. (Ausgab« 1853).

2) So bei Magnesia Liv. XXXVII 40, 2. App. Syr. 32. 37, vgl. H. Droyaen Heerfflhrang 172 A. 2.

3) Das sagt Polyblos ausdrücklich XVIII 30, 4: avrtp ys /ir^ rq tov ^«SßuttoQ ßa(^e . nu^avvrac ovroi rovs nçoijyov/i^vatfÇ ßlaiav . . noioicé Tçr èfo9o¥,

4) So RQstow Gesch. des gr. Kriegsw. S. 239 A.

228 J. KROMAYER

aber einer UDbegreifiicheD, und dessbalb nalOrlich als falsch b^ trachteten Ueberlieferung zum Siege zu verhelfeD. Der ZuhU wi ans wohl, so scheint es. Es giebt ja bekanntlich in der & schichte des Kriegswesens eine durchschlagende Parallele tu in makedonischen Phalanx: die Landsknechtstaktik mit ihren Jang« Spiessen\^) Auch hier ist der Einzelne nichts und fOllig wehrk wenn der Gegner ihm nahe genug auf den Leib rücken kann, i Masse wirkt als solche, auch hier ist der Choc, auch hier die fl Reihen Speereisen, welche sich vor das erste Glied yorstarr« senken, auch hier die dicke Masse der nur schiebenden Krieg im Hintergrunde, hier werden wir also so hoffen wir von unsen modernen Standpunkte aus sicher eine Widerlegung der Grieck finden.

In der ThatI Reichlich und klar sprudeln die Nachrichl* hier empor. Macchiavelli lässt in seiner Theorie der Kriegaku die Gewalthaufen Yon 400 Mann mit 20 Mann Front und 20 Mai Tiefe (a. a. 0. S. 252 f.) so aufmarschiren, dass die Tiefe 40 flore tinische bracda (S. 284), d. h. 23,36 m betragt.^ Er rechnet » hin auf den Mann zwei volle bracda') oder 1,17 m der Tiefe aacl und in der engsten Ordnung, wo es ihm darauf ankommt zu zeig« wie viele Piken man besten Falles^) ins Gefecht bringen kOoB lässt er seine Glieder doch nicht naher als 1^2 braecio »^ Ofii \ aufrücken.") Es ist eine recht peinliche Ueberraschung: das i genau der Abstand der Makedonier nach Polybius. Und nid anders war es in Frankreich, wo die Institution de la dßsdfb militaire au royaume de France a. 1559") gleichfalls einen Glieda abstand von drei Fuss vorschreibt, nicht anders in Deutschliai wo nach den Angaben des Herrn Johann Jacob von Wallbau80 der loblichen Stadt Danzig Obrist- Wachtmeister, beim Klampfe vc

1) Vgl. Macchiavelli a. a. 0. S. 280: i battagliani de* Svi%%eri \ qitetti tempi tutti i modi delta falange etc.

2) 1 braccio von Florenz » 0,584 m, s. obeo S. 225 A. 5.

3) P. 253: tono distanti almeno due braccia Vuno dalP aUro,

4) Quattro o at piu cinque,

5) P. 302 : la seconda fila . . consume un braccio e mezzo neiio spa che resta ira Puna fila e Pâlira.

6) P. 76 und 96. Nach Röstow Gescb. der Infanterie S. 251. Ebei Je la Noue, discours politiques et militaires éd. de Fresnes 1596 p. 458, 50 Mann hintereinander 60 Schritt brauchen.

TXM GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 229

Fvmolk gegen Fussfolk sogar ein Abstand von iVs Schritt/) d. h. fon etwa 3 3V2 Fuss gefordert wird.')

Man kODDte das Register leicht yermehreD.*) Doch genug I Die drei Beispiele aus den drei Ländern zeigen, dass es eben flbenlJ so war, und die Ubereinslimnaenden Zeugnisse aus den beideo fast um zwei Jahrtausende getrennten Geschichtsperioden akacheo jeden Widerspruch yerstummen. Zugleich aber reizen sie oiwjderstehlich, den Grund dieser Uebereinstimmung, die also doch wohl ia der Natur der Sache liegen muss, kennen zu lernen.

Hit einem so oberflächlichen Raisonnement, wie das vorher legebene über den Druck der hinteren Glieder ist es freilich nicht gelban. Es bedarf der lebhaftesten Vergegenwärtigung der Actions- bedingungen. Der makedonische Soldat fasst wie der Landsknecht Moe Lanze mit beiden Händen möglichst weit, wie wir gesehen kaben. Drei Fuss war etwa das Maass dieser Weite. Wie nun,

1) Kriegskunst zu Fuss S. 79: in enger und geschlossener Ordnung stehen ..erstlich mit geschlossener Schlachtordnung gegen Fussvolk streiten. Zon auderen . . , gegen Reulerei streiten. Die erste gegen Fussvolk ge- itMebet nach Gelegenheit etwas weiter (als gegen die Reiterei) und mit iQdertliaib Schritt in Reyen (d.h. in Rotten) und Gliedern Oistantien.

2) Es giebt natürlich grosse und kleine Schritte. Wenn aber wie hier 00 Schritt, so wie man ihn beim Abschreilen zu nehmen pflegt, als Maass Sttetzt ist, so wird man an einen Dnrchschnittsschritt von mindestens 60 bis ^Ocin denken müssen. Damit erhalten wir 90—105 cm für IVs Schritt oder Iwt genau 3 3Yt polybianische Fuss. Dass diese Thatsache R. Schneider ^ seiner Theorie Ton den engen Abständen der Makedonier (s. S. 221 A. 3. ^224 A. 2) sehr unbequem ist, lässt sich denken. Wenn er sie aber da- divch aus der Weit zu schaflen sucht, dass er (Legion und Phalanx S. 77) los glauben machen will, ein Durchschnitlsschritt sei im 17. Jahrhundert ^er gewesen als im 19., weil damals die Soldaten im Glied in der Grätsche IttUoden hätteo, während sie jetzt mit Hackenschlnss stehen, so verglast er ttiogeben, was Grätsche und Hackenschlnss in aller Welt mit dem Schritte ^Mannes zu thun haben, der Distancen abschreitet. Denn darum handelt ^ sidi j», wie ausser der Natur der Sache noch die Schriitmessung bei Ab- •teckoog des Lagers (Wallhansen S. 122 f. 125 f.) handgreiflich zeigt. Monte- ^OCQÜ, dessen Soldaten auch mit PioderhoKeo in Grätsche standen, rechnet auch ausdrücklich einen Schritt égal à deux grands pieds géométriques ^^^. p. 25), d. h. ^ 0,75 cm. Denn ein geometrischer Fuss, von denen 10 'of eine rheinische Ruthe gehen (Montecuc. a. 0.), ist gleich 0,376 m. Behm f^gr. Jahrbach I S. XXX. (Jebrigens kommt Schneider mit seinem kleinen ^rilt von 55 cm nicht einmal zum gewünschten Ziel: P/s seiner Schritte 9<t>eo auch 82,5 cm, also nur 6 cm weniger als drei polybianische Fuss.

3) Vgl. z. B. unten S. 230 A. 2.

230 J. KROMATER

wenn der HiDtermaoD naher als drei Puss steht? Soll er ei über die Hand seines Vordermannes nach vorn Qbergreifen, an jeder freien Bewegung hindern ? Schon aus diesem Gnioda ein näheres AufrOcken unthuulich.*)

Aber es kommt ein Zweites hinzu. Eine so tief aufgesld Colonne wie die makedonische bedarf naturgemflss einiger Elai citat in sich. Sie muss sich noch um ein wenig mehr zusamme drücken können , als ihre normale Tiefe betragt. Sonst bat i kleinste Anhalten, ja die geringste, auch nur augenblickliche Stockm in einem der ersten Glieder einen Stoss fDr den Hintermann i Folge, der sich von jenem weiter bis zum letzten Gliede fortiel und öfters wiederholt unerträglich wird. Um dieser ermOdesdi Unannehmlichkeit tiberhoben zu sein, wird der Soldat sich « willkürlich mehr oder weniger von seinem Vordermann fernhalte Die Colonne lockert sich unweigerlich,') aber mit dem Nachtheil dass Richtung und Ordnung zugleich verloren gehen. Kdi 100 Schritt wird sich eine Colonne von 16 Gliedern mit dsc Abstand von zwei Fuss vorwärts bewegen können.') Die vooi fang an loser aufgestellte dagegen bewegt sich frei, bis sie di Feind erreicht: da verlangsamen plötzlich die ersten Gliedenh Schritt oder sie hemmen ihn ganz, nothgedrungen. Und nun dria hinter ihnen Glied auf Glied, wie es im Schwünge ist, gleichmSei überall nach. Der moralische Halt, den die hinteren Kämpfer g währten, verwandelt sich jetzt erst^) in physischen Druck und i

1) Dies ist also Dicht nor, wie Rüstow meint, ein Grand für den weit Gliederabstand bei den Landsknechten (Gesch. der Infanterie S. 252), aonôt es gilt ebenso für die Makedonier, vgl. oben S. 225 A. 4.

2) Es ist eine bekannte Erfahrang vom Exercierplatze, dass sich be Marsche in Reihen trotz aller Gegenmaassregeln der Exerciermeister die fn stets verlängert. Das ist genau dieselbe Erscheinung, und dabei betrilgt dieser Stellung der Abstand unserer Soldaten von einander mehr als iwei Fo etwa 66 cm, s. onten S. 240 A. 2. Diese Thatsache erkennt Râstow (Gen der Infanterie S. 254) sogar für die Schweizer Gewalthaufen an, obgleich hier selber den Abstand schon auf drei Fuss ansetzt.

3) Bei unseren wohl eingedrillten Soldaten beträgt sogar der lichte, d. von Röcken zu Brust gemessene Gliederabstand selbst im Schritt schon 64« Bei ,ohne Tritt* wird er dann auf 80 cm verlängert, Exercierregleoeat die Infanterie 1889 S. 7 § 7. Und auf Kriegsmärschen soll er nacli der Fe dienstoidnung von Brust zu Brust sogar 1,10 m weit sein.

4) So erledigt sich Lammerts Bedenken (Polybius und die römische Tak S. 12): ,eben8o verkehrt bezeichnet es Polybius für einen besonderen Vortl

ZUM GRIECHISCHEN UND ROMISCHEN HEERWESEN 231

lebereeaguDg, dass man vorwärts müsse, wenn mao Dicht erdrückt ider zertreten werden wolle, wird durch diese grob -sinnliche Empfindung zu vollstem Bewusstsein gebracht. Die vordersten Beiheo, und mit ihnen die ganze Phalanx entfalten ihre höchsten Leistungen.

Es ist immer ein erfreuliches Zeichen für die Richtigkeit eines vineDschaftlichen Resultates, wenn dadurch auf bisher unerklärte Tbitsachen plötzlich ein neues Licht fölit. Die makedonische Pha- hix ist in dem Augenblicke, wo sie schon zum Kampfe vorrücken tollte, noch im Stande gewesen, leichtbewaffnetes Fussvolk von vorn nach hinten durch ihre Reihen hindurchzulassen, ohne in Verwirrung zu gerathen. ,Sie macht Lücken' so heisst es wieder- Mt und schlicssl sie nachher sofort wieder.') Merkwürdiges, leAhrliches Manöver im Angesicht des FeindesI Sollte man wirklich ^veh Zusammenziehen der Front oder gar durch Bewegungen giaier Abtbeilungen dem Feinde eine solche Blosse gegeben haben Sit einer Phalanx, deren Heil ja allein auf ihrem Zusammenhalt krähte? Da man dies schlechterdings nicht annehmen konnte, so bGeb den bisherigen Erklärungsversuchen in der That nichts an- aleres übrig, als der Interpretation der Texte Gewalt anzuthun.*)

^ Bikedonischeo Aofstellang, dass die 15 Hintermänner . . . ihren Vorder- ^ocTD durch den Druck ihres Körpergewichtes . eine gewaltige Stoss- baft verleihen. Denn das ist bei drei Fnss Gliederabstand unmöglich.' Es PWea denn natürlich die Beschreibungen der Alten auch nur auf den Augen- l>Kck des Zusammenstosses, nicht auf das Anrücken. Arr. tact, 16: xarà rois *^wirs nal ras nXev(fàs al àrêffêiaeis ylyvovrat, tœv ne^àiv; anon. byz. 15, 19 : ^ x( noê^ xov àyœroç cwm^ovm ravs tfftnçoa&av^ cûaxe ßac%nicav rtjr fwoyya t^ nAir.aêi yiyraaâ'ai.

1) Bei Magnesia App. Syr, 35: ^ di ydXayS ''ovç tptlovç xoiç inl ^ futwnav tSfpmv ixi nçonoXêfiavrraç 8iairràira avrrjv idiiaro ^ nâXiv üvv^ei und bei den Thermopylen ib. 19: rot's fUv yptlaitç r} f^i . . 8iacràira is avrr^v éSêSato xal uvvêX&ovca ènaXwpê,

2) H. Droysen Heerwesen S. 173, 3. Wenn die Leichten sich bei Magnesia ^irch die Intervalle, in denen die Elephanten gestanden hatten, wie Droysen ▼VBQthety zurückgezogen hätten, so bitte von einem Auseinandertreten und ^itderzQsammen treten der Phalanx nicht geredet zu werden brauchen. Auf ^ Schlacht bei Thermopylae aber passt Droysens Erklärung erst recht nicht, ^ hier die Elephanten gar nicht zwischen den Abtheilungen der Phalanx, •owlern alle anf dem rechten Flügel standen (App. Syr, 18). Die Maassregel ^ Eiodonblirens der Rotten verwirft Droysen von seinem Standpunkte aus mit '^t, weil bei zwei Fuss Gliederabstand das gar nicht mehr ausführbar ist

232 J. KROMATER

Bei eiDem Gliederabsland voo drei Fuss ist das MaoO?er das en- fachste tod der Welt: die ungeraden Rotten treten mit eÎMB Schritt halblinks rOckwärts hinter ihre NebennUInner.*) Breili Strassen entstehen so überall zwischen den steheDgebliebènen ge- raden Rotten. Die Leichten können sogar laufend hindarcb. Dmè einen Schritt halbrechts vorwärts wird dann die alte Stellung wieAr gewonnen. Auch dass man von der Phalanx in ihrer Schbchl» Stellung den Laufschritt verlangen kann, wie es Alexander im Massaga*) und unter den erschwerenden Umstanden einer Flaokea* bewegung PhilopOmen bei Mantinea that/) auch das ist etwas, nur bei der von uns erwiesenen loseren Aufstellung möglich «Mi» So finden die verschiedensten Elemente sich zusammen: ikr directe Ueberlieferung des Polybius und der Taktiker, die Anakigift ähnlicher taktischer Verhältnisse aus der Zeit der LandskneAti^ die aus der Natur der Sache selbst geschöpfte Betrachtung endlich die Erklärung bisher unverständlicher Nachrichten alM* Schriftsteller: alles hilft an seinem Theile eine bisher zwar alk gemein herrschende, aber doch nur moderne Ansicht, boffentUi endgültig, zu beseitigen.

Der Rottenabstand.

Ein Taktiker, der seinen Lesern ein Bild von der AufsIdloH ' eines Truppenkörpers geben will, hat ausser von dem Gliedir- abstande auch von der Dichtigkeit der Rotten oder von dem Ab*- Stande des Nebenmannes zum Nebenmann zu sprechen. PoIyM: bat in seiner Auseinandersetzung über die Phalanx ein soldMI' Bild geben wollen. Er spricht das nicht nur im AUgemeinca aus,^) sondern er ist sich der beiden soeben gestellten Fordenmgit voll bewusst, da er ausdrücklich von dem Charakter und der Dichts der Phalanx nach Vorder- und Nebenmann redet.*) Folglich muH sich in seiner Beschreibung eine Bestimmung auch Ober den Ab-

1) Dies Manöver des Eindoublirens nach Rotten ist den griecblsckeo Tak tikern wohl bekannt Belege bei Droysen S. 41.

2) Arrian anab, IV 26.

3) Poiyb. XI 15, 2: naçayyeiXas ev&iOfÇ xoU nçwxo^ç tiJiMfft tomt ^ JUx^^iTo;«' kn^ aaniSa xXiveiv, nçorfye finà SçofUfv^ xrjçwv %às to^mc.

4) XVIIl 29, 1 : éxovafjÇ rr^e ^aXayyoç t^v avrf^ iStârtfTa nal 9wm^m

5) Ib. 5: éxoicij: t^c fnXayyos rr^r avrtjS iSwrrira xai nwevmCi^ 9m% inKrrârfjv xal xarà naça^rajrjv.

ZUM GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 233

«Uod voD Neben- zu NebeomaDD fioden. Die einzige hierher be-

iti^licbe Angabe ist aber dieselbe, die wir schon früher kennen

gelernt haben 6 fiiv avqg ïaTaïai . . . |y rçi^aï noai, und so

bat man sie denn auch bis jetzt durchgehend auf diesen Abstand

gedeutet.') Wir aber hatten sie oben mit demselben Rechte für

deo Abstand von Hinter- zu Vordermann in Anspruch genommen.

Was folgt daraus? Sie gilt für beides. Der Ausdruck laTorai

h ïQiai noai lässt doch auch, besonders wenn wir noch die ana-

, logen Ausdrucksweisen der übrigen Taktiker heranziehen,') kaum

I eine andere Deutung als möglich erscheinen. Denn er enthält ja

[ keine specielle Bestimmung für irgend eine Richtung, sondern giebt

1 den Raum, den ein Mann braucht^ ganz allgemein, also nach allen

Seiten bin an. Man könnte ihn deutsch am klarsten etwa so über-

Ktien: der Mann nimmt drei Fuss im Quadrat ein.') Die Sache

ist 80 zweifellos, dass ich auch hier wieder die Acten schliessen

konnte mit dem Resultat: in der zum Gefecht anrückenden

Phalaux betrug der Frontraum des einzelnen Mannes drei

griechische Fuss oder 89 cm.

Es ist einigermaassen wunderbar, dass man diesen so klaren fhatbestand bat läugnen oder wenigstens an ihm hat deuteln können. ^ker man hat es gethan, und unsere nächste Aufgabe wird daher ^Oi auch die anderen Quellen daraufhin zu verhören.

Zunächst die Taktiker des Alterthumes: sie kennen eine Stel- ^ der Phalanx, in welcher der Mann zwei Ellen im Quadrat einnimmt^); es ist genau dieselbe wie die des Polybius. Sie nennen ^eae Stellung 7cvytvù)aiç,^) Polybius auch.*) Sie behaupten , ge-

i) Rüstow und Köchly gr. Kriegsschriftst. II 1, 125 o. 8. Droysen Heer- ^cien S. 39 Â. 1 ood sonst

2) Sie geben stets den Abstand nach Breite und Tiefe an und zwar **B)€r beide Entfernungen gleich gross, s. unten A. 4 und S. 234 A. 2.

3) Wörtlich biesse es ,er steht innerhalb eines Raumes von drei Fuss.* ^ Bedeutung der Präposition ir ist bei Polybius sehr häufig, s. das Lexicon ^*lyb. Ton Gasaubonus-Sehweighäuser unter iv Absatz 6.

4) Âsclep. IV 1: ro (dêâaxrjflia) . . tp Staanjxaat nayraxS&ar 8vo *^Xßti drei Fuss) ott' ulXi^Xatr, Arrian 12, 6 avr^ç . . onUrrjç êhrtJKSi^ * * ^ Svo nrtXß^i fiàJuaxa^ vgl. 11, 3: xatà na(>a<frœnjp ncd énêifTonjr. Aelian U, 2: xaxix*^ ^X'*^ ^^o ... 3 nazà na^cràrrjv uetl imatârtiv.

&) Âsclep. a. 0.: o nal niûnvœaév énovofta^ovair; Arr. a. 0.: xarà "•""«Wir; Aelian: nêTttmvatfAivoi.

^) A. 0. 29, 2: narà Tctç ivaytoviovQ tnmrecanç, 5: éxovmjs rrjé ^â- ^/yw T^v avrr,s . . TtvMvvifir, 30, 3 : t J ynmtuèasê.

234 J. KROMAYER

rade in dieser Stellung sei man zum Kampfe angerOckt,*) Polybii nicht minder. Die Uebereinstimmung kann nicht TollkonDmeM sein im Positiven. Auch nicht im Negativen: die Taktiker keiUM keine, insonderheit keine engere Stellung für den Angriff, PoljUi auch nicht. Die einzige engere Stellung, von der die Taktiker noek reden, wird ausdrücklich als eine Vertheidigungsstellung im Sukm bezeichnet.*) Von Vertheidigung redet Polybius an unswer Stdi aber Oberhaupt nicht, folglich auch von keiner engeren SteUofi Die alte Tradition steht also hier beim Rottenabstand diea« geschlossen da, wie vorher beim Gliederabstand, and bietet aach zu einem sachlichen Zweifel um so weniger Veranlassung, als dii Nachrichten der Landsknechtszeit völlig damit Qbereinstimmen. Wii wissen schon , dass Macchiavellis Bataglie 20 Mann in der Fküfl haben (s. oben S. 228) und lernen jetzt dazu, dass diese 20 Haan 25 braccia, d. h. 14,60 m') Raum brauchten. Auf den Mann eifish das 0,73 m oder fast genau 2V2 griechische Fuss.^) Nicht mtm ist es bei Wallhausen: 1^2 Schritt für den Mann auch in dtf Front, das war sein Maass beim Kampfe von Fussvolk gegen Fm» volk, und wie wir gesehen, waren das etwa 3 37^ griechisch Fuss (S. 221 A. 1 und 2). Nicht anders war es ferner in Frankrdcb wie das aus dem zweiten von de la Nouös geistreichen ParadoB deutlich hervorgeht.*) Der Abstand von Neben- zu NebenmM

1) Asdep. IV 3: yirarai 9i tj fiàv TtvKvmins, oxav ri/iäU tous flBili fiioêS xjjv fpélayya énâya»ft.w, Ael. 11, 5: ylvtxcu di 17 xwepmaeS, cum i CTffarrjyos ßovhqd^ énâyêiv rr^v ^kayya ini to^s ivav^tavÇm

2) Diese Stellung wird von ihnen awaantaftos genannt; der Ranin, êm der Mann in ihr einnimmt, beträgt 1 Elle oder 17s Fuss im Quadrat anl c heisst Ton ihr: yivexai . . 0 cwaan*Cftos orar oi noXé/iWà fjftû^ ànâymn^ Asclep. IV 1. 3. Ael. 11, 2. 5 und entsprechend Arrian 11, 4.

3) 1 braccio » 0,584, s. oben S. 225 A. 5.

4) 2Vs Fuss genau » 0,7392; falsch behauptet Lammert a. a. 0. S.1^ dass die Soldaten bei Macchiavelli nur P/a Fuss Frontraum gehabt hittea.

5) Discours politiques et militaires p. 456, die Zeichnung mit MaasMtd Es kommen danach auf 50 Mann 60 Schritt auch in der Front; also bei SchritU von 70 cm auf jeden Mann 84 cm oder fast volle drei Fuss. Nach Röata^ Gesch. der Infanterie S. 251 soll die Institution de la discipline wäÜtmirte royaume de France die Frontbreite eines Mannes auf nur l'/i geometrisd Fuss, d. h. 56 cm (s. oben S. 229 A. 2 über die Grösse des geometrischl Fusses) angeben. Für eine Vertheidigungsstellung ist das gaox io der Of nung. Da Rüstow sich ober diesen Punkt nicht ausspricht and ich die I stitution auf vier der grössten deutschen Bibliotheken vergebens verlaa habe, muss ich die Sache vorläufig auf sich beruhen lasten.

ZUM GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 235

chwaokt also auch in den Gefechten der Landskoecbte um die Irei Fuss herum und deckt sich genau mit deo AogabeD des Po- tjbius und der alten Tradition überhaupt. Ja sogar die negative Säte stimmt wiederum üherein. Ein geringerer Abstand ist Wall- huMen for das Angriffsgefecht Oberhaupt nicht bekannt, sondern Msdrticklich wird auch bei ihm die engere Stellung, die er noch vwtbnty auf den Kampf gegen Reiterei und das stehende Ver- Iheidigungsgefecht beschränkt.*)

Ziehen wir auch hier wieder die Summe des Ganzen, so können wir schlechterdings nicht umhin, zunächst wenigstens die Thitflache als Thatsache hinzunehmen. Ja die merkwürdige und mllkommene Uebereinstimmung zwischen Alterthum und Lands- knechtszeit gestattet kaum noch, den Gedanken zurückzudrängen, im far eine mit langen Lanzen bewehrte Truppe die Aufstellung ■it drei Fuss Frontbreite ebenso durch die Natur der Sache ge- Mert sein muss, wie wir es vorher von den drei Fuss Tiefe con- ititirt haben. Freilich begreifen wir es sehr wohl, dass moderne Faneber diese nach unseren Begriffen so lose Stellung nicht für ie berühmte enggedrängte Phalanxstellung haben halten wollen nnd dass es ihnen äusserst sonderbar vorkam, wenn sie lasen, dass ie Taktiker sie zu den ,geschlossenen' rechneten') und Polybius Mf sie gar die bekannten Dichterworte anwandte:

ianlg ag^ àanià* ïçsiôe, xoqvç %6qvv^ àvéça â^ àvrç . . .

^mvov i* iTcnoxofÂOi xoçvx^eç Xafinçoîai ^akoiat

fevoyrwv nvxvol iq>éo%aaav àllijXoiai* Denn der Mann im Gliede so haben diese Forscher mit allem MieiDe der Wahrheit ausgeführt') braucht ja bekanntlich nicht

1) Nach den oben S. 229 A. 1 citirten Worten fahrt Wallhaosen Kriega- kaD8tS.79 ao fort: zum anderen mit wohl geschlcaaen er Schlachtordnang fcgeo Beoterei atreiten, ... die zweite gegen Reoterei h a r t angeachloaaen, damit ^ im ein- und durchbrechen der Reoterei besserer Widerstand zu thun sei. Aach der Hauptmann Lavater in seinem .Kriegsböchlein' Zürich 1644 kennt ^ ganz geschlossene Ordnung ,soIIen sich aneinander wohl anschliessen, doch M weit, dass ein Jeder sein Gewehr unverhindert führen möge* (S. 89), nur >l etwa für Wagen oder Kanonen schnell Platz zu machen, oder beim Reiter- ttfriff ,80 meiatentheils wegen der Reiterei Einbruch beschihet' S. 90. Seine üAireichen Abbildungen geben überall eine Weite von etwa drei Fuss.

2) Indem sie sie als nvupœaiç bezeichnen.

3) Delbrück in dies. Ztschr. XXI S. 85 ff. und mit Abänderungen und ofâ(zea Perser- und Burgunderkriege S. 307 f. Ihm folgend dann Schneider erlioer pbilol. Wochenschrift VI S. 609 und Legion und Phalanx bes. S. 90 f.

236 J. KROMATER

entferot drei Fuss FrooU Die Schulterbreite beträgt Dor ein» 50 cm, durch die GefechtstelluDg mit Yorgesetztem liokeu Fuss u§i die damit verbundeoe halbe Drehung des Oberkörpers wird die FroDt Doch mehr verschmälert uod so entsteheu bei drei Fm FroDtraum maonsbreite Lückeo in der Phalanx. Es kann tbo, wie man glaubt, dabei fon einer «geschlossenen* Stellung eben» wenig die Rede sein wie davon, dass Polybius das Homercitat i«f diese weite Aufstellung angewandt babe.

Dieses verführerische Raisonnement ist nun seinen Urheben in der That so beweiskräftig vorgekommen, dass sie nicht drrar zurQckgescheut haben, lediglich darauf gestützt, die ganze Ueber- lieferuDg anzugreifen und umzustossen. Wenn wir ein solches Ver- fahren auch für grundsätzlich verkehrt halten, so werden wir dacb diesen Gedankengängen, deren Berechtigung bis jetzt von nienaad ernstlich in Frage gestellt ist, einen Augenblick folgen müMei« um zu sehen, wohin sie uns denn eigentlich führen. Delbrick« der Hauptvertreter dieser Theorie, stellt sich vor, die Leute des zweiten Gliedes hätten nicht genau hinter denen des ersten, Mindera auf den sogenannten mannsbreiten Lücken gestanden, die des drittes auf denen des zweiten und so fort bis zum 16. Gliede. In dieser Quincunxstellung sei man ins Gefecht gerückt. Habe man data aus irgend einem Grunde Hall gemacht, so seien die geraden Glieder in die Lücken der ungeraden hineingesprungen und in den avf diese Weise eindoBblirten Gliedern habe jetzt natürlich jeder SoMat nur noch 1 V'i Fuss Frontraum gehabt. Dies sei die Stellung, di6 Polybius meine. So glaubt Delbrück zu gleicher Zeit eine ander* sofort näher zu besprechende Schwierigkeit gelöst und erklärt IS haben, wesshalb Polybius auf zwei Mann Makedonier nur einen Römer in der Front rechne.

Ich constatire gegenüber diesem Erklärungsversuch folgendes* 1. Von einer Quincunxstellung in der makedonischen Phalanx ist nicht nur nichts bekannt, sondern sie widerspricht direct deP Quellennachrichten.*) 2. Von dem ganzen Manöver des Eindoo'

und l^mmert a. a. 0. bes. S. 12, wo die Sache elwas grotesk ausgemalt wife« Die von Delbrück an erstgenannter Stelle vorgetragenen Behauptaogeo M Einzelnen zu widerlegen war nicht nöthig , da er sie z. Th. selber an dcf zweiten Stelle zurückgezogen hat.

1) Es ist in den ausführlichen Schilderungen der Taktiker Aber die ve^ schiedenen Abstände und die Verânderungen derselbea immer nur vwi Ab

ZUM GRIECHISCHEN UND ROMISCHEN HEERWESEN 237

i)\îreDS und eioer Veränderung in der Formation der Phalanx sieht bei Poljbius kein Wort. 3. Das Durchstecken der Speere durch die fünf Tordersten Glieder der Phalanx ist eine Unmöglichkeit, weDD die Leute der hinteren Glieder gerade immer auf den Lücken der vorderen stehen (s. unten S. 240). 4. Nach dem Eindoubliren, wie Delbrück es sich denkt, würden nicht fünf, sondern nur noch drei Speereisen vor jedem Hanne des ersten Gliedes vorragen,*) oder man mOsste noch dazu annehmen , dass gleichzeitig mit dem Eindoabliren die hinteren Glieder aufgerückt wären, wodurch das Manöver noch complicirter wird. 5. Nach dem Eindoubliren ist die Truppe nicht mehr bewegungsfôhig. Das giebt Delbrück selber VL*) Was hat dann aber diese ganze Neuformation mit Polybius IQ thun? Der spricht ja lediglich von einer Phalanx in Bewegung (s. oben S. 219 A. 1), wendet auf sie das Dichterwort an und lässt indem Augenblick wo sie anrückt zwei Makedonier auf einen Römer kommen.

Der Delbrückscbe Erklärungsversuch ist also gescheitert Be- tnchten wir die anderen Vertreter dieser Theorie. Sie haben es fleh leichter gemacht als Delbrück. Denn ohne auf das schwierige ÎOQ Delbrück wenigstens gestellte Problem , wie denn im letzten Augenblick vor Beginn des Kampfes eine so tiefgreifende Forma- tioniferänderung eintreten konnte, überhaupt näher einzugehen, Behmen sie einfach an, dass die Makedonier auf 1^2 Fuss gestanden Idtten, ja weniger einsichtig als Delbrück wollen sie uns ghuben machen, sie wären in dieser Aufstellung sogar vorgegangen.')

^Meo uaw fAtptoQ nai ßa&os die Rede, oie voo scbrägeo. Dies ist mehr ^ ein argumentum ex siientio. Die Berechnungen der Abstände auf ein, >vei, Tier Elieo von Hinter- und Nebenmann waren unter der Voraussetzung do QoiDcunzstellung geradezu falsch. Es mûsste z. B. bei der Entfernungs- *^og Ton zwei Ellen, je nachdem man den geraden oder den schrägen ffiotermano im Auge hat, vier oder 27^ Elle rund angegeben sein. Auch die nnie Lehre von den Eindoublirungen (Asclep. X 17—20. Ael. XXIX ff. Arr. ^Vfl^) ist unter der Voraussetzung der Quincunxstellung nicht verständlich.

1) Da ja die ursprünglichen Glieder zwei und vier durch das Eindou- l^eo versehwunden sind.

2) ,In dieser Gedrängtheit waren sie freilich nicht mehr im Stande zu Burichieren* Perserkriege S. 308.

3) Schneider S. 90: ,. . für den Anmarsch standen die Phalangiten mit iDaoasbreiteo Locken, zum Fällen der Sarissen aber wurden die Glieder

I (/orcb Anschlieasen oder Verdoppelung geschlossen.* Und dann? Machte man etwa immer Halt, wenn man die Sarissen fällte? Lammert S. 21: ,die Ver- Hflcmes XZXV. 16

238 J. KROMAYER

Sie lassen damit nicht nur den Polybius etwas Unmögliches sag sondern sie bringen ihn in directen Gegensati tu den andc Quellen. Denn diese kennen ja, wie wir sahen, die GefechtasteBi mit 1^2 Fuss Frontbreite lediglich als eine DefensifsteUong Stehen. Zu all diesen sachlichen Schwierigkeiten kommt schliesil noch hinzu, dass dies wenig beneidenswerlhe Resultat moden Constructionen nur durch eine Textänderung des Polybius seil erreicht werden kann, die ohne irgendwie sprachlich oder inhaltt begründet zu sein,') lediglich in der Voreingenommenheit die Conjecturalkritiker für ihre Theorie ihre Stütze hat.*) Der I sonnene Historiker uad Philologe wird die künstlichen LOcki Setzungen und die noch viel künstlicheren Ausfüllungen derselb die alles erlaubte Maass conjecturaler Freiheiten überschreiten, dal stellen, wo sie zu stehen ▼erdienen.')

Die Lösung der Schwierigkeit auf diesem Wege ist also ai jeder Seite hin misslungen. Wir kehren zum Ausgangspunkt zart und indem wir constatiren, dass uns jetzt schlechterdings nie anderes mehr übrig bleibt, als an der Ueberlieferuog festzuhtlt zeigen uns zwei Bestätigungen, die wir auf dem Wege finden, d wir nunmehr den richtigen Pfad endlich wieder betreten beb Einerseits nämlich bemerken wir, dass Polybius noch an einer p anderen Stelle seines Werkes dasselbe homerische Dichterwort unzweideutiger Weise auf die Stellung mit drei Fuss Frontbn anwendet^); und andererseits erinnern wir uns, dass sowohl Hob

schildung . . (d.h. der Abstaod von V/^ Fuss) wurde nur unmittelbar^ dem Angriffe . . angewendet.' Also doch zum Angriffe and S. 14: liess nur den Marsch (!) aber keine Wendungen mehr zu.*

1) Die schwachen Versuche in dieser Richtung bei Schneider S. 91 Lammert S. 21 ff. bedürfen keiner Widerlegung.

2) In dem Satze Pol. XVIII 29, 2: inel yàç 6 fièv àvr,ç ïaraxeu Toïs oTtloiS èv Tçiai Tiocl xarà ràç évayofviove TtvMrœaets u. 8. w. soll fl Schneider hinter noal das Ende dieses Satzes und zugleich der Anfang folgenden ausgefallen sein, von dem nur die Worte xaxà ras è. n, noch 8t( geblieben wären.

3) Schneider begnügt sich so wenigstens mit einer unmotivirten Lfl Lammert aber conslruirt deren acht und füllt sie auch alle wieder mit eige Texte aus S. 23 ff.

4) Die bei der Kritik von Kallisthenes Beschreibung der Schlacht Issus vorkommenden Worte: ei 8* oXtoe avrj^amaav xarà xov non, ovTois cücja avvsQeXaai nçbi àXli^lovs (XII 21, 3) sind nichts als die saische Umschreibung des àonU âo' àaniS^ k'çaiBe, Dass sie auch hier

IQM GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 23Q

ettcoli als Wallhauseo die Aufstelluog mit drei, hezw. mit 3V2 Fuss Fronlraum ausdrücklich auch zu den geschlossenen rechnen,*) wie geÖissentlich man das auch wenigstens dem letzteren hat abstreiten wolleD.*) Alle drei Zeugnisse beweisen aber nicht nur von Neuem, «lass die Stellung mit drei Puss Frontbreite in der That die engste war, die man für eine Truppe in Bewegung kannte, sondern auch, «lasa sie alleft denen, welche praktische Erfahrung besassen, wirklich ab eine durchaus enggeschlossene vorgekommen ist.

Wenn uns vom Studiertische aus zunächst diese Auffassung Dicht recht zutreffend erscheiot, so werden wir uns doch, denke ich, unterordnen müssen und nachdem wir die Unanfechtbarkeit der Ttiatsache eingesehen haben, uns darauf beschränken, uns mit QBserem Verständniss ihr anzupassen. Denn in der That liegt der Fehler wiederum ganz allein in unserer mangelhaften Anschauung voo diesen Dingen. Sie durch oine möglichst eindringende Be- (nchtung so gut es geht zu ersetzen, sei hier der Versuch gewagt.

^ Prontbreite von drei Fuss angewandt sind, folgt aus Polybius ganzer Be- rcdiDODg für die Schlacht: 32000 Mann acht Mann tief »- 20 Stadien Front, ako 4000 Mann 12000 Fuss, d. h. 1 Mann » 3 Fuss. Irrlhömlich glaubt Biaer (Jabresber. des ösl. arch. Inst. Bd. II S. 115), dass es sich hier um ^ 9wa9nKrßt6s von 1 Vs Fuss bandelt. Dass man es fertig gebracht bat, aneb dies zweite Zeugniss durch allerlei Künsteleien und Verdächtigungen des l'oiybiDs (so Delbrück in dies. Ztschr. XXI S. 87) oder durch Gonjecturen (so l^Dfrl S. 20 f.) aus der Welt schaffen zu wollen, zeigt nur, wie verzweifelt tt mit der Theorie von den l^t Fuss Frontraum steht: hier sowie an ver- •düedenen anderen Stellen (z. B. Pol. IV 64, 6. Arr. V 17, 7. Plut. Philop. 9 VBd sonst oft) ist das Wort infvaaniieir in einem weiteren Sinne gebraucht, *ls bei den Taktikern awaamiffioc (s. S. 234 Â. 2). Es bezeichnet hier einfach <ioe eog geschlossene Aufstellung.

1) Oben S. 229 Â. 1 und Montecuculi a. a. 0. S. 25: pour les distances '*fréet on compte que le fantassin occupe trois pieds de front et autant ^hauteur.

2) Schneider S. 83, der das durch eine vollständige Verwirrung der Be- Srifie za Stande bringt. Nicht genug, dass er den Schritt bei Wallhausen, ^( oben (S. 229 A. 2) ausgeführt ist, willkürlich auf 55 cm, also um etwa 10 cm, verkürzt; er setzt ihn jetzt gar der griechischen Elle von 44 cm gleich oixl schneidet ihm damit noch einmal 11cm ab. So ausgerüstet identificirt ^dann Wallhausens ,weite Ordnung von zwei Schritt Abstand mit der grie- ^ischen nvxroKUS von drei Fuss im Geviert, während in Wahrheit die ^nifaciç sogar noch etwas enger ist als die geschlossene Schlachtordnung* (^liiiiausens von P/s Schritt. Damit fallen auch die anderen Identifîcationen eboeiders und die Schlösse, die er in dieser Richtung zieht, sämmtlich dahin, B. S. 76 f. und sonst.

16*

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240 J. KROMAYER

Der obeo besprochene Einwurf mit seiner Construction row ^ mannsbreiten Lücken bei drei Fuss Froolbreite geht DSmlich seres Erachtens nach zwei Seiten hin von einer grundsfttilii falschen Voraussetzung aus. Erstens macht er den Raum, welcb^j ein Mann in der Ruhe einnimmt, mechanisch zur Grundlage der Rerechnung für den Mann in der Rewegung/) ohne zu bedenkea^ dass dabei jedes Glied ich möchte sagen doppelten Rauo verlangt. Denn wegen der Schwankungen des Körpers nach recbli und links, wegen der Rewegung der Reine, der Schwinguoga oder sonstigen Lageveränderungen der Arme, wegen allerlei will- kürlicher oder unwillkürlicher Bewegungen der Waffen, wegen der stets vorhandenen Unebenheiten im Gelände bleiben die Zwischea- räume keinen Augenblick constant, sondern scheinbar selbst sehr bedeutende vermindern sich oft auf ein Minimum, so dass, wirei sie nicht vorhanden, ein fortwährendes Zusammenstossen, Gedrlnge und Unordnung die Folge sein würde. Das kann man selbst bei jedem Parademarsch, wo alle diese Störungen so viel wie Mensches möglich, beseitigt sind, fast jeden Augenblick constatiren. Schwaa- kungen und Schiebungen bedenklichster Art setzen sich hier oft von einem Flügel der Front bis zum anderen fort Und doch liiri unsere Soldaten eingedrillt, wie wir es bei den Makedoniern woU kaum voraussetzen dürfen und haben dazu einen Frontraum tob mehr als zwei Fuss.^ Zweitens aber ist bei der Phalanx die be* sondere Art der Bewaffnung nicht genügend in Rechnung geiogea worden: der Schild der Phalangiten hatte zwei Fuss im Durch- messer') und nahm daher schon zwei Drittel des Raumes weg* In das dritte Drittel fiel die linke Faust des Mannes^) und es mussten sich fünf Lanzenschärte hinein theilen, die jedes Mil

1) Die preussiftche Infanteriezielscheihe giebt die Mannsbreite sogir lof nur 40 cm an (Schiessvorschrift 1893). Bei Zugrundelegung dieser Breite könnte man sogar Lücken von melir als IV4 Mannsbreile herausrechneo.

2) 30 Mann eines Strassburger Regimentes mit loser Tuchfûhlong ohae Gewehr aufgestellt nahmen nach meiner Messung 18,90 m Frootraum ob» Das ergiebt Tür den Mann 63 cm. Mil Gewehr dürfte sich der Raoia vm mindestens 3 cm pro Mann erhöhen. Das wären dann etwa 274 Fuss.

3) Âsclep. V 1 : twv t?;« q>dXayyoi àaniSœv àqictri ri Maxadopoài . oxjofTidXaiajos = Àel. XII 1. Nach Constantin Porphyr. taeL 1. Meani» p. 4 sogar 3 Spithamen -=» 2^4 Fuss.

4) Da der Maun die Lanze mit beiden Händen hielt, konnte die Faost nicht unter dem Schilde sein.

ZUM GRIECHISCHEN UND ROMISCHEN HEERWESEN 241

Lwiscben zwei Mann des ersteD Gliedes hindurchragteDé*) Wenn àiete auch fielleicht nicht alle genau in der gleichen Höhe lagen, todasa für jede nur ein Fünftel des Raumes vorhanden gewesen wsre, so wird man doch andererseits für so gewaltig lange Lanzen «Der in Bewegung befindlichen Truppe einen gewissen Spielraum verlaagen müssen. Sonst hatte der Soldat seine Waffe überhaupt Dicbt mehr frei führen und zum Stosse gebrauchen können, ganz abgesehen von der nOthigen Ellbogenfreiheit, die für den Mann selber erforderlich war. Es will uns im Gegentheile bedünken, ab ob dieser Raum so knapp wie nur irgend möglich bemessen gewesen ware, als ob nur eine gut eingedrillte Truppe bei so engem Abstände, ohne Ordnung und Richtung zu verlieren zum Gefechte babe vorrücken können. Ja es wird selbst dann noch das àarrlç 0^' àaniô' ïçeide bei einigermaassen lebhafter Bewegung noch nehr als einmal im buchstäblichen Sinne wahr geworden sein.

So ist unser Ergebniss nach allen Seiten hin gesichert. Es bedarf nicht einmal mehr eines Rückblickes auf den durchmessenen Weg, diese Ueberzeugung noch zu verstarken. Wohl aber benutze ieb gleich hier den günstigen Augenblick, von unserer gewonnenen Stellong aus noch einen Ausblick nach vorne zu machen: wenn <)em Poiybius die Schlachtstelluog des makedonischen Hopliten in <hr Phalanx mit drei Fuss im Quadrat so besonders enge vorkam, <h88 er zur Veranschaulichung den Dichter mit seiner Schilderung n Hilfe rief, so werden die anderen Schlachtordnungen , die er kannte, loser, vielleicht weit loser gewesen sein müssen. Wir werden uns daran erinnern.

2. Die römische Acies.

Der General von Göler rechnet auf den römischen Soldaten io der Schlacht drei Puss Frontraum') und hat für diese Ansicht

1) Bei den Landskoechlen waren offenbar alle Speere gleich hoch aod ^gerecht geüllt, lagen also nebeneinander. Das scheint aus den Vorschriften ^ Wallhauseo und besonders aus der Abbildung Fig. 2 No. 1 lib. 3 hervor- <ngeheo. Bei den Makedoniern kann man das kaum annehmen: der Raum zwischen je zwei Schilden reicht für fünf Spiesse nebeneinander gar nicht ans. Die anschauliche Schilderung, welche Lammert a. a. 0. S. 14 von der Hiltaog der Speere und Schilde bei VI2 Fuss Abstand gegeben hat, passt pta wohl für den Zustand der Ruhe, für die Bewegung gedacht w&re sie *fa Unding.

2) Die Kämpfe bei Dyrrh. S. 103. Gall. Krieg. Anh. H § 11.

242 J. KROMAYER

ausser anderen in letzter Zeit besonders an Schneider*) und L mert') sehr entschiedene Anhänger gefunden. Eine Kleinigkeit d Iflsst Delbrück gelten und vermuthet etwa 3V2 Fuss; denn das durch die Natur der Dinge gegeben.') Rüstow gieht noch etwas es will ihm scheinen, als ob doch wenigstens vier Fuss ausreic müssten, wenn so selzl er vorsichtig hinxu nicht der B sondern nur der Sloss angewendet werde.^) Wieder einen Sei weiter geht Giesing: er nimmt ganze 4^2 Fuss an.*) Die fûnf^ vertreten durch Soltau,*) die 5V2 in runder Zahl durch Sto( und sechs Fuss Frontraum finden endlich in Rüstow und KOch Soltau^*) Fröhlich**) und anderen") die zahlreichsten Anwälte, haben wir von 3 6 Fuss hin die freie Auswahl und können für jegliche Annahme, die uns nur zu machen beliebt, auf irg eine grosse oder kleine Autorität berufen. Wer es aber voi noch nicht wusste, dass wir Modernen in dem tiefsten Dui herumtappen, wenn wir uns von dem Lichte der Ueberliefer entfernen und in diesen Dingen nach sogenannten ,sachlicl Gesichtspunkten vorgehend unseren Vermuthungen Raum gel der kann es an dieser gewiss eigenartigen und lückenlosen cl matischen Scala mit Händen greifen. Denn so selbslverständlid

1) Legion und Phalanx S. 92. Auf ihn gestutzt Fröhlich, Kriegsw Caesars 1889 S. 145 und 148.

2) A. a. 0. S. 10 und 3, wo auch die ältere Litteratur darüber citirf

3) In dies. Ztschr. XXI S. 89.

4) Kriegswesen Caesars 1862 S. 39, 14. Geschichte der Infanlerie 18 'S. 46: 3—4 Fuss.

5) Fleckeisens Jahrb. für Philol. und Päd. 1889 S. 161.

6) Deutsche Litteraturzeitung 1888 S. 178.

7) Stoffel sagt das nicht ausdrücklich, es ergiebt sich aber daraus, 15 Mann Front mit zwei IManipelintervallen von 77s oder 15 Fuss (sa zweite Zeichnung), auf den Mann 5,8 oder 5,46 Fuss ergeben. UisL de à Céâar, guerre civile, tome 2 p. 328 f.

8) Gr. Kriegsschriftsteller 1855 II 1, 124 und Kriegswesen Caesars a. a wo net)en der oben citirten Annahme auch sechs Fuss als möglich bezeic werden.

9) In dies. Ztschr. XX S. 264.

10) Beiträge zur Geschichte der Kriegführung der Römer 1886 S. 27

11) Z. B. Marquardt Handbuch V S. 347. Max Jahns Geschichte des Kr Wesens von der Urzeit bis zur Renaissance S. 224. Schiller röm. Altertbi bei J. Müller Handbuch S. 708. Kuthe die röm. Manipulartaktik (in Festsc für Nölting, Wismar 1886) S. 80 f.

ZUM GRIECHISCHEN UND ROMISCHEN HEERWESEN 243

Vst| dass diese eiozelneD ÄDsStze von ihren Vertretern ausdrücklich oder stillschweigend als in der Natur der Dinge gegeben betrachtet werden, so wenig hat das doch die einzelnen immer davon ab- gehalten, sich zu Terschiedenen Zeiten an verschiedenen Punkten der Scala einzuordnen.

Es wird also unser erstes Geschäft sein, uns um diesen ganzen Wirrwarr von Meinungen nicht zu kümmern, und unser zweites, das Vertrauen lediglich auf die zu setzen, welche von den Dingen selbst noch etwas gesehen hatten, ganz ohne Rücksicht darauf, ob ihre Angaben für unser Empfinden den Schein der Wahrheit haben oder nicht. Wir wenden uns also wieder zu Polybius und finden, dass nach ihm der römische Legionär in der Schlacht thatsSchlich sechs Fuss Frontraum und sechs Fuss Tiefe gebraucht hat.')

jNicht möglich' so höre ich ausrufen; ,das haben ja nur Rflslow und Köchly in den Polybius hineininterpretirt, und diese Auslegung ist's ja gerade, die wir bestreiten.' Betrachten wir denn siso die Sache genauer und legen wir zunächst wieder das Gerippe des polybianischen Gedankenganges bloss; es besteht aus vier unter- einander zusamr ;nhängenden Behauptungen. 1. Die Römer so 'Uirt Polybius imittelbar nach der Schilderung der makedonischen Phalanx fort nehmen zwar auch in Wafifen drei Fuss im Quadrat ^-^ 2. Aber da ihre Kampfesart der Einzelkampf ist,') 3. so ^It die Nothwendigkeit einer Lockerung und Erweiterung von ^i Fuss bei ihnen ein und zwar nach Neben- und Hintermann.^) 4* Daraus geht hervor, dass jeder Römer zwei Makedonieru oder zehn Sarissen gegenübersteht.^)

Man wird nicht verkennen können, dass diese vier Gedanken, ^ wie sie hier aus den umgebenden Details herausgeschält vor ^^ stehen, mit lückenloser Logik auseinander folgen und keinen Zweifel an der Richtigkeit unseres Schlusses über den Raum des '^^Qiers nach Front und Tiefe übrig lassen. Man wird daher auch

1) XVIII 30, 6 ff. (Haltsch).

2) taramu fiiv ovv iv Tçial noal fiixà Ttäv onhov Mal ^PotfAoioé,

3) r^6 f*^xrjs d* avroîs xar^ ârSça ttjv nlvtjaw laßißavotaijc.

^ 4) nQOtpaviç oxi ;(ajla0'^a nai eiaaraaiv aXh^latv ix^iv 8erjasi rovs ^^«»fi elax^CTOv rçeïs n68aç xar* éTuaTârrjv xal xavà naQaaxartjv,

5) ix 8i tovTov ayfißr^aerai vor è'ra ^Ptofialov taraa&ai xarà 8vo *f**^«ffT«tToç ràiv tpaXayynœVf œcre nços Sixa ^agiaaas avx($ yivêod'ai "î*^ crsicfvTi^aiy xal xr^ fAaxHv»

244 J. KROMAYER

darin dem Polybius voll beipflichteD, dass er es für QtM gehalten hat, dies Resultat noch einmal ausdrtlcklicb hinzuscl Und zwar um so mehr, als er es genau genommen schon a fache Weise sichergestellt hatte. Denn allein aus dem yiei danken unserer Analyse folgt ja für den Römer schon ein räum von sechs Puss, nachdem Polybius, wie wir gesehen vorher den Frontraum des Makedoniers auf drei Fuss auj halte. Wenn also selbst in einem der ersten drei Gedankei eine sprachliche oder sachliche Unklarheit sein sollte, sc das doch unser Resultat eines Frontraumes von sechs Fuss ii Weise erschüttern können.

Trotzdem hat man den dritten Gedanken dazu benutzen i Man hat geäussert, die Worte drückten nicht die Bewegu Veränderung der Aufstellung aus und desshalb könne dann auch nicht von sechs Fuss Frontbreite die Rede sein, wenn Polybius wirklich einen Abstand von sechs Fuss hätte, so würde er sich unglaublich ungeschickt ausgedrück von drei Fuss zu sprechen , ohne die betonte Hinzufügui ,nochS Das ,noch\ worauf alles ankommt so sagt D der Hauptvertreter dieser Ansicht, wörtlich steht nicht in Die Worte xaXaofia xai diäaraaiv ildxtorov jçeîç n6\ deuten nach ihm nichts anderes, als das, was vorher ausj war durch %Q%€tv%ai Iv tgial nooL Ja er geht so weit, di ment überhaupt als verderbt zu bezeichnen und ihm som haupt den Charakter eines einwandfreien Zeugnisses abzus) Abgesehen von diesem letzten, wie wir gesehen haben, C Ziel hinausschiessenden Schlüsse, ist auch der ganze Einwui nicht Stichhallig.

Es giebt hier zwei Möglichkeiten der Erklärung, i denen ich nicht entscheiden will, auch nicht zu ent brauche, weil für meine Zwecke bei beiden dasselbe heraui

1) Delbrück in dies. Ztschr. XXI S. 83 ff. Ihm folgend Schneid« S. 92. Lammert S. 11. Vorher hatten schon Rüstow und Köchly Schwierigkeiten in unserer Stelle gefunden, Gesch. des römischen Krie S. 238Â; später haben sie dann ihre Ansicht geändert, griechisch Schriftsteller 11 1, 114.

2) Er polemisirt dabei gegen Röstow und Köchly, welche die St setzt hatten: ,es ist klar, dass die Leute sich lockern und noch c stand von drei Fuss nehmen müssen.'

ZOH GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 245

k. Vieuü es wirklich wahr wäre, dass die Worte xahxa^a uod ôi^ctataotç keine Bewegung ausdrücken könnten, so wQrde der 4kitle Gedanke unserer Analyse doch niemals dasselbe bedeuten kODnen, was ïatavtai h %Qial noaL besagt') Denn wenn zwei Leute in Front nebeneinander je drei Fuss Raum einnehmen, so belrSigt die LQcke oder der Spalt das wäre bei dieser Inter- pretation xdXaa^a %al diaaraaiç zwischen ihnen nicht drei, loodern höchstens einen Fuss. Oder wenn wir, wie man das natür- lich thun muss, an den Legionär mit seinem 2^/2 Fuss breiten SchiMe*) denken, so ist der Zwischenraum gar nur 7^ Ptiss breit. Ein xaXaofÂa xai didaraaiç ikdxtoxov tqsîç néôag würde OBS also auch auf sechs Fuss Frontraum führen« Das von Delbrück verlangte ,noch* ist überflüssig. Denn es ist vorher von gar keiner , Lücke oder Spalt die Rede gewesen.') Polybius sieht im Gegentheil den mit Wehr und Waffen versehenen Römer als ungefähre Füllung I ftr die drei Fuss Frontraum an, wie das auch völlig in der Natur <ier Sache begründet ist. Bei dieser Interpretation wäre also nur <h8 Resultat der Aufstellungsveränderung von Polybius bezeichnet. 2. Es ist aber gar nicht richtig, dass die betreffenden Worte keine Bewegung bezeichnen können. Es lässt sich nicht nur für x^ii^Ofia QDd iiaotaaig das Gegentheil nachweisen,^) sondern auch die Ver- biodoDg dtaataaiv Mx^^'^f welche im ersten Augenblicke Befremden

1) Schon desshalb nichl, weil in den Worten rr,ç fiâxrjs der Gegen- ^^ ZQ dem ioravrai fàiv «charf aasgedrückt ist.

2) Polyb. VI 23,2: âv^eoç, ov ro /aw nlaroç icrl rijs xvçrijç im- ^^nia^ nivd'* ^funoêiar,

3) Man kann hiergegen nicht anführen, dass das technische Wort für AbtUnd Sulanj/Aa auch so gebraucht wird, dass der Mann mitgerechnet ist, ^B.A8clep. IV 1: nr^xv^lav Stâcrr^fiia. Denn xaXacfia bedeutet eben durch- aus die Oeffnung selber (Belege bei Stephanas s. v. bes. aus der roedicinischen uttentor) und entspricht daher im militärischen Sinne genau unserem Wort Xöcke*, so wie wir andererseits auch bei dem Worte ,Âbstand' den Mann °"( einrechnen können. Auch Giesing bei Fleckeisen 1889 S. 162 fasst es als Zwischenraum und Entfernung.*

4) Für x^^^f^ Plot, de tvenda sanitate 19 {mor, 132 D): ay d'Bc/Aov ^^^^ TtUofAÊV . %aXtt<tfiaroQ . . aia^avo/Asd'a ib. 20 (133 D): àvanvofiv ^ xilaofia naçê'xetv. Dass Polybius nicht das unzweideutigere Wort x^' ^9ifi gewählt hat, hat wohl darin seinen Grund, dass er den Gleichklang xiht9ts HiimaciÇ vermeiden wollte. Für diâaraciç Belege in Fülle bei Ste- PbsQQS 8. V. bes. Plut, de def. orac. 32 C. 34 C. 35 D. 37 D u. s. w.

246 J. KROHATER

erregt, kommt im Sinne von diiaTaa&ai vor.') Dazu tritt dai der negative Beweis, dass bei Polybius und den Taktikern d( stehende technische Ausdruck für «Abstand* lediglich âiaottifà ist.*) Jiaaxaaiç wäre dafür nach meiner Kenntniss dieser Litt ratur ein Unicum.

Die Probe endlich auf das Ezempel, welche in der Erschliessa und glatten Interpretation unserer bisher so viel misshandelt Polybiusstelle liegt, lässt keinen Zweifel mehr übrig.

Steht somit die Thatsache, dass ein kämpfender rOmiseli Legionär nach Polybius sechs Fuss Frontraum und sechs Pu Tiefe gehabt hat, quellenmässig fest, so kann es sich fürunsjefi nur noch darum handeln, die Schwierigkeiten zu beseitigen, weich wegen des Mangels an praktischer Erfahrung für unsere Anschautiai in einer so weiten Aufstellung liegen, und mit nachschafTeodei Phantasie vor unserem Geiste wiederum dasjenige Bild rOmisebei Fechtweise erstehen zu lassen, welches einst Wirklichkeil gewesei ist Bei sechs Fuss oder 1,77 m Fronlbreite stehen die Leute M weil voneinander ab, dass, wenn sie ihre Arme seitwärts ausstrecken die Fingerspitzen eines Hannes etwa bis in die halbe Hand da Nebenmannes hineinreichen. Das erscheint uns freilich etwas fiel in die Lücke können noch zwei Mann hineintreten und wOrdei doch immer noch ,lose* Tuchfühlung haben. Aber tragen wir audi hier den Verhältnissen der Feldschlacht Rechnung: der Römer waJ bewaffnet und er sollte nicht still stehen, sondern fechten. Eil Schild von 2^2 Fuss Breite deckte, wie wir sahen, jeden einzeioeo In der langen Reihe der Schilde war also zwischen je zweien aa immer ein lichter Raum von 3V2 Fuss oder etwas über 1 m übrig Das war der Raum, der dem Soldaten zum Angriffe auf den Gegoe

1) Plat. a. a. 0. 35 D (mor, 429 D): ii fièv yàç ôfuyès , , 1^ %o9^ ois* âv oXias êlx^v ri Zhfi 8 ta axamv inei 8i tcß J«cti^«T«x4> . fUfuxf^ tofiTiv fiiv àSéiaxo xal Siaiçeaiv. Aach die eotsprecheoden BildoBg<^ anonardcTaaiC, éTttxarâcTafftç bezeichoen Trappeabewegangen. Aadel X 9 und sonst oft.

2) Bei flüchtiger Sammlung, die auf Vollständigkeit keinen Ansprach mac^ habe ich mir doch aus Polybius acht Stellen notirt (111 65, 7. 73, 6. XI 22, 1^ XII 18, 1. 19, 7. 21, 10. XV 12, 4. XVllI 24, 10), aus Asclep. 7 (IV 6. VI ' XU 5. 6. 8. 9. 11), aus Aelian 10 (11, 1. 2. 19, 11. 13. 26, 1. 29,2. 31,« 32, 5. 33, 2. 5), aus Arrian 6 (22, 1. 25, 5. 26, 4. 6. 32, 1. 38, 3). Die Men^ derselben zeigt den constanten Gebrauch. JiâaïaaiS habe ich in diesem Sinn nie gefunden.

ZUM GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 247

dît, dem Schwerte zu Gebote stand.') Es kam dud bekaonüich Dei deo Römern in den Perioden ihrer ausgebildetsten Kriegskunst, à. fa. zu den Zeiten des Polybius und Caesar, alles auf die Tüchtig- keit und Waffenfertigkeit des einzelnen Hannes an. Um seine Ueber- \egeDheit und seine Kunst voll entfalten zu können, bedurfte er aber in erster Linie voller Raumfreiheit. Wenn wir hören, dass Caesar es bei Pharsalus wagen konnte, mit weniger als der halben Beeresstftrke dem Pompeius in offenem Felde enlgegenzutreteUf') wenn ein Caesarischer Centurio es unternehmen wollte, mit den leho besten Soldaten seines Zuges einer ganzen feindlichen Cohorte staod zu halten/) und einzelne schlachtgeübte Veteranen es in der Thal mit ganzen Haufen von Rarbaren aufnahmen/) so machen wir uns einen Regriff, wie virtuosenhafl gesteigert die Fechtkunst des einzelnen Mannes gewesen sein muss.') Es ist daher ein kind- licher Gedanke anzunehmen, dass Leute von solcher Ausbildung, etwa wie schlechte Schauspieler den Hamlet und Laertes geben, mit gekrümmtem Ellbogen*) und nur immer von hinten nach vorne aof den Gegner losgestochen hatten.'') Schon wer vom Florettiren etwas versteht, weiss, dass man hier keineswegs immer mit ge- krtlmmtem Ellbogen, sondern mit gestrecktem Arme, bei der Terz mit Tollstandig seitwärts gestrecktem Arme den Stoss führt. Dieser Stoss in die linke Flanke des Gegners ist selbstverständlich nicht

1) Bei einem Frontraam von drei Fuss wäre nur V> Pu^s zwischen den ^IdrinderD der Nebenmänner geblieben und bei der kleinsten Bewegung <ics Kampfes wären sie zusammengeprallt.

2) B. e. 111 88. 89.

3) Bell. Afr, 45 und dazu Napoleons I. Urtheil über die Möglichkeit bitter scheinbar so übertriebenen Prahlerei. Précis des guerres de Jules ^«i- p. 153.

4) Wie Pulio und Vorenus b. G. V 44.

5) Man vergleiche über den engen Zusammenhang der militärischen fechtkuDst mit dem zur grössten Meisterschaft gesteigerten Specialistenthum ^^ Gladiatorenhandwerks Friedländer Sittengescb. II* S. 358 ff. , bes. S. 372, ^0 von Senatoren als Gladiatorenlehrern, und S. 381, wo von den Einzelheiten ^ Fechtkunst und der Verwendung von Gladiatoren als Soldaten ausführlich Rede ist.

6) So Schneider a. a. 0. S. 92.

7) So Lammert, der a. a. 0. S. 7 behauptet, dass ein halber Fuss freier mm zwischen den Schildern, wie er bei drei Fuss Rottenbreite vorhanden ^ >iQin Hindurchstechen und -hauen vollauf genügte.^

248 J. KROHATER

Dur auch bei deo Römern vorhaodeD gewesen/) sondern bei ihn war ein ganz besonders weites Ausholen nach der Seite erforderl» wenn man um den Schild des Gegners herumkommen wollte. V< bunden, wie natarlich, mit einem Ausfalle nach halbrechts-TorwSrt brachte diese Bewegung die seitwärts ausgestreckte Faust des I gionars selbst bei der weiten Stellung von sechs Fuss schon auf einen, ja bis auf einen halben Fuss an den Schildrand seil Nebenmannes heran*); und zwar, wenn jener ganz ruhig ^i Wie wenn sie nun enger gestanden hätten und jener noch da selber in lebhaftestem Kampfe begriffen, vielleicht in demselb Augenblick mit seinem Schild eine entgegengesetzte Bewegt machte? Aber weiter! Der Römer stiess nicht nur, er scU auch/) Man wird sich nicht einbilden wollen, dass er nur sie mit der Prim von oben herab gehauen habe, wie die Kürasm bei der Attaque/) Ein besonders gefOrchteter Hieb war im Gegei theil das Durchhauen der Kniekehle*): eine Finte, die den GegB veranlasste den Schild zu heben, ein blitzschnelles Bücken d Körpers verbunden wieder mit dem Ausfall nach rechts, ein Bm von der Seite her und halb von hinten durchgezogen, und 4 Gegner lag mit zerhauener Sehne am Boden. Aber das erforder Platz, nicht nur für den Hieb selber der konnte wohl aiK

t) Veg.lt 1,10 (Lang.): laterihtit minaretur, ib. II 23,9: laUra * petere punctim caesimque,

2) Veg. 1 20 Ende Z. 17: cum manu ad manum gladiis pugnatur, dextroi pedes inante milites habere debent,

3) Von der Milte des Legionars bis zur Mitte seines rechten Neb« mannes sind 1,77 m. Von diesem Raum nimmt die Hälfte der Schulterbrei zusammen mit dem rechts seitwärts gestreckten Arm des Legionars 76—82 ci die Verschiebung durch den Ausfall 35 42 cm in Anspruch. Durch den Sdû des rechts stehenden Nebenmannes wird ein Raum von halber Schildbrdt d. h. IY4 Fuss 37 cm belegt. Es bleiben also nur 29—16 cm Rn zwischen der rechten Faust des linken und dem linken Schildrande des recht« Nebenmannes übrig.

4) Polyb. XVllI 30,7: t^ fiaxai^q ix xara^oçàç xal 8iai^iffsefS iti iiad'ai r^v ftaxrjv. Veg. II 23, 9 : punctim caesimque; ebenso III 4, 20 m ib. I 12, 25: ad dimicandum hoc (punctim) praecipue genere usos m constat Romanos : also nicht nur puîictim, wie man behauptet hat. Delbrfl< in dies. Ztschr. XXI S. 85.

5) So Lammert a. a. 0.

6) Poplites et crura succidere hiess der Kunstausdruck. Veg. I 11, 1 Auch bei Livius häufig.

ZUM GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 249

eiamal geführt werden, weno der Nebeomann gerade Raum gab aondero desshalb, damit man den Gegner jeden Augenblick von \(Aer Seile her bedrohen könnte und er so, indem er seine Auf-

, merksamkeil theilte, um so sicherer dem erfahrenen Fechter hier

1 oder da die todiliche Blosse bote.')

I Und nun der Absland nach hinten. Es scheint schwieriger

J im ersten Augenblick, auch hier die sechs Fuss zu motiviren.

3 Qad doch; wenn wir lesen, dass Caesars Veteranen in der Schlacht oft weiter als vier Fuss vorwärts aus dem Gliede heraussprangen and eine Beschränkung auf dies Haass bei bestimmter Gelegenheit dorch einen besonderen Befehl vorgeschrieben werden musste*); weDD wir hören, dass die römischen Recruten im Vorspringen auf dea Gegner und im augenblickUchen Wiederzurückspringen, um oicbt von rechts- oder linksher verwundet zu werden, aufs sorg- Utigste am Pfahle eingeübt wurden,') wenn wir uns klar machen, «ie DOlhig für diese Rückwärtsbewegung ein gewisser freier Raum Unter dem Standorte des Kriegers war, weil man nicht nach hinten Kheo und bei so lebhaftem Schwünge der Glieder nicht auf den Zoll berechnen kann, ob man genau wieder auf die alte Linie xarflckkommt, wenn wir diesen ganzen sprungartigen, wilden Cha- rakter des Kampfes uns recht lebhaft vergegenwärtigen, so wird ^ UDS einleuchten, dass nicht drei Fuss hinter der Schildlinie des ersten Gliedes eine lebendige Mauer aufgepflanzt sein durfte, >D die man stiess, sobald man sich von einem Angrifi* zurückzog. l)ie beste Parade gegen Speerwurf, Steinwurf oder Stoss, ein Schritt >Qs dem Stande zurück, wäre dadurch unmöglich gemacht, und den mit Recht so beliebten KuostgrifT, den Gegner durch ein

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er?

1) Veg. I 11, 9: Uro . . se exereebat, ut nunc quasi caput aut faciem .^ i pi(ve<, nunc lateribus minaretur, interdum contenderet popUtes et crura

2) BelL A fr, 15: Caesar edicit per ordines, ne quis miles ab signis V^obter pedes lon^us procederet.

3) Veg. I 9, 17: beUator cum cursu saltuque veniens . . ib. 1 11, U: ^^dentj recederetf assuUaret, insiUret, 11 23, 10: saltus quoque et ictus ftete pariter adsuescant, insurgere trépidantes in clipeum rursusque sub- '^^, nunc gesUendo provolare cum saltu, nunc cedentes in terga resilire. ^^r gab sogar selber im Âfricanischen Feldzuge seinen Veteranen noch be- 'Qgliche iDStractiooen non ut imperator exercitum veteranum . ., sed ut la- '^ tirones gladia^ores . . . condocefacere , unter anderem: modo pro- ^^'^f^nnt^ modo recédèrent comminarenturque impetum. Bell, À fr, 71.

250 J. KROMATER

solches Ausweichen in die Lufl stossen oder hauen zu laeaeo, ïhw so aus dem Gleichgewicht zu bringen und den Augenblick seiaei Blosse zum todüichen Nachstoss zu benutzen, hätte man dabei nicht mehr anwenden können. Die Weite, welche heutzutage beir Säbel glacé den Fechtern nach hinten zu gewährt wird, kaca uns ein ungefähres Bild dessen geben, was der Römer in die^^i Beziehung bedurfte.*)

Es ist genug. Wir werden klar darüber geworden sein, da» eine so weite Aufstellung nicht nur möglich war, sondern dass me erwünscht, wenn nicht gar nOthig sein musste.

Man wird mir indessen vielleicht einwenden wollen, dass diese ganze Schilderung sehr wohl auf den Kampf von Schwert ge^ea Schwert, aber nicht in allen Punkten, auf den von Schwert gegeo Sarisse passe, und den habe doch Polybius im Sinne. Ich nehme mit Vergnügen das Zugeständniss entgegen, das in diesem Einwurfe liegt, ohne doch den Vorbehalt anzuerkennen. Denn erstens spricht Polybius wohl mit Hinblick auf die makedonische Phalanx, aber doch von der Gewohnheit der Römer im Allgemeinen. Und zweiteoi war auch im Kampfe gegen den Phalangiten volle Freiheit der Be- wegung nOIhig, wenn es dem Einzelnen gelingen sollte, im Dräogee nach vorn oder im langsamen Zurückweichen vor dem Walle der Speere, wie solches in den ersten Stadien dieses Kampfes gewOho* lieh eintrat, mit Erfolg zu kämpfen; wenn er mit seinem Schilde den Bewegungen des Körpers bei Schlag und Sloss folgen sollte, ohne die Deckung zu verlieren^); wenn er ohne den Nacbbir

1) Nach dem Paukcomment der Strassburger Burschenschaft Germaiii beträgt die Weite der Mensur für Säbel glacé bei Leuten von mittlerer Stator 2,85 m, also 9,64 pol y Manische Fuss. Selbst bei dieser Weite ist es oid»t zu vermeiden, dass der eine oder andere Paukant auf einen Augenblick biottf den gezogenen Kreidestrich znriickgeht, und dabei unterscheidet sich das ■0' derne Säbelfechten noch dadurch wesentlich von der römischen Kampfiiti dass der geschilderte sprungartige Charakter jener durch die Paukvorschrifteo ausdrücklich ausgeschlossen wird. Man vergleiche auch Roux deutsches Pink' buch, Jena 1867 § 34 und § 7.

2) Dies betont Polybius XVIII 30, 7 ausdrücklich in den Worten: 9i^ TO rtô fièv &vçecô ffxe'neiv ro cœfiay avfi/iezaitd'efievovs aUi nçoQ tov flr Tfkrjyije xat^ov. Die Stelle ist von Köchly und Rüstow falsch verstaodeo! usTajid'ea&ai ist ohne Zweifel ein Fechterausdruck und muss bedeuten ^neaß Position ändern*, wenn ich es in diesem Sinne auch sonst nicht belegen kaoD« Dann wäre zu übersetzen ,weil sie sich mit dem Schilde schützen möSKO» edesmal wenn sie im Augenblick, wo sie den Stoss führen, zugleich ihre

!S

ZUM GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 251

anvarennen, m Stande sein sollte mit dem Schwerte durch die

Lücken zwischen den Schilden hindurch die Lanzen abzuhauen,

abzubrechen oder wenigstens zu pariren. Trat dann das zweite

Stadium des Kampfes ein, in welchem der Legionär zusammen

mit einer kleineren oder grösseren Schaar beherzter Kameraden

sich kOhn in die entstandenen Lücken der Phalanx warf und sich

tief in die dicken und wehrlosen Haufen einwühlte, dann musste

er erst recht Herr seiner Glieder und seiner Bewegung sein , um

seine Kunst zu bewähren.

Aber noch ein zweites, schwerwiegenderes Bedenken gilt es tu erledigen. Hit grosser Anschaulichkeit und Frische schildert 008 Lammert (a.a.O. S. 9), wie nach seiner Ansicht der Beginn nod Fortgang eines Gefechtes römischer Legionare gewesen ist: die Massen beider Heere, sagt er etwa, zehn oder mehr Mann tief itQneo im Laufe auf einander los, die Schilde der ersten Glieder kncheo zusammen, die hinteren Glieder prallen dem Beharrungs- gesetze folgend mit Wucht nach, und es beginnt zwischen den eog lusammengekeilten Körpermassen ein Drängen auf Leben und Tod. Vom Gebrauche der Waffen kann eigentlich nur unmittelbar vor dem Zusammenprall die Rede sein. Stehen nun auf beiden Seiten die Kräfte gleich, so drängt und schiebt, stösst und haut Otta, bis zur beiderseitigen Erschöpfung. Wo ist nun dabei, hgt Lammert, Raum fQr eine so dünne Plänklerkette, wie wir lie mit Polybius annehmen? Kif Hier ist in der Thal eine Schwierigkeit berührt, die wir nicht tingeben dürfen, wenn wir unser Resultat nach allen Seiten hin sicherstellen wollen. Der Choc das ist der Kern der Sache Mert möglichst gedrängte Massen und sein Vorhandensein ist <|aelleDmas8ig überliefert. Der Einzelkampf fordert dagegen mög- Ittlttt lichte Aufstellung, aber und indem wir dies betonen, scheiden sich unsere Wege von Lammert aber auch er ist <lQdleiunässig überliefert. Folglich kann die Lösung des Proi^lems dichtauf dem Wege erfolgen, den Lammert einschlägt, dass man ^mlicb die eine der beiden Aufstellungen wegen des Daseins der loderen läugnet, sondern die Frage ist lediglich die: wie können

I^QiitioD ändern', d. h. etwa einen Ausfall machen. Bei dieser Inlerpretation '^^ tt dtoo aach nicht mehr nöthig avfâfiêjaxid'êad'ai activ zu fassen (s. das '^COQ Pol. T. Schweighäuser), was man bisher genöthigt war zu thun, ohne ^ *Q8 Polybius aoderweitig belegen zu können.

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fP!

252 J. KROMATER

wir uns den Uebergang von der einen zu der anderen GefecbCi fahrung vorstellen. Sollte uns das auch nicht gelingen, so würde d. Existenz unserer weiten Kampfesstellung doch dadurch ebenso wem zweifelhaft werden, wie andererseits die Thatsache, dass die ROmi den Choc angewandt haben, durch das Vorhandensein der weilj Kampfstellung erschüttert werden kann. Das zu constatiren genQ mir hier vorläufig. Denn die Erklärung dieses Ueberganges gehe zu den schwierigsten Problemen, die die römische Taktik Oberhavj bieteL Es hängt daran die ganze so vielfach behandelte Frage de Hanipularaufstellung mit oder ohne Intervalle, der TreiïenablOsusi und der EinzelablOsung. Ich werde daher eine Beantwortung, dii in diesem Rahmen doch nur unvollkommen ausfallen könnte, hiei nicht versuchen ; schon desshalb nicht, um ein völlig feststefaeodei Ergebniss nicht zum Schlüsse noch mit einem vielleicht nicht ebeaio einwandfreien Erklärungsversuche zu mischen und so ein GefllU der Unsicherheit hervorzubringen. Nur das eine will ich hion* fügen, dass für den Kampf mit der makedonischen Phalanx, den ja Polybius in erster Linie im Auge hat, dies Problem Oberhiopl nicht vorliegt. Denn mit dem Choc hat der Römer hier sicbei nicht das Gefecht eröffnet. Es wäre ja der helle Wahnsinn ge* wesen, in den Wall der fünf Speerreihen hineinzulaufen und siel selber aufzuspiessen. Der Kampf hat hier begonnen, wie wir iki soeben geschildert, indem man stehend, oder langsam vorgebet« den Angriff aufnahm, dann weichend die Phalanx zu lockern oiK so ihre Kraft zu zersplittern versuchte. Darin stimmen sämmtlick« Schlachtbericbte mit dem von der Natur der Sache geforderte! Hergange überein.

Wenn ich somit die Lösung des von Lammert gestelitei Problems vorläufig zurückschiebe, so will ich aber doch andererseit: die Fragestellung benutzen, um einer zu weitgehenden Folgeraag die man aus der losen Stellung von sechs Fuss ziehen köDDlc gleich hier vorzubeugen. Es ist nicht nöthig anzunehmen, das alle Glieder und Rotten der römischen Schlachtlinie die weite Aal Stellung gehabt hätten,*) sondern Polybius spricht nur von def ersten Gliede, d. h. demjenigen, welches allein den Kampf i jedem Augenblicke führte. Wir haben also, da die QuellenberichC

1) So stellte sich Niebuhr die Sache vor, rôm. Gesch. 1853 S. 991, w er sagt, dass das zehnte Glied 54 Fuss (neun Glieder je sechs Fass davoi vom Feinde entfernt gewesen sei.

20M GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN HEERWESEN 253

àip^eigen^ völlige Freiheil, uos die Aufstellung der hinteren Glieder

denken wie wir wollen.

Dabei sind aber theoretisch vier Fälle möglich: es können

&f den Mann kommen: 1. sechs Fuss Front und sechs Fuss Tiefe,

t. sechs Fuss Front und drei Fuss Tiefe, 3. drei Fuss Front

and sechs Fuss Tiefe, 4. drei Fuss Front und drei Fuss Tiefe.

Mo. 1 und 3 fallen fort als gänzlich zwecklos und daher unwahr-

Kteinlich. No. 2 und 4 dagegen köqnen beide zur Anwendung

gekommen sein und werden je nach dem Gefechtszwecke wohl in

der That beide zu verschiedenen Zeiten angewandt sein. In beiden

Fsilen haben wir hinter dem ersten Gliede, d. h. hinter der losen

Reihe der eigentlichen Kämpfer eine mehr oder minder geschlos-

leoe Masse,' die einerseits als fester Rückhalt und andererseits zur

àblOsiing dient, wenn die Kämpfer des ersten Gliedes ermOdet,

verwundet oder erschlagen sind.

Das Bild der römischen Schlacht, welches solcher Gestalt vor 008 ersteht, ist daher das einer oder, wenn auf beiden Seiten ROmer kämpfen, zweier langer Reihen, die in ihre Elemente, die ciDielnen Streiter, aufgelöst in einer Unzahl von Zweikämpfen^) WD das Schicksal des Tages streiten, während auf beiden Seiten Unter ihnen die geschlossene Masse, wie die Corona um die Duel- hDleo, steht. Nur mit dem Unterschiede, dass diese Hasse auch gelegentlich wieder mit ihrer vollen Wucht in den Streit einzu- greifen bereit ist. Denn das Bild, welches wir hier gezeichnet, itt Dur der Kampf in einem bestimmten Gefechtstadium. Die rö- mische Schlacht hat auch noch ein ganz anderes Gesicht.

Doch das führt uns zu weit hinaus über Rotten- und Glieder- ^od, die allein hier zur Verhandlung standen. Ueber die Conse- <loeoten dieser grundlegenden Frage ein ander Mal.

Strassburg i. Eis. J. KROMATER.

1) So auch Niebohr a. a. 0. S. 992.

S«rmeiX3CXV. 17

ZUR GESCHICHTE DES EÜRYPONTIDENHAUSES.

L König Laotychidas und der messenische Aufstand.

Ed. Schwartz sagt Bd. 34 S. 429 dies. Ztschr., naréçœv i^fit- tiQtav natiqBç in der bekannten Tyrtaeosstelle könne zweierlei bedeuten: «unsere Grossvflter* und , unsere Vorfahren^; die Neuere» schienen aber an die zweite Auffassung nicht gedacht zu habeo. Das ist nicht ganz richtig; vgl. meine Gr. Gesch. I 285 A, wo ich ausdrücklich auf die Zulttssigkeit dieser zweiten Auffassung hia- gewiesen habe, da Tjrtaeos ja ein Dichter und kein Genealoge war. Die zwei Generationen nach Theoporop geben uns also nur eine obere Grenze für die Zeit des grossen messenischen All^ Standes, und es bleibt die Möglichkeit, bis ins 6. Jahrhundert und selbst noch liefer herabzugehen. Schwartz glaubt denn aock beweisen zu können, dass der Krieg erst an den Anfang des 5. Jall^ hunderts gehört; denn Rhianos setzt ihn unter den König Lkh tychidas (bei Paus. IV 15, 2), und für einen alexandrinischen Dichter habe das àfiaQrvQov ovôkv ielôw zu gelten. Das letztere wird in diesem Falle wenigstens niemand bestreiten. Aber was steht denn bei Herodot VIII 131? ^zçaxriyog ôh xa2 vavaQXOÇ i}^ ^Bvtvxlôrjç 6 Mevaçeoç tov ^Hyrjaikeùi tov ^InnoxQCttidi» %ov ^evTVxlôeu) tov ^^va^iXew %ov l/içxBdrjfÀOv %ov ^Avafyffh' âgideo) tov &Bon6fA7tov %ov Nixâvôçov xtA. ovtoi nâffiÇt fclrjv %ù}v dvüßv Twv fietà uievTvxlôrjv ngtitwy Koralex^^^^^ ^ ol allot ßaaileeg iyivovto 27cdQTr]ç. Also, es hat nach Herodo^ vor dem Sieger von Mykale einen zweiten Laotychidas als KOoil von Sparta gegeben. Man pflegt nun allerdings bei Herodot gege * die Handschriften ôvwv in émà zu ändern, und zwar mit ROd^ sieht auf Paus. Ill 7, 6. 7, wonach auf Theopomp dessen Enkelsob i Zeuxidamos, dann dessen Sohn Anaxidamos, und weiter Archidamo^ Agasikles, Ariston, Damaratos gefolgt wären. Aber ein solches Ver* fahren, wobei die bessere Quelle der schlechteren Quelle zu Lieb^

ZUR GESCHICHTE DES EURTPONTIDENHAUSES 255

neodirt' wird, richtet sich selbst. Es ist auch an und für sich lalässig. Herodot führt von Laotjcbidas bis Aristodaroos, dem len beraklidischen Könige Spartas, 16 Namen auf; konnte er Terständiger Weise sagen: diese alle waren, bis auf sieben, nige ?on Sparta? Sieben sind ja beinahe die Hälfte von 16; DD dagegen nur zwei von den 16 nicht Könige waren, ist alles Ordnung. Ferner: Laotychidas wurde Damaratos Nachfolger, S dessen Legitimität bezweifelt wurde. Also war Laotychidas der M% successionsfähige Verwandte. Ist das nun im geringsten hncheinlich, wenn die Linie, der Laotychidas angehörte, bereits l sieben Generationen nicht mehr auf dem Throne gesessen le? Dann mussten doch offenbar aus Damaratos Linie Seiten- wandte vorhanden sein, die besseres Recht auf die Thronfolge tea. Die Sache ist so evident, dass Plutarch (Apophth. Lacon. 224), d. h. doch wohl schon seine Quelle, Laotychidas zum Sohn Ariston macht, also zum jüngeren Rruder des Damaratos. Das ja dem ausdrücklichen Zeugnisse Herodots gegenüber nicht Ibar, und auch an sich wenig wahrscheinlich. Wenn aber Lao- bidas, wie sich aus Herodot ergiebt, der älteren Linie des Eury- itidenhauses angehörte, und noch sein Urgrossvater König gewesen r, dann erklärt es sich sehr einfach, dass er bei Damaratos Ab- EQDg zum Throne berufen wurde. Der alte Conflict zwischen i beiden Linien des Eurypontidenhauses, der vor 2 3 Menschen- om zur Absetzung des Hippokratidas, oder zur Ausschliessung Aes Sohnes Agesilaos von der Thronfolge geführt hatte, wurde CD bei dieser Gelegenheit wieder aufgerollt.

Wir erhalten demnach folgenden Stammbaum des Eurypontiden- ttics von Tbeopompos bis Laotychidas, wobei ich die Könige durch (sperrten Druck, und fortlaufende Ordnungsnummern hervorhebe:

Tbeopompos

2. Anazandridas Archidamos

3. Archidamos Zeuzidamos Anaxilaos Anazidamos

5. Laotychidas Archidamos

6. Hippokratidas 7. Agasikles Agesilaos 8. Ariston Menares 9. Damaratos

10. Laotychidas

17*

256 J. BELOCn

Agasikles wird voo Herod. I 65 ausdrücklich als KOnig beieicbn dass er auf Hippokratidas folgt, obgleich er wie dieser der füi nach Theopompos ist, hat nichts auffallendes, da er der jQng« Linie angehört, und ausserdem die Möglichkeit bleibt, dass Hipj kratidas abgesetzt wurde.*)

Auch Plutarch, oder seine Quelle, scheint eine Königsliste i sich gehabt zu haben, wie sie hier nach Herodot reconstrai worden ist; wenigstens kennt er neben dem bekannten noch ein älteren Laotycbidas, den er als 6 nçUtog bezeichnet, und demi« offenbar als König betrachtet hat {AfOfhth. Lacon. a. a. 0.).

Wenn also Rhianos den zweiten messenischen Krieg unter d König Laotycbidas setzte, so folgt daraus keineswegs, dass er du den Sieger von Hykale meinte; er kann gerade so gut den litar Laotycbidas gemeint haben; dass er ihn wirklich gemeint hat, ergk sich klar genug aus Pausanias. Rhianos hat natürlich gewn dass Sparta zwei Könige hatte; wenn er also den einen naoD muss er auch den anderen genannt haben. Hätte er nun den Kri unter den jüngeren Laotycbidas gesetzt, so wäre Kleomenes de« College gewesen ; an dessen Erwähnung würde aber Pausanias gen so Anstoss genommen haben , wie er es an der Erwähnung < Laotycbidas thut (IV 15, 2). Dies das negative Argument; < positive ist, dass Pausanias in den aus Rhianos geflossenen Capiti Anaxandros als König aus dem Agiadenhause nennt (IV 22, Und Anaxandros entspricht, nach der herodoteischen Liste (VII 2( VIII 131), in der Folge der Generationen genau dem ersten Li tychidas; denn er ist der elfte nach Eurysthenes, wie Laotychi« der elfte nach Prokies, und der vierte vor Kleomenes und LeonU wie Laotychidas I. der vierte vor Laotycbidas II. Damit ist, des ich, bewiesen, dass Rhianos den zweiten messenischen Krieg

1) Wenn, wie Niese meint (bei Paaly-Wissowa II 467), der Archidai der älteren Linie mit dem ersten Archidamos der jüngeren Linie identiscii würden Âgesilaos nnd Agasikles, Laotychidas und Damaratos in die gleid Generationen kommen. Bei der beständigen Wiederkehr derselben Namcffl den griechischen Familien ist ein solcher Schluss aber sehr ansicher. '. Kegen ist es sehr fraglich, welchen Werth überhaupt der Stammbaam jüngeren Linie zwischen Theopompos und Agasikles hat Er sieht gaos i wie ein genealogischer Lûckenbûsser, zu dem das Material dem Stammbi der alteren Linie entnommen ist. Zu beachten ist auch, dass Herodot di Stammbaum des Damaratos nicht giebt.

ZUR GESCHICHTE DES EÜRYPONTIDENHAÜSES 257

die Tierte GeneratioD vor den Perserkriegen uod nach Theoporopos ^etzt hat, also in das 7. Jahrhundert. Im übrigen vgl. meine Gr. Gesch. I 285 A ; das dort kurz angedeutete bedarf hoffentlich keiner näheren Ausführung.

Jetzt verstehen wir auch, wie Piaton zu seinem Ansatz des ousseoischen Aufstandes auf die Zeit der Schlacht hei Marathon gekommen ist: er hat einfach, ganz wie Pausanias und Schwartz, deo ersten mit dem zweiten Laotychidas verwechselt. Piatons histo- rische Angaben sind gewiss sehr beachtenswerth ; sie zeigen, wie die griechische Geschichte in dem Kopfe eines hochgebildeten Athe- nen des 4. Jahrhunderts sich spiegelte, es liegt auch immer etwas ihatsächliches zu Grunde, nur soll man keine historische, und DUDeotlich keine chronologische Akribie darin suchen. Ich will mich aber gern vom Gegentheii überzeugen lassen, und erwarte deo Beweis. Bis dahin glaube ich nicht an einen messenischen Aabtand am Anfang des 5. Jahrhunderts; mindestens kann es sich BQr um eine ganz unbedeutende Sache handeln. Das zeigt das Schweigen Herodots, und auch Schwartz giebt es zu, wenn er (S.438) von einer ,Rauferei zwischen Herren und Hörigen' spricht. Oehrigens ist es nicht richtig, dass die Spartaner den Athenern 490 i iiuir ein kleines Hilfscorps und zu spät' geschickt hätten (Schwartz ; S. 437); 2000 Hopliten waren für spartanische Verhaltnisse viel, : etwa ein Drittel, wenn nicht mehr, der überhaupt zur Verfügung stehenden Heeresstärke; und ausreichend für den Zweck war das CoBliogent auch, denn die Athener haben ja sogar ohne diese Bilfe abzuwarten die Perser geschlagen. Weiteres in meiner Gr. Gesch. 1 356. 358. Und dass die Spartaner nur fii^ fjf^éQtf zu spät bnen, steht ja sogar bei Piaton. Die Aporien aber, die Schwartz S. 437 aufstellt, finden ihre Losung in ganz anderer Weise. Ein Angriffskrieg gegen Persien war eben eine viel ernstere Sache, als ^ioe Intervention in Samos gegen Polykrates; und die athenische Politik Spartas ist am Ende des 6. Jahrhunders ganz ebenso von den inneren Verhältnissen des spartanischen Staates bestimmt worden, ^ am Ende des fünften.

Jedenfalls ist der politische Hintergrund, den Tyrtaeos Gesänge ^oran88etien , sehr viel ernster, als die ,Rauferei zwischen Herren QndHtfrigenS <^ic ^ir allenfalls für den Anfang des 5. Jahrhunderts annehmen könnten, für die aber jeder historische Beweis mangelt. Ebensowenig passt die 'innere Situation für das 5. Jahrhundert.

258 J. BELOCH

Wir wissen nicht das geringste von inneren Wirren in der sp tanischen Bürgerschaft zur Zeit der Perserkriege, wie die, wel Tyrtaeos Evvofila voraussetzt. Und vor allem, Tyrtaeos Schwei aber die Epboren zeigt, dass er gedichtet hat, ehe diese BefaC zur ausschlaggebenden Macht im Staate wurde.

Aber freilich, Sctiwartz meint ja, Tyrtaeos Gedichte seien ef athenische Fälschung aus der Zeit des peloponnesischen Rriep und so kommt der lahme athenische Schulmeister in verwandelt Gestalt doch noch einmal zu Ehren. Welchen Zweck diese Ffllschoi gehabt haben sollte, ist freilich schwer abzusehen; und noch wenig« verstehen wir bei einem Fälscher die Gluth patriotischer und krieg« rischer Begeisterung, die aus den Versen athmet.

Doch der Verfasser der Gedichte soll ja auch , nach Art di Sophisten, den ,Sport^ gering geachtet haben, wofQr fr. 12 citi wircl. Dort steht aber gerade das Gegentheil; der Dichter scblt gymnastische Tüchtigkeit so hoch wie nur irgend eine andere agsf^ körperliche Schönheit, Reichthum, vornehme Abkunft, hervorrageiu Redegabe ; aber das alles ist ihm nichts, wenn die Tapferkeit feb Also auch dieses Argument fôllt in sich zusammen.

Ueberhaupt sehe ich nicht, was dem überlieferten Ansatz d Zeit des Tyrtaeos entgegen steht. Sparta war ja damals um d Wende vom 7. zum 6. Jahrhundert einer der grossen Hittelpuok des geistigen Lebens in Griechenland, in sehr viel höherem Grad als es z. B. Athen um dieselbe Zeit gewesen ist. Wir dürfen d Zustande des 5. Jahrhunderts doch nicht in das ausgehende 7. Jab hundert hineinprojiciren. Wenn nun in Athen um 600 ein Staat mann wie Solon sich der Elegie bediente, um für seine politisch* Ideen Propaganda zu machen, weil es eine litterarische Prosa no* nicht gab, warum soll da um dieselbe Zeit') ein spartanisch

1) Laotychidas II. ist 469 (Gr. Gesch. I 455 A. 2) abgesetzt worden; i lange er dann noch gelebt hat, wissen wir nicht. Rechnen wir aber von 470 rückwärts, und setzen die Generation zu 30 Jahren an, so würde Laotychidn 590 gestorben sein. Ist es also richtig, dass der messenische Aufstand un diesen König fallt, wie Rhianos sagt (und wenigstens aus Tyrtaeos ist < Ansatz nicht abgeleitet), so würde er etwa ums Jahr 600 zu setzen sein, i dieselbe Zeit führt, was uns sonst über den Krieg überliefert ist (Gr. Gesd 2S5 A), auch abgesehen von der Angabc bei Flut. Jpophth. Reg, p. 195, Schwartz nicht gelten lässt. Tyrtaeos wäre demnach ein Zeitgenosse Sol* gewesen. Alle diese Zeugnisse haben nun freilich keinen absolaten Wei

ZUR GESCHICHTE DES EURYPONTIDENHAUSES 259

Offizier uod Staalsmaon nicht das gleiche gethao haben? Tyrtaeos mag etwa Polemarch gewesen, und später in die Gerusie gelangt sein. Die Analogie zwischen Tyrtaeos und Solon liegt ja auf der Band; sie erklärt sich aus der Analogie der Verhältnisse , die übrigens nur ganz vereinzelten Anklänge im Ausdruck daraus, das8 beide das Epos und die ionische Elegie vor sich hatten; zu der Annahme der Nachahmung des einen durch den anderen be* rechtigt uns nichts. Auch dass Tyrtaeos seine Elegieen im epischen Dialekt gedichtet hat, ist ganz in der Ordnung. War doch die Elegie aafdem Boden des Epos in Ionien erwachsen; wie der Verfasser der hesiodeischen Epen, wie der Megarer Theognis im homerischen Dialekt gedichtet haben, musste auch Tyrtaeos es thun. Und wenn die Spartaner ihren Homer verstanden, konnten sie auch den Tyr- taeos verstehen. Dass uns Alkman so viel fremdartiger erscheint, ab Tyrtaeos, obgleich er wahrscheinlich etwas jünger ist, als dieser, liegt an der Kunstform ; es ist mutatis mutandis ganz dasselbe Ver- hâllDiss wie zwischen Solon und den aeschyleischen Chorliedern. Doch um diese Dinge zu sagen, habe ich das Wort nicht er- griffen. Mir lag nur daran, die Konigsfolge und die Genealogie des Eurypontidenhauses richtig zu stellen , und die Ueberlieferung Herodot VUI 131 gegen eine Fälschung in Schutz zu nehmen, die sich bereits in manche unserer Ausgaben eingeschlichen hat.

II. Agis Tod bei Mantineia.

Bei Pausanias VHI 10, 5 ff. (vgl. VI 2, 4; VIH 27, 13; 36, 6) wird bekanntlich erzählt, dass König Agis, Eudamidas Sohn, bei Hantineia in einer Schlacht gegen die verbündeten Arkader und Achaeer gefallen sei. Dass diese Angabe nicht richtig sein kann, ^l auf der Hand; denn nichts steht sicherer, als dass Agis nach ^^ Scheitern seiner Reformpläne im Gefängnisse hingerichtet worden ist Trotzdem hat Droysen den Bericht des Pausanias von Agis arkadischem Feldzuge in seine Erzählung aufgenommen, und nur den Tod des Agis herausgestrichen, wodurch dann alles in schönste Ordnung kommt. Eine solche Art conciliatorischer Kritik

wollen wir sie bei Seite werfen, so würde uns nichts hindern, Tyrtaeos noch <un einige Jahrzehnte herabzurûclien. Einen terminus ante quem giebt die Begrûndang der Ephorenmacht , etwa um die Mitte des 6. Jahrhunderts (Gr. Gesch. IîiRfi\

260 J. BELOCH

bedarf keiner WiderleguDg; auch ganz abgesehen davon, dass PI tarch mit keinem Worte die Schlacht erwähnt, und das« Agis n»j einer 8o schweren Niederlage unmöglich das Ansehen hätte hab« können, das fOr die Inangriffnahme der Socialreform nothwend^ Voraussetiung war.

Und doch ist Droysen von einem ganz richtigen GefOhle ^ leitet worden. Wir dürfen die Angabe des Pausanias nicht so oh, Weiteres bei Seite werfen, wie es noch kürzlich Niese gethan Schon darum nicht, weil Pausanias das zum Gedächtniss des Siega errichtete Tropaeon noch vor dem Thore von Mantineia gesebea hat, und eben an dieses Denkmal seinen Bericht anknüpft. Und vor allem, dieser Bericht ist Tiel zu eingehend, und was mehr ioi Gewicht fôllt, er ist viel zu gut, als dass Pausanias ihn hätte er- finden können. Die Erzählung ist keineswegs, wie Niese meist (II 304 A) ,aus allerlei Stücken zusammengesetztS vielmehr giai aus einem Guss, und sie spiegelt genau die politische Lage wieder, wie sie um 250 im Peloponnes war. Sikyon ist bereits in des achaeischen Bund eingetreten, der Bund aber noch auf Sikyon uad Achaia beschränkt; Lydiadas ist bereits in angesehener Stellangi aber noch nicht Tyrann, denn er hat im Befehl über das megak»- politische Contingent Lakydas zum CoUegen; und endlich. Megalo- polis steht mit Mantineia und einer Anzahl anderer arkadischer Gemeinden im Bunde, was seit der Secession des Jahres 363 nicht mehr der Fall gewesen war, und bis zum Eintritt beider Städte in den achaeischen Bund nicht wieder der Fall sein sollte.

Von dem Bestehen eines solchen arkadischen Bundes (deoD darum bandelt es sich bei Pausanias ganz offenbar) hat sich ou0 freilich in unserer sonstigen litterarischen Ueberlieferung keine Spur erhalten, was bei der Dürftigkeit dieser Ueberlieferung fûi die Geschichte des 3. Jahrhunderts nach keiner Richtung hin etwai beweist. Dagegen haben wir dafür ein numismatisches Zeugniss is BronzemUnzen mit megalopolitischen Typen, aber dem arkadischen Monogramm, die etwa der Mitte des 3. Jahrhunderts angehören (Hea< Hist. Num. S. 377), während sonst die Münzen von Megalopolis aus dieser Zeit die Aufschrift M EP zeigen. Dazu kommt dani weiter ein epigraphisches Zeugniss: das bekannte Proxeniedecre für den Athener Phylarchos, Dittenberger SylL^ 106. Bekanntlicl hat Dittenberger dieses Décret in die Zeit nach der Schlacht bc Leuktra gesetzt, weil er von dem Bestehen eines arkadischen Bunde

hrf

ZUR GESCHICHTE DES EURTPONTIDENHAUSES 261

im 3. Jahrhundert nichto wusste; auch ich habe diese Ansicht

lange getbeilt, und noch ganz kürzlich hat Max Fränkel die offene

Thllr noch einmal eingerannt. Der Stein scheint leider verschollen;

weon aber Fränkel dem ungeachtet aus epigraphischen Gründen

\)eweisen will, dass er in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts gehört^

90 ist doch zu erinnern, dass Foucart, der den Stein selbst gesehen

bat, ihn in das Jahr 224 setzt. Die Annahme, dass eine solche

àutoritai sich um anderthalb Jahrhunderte geirrt haben sollte,

Kheint mir unzulässig, bis der Stein einmal wiedergefunden wird,

und uns ein eigenes Urlheil gestattet. Dazu kommt, dass auf dem

Stein Stymphalos in der Liste der arkadischen Bundesstädte fehlt,

was bei der geschlossenen Zahl der Damiorgen nicht zufällig sein

kuD, während die Stadt dem ersten Bunde angehört hat. Im

übrigen verweise ich auf die Ausführungen Nieses in dies. Ztschr.

miV S. 542 ff.

Dass die Wiederaufrichtung des arkadischen Bundes mit der L ( Befreiung von Megalopolis durch Damophanes und Ekdelos zusammen- hängt, liegt auf der Hand^ und ist mehrfach ausgesprochen worden. fiif Ebenso, dass diese Befreiung um 250 erfolgt ist. Wenn Polybios X 22,2. 3 die Ereignisse in chronologischer Folge aufzählt, müsste üe der Befreiung von Sikyon durch Aratos vorhergehen. Daraus «Qrde aber keineswegs folgen, was Niese, allerdings mit grosser ZurOckbaltung, vermuthet (II 258, 3), das Damophanes und Ekdelos Uf zur Zeit der Befreiung von Sikyon schon wieder aus Megalopolis vertrieben waren. Denn sie könnten Aratos Unternehmen auch von legalopolis aus unterstützt haben ^ und Plut. Àrat. 5 sagt nicht ^rflcklich, dass Ekdelos als Verbannter in Argos lebte. Es wäre ^r an sich recht wenig wahrscheinlich, wenn Damophanes und Ekdelos sich nach ihrer zweiten Vertreibung aus Megalopolis gerade ^ Argos gewandt hätten, also in Antigonos Machtbereich; auch ^*trde unter diesen Umständen ein Verkehr mit ihnen für Aratos bOcbst compromittirend gewesen sein. Aber es zwingt uns über- h biDpt nichts zu der Annahme, dass Polybios hier, wo er nur kurz M ganz beiläufig von diesen Dingen erzählt, sich streng an die ^nologische Ordnung gehalten hat; er thut das in solchen Fällen >Qch sonst keineswegs immer. Es ist ganz ebenso möglich, und PSTchologiscb wahrscheinlicher, dass er die Thaten der beiden V^lopoliten nach ihrer Wichtigkeit aufzählt, und da war dann na- >•< türlich die Befreiung der Vaterstadt an erster Stelle zu nennen. Ich

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262 J. BELOCfl

glaube demnach allerdings, dass Damophanes und Ekdeios zur Z der Befreiung von Sikyon ah Verbannte in Argos lebten , aber ihrem ersten Exil. Da sie sich bis dahin in Athen philosophisdi Studien hingegeben hatten, schienen sie politisch unverdicbtig, n da sie aus Athen kamen, das unter Antigonos unmittelbarer Herrsch stand, lag kein Grund vor, ihnen den Aufenthalt in Argos zu n wehren. Demnach ist die Befreiung von Megalopolis erst von Siki aus ins Werk gesetzt worden, und zwar ohne Zweifel nidit lai nach der Befreiung der letzteren Stadt, da sonst fOr die Demokn in Megalopolis und die Tyrannis des Lydiadas nicht hinreiche Zeit bleiben würde.

Gewiss war die Befreiung von Sikyon und Megalopolis indire ein Schlag gegen Antigonos. Aber der König Hess die Sache bu gehen; wie er mit Aratos zunächst in guten Beziehungen blid so auch mit dem neuen arkadischen Bunde. Ein Beweis dafOr i eben unser Proxeniedecret für den Athener Phylarchos , also d< Borger einer Antigonos unterworfenen Stadt.^) Auch bestand , eine traditionelle Freundschaft zwischen Megalopolis und dem mak« donischen Konigshause; und Megalopolis hatte in dem neuen Bimi die Fahrung. Es entsprach durchaus Antigonos Interesse, wei diese Stadt durch den Anschluss der übrigen arkadischen Gemeindi gegen Sparta gestärkt wurde.

Eine Aenderung in diesen Verhältnissen trat erst ein, nacbde Antigonos Neffe Alexandros von Korinth sich gegen seinen Ohei erhoben hatte und mit den Achaeern in Bund getreten war (Ph Ärat. 18). Bei den engen Beziehungen zwischen Aratos und di Befreiern von Megalopolis und der Interessengemeinschaft, d zwischen den beiden grossen peloponnesischen Bundesstaaten b stand, können wir nicht daran zweifeln, dass Arkadien die Schwenkung mitmachte. Aber in Megalopolis hatte Antigonos at reiche Anhänger, die den Abfall von seiner Sache nicht ruhig hi nehmen konnten. Und so geschah es^ dass einer dieser AnhSog« Lydiadas, sich gegen die arkadische Regierung erhob, und in Megal polis die Militärdictatur in die Hand nahm. In Folge dessen bra der arkadische Bund auseinander. Das muss geschehen sein, e Korinth von Aratos befreit wurde (243), und nach dem Abfa

1) Da er zum Proxenos ernannt wird, ist die Möglichkeit au8geschh»8» an die sonst gedacht werden könnte, dass er ein athenischer Verbannter w

ZUR GESCHICHTE DES EURYPONTIDENHAÜSES 263

des Alexaodros, der einige Jahre Dach der Befreiung von Sikyon

(Plut. Àrat. 15. 18), also etwa um 247 erfolgte (vgl. De Sanctis

in meinen Studi li 58); der arkadische Bund hat demnach nur

wenige Jahre , längstens von 250 245 bestanden, wozu es aufs

beste stimmt, dass wir nur so wenige Münzen von ihm besitzen.

Zu dem westlich benachbarten Elis stand der Bund ohne Zweifel in guten Beziehungen. Er überliess diesem den Besitz der meisten tripbylischen Stfldte, was daraus hervorgeht, dass nur Le- preoD in der Liste der Bundesgemeinden aufgeführt wird; ferner fehlt darin das altarkadische Psophis, das also ebenfalls bereits eleisch gewesen sein muss. Auch Lydiadas hat spater, als Tyrann von Megalopolis, diese guten Beziehungen gepflegt. Er hat dem An- schlüsse von Lepreon an Elis keine Hindernisse in den Weg gelegt, und sogar, gegen andere Compensationen , Alipheira an Elis ab- getreten (Polyb. IV 77, 10). Was beide Staaten zusammenführte, war der gemeinsame Gegensatz gegen Sparta. Die eleische Politik hat im 3. Jahrhundert zwischen Aetolien und Sparta hin- und her- gesehwankt. Die Tyrannis des Aristotimos war mit aetolischer Hilfe gestürzt worden, und ohne Zweifel dankte es Elis nur dem Bflckhalt, den ihm Aetolien gab, wenn es nach dem Sturz des Tyrannen gegen Antigonos seine Freiheit behaupten konnte. Kurz <)araor, im chremonideischen Kriege flnden wir Elis im Bündniss mit Sparta, während Aetolien in diesem Kriege neutral blieb. Nach Antigonos Siege hat Elis sich dann wieder an Aetolien ange- schlossen; der aetolische Angriff gegen Sparta nach Agis Sturz, etwa 239, ware nicht möglich gewesen, wenn Elis nicht mit Aetolien im Bunde stand. Aetolien hat nun allerdings den Anschluss von Si^Ton an die Achaeer nur ungern gesehen, da es selbst gehofl't hatte, die Stadt zu gewinnen; aber zum Bruch zwischen Aetolien ^ Achaia ist es darüber noch nicht gekommen, vielmehr erfolgte <)i€8er Bruch erst 245, als sich Achaia mit Boeotien gegen die Ae- toler verband.

Dagegen fühlte sich natürlich Sparta durch die Wiederaufrichtung ^^ arkadischen Bundes in seinen vitalsten Interessen bedroht; sah ^ sich doch damit jede Möglichkeit der Expansion über die eigenen ^rc^zen hinaus abgeschnitten. Es musste zum Schwerte greifen, ^tn diese Gefahr abzuwenden. Und ebenso selbstverständlich ist es, ^3ss die Achaeer dem befreundeten arkadischen Bunde gegen diesen Angriff zu Hilfe kamen. Erst als der arkadische Bund auseinander

264 J. BELOCH

gebrochen war, und die Achaeer gegen Spartas alte Feinde, i Aetoler im Kriege standen, war eine Annäherung zwischen Spar und Achaia möglich; sie ist denn auch sogleich eingetreten.

In diesen politischen Hinlergrund passt nun die Schlacht li Mantineia, wie sie bei Pausanias erzahlt wird, aufs beste hineii so gut, dass wir beinahe gezwungen wären, einen solchen Kri* Spartas gegen die Achaeer und Arkader in dieser Zeit anzunehme auch wenn gar nichts davon Oberliefert wäre. Als terminus «i quem ergiebt sich die erste Strategie des Aratos 245. Das m das Schweigen Plutarchs, der die Schlacht ohne allen Zweifel n wähnen würde, wenn Aratos in leitender Stellung dabei betheiL gewesen wäre. Es ergiebt sich aber auch aus den Worten c Pausanias: ^Açàtqp ôè inBTéTçajvto xo2 2ixvwvloiç xal ^Axaê€ to fAéaov. Hier wird Aratos deutlich nur als Fahrer des sit onischen Contingents bezeichnet; denn sonst wäre die ErwähnUi der Sikyonier, die ja auch Achaeer waren, ganz Überflüssig. Namen des achaeischen Strategen hat Pausanias unterdrückt; w war ihm so ein dunkler Ehrenmann aus Dyme oder Tritaea? Ab er hat glücklicher Weise seine Vorlage im übrigen so genau e: cerpirty dass wir den wahren Sachverhalt noch herstellen kOnnei Dass Aratos, ehe er selbst zur Strategie gelangte, in untergeordnet« Stellung an den Feldzügen des achaeischen Bundes theilgenomme hat, sagt ja Plutarch ausdrücklich: kvi twv knizvxôvtiav xqt^ a^ai noQBlXBV avrip àeï OTçatrjyovvTi %wv i^x^^^^^ *^* Jvfiaîoç^ BÏXB TçivaiBVÇ, bïtb fÂixçoTéçaç tivoç wv ti^O£ ito Ibwç (Arat.ll). Plutarchs Quelle wird dabei auch diesen Feldiii im Auge gehabt haben. Den terminus post quem für die Schlact giebt die Begründung des arkadischen Bundes, die, wie wir gesebe haben, etwa ins Jahr 250 gehört. Es ist nach der ganzen Sacblag wahrscheinlich, dass der spartanische Angriff sehr bald nach diesu Zeitpunkt erfolgt ist.

Auch die Erwähnung des eleischen Sehers Thrasybulos, a^ Theilnehmer an der Schlacht (Paus. VI 2, 4; VIll 10, 5), bietet kein Schwierigkeit. Er ist doch offenbar derselbe, der Pyrrhos ein Statue in Olympia errichtet hatte (Paus. VI 14, 9). Das wird ge schehen sein, als Pyrrhos in den Peloponnes zog, also 273; dem nur damals ist Pyrrhos in nähere Beziehungen zu Elis getretei Wenn Thrasybulos zu dieser Zeit etwa 40 Jahre alt war, so ws er zur Zeit der Schlacht bei Mantineia ein Sechziger. Die Ei

ZUR GESCHICHTE DES EURYPONTIDENHAUSES 265

ictiluDg der Statue des Pyrrhos zeigt, das« er zu der Sparta feiod- iclieii Partei in Elis gehörte; die Errichtung einer Statue seines äobnes Agatbinos durch die Achaeer von Pellene (Paus. VI 13, 11), dass er zu Achaia in guten Beziehungen stand.

Der mantineische Strateg Podares, der in der Schlacht be- fehligte, wird als ànoyovoç zqItoç des gleichnamigen Mannes be- zeichnet, der 362 gegen Epameinondas den Befehl geführt hatte. Auch das hat keine Schwierigkeit, wenn der eine Terminus aus- geschlossen wird. Im übrigen ist ja bekanntlich auf solche genea- logische Angaben meist nur wenig Verlass.

Aber es bleibt noch die Hauptschwierigkeit, der Tod des Agis. Zq ihrer Lösung muss ich etwas weiter ausholen. Ich gebe zu- nächst den Stammbaum des Eurypontidenhauses seit Archidamos^ dem Sohne des grossen Agesilaos; die Namen der Könige sind gesperrt gedruckt und mit Ordnungsnummern bezeichnet.

1. Archidamos I.

2. Agis I. 3. Eu da m id as 1. Agesilaos {\tt. Anab,\\ 13,6)

4. Archidamos 11. Eudaroidas 11. (Polyb. IV 35, 13)

I Gem. Archidameia (Plut. AgU 4. 20)

5. Eudamidas III. Agis 11. Agesilaos Agesistrata Gein. Agesistrata | Gem. Eudamidas

^' Agis m. 8. Archidamos m. Hippomedon

^. Agiatis Gem. Hippomedons

I Tochter (Polyb. IV 35, 13)

'Budamidas IV. I

Zwei Söhne.

Die Regentenfolge, die diesem Stammbaum zu Grunde liegt, ^^ Uns bei Plut. Agis 3 überliefert, wozu Paus. III 10, 5 bestätigend Und ergänzend hinzutritt. Dafür, dass Archidamos II. der Sohn ^^ älteren (I.), und der Vater des jüngeren Eudamidas (III.) war, '^ben wir sonst kein Zeugniss; dagegen wird ein Ausspruch, der "'^^rem Archidamos gehören muss, bei Plut. Apophth, Lacan. P* 2l9 unter *AqxLdaiioç itiyrjaiXdov aufgeführt Doch liegt hier ^"^Obar eine blosse Verwechselung mit seinem so viel berühm- ^^en Grossvater vor. Denn Archidamos stand bereits 294 als '^^^Ig an der Spitze des Heeres (Plut. Demetr. 35), wir können ^'H» zwischen ihm und Eudamidas I. nicht eine Generation ein- schieben. Eher wäre das zwischen Archidamos und dem jüngeren ^^damidas (III.) möglich; aber ein Anhalt dafür liegt nicht vor, ^''^d die etwa 140 Jahre, die zwischen der Geburt des Archi-

266 J. BELOCH

damos I. (ca. 400) und der Geburt des Agis III. (ca. 260) iieg< sind für vier GeDeraliooeo nicht zu viel. Und wenn dieser k bei Plutarch (Ages. 40) der fünfte, ein andermal (Agis 3) der secb nach Agesilaos heisst, so erklärt sich dies Schwanken am ei fachsten durch die Annahme ^ dass das eine Mal exclusive « i andere Mal inclusive gerechnet ist. Freilich ist eben darum i diese Angaben kein Gewicht zu legen.

Was die jüngere Linie angeht, der Agesilaos und Hippomed angehören, so bedarf es keiner Bemerkung, dass Agesilaos Vater E damidas (IL) nicht mit einem der beiden Könige dieses Namens id« tisch sein kann. Wohl aber war diese Linie, wie sich aus Polyb. 35, 13 ergiebt, nach dem Hauptstamme die nächste am Throi es wird dadurch wahrscheinlich, dass Eudamidas U. ein Bruder i Königs Archidamos H., und also der zweite Sohn des Königs Eu< midas L gewesen ist. Sonst wäre auch möglich, dass er ein So von Eudamidas L Bruder Agesilaos gewesen ist; doch mOssten ^ dann annehmen, dass Archidamos IL keine Brüder gehabt hat, deren Descendenz sonst vorgegangen wäre.

Nun ist König Agis UL zur Regierung gelangt (um 245), als eben erwachsen war. Es ist ja möglich, dass sein Vater eben zu i Zeit starb, als der Sohn grossjährig wurde; aber das wäre ein merkwürdiger Zufall, dass wir kein Recht haben, das ohne ausdrüc liches Zeugniss anzunehmen. Alle Wahrscheinlichkeit spricht vi< mehr dafür, dass der Uebernahme der Regierung durch Agis eil Vormundschaftsregierung vorausgegangen ist. Vormund aber w nach spartanischem Rechte der nächste männliche Verwandte, diesem Falle also der älteste Sohn von Agis Grossoheim Eud midas U., denn dieser selbst war ohne Zweifel nicht mehr a Leben.

Und jetzt zurück zu der Schlacht bei Mantineia. Sie ttà wie wir gesehen haben, aller Wahrscheinlichkeit nach in die Ze in der Agis zwar schon KOnig, aber noch minderjährig war; wei also, wie Pausanias sagt, Itiyiç Eida^Lôov die Spartaner in d Schlacht befehligte, so ist das nicht der König, sondern sein Vc mund. Wir haben gesehen, dass dieser Vormund ein Sohn i Eudamidas war; aber natürlich nicht Agesilaos, da ja der spar) nische Befehlshaber in der Schlacht gefallen ist. Es handelt si also um einen älteren Bruder des Agesilaos; dass er Agis hie müssen wir Pausanias glauben, denn es liegt auch nicht der Schatt

ZUR GESCHICHTE DES EURYPONTIDENHAUSES 267

eines Grundes vor, sein Zeugniss zu verdächtigen. Vielmehr war der Name Agis im Eurypontidenhause gerade fOr den ersten Sohn »ehr beliebt, und zwar hat keiner der drei Könige, die im 5. bis 3. Jahrhundert diesen Namen getragen haben, einen directen Vor- fahren des gleichen Namens gehabt. Es war demnach nur den Traditionen des Hauses entsprechend, wenn Eudamidas, der Sohn des Eudamidas, seinen ältesten Sohn Agis nannte. Und es ist sehr begreiflich, dass Pausanias diesen Agis IL, Sohn des Euda- midas, mit seinem so viel bertlhmteren Mündel Agis III. verwechselte, der ebenfalls Sohn eines Eudamidas war.

Rom. JULIUS BELOCH.

KRITIK DER BEIDEN MAKKABÄERBÜCHEa

NEBST BEITRÄGEN ZUR GESCHICHTE DEB

MAKKABÄISCHEN ERHEBUNG.

(ERSTER ARTIKEL). EiDleitUDg.

Unter den sogeoanuten ApokrypheD des alten Testamente haben das erste und zweite- Makkabäerbuch besondere WicbUgkei nicht nur für die jüdische Geschichte, sondern auch fOr die Gc schichte des späteren Hellenismus, die in ihnen eine der wichtig sten Quellen besitzt. Sie gehören zugleich zu den eigenartigste litterarischen Erzeugnissen dieser Zeit, aus der sonst nur so weni erhalten ist, und verdienen dadurch ein besonderes Interesse. Ic habe wiederholt Gelegenheit gehabt, mich mit ihnen zu beschaftigei und darf es wohl unternehmen, die Eindrücke, die ich von ihiic erhalten, und die daran geknüpften Untersuchungen an dieser Stel zu veröffentlichen. Zur vorläuQgen Orientirung beginne ich m einer kurzen Beschreibung und Charakteristik der beiden Bücher«

Den herkömmlichen Titel, 1. und 2. Makkabäerbuch (Moxu ßaiiüv aß') führen sie nicht ursprünglich; denn sie bilden nie zusammen ein grösseres Ganzes, sondern jedes ein Werk für sid Makkabäer ist auch nicht die Bezeichnung der gesammten HasmonS gewesen, sondern im älteren Sprachgebrauche bis auf Josephus her ist Makkabaios*) nur der Beiname des Judas. Erst der Sammle der das Corpus der Apokryphen herstellte, kann den Namen g geben haben, der nun noch zwei anderen anonymen Schriften a scheinend verwandten Inhaltes beigelegt ward, die jetzt ak 3. 4. Makkabäerbuch bekannt sind.

1) Eine kurze aber gute Charakteristik der Makkabäerbucher, und auch des 3. und 4., giebt ein altes, sehr bemerkenswerlhes Scholion zo D^ (S5) der apostol. Kanones bei Gotelcrius SS. Patrum qui temporilms apo0 licis ßoruerunt opera 1 452 (ed. Clericus Amsterdam 1724).

2) Oder Makabaios.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 269

Das 1. Makkabäerbucb ist, wie man heute nach dem Zeugniss

.^s Hieronymus allgemeiD aunimmt,*) die griechische Uebersetzuog

exnes ebräischen oder aramäischen Originales^ wie es sich auch in

Sprache, Darstellung, Satzbau und vielen anderen Dingen an das

^nechische alte Testament anschliesst. Als ursprQnglicheu Titel

brachtet man den von Origenes*) überlieferten aaqßrid^ aaßa^

ydiik, von dem jedoch eine befriedigende Erklärung noch nicht

gefunden worden ist.') Nach kurzer Einleitung Ober Alexander

den Grossen und die Tbeilung des Reiches beginnt das Buch mit

Antiochos Epiphanes und erzählt die Bedrängnisse des Judenthumes,

die Erbebung und Kämpfe des Volkes vom Anfang unter Matta-

(hias bis zur völligen Befreiung und dem Tode Simons. Die Dar-

stelluDg umfasst also die Zeit von 169/8—136/5 v. Chr., etwa 33

oder 34 Jahre. Ein besonderer Vorzug ist es, dass eine Anzahl

[ wichtiger Ereignisse nach den Jahren der seleukidischen Aera be-

I- stimmt datirt wird.

Das 2. Makkabäerbuch ist nach seinem eigenen Zeugniss (€.2,19(r.) ein Auszug aus lason von Kyrene, dessen Werk fünf L BOcher umfasste, und ist ohne Zweifel ursprünglich griechisch ge- i schrieben. Die Darstellung beginnt schon in den letzten Jahren des Seleukos IV. mit der Vorgeschichte der makkabäischen Erhebung, g^t dann zu dieser Ober und verfolgt sie bis zum Siege des Judas Nakkabaos über Nikanor, also bis 162/1 v. Chr. Es ist im Wesent- lichea eine Geschichte des Judas Makkabäos, und der Name Makka- berbuch ^MaxxaßatKoi*' kommt ihm in höherem Grade und eigent- licher zu als dem ersten. Vorangeschickt ist ein aus dem seleuki- &chen Jahre 188 125/4 v. Chr. datirter Brief der Juden in Jadaa an die ägyptischen, worin diese aufgefordert werden, das BMkkabfliscbe Erinnerungsfest der Tempelweihe gleichfalls zu be-

1) Hierooymus IX 459 ff. Vallarsi. Machabaeorum primum Ubrum He- ^ffticum repperi. Schürer Gesch. des jüd. Volkes im Zeitalter Jesu Christi 111 139 3, Aufl.

2) Bei Euseb. hiti. eccles. VI 25, 2.

3) Mao übersetzt, indem man mit H. Stephanus (und vielleicht dem Co- dex H) oa^ßartuäl liest, Buch der Fürsten der Kinder Gottes oder Fftrstenhaus der Kinder Gottes u. dgl. Vgl. Grimm kurzgef. exe- S<t. Haodb. zu d. Apokryphen III S. XV ff. Ewald Gesch. d. Voiiies Israel IV ^^^* Dérenbourg Essai sur Vhistoire et la géographie de la Palestine 1 450. Nach Origenes war es übrigens nicht der Titel des 1. Makkabaerbuches allein, ^°<iero der makkabäischen Geschichte {ta Maxxaßa'ixd) überhaupt

Henu«, XXXV. 18

270 B. NIESE

gebeD^ nod im Anschluss daran einige Legenden von Nebemia \ Jeremia erzählt werden. Der eigentliche Titel erscheint in Subscription einiger alter Handschriften. Er lautet nach dem C Alex.: *Iovôa %ov Maxxaßalov^) nça^e(av iniatoJLi^^ nach « Venetus 'lovôa Mannaßalov nçâ^êwv ènivofu^f wie auch i mens von Alexandrien^ das Buch als %œv Maxxaßatxujv imn citirt. Beides ist berechtigt, da das 2. MakkabSlerbucb ein Ans in Form eines Briefes ist.*)

Nur zum Theil also fallen die beiden Hakkabfierbücher ] sammen, nämlich für die Jahre 169 161 v. Chr., deren Ereignii wie bei historischen Schriften zu erwarten, in den Grundzflg übereinstimmend erzflhlt werden. In beiden herrscht ferner ( gleiche Tendenz, sie stehen auf streng jüdischem Standpunkte a behandeln die Gegner, die griechischen Bedränger wie die jüdisch Widersacher als gottlose Frevler. Gemeinsam ferner ist beid Werken der Nachdruck, der auf die Stiftung der beiden Gedenkti gelegt wird, des von den Juden Channuka genannten Festes c Tempelweihe am 25. Kislev und des sogenannten Nikanortages ; 13. des Monats Adar, am Tage vor Purim/)

Neben solchen Aehnlichkeiten im Ganzen bestehen jedoch grOssten Unterschiede und Abweichungen jeglicher Art im Einselm Von besonderer Bedeutung ist z. B., dass der Tod des Antiocl Epiphanes verschieden gesetzt wird.*) In jedem der beiden BOd finden sich Dinge, die das andere entweder verschweigt oder i kurz berühru Im 2. Buche fehlt Hattathias ganz, und die er« Siege des Judas über ApoUonios und Seron") werden nur lei* angedeutet. Im ersten dagegen wird die Vorgeschichte der I hebung, der Streit zwischen den Hohenpriestern lason und Henel übergangen; diese beiden Männer werden nie genannt, nicht eini Menelaos, der doch nachher in der Kriegsgeschichte seine R< spielt. Ebenso enthält das 2. Makkabäerbuch mehrere Thatsacl der gleichzeitigen syrischen Geschichte, die sich im ersten ni

1) MoKHcUov die Hs.

2) Strom, V 14, 98 p. 705 Polt.

3) *H dtvréça iv eï$e& éntarolrjs oîaa sagt schon das oben an führte Sctiolion zu den Kanones.

4) 1. Makk. 4, 52. 7, 48. 2. Makk. 10, 1 ff. 15, 36.

5) 1. xMakk. 6. 2. Makk. 9.

6) 1. Makk. 3, 10 fT.

DIE BEIDEN MAKKABÂERBtiCHER 271

ftodeo, es erzdbU oft eingehender, genauer und nennt mehr Namen; )Liirz die Verschiedenheiten der beiden BUcher sind ebenso zahlreich wie beträchtlich.

In beiden Büchern herrscht, wie sclion gesagt, ein streng indischer Geist. Uebereinstimmend wird die Frömmigkeit der jü- dischen Kämpfer hervorgehoben; die Beispiele, an denen sie sich ennuthigen, werden dem alten Testament entlehnt.') Bei jeder Gelegenheit wird der göttliche Beistand hervorgehoben, der den Vertheidigern des Glaubens zu Theil ward, oder die Strafe, die den Gottlosen traf. Selbst bei abweichender Erzählung herrscht dirin völlige Einigkeit. In beiden Büchern ist z. B. der Tod des ADtiocbos die göttliche Strafe für die Unterdrückung des jüdischen Gottesdienstes, in beiden ist der sterbende König seiner Schuld be- wusst und bereut sie.*) Der Tod des Alkimos, wie ihn das 1. Buch bttchreibt, und das Ende des Menelaos im zweiten zeigen bei aller Verschiedenheit der Erzählung doch die gleiche Tendenz; den ungetreuen Priester ereilt die göttliche Strafe.') Aber die Art, wie «lieser Geist sich ausspricht, ist verschieden. Im 1. Makkabäerbuch *ird die göttliche Hülfe durch Fasten^ Busse und Gebet vermittelt,^) und dies fehlt auch dem zweiten nicht,*) aber die Hülfe ist un- mittelbarer, himmlische Heerschaaren , gewappnete Engel Gottes ZQ Ross und zu Fuss kommen herab, um an der Seite der Ihrigen XU kämpfen. Wer kennt nicht die Geschichte Heliodors, der bei m Mioem Versuche, den Tempelschatz anzutasten, von einem himm- I lucbeo Reiter zu Boden geworfen, aber auf das Gebet des Hohen- f Priesters Onias verschont wird und sich nun zum Glauben an " Cottes Allmacht bekehrt?') Ueberhaupt liebt das 2. Buch Wunder- werk allerlei Art, wovon das schon erwähnte schreckliche Ende des Nenelaos und die Martyrien des greisen Eleazar und der sieben

1) Im 1. Makk. ausschliesslich. 2. Makk. 8, 19 f. wird daneben ein an- derer Vorfall erwähnt, wo die babylonischen Juden für die bedrängten Make- dooier über eine gewaltige Uebermacht der Galater den Sieg erkämpfen. Diese Geschichte hat man vergebens in der Zeit des Seleukos Kaliinikos oder An- tiochos Ul. UDterzobringeo versucht. Wernsdorff S. 96 ff.

2) 1. Makk. 6, 8 ff. 2. Makic. 9, 3 ff.

3) 1. Makk. 9, 54. 2. Makk. 13, 3 f.

4) 1. Makk. 3, 17 ff. 46 ff. 4, 8 ff.

5) 2. Makk. 8, 23. 28. 11,25.

6) 2. Makk. 3, 23 ff., vgl. 10,29.

18*

272 B. NIESE

Brüder/) ferner die io den Eioleitungskapitelo erzählten Legen« Beispiele sind. In dieser Hinsicht ist das 1. Buch viel gemissis' das grobe Wunder fehlt, Gott leistet seine Hülfe unsichtbar, i zweite ist religiös mit einer Fülle populären Aberglaubens, andere ist nicht minder religiös, aber es ist eine geläuterte, c rectere Frömmigkeit.

Auch sonst weht im 2. Makkabflerbuch eine andere Luft a im ersten. Jenes betont wiederholt, dass die Drangsale Israels d Strafe früherer Sünden seien, dass aber durch die Leiden, d Martyrien der Zorn Gottes gesühnt sei, und sich seine Gnade ihi wieder zugewandt babe.^ Im 1. Buche tritt dieser Gedanke Di zu Anfang leise hervor,') dann verschwindet er gänzlich. Wiederbo hebt ferner das 2. Makkabäerbuch die strenge Befolgung der Sabba Ordnung durch Judas und seine Genossen hervor; am Sabbat bd der Krieg, die Verfolgung auf/) Das 1. Buch schweigt davoi hier Qndet sich dafür die bekannte Erzählung, wie unter Mattatbi der Beschluss gefasst ward, dass es erlaubt sei sich am Sabbat a vertbeidigen, wenn man angegriffen werde, sich also in einer Noll läge befônde, und darnach wird später gehandelt.*) Von besondere Interesse ist ferner der Unsterblichkeitsglaube, der im 2. Bucl wiederholt und mit Nachdruck verkündet wird; nicht alle Mensche aber die Frommen sollen zum Lohne wieder zum Leben aafe stehen*); der Verfasser beweist, dass auch Judas Makkabäos dies' Glauben getheilt habe.'') Davon hat das 1. Buch keine Spur; seil da, wo man mit einigem Grund etwas erwarten konnte, io d Abschiedsrede des Maltathias') ist von einer Auferstehung nie die Rede. Da wir nun wissen, dass der Glaube an die Auferstehu

1) 2. Makk. 13, 5 f. 6, 18 ff. 7, Iff.

2) 2. Makk. 5, 17 ff. 6, 12 f. 7, 18. 32 f. 37 f. 10, 4. Sehr bcachlcnswe ist der Ausspruch 5, 19: all* ov 8ià tov jonov to i&i'os, dXlà Sià to I voi tov rânov 6 xvçios éieléSc^ro,

3) 1. Makk. 1, 11. 64 xal éyévBxo oçyrj fiaydXtj ini ^IcoarjX fffoiçOm

4) 2. Makk. 8, 26. 12, 38, vgl. 15, 1 und die 5, 26 und 6, 11 crwih Hinschlachtung wehrloser Juden durch die Feinde.

5) 1. Makk. 2, 39. 9, 34. 43, vgl. Josephus Antiq, XII 277.

6) Vgl. besonders c. 7, wo v. 14 zu Ântiochos Epiphaues gesagt « aoi fièv yoQ àvâaxaati bU ^œrjv ovx éarat. Vgl. Bertheau de secundo lié Mace. 50 ff. Geiger Urschrift S. 219 ff.

7) 2. Makk. 12, 43 ff.

8) 1. Makk. 2, 49.

DIE BEIDEN HAKKABÄERBOCnER 273

der Frommen zu deo Lehren der Pharisäer gehörte, dass dagegen die Sadducäer die Unsterblichkeil leugneten,*) so hat man schon längst vermuthet, dass der Verfasser des 2. Buches zur pharisäischen Sekte, der des anderen zur sadducäischen gehört habe.

Wohl am auffälligsten ist zuletzt der Unterschied in der Form der beiden Werke. Während das erste im .Uebersetzungsgriechisch der Sepluaginta geschrieben ist, folgt das zweite der allgemeinen Litteratursprache. Im ersten verläuft die Erzählung in gleichmässiger Rübe und Würde, dagegen ist das 2. Hakkabäerbuch sehr ungleich, an manchen Stellen macht sich die Verkürzung des Epitomators stark bemerklich*) und giebt der Darstellung den Charakter eiliger Hast und Flüchtigkeit. Aus der gleichen Ursache mögen sich einige Widersprüche und Verkehrtheilen erklären, die sich im 2. Hakka- bäerbuche eingenistet haben.*)

Die beiden Bücher, deren Charakteristik soeben versucht wurde, stehen bei den Gelehrten in sehr ungleicher Achtung.^) Es liegt 10 der Natur der Sache, dass sich meist die Theologen mit ihnen beschäftigt haben, aber auch andere Gelehrte schliessen sich der

1) Josepbus bell. lud. 11 163. 165. ^ntiq. XVIII 14. 16.

2) Z. B. 2. Makk. 13, 18 ff. 14, 18 ff.

3) Das auffälligste ist, dass 2. IMakk. 12, 2 ff . Timolheos wieder zum Vorschein kommt, nachdem 10, 37 sein Tod erzählt worden war. Die katho- lischen Gelehrten und mit ihnen Schlatter nehmen an, dass es sich um zwei Slcichnamige Männer handle. Das ist ja möglich, aber doch nicht eben wahr- «heinlicb.

4) Ich Terweise auf die verschiedenen Handbücher, z. B. Ed. Reuss Ge- richte der heiligen Schriften des alten Testamentes , und auf katholischer ^ile Scholz Einleitung in die heiligen Schriften des alten und neuen Testa- oeotes Bd. IL Abraham Geiger Urschrift und Uebersetzungen der Bibel. E. Scbürer Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi Bd. 2 und 3, 3. ÄDfl. Tb. Nöldeke Die alttestamentliche Lilteratur. Ferner Wilib. Grimm l^ongefasstes exegetisches Handbuch zu den Apokryphen des alten Testamentes l'icf. 3 nnd 4. C. F. Keil Commentar über die Bücher der Makkabäer. Ed. l^eosg Das alte Testament Bd. 7. Kaulzsch Die Apokryphen und Pseudepi- Snpheo des alten Testamentes. Ewald Geschichte des Volkes Israel IV^ 603 ff. ^Dler den Specialschriften ist das Hauptweik Gottlieb Wernsdorffs Commen- ^^^ hittorieO'Critica de fide kistorica librorum Maccabaeorum Breslau 1747, ^1°^ gelehrte und scharfsinnige Schrift, wenn auch der Verfasser mit seiner '^niik Dicht selten über das Ziel hinausschiesst Ausserdem ist noch zu nennen ^^'^ Berlheau De secundo iibro Maccabaeorum Diss. Göttingen 1829. Das bekannte Werk von J. D. Michaelis Deutsche Uebersetzung des 1. Buches der Makkabäer, berührt die hier zu behandelnde Frage nicht.

274 B. NIESE

voo jeoeo begrOodeteo Meinung an, wonach das 1. MakkabSerbc für ein im Kerne gediegenes, ernstes und zuverlässiges Geschieh werk gilt, das zweite dagegen für ein leichtfertiges, minder werthij und zugleich jüngeres Machwerk.') Die herrschenden Vorstellüif vom Charakter und Verlauf der makkabäischen Erhebung s wesentlich nach dem 1. Buch gebildet, an diesem wird daher Werth des zweiten gemessen, und wenn es abweicht, wird e»v worfen. Nur zur Ergänzung wird es herangezogen, und besomi die im 1. Makkabäerbuch fehlende Vorgeschichte des AofstaM schöpfte man aus dem zweiten , lange Zeit ohne Scrupel , ja n einem gewissen Lobe, bis die Kritik auch dahin vordrang. Kosten sprach dem ganzen Buch, auch der Vorgeschichte, jeden historisch Werth ab und legte ihm nur eine gewisse litterarische Bedeutai bei. Alles ist nach ihm ein willkürliches, tendenziöses Gewebe fi Thatsachen, die der Verfasser, um die Leser zu täuschen, fälscblii ' für einen Auszug aus lason von Kyrene ausgebe, während in Wah heit alles dem 1. Makkabäerbuch entnommen sei. Nicht ganz i weit geht Hugo Willrich*); er versucht zu zeigen, dass die Vc geschichte in absichllicher Entstellung und Uebermalung vorUe; und ihm sind andere mit ähnlichen Vermuthungen nachgefolgt Und wenn das 2. Makkabäerbuch wirklich so schlecht ist, so da ihm offenbar auch dasjenige, was es allein bietet, nicht ohne wi teres geglaubt werden.

Diese schlechte Meinung gründet sich auf die vielen und off« baren Fehler des Buches, wie sie schon aus der oben gegeben Charakteristik hervorgehen. Es steht nicht nur mit dem 1. Makk häerbuch in Widerspruch, sondern zuweilen auch mit sich selb und die Erzählung ist Öfters recht flüchtig. Und wenn au ein Theil der gerügten Mängel dadurch entschuldigt oder erkli wird, dass wir es eingestandener Maassen mit einer Epitome (hun haben, so giebt es doch andere Erscheinungen, die sich nie daraus erklären lassen, die Uebertreibungen, das Wunderwerk u andere Dinge, die an den Glauben des Lesers starke Ansprüc

1) Nach Ewald ist es etwa 100 Jahre nach dem ersteo geschriebeo.

2) Theologisch Tijdschrift XII (1878) 491 ff.

3) Juden und Griechen vor der makkabäischen Erhebung S. 64 ff.

4) Besonders Adolf Büchler, die Tobiaden und die Oniaden im 2. Mak bäerbuche u. s. w. Wien 1899. Vgl. über dieses Buch meine Anzeige in Gott. Gel. Anz. von 1900.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 275

»lelleo und dem Ansehen des Buches in den Augen kritischer Leser sehr geschadet haben und schaden mussten.

Auch der confessionelie Gegensatz zwischen Protestanten und Kaihohken spielt in diese Sache hinein. Bekanntlich hat die alte Kirche die Makkabäerbttcher niemals als kanonisch angesehen; erst das Tridentiner Konzil hat sie mit den anderen Apokryphen unter die heiligen BQcher aufgenommen. Für die Katholiken hatte be- sonders das 2. Buch, in dem die Lehre vom Fegfeuer seine schrift- oiässige Begründung fand, hohen Werth. Pflichtmässig mussten sie sich der schweren und undankbaren Aufgabe unterziehen, die volle Wahrhaftigkeit des Buches zu erweisen und die Widersprüche <ier beiden Makkabäerbücher untereinander und mit der son- nen historischen Ueberlieferung auszugleichen. Um so eifriger wandten sich die Protestanten gegen das Buch; sie entdeckten darin oicht nur schwere historische' Fehler und Unmöglichkeiten aller ^rt, sondern auch bedenkliche sittliche Defecte, z. B. die Erzählung ^om Selbstmord des Razis.') Einen charakteristischen Ausdruck 'ut diese Polemik in der gegen den Jesuiten FrOlich gerichteten Schrift Gottlieb Wernsdorffs gefunden, dessen Urtheil vielfach noch jetzt maassgebend ist. Wernsdorff hat auch das 1. Makkabäerbuch ''icht verschont, aber diesem hat die Kritik nicht dauernd ge- '^^hadet. Wie sich schon Luther günstig über dasselbe äusserte, ^ blieb es auch weiter in gutem Ansehen,') während die Autorität ^^ zweiten immer mehr herabsank und jetzt ungefähr auf dem Nullpunkt steht.")

Ich bin jedoch der Meinung, dass diese Schätzung nicht gerecht ''U und dass vor allem die neuere Kritik, die sich an das 2. Makka- ^erbuch gemacht hat, ganz verfehlt ist. Es liegt in Wahrheit kein ^>^Dd vor, das 2. Makkabäerbuch in allen Stücken hinter das erste zoriiekzusetzen, sondern es ist als die ältere und oft reinere Quelle ^i^zusehen. Diesen Satz denke ich im Nachfolgenden zu begründen.

1) 2. Makk. 14, 37.

2) WozQ auch J. D. Michaelis in seiner deutschen Uebersetzung ge- ^«"kt hat.

3) Eine Ausnahme bildet Schlatter in seiner Schrift über lason von Ky- ^^^^> München 1890. Schlatters Untersuchungen haben viele Mängel und führen ^ ^Qhaltbaren Ergebnissen. Oft aber liegt ihnen ein richtiges Gefühl zu Grunde, ^^ jedenfalls ist ihm hoch anzurechnen, dass er eine unparteiischere Wûr-

^^^^g lasons und des 2. Makkabäerbuches versucht hat.

276 B. NIESE

Abfassuogszeit.

Zuerst muss duo die Abfassuogszeit der beideo Makkabâet^ bûcher festgeslellt werdeo. Darüber besteht, was das erste anlaog;^ kaum eioe Meiouogsverschiedeoheit; deoo am Schlüsse desselben wird auf eioe Geschichte der Regieruog des Johaooes Hyrkaoos hiugewieseo, die offeobar voraussetzt, dass dieser schoo gestorbeo ist,') was 105/4 y. Chr. geschah. Also fsillt das Buch später, ood zwar wahrscheiolich weoigsteos eioige Jahre später. Hierzu stinaml c. 8 die Aufzdhluog der rOmischeu Grossthateo, wo ganz offenbar, um von aodereo zweifeihafteo Diogeo zu schweigen, auf den add- ischen Krieg von 146 v. Chr. hingewiesen wird,*) und einige andere Stellen, aus denen man abnehmen darf, dass zwischen dem E^ zählten und dem Erzähler bereits eine geraume Zeit verstrichen ist.*} Einen ähnlichen Schiuss erlaubt c. 2, 59, wo auf den Propbeteo Daniel in einer Weise Bezug genommen wird, die erkennen ISsat, dass dieses Buch, das bekanntlich zwischen 169 und 164 v. Cbr« geschrieben worden ist, bereits den kanonischen Schriften des alten Testamentes angehorte. Ferner nimmt man an, dass die Geschichte vor der Vernichtung der jüdischen Selbständigkeit und der basmo- näischen Dynastie durch Pompeius (63 v. Chr.) geschrieben wardi weil der Verfasser dieses Ereigniss nirgendwo andeutet, vielmel^T die Herrschaft der Hasmonäer als bestehend vorauszusetzen schein^ Dies ist kein ganz bindender Beweis, immerhin aber von BedeutuBfi« und man darf daher in Ermangelung anderer Indicien annehme^A dass der Verfasser zwischen 104 und 63 v. Chr. lebte und scbrie^l^'

1) 1. Makk. 15, 23: xai tu Xoinn rmv Xôyœv ^Imavvov xai xmv \ Xifitov airov nal rc5v arScayad'iCüv avrov œv r^vB^ayadique koI irfi < Bofi^ç %mv Tßix^ofv (ov cpxo86fitjae xai xcôv nQa^ecov «vrot», iSov yey^anrai èv ßißXiq^ rifieçàv a^jjris^aicvfiyc avjov a^* ov iyavTf&rj a^X'^f^*^ /isra Tov nariça avjov. Hierzu stimmen aocti die Worte 14, 25 riva %à^^ ànoSânofAtv ^Ifiojvi xai viols avrov. Es besteht zwar die Meinaog, di^* sei noch unter Hyrkanos I. geschrieben (Grimm III p. XXVI), aber der Ai'^ druck TU Xomà rœv Xoyœv beweist, dass diese Annahme irrig ist

2) 1. Makk. 8, 9. Vgl. Willrich S. 73, dessen weitere BeobachtQoç ^' jedoch nicht Stich halten; denn keineswegs wird v. 3 die vollständige Uot^ ^ werfung Spaniens angedeutet. Die Kämpfe mit den Galatem könoea auf &^ allobrogischen Krieg 125 118 v. Chr. gehen.

3) Besonders 1. Makk. 13, 30 ovroe 6 rdipoe ov ànoùjffev {JSifiC9v) ^ M(oBeCv ia)6 zr^s r-fiéçae rairiTje, vgl. 3, 7.

DIE BEIDEN MAKKAfiÄERBÜCHER 277

Die Zeit des 2. Makkabäerbuches ISsst sich Docb geoauer be- mineD; deno der Eioieitungsbrief ist, wie schon erwäbnt, aus im Jabre 188 Sei. 125/4 v. Cbr. datirt. Alleio bier beginot le Schwierigkeit; denn fast allgemein') halt man den Brief ^ gefälscht oder interpolirt') oder man glaubt wenigstens, dass r nicht ursprünglich zur Epitome gehört habe,') sondern erst nachträglich angefügt sei, also auch nicht zur Zeitbestimmung des L Nakkabflerbuches benutzt werden könne. Ferner glaubt man, ^ sich aus dem Inhalt des 2. Makkabäerbuches mit Nothwendig- eiteine spätere Abfassungszeit ergebe; denn die schweren Verstösse egen die historische Wahrheit sollen beweisen, dass diese Ueber- eferung vor ihrer schriftlichen Aufzeichnung längere Zeit mündlich •rtgepflanzt worden sei/) Wann es geschrieben sei, darüber sind e Ansichten verschieden.*) Für sicher gilt nur, dass es vor der srstörung Jerusalems (70 n. Chr.) geschah, das nähere hängt davon >9 wie man sich das Verbältniss zum 1. Makkabäerbuche denkt leb Grimm und Schürer hat lason dieses nicht gekannt und ge- tirieben, ehe es in Aegypten bekannt ward. Neuerdings glaubt man loch vielfach, lason habe das 1. Makkabäerbuch benutzt und müsse « in die herodeische Zeit oder in den Anfang des ersten nach- ristlicben Jahrhunderts fallen und sein Epilomator demnach noch ftter.') Hierbei fällt jedoch auf, dass sich im 2. Makkabäerbuche gar keine Anspielung auf die spätere Geschichte findet, z. B. auf B Ende der jüdischen Selbständigkeit durch Pompeius, was doch r Zeitbestimmung des ersten gedient hat. Ferner jene Verstösse gen die historische Wahrheit, auf die man hinweist, sind haupt- chlich die Abweichungen vom ersten Buche; dieses wird also zum ussstab des anderen gemacht, was eine petUto principit ist, die ^ Dicht gelten darf.

Der Kern der Sache liegt in der Frage nach der Echtheit des roAmiums und seinem Verbältniss zur nachfolgenden Geschichte.

1) Vgl. Grimm Exeget. Handb. IV 22 ff.

2) Valckeoaer De Arislobulo ludaeo 3Sf.

3) Scholz EioleituDg in den heiligen Schriften II 649 ff.

4) Grimm S. 19 ff.

5) Ewald lissl es etwa 100 Jahre nach dem 1. Makkabäerbuche ge- '^^beo sein.

6) Willricb z. B. nimmt an, dass lason auch diejenigen Theile des flakkabäerbucbes benutzt habe, die nach seiner Meinung erst durch spätere 'fbeituog hereingekommen sind.

278 B. NIESE

Ist es unecht oder oachträglich hinzugesetzt, so hat es fOr die 2 bestimmuDg des Buches keioeo Werth; kaoD dagegen die Una heit nicht erwiesen werden, und der Beweis liegt denen ob, sie behaupten, so muss angenommen werden, dass das 2. Hakkabi buch 125/4 V. Chr. geschrieben ward. Es ist also durchaus nOl den Widmungsbrief zu untersuchen und die Gründe der Unecht zu prüfen.

Das Schreiben ist von den Juden in Jerusalem und Jodai die Glaubensgenossen in Aegypten gerichtet. Es beginnt mit 6i und Segenswünschen. Sie haben schon früher, sagen sie dar» unter König Demetrios (II.) im Jahre 169 (144/3 v. Chr.) zur der Bedrftngniss einen Brief nach Aegypten gerichtet, und Jetä Jahre 188 (125/4 v. Chr.) schreiben sie abermals, um zur F des Tempelweihfestes aufzufordern. Sie danken Gott, dass er aus grosser Nolh erlöst hat; denn der Dränger Antiochos ist t Um der Mahnung zur Feslfeier mehr Nachdruck zu geben, wird sad von der Einweihung des Tempels durch Nehemias erzählt, wi( nach Anweisung des Propheten Jeremias das heihge Feuer des a Tempels in einer Naphthaquelie ' wieder entdeckte und damit Opfer entzündete. Weiter wird nach der Schrift berichtet, Jeremias Stiflshütte, Bundeslade und Räucheraltar aus dem a Tempel in eine Höhle des Berges Nebo rettete, von wo sie ei wenn Gottes Gnade wiederhergestellt und das ganze Volk wi« beisammen ist, wieder zum Vorschein kommen soll. Dann^ der Gottesdienst in seiner ganzen alten Herrlichkeit wieder leben. Auch sind die alten Schriften theils von Nehemia tl von Judas wieder zusammengebracht. Darum sollen die ägyptisc Juden das Fest mit feiern. Denn wir hoffen, so schliesst der B dass Gott, der das Volk errettet hat, sich weiter erbarmen uns von der ganzen Erde wieder zusammenführen wird; dem hat uns aus grosser Gefahr befreit und die heilige Stätte gereii Was aber die Geschichte des Judas Makkabäos und seiner Brl angeht, so wollen wir jetzt versuchen, das Werk lasons von rene, der darüber in fünf Büchern gehandelt, in einem Buch zuziehen, hofTeD damit ein nützliches Werk zu thun und begin mit der Erzählung.

Dieser Einleituugsbrief, wie er sich giebt, ist die Vor zur nachfolgeDden Epitome aus lasen, und ist daher vom . tomator verfasst, nicht von lason, von dem erst zuletzt die I

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 279

. Es ist ein krauses, locker compooirles Schriftstück. Der loptgedanke, der sich in Anfang, Mitte und Ende findet, ist die ihnung, das Fest der Tempelweihe mitzufeiern. Darin liegt za- sich der Zusammenhang mit der folgenden Darstellung; denn die iftung der beiden makkabäischen Gedenktage bildet gleichsam den ttelpunkt und Absehluss des Ganzen. Unterstützt wird jene Mab- ifig weiter durch die Erzählung von der Einweihung des Tempels id der Auffindung des heiligen Feuers durch Nehemias. Denn SMS Fest ist ein Vorläufer der makkabäischen Feier und der hriftsteller denkt es sich vielleicht an demselben Tage, dem 25. dev, begangen. Die Legende bat zugleich den Zweck, wie man itig bemerkt hat, die Heiligkeit des jerusalemischen Tempels Moders hervorzuheben, in dem das heilige Feuer des salomo- KheD Heiligthums sich fortsetzt.') Dieselbe Tendenz verfolgt die ilhlang von den verborgenen Heiligthümern , die an den Tag amen sollen, wenn Gott wieder gnädig und das ganze Volk eder vereinigt ist.^ Offenbar glaubt der Verfasser oder will den loben erwecken, dass dieser Zeitpunkt nicht mehr fern ist: man rf dann erinnern, dass im Laufe der Erzählung wiederholt betont rd, wie der Zorn Gottes und die Drangsale des Volkes nur vor- ergebend sind, und dass Gott seinem Volke bald wieder seine tade zuwenden wird. Dazu sollen dann auch die Aegypler durch Ibâligung an der Festfeier an ihrem Theile mit helfen. Gewiss der innere Zusammenbang zwischen Vorrede und Buch nur )ker, aber er ist unzweifelhaft vorhanden, und er wird am sicher- n beglaubigt durch die Ueberlieferung, in der das ProOmium 0 jeher gestanden hat, wo es jetzt steht. Da, wo uns das 2. Makka- erboeh in der Litteralur zuerst bestimmt begegnet, bei Clemens n Alexandrien, wird das ProOmium als zur Epitome der Makka- ischen Geschichte gehörig anerkannt,'} ebenso geben es alle tidscbriften und die alten Uebersetzungen, auch der Titel des •d. Alexandrinus 'lovda %ov MaxKaßalov ncd^ewv imazoXr^ ^gt den Widmungsbrief.

1) Man hat vermuthet, dass die Heiligkeit des jerusalemischen Tempels 1^ ^ensatze zum Oniastempel damit betont werden solle. Ewald IV^ 609 f.

2) 2. Makk. 2, 7.

3) Clemens Alex. Strom, V 14, 98 (p. 254 Syib. 705 Pott.) "Aqiatoßovh^ ^ * * •) ov fûfivfjia^ b atfVjaSdfiBPOS rrjv rtSv Maxxaßaixiuv imto/Ativ '^'^^ 2. Makk. 1, 10, vgl. Euseb. praep. ev. VIII 9, 38.

280 B. NIESE

Ehe ich ao die PrQfuog der gegen die Echtheit vorgebrach Beweise gehe, muss ich vorher noch eine andere Sache erledig Man nimmt seit langem fast allgemein an, dass der Widmoo brief aus zwei verschiedenen Schreiben zusammengesetzt sei, i bringt dies auch in den Ausgaben zum Ausdruck. Der äun und wesentliche Anhalt') zu dieser Annahme ist der Umstand, ( wir eine doppelte Adresse haben: v. 1 heisst es rolg àô$3jf TOÎÇ xar' AïyvrtTov ^lovdaloig x^/^e^v oi àdeXq>ol ol h % aoXvfAOig ^lovdaîoi xal ol h rfj x^QV ^^ovdaioi elgi^vrjv iyat und v. 10 ol h 'legoaoXvfioig xaï ol iv %ji 'lovdalif xal fj Qovaia xal 'lovôaç 'AQiaToßovX(p dcdaaxaXtp TlToXefialov ßaaiXiwQ . . . xal zoîç iv ^iyv7t%(^ ^lovôaloiç xalgeiv vyiaheiv. Dem ersten Schreiben pflegt man v. 1 9 zu gd dem zweiten das Qbrige und weiter. Einige Gelehrte ziehen zweite Hälfte von v. 9, das Datum hovg éxazooTov xal of rixoaxov xal oydoov zum zweiten Brief, meist jedoch rechnet i es zum ersten, so dass beide Daten diesem angehören. Das ^ hältniss der beiden Briefe denkt sich z. B. Wernsdorff*) so, der zweite, der den Namen des Judas als Absender trägt, ! nach der Wiederherstellung des Gottesdienstes 164 v. Chr. verl und ursprünglich bestimmt war die ägyptischen Juden zur F feier einzuladen, während der erste jüngere auf den Judasbrief Bi nimmt, freilich mit irrigem Datum, und der Epitome aus lason Einleitung oder Begleitbrief dienen sollte.')

Ich glaube, dass eine solche Theilung des Widmungsbri unmöglich ist. Der angeblich erste Brief, v. 1 9 kann kein t ständiges Schreiben vorstellen, aus dem einfachen Grunde, wd keinen Inhalt hat; denn nach dem Gruss und den SegenswQnsc bleiben nur übrig die ganz in der Luft schwebenden Worte v xai vvv ïva äyrjTe tag fiptecag rfjg axrjvonrjyiag %ov Xaai ^irjvog. Die neun Verse sind verständlich als Eingang zu eil

1) Die Behauptung, dass die Sprache der ersten neon Verse von übrigen Theile des Proömium abweiche, kann nicht erhärtet werden. Da nur ein subsidiäres, sehr zweifelhaftes Argument.

2) A. a. 0. S. 64 ff.

3) Vielfach glaubt man, dass einer der beiden Briefe, der erste odei zweite oder auch beide aus dem hebräischen (aramäischeD) übersetzt sei. dies nicht anzunehmen sei, hat Grimm IV S. 23 f. mit Recht erkanot. selbst glaubt übrigens an die Theilung.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 281

Briefe, als ROckverweisung auf eineo früher geschriebenen, aber Dicht als eigenes Schreiben, und es kann keid Zweifel sein, dass die Eiogangsepistel c. 1 und 2 ein untheilbares Ganzes bildet, das durch die Identität der Absender und den gemeinsamen Grund- gedaoken, die Aufforderung zur Festfeier, genügend als solches boeicbnet wird. Erschwert wird freilich das Verständniss durch die salbungsvolle Breite des Verfassers, der nach Art erbaulicher Schriflsteller gern dem Zuge des Herzens folgt, und allerlei schweres Gepäck beilegt. Er hat es für nOthig befunden, nach den langen EJDgangsdtzen die Anrede nochmals feierlicher und ausführlicher tu wiederholen , aber wir müssen den geschwätzigen Schriftsteller oehmen so wie er ist. Ueberdies werden die Dinge durch die An- oahme zweier Briefe nicht um ein Haar besser als vorher, die Schwierigkeiten und AnstOsse bleiben unverändert. Wie wenig be- friedigend das Resultat ist, erkennt man auch daraus, dass man weiter den ersten, schon an sich kleinen Brief in zwei noch kleinere Stocke hat zerschlagen wollen,*) nach welchem Recept man aus dem iweiten leicht vier oder fünf machen könnte.

Erschwerend für das Verständniss wirkten auch die offenbaren Verderbnisse der Ueberlieferung^ und die gänzlich verwahrloste Interpunction unserer Texte. Zieht man dies alles in Erwägung, so ist der Gedankengang des Briefes ganz leidlich klar. 1 6 sind Bogangsgruss und Segenswünsche. Dann v. 7 8 erwähnen die Absender ihr früheres Schreiben aus dem Jahre 169 zur Zeit der Drangsale, wobei zu beachten ist, dass v. 8 xai ivenvgiaqv toiç açTovç von aq>' ov abhängt; es wird eben, sehr zur Unzeit; *chon jetzt Gelegenheit genommen die ganze Geschichte zu reca- piloliren. V. 9 f. wird fortgefahren: und jetzt im Jahre 188 schreiben kreuch, damit ihr die Festfeier mir uns begehet, und entbieten cnch unseren Gruss, wir die Juden aus Jerusalem u. s. w.: xal vvv, «»o ayrjte rag ^[decac t^ç axrivoTtrjylaç %ov Xaaelev firjvoç ixovç kxavoatov oydorjKoaTov xal oyôàov ol iv 'legoaokvfÂOiç xai ol iv Tfj ^lovàaUf toîg iv ^lyvnrq) ^lovôaioiç x^^Q^^^ xai vyiaiveiv; denn so muss man natürlich construiren. Das xai

1) Bniston in Stades Zeitschrift für d. alUest. Wiss. 1890 X S. 110 f.

2) Dies lehren auch die zahlreichen und erheblichen Varianten der Hand- "^nfien. Wahrscheinlich ist zuweilen etwas ausgefallen. Vergebens habe ich •oich bemüht v. 7 zu verstehen : xal vvv iBi àa/itv nQOCsvxofievoi (avxofiavoi)

282 B. NIESE

vvv weist deutlich genug auf das yorhergehende ßaadevoni JrifAri%Qlov zurück.') Im weiteren wird der GedaDkengang don die eingelegten heiligen Legenden gestört, die ja einen gewiwc Zusammenhang mit den Absichten des Verfassers haben, uns ab recht überflüssig erscheinen, aber gewiss nicht den Leuten, flOrd das Buch bestimmt war. Der Schriftsteller hat eben die Gelega heit der Vorrede benutzt, um sie vorzubringen ; die Vorrede dia ihm als Vehikel seiner Legenden, wie ja auch andere antike Sehrif steller in ihren ProOmien Dinge vorgebracht haben , die mit Inhalt ihrer Bücher wenig oder gar nicht zusammeohflngen.*) 1 dieser Form hat der Epitomator dem Auszuge aus lason auch atw von seinem eigenen zur Erbauung des Lesers mitgegeben.

Dass nun der Widmungsbrief nicht ursprünglich zum 2. Hakki buche gehöre und unecht sei, sucht man vor allem aus einer ReA schwerer historischer Schnitzer und Unmöglichkeiten nachzuweim die der Verfasser begangen haben soll.') Zunächst wird besoid« in der älteren Litteratur der legendäre Charakter stark betoot, dl die Geschichten von Nehemia und Jeremia haben, die in der Ueba lieferung des alten Testamentes keinerlei Stütze haben und als Ei Ondung gelten müssen. Wie sollte es ferner möglich sein, so fii| man weiter, dass Rath und Volk von Jerusalem in einem Schreibe an die Aegypter solche Geschichten auf die Autorität der Schri vorbringen können?^) Dieser beiden Argumente können wir oi schnell erledigen*); sie würden Gewicht haben, wenn es sich dari handelte, die Kanonicität und somit die unbedingte WahrhafUgkf des Buches anzufechten. Für unsere Frage kommt es gar nid in Betracht, ob und wie weit diese Geschichten glaubhaft sind od nicht. Der Widmungsbrief ist das Proömium des Epilomators, i ebenso frei componirt ist, wie überhaupt die Proömien zu sc pflegen; niemand darf hier ein authentisches Schreiben der C

1) Man würde den Zusammenhang sehr verbessern, wenn man ^' t setzte und %al vvv 8^ îva schriebe.

2) Ich denke an die Proömien Theopomps mit ihrer Polemik (Dioa Halic. ant. Rom. I 1) und an die Reste der Vorreden zu Agatharchides n TTjç èçv&çàs d'aXâcaijs bei C. Mfiller geogr. gr. min. I 111 ff.

3) Vgl. Grimm S. 22 ff.

4) 2. Makk. 2, 1 tvçiaxaxai 8i iv rate àvayçafàii 'le^fiùxç ktÎL, i V. 13.

5) Vgl. Grimm S. 23.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 283

»Dde ID Jerusalem erwarteo ; dies ist our die vom Verfasser ge- ihite EiokleiduDg; Diemand darf auch den legendareo Charakter 1er GeschichteD als Zeicheo der Uoecbtheit aoseheo. Dass dabei i Schrift oder SchrifteD citirt werdeo , ist Dicht im miodesteo inderbar uud kommt bei derartigen Sachen oft vor. Bekaonüich ken die jüdischen Schriffgelebrten im Anschluss an die heiligen ihriften, zum Theil auch oach griechischem Muster LegeodeD sog in die Welt gesetzL Dem hier Erzählten nahe verwandt ist iter in der Geschichte das Traumgesicht das Judas Hakkabäos, ^ auf das Gebet des Hohenpriesters Onias ebenfalls der Prophet reuias erscheint und von Gott das goldene Schwert des Sieges wrbringt.') Wer dies erzählt, dem kann man auch die Geschichten s Widmungsbriefes ohne Bedenken zutrauen.

Es sind aber eine Reihe von anderen Bedenken vorgebracht wden. Zuerst nennt sich unter den Absendern des Briefes (c. 1 10) Judas; damit soll nun, wie schon früh angenommen wurde, Idas Makkabäos gemeint sein, der 161 v. Chr. fiel uad unmOgtiob »iahe 40 Jahre später 125/4 v. Chr. jenen Brief geschrieben iben kann.') Ferner hält man es für undenkbar oder doch sehr iwahrscheinlich, dass die palästinensischen Juden zur Theilnahme t einer Festfeier auffordern, die schon so viele Jahre früher be- lodet war.*) Allein die Annahme, dass Judas Hakkabäos gemeint i} iat ganz unerwiesen und bei näherer Erwägung unwahrscheinlich, ttte der Schriftsteller ihn bezeichnen wollen , so würde er wohl tt Beinamen, auch wohl eine Amtsbezeichnung, wie aTçaTfjyéç âgeaetzt haben.^) Es ist ohne Zweifel ein anderer Judas gemeint, tt bei der Häufigkeit des Namens ohne jedes Bedenken isU^) Ebenso M die Aufforderung zur Festfeier zu dieser Zeit nichts anstössiges. I iat im Gegentheil nur zu begreiflich , wenn unter den Kriegs- <>fteu, unter denen Judäa so lange litt, das Fest zunächst nicht

1) 1 Makk. 15, 12.

2) Daher auch Luther Johannes übersetzt, worunter Johannes Hyrkanos ' versieben ist.

3) Es wird dem Leser nicht entgehen, dass diese Argumente wiederum ^ter Linie gegen die Kanonicität der Briefe gerichtet sind.

4) Wobei ich unerörlerl lasse, ob Judas Makkabäos wirklich sich, wie ^^ geschieht, neben der Gerusia nennen konnte.

^) ^8 nimmt auch Hugo Grolius an, der an einen Verwandten Hyr- '^ denkt. Einer der Söhne Simons hiess Judas 1. Makk. 16, 2. 9, 14.

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aufkommeD koonle und sich erst nach längerer Zeit Geltung f schaffte. Ueberdies wissen wir gar nicht, ob die Feste wirk! ursprünglich . makkabäische Gedenktage waren. Das eine ist Lichterfesl, cpwTa^^) das andere ein Theil des Purim, und et sehr möglich, dass sie erst nachträglich mit den Ereignissen Freiheitskrieges in Verbindung gebracht worden «nd.^ AlaiL ist es erst recht in der Ordnung, wenn ihre Feier erst gern Zeit nach dem begründenden Ereigniss in Anregung gebracht w

Als besonders schwer und entscheidend gilt ein Irrthum, V. 7 begangen sein soll, wo es heisst ßaaiXevovfog Jri^riti^ ïzovç éxarooTov e^rjuoazov kvâxov iqfÂeîç ol 'lovôaïoi yey^ q>i^xafi€v v/iilv h %fj Miipei xtX. Denn im Jahre 169 Sel. 14^ V. Chr. konnte, so sagt man, nach 1. Makk. \\, 54 ff. von eil Bedrängniss der Juden nicht die Rede sein, auch hatten dam Juden den Demetrios II. nicht mehr als König anerkannt, da J nathan schon vorher zu Antiochos VI. und Tryphon abgefalleo i Der Verfasser habe hier den zweiten Demetrios mit dem erit verwechselt, unter dem bekanntlich Judas ßel und die Juden iti bedrängt wurden.') Aber an solche Verwechselung zu glauben, nicht leicht. Man kann es sich nur so vorstellen, dass der Vi fasser an Demetrios I. dachte, dann zu einer Chronik griff, h unter den Jahren 168 173 Sei einen Demetrios verzeichnet b und sich nun von dessen Jahren eins wählte, wobei es weder < klärt wird, warum er überhaupt das Bedürfniss nach einem Dati empfand, noch weshalb er gerade 169 wählte. Es ist ferner w* richtig, dass Jonathan von Demetrios II. abgefallen und zu seis Rivalen Antiochos VI. und dessen Vormund Diodotos Tryphon Ob gegangen war,*) aber gerade in dem fraglichen Jahre 169 SeL 144/3 V. Chr. geschah ein wichtiges Ereigniss, das viel ändei Tryphon nahm in Plolemais den Jonathan fest, hielt ihn < Zeitlang gefangen und liess ihn bald darnach hinrichten.*)

1) Josephus ant. lud. Xll 325.

2) Ewald Geschichte des Volkes Israel IV^ 407.

3) So schon Wernsdorff S. 67.

4) 1. Makk. 11, 54 ff.

5) Die Zeit bestimmt sich darnach, dass im nächsten Jahre 170 Se 143/2 V. Chr. Simons Herrschaft ihren Anfang nahm. In demselbeo J ward ferner Antiochos VI. beseiligl; denn nach den Münzen ist 170 SeL letztes Jahr und zugleich das erste seines Nachfolgers Tryphon. Babeloo

DIE BEIDEN MARKABÂERBOCHER 285

näheren UmsUiDde, unter denen dies geschah, kennen wir zwar

aus l.Hakk. 12, 40 ff. nor unvoUkooimen,^) aber wir wissen, dass

dadurch die Juden, wie natürlich, in die grösste Unruhe und Be-

sorgDiss versetzt wurden.*) Die Folge war selbstverständlich, dass

fk sofort zu Demetrios IL zurückkehrten : Simon setzte sich gleich

mit ihm in Verbindung, und Demetrios ist es, der ihn zum Hohen-

priesler machte.*) Es entspriclit also recht gut den Zeitumständen,

wenn im Widmungsbriefe das Jahr 169 Sei. eine Zeit der Bedrflng-

Dias genannt wird und zugleich Demetrios als König erscheint.

Unter den sonstigen fOr die Unechtheit der Vorrede angeführten Beweisgründen befinden sich eigentlich nur zwei, die eine gewisse Bedeutung beanspruchen. Einmal die Beobachtung, dass im Pro- Omium der Stil anders ist als nachher in der Erzählung. Unleugbar ist ein Unterschied vorhanden nicht im Sprach- oder Wortschatz, ^e wesentlich zusammenfallen,^) wohl aber in der Schreibart. Die Handhabung der Sprache ist in der Einleitung unbeholfener, un- geschickter als in den übrigen Theilen. Die Erklärung dafür liegt *of der Hand ; in der Geschichte excerpirt der Verfasser den lasoo von Kyrene und kann sich auch in der Sprache an sein Original ^Blehnen; an dieser Krücke kommt er leidlich gut vorwärts. Da- gegen der Einleitungsbrief ist sein eigenes Werk, eigener Com- PoaitioB, eigenen Ausdruckes, und es ist kein Wunder, dass dabei seine Ungeschicklichkeit zu Tage tritt. In der That haben wir es iBit einem sehr mittelmässigen Schriftsteller zu thun. Das zeigt *>ch die Epitome mit ihren zahlreichen Unebenheiten, wo die Dar- *tellang zuweilen zu völliger Formlosigkeit herabsinkt.*) Auch ist ^^^j dass ein Mann, dessen schriftstellerischer Ehrgeiz sich mit

^ Syrie GXXXV. GXXXYIlf. Das Ende des Antiochos »lit aber erat einige ^' nach Jonathans Tode, 1. Makk. 13, 31. Es liegt also zwischen Jonathans r^'^o^nnabme and Simons Antritt einige Zeit, und wir haben daher die Ver- "*^tiiiOg Jonathans ohne Zweifel in das Jahr 169 Sei. zu setzen.

1) Es war darnach Tryphons Heimtacke, der fürchtete, dass Jonathan ^^eo Yerbrecherischen Anschlägen auf Antiochos hinderlich sein würde. Ich f'^^the, dass Tryphon besorgte, Jonathan würde sich wieder dem Deme- ^ II. zuwenden, und vielleicht auch Grund zu diesem Argwohn hatte.

2) 1. Makk. 13, 2 koI bÏSb (^ifiœv) rov laov or à èariv iftnrçofioç xai

3) 1. Makk. 13,34. 36. 14,38.

4) Vgl. Ewald Geschichte des Volkes Israel IV 610 A. 1.

5) Z.B. c. 13, 18 ff.

^«niwiXXXV. 19

286 B. NIESE

einer Epitome begnügt, sich selbst nicht allzuviel zutraut. Wir haben keinen Grund, die stilistische Beschaffenheit, die zablr^icbeii formalen Mängel des Briefes als Zeichen der Unechtheir anzuseheo.') Ein gewichtigeres Argument liefert die Art, wie v. 13 ff. Ober den Tod des Antiochos berichtet wird. Denn diese Erzahluog ist mit dem, was c. 9 ausführlicher Ober das Ende des Antiochos Epi- phanes berichtet wird, nicht zu vereinigen. Hier stirbt der KOoig nach schmerzhaften Leiden an einer fürchterlichen Krankheil, da- gegen der Antiochos der Einleitung wird im Tempel der Aoaii,^ den er berauben will, mit seinem Gefolge unversehens erschlagen. Da nun nicht anzunehmen sei, dass der Verfasser der Epitome einen seiner eigenen Erzählung so widerstrebenden Bericht hier vorgetragen habe, so schliesst man, dass nicht er selbst, sonders erst ein späterer Fälscher den Brief verfertigt und an seine jetzige Stelle gesetzt habe. Dagegen muss ich zunächst bemerken, da» mit dieser Annahme die Schwierigkeit mehr bei Seite geschoben als wirklich behoben ist; denn auch der Fälscher hätte den Wide^ Spruch doch bemerken müssen. Wie kam er dazu, dieses Stack hier einzusetzen, und zwar ohne jede Nöthigung? denn er hätte es ja leicht auslassen oder umändern können. Oder war er ein Mann, der nicht lesen noch schreiben konnte? Das wird niemand glauben. Im übrigen aber bin ich ebenfalls der Meinung^ das« der harte Widerspruch sehr gegen die Echtheit des ProOmiuma sprechen würde, wenn er wirklich bestünde. Aber ich behaupte, dass an unserer Stelle 2* Makk. 1, 11 ff. unter dem König Antiocboe nicht Antiochos IV. Epiphanes, sondern Antiochos VII. Sidetes m verstehen ist, der von 138/7—129/8 v. Chr. regierte.") Sidete« war der letzte Seleukide, der nochmals zu bedeutender Macht ge* langte; er hat 130/29 v. Chr. Olymp. 162, 3 einen vollkommen

1) Die Wiederholungen des Briefes haben eine ganz passende Analogie in der Ausdauer, mit der in der Geschichte der Gedanke wiederholt wird, dtf* die Leiden der Juden nur ein vorübergehendes Strafgericht Gottes seien, obeo S. 272 A. 2.

2) Dieser Name ist ohne Zweifel herzustellen. Die Handschriften biet«^ theils Navaia tlieils ^Avavaia.

3) Icli kehre damit zu einer älteren Meinung zurück, die von verschi*" denen katholischen Gelehrten, z. B. von Frölich {annales Syriae p. 45, *** Scholz Einl. II 653) aufgestellt, aber von Wernsdorff p. 64 ff. eifrig bekaiPP^ wordeil ist. Die protestantischen Ausleger, Grimm und Keil, nehmen fast k^** Notiz davon.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 287

eichen Feldzug gegen den Hohenpriester Johannes Hyrkanos, Sohn Simons unternommen, hat Jerusalem belagert und er- ^ die Befestigungen geschleift, den Tempel besucht, den Juden Eroberungen wieder abgenommen und sie zur Unterwerfung, esfolge und Tributzahlung gezwungen.') Hyrkanos musste ihn b darnach begleiten, als er über den Euphrat gegen die Parther

auf diesem Feldzuge hat Antiochos dann schon im nächsten i, Olymp. 162, 4 (Frühjahr 128 v. Chr.), in Medien sein Ende iden, und dies Ereigniss wird im Widmungsbrief des 2. Makka- mches erwähnt, freilich in mythischer Entstellung; denn in 'heit ßel Sidetes in der Schlacht gegen Arsakes. Dieser Um-

jedoch kann hier kein Bedenken erregen; denn auch wenn die Stelle auf Epiphanes bezieht, muss man eine gleiche Ent- ng annehmen. Auch waren die Verhältnisse, unter denen es zu Grunde ging, wohl geeignet eine solche Legende zu gen. Nach siegreichen Kämpfen überwinterte er in Medien, hier in den Winterquartieren verübte sein zügelloses Heer rOssten Gewaltlhaten gegen die Eingeborenen. Es kam daher ande zu einer allgemeinen Empörung, und man wandte sich T den Parthern zu. Die Meder überfielen die in den Quar- I weit zerstreuten Heeresabtheilungen und zugleich kam Arsakes Qckt. Antiochos konnte nur einen kleinen Theil seiner Truppen leln, zog dem Feinde tollkühn entgegen, ward geschlagen und

Der Untergang des Antiochos war also eine Folge der Ge- baten seines Heeres, und daraus konnte mit einiger Phantasie wohl die Erzählung entstehen, dass Antiochos den Tempel iOaia aufsucht, um sich mit der Göttin zu vermählen und unter m Vorwande die Tempelschätze als Mitgift an sich zu nehmen, i er dann von den Priestern in den Tempel gelockt und un- bens erschlagen ward. Der Schriftsteller benutzte dabei eine che dem Antiochos Epiphanes angehängte Geschichte,') viel- l auch die bekannte Erzählung vom Tode des Antiochos des

1) Diod. XXXIV 1. Josephus W/. I 61. ani, XUI 236 0*. cont. Apion. ' Euseb. chronA 255. lustin XXXVI 1, tO. Ueber die Zeit der Erobe- Jerugaleins, vgl. meine Ausführungen in dies. Zlschr. 2S, 225.

2) Granius Licin. p. 9 Bonn, berichtet, wie Anliociios Epiphanes zur Diana Hierapolis kam, um sie zu heirathen, und beim Hochzeitsmahl den Tempel- ^ als Milgift an sich nahm. Aehnlich lautet was Seneca Suasor. 1 6 von ^nionius in Athen berichtet.

19*

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Grossen.') Nicht selten werden zeitgenössische Ereignisse in gendarer Entstellung erzählt,^ beim Tode des Sideles kann i es um so^ eher annehmen^ als noch heute die Nachrichten darfl nicht Obereinstimmen.*) Nur auf Sidetes ferner passen die W< der Vorrede: Gott hat das Heer, das in der heiligen Stadt I nach Persien ausgeworfen^); denn auf die Eroberung Jemsalei Olymp. 162, 3, folgte in kurzer Frist, fast unmittelbar, der 2 gegen Arsakes und der Tod des Sidetes, Olymp. 162, 4; dagq auf Epiphanes kann es nicht gehen, da dessen Zug in die ob« Satrapien unter ganz anderen Umständen vor sich ging und allem mit den Kämpfen um Jeru^lem in keiner Verbindung sta Far Sidetes passen ebenso trefflich die Worte ▼. 13 o ^yefiw \ 17 ft€Ql avtov étvvnoataroç âonovaa ehai dvvafiiç; denn König zog mit einem Heer hinauf, das auf 80000 beziffert wi schlug die Parther dreimal und warf alles nieder, bis er an Zuchllosigkeit seiner Soldaten zu Grunde ging.*}

Dass die Juden seinen Tod als eine Erlösung mit Frem begrüssten^ ist leicht zu begreifen. Man darf sich durch die aasfti liehe Erzählung des Josephus nicht beeinflussen lassen, der einse und übertrieben den Edelmuth und das Wohlwollen des Sidetes ge; die Juden hervorhebt. Antiochos hat den jüdischen Kultus angetastet gelassen, aber im übrigen die Juden vollständig uni worfen, was natürlich um so mehr empfunden ward, als man Unabhängigkeit schon erlangt zu haben glaubte. Es ist da durchaus der Sachlage angemessen, wenn nicht lange nach 125/4 V. Chr. der Verfasser des 2. Makkabäerbuches seinen Dn gang als befreiendes Ereigniss mit besonderem Dank erwähnt, waren zwar seitdem etwa vier oder fanf Jahre vergangen,*) 1

1) Diod. XXVIII 3. XXIX 15. Slrabo XVI 741 u. a. Stelien.

2) Bekannt und verwsndt ist der Bericht über das Schicksal des Mithridat gefangenen M.' Aquillius, der gleich zur Fabel wurde. Die Be bei Reinach, Mithradates Eupator S. 126.

3) Nach der gewöhnlichen Version fallt er in der Schlacht, nach Ap] Syr, 68 nimnit er sich das Leben, nach Aelian httt. anim, X 34 störst er in einen Abgrund.

4) 2. Makk. 1, 12 alro^ yàç eieß^aae roi'Ç na^araSaftepovs ip xf, i noXei eis rrjy IleQffiSa,

5) Diod. XXXIV 15-17. lustin. XXXVIII 10.

6) Frölichs apologetischer Versuch, die Regierungszeit des Sideles i bis 186 Sei. (127/6 v. Chr.) auszudehnen ist nichtig. Vgl. Wernsdorff S.

DIE BEIDEN MAKKADÄERBOCHER 289

ohne Zweifel bat es eine Weile gedauert, ehe die Juden das er- freuliche Ereigoiss ausnulzeo, ihren früheren Zustand wiederher- stclleo und ihre Verluste ersetzen konnten.') Von dem was zunächst folgte, wissen wir wenig, mQssen uns aber erinnern, dass Hyrkanos der Hohepriester, mit Antiochos gegen die Parther gezogen war ttod dass seine Rückkehr vielleicht auf sich warten liess.*) Da in Syrien die Thronstreitigkeiten weitergingen, so war es den Juden möglich, sich wieder unabhängig zu machen. Demetrios IL, der m der parthischen Gefangenschaft entlassene Bruder und Nach- folger des Sidetes, der sie ohne Zweifel in Abhängigkeit hielt, ward schon nach vierjähriger Herrschaft gestürzt; Ptolemäos VII. Physkon, mit dem er in Krieg kam, sandte ihm einen Nebenbuhler, Alexander Zabinas ins Land, und diesem gelang es, die Herrschaft zu ge- wionen; auch die Juden schlössen sich ihm an.') Gerade in diese Zeil 125/4 v. Chr., in die Anfänge des Zabinas, fällt das Sendschreiben der jerusalemischen an die ägyptischen Juden und die Epitome des Makkabäerbuches. Ich bin weit entfernt, ihm irgendwelche poli- tiscbe Bedeutung oder Absicht zuzuschreiben, aber man darf sagen, data es nicht übel in eine Zeit passt, wo die Herrschaft des De- metrios beseitigt war und zugleich durch die Person des Zabinas zwiscben Judäa und Aegypten eine neue politische Verbindung sich gebildet hatte.

Ich glaube hiermit gezeigt zu haben, dass die groben histo- nichen und chronologischen Fehler oder Widersprüche, die man in der Einleitung zu finden geglaubt hat, in Wahrheit nicht exisliren. Dazu kommt nun noch, dass man den Widmungsbrief überhaupt Qicbt wegschneiden kann. Lässt man ihn, wie manche thun, bis

^ IcUtcD Mâozea des Sidetes haben die Ziffer 183 (130/29 v. Chr.), mit dem- ^beo Jahre beginnt wieder die Prägung des Demetrios II. Babelon rois de Syrie CXLI.

1) Sie wandten sich damals auch an die Römer, wie das Senatusconsult ^^ Josephus ant XllI 260 ff. zeigt.

2) Nach Josephus ant. XIll 254 erfahrt Hyrkan den Tod des Antiochos ^^ Jadâa. Aber diese Nachricht ist ein willkürlicher Zusatz des Josephus zu xiier früheren, sehr summarischen und stark verschobenen Erzählung bell. ^v^l62 und daher ohne Wertb. Da wir wissen, dass Hyrkan mit in den ^^^Q ging, so liegt nahe zu vermuthen, dass er sammt dem übrigen Heere '°^ in Medien war und vielleicht in irgend einer Weise an der Katastrophe ^''(ilDahm. Wie er nach Hause kam, ist unbekannt.

3) lastin. XXXIX 1. Josephus anL XHI 269. Euseb. chron, I 257 f.

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2, 18 gehen und denkt sich ihn fori, so kann doch unmöglich« Buch mit ▼. 19 ra âk xaià tov ^lovdav tov MoAxaßalof f angefangen haben, auch wenn man dk auslässt. Nothwendtg mi noch etwas vorangegangen sein; der Interpolator wflrde also e frohere Vorrede beseitigt und durch sein eigenes Machwerk verdri haben. Man lese ferner die Schlussworle der Vorrede (2, 32): i T€V^€v ovv ac^iüfie^a T?]g dirjyriaetüc toîç Ttgoêigrifiévoiç ti ovTOv im^ev^avreç' evrj&eç yàç %o fikv Ttgo ti;ç latoç^ nleovàÇeiy , rfjv ôk laroçiav èTcirefÀeîv, Dies bedeutet: ,i so viel wollen wir dem oben Gesagten hinzugefügt haben und hi mit unserer Geschichte beginnen; denn es ist thOricht einer kur Epitome eine lange Einleitung zu geben/ Mit dem toaovvov I ^ev^avTsg sind ▼. 24—31 gemeint, folglich kann unter %oîç n eiQTjfAévoiç nicht wohl etwas anderes verstanden werden als c. 1 2, 13 gesagte. Dies gehört alles zusammen, und w man also die Einleitung 1, 1—2, 18 wegschneidet, so muss a der Rest des 2. Capitels fallen, und damit die Erwähnung lai von Kyrene, der dann seine Existenzberechtigung verlieren wtli Wirklich liesse sich wohl denken , dass die Darstellung ohne j Vorrede c. 3 anfinge. Aber dann muss man auch den Schluss Buches 15, 37 IT. streichen; denn jeder Leser muss sehen, < dieser Epilog sich an die Einleitung 2, 24 ff. anlehnt und von d selben Manne geschrieben sein muss. Alles greift hier in einai ein, und der überlieferte Zusammenhang kann nicht so leicht rissen werden. Es gelingt nur durch sehr gewaltsame Mittel, sich in keiner Weise rechtfertigen lassen.

Schliesslich erhebt sich noch die Frage, was denn diese 1 leituug, diese Briefe, die zwar einen Anfang aber kein Ende hal allein für sich bedeutet haben sollten. Als selbständiges Schriftsi haben sie offenbar gar keinen Sinn, und so wissen denn auch jenigen, welche sie für unecht erklären, in Wahrheit nichts dj anzufangen. Schon ihr Umfang zeigt, dass sie bestimmt wa sich an ein anderes Werk anzulehnen. Wie soll ferner ein spät Bearbeiter oder Fälscher dazu gekommen sein, sie an die Epit< aus Jason anzufügen? Was wollte er damit? Was dachte er dabei? Auf diese Fragen fehlt jede ausreichende Autwort.*)

1) iMan kann sich nicht mit dem begnügen, was Willricb S. 77 dass , irgend ein Abschreiber, schwerlich der Epitomator selbst , diese hi

DIE BEIDEN MAKKABÂEKBOCHER 291

hat nicht bedacht, wie UDwahrscbeiolich es ist, dass ein Späterer dieses so eigenthOmliche Schriftstück oder gar iwei oder drei Briefe zusammengesetzt, mit falschen Daten versehen und nachträglich und ohne Nothigong einem ganz anders gearteten Werke sollte vor- gesetzt haben. Man hat kein Recht, das, was man dem Epitomator Dicht zutrauen mag, einem späteren Redactor aufzubürden« Ein Redactor ist auch Schriftsteller. In Wahrheit ist dies nur ein Noth- behelf; eine unbequeme Last wird auf den geduldigen RCIcken eines fiogirten Bearbeiters oder Fälschers abgewälzt.

Es liegt demnach kein zwingender oder auch nur wahrschein- licher Grund vor, den Widmungsbrief von der Epitome lasons zu treoDen. Er gehört an die Stelle, wohin ihn die Ueberlieferung setzt, als die Vorrede, die der Verfasser der Epitome seinem Werke vorgesetzt hat, und zwar in Form eines Briefes der jerusalemischen Judeo an die ägyptischen, insbesondere an Aristobulos. Es ist also eio litterarischer Brief, der sich dabei ganz auf dem Boden der Wirklichkeit bewegt. Der Adressat Aristobulos ist sicher, wie schon die Alten annahmen, der bekannte jüdische Philosoph, der unter Ptolemäos Philometor schrieb und also seine Lebenszeit noch bis auf Pbyskon ausgedehnt hat,*) und auch an der Realität des an- geblichen Absenders Judas brauchen wir nicht zu zweifeln. Die beiden Jahreszahlen entsprechen, wie oben ausgeführt, den Zeit- ▼erhültoissen so gut wie nur möglich. Die zweite ist das Datum des Briefes, die erste bezeichnet ein früheres Schreiben, dessen Existenz >Qch nicht bezweifelt zu werden braucht. Wenigstens liegt darin nichts, was den Umständen widerspräche; die Beziehungen zwischen <Ien jQdischen Gemeinden in Jerusalem und Alexandreia waren ja

Schreiben Gott weUs wo vorgefunden und sie, auf dass sie nicht umkammen ■Dôchteo, dem Einleilungsbriefe des Judas Makkabäus vorangestellt hätte/ ^Df solche Weise kann man auch die Unechtheit der Einleitung des Thuky- dides beweisen.

1) Vgl. SchOrer Geschichte des jüdisches Volkes III 384. Diese Annahme li^t nicht die geringste Schwierigkeit; denn sonst wissen wir über Aristobuls ^ît mil Sicherheit nur das eine, dass er seine Schrift an Ptolemäos Philo*» iB^^or richtete. Wenn er hier im 2. Makkabäerbuch Lehrer des Königs Ptolemäos geotont wird, so ist darunter natürlich Pbyskon zu verstehen, was keine ^i^wierigkeiten hat und auch das Verhällniss zu Philometor nicht berührt; aeno Philometor und Physkoo waren Brüder mit geringem Altersunterschied. Auch war Pbyskon, wie neuere Ermittelungen gezeigt haben, keineswegs prin- ^Pieller Jadenfeind. V^illrich Juden und Griechen S. 150 ff.

292 B. NIESE

zahlreich und innig genug. Daraus folgt weiter, daas das 2. MakluH-i baerbuch wirklich 125/4 ▼• Chr. geschrieben und also Alter ist ak^ das erste.

Es kann also nicht die Rede davon sein« dass im 2. Makka^ baerbuche das erste benutst oder bekämpft werde, wie Geiger') und mit starker Uebertrcibung Kosters') behauptet haben. Es bestehen, wie oben S. 271 ff. ausgeführt wurde, gewisse Unter» schiede in den religiösen Anschauungen der beiden Werke, sber es fehlt jede Spur eines geflissentUchen Widerspruches oder einer Polemik, die man nur desshalb gefunden hat, weil man von vorn- herein von dem höheren Alter des 1. Makkabaerbucbes Qbeneagt war. Das gleiche gilt von einer Stelle des 2. MakkabaerbucbeSi wo Geiger und mit ihm Wellhausen *) eine absichtlich abweicheade Beürtheilung der Asidäer zu bemerken glauben. Nach dem 1. Hak« kabäerbucb 7, 13 sind sie friedliche Leute, die dem llohenpnestar Alkimos und Bakchides freundlich entgegenkommen, dafür aber asls roheste misshandelt werden, wahrend im 2. Makkabaerbuche 14, 6 Alkimos beim Könige Demetrios I. die Asidaer als die Freunde des Judas und Erzunruhestifler anschwärzt. Man hat übersehen, da« hier eine dem gottlosen Alkimos in den Mund gelegte Anschuldigoog vorliegt, die der Schriftsteller gewiss nicht als Wahrheit angesehen wissen will. Man kann also sehr zweifelhaft sein, ob hier auch nur ein abweichender Bericht vorliegt; vollends von absichtlicher Polemik oder Widerspruch ist nicht die leiseste Spur.^) Was end- hch Hugo Willhch^) vorgebracht hat, um die Abhängigkeit des 2. Makkabäerbuches vom ersten zu erweisen, beruht auf so un- sicherer Vermutliung, dass es nicht ernstlich in Betracht kommen kann. In Wahrheit existirl im 2. Makkabaerbuche kein HioweiSi

1) Urschrift S. 219 ff.

2) TkeologUck TijdMchriß 1878 S. 49 Iff.

3) Pharisäer und Sadducäer 82.

4) Wellhausen S. 81 hebt noch hervor, dass die Asidaer im 2. Makki- baerbuch nur an jener Stelle vorkommen und schliesst daraus, dass ihre E^ wahnuDg au den Haaren herbeigezogen sei. Aber auch im 1. Makkabäerbaeb werden sie nur zweimal genannt. Daraus folgt also nichts. Ebensowenig kiOQ ich mit Wellhausen zwischen 1. Makk. 2, 42 und 2. Makk. 14, 6 eloeo Gegen- satz entdecken. Beide Stellen stimmen vielmehr ziemlich überein, da sich voA der ersleren ergiebl, dass wenigstens früher die Asidaer zu Judas gehalten habeo und daher Alkimos mit seiner Anklage vielleicht nicht ganz Unrecht halte.

5) Juden und Griechen S. 69.

DIE BEIDEN MAKKABÂERBOCHER 293

leBezitfhuDg auf das erste; von dieser Seite steht also der Qber- iften Zeitbestimmung nichts im Wege, und ebenso wenig bildet religiose Standpunkt, die pharisäischen Lehren des Verfassers Hioderniss. Die Sekte der Pharisäer wird zuerst unter Simon Ibnt, bestimmter und sicherer dann unter Johannes Hyrkanos, ihr Schüler gewesen sein soll, dem sie aber trotzdem viel zu Ben machten.*) Zur Zeit, aus der die Vorrede des 2. Makka- bucbes datirt ist, stehen sie in voller BlOthe. Es bleibt also dabei, dass die Epitome lasons im Jahre 125/4 sr. geschrieben worden ist, und noch früher das Original selbst. 1 stimmt auch, was wir aus den sonstigen Beziehungen des les ermitteln können. Es ist zu Grunde gelegt dem sogenannten lakkabäerbuche , dem Traktat negl avTOxçâtOQoç loyiofiov, dem man annimmt, dass er jedenfalls vor der Zerstörung des pels (70 n. Chr.) abgefasst ward. Ebenso wird es voraus- it im 3. Makkabäerbuch; denn die Art, wie dort Ptolemäos IV. !n der beabsichtigten Entweihung des Tempels von Gott ge- l wird,^ erinnert so stark an die Geschichte Heliodors, dass Entlehnung von da sehr wahrscheinlich ist. Man setzt diese ift mit Ewald gewöhnlich in die Zeit Caligulas, sie kann aber [ wohl noch älter sein. Endlich findet man mit einiger Wahr- nlichkeit im Brief an die Ebräer 11, 35 einen Hinweis auf Martyrien, wie sie 2. Makk. 6 und 7 erzählt werden. Von ;>bus nimmt man an/) dass er das Buch nicht kenne und hat 18 auf einen verbal tnissmässig jungen und apokryphen Charakter Jben schliessen wollen. Allerdings citirt Josephus es nirgendwo, dies beweist nichts; denn auch das 1. Makkabäerbuch, das och so ausgiebig benutzt hat, nennt er nicht. Er hat ferner ;e Nachrichten, die das 1. Makkabäerbuch nicht hat, mit dem iten gemeinsam,^) und ich werde weiterhin Gelegenheit haben zu eD, dass er sie wahrscheinlich diesem oder dem lason entlehnt in Wahrheit also denjenigen Schriftstellern beizuzählen ist, die lasoQ beeinflusst worden sind.

1) Josephus ant. XHI 171 ff. 288 (f.

2) 3. Makk. 1, 10-2, 24.

3) Grimm S. 20.

4) Grimm S. 13. Am b^merkeDswerthesten ist der Tod des Menelaos. ^P^QS ant. XU 383 ff. und 2. Makk. 13, 3 ff.

294 B. MESE

Weitere Prüfung des 2. Makkabäerbuches.

Die herrscheode Ansicht entnimmt ihr Unheil über den We des 2. Makkabäerbuches der Beschaffenheit der Nachrichten ^ < mancherlei Mängeln derselben, in denen man Zeichen einer jünger den Ereignissen selbst schon sehr fern stehenden Zeit zu erkeni glaubt. Auch dies ist ein Irrlhum, der im nachfolgenden berichi werden soll. Es ist dem Buche ergangen, wie manchem ande es ward verkannt, weil man es nicht richtig verstand.

Die volle Würdigung der Nachrichten ist freilich nicht p leicht, weil fast die gesammte Ueberlieferung jener Zeit in den beid Makkabâerbttchern niedergelegt worden ist und es an einer nid jüdischen, unparteiischen Darstellung, die ah Prüfstein dienen kODO gänzlich fehlt. Aus den Werken der profanen Historiker, Polfbi Poseidonios, Timagenes, Nikolaos ist hierfür kaum etwas erhalte Josephus in der Archäologie hängt ganz von den Makkabäerbüebi ab, und auch sein Abriss im Bellum ludaicum ist von densdb wenigstens beeinflusst, überdies stark verkürzt und durchaus nii unparteiisch. Er ist sicherlich von Werth, darf aber nicht ok genauere Prüfung zur Coulrolle benutzt werden und wird dil vorläufig besser bei Seite gelassen. Gleichwohl genügt udm Kenntniss, um zu behaupten, dass im 2. Makkabäerbuche maoc sehr gute Nachrichten enthalten sind.*)

Eine besondere Beachtung verdienen zunächst die gelegeotli eingefügten Notizen aus der syrischen Geschichte, die sich in il allein finden. Sie gelten mit Recht als vertrauenswürdig und si daher auch allgemein angenommen und benutzt worden. Wir bOi z. B. (4, 21) von der Gesandtschaft, die Antiochos Epiphanes bei( legenheit der Mündigkeitserklärung des jungen Ptolemäos Philome an den ägyptischen Hof schickte, wobei zum ersten Male die kric rischen Absiebten der Aegypter deutlich zu Tage traten. I stimmt zu unseren sonstigen Nachrichten, aus denen hervorg dass die Feindseligkeiten erst nach dem Tode der Kleopatra, Mutter und Vormünderin des jungen Ptolemäos ihren Anfang nahii Bei anderer Gelegenheit (10, 13) wird Ptolemäos Makron erwa der als Statthalter von Cypern von den Aegyptern zu AnUo*

1) Eine Reihe von Einzelheiten wird im nächsten Heft zur Spi kommen.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 295

irgiog. In der That wissen wir aus Polybios, dass dieser Ptole- os längere Zeil Cypern verwaltet hat.*) Auch was über Phüippos Q Nebenbuhler des Lysias erzählt wird, seine Flucht zu Pbilo- stor nach Aegypten (9, 29), ist nicht zu beanstanden. 1. Makk. 63 schweigt zwar davon, widerspricht aber auch nicht.') Weiter- D (13, 25) wird erzählt, dass der Vertrag Eupators niit den Juden Ptolemais lebhafte Unzufriedenheit erregte, und dass Lysias die regten Bürger beschwichtigen niussle. Ganz natürlich; denn lolemais war, da es an Galiläa grenzte, am Kriege zunächst be- leiügl, hatte wahrscheinlich mancherlei Unbill von den Aufstän- schen erfahren und war ihnen daher besonders feindlich gesinnt.') D diesen und ähnlichen Stellen haben wir offenbar Stücke einer înaueren Geschichtschreibung, die über Ereignisse und Personen Syrien gut unterrichtet war. Ganz entsprechend giebt uns ferner IS 2. Hakkabäerbuch allerlei Auskunft über Stalthalter und sonstige loigliche Beamte im südlichen Syrien, die wir, obwohl es die ideo so nahe anging, im 1. Buche vergeblich suchen. Wir er* hren, wer die Besatzung der Burg in Jerusalem befehligte, wer I Judäa, wer in Samarien kommandirte^ wer Strateg in COlesyrien Bd PhOnizien war.^) Es wird uns berichtet, dass bei dem Re- eruDgswechsel nach dem Tode des Epiphanes, wie es oft geschah, eser Strateg, der schon erwähnte Ptolemäos Makron, ein ge- ässigter Mann, in Ungnade fiel und durch einen anderen, Prot- thos, ersetzt ward. Bemerkenswerlh ist ferner die Genauigkeit, it welcher Amt und Titel dieser Würdenträger gegeben werden, eamte wie der Strateg von COlesyrien und PhOnizien (3, 5 u. a.), TEleplianiarches (14, 12), die Ehrentitel Freund oder Milchbruder 9 Königs') haben genau die Benennungen, wie wir sie aus den ibriflstellern und Monumenten kennen.^) Der berühmte Heliodoros isst Ini %(jjv TtçayfAârwv ; in der That ist dies am seleukidischen d später am pergamenischen Hofe der übliche Name der höchsten imten; dass ihn Heliodoros führte, lehrt eine ihm zu Ehren in

1) Polyb. XVIll 55, 6. XXVII 23.

2) Nor Josephus ant. XII 3S6 erzählt, dass Philippos von Äntiochos V. ^dtet ward. Aber dies ist offenbar ein Missverständniss.

3) 1. Makk. 5, 15(r.

4) 2. Makk. 4, 27. 5, 22 ff. 8, 8.

5) 7\ôr nçfûT(ov tpihav %, 9. aivxQOfoi 9, 29.

6) BCH. XIV 587. I 285.

296 B. NIESE

Delos gesetzte Inschrift.*) Ganz natürlich ist, dass zuweilen Tit« vorkommen , von denen wir sonst nichts wissen , wie 5, 24 di Mysarch (jÀvadgxVS)* ^- b* ^^^ Befehlshaber der Myser, die w unter Antiochos HI., aber auch unter Epiphanes als ein besonder! Truppencorps kennen,*) und der Kypriarch,') der ebenfalls a Oberster einer Kyprier genannten Truppenabtheilung anzusehen m Auch diejenigen Stttcke, deren GlaubwOrdigkeit mit Grund ai gefochten wird, zeigen doch deutliche Spuren einer genauen Kenntniss des Epiphanes und seiner Zeit. Der Sturz aus de Wagen ^ mit dem die Krankheit des Königs beginnt (9, 8), nu wohl eine Fabel sein ; aber es scheint, dass man wirklich von E( phanes derartiges erzählte; nach einer Notiz des Granius Liciniam (p. 9 Bonn) geschah, was hier dem Könige begegnet, seiner Leicb die auf dem Wege nach Antiochien, da die Zugthieren scheu wurdet aus dem Wagen in den Fluss geschleudert ward. Reuevoll versprid Antiochos in seiner letzten Krankheit den misshandelten Jndei hohe Ehren und Entschädigung; er will sie alle den Athenen gleich halten : ndviag avjoiç ïaovç 'A&r^vaiotç noifjanv (v. 15) Wenn dies Capitel auch schweren kritischen Bedenken unter* liegt, so muss doch, wer so schrieb, die Gesinnung des AntiodMH gut gekannt haben. Es ist genugsam bekannt, dass dieser FW eifriger Phiihellene war, am meisten aber den Athenern seine GoBil zuwandte. Er hat bei ihnen eine Zeitlang gewohnt, war dor< Strateg, und Polybios^) und andere Historiker berichten von del grossen Wohlthaten , die er ihnen erwies. Eine erwünschte E^ läuterung zu diesen Berichten ist neuerdings in den Inschriften

1) Bull. corr. hell, 1 285 'HXt6B<oQav Atcxylov l4rj[ioxéa] %op m

vayfiévop xrL, vgl. III 364. Polyb. V 41, 2. Frinkel Insclir. v. PergamM 171 176. Aehnlich wird 2. Makk. 11, 1 der Titel des Lysias correct ond Ml rûhrlich wiedergegeben inirçonas rov ßaaeliofs xal avyyêyrje uni ini TïçayfiarafVf vgl. 10, 11.

2) Liv. XXXVIi 40, 8. Polyb. 31, 3, 3. Die gewöhnliche Erklirnog ,Ei bosewichl*, von fivaoe, die sich noch in Reusbcns und Kamphaaseos Ueb< Setzung findet (Kautzsch Apokryphen 96) ist ganz verkehrt, ebenso die ( Wahrheit näher kommende Erklärung des H. Grotios, dass Mysirch den | wesenen Statthalter von iMysien bedeute.

3) 4, 29, auch inl rœv Kvnçlofv 12, 2.

4) XXVI 1. lieber seine Anwesenheit in Athen und die dort bekleid Strategie Appian Syr, 45. Catalogue of Greek coins in the Brit, Mum. AU p. 36. Reinach revue des et. grecques I (1688) 168.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 297

ion PergainoD*) zu Tage gekommeD, ein in Pergamon aufgestellter VollLsbeschluss der Aoliochener aus deo ersten Jahren des Antiochos 10 Ehren des Eumenes II. und seiner Brüder. Dieses Décret ist genau in den Formen der attischen VolksbeschlQsse gehalten, und wir lernen daraus, dass Antiochos die attische Kanzleisprache in Antiochien eingeführt hat; wahrscheinlich hat er auch athenische Kolonisten dahin verpflanzt und scheint sogar die Verfassung der Stadt nach athenischem Muster umgestaltet zu haben.*) Antiochos war ein begeisterter Bewunderer Athens, und dies hat der Verfasser in dem Briefe an die Juden zum Ausdrucke gebracht; er verspricht ihnen das höchste, was es nach seiner Schätzung giebt, er will sie den Athenern gleich machen.

Aehnlich steht's mit seinem Brief an die Juden, der im folgen- den mitgetheilt wird. Schon die Adresse ist sehr bemerkenswerth. El heisst (9, 19): toIç x^ijairoZç ^lovôaloiç rolç noliraiç noXlà Xalçiif xal vyialvBiv xcri ev nçàrzeiv ßaaiXevc nai aTçarrjyoç Anloxoç. Die Juden werden nolUai, als Mitbürger angeredet, wahrscheinlich mit Rücksicht darauf, dass Jerusalem den Namen An- tiocheia und die Juden Antiochener genannt waren, wie das 2. Mak- hbaerbuch vorher (4, 9) mitgetheilt hat, welche Nachricht wieder- un sehr gut zu der von den Münzen bezeugten Thatsache stimmt, data unter Antiochos mehrere Städte sich dem Könige zu Ehren Altiocheia nannten.') Er selbst ferner nennt sich Strategen der Jaden, und auch dies hat seine Bedeutung. Wir wissen aus einem hernbmten Fragment des Polybios XXVI 1, wie lebhaft sich An- tiochos für das Gemeindeleben der Städte inleressirte; er war in Athen Strateg, bewarb sich in Vermischung römischer und grie- f cUtcber Sitte auch daheim um die städtischen Aemter und strebte ' eifrig nach Popularität. Diese Eigenart wird hier in dem Briefe zum iosdruck gebracht, er nennt sich, um den Juden zu schmeicheln, ihren Strategen, und wer weiss, ob er nicht in Jerusalem wirklich eiomal zum Strategen gewählt worden ist?

Schliesslich weise ich noch auf das 2. Makk. 1 1 , 34 IT. mil- getbeilte Schreiben der römischen Gesandten hin. Ich weiss, dass

1) lofichr. V. Pergamon I d. 160.

2) Vielleicht hat er einige attische Monate Oberoommen. In dem bei JoMphns ant. XII 264 erhaltenen Schreiben des Epiphanes wird nach dem fiekatombien datirt Freilich macht diese Stelle noch Schwierigkeiten.

3) BabeloD roU de Syrie Gl. Steph. Byz. 8. Ta^oç,

298 B. NIESE

viele es für geßilscht aoseheo, aber in jedem Falle entspricht et ebeDRO, wie die drei auderen Briefe dort voUkommeo dem Kaoilei- Stil der damaligen Zeit, d. h. des 2. vorchristlichen Jahrhunderts* Insonderheit führen die beiden Gesandten, Quintus Memmius und Titus Manlius nur zwei Namen, Nomen und Gentile, oboe Cog- nomen, ganz wie es der Brauch der damaligen Zeit vorBchreibL*) Schon gegen das Ende des Jahrhunderts gerieth bekanntlich dieser Gebrauch ins Schwanken, und besonders vornehme Familien, wm denen auch die Manlier gehören, fingen an ihre Cognomina bei«- zusetzen,*) und dies wird weiterhin so allgemein, dass bekanntlich die Historiker auch den Personen der Vergangenheit die Cognomiiw . anzuhängen pflegten. Es ist daher wohl bemerkenswerth, dass ki dieser Hinsicht der erwähnte Brief des 2. M akkabäer huches ^i keinem Bedenken Anlass giebt.

Endlich zeigen auch Sprache und Wortschatz des 2. Makkabüer- huches durchaus die Gestalt, wie wir sie aus der sonstigen Litte- ratur des 2. Jahrhunderts kennen. Ich brauche es nicht zu be- weisen, da es allgemein anerkannt ist und auch die Erkiflrer wiederholt darauf hingewiesen haben. Es ist im wesentlichen die Sprache des Polybios,') die sich zugleich auch in den Urkundeo der Zeit findet.^) Auch in dieser Hinsicht passt das 2. MakkabSer- buch vollkommen in die Zeit hinein, in die es durch das Datum 1 der Vorrede gesetzt wird. Dagegen wird jeder Unbefangene es ab | höchst unwahrscheinlich, ja fast unmöglich ansehen, dass in spl- terer Zeit ein jüdischer Schriftsteller, noch dazu ein tendenziöser Fälscher, sich eine so gute und genaue Kenntniss der Zeit uad ihres Geistes sollte angeeignet haben, wie wir hier finden, zumal da diese Zeit und ihre Litteratur sehr bald dem Gedächtnisse der Nach-

t) Dies ist eine allgemein bekannte Thatsache, über die ich z. B. auf Mommsen Rom. Forsch. I 47 verweisen kann.

2) Z. B. in der Inschrift aus Dyme Kotvroç <Paßios Kotvrov Ma^ifios Dittenberger syll, P 316. Ebenso die Scipionen.

3) Dem z. B. der weite Gebrauch von ;^o£^a entspricht, vgl. die Erklärer zu 8, 20 und Grimms Commenter S. 7.

4) Häufiger ist im 2. Makk. (z. B. 5, 11) der Gebrauch von àtala^Afiôrêw in der Bedeutung von vnoka/Lißaveiv. Dasselbe findet sich z. B. in der etwas jüngeren ephesischen Inschrift bei Dittenberger syli, P 329, 20. Mao vergleiche lerner 11, 23 im Briefe des Antiochos Kupator den Ausdruck vov naxQos ^finv eU d'eovs /ißraarapros mit der Inschrift von Hierapolis énei ßaaiXtcaa *^noi- liüvis fisd'iartjHep eis d'eote. Alterthümer von Hierapolis S. 78 D. 30.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 299

well entschwand und nur in dunkeln Umrissen bekannt blieb, da aach die Schreibart unter dem Einflüsse neuer Richtungen erheb- liche Wandlungen erfuhr.

Alle Indicien treffen also dahin zusammen, dass wir im 2. Makka- bäerbuch und seinem Original lason von Kyrene ein zeitgenössi- sches Geschichtswerk aus der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. besitzen, und dass wir keinen Grund haben, diese in der Vorrede aosdrQcklich überUeferte Thatsache bei Seite zu schieben.

lason von Kyrene.

lason von Kyrene, dem wir uns jetzt zuwenden, muss nach dem Siege des Judas Ober Nikanor als dem letzten berichteten Ereignisse (162/1 v. Chr.) und vor dem Jahre der Epitome (125/4 ▼• Chr.) geschrieben haben. Was wir von ihm wissen, beruht allein auf der Aussage des Epitomalors (2, 19 ff.) und der Beschaffenheit der Epitome; daran müssen wir uns halten.^) Wir dürfen ohne Bedenken annehmen, dass der Epitomator, wie es zu geschehen pflegt, sich oft wörtlich an das Original angeschlossen hat.

lason schrieb also eine Geschichte der jüdischen Erhebung UQUr Hakkabäos und seinen Brüdern in fünf Büchern in dem um- böge, wie ihn das 2. Makkabäerbuch andeutet, d. h. als Einleitung ^^d die Vorgeschichte vorausgeschickt und den Schluss bildete die Niederlage Nikanors. Zwar nennt der Epilomator in seiner (kurzen Nachricht 2, 20 nur die Kriege unter Antiochos Epiphanes und Enpator und erwähnt nicht den Demetrios L, unter den die letzten Ereignisse fallen. Aber dies darf nicht maassgebend sein, da hier keine vollständige Inhaltsangabe gegeben wird und im übrigen der Auszug selbst für das Original zeugt. Uebrigens wird die Zeit des l^enoetrios nur in ihren Anfängen berührt. Ich hebe dies hervor, ^^il manche, darunter Hugo Grotius, vermuthet haben, dass im ^- Makkabäerbuch ausser lason noch ein anderes Werk ausgezogen forden sei. Dies ist jedoch unwahrscheinlich; denn warum sollte ^tt Epitomator es nicht gesagt haben? Ebenso wenig darf man 'onehmen, wie gleichfalls vermuthet worden ist,') dass die Vor-

1) Ob der lason voo Kyreoe, dessen Namen man an der Wand eines '^tischen Tempels gefunden hat, unser Schriftsteller ist, lässt sich natürlich oicbt sagen und ist auch von geringem Belang. Schflrer 111 361.

2) Neuerdings von Adolf BQchler Die Tobiaden und die Oniaden im 2- Makkabaerbuchc S. 277 ff.

300 B. NIESE

geschichte des Aufstandes c. 3 5, weil in der Vorrede nicht ai drücklieb erwähnt, nicht aus lason stamme; es ist kaum denkb dass der Historiker diese für das Verständnits der Erhebung wesentlichen Ereignisse wider allen Brauch sollte übergangen babi lason war nach Ausweis der Darstellung, wie auch der Naa das hellenisirte Jesus, andeutet, ein Jude und schrieb seine C schichte in der Absicht, die Heldenthaten seiner Landsleute, t sonders des Judas Makkabäos und seiner Brüder zu verherrliebi Dies geschieht nach der Weise der damaligen griechischen Geschicl Schreibung, d. h. mit den Künsten der Rhetorik. Dies lehrt die Ran habung der Sprache und Sprachmittel der Epitome; lason muss eis« blühenden Stil geschrieben haben mit poetischen Wendungen hi allerlei ungewöhnlichen Wortbildungen.^) Besonders deutlich u sicher erkennt man seine Art an der Behandlung des Stoffes, «i sie auf jedem Blatt des 2. Makkabäerbuches hervortritt und sdw oben S. 271 ff. kurz angedeutet wurde. Dazu gehört die U«btf treibung des jüdischen Heroismus wie der Grausamkeit und Gott losigkeit der Feinde, das Streben nach starken Effecten in ScUMe rungen und Erfindungen. Hervorragende Beispiele sind die 6e schiebte Heliodors, die Hinrichtung des greisen Eleazar, der Tt< des Antiochos Epiphanes, das wunderbare Ende des Menelaoi m der Selbstmord des Razis, der unseren Theologen so schweni Anstoss gegeben bat.') Gewallig übertrieben ist die Zahl der ttai liehen Streiter und der Erschlagenen; es geht meist in die Zel» lausende. Antiochos Eupator und Lysias ziehen 163/2 v. Chr. jflk mit 110000 Mann zu Fuss, 5300 Reitern, 22 Elepbanten u 300 Sichelwagen gegen Judäa ins Feld.'j Erwägt man, dass ài tiochos der Grosse nach langen Rüstungen in der Schlacht b Raphia 217 v. Chr. alles in allem nicht ganz 70000 Mann insP< stellte, bei Magnesia kaum 60000,^) so ist ohne Weiteres klar, dl die Zahlen in mindestens zehnfacher VergrOsserung erscheinen, i

1) Poetisch ist z. B 2. Maklc. 4, 41 SvXofr naxrj. Vgl. 4^ 47 xwüs^ Ttcücois, oÏTéVBS ei Kai èni ^xvd'mv ^Xeyov anslvâtjcav iv, 11, It il trjSov (d. h. mil Löwenmulh) èmvaiavrae sis rois noUfiüwc. 14, 45 ^ fiÊvcDv xçovvfiBov rôjv alfiàr€9v. Die Gommentatoren hat>eB schan Un darauf aufmerksam gemacht.

2) 2. Makk. 3, 8 ff. 6, 8 ff. 9, 4 ff. 13, 4 ff. 14, 37 ff.

3) 2. Makk. 13, 1 f.

4) Polyb. V 79. Liv. XXXVll 40. Appian Syr. 32.

DIE BEIDEN MAKKABÀEKBOCHER 301

diese Dinge eDtsprechen der heirschenden Richtuog der rhetorischen Gescbichtschreibung, wie wir sie in ihren herrorragendsten Ver- tretern, Theopomp, Klitarch und Phylarch kennen,^) ?on der sich Dur wenige auserlesene Geister wie Polybios frei gehalten haben. Eigen ist unserem Schriftsteller, dass er seine Kunst etwas grob- körnig und reichlich übt, dass er sie ferner in den Dienst der jQdiscben Sache gestellt hat Seine Beredtsamkeit ist besonders auf das Erbauliche gerichtet, zu welchem Zwecke ausser der Tapfer- keit die Gesetzestreue und Frömmigkeit der Juden jeder Zeit hervor- gehoben wird. In dieser Richtung bewegen sich auch die Martyrien, Gebete,*) alttestamentliche Beispiele') und dergleichen mehr. Im tlbngen sind die Eigenschaften, die wir am 2. Makkabäerbuch tadeln, die grobe Parteilichkeit, Fabelsucht und EfTecthascherei sehr vielen Bistorikern der hellenistischen Epoche eigen ; besonders derbe Exem- pd finden sich bei den Römern, die auch in dieser Hinsicht Schaler der Griechen sind.^)

Zu den Requisiten dieser Geschichtschreibung gehören nicht nletzt die Wunder, denen wir nach Ausweis des 2. Makkabäer- bocbes bei lason öfters begegnen, wie die Prodigien vor Ausbruch des Krieges, der Traum des Judas, die Erscheinung himmlischer Streiter zur Errettung der Juden.*) Die himmlischen Erschei- BQDgen Tag i| ovQavov yevofAèvaç irtiçavelaç legt der Epi- tomator*) dem lason ausdrücklich bei. Aehnliches findet sich überall bei den Griechen. Die himmlischen Streiter, die den Heliodor vom Heiligthum zurücktreiben und den Juden in der Seblacht zur Seite treten, erinnern durchaus an Apollon und seine göttlichen Genossen, von denen die Perser und später die Gallier ans Delphi Tertrieben werden,^ an Herakles oder die Dioskuren, die an der Seite ihrer Freunde streiten. Man glaube nicht, iiass solcherlei Geschichten nur in die Erzählungen längst ver-

1) Eine sehr gote Analogie zum 2. Makkabäerbuch bildet das, was Po- Jjbios 11 56 fi. von Phylarch berichtet, wie er die Grausamkeit der Makedonier oiid Acbier beschrieb, z. B. bei der Hinrichtung des AristoiAachos von Argos.

2) 2. Makk. 8, 16 01 10, 16 ff. und weiterhin fast in jedem Gapitel.

3) % Makk. 8, 19. 12, 15. 15, 22.

4) Ich darf auf die Historiker der mithridatischen Kriege, femer auf Sullas Denkwürdigkeiten hinweisen, um von den römischen Annalisten zu schweigen.

5) 2. Makk. 5, 2. 15, 12. 3, 24 ff. 10, 29.

6) 2. Makk. 2, 21.

7) Herodot VIII 37. lustin. XXIV 8, 3. Paasan. X 23, 2. Hennas XXXV. 20

302 B. NIESE

gaogeoer Ereignisse Einlass gefunden hatten; auch die leitgente^ siachen GeachichtabQcher waren voll davon, entsprechend dem popiK. Iflren Glauben der damaligen Menschheit; denn die Hellenen, die Heiden waren nicht minder gottesrorchtig und gläubig als die Juden, und sahen bei grossen, entscheidenden Ereignissen überall Wunder, überall die Zeichen gottlicher Hoire, und die Historiker Terfefaltei nicht, diesen Stoff auszuarbeiten und zu vermehren. Beispidi liefert die Alexandergeschichte, z. B. was Kallisthenes« der va- mittelbare Zeitgenosse, von dem ZurOcktreten des Meeres an der pamphylischen Koste und von den Zeichen göttlicher Ftlhrvig auf dem Wege zur Ammonsoase berichtete.*) Bekannt ist, wie nach Polybios HI 47, 8 f. Hannibals Historiker Götter und Gotte^ sOhne aufboten, um ihrem Helden den Weg durch die EinOdea der Alpen zu weisen, nicht minder berühmt der oft wiederholte Traum Hannibals, von dem zuerst Silenos, der Zeitgenosse, e^ zahlte.') Vielleicht noch lehrreicher, weil aus populärem Maade hervorgegangen, ist das Zeugniss der Ehreninschrift für Diophantos, den Feldherrn Mithridates, der um 110 v. Chr. die Chersonestea in der Krim vor den skythischen Barbaren errettete; sein S^ ward, wie die kurz nachher gesetzte Inschrift bezeugt, von der SchutzgOttin der bedrohten Stadt angekündigt.*) Etwas spater wifd der Siegeszug Milhridats durch Vorderasien ebenso von vielfe^ heissenden Sehersprachen begleitet oder angekündigt,^) wie nachher die Siege Sullas; von letzteren hat Sulla selbst nicht unterfamei in seinen Denkwürdigkeiten zu berichten"); denn derartiges wir immer ein Zeichen göttlicher Gunst und Hülfe. lason unterscheidcl

1) Kallisthenes fr. 25 p. 18. fr. 36 p. 27 Müller. Cicero de divin. I 49.

Dittenberger syll. P 326 z. 23 : a Sm narroç XeQCot^ttrtväv sr^otff«^ ovaa IlaQ&êvos xal tot« avfinaqovaa Jtotpavrq^ nçoêaafiav9 pth^ xècw pÛ^ XovHoLV yivsa&ai nçà^iv S&à xwv èv Tty iaçq ytvofiivatv aafiêimv^ &n^i9êi 9i xal ToXfiav ivenoifjas navnci i^ arçaronidi^, Aehnlich heisst es in dcc Inschrift von Lete in Makedonien von 117 t. Chr., wo die Letier ihns Quâstor M. Annias für die Errettung aus dringender Kriegsgefahr danken, Mi ivixijaev rove nolsfiiovs fiiâxr] fAßxa rrfi xav &ewv Tt^ovoiaç, Dtttenbergcr *y//. P318 z. 28.

4) Poseidonios bei Athen. V 213 B.

5) Z. B. Plutarch Sulla 17, vgl. 27. Besonders lehrreich sind die Wander» die bei der Belagerung von Kyzikos erzählt wurden, wo die göttliche Hülfe durch Décrète und Inschriften beglaubigt war. Plutarch LueuU, 10.

DIE BEffiEN MAKKABÀERBOCHER 303

lieh von deo aodereo Historikern durch sein Jodenthum; wenn er gOUlicbe Hülfe braucht, so erscheiot nicht Apollon oder Herakles, fondera der Engel Gottes, im Obrigen besteht kein wesentlicher Unterschied.

Schliesslich ist auch das qual?olle Ende des Anliochos Epi- phaoes unter Gewissensbissen und Schmerzen, wie es im 2. Makka- hierbuch erzählt wird, ganz dem nachgebildet, was man gelegentlich TOD der göttlichen Heimsuchung der Tyrannen und Gottesverächter wie Agathokles, Sulla und Herodes') zu erzählen wusste. lason TOD Kyrene, 'wie ihn das 2. Makkabäerbuch zeigt, schliesst sich ibo ganz den Gewohnheiten der rhetorischen Schriftstellerei an, VDd nichts ist an ihm, was nicht vollkommen ins 2. Jahrhundert T. Chr. hineinpasste. Also ist es ein Irrthum , wenn man in all diesem Wunderkram ein Zeichen späterer Bearbeitung und Ent- iteiloDg sieht. Im Gegentheil zeigt sich darin eine so lebendige, •tnittelbare Theilnahme an den Ereignissen, wie man sie schwerlich «iem späteren Zeitalter zutrauen darf, zumal bei einem Juden; deaa historisches Interesse und historischer Sinn war unter den hden sehr selten; selbst die makkabäische Erhebung ist dem Ge- totoiss bald entschwunden, und ich halte es fQr kaum denkbar, ém ein Buch wie lasons oder das 2. Makkabäerbuch erst zur Zeit des Herodes oder gar noch später abgefasst sein sollte.

Aus dem Gesagten ergiebt sich der Werth lasons und die fiiaibwfirdigkeit, die ihm zukommt. Als Rhetor und eifriger Partei* (Inger der makkabäischen Sache wird er überall mit höchster kri- tischer Vorsicht zu benutzen sein, zugleich hat er aber alle die Vorzüge, die zeitgenössischen Aufzeichnungen eigen sind. Mit den Ereignissen, den handelnden Personen und herrschenden Zuständen ivir er ohne Zweifel bekannt, und seine Erzählung ist, soweit sie Thatsachen betrifft, im Kern als zuverlässig anzusehen, wie sie denn auch zur profanen Ueberlieferung soweit ersichtlich in bestem I fiakbnge steht. Seine Fehler, die ja auf der Hand liegen, r machen ihn nicht werthlos; es hat ja manche Historiker gegeben, L B. den schon erwähnten Kallisthenes, die trotz zahlreichen Mängeln dennoch werthvolle Träger einer gleichzeitigen Ueber- lieferung waren. Am besten kann man lason wohl mit seinem

1) Diodor XXI 16, 5. Plutarch SuUa 36. Joeephus bell. lud, 1 656. XYU 168.

20*

304 B. NIESE

späteren LaDdsmaon Josephus vergleichen , dessen Geschiehte dei jQdischen Krieges ebenso parteiisch und von Rhetorik ebenso u . rankt ist, und dennoch Hauptquelle für die Zeit geworden ist und sein muss.

In welchem der Jahre zwischen 161 und 125 t. Chr. Ismo gchrieb, lässt sich nicht mehr bestimmen, jedenfalls wohl nach am Tode des Makkabäos; das Buch sollte ja eine Verklarung des HeUet liefern. Da auf spätere Zeiten, auf das FQrstenthum Jonathani und Simons, im 2. Makkabäerbuch nirgendwo hingedeutet wir<^ obwohl beide Brüder gelegentlich erwähnt werden, so ist lasoi Werk Tielleicht schon vor der Aufrichtung der hasmonäischen Ew" Schaft, also wohl vor 153/2 v. Chr. abgefasst worden, yidleichtia Aegypten. Man kann sich etwa denken , dass er ein Freund da Judas Makkabäos war und nach seinem Tode nach Aegypten ivi* wanderte. Wäre uns sein Buch im Original erhalten, so wflrA wir wohl nähere und bestimmtere Angaben über Zeit und Ort wiBcr Schriftstellerei haben. Jetzt haben wir von ihm nun einen stifk verdünnten Auszug; der Verfasser des 2. Makkabäerbuches, ebe falls ein Jude, der sich Judas zu nennen scheint, hat ans Alf j Büchern eins gemacht. Er zieht nicht gleichmässig aus; mandMf j erzählt er genauer, manches deutet er nur flüchtig an, und will scheinlich hat er die Mängel des Originales noch vergröbert, mif j auch wohl einzelnes geändert oder zugesetzt haben. Denn er hit j nun das Werk lasons durch eine selbst verfasste Vorrede in en Brief an die ägyptischen Juden umgewandelt, um diesen die Fehr { der makkabäischen Gedenktage aus Herz zu legen, hat also se besonderen schriftstellerischen Absichten, die man dem lason nicM ^ zuschreiben darf; daher darf man zweifeln, ob schon dieser in der» ' selben Weise von der Stiftung jener Feste berichtet hat« wie der Epitomator.^) Wohl möglich ist ferner, dass der Bearbeiter fil erbauliche, specifisch jüdische Tendenz noch mehr zur GeltinK gebracht hat. Von ihm mag wohl die nachdrückliche Betonaig der Auferstehungslehre') herrühren; ihm dürfen wir es zuschräbeo, wenn jetzt so oft und so stark hervorgehoben wird, dass die Ver- wüstung des Tempels und anderes Ungemach nur eine TorOber- gehende Strafe Gottes für die Sünden seines Volkes seien*); be»

1) 2. Makk. 10, 5 ff. 15,36.

2) 2. Makk. 12, 43.

3) 2. Makk. 5, 17 fr. 6, 12 f. 7, 18. 32 f. 37 f. 10, 3, vgl. S, 272.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 305

sooders c. 6, 12 niachr den Eindruck^ als weoD der Epitomator Ttàe^ Dicht lasoD. Auch c. 7, das berühmte Martyrium der Mutter mit den sieben Sohnen, kann eine Zuthat des Bearbeiters sein, weil darin ein Widerspruch mit dem früher Erzählten liegt; denn anders ib vorher wird Anliochos selbst in Jerusalem anwesend gedacht. Aber es kann auch sein, dass dies nur eine Ungeschicklichkeit des Bearbeiters ist; denn an sich liegt nichts vor, wesshalb nicht lason leibst die Geschichte erzählt haben könnte. Die Tendenzen lasons lud seines Bearbeiters waren gewiss nahe verwandt.

Ein unleugbarer Vorzug ist es, dass der Epitomator nicht all- roiange nach lason ans Werk gegangen ist; wenn er auch nicht Ngentlich Zeitgenosse der Ereignisse ist, so steht er ihnen doch nahe genug, um noch lebendiges Interesse und eine gewisse Kennt- en für seine Arbeit mitzubringen. Was der Epitomator über lasons Werk und sein Verhältniss zu ihm berichtet,') anzuzweifeln, ist liebt gestattet. Es liegt darin ein Grad von Aufrichtigkeit, der fiBem Fälscher nicht angemessen sein würde; ein solcher würde das Buch lieber sich selbst zuschreiben , man hat also , bis das Gegentheil bewiesen wird, anzunehmen, dass die Erzählung des 1 Makkabäerbuches im wesentlichen, auch dem Umfange nach, dem Werke lasons entspricht^

Zum Schlüsse sei noch die von Geiger aufgestellte und be- londers von Koslers durchgeführte Behauptung erwähnt, dass der Verfasser des 2. Makkabäerbuches ein Gegner der hasmonäischen Dynastie gewesen sei und sich auch darin zum 1. Makkabäer- bocbe in bewussten Gegensatz gebracht habe. Nach Kosters hat er aus diesem Grunde die Brüder des Judas, besonders Jonathan B&d Simon, die Gründer der Dynastie in den Hintergrund ge- •ehoben und alles Heldenthum allein auf Judas gehäuft Diese Be- iaoptung wird bei näherer Prüfung hinfällig; denn es lässt sich in keinem Falle nachweisen, dass im 2. Makkabäerbuch dem Judas

1) 2. Makk. 2, 19 ff.

2) Es könnte jemand vermathen , dass Jason bis zum Tode des Makka* lios gegangen sei, was ja als ein passenderer Abschluss erscheinen kann. Utch balte ich es nicht für wahrscheinlich; die Art, wie c. 4, 11 das Bûndniss les Judas mit den Römern erwähnt wird, scheint mir nicht dafür zu sprechen. Ke Vermnthnng Schlatters, dass lason die Geschichte bis zum Tode Simons, ja 18 Johannes Hyrkanos geführt habe, ist völlig unbegründet Schlatter nimm t D, dass auch das 1. Makkabäerbuch wesentlich aus lason geschöpft habe.

306 B. NIESE

etwas zugeschrieben worden sei, was einem der BrOder gebflhr Vielmehr verhalten sich den Brüdern gegenaber beide BOcher ii wesentlichen gleich. In beiden ist Judas allein der Handelnde; ii 1. Makkabäerbuch werden neben ihm Jonathan und Simon als seil Geholfen einmal erwähnt, ebenso Eleazar.^) Im 2. MakkabSerfanc kommen einmal') sämmtliche Brüder vor als von Judas émanai Fohrer einzelner Heerestheile, einmal wird ferner eine leidu Schlappe Simons ohne jeden Tadel erwähnt.*) Dagegen der a anderer Stelle^) mit zwei anderen als Verräther genannte Simoi den Judas hinrichten lässt, kann nicht der Bruder des Judas seil und wird auch nicht als solcher bezeichnet Es ist ein aoden gleichnamiger Jude. Nur in einem Punkt unterscheidet sich d 1. Makkabäerbuch wirklich von dem anderen. Während hierJoA genannt wird, erscheint dort wiederholt die Formel ,Judas und seil Brüder^') Dies ist, wie ich nach Geiger annehme, mit Bedad geschehen, involvirt aber keinen Widerspruch zum 2. Makkabäe buch, wo in der Vorrede ganz ähnlich die Brüder dem Judas ao drücklich an die Seite gestellt werden.*) Auch für das 2. Makk bäerbuch bilden also Judas und seine Brüder ein Ganzes; wei dies nicht bei jeder Gelegenheit wiederholt wird , so bedeutet d keine feindselige Gesinnung gegen die Brüder, sondern kann eti Folge der Kürzung sein. Das 1. Makkabäerbuch hat es allerdin für nOthig gehalten, die Verdienste der Brüder besonders herro zuheben, ohne dass es jedoch, was sebr wesentlich ist, von d einzelnen, von Simon, Jonathan u. s. w. mehr zu berichten wOsi als das andere.

Ja in Wahrheit ist im 1. Makkabäerbuch Judas in viel höher Grade und ausschliesslicher der Held der Erzählung als im zweit

1) 1. Makk. 5, 17 ff. 6, 43 ff. Die Nennung des Johannes 1. Makk. 9, 3i fällt nicht mehr in den Rahmen des 2. Makkabäerbuches.

2) 2. Makk. 8, 22 f.

3) 2. Makk. 14, 17 JSifiav 8i o oSaX^os 'lov8a avußBßhjHWC i^v rq icatfO^i, ß^axeets 8ià t^v aiipviSiov tciv avrmaXwr àfpaaiav énxau à^aalav ist corrupt. Die alle laleintsche Uebersetzung hat adventumy zunächst auf fyoSov führt; auch an éntfâvBtav oder atpi^iv kann man den

4) 2. Makk. 10, 19 ff.

5) Z. B. 1. Makk. 4, 36 BÎm %v8as xal oi a8BXfol alxov. Vgl. 3 42. 5, 10. 61. 63. 65. 7, 6. 10. 27.

6) 2. Makk. 2, 19 ff. xavà rov *Io\8av to»' Matcxaflalav tud Tovrov a8êl^is natQacéfiB&a 8i' évhs awrayfiaxos iniXBfuiv,

DIE BEroEN MAKKABÄERBOCHER 307

rieben Judas und seineo Brüdern wird auf jüdischer Seite niemals ein anderer genannt oder hervorgehoben ausser zwei vorwitzigen, «aberufenen Männern, Joseph und Azarias, die wider Judas' Befehl mit den Feinden anbinden und geschlagen werden/) also nur zum warnenden Exempel dienen. Dagegen nennt das 2. Makkabäerbuch avch andere Juden mit Auszeichnung, Dositheos, Sosipatros, Esdri^ und gelegentlich andere,*) ist also nicht so einseitig makkabäisch wie das 1. Buch, zu dem ich nunmehr im nächsten Artikel über- gehen will.

Marburg. BENEDICTUS NIESE.

1) 1. Makk. 5, 18. 56.

2) 2. Makk. 12, 19. 35.

3) 11, 17 die Unterhindler Johannes und Absalom, 10, 19 die drei Ver- fither Simon, Joseph und Zakchlos.

BEITRÄGE ZUR THEORIE DER ANTIKEl^^ METRIK.

Als Gottfried Hermann das Studium der antiken Metrik /a Deutschland erneuerte, verwarf er von vornherein die Lehren der alten Grammatiker als werthlos und binderlich für eine wahrM v^issenschaflliche Erkenntniss. Es ist das leicht begreiflich. Haches doch die erhaltenen Werke, meist schlechte Compilationen aus sptt- rOmischer Zeit, auf den ersten Blick einen wenig vertrauen- erweckenden Eindruck, während andererseits die Oberlieferten Lehren in einem schreienden Gegensatz stehen zu unserem modernen, nr Zeit Hermanns eben wieder erwachten Gefühl für die SchOnbdt dichterischer Formen. So fand das Urtheil des grossen Gelehrten allseitige Zustimmung und man gewohnte sich, von den granmutiä nur mit einer Mischung von Mitleid und Verachtung zu reden. Dieses Gefühl der Ueberlegenheit wurde noch gesteigert, als nun im Glauben an aller neueste Theorien kyklische Messung des Dak- tylus, drei- oder vierzeitige Längen und Pausen je nach Bedarf des modernen rhythmischen Gefühles in die antiken Verse hineintrug. Davon stand freilich bei den Grammatikern nichts zu lesen. Doch konnte man sie, namentlich der Dichtercitate wegen, auch nicht ganz entbehren, und so fanden sich Gelehrte, die ernste Arbeit an sie wendeten und allmählich auch das sachliche Verständniss f&^ derten. Westphal fand den Unterschied zwischen einer älteren und jüngeren Schule; Keil sorgte für die Herstellung der lateinischen, Studemund für die der griechischen Texte, und beiden gelangen dabei überraschende Entdeckungen; Christ wies nach, dass Horait d. h. die römische Kaiserzeit von den Lehren der älteren Schule abhängt. Mit einer genaueren Kenntniss ist auch die WerthscbätiQDg der Grammatiker gestiegen, freilich aber noch lange nicht hoch genug, um ihnen irgend welchen Einfluss auf moderne Wissenschaft einzuräumen. Nicht einmal bei Horaz hat man gewagt, an Stelle neuester Erfindungen die glücklich entdeckte Ueberlieferung m

BEITRÄGE ZUR THEORIE DER ANTIKEN METRIK 309

D. Noch immer hält mao sich für berechtigt, mit Achselzucken Grammatikerweisheit^ vorbeizugehen, uod zwar oicht bloss an Erklärungen und Systemen, die kann jede Zeit neu auf- m und, wenn das Glück gut ist, verbessern sondern auch len von ihnen überlieferten metrischen Thatsachen, und ist der Punkt, an dem ich Einspruch erheben möchte. Aller- \ verstOsst hier manches gegen unser deutsches Gefühl. Aber das ein Grund sein, um es für falsch zu erklären? Ich werde in meiner Untersuchung ausgehen von dem elegischen ameter, einem Vers, über den alle neueren Metriker einig zu scheinen') ein seltener Fall :' ich werde zunächst die ;e Ueberlieferung vorlegen und dann untersuchen, ob wir ein it haben sie zu verwerfen. Es wird sich dabei die Noth- ligkeil ergeben, die Unterschiede, die den antiken Versbau von modernen im tiefsten Grunde trennen, einer erneuten Prüfung interziehen.

Schon G. Hermann nahm in der Mitte des Pentameters eine 16 an, Elem, doctr. metr. p. 33: necessaria est (caesura), quae wem pausam reguirit, qualis est in pentametro elegiaco. Das- s thut die jetzt allgemein herrschende Ansicht, nur dass sie kelle der Pause auch Dehnung zulässt. Man vergleiche z. B. ibach Griechische Metrik IIP p. 81: ,der Pentameter ist nichts 1res als ein synkopirter Hexameter, d. h. die Zusammensetzung er katalektisch- daktylischer Tripodien, deren Schlusssilben im iDge den Zeitumfang von je einem ganzen Fusse hatten/ Es nur folgerichtig, dass man den altehrwürdigen Namen des ameters als ein Denkmal antiker Unwissenheit beseitigen und der Tiefe moderner Erkenntniss einen neuen schaffen wollte. Dieser einstimmigen Erklärung der Neueren steht die ebenso limmige Ueberlieferung des Alierthums gegenüber. Schon der e setzt ja deutlich eine andere Auffassung voraus; denn fünf a kann man auf keine andere Weise erhalten, als wenn man Iritte und sechste Länge als Halbfüsse, d. h. zweizeitig rechnet, kommt dann eine lange Reihe von Zeugnissen der Dichter hl wie der Grammatiker. Wie die fünf Fusse abzutheilen seien, )er war man verschiedener Ansicht; dass es fünf seien, daran

1) Die Litteratur findet man gesammelt bei Rasi, De elegiae latinae mtione et forma. Patavii 1894.

310 G. SCHULTZ

hat niemalft jemand gezweifelt. Als ältesten GewflhrsmanD fOr Namen pflegt man den Hermesianax zu nennen, den bereits v»*^^ 300 gestorbenen Schüler des Aristoteles, der in seiner bei Athens, ^u erhaltenen Elegie sagt (XHl 598 a) :

Mlftvêçfioç dk %ov ridvv Sc evcero rtolXov àvavXàç rjxov xal fAaXanov nvBv^i' ano nêvrafAévQOv. Dabei ist aber Heraclides Ponticus übersehen, dessen Alter dadnvHdi bestimmt wird, dass ihn Plato im Jahre 362 zu seinem Stellfertretar in der Akademie machte. In dessen, wie es scheint, schon ¥00 Hieronymus Rhodius ausgeschriebener Erzählung von Chariton und j Melanippos stand geschrieben (Athenäus XIll 602 c, cf. Hiller Him^ ronymi Rhodit fragmenta in der Satura philologa H. Sauppio Maim fr. XVII) : ïxQriOBV de (sc. IdnàlXmv) -Kai neqi tdjv ifAÇÏ Xœ^ gltiüva TtQorâ^aç %ov k^apiétQov %o TcepràfiêTQOv . . Diese Stellen führen uns in eine Zeit, die der höchsten Blüthe der gri^* chischen Dichtkunst nahe benachbart ist; zugleich beweisen si^v dass der Name (zo nevrafievgov) damals geläufig und ohne wei' teres verständlich war.

Als Vertreter ferner der klassischen Dichter unter Augnst^B* sagt uns 0?id ex Ponto HI 3. 30: Apposui senis te duee quinf^MS pedeSf wozu die Stellen Amor. 1 1. 4 und 30 kommen. Daift^ folgt die lange Reihe der Grammatiker, der Griechen sowohl f^^ der Römer, die alle in derselben Weise die doppelte MOglichk^^^ der Messung angeben.*) Als Beispiel will ich die Worte des Vt^^^ medes p. 520, 32 K hersetzen: pentameter, id est quinanus, sct^" ditnr duahus semiquinariis , id est ut posterior tome duos dactjif^^ habeat et semipedem, quod genus scansionis est usitatius. alii H^^ sie scandunt: feritur quinquies, in primis duabus grestionibus U^ mittit dactylum et spondeum , tertiam regionem sine dubio fsT^ petuo spondeus debet habere , duobus anapaestis terminaiur. Eii^ ausdrückliches Zeugniss über die Beschaffen hei t der mittleren Pavt^ giebt uns endlich Quintilian, der den älteren römischen Grammatiken nahe steht (IX 4, 97): spondeus qnoque modum semper per m

1) Eine Pause tod zwei Moren erwähnt bekanntlich Auguslious é9 1 4, 14, der dafür auch an dieser Steile leider nur ao dieser 10 Ehren liommt und dankbar citirt wird. Seine Worte beweisen doch nnr, was wir sonst auch schon wissen, dass er von der alten metrischen UeberHefeniii| nichts wusste. Man sollte doch froh sein, ein Zeugniss zu besitzen, dass man zu Auguslins Zeit die Verse eben anders las, als früher.

BEITRÄGE ZUR THEORIE DER ANTIKEN METRIK 311

hahei, optime praecedet eum creticta, ut in hoc . . . iUud est, quad twpra dùci, muUutn referre, unone verbo sint duo pedes comprehensi m ttierque liber, sic enim forte Criminis causa, molle Archi- firaiae, tnoUius si tribrachys praeeedat facilitates, est enim qmddam ipsa divisione verborum latens tempus, ut in pentametri medio spondio. Durch den Ausdruck latens tempus, sowohl wie durch das erste Beispiel criminis causa wird uns bezeugt, dass die Pause in der Mitte des Pentameters genau ebenso verschwand, wie die swischen zwei gewöhnlichen Worten in fortlaufender Rede.

Prüfen wir nun den Werth dieser Zeugnisse und beginnen dabei mit den Grammatikern, so ist gegenwärtig allgemein zu- gestanden, dass sie uns wenigstens die Lehre der besten römischen Kaiserzeit erhalten haben. Haben wir ein Recht der Beobachtungs- «charfe dieser Zeit zu misstrauen? Ich erinnere an das bekannte Wort Ciceros de orat. HI 50. 196: quotus enim quisque est, qm ttneai artem numerorum ac modorum? at in his, si paullum modo ^Ifensum est, ut aut contraetione brevius fieret aut productione Ion- gnis, theatra tota réclamant (cf. Or. 173. Parad. 3, 2). Derselbe Cicero sagt nachher: verum ut in versu valgus, si est peccatum, ^dei , sie si quid in nostra oratione Claudicat, sentit. Dies wird I^Ulligt durch Dionysios Halic De comp. verb. 11: ijdrj d' ïyœye *^^ Iv TOÎÇ noXvav&QiuTtozatoic ^eâzgoiç, a avfiTvXrjgol nawodaTtog xal afAOvaog ox^og, ïdo^a naTafia&eiv , u»g (pv- oixiq %lç ioTiv anavTWV rjfiiZv oixei6%rjg nçoç evçv&filav. "" id'saaàfiriv afia rtdvzag ayavaxTovvrag xaï övaageatov' l^évovg, ore Tig rj xgovaiv ^ xivrjaiv i] iÂOQq>fiv iv àav^ifÂé- ^oiç TtonjaaiTO XQÔvoig xal zovg ^v&fAOifg aq>avlaeuv. Wenn das QDgebildete Volk jede Abweichung bemerkte, werden doch wohl die Grammatiker sich nicht uro einen halben Versfuss geirrt haben I Dürfen wir ferner den grossen Elegikern, deren feines Gehör für den Wohlklang der Verse zu rOhmen man nicht müde wird, dürfen wir denen zutrauen, dass sie nicht eineo Pentameter richtig scan- diren konnten? Wie soll man es endlich anfangen, um die Zeug- nisse des Hermesianax und des Heraclides Ponticus zu entkräften, die uns bis in die beste Zeit der griechischen Litteratur zurück- führen? An einer Messung, die uns aus der Zeit des Aristoxenos berichtet wird, hat man bisher doch nicht zu zweifeln gewagt.

Nun nehmen die Modernen, um unbequeme Zeugnisse zu be- seiligen, gern ihre Zuflucht zur Musik und behaupten, dass nur

312 G. SCHULTZ

durch UDkeoDtniss derselben die anstOssigen MessuogeD enUiandei^^ seien. Abgesehen davon aber^ dass diesmal die Nachrichten in ein-^.^ Zeit zurückgehen, die bisher gegen jenen Verdacht geschätzt wa^r-; beruht die ganze Vorstellung auf einem Irrthum. Die klassiscl^ « Musik der Griechen war unter Augustus in Rom recht wohl bi^^. kannt. Sehen wir doch, dass Dionysios Halic. noch die Melodkie eines Chorliedes des Euripides beschreibt (De comp. verb. 11). Eis fehlt an jedem Anhalt zu der Annahme, dass die musikalische Tr^a- dition des Alterthumes jemals unterbrochen sei. Insbesondere setKte sich der Gesang der Elegien beim Mahle fort bis tief in die rOmisclie Kaiserzeit ^ wie wir beispielsweise aus der Erzählung des Gellius XIX 9 sehen, aus der ich die Worte hersetze: ac posteaquam m- troducti pueri puellaeque sutU, iucundum in modutn 'Avaxgeovteta pleraque et Sapphica et poetarum quoque recentium ikeyela quaedam içwtixà dulcia et venusta cecinerunt. Wenn Pentameter ?od ChOren eingeübt und gesungen wurden, musste natürlich gezählt und Takt gehalten werden. Und da soll kein Mensch bemerkt haben, dast die dritte und sechste Länge des Verses nicht zwei, sondern Wer Moren dauerte, wenn es nämlich wirklich vier waren ? Wer jemals in einem Chore mitgesungen hat, wird überzeugt -sein, dass bei der ersten Probe ein Irrthum von einem halben Takt alles uo* geworfen hätte. Daraus folgt, dass die Berufung auf die Musik nur den Erfolg hat, die antike Messung des Pentameters zu stotzeo und vollends gegen jeden Zweifel zu sichern.

Wir sehen, die Ueberlieferung von sieben Jahrhunderten steht wie eine Mauer, die nirgends einen Angriffspunkt bietet, und wir sind begierig das schwere Geschütz kennen zu lernen , das icO Stande war sie zu zertrümmen. Es müssen doch wohl ganz starke und zwingende Gründe gewesen sein, die unsere neueren Metriker so gleichmässig zu ihrem Unglauben gezwungen haben? Indesseü wir suchen vergebens. Eine Widerlegung der alten Zeugnisse bat niemand versucht!

Statt mich in allgemeine Betrachtungen über diese sonderbare Thatsache zu verlieren, will ich gleich auf den Punkt losgeheo, der alles erklärt, wenn auch nicht entschuldigt, nämUch auf unsere moderne metrische Gruodanschauung. Man sagt: ein Vers kommt zu Stande durch den Wechsel von Hebung und Senkung. Wo die Senkung fehlt und zwei Hebungen zusammenstossen , lehrt uns unser Ohr, dass dieser Verlust ausgeglichen wird durch eine Pause

BEITRÄGE ZUR THEORIE DER ANTIKEN METRIK 313

oder durch eine Dehnung. Man braucht nur einen solchen Vers aufmerksam herzusagen und bei jeder Hebung mit dem Finger auf <ien Tisch zu klopfen, so wird man den Beweis haben.

Das Experiment ist einfach so einfach, dass die Romer und

kriechen es ganz sicher auch gemacht hatten und zu demselben

Ergebniss gekommen wären wie wir, wenn sie nämlich die Verse

auch so gelesen hätten wie wir. Es ist eine thOrichte Vorstellung,

àB9% die Alten nicht gekonnt haben sollten, was jedes Kind kann,

und dass sie erst auf Augustinus hätten warten müssen, um eine

i^atise in einem Verse zu bemerken. Nein, die Allen haben zu

ihren Versen sehr scharf Takt geschlagen, mit Händen und Füssen,

nod wenn sie zu einem anderen Resultat kamen als wir, so folgt

<laraus nicht, dass sie geirrt haben. Wenn uns tadellose Zeugen

versichern, dass zwischen ganzen Versfüssen auch halbe vorkamen,

<ia8s Hebungen an Hebungen stossen konnten, um mich vorläufig

<ier modernen Ausdrucksweise zu bedienen, ohne dass ein Ausgleich

^r die unterdrückte Senkung eintrat, so sind wir verpflichtet ihnen

SU glauben. Allerdings folgt dann daraus, dass sie die Verse nicht

fiesen haben können wie wir, und es entsteht die Frage, wie sie

fiesen haben.

Ehe ich hierauf zu antworten versuche, möchte ich noch einmal uiiD Pentameter zurückkehren und auf einen anderen Punkt hin- weisen, über den die Alten und Neuen verschiedener Ansicht sind. ^ bandelt sich um das ^&oçy den Charakter des Verses (cf. Rasi ^- a. 0. S. 4). Die moderne Auffassung hört aus dem Verse i^eofalls wegen der zwei zusammenstossenden Hebungen ,den MTogenschlag stärkerer Gemülhsbewegung^ (Glediuch) oder ,das ^wanken und Wogen der Empfindungen' (Gruppe). Sie erklärt ibn demnach als ein Bild der Aufregung, sie findet ihn im Gegen- ^tz zu dem ruhigen Hexameter leidenschaftlich, ja Rossbach nennt ^CD Vers «energisch*. Dagegen bezeichnet ihn gleich Hermesianax der oben angeführten Stelle als f^akaxog, die lateinischen Ele- {iker geben ihm am häufigsten das Reiwort mollis, daneben lenis ^er levis (cf. Rasi a. a. 0. S. 47). Sie werden das schwerlich von Hermesianax übernommen, sondern damit einem allgemein fest- stehenden Urtheil Ausdruck gegeben haben. Diese Reiwörter kurzweg aof den Inhalt der Elegien zu beziehen, wie es Rossbach tbut (Griech. Metrik HP p. 83), ist bare Willkür. Man beachte z. B. ilen Gegensatz bei Ovid am. I 1, 17 ff.:

314 6. SCHULTZ

cum bene surrexit venu nova pagina primo, atténuât nervös proximus iüe mêos.

nee mihi materia est numeris leviorihus opta, out puer out longas compta puella comas und mao wird sich überzeugen, das« dem Dichter Dicht der Inhi^l sonderD der Rhythmus des Pentameters schwächlicher und weicl^« vorkam. Es bleibt nichts übrig, als auch hier einen Widerspni^ zwischen den alten und neuen Kritikern anzuerkennen. Und üu diesem Widerspruch können wir wiederum eine Bestätigung unserer Ansicht ableiten, dass der Pentameter im Alterthum eben anders Uaiif und anders gelesen wurde als bei uns. Können wir uns nun davoi eine Vorstellung verschaffen? Ich kann hier eine allgemeÎM Auseinandersetzung nicht umgehen. Doch hoffe ich, dass sie nich nur über den Pentameter, sondern über den gesammten antikea Versbau die landläufigen Vorstellungen klären und berichtigen wild.

Man pflegt den Unterschied im Versbau der antiken und der neueren Zeit so zu bestimmen , dass man jenen als quantitireod, diesen als accentuirend bezeichnet. Die Verse der Alten bauen sich auf der Länge und Kürze der Silben auf, die unsrigen auf öer | verschiedenen Tonstärke. Dieser Unterschied ist, wie man meioea sollte, offenkundig und allgemein bekannt. Man wird es also fiel- , leicht übertrieben finden, wenn ich behaupte, dass er überhaupt noch niemals mit Bewusstsein und Klarheit durchgeführt wordea ist. Dennoch ist es so. Alle metrischen Systeme, die mir bekaont 1 geworden sind, arbeiten auch in der antiken Poesie mit dem Begrif ' des Accentes im modernen Sinn, indem sie, je nach ihrem Sprach- gebrauch, die einen die Arsis, die anderen die Thesis als betoat i ansehen. Um nur einige hervorragende Namen zu nennen, so bit Usener seine Hypothese von der Entstehung des altgriechi«cbea Versbaus wesentlich auf dem ,Hochton' aufgebaut Wie unbefaogea ferner Westphal, der erfolgreichste unter den neueren MetrikerUt die antike Thesis oder Basis unserer Hebung oder der tontragendea Silbe gleichsetzt, dafür giebt jede Seite seiner Rhythmik Zeugniis-' Ich behaupte nun, dass dies unrichtig ist, und stelle den Satz auf's, es giebt in der antiken Poesie keinen Versaccent.

Dieser Satz beruht zunächst auf einer allgemeinen ErwägUBj^ Wo bleibt denn der Unterschied zwischen acceotuirendem und quàB^*^ titirendem Versbau, wenn auch dieser wiederum der Accente bedarf^

BEITRÄGE ZUR THEORIE DER ANTIKEN HETRIK 315

it der ÄDDahme von betooten uod onbetoDteo Silbeo auch io der Leo Poesie beseitigt man doch sofort wieder das UDterscheideode erkroal und erhält andererseits statt des einfachen ein doppeltes rinzip, was nothwendig zu Widersprüchen fuhren muss.

Unser Satz beruht ferner auf der Ueberlieferung. NatOrlich nflhlen uns die Alten nicht, dass sie einen Versaccent nicht kennen, lodern dass sie von ihm schweigen, ist das erste und nicht un- ichtigste Argument. Wenn Dichter, Grammatiker und Redner Jahr- onderte hindurch in einer Weise, wie wir es gar nicht kenneu, ve Aufmerksamkeit auf den Rhythmus richten und niemals einer emerkt, dass die Fusse nicht bloss aus Längen und Kürzen be- tehen, sondern dass sie für das Ohr durch Tonverstärkung markirt rerden, so kann man sich ganz sicher darauf verlassen, dass das ^hr auch keinen Accent wahrnahm. Aber der Missbrauch der an- àen Ausdrücke hat bei uns zu einer solchen Verwirrung geführt, to ich erst beweisen muss, dass die Alten wirklich von einem accent nichts gehört und überliefert haben.

Zunächst versuche man einmal, den Begriff ,Versaccent' la- Aumh oder griechisch auszudrücken. Das Wort aecmtus können irir nicht gebrauchen; denn es ist jetzt wohl allgemein zugestanden, fang der antike und moderne Accent nichts gemein hat, als den Namen, ^ der antike musikalischer Natur ist und sich auf die Tonhöhe l^ebt, der unserige auf die Tonstärke. Yersuum accetuus könnte dso nur bedeuten, dass ein gewisser Theil des Verses höher oder tiefer gesprochen werden soll, als die übrigen. Davon kann aber tone Rede sein. Ebensowenig können wir den ,Accent^ mit ictus llbersetzen. Denn dies Wort bezeichnet den Taktschlag sei es mit deiD Finger, wie bei Horaz Od. IV 6. 31 Lesbium servate pedem "^'{ue polUeis ietum, sei es mit dem Fuss, wie bei Quintilian IX ^* 51 pedum et digitorutn ietu intervalla signante) Zunächst ist ^lar, dass kein nothwendiger Zusammenhang besteht zwischen einem ''9kt8chlag und der Intensität der Stimme. Zweitens sagt uns aber l*erentianus Maurus v. 1342 f., dass sowohl die Arsis als die ''hesis einen Ictus erhalten habe:

una longa non valehit edere ex sese pedem, ictibus quia fit duobus, non gemello tempore, brevis utrimque sit licebit, bis ferire convenit.

X) bie Stellen über die antike Praxis des Taktirens findet man gesammelt ^ We8tphal Griech. Metrik 1> S. 500, I*S.103£

316 G. SCHULTZ

Ictus ist also nur eine Bewegung des Körpers, nicht eine Verstarki^^ der Stimme, und es ist ein grober Fehler Iktus und HochtOD glAelh zusetzen. Demnach steht fest, dass die Alten sowohl Accent ai Ictus in einem anderen Sinn gebraucht haben als wir, und dt» sie far den modernen Accent überhaupt keine Bezeichnung besituo. Nun ist freilich ein Beweis ex silentio niemals ganz zwiogriid. Man kann aber auch zeigen, dass die Annahme eines Versacceota in einem unauflöslichen Widerspruch mit einer ganzen Reibe loi anderen Nachrichlen steht. Zu diesem Zwecke muss ich die Uebe^ lieferung Ober Arsis und Thesis durchgehen. Beide Worte be- zeichnen ursprünglich nur eine Bewegung des Körpers^) (vgl.x.B.

1) Gewöhnlich bezieht man sie auf den Taktschlag, aber mit Uorecht. Da Aristoxenos statt â'éu&ç den Ausdruck ßaas braucht, können wir lllb^ denklich annehmen, dass beide Ausdrücke sich auf die Bewegung der Füat beziehen. Nun hat Weslphal schon ganz richtig gefühlt, dass man mit des , Fuss nur Zeichen für das Ohr durch Niedertritt geben kann; man denke lieh, dass der Chor mit einer Arsis beginnen sollte wie hitte sonst der Dirigent to Zeichen geben sollen? Wie hoch hätte er das Bein heben müssen? Dw schon in Aristoxenos Zeit oder noch vorher auch die Arsis mit tnm Niedertritt bezeichnet wurde, geht mit Sicherheit hervor aus dem Aoidnck bei Aristoteles 3fetaph, N 6 (cf. Usener Altgriechischer Versbau S. 41 Â. SQ* [to ènoe] ßaivsrai iv fièv rt^ Bs^icp iwéa avXXaßcus, èv 8i rcf a(>af9^ oxrœ. Der Ausdruck hat nur Sinn, wenn auch die kurzen Silben ihr Zdchei erhielten. Das gleiche folgt für die spätere Zeit aus der Steile des Cao^ Bassus bei Bufinus p. 555K.: iamhicus autem, cum pedes eiiam dactffVd generis adsutnaiy desinit iamhicus videri, nisi percussione ita modermsfi^ ut, cum pe dem supp lodes, iambum ferias. Um den Jambus von cioc* Spondeus zu trennen, rousste gerade die Kürze besonders scharf markirt werdet (cf. Terent. Maur. 2249 fr.). Das ging natürlich nur durch einen doppeM Ictus, wie es Terenlianus nach Bassus in der oben angeführten Stelle ao^cMi Es bleibt die Frage, ob man bei dem Taktiren mit den Händen ein Hekc* und Senken anzunehmen hat, wie Weslphal will. Uns Modernen liegt eäff Gedanke nahe, er stimmt aber nicht zu den alten Nachrichten. Es \AVt schon stutzig machen sollen, dass immer nur von den Fingern die Rede i>l» während doch die Arme hätten genannt werden müssen. Das Richtige ié^ Quintilian IX 4. 55 oratio non descendet ad crepitum digiiorum und Tefei* tianus Maurus v. 2253 f.: moram^ quam pollicis sonore vel plausu ftü» discriminare soient Dass der Daumen hier genannt wird , ist nicht nlUfiS* Man schnalzte mit den Fingern, indem man den Mittelfinger an den Daanei legte und herunterschnellen Hess. Also auch diese Art des Taktirens war fk das Ohr bestimmt, nicht für das Auge (Augustinus berichtet auch hieran weichend von den anderen von Händeklatschen). Für uns ist es befremde!^ dass die Griechen und Römer sich durch ein solches iveriosch nicht slAic

BEITRAGE ZUR THEORIE DER ANTIKEN METRIK »17

risU Quiotil. p.SlM: agoiç fihv ovv iati g>OQà fiéQovç ow- jonoç inl to ävw, &éaiç àk ini to xotcci tovtov fiiqovc) und •geo demnach aber die Betonung nichts aus. Da nun aber einmal lie Ansicht verbreitet ist, dass Arsis uod Thesis die betonte und inbetonte Silbe bezeichnen, so muss ich die antike Lehre Ober beide Worte so weit vorlegen, als es für unsere Frage von Wichtigkeit ist. Die Untersuchung Ober die Geschichte der beiden Worte ein- {eheod geführt und die Hauptpunkte richtig gestellt zu haben, nachdem durch Bentley und G. Hermann schwere Irrthümer ver- breitet waren, ist ein unbestreitbares Verdienst von Westphal. Er bat zuerst richtig erkannt, dass Aristoxenos im Trochäus die erste, im Jambus die zweite Silbe als Basis oder Thesis bezeichnete, dass aber später der Gebrauch schwankte, indem der eine Theil der Metriker dem grossen Rhythmiker folgte, der andere stets den ersten Tbeil des Fusses als Arsis, den zweiten als Thesis bezeichnete. Wean er dann noch einen dritten Gebrauch annimmt, der dem VOD Bentley eingeführten entspricht und dem des Aristoxenos ge- rade entgegengesetzt ist, so kann ich ihm hierin allerdings nicht folgen,') wie überhaupt sehr zu bedauern ist, dass Westphal nach tinem guten Anfang nicht die Geduld gehabt hat, tiefer in die

littieD. Indessen müssen wir die Thatsache hinnehmen nicht bloss für den ^rgesang, sondern sogar für den Solovortrag des Flötenbläsers, der sich adbfit den Takt trat (vgl. Westphal a. a. 0.). Wenn nun von einem Heben *ad Senken beim Taktiren nicht die Rede war, so kann auch Arsis und Thesis aicht daher den Namen haben. Vielmehr glaube ich, dass beide Worte, wie aach das zugehörige not>ç, vom Tanze entlehnt sind, wo sie als alte, volks- tbAmlicbe Ausdrucke ihre eigentliche Bedeutung hatten. Merkwürdig gut passt ^Q die Angabe des loannes Sik. Walz Rhet Gr, VI 239, 1 : a^civ fièv no- '•Ä' ifx^/iévwy tna^iVf d'iaiv 8i xr^v sU yriv ßdaiv, über deren Herkunft leb allerdings nichts angeben kann. Ebenso sind dann auch die Bezeicb- aoogen 6 ivm xq6voç und o uaxm xç^poq bei Aristoxenos zu benrtheilen, die •piter verschwinden.

1) Ea handelt sich um das Kapitel de arsi et thesi bei Marins Victor. ^40K. In der ersten Hälfte ist es lückenhaft, in der zweiten steht aber I*» deutlich : baeckiuM a örevi incipiens in tublatione semper brevem et ^^am reHnet^ in positione longam; palimbacchius autem in sublatione ^am, in positione longam et brevem. Und: amphibrachys, in quo duae ifnes, media longa est^ in arsi tria, in thesi unum tempus accipiet, rursuê- fue arsis unum, thesis tria sibimet vindicabiU Es gehört also dies Kapitel fteicblills zu der Schule, die jeden Fuss mit der Arsis beginnen lasst, und aaaeli ist der Anfang zu verbessern. Uebrigens hat schon Keil auf die Uebei^ inatimmuDg mit dem Anonymus Ambrosianua hingewiesen, H«mM XXXV. 21

318 G. SCHULTZ

UeberlieferuDg der Grammatiker einzudriogeD. Er wflre dann ?or vielen IrrtbOmern bewahrt gebliebeo«

Sehen wir nun zu, was zunächst Aristoxenos Ober Arsis ïïbâ Thesis lehrt, so ist das auffallendste, was ihn in Gegensatz za allea Späteren stellt, dass er beide Ausdrücke entsprechend seinem Ge* brauch ?on novç nicht auf EinzelfQsse allein, sondern auch ait ganze Reihen bezieht. Es war das ein geistreicher Versuch, die Periode oder das Kolon , d. h. die wahre rhythmische Einheit, die der Dichter erfindet und das Ohr des Hörers aufnimmt, als Ganni zu behandeln, aber er scheiterte und die Späteren haben ihn nkkt wieder aufgenommen. Leider sind uns die Einzelheiten veriorea gegangen, wie auch die Besprechung von Arsis und Thesis; dock genügt far unsere Zwecke, dass wir überhaupt wissen, wie Aristo* xenos verfuhr. Hatte er beispielsweise eine Reihe von 12 Horeii so Iheilte er sie entweder in 3 X 4 oder 2x6, und erhielt so ent- weder -w^ I -w^~^N> novg 2a/u/^ixo^ mit vierzeitiger Arsis aal achtzeitiger Basis, oder z. B. -v^-w|w-w> noùç âanTvlixéç sechszeitiger Arsis und sechszeitiger Basis. Versucht man nun kitf den modernen Accent einzuführen und nimmt an, dass die Basbdei schweren oder betonten Takttbeil vorstelle, so muss man folgeft, dass im ersten Beispiel die sechs, im zweiten die vier Silbeader Basis den Hochton trugen, die übrigen den Tiefton. Wenn Weit* phal und seine Anhänger diesen Schluss nicht gezogen haben, H sind sie inconsequent gewesen. Sie hätten allerdings mit eiitf solchen Behauptung schwerlich Glauben gefunden. Noch ein andere Stelle beweist, dass Aristoxenos von einer Betonung nicbti wusste, nämlich seine Aufzählung der èTCJCt diaq>OQai noiitül* ngtirrj fAiv, xa^* t]v (ol nodeç) fiByi&ei diag>éQovaiy alXrjhaf' devtega dé, xad^' TjV y ever rgiTTj de, xa^' rjv ol fihv ^ijT«t oi â' aXoyot rwv noöiuv elai' teiagtri di^ xa&^ rjv ol ^ aavv^ejoi, ol ôè avv&Bxoi* nifiTtTtj âé^ xa^* ^V diaiQeüi^ diag)éQOvaiy àXXi^Xwv' ^xrrj dé, xa^' i^v ax^ßOTi ôia(péQOVca âkXi^kcjv' eßdofirj ôé, xa&' rjv àvxL&éaeu Wenn der Fall denkbtf gewesen wäre, dass Silbengruppen, wie -ww oder mit ve^ schiedener ßetonuDg gesprochen werden konnten, so hätte das hifl erwähut werden müssen. Nach unserer Verlragsweise ist doch ci grosser Unterschied zwischen -^^^ oder ^ - in daktylischen m sL ^ oder - ^ in anapästischen Versen. Für Aristoxenos war ab« eine ötacpoqa in der Betonung nicht vorhanden.

BEITRÄGE ZUR THEORIE DER ANTIKEN METRIK 319

Nach ihm klafft nun in uoserer Deberlieferaog eine grosse cke. Doch muss immer wieder daran erioDert werden^ dass se fOr die Ahen nicht vorhanden war. Die ROcher und die hre des Regrttnders der Rhythmik lebten fort bis in die Zeiten B Psellos, und dass auch die Grammatiker sie kannten, beweisen I durch wiederholte Citale. Allerdings bieten deren Schriften ein DI anderes Rild dar. An die Stelle der Theorie ist die Praxis r Schule, an die Stelle der wissenschaftlichen Untersuchung ist s Lehrbuch getreten mit Reispielsammlungen, die nach bestimmten mndsatzen geordnet sind. Westphal hat nun zuerst zwei metrische ^holeo getrennt, eine altere und eine jüngere, was ich festhalte, gleich neuerdings die betreffenden Thatsachen anders gedeutet ordeo sind.') Mit dieser Zweitheilung hangt aber, was bisher eht beachtet ist, auch der oben erwähnte doppelte Gebrauch von m und Thesis zusammen. Und zwar sind diejenigen, die jedes- al den ersten Theil des Fusses als Arsis bezeichnen , die alteren msmatiker, wahrend die jüngeren, von Heliodor abhangigen, zu r Allsdrucksweise des Aristoxenos zurückkehren. Die Lehre der lereo finden wir unvermischt bei Terentianus Maurus, der in der ehiodlung der Versfüsse natürlich ebenso von Caesius Rassus ab- iDgig ist, wie in der der Metra. Sollte das noch eines besonderen Bweises bedürfen, so vergleiche man die Worte des Caesius p. 264, 7f. K. proeeleumatieus constat ex duohus pariambù, id est ex quai' «r brevibus syUabis, cuius exemplutn in pedum demonstraüane Mut mit Terentianus v. 1460 ngoxeleva^arixog primus erit: reeet hahebit hie qnattuor amnes, duo quia sunt pariambi. Der Iso sagt z. R. V. 1388 f^:

agaig unum possidebit, quando iambum partiar; fiat abemum necesse est, cum trochaeum divides od Ober den Amphibrachys:

arsis hinc sumat necesse est tria priora tempora et thesi rdinquat unum: vel licet vertas retro, arsis uno sublevetur, déprimant thesin tria.

1) F. Leo hat in dies. Ztschr. XXIV 280 tL das ältere System auf die

rgamener, das jüngere auf die Âlexandrioer zurückgeführt, and Sasemihl

das in seiner Geschichte der griechischen Litteratnr io der Alexandriner-

t angenommen. Ich habe meinen Widersprach begründet in dem Aufsatz

Î Metrik des Philoxenus* in dem G. Robert gewidmeten Sammelbande: aus

Anomia. Berlin 1890.

21*

320 6. SCHULTZ

Der zweite Zeuge ist Marius VictoriDus in. dem Kapitel amä tkm (vgl. S. 317 A. 1.). Dieser Abschnitt stammt aus Tbeomestu,^ wie ich in meiner Dissertation: Quibus auctoribui Ädim fiM AphAonius de re metrica usus sit, Vratisl. 1885, nachgewiesen hibi, und geht, wie ich noch jetzt glaube, durch diesen auf Philoiea« zurflck (vgl. meinen S. 319 A. 1 genannten Aufsazt: Die Metrik ta Philoxenus). Noch unbekannt, aber deutlich in denselben Krai gehörig sind die Quellen des Diomedes p. 474, 31 f. K. {pes etifss^ ticae dietianis . . . modus recipiens arstn et thesin, id esi, pdü^ cipit a sublatione, finitur positions), des Atilius Portonatiun p. 281, 5 K. und des Anonymus Ambrosianus, Anecdota waria p. W Stud., des einzigen, dafür aber um so gewichtigeren Griechea, ta zu dieser Schule gehört Sehr interessant ist, dass derselbe Imüi Ausdrücke entsprechend sogar vom Hexameter braucht p. 21^ 91:- açaiç fihv yàç xaXeltai ^ éçx^i ^^^ a%lxov, ^ioiç ih ti zéXoç (a^aiç BB Anheben, ^eatç "^ Absetzen).

lieber den Urheber der Terminologie wage ich keine T«* muthung; ihre Begründung giebt uns Terentianus in den dflrftigai Worten über den pariambus v. 1345 f.:

bis ferire convenit, parte nam attollit sonorem, parte rdiqua deprimit: açaiv hanc Graed vocarunt, alteram contra ^éaiv. Er bezieht also agaig auf die Erhebung, d. h. den Ansatz dff Stimme,*) wodurch er freilich bei Erklärung der â^éaiç in Schwieiif» •keiten kommt Denn was soll deprimere vocem eigentlich bedeatttt Da wir nun wissen, dass diese ,ältere* Schule im Beginn derfi" mischen Kaiserzeit herrschte und dass Dichter wie Horaz ihr foigttii so kommen wir zu dem Schluss : in der Blüthezeit der rOmisckH Dichtung und mindestens im ganzen ersten nachchristlicheD Uf* hundert hat man immer den ersten Theil des Versfusses als kfài

1) Theomestus = Theomnestus hat Usener verbessert io Fleckeil(i> Jahrb. 1889 S. 395 für den in der Ueberlieferung verdorbenen Namen Thac^ mestus. Vgl. Leo Ein metrisches Fragment aus Oxyrhynchos. Nachrichten 4ff K. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 1899, 495.

2) Ein Best davon steckt auch in der confosen Mischnng, die Aphtht" nius aus seinen verschiedenen Onellen zusammengebraut hat. Marios VkMI* p. 40, 15 R.: est enim arsi^ suhlatio pedis sine sono, thesii poiiUo f^ cum sono: ttem(I) arsis eiatio temporis^{I) soni, voeiSj thens depoeUU é quaedam contractio{!) syllabarum. Es ist vergebliche Mühe BU »theo, wi Ihm vorgelegen hat.

BEITRÄGE ZUR THEORIE DER ANTIKEN METRIK 331

deo zweiten als Thesis bezeichnet. Wollte quo jemaod das attoUit mmrem des Tereotiaous auf eine Verstärkung der Stimme, d. h. lof einen Accent der Arsis in unserem Sinne deuten, so wOrde er bald zu bedenklichen Polgerungen kommen, weil er z. B. beim Jimbus die Kürze betonen mOsste, bei dem Anapäst beide erste tonen. Davon kann nattlrlich keine Rede sein. Ebenso schlimm wfirde es uns freilich gehen, wenn wir die Thesis betonen wollten, weil wir dann beim Trochäus statt der Länge die Kürze betonen ■Oisten, beim Daktylus die Länge schwach, die Kürze stark sprechen nOssten. Wir mögen es also anstellen, wie wir wollen, wir kommen tech unsere Betonung in einen unlöslichen Widerspruch mit der Deberlieferung, und es bleibt gar nichts anderes übrig als zu sagen: Mtweder sind die Alten vollständig unvernünftig gewesen oder sie Uten eben überhaupt keine Betonung in ihren Versen gehabt.

Endlich ist ja auch die Tbatsache, dass [die Bedeutung vom Anis und Thesis schwankte, dass also die einen z. B. im Trochäus die Länge, die anderen die Kürze als Thesis bezeichneten, nur erklär- Bch, wenn man von dem Versaccent absieht Denn der hätte gar ttcbt schwanken können. Eine Erklärung für diese wunderliche Erscheinung hat Rheines Wissens noch niemand versucht Leider BMDgelt eine bestimmte Ueberlieferung, sodass wir auf Vermuthungen Ugewiesen sind, und so denke ich mir folgendes. Bei dem älteren Sprachgebrauch trat eine gewisse Unbequemlichkeit ein, wenn Spoodeen in jambischen oder trochäischen Versen scandirt wurden, bmusste dann im ersten Fall die zweite Silbe , im zweiten Fall digegen die erste Silbe als Thesis bezeichnet werden. Oder wenn CID Daktylus in einem jambischen Trimeter stand, so musste man die Länge Arsis, die beiden Kürzen Thesis nennen entgegengesetzt dem gewöhnlichen Gebrauche. Und doch hatte der Spondeus sowohl ^ der Daktylus in allen Fällen den gleichen Klang. Es lässt sich Wohl begreifen, dass irgend ein Gelehrter vorschlug, dem ein Ende tQ machen und ein für alle Hai die erste Silbe als Arsis, die zweite ib Thesis zu bezeichnen. Um die alten Namen festhalten zu können, deatete er sie um und bezog sie auf die Stimme. Wahrscheinlich mrde bei dieser Gelegenheit der alte, nun aber nicht mehr pas- (ode Ausdruck ßdaig beseitigt und durch Ô'éaiç ersetzt Das ]f diese Weise frei gewordene Wort wurde dann zur Bezeichnung m Doppelfusses verwendet

Es bleibt noch übrig, einige Worte über die jüngere metrisclie

322 G. SCHULTZ

Schule zuEufOgen, deren Lehre Marius Victorious in dem Kap&if de rhythmo p. 41 f. R. aufbewahrt hau Sie schliesst rieh so an Aristoxenos an, dass Westphal sie in der griech. Metrik P 207IL einem vorneroniscben (warum ?) Aristoxeneer zuschreibt. Ich ghobe in meiner Dissertation p. 43 gezeigt zu haben, dass sie auf iobi, d. b. auf Heliodor zurückgebt, der doch wohl Aristoxenos ttUiit gelesen und p. 43, 2 citirt haben wird. FOr unsere Frage will ich nur bemerken, dass er Thesis und Arsis in der durch Westphal eingeführten Art braucht und dass er von einer Betonung der Theni ebenso wenig weiss, wie die anderen Metriker/)

Verlassen wir nun diese, so bleibt noch übrig kurz der Redaer SU gedenken , denen wir manche werthvolle Nachricht Ober im Rhythmus verdanken. Es ist bekannt, dass die kunstvolle Rede die Verwendung von Versfüssen verlangte und dass man diß attischen Redner daraufbin eifrig studirte. Wenn man nun bei diesen Tri- meter und Hexameter oder Bruchstücke von solchen entdechte, so ist es unmittelbar einleuchtend, dass von einer Accentuation aidit die Rede sein kann. In der Prosa hat der Versaccent keinen Platti sondern hier kommt nur Länge und Kürze in Betracht. Das iil so klar, dass jedes weitere Wort überflüssig ist.

Diese Ausführungen werden genügen, um den oben au^ stellten Satz zu beweisen, dass es in den antiken Versen keinen Accent gegeben hat. Er ist negativ und hat zunächst den negatiiee Nutzen, dass er falsche Fragen und falsche Annahmen beseitige! kann. HoflTentlicb wird man sich in Zukunft Untersuchungen über das Verhältniss von Wort- und Versaccent ersparen und wird sich nicht mehr bemühen, die Betonung des Dochmius zu ergrQodcB* Unser Satz kann uns aber auch positiv fördern; denn auf seioA wie ich hoffe, festen Grunde können wir in neuer und klarefvr Weise die Frage stellen, welche Gestalt eine Dichtung und Hoflk annimmt, die rein auf dem Prinzip der Quantität aufgebaut iiL Diese Frage zu beantworten, ist freilich erst das letzte Ziel albr metrischen Wissenschaft. Und während unser Grundsatz nur am (1er theoretischeo Ueberlieferung des Alterthumes zu finden war, u

1) Auffällig könnte scheinen, dass sich bei den späteren Griechen köae weitere Spur von dieser Lehre Heliodors findet. Aber da Heph&stioo keiae | Definition von Arsis und Thesis gegeben hatte, so schwiegen aacb seine Scko>

liasten darüber.

BEITRÄGE ZUR THEORIE DER ANTIKEN METRIK 323

vird sich die wirkliche Kenntniss der antiken Verskanst wesentlich nur aus den Werken der Dichter gewinnen lassen. Einige all- gemeine Andeutungen mOgen aber hier Platz finden.

1. Wir haben in unserer accentuirenden Poesie Gedichte, in denen ?on Anfang bis zu Ende im regelmassigen Wechsel betonte und unbetonte Silben auf einander folgen. Als Beispiel möge dienen Platens Grab im Busento:

Nächtlich am Basento lispeln bei Gosenza dompfe Lieder,

Ao8 den Wassern schallt es Antwort, and in Wirbeln klingt es wieder

oder das ganz ebenso gebaute: der Tod des Carus. Sie sind von îollendeter Klangschönheit, und ich glaube, dass Platen durch ihre Einfachheit und strenge Grösse den Eindruck des Antiken erreicht n haben meinte. Gerade sie aber sind geeignet, den Gegensatz gegen echte antike Metrik am schärfsten zu zeigen. Denn nichts îermied diese mehr, als durchgeführte Gleichmässigkeit. Bei uns belebt der Accent die immer wiederkehrende Abfolge der Silben; biet man ihn weg, so bleibt eine öde Monotonie und unerträgliche Einförmigkeit. Daher giebt es in der quantitirenden Poesie keine Verse aus lauter gleich langen Silben, z. B. keine Hexameter aus lauter Spondeen. Selbst gleichmassiger Wechsel vonLängen undKQrzen in längerer Dauer war dem grie- chischen Ohre unerträglich. Daher verschwinden die Hexameter ^Q8 reinen Daktylen zwischen der Masse der aus Spondeen und Daktylen gemischten; bei den Jamben und Trochäen setzte man S|)oodeen ein und ertrug lieber Taktwechsel, als eintöniges Ge-

2. Will ein moderner Dichter Abwechselung in den Rhythmus bringen, so wechselt er in der Zahl der tonlosen Silben, die er zwischen die tontragenden einschiebt, oder er lässt diese auch un- niUelbar an einander stossen. Die quantitirende Poesie muss an- dere Mittel suchen. Das erste und einfachste ist die Weglassung eines Takttheiles wie im Pentameter, das zweite ist der Takt- wechsel, der in jambischen und trochäischen Versen bereits in der Volkspoesie vorgebildet war. Archilochos führte ihn weiter, indem er Reihen des yévoç ïaov und dinXdaiov vereinigte, die Lesbier mischten dann beide yivrj nach Belieben. Das dritte Mittel eodlich war Umstellung von Längen und Kürzen, wie im Auftakt v>-— -v>, in viersilbigen Gruppen -wv>-— w-^-, von achtsilbigen Gruppen ww-s^-s-» —^^ y^^ .

324 G. SCHULTZ

3. In der moderneo Dichtung ist Takfgleichkeit durch < Accent zum Grundgesetz geworden. Wird die Reihe der Acce unterbrochen, so ist der Vers zu Ende. Taktgleichheit ?eria also unerbittlich unser Ohr und Takrgleichheit ist das Losungsn aller geworden, die die griechischen Verse haben für unserer Ge zurechtstutzen und in unsere musikalischen Schemata haben < zwingen wollen. Taktgleichheit ist aber nicht nOthig für eine qu titirende Metrik ohne Accente, ja sie ist nicht einmal möglich sie, da unter ihrer Herrschaft alles Leben erstarren würde. So es denn eine Thatsache, dass die Ueberlieferung der All die Taktgleichheit ablehnt (vgl. Westphal Griech. Metril p. 683 ff.), und wir begreifen, dass gerade das Prinzip der Qu titat es war, das die Griechen zwang nach immer neuen Gec tnngen des Sprachstoffes zu suchen, bis sie zu jenen wunderbi Versgebilden kamen, wie sie keine accentuirende Poesie auch annShernd hervorgebracht haL In welcher V^eise freilich die wShnten Runstmittel allmfthlich ausgebildet, verwendet und ▼ollkommnet wurden, das zu verfolgen ist Sache der historÎM Einzelforschung. Wie viel hier noch zu lernen ist, das mOgen meisterhaften Untersuchungen von Wilamowitz zeigen.

Versuchen wir endlich das gewonnene Resultat praktiscl verwerthen, bei dem Lesen der antiken Verse unsere Accent« verbannen, dafür Lftngen und Kürzen scharf zu beobachten, fehlt uns zwar immer noch eins, um richtig, d. h. wie die A zu lesen, das ist die genaue Vorstellung vom Klange des ant Sprachaccentes. Aber ein annähernd zutreffendes Bild vom Kl griechischer Declamation und griechischen Gesanges können uns doch machen. Könnten wir einen antiken Chor ein Lied sii hören, so würden wir zuerst jedenfalls eine gewisse Eintönif empfinden und den lebenspendenden Accent schmerzlich vermis Der stetige Wechsel von langen und kurzen Silben würde vielleicht klingen, wie das gleichmässige Plätschern des Was Wenn wir aber unser Ohr gewöhnt hätten, so, denke ich, w die Wirkung etwa die gleiche sein, wie die der antiken Bauki Hat doch ein geistreicher Philosoph die Baukunst eine gefro Musik genannt. Der alte Baumeister errichtete seinen Tei immer in demselben gleichmassigen Viereck, stellte die Säule gleichen Abständen, verzichtete auf jeden Vorsprung etwa an Ecken oder an den Eingängen, vermied jede Spitze, auf die

BEITRÄGE ZUR THEORIE DER ANTIKEN METRIK 325

:h zustrebte. Man stelle in Gedanken einen gotbischen Dom leben mit seinem dreitheiligen Dach, seinem Strebesystem und orbau, seinen Thürmen, oder eine Kirche der Renaissance mit tn Haupt- und Nebenkuppeln, ihren Kapellen und Portalen, er eine Vielheit, die durch gewaltige Accente und Höhepunkte r Einheit zusammengefasst wird, dort eine Einheit, die sich erst inahlich in eine Vielheit der Bestand ttheile zerlegt. Und doch, ilch unvergänglicher Zauber geht von dem griechischen Tempel sl So muss auch die Wirkung des griechischen Gesanges ge- eieo sein. Steglitz. GERHARD SCHULTZ.

DAS WORT innos IN DEN ERETRISCHEN PERSONENNAMEN.

Schon lange hat sich mir die Wahrnehmung aufgedrtngt, daiB das Element ïrtTtoç in den Namen der Eretrier sich hoher Befor- zugung erfreut. Da ich jetzt im Stande bin für die Beobacbtnag mehr als 40 VoUnamen geltend zu machen, halte ich für eriaoM sie mitzutheilen.

Ich beginne mit der Durchmusterung des grossen Kataloges, dar 'Eq>. açx^ 1887 83 ff. ?on Tsuntas, besser*) 'Eq>. agx* 1895 131 IE-

1) Dies Uriheil stützt sich aaf das Stadium eines Abklatsches, den ■si' Herr Karnniotis aas £retria in Folge liebenswürdiger Vermittelaog too ?9^ Wolters in Athen verschafiEt hat. Von Kleinigkeiten abgesehen bestätigt Aaf Abklatsch an allen Stellen, wo ich ihn zn lesen vermag, die Angabeo «IC zweiten Heraasgebers. So steht Ufas KTHMAPPOY, nicht THM-; Im KAA- AIKAEOY, nicht BAAAI-; U137; lOPENOY (1. (J)toyérov), nicht IOI-; Uti ^QTEQ, nicht I . . SEÛ; 1 176 BAEPYPOY, nicht KAEOPYPOY; Ulito ^J^ Èn^Orje OINAPfO ., nicht ^tloievaffi ^OIN-. Ans dem Namenbacbe fall«« also BaXXinXeriCy Zivtre, KXêoTtv^ bis anf weiteres weg, wahrend Ktijfttiy^ der erste Beleg fflr die Verwendung von tcrfjfui als vorderes Gompositionsgii^ ist. Umgekehrt scheint mir der erste Heraasgeber mit ZI^QN (ÏÏL m) î* Rechte gegen den zweiten zu sein, der SifOiv angiebt An anderen Stelisa lässt mich der Abklatsch im Stiche. H im liest Ts. ^xQoxoveuoi TE, St EM-

PIQ, 1 140 Ts. AOP , Staur. JoçtTroe, 1 iss Ts. . £ . . . £KO£, SL 'Atf^

xiaxas (man erwartet wenigstens 'AafaXurxoç), 1 191 Ts. KAAA . . AOY, St KaXamiSov (dies sicher falsch). Den Namen 'OaXi9iO£ (III 174) hätte SU oicU in 0aXiSios verändern sollen: er war schon von Blass (Kühner* 182) riehtif gedeutet. Auch von der *Ey, olqx^ 1897 t44 f. publicirten Inschrift besttt ich durch Herrn Kurionitis Gute zwei Abklatsche, die die Angaben seines Fio> simile fast überall bestätigen. Namenilich ist der Bvnxoe gesichert, den er |^ lesen hat; damit ist der B^mx^i des Alkaios aus der Isolirtheit befreit IQt fickt der Herausgeber AYPI^KO^ AYPÛN . ^. Nach den Abklatschen kann man BS so urtheilt auch mein College Blass zwischen AYPÛN . ^ oder AYIQN X schwanken, und nach der Art, wie auf dem einen von ihnen das dritte Zeichei erscheint, würde ich es lieber für I als für r halten (die Seitenhasta steht schräg und macht eher den Eindruck eines zulalligen Risses). Avimv wifC

mnOS IN EKETRISCHEN PEKSONENNAHEN 327

TOD Stauropulos ▼erOiïeotlicht worden isU Seine Zeit wird dadurch bestimmt, dass er zwei Persönlichkeiten mit der ^q>. àgx^ 1892 136 ff. und 1895 144 herausgegebenen Ephebenliste gemeinsam hat (Wilhelm 'E(p. a^%. 1892 140), die nach Holleaux {Reü. d. et. gr. 10. 157 ff.) zwischen die Jahre 308 und 304 Mu Ich werde die Liste so anlegen, dass ich nicht nur einen, sondern sämmtliche Träger eines Namens anführe, soweit sich nicht ein Grund dafür geltend machen lässt, dass sie identisch seien, und dass ich die Belege fQr einen Namen durch Heranziehen anderer Quellen ?er- Tollständige.

^ArcijfÀOVtoç AlQLn{n)ièov 'HgéTtioç III 38.

^jifielvcnnoç Mevlnrcov Tafivvacevç 1 149.

"Aqx^'^^oc OlHvov 'QçwTtioç 1 39 ; "Açxi'^^oç 'Agxiddf^ov Tafivnfj'&ev II 99 ; ^AQXcrtnoq Xaiçéov naQ'^evUo&ev) III lis ; "^QXiTtnog niâ^œvoç ^SiçiaTto^ev Uli 69; XaiQinnoç ^AQxLrtTtov 'daxe&ev 240 f. ; ^AQxmnoç ^AqxIov Miv&ovvxod^Bv 312. Sbvo^ tQtkrjç 'AQxlnnov è^ îlOY BCH. 2. 277 10.

"Aqx^^^oç ZoQ.y ^Eq>. açx- 1895 12742; \Jri\iio%i(iog 'AqX" wn-' \AAzz;*AQXirt7toç Kkeozlfiov Jva., 1897 143 II 14.

JiâçiTtnoç JwQod^éov Bovôio&ey II 15*

^AçéTùiv ^Egaainnov AaxBd^ev Uns; ^Egàocnnoç Ev' nôlidoç AocKBd'BV II 119; TEçdacrcnoç MvriaÔQXov Aaxed^sv H 168. jBça[ai7r]fKoç [^a]x(€)^£v muss wohl CIA. 4 Suppl. 2 >*• 116 c 15 geschrieben werden ; die Abschrift Lollings bietet im Demotikon hinter zwei Fehlstellen I POEN.

EvdrifÀinnoç EvdrjfÂOv Bovdio&ev lie.

KqI'^wv QaQÇiTtniôov Bovôlo&bv le.

^iTtnaQxiàtlS nç(OToq)d(vov) i^ Aiyleq>e£çrjç 220.

'Exzoçldrjç Ïtt TtooTçâvov KozvXaievç 1 129 ; SùioTçaroç InnoGTQdrov ^iÎQWTco&ev m. Ein ^IftrtooTQatoç ohne weitere Beieichnung BCH. 3. 213 n. 7.

mit imv gebildetes Hypokoristikon zu AvavS^ (man beachte, dass der Sohn

JvQiawn heisst) ; Avytov wäre ein Spitzname, der den Träger mit dem Xiya^

ferglicbe. I17 erscheint hinter dem Bruche ^TEI^IKPATOY; es ist also zn

ifsen --€ TuaiMifdrov, Auf der Urkunde bilden die Styraer einen Demos

ron Eretria. Sie ist folglich gleichzeitig mit dem Vertrage des Ghairephanes, den

Holleanx zwischen die Jahre 322 und 309/8 setzt {Rev, des et, gr. 10. 189^).

Ich bemerke noch, dass 'Etp. %. 1897 149 b 9 <|>AAOMAXO^ aus <|>ANO-

Terlesen oder Terschrieben ist.

328 F. BECHTEL

Haçifiovoç KaXXLnnov KœfÀauiç III so* Ohne ^^i

gäbe des Demos KaXXinnoç, 'E(p. agx- 1892 155 d. 43; K[6Lr]Z.

iTtTCog^ id&rjvà 1893 352 d. 11; Kkeagiarrj KaXklnnov Blink^o.

berg 0. 66.

ItéiLielvtnTcoç Mbv Limov Tafivvauvg 1 1 49* Nixavdgiôrjç Nixinnov Bovôio-d'ev Hu; Jioviaioç Ntx"

tnnov Koxvkauvg I132; Nixmnoç u^vxwvlôov Bovdt6^ev»(^r

Nlxiftfiog ^ïaxQtovoç Taf^vvrjÔ^év 325. Nlxcnnoç MvtjOttQjov,

'A&rjva 1893 359 o. 43.

ndiçinnoç narçoxkéovç Bovôtôd'BV II lo* Iloaeldmftoç 'HyTjaàvô{çov) ^àxe&ey 232. nocîtS"^

iTCTtoç Blinkenberg d. 121; Nixrjocj IloaidLnnov Blinkenben^

D. 102.

UQij^iTmoç IlQrj^ivUov Bovdi^&ev III 21; ngrj^iTihj^S

Ilçrj^innov 'iiçwTtO'^ev III 1 es- IlQtj^inTioç , ^ßy- i(U^^

1895 144 u; Hç^^mnoç M«-- 1897 149 be.

EvKÇaTrjÇ IlQWTiTtnOV ^àx€&€V II 169.

Hv d" tn n 0 g*Eni%%ri%ov KoTvkauvç 1 138. woçnvd""^

innou Ig Ida., *E(p. açx. 1897 143 1 19.

SwainTCOç Idvxiqxivov Bovôio^ëv II 150.

TeXéamnoç Tekeçiov ^àxe-d'ev 1 1 19 ; Teléamnoç Tên av{àQov) ^Qtanoâ^ev 200.

*Idaîoç Oavinnov ^a%€&BV II 179 ; IlokvxçcitrjÇ uod voxXéfjç OavlvcTtov Tafivvrj^ev 262 ff.

[Kt]q)i]G6ôwçoç OikLnnov KœfiaiBvç I 73 ; OlXtunoç . Tcokcôoç uldxe&ev Iioe; ^Aqtiixiav (DiXlnnov Aaxe&Bv IIiiin-^ 0ikinnoç uço^ivov Aaxad^Bv H 125; (Diltnnog OilofU^lo^^ 'loTidi^&af II 199. OlhrtTtoç .... ovoç BCH. 3. 212 n.4r5 OiXinnog Trjxinnov Philol. 10. 302 72.

OvQxtnnog^) iticxekdov Koj/Âaievç lil 73.

Xaiçmnoç Xaiçita Aaxê^ev II 122; Xalçirtftoç ^Açif^ Innov Aàxed'ev 240; Xaiçmnidrjç ^Hçaltavoç Kiofiauiç

II 81. XaïQinnoç , 'Eq>. àçx* 1897 144 III 39; XaiçlnfOi

ZrjXéov Bliokenberg d. 150.

Dies sind 23 VollDamen mit ïnnoç. Zu iboen kommt eine Koseform: ^'iTtJiwv Aaad^évov IleQaevç II 139. Der Name des Vaters lässt vermulhen, dass "^Itctiwv Verkürzung von ^Injtoad'hriç

innOZ IN ERETRISCHEN PERSONENNAHEN 329

«ei; und da wir flnden werden , dass der Name ^IftftoO'&évrjç tür Eretria beglaubigt ist, erhält diese YermutbuDg eine weitere StQUe.

Die Zahl der eretrischeo Namen, die das Element ÏTtftoç va- riiren, lässt sich mit Hinzuziehung anderer Quellen nahezu ver- doppeln. Ich führe zuerst die Namen an, die zu den bisher er- wähnten in lediglich formalem Verhältnisse stehn. Alglnnri IdQxe/ÂÔxov, *Eq>. açx* 1899 227. Jrj^iTtnog Arj/iOTlfiov Blinkenberg n. 26; Evq>7ifÂ0ç ^fi- Innov ZaQri.,,^(p. açx- 1897 144 II is; Ji^iumnoç ^lan. 1895 12735; /JifjfÂifCTfOÇ Oiq, 130 45.

^^X<^ Sgctalftnov Blinkenberg n. 16. "Innaçxoç Demosth. 9. 58, 18. 295; uiv&tjdwv ^Iftnagxt^v, Ï9). àçx> 1897 162 n. 24; 'Innaçxlfav 149 bio.

édwQoç Kaklinnldov, ^A^. èq>. 1869 347 n. 412 23; Xa[lX-^ I Ktt]Ui7t7tidov Z[a^J., "Eq>. àgx. 1895 129 7 f.

Diesen fünf schliesse ich die Namen an, die ïnnoç in Ver- l^Ddong mit einem neuen Elemente oder doch in anderer An- Ordnung als in der Urkunde enthalten, 7on der wir ausgegangen •ind.

^A^[|]in:/r[oçJ auf einer Bronzemttnze des britischen Mu* *>iuii8 {Catalogue Central Greece 124).

'!^A[x]4frffroe--], 'Eq>. oqx- 1895 130 48. ^Açi]aTiftnoç 2tvQ., ^q>. àçx* 1895 12747. E[vi]7cnoç oder ''E[cpi]n7toç oder *jB[^e]fr7rog agxtav W:B^2.27832.

Ev^ii)ft7tidtjçnoUfiaçxoç, 'Aqx^ è(p. 1869 347 n. 412 1. ^HyiJQmftoç Ava.y ^Eq>. a^x- 1895 127 23; 'HyTJçmTtoç

^Yriçiv[U]ov [na]v[a]. 144 20 (vgl. 130 37); N oç'Hyrjairi'

ftov 0[lxa]. 1897 144 111 36.

^InftoxXérjç Te,/Eq>. âçx. 1895 130 44; Avronkeidtjç 'Iri' ffoxliov "Aq>aQ. BCH. 2. 277 15.

Innoxvdrig Arj/ÀOvUov ^ii., ^Eq>. àqx* 1897 144 III 9. ^Innéloxoç, *Eq>» àçX' 1895 126 ^Inftovixoç 2tvç,, *Eq>. açx^ 1895 127 40. 'Inn:oa^év[f]ç] Miv{^). CIA. 4 Suppl. 2 n. 116 ce; lano- 4f9ipriç Jva%ô{&ev), 'Etp. aQx- 1895 126 7.

^InnoxàçTjç, *Eq>. àçx> 1897 149 bu; Blinkenberg n. 55. KvâiTtTtoç 'Ag>a., ^g>. dçx» 1895 130 29.

330 F. BECHTEL

Avalnnri Bliokenberg d. 89.

VççiTtnoç, 'E(p. OQX. 1899 146 n, 23.

Kkeofco/Ànoç 2Tç[aT]ln7tov E, 'Eq>. àçx» 1897 144 Ilf^g.

OiXiTtnoç Trjxinnov^) Philol. 10. 302 72« vgl. Trixinnoç OiXlnnoVy 'A^va 1893 348*.

Tlfiinnog, 'E(p. agx- 1887 79 n. 2 2.

TifiTjçlnftrj, 'Arriva 1893 354 d. 21.

So erhalten wir 19 neue Vollnamen mit ïnnoq. Neben ihneB steht ein als Namen verwendetes Âdjecti?um: ^trcntxoç in der Grabschrift Norma 'Innlxov (Blinkenberg n. 106).

Wenn von den etwa 200 VoUnamen , deren eines Glied das Wort ÏTtTcoç bildet, ein Fünftel in dem Gebiet einer einzigen Stadt» theilweise mit gewisser Vorliebe verwendet worden ist, so kaaià das nicht Zufall sein. Wer es dafür halten wollte, den würde icb bitten sich einmal die Namen der Bleiplättcben von Styra m be- trachten: auf den 447 bekannten Plättchen kommt ein einzig^^ auf ÏTcnoç aufgebauter Name zu Tage, 'Ififitûvdrjç Ion. loscht'- n. 18, 373. Auf dem Vertrage, den Eretria mit Chairephanes gt^- * schlössen hat, erscheint allerdings ein ^Innovixoç 2tvç. and ei :^^ ['Açl]azinnoç 2tvç. unter den o/ÀÔoavTeç, Aber diese Styr*^^*** sind keine Bürger der autonomen Stadt Styra, sondern Bürger Stadt Eretria aus dem Demos Styra; ich habe mich daher berechtigt gehalten, sie ohne weiteres als eretrisches SpracbgL-^^'^ zu behandeln. Ist also der Zufall ausgeschlossen, so erhebt sie die Frage, ob wir den Grund zu erkennen vermögen, aus de das Wort ïnnoç in den Namen eretrischer noXltai, eine so j Rolle spielt. Der altgriechische Hannesname pflegt eine bestimme ^ Seite des Mannesideals zu umschreiben. Ideal des erelrisch^^ Mannes alter Zeit war es einen prächtigen Marstall aufweisen rtf können. Dies folgt aus dem , was Aristoteles über die alte Ver-

1) TriXiTtnoe weiss ich our unter der Annahme zq erklären, dass neben rdxos (vgl. Tâxinnoç) ein Nomen raxos gestanden habe (vgl. yâ&oQ^ ^àSait ^àxos, xàSoG, Xà&os, fiàxoç^ fàxos^ nçàyoç)^ das sich zu ràxot TerhaUea würde wie név&os zu noL&os. Sprachlich unmöglich ist der Vorschlag, der in Staiiropulos Worten *E(p. açX' tS95 t67 enthalten ist: fTrjad, 7)Mtf«. IlacßX. Tr,xin7toi\ Nirgends auf der 72 Columnen langen Inschrift sind die Laute 17 und ei. confundirt. Auch die Erklärung von Triad ist ohne Zweifel falsch ; ich vermag jedoch hier keinen positiven Vorschlag zu machen and muss mich mil dem Hinweise begnügen, dass auf einer delischen Ghoregen- inschrift von 281 die Namenform TficaQ erscheint (BGH. 7. 108 n. 4 11).

imiOZ IN ERETRISCHEN PERSONENNAMEN 331

lUDg TOD Eretria berichtet: ôiôneq inl tuv aQxaUav XQOvwv ratç noXêOiP h zoîç ïrtrtoiç ^ ôvvafÀiç rjv, oXiyaqxlai nagà nj%oiç fjucnfm Ix^ciJyTO ôè nçog tovç ftoXêfÀlovç ïnnoig nçoç 7VÇ àoTvyêlTovaç, oîov ^Egerçêelç xal Xakxiôelç tuxI May^ i]T€ç ol èftl Matâvdçfai xal xwy alXtuv nolXoï neçi tijv ialof (PoUt. 4. 3 p. 1289 b 36). In dieser Zeit kann das Wort mioç seine Beyoraugung in der eretrischen Namengebung erbalten iben; und die folgenden Gescblechter setzen fort, was ihnen loreh die Tradition an die Hand gegeben war.

Halle. F. BEGHTEL.

ZUM KALENDER DER PROVINZ ASIEN,

Nachdem kürzlich, bei deo Ausgrabungea in Prieoe, der Ba- schluss des Landtages der Provinz Asien aus der Zeit des Augustus (9 ?. Chr. oder bald darauf) über die EinfOhrung neyen Kalenders vollständig' zu Tage gekommen ist,') kann es keiaai Zvi^eifel mehr unterliegen, dass dieser neue Kalender dem rOmisdiei der damaligen Zeit in allen wesentlichen Dingen, in der Lange dei Jahres und der Vertheilung der Tage auf die einzelnen Monati^ genau entsprach, dass aber der Jahresanfang der römische 23. Sep- tember (a. d. IX. kal. Oct., der Geburtstag des Kaisers Auguitai) war, und dass das Jahr weiter sich dem römischen in der Wdii anscbloss, dass an jedem römischen a. i. IX kaL in Asien eil neuer Monat begann'); wie dies übrigens Usener schon im J. 1874 mit Hülfe des Florentiner Hemerologiums und der wenigen damab bekannten Bruchstücke der Verhandlungen aus der Zeit des Au- gustus höchst wahrscheinlich gemacht hatte.') Auch im Schaltjakr sollte, und dies hat der neue Fund zuerst gelehrt, von dem Priaiip der Fixirung der asiatischen Honatsanfänge auf die römischea ü. d, IX kal. nicht abgegangen werden. Es hatte dies zur Folgte dass, da bekanntlich in Rom im Schaltjahr zwei Tage die Bezeick- nuog a, d. VI kaL Maritas führten, der asiatische Monat, der a.i IX kal Martias (21. Februar) begann und a. d. X koL ifrta (23. März) schloss, der Sav^ixoç, im Schaltjahr 32 Tage hatte.^

1) Mitih. des deuUchen arch. Inst, in Athen 1899 S. 275 fiT^ mit Eriillt^ ruDgen von Mommsen und Wilamowitz.

2) Inschrift von Priene (s. Ânm. t) v. 72 ff.: if^a de ano xov vv¥ #VMXf*

cmaw oi /ir^res xal ai r^fiéçai, xfj tiqo érréa K€tXaw9wr ^eß^

a4fi€»p ciofASv iHJVfirjviav fjifjvoç Jvcrçovy xal Ka&* htaa^o^ ftr^va a^]p tttm TTjÇ vovfirivlas tj nço ivréa KoXavSôàv,

3) Usener Bull. delC Inst. 1874 p. 75 fi*.

4) Inschrift von Priene v. 710*.: ètp* iroç 8èp] 9tà r^ itT§Qiialâfmr i Sav&ixos àx^rjasxM ^fieçœv Xß^. Mit Nothwendigkeit ergiebt sich fibrigcai ans dieser Durchführung der Fixirung der Monatsanfange anf die römiaclMa a. d, IX kal., dass asianisches und römisches Schaltjahr snsammen fidea. Hätten die Asianer in einem römischen Gemeiigahr ihrem ffa$^&êuéi 32 Tagt

ZUM KALENDEK DER PROVINZ ASIEN 333

urch diese EigenthOmlichkeit erklärt sich nuo ein sonder- I bisher wohl kaum beachteter Irrtbum des Galenus Ober den icben Kalender seiner Zeit. Nach Galenus Versicherung hstte leo Römern jedes vierte Jahr der dritte Monat des Jahres 32 tt 31 Tage gehabt I Galen im Commentar zu Hippokrates Epi- n B. I (XVII 1, 22 ed. Kühn): nagà 'Pœfialoiç b aifinaç hi* ; elç (jArjyaç) iß* diaiQOVfievoc^t évoç fÂkv avrwv oxTcii xal iv fjfABQWv ovtoç, ov ÔBvtBQOV léyovoi /u€TO tàç TQOTtàg çiyaçj autov di tov nqwxov /Âcrà tàç tQondÇf ov %aï ov okov %ov %xovç àçi&/ÀOvaiv, {xiav in\ laîç X Ttçoasi- ïoçy (SaneQ ye xai tov y fietà ràç Tçortâç' xaï yàq xaï : av%ôg iaxi fÂiâç xai X ^fxeguiv, o ôk ritaQtoç zçia» fifÂBÇoç xtX. . . . h ôk T(p d' Hei tov tgitov ànb tov toiovat ôvolv %aï X' '^fieçwv, ïv* inaatoç tûv hiav- yivrjftai t^e i^fÀêçwv xal TtQoaitt tstdçtriç fiixéQaç fÂiâç.

1 Galenus ?on Jugend auf einen Kalender gebraucht hatte, in em in jedem vierten Jahr nicht der einzige 28lflgige Monat !9 Tage, sondern der auf diesen zu nächstfolgende 31 tagige

2 Tage gebracht wurde, so ist der Irrtbum erklftrlich. (Ga- hatte, als er jenes schrieb, zwar vermuthlich schon mehrere in Rom zugebracht,*) aber vielleicht noch niemals den Fe- eines Schaltjahres).

Wie Usener ebenfalls an der Hand des Florentiner Hemero- Ds gezeigt hat,*) pflegte man in Asien auch nach Einführung leuen Kaieoders nominell sämmtlichen Monaten 30 Tage zu i; in den Sltagigen zahlte man den ersten Mooatstag doppelt begann die eigentliche Zählung erst mit dem zweiten Tage, wirklichen Ersten, der, wie gesagt, immer mit einem römischen IX kd. zusammentraf, scheint man zu Ehren des Augustus, in einem a. d. IX kal. geboren war, Seßaati] genannt zu 1.0 Wie hielt man es nun mit dem 32tägigen Monat des

in, so würde der Anfang ihres nächsten Monates, des ^Açrefitaicôr, auf

^JII kal. ApriUs gerückt sein, und ebenso die Anfänge aller folgenden

B, bis zur nächsten römischen Schaltung, um eins sich verschoben haben.

1) So ist offenbar zu schreiben für anb toi S' (oder dies ganz zu

eo).

\) Uberg Rhein. Mus. 44 S. 213.

I) Usener BulL delC Jnst. 1874 p. 77. 78.

i) Und zwar nicht etwa bloss in den 31 tâgigen Monaten. Zu Pergamom

wie Jetzt feststeht, auch der Panemos, ein 30 tigiger Monat seine JSt-

mes XXXIV. 22

334 H. DESSAU

Schaltjahres? Durch einen sonderbaren Zufall haben wir unter d wenigen Beispielen, in denen römische und asianische Datini uns vereint vorliegen, eines, das in den Anfang eines sold 32tftgigen Monates gehört. Nach einer bekannten, jetit im I tischen Museum befindlichen Inschrift aus Ephesus hat der Wo thäter jener Stadt C. Vibius Salutaris eine seiner Schenkungen 22. Februar 104 {rrgo tj' nalavôûJv Maçzlœv, unter dem Conn des^ez. Attius Suburanus und M. Asinius Marcellas) und n|)i fÀfjvoç 'Av^etnriQKiSvoç ß' Seßaazfj vollzogen {Gredc imer. âi Briti$h ÜTtiMum n. CCCCLXXXI 1. 318 ff.. Vol. III S. 123. 133). Monat, den man in Ephesus damals noch nach alter Weise u â'BOrriçifiv nannte und der nach dieser Inschrift dem geoM asianischen Eav&ixog entsprochen haben muss, begann d Zweifel, jenen Vorschriften aus der Zeit des Kaisers Augustus < sprechend, am 21. Februar (a. d. IK hol. Mart.); der 22. Febi war also factisch der zweite des ephesischen Monates. Aber ai mit Unrecht hat man an der Bezeichnung des zweiten als zwd Anstoss genommen,') da der Eav&ixög einer der 31 tägigen Hoi war, in denen die beiden Anfangstage die Ziffer Ä trugen. Ai musste die Bezeichnung eines zweiten Monalstages als 2eßm auffallen. Die Erklärung dürfte darin liegen, dass das Jahr 1 wie bekannt, ein Schaltjahr war, in welchem der am 21. Febr beginnende asianische Monat 32 Tage halte. Es sieht nach der Schrift von Ephesus so aus, als ob in solchen Monaten der erste 1 als Seßaazi], der zweite als devréça Seßaattj bezeichnet won sei*); die reguläre Durchzähluog begann dann mit dem dritte Aus den in einer fälschlich dem heiligen Johannes Qi

ßaajrj (Fränkel loschriften von Pergamon S. 262). Ob io der von Hct jénnaL deW Inst, 1852, 153 und danach von Waddington 1676 verfifl lichten Inschrift wirlclich ein 6. Monalstag als ^eßacrr, bezeichnet we soll, ist nicht ganz sicher. In Âegypten haftete, wie Wilckeo kânlich gestellt hat (Ostraka S. 812. 813), der Name ^aßacrft nicht ausschlid am ersten des Monates.

1) Liglitfool the apostolic fathers part. 11 vol. 1^ p. 683.

2) In der Inschrift von Lagina in Karlen BulL de eorr, hell. 11, p. 29 ist mit 17 Ttçœrrj üeßacTti der erste Tag des ganzen Jahres gel wie der Beisatz rov Kaîcaça fijjvôç zeigt.

3) Dass die Zählung der Tage im Savd'txôs des Schaltjahres mil dritten begonnen habe, ist auch Mommsens Ansicht, der (a. a. 0. S. 285) 1 der Schalttag sei den beiden gleichmässig als ,ersten* bezeichneten âdI tagen des Monates voraufgegangen.

ZUM KALENDER DER PROVINZ ASIEN 335

sosiomus ^ugeschriebeneD Osterreäe*) enthalteneD, lum Theil ausdrücklich als asianisch bezeichneten Daten') hat man früher wohl geglaubt folgern zu müssen, der Schalttag im asianischen bleoder habe seinen Platz nicht in dem am 21. Februar begin- aenden 31 tagigen Monat gehabt, sondern später im Jahre.*) Es icheiot aber, dass jene Daten nicht zu einer solchen Annahme Aftthigen und sich überhaupt mit dem System des asianischen Ka- lenders, wie er unter Augustus gestaltet worden ist, vereinigen liMeo. Es handelt sich in jener Rede um die Bestimmung des iichsten, sowie um die Lage einiger künftigen Osterfeste. Als jene Rede gehalten wurde, fiel die erste Luna XIV nach der Frtth- liigs-Tag- und Nachtgleiche auf den 26. des 7. Monates,^ d. b. nenn dieser Monat damals noch wie früher a. d. IX kal. Apriles, am 24. März begann, auf den 18. April. Dieser Tag war aber damals ein Sonntag, Ostern sollte desshalb auf den nächsten Sonn- tag, also den 2b. April, auf den 2. Tag des 8. Monates, wie der Redner sich ausdrückt, verschoben werden.*) Wenn der 2. Tag éw 8. Monates auf den 25. April fiel,*) so begann entweder der

1) Dieselbe ist zuerst heraosgegebeo von Savile io dessen Chrysostomos- nagibe Bd. 5 (Eton 1612) S. 940 ff., dann in der Pariser (Montfauconschen) Avgibe der Werke des Ghrysostomus Bd. 8 app. gpur, p. 275 ff. (danach

: wiederholt bei Migne Patrolog, Gr. 59, 74C ff.).

2) p. 275 ed. Montf. p. 746 Migne: {&êo^avia) émrêXaheu rifii(fq \ è^/$évfj, TffêuHaiêêHOTfj ttrâçTOv /ir^os xatà j4<navavç. P. 276 ed. Moiitf. \ •■ p. 747 Migne: ^êcaoçtanatSeKaTriv yà^ fiifyos lov n^c&xov fvXansê^ tovt- \ itti fÊtjros ißdofwv xar' léaêarovç,

3) Usher de Maeed. et Atian, anno êolari c. V (p. 104 éd. Genev. 1722), im Noris annuu et epoehae Syromaced, (Flor. 1689, I 2 p. 17) und Ideler 1 424 beistimmen; JMommsen Mitth. des archaol. Inst, in Athen 1891 S. 238.

4) Die vorhergehende Luna XIF war zu früh gefallen, n^o 9vo rjfiuQœv 1^ tofifu^flas, desshalb kam sie nicht in Betracht, dvayxtjv ix^iiw ravtijr ßiif na^Mfeu. aXX* avrrj naXiv 17 a^fw^ovüa teitaa^aaKat^ÊKâxrjy fährt der Redner fort, fitftws ißdofiov aixâdê Sxrrj awrçéxB*.

by *BngiSrjiJ) xal Kv^*€ue^ ffvuninTSi, sagt der Redner nach den in 6er vorigen Anm. angeführten Worten und fahrt fort: inal ovr r, taaaaf^- tuuStxârfi av t^ Kv^anfi cvfinintBt^ trjt^ xrfi àt^aardaatoç ao^jnjv eis ttjv i^ffi KvQittxrjv fAêfïaiid'afjLev .... nai ovto» aixdSi Snrrj tov ißdofwv fojvos ißdofidBa entawanjuvTae aie Savré^at^ oydov fif^voç rrjv àracrdaifiov â^^Mf\ und gegen Schiuss der Rede (p. 284 ed. Montf., p. 754 ed. Migne): rvr f»M¥ ylvaroè 8avré^ oydoov 1^ dvaardaéfias.

6) Die Annahme Mommsens (ath. Mitih. 1891, 238), mit dem 2. Tag des L Mooates sei der 24. April gemeint, verträgt sich nicht mit dem, was in 1er Rede ober den vorhergehenden Sonntag gesagt ist.

22*

336 H. DESSAU

8. Monat am 24. April, a. d. VllI (nicht a. d. IX) kaL Mmiu, md hat der 7. Monat, dei* am 24. Man begann« 31 Tage gehah 80 urtheilte man früher; oder es muss doch, und so werden wir im Anschluss an Useners Auseinandersetzungen sagen, die Dutb- zählung der Tage des 8. Monates am 24. April begonnen haha, der 23. April braucht nicht unbedingt den 31. Tag des forher- gehenden Monates gebildet, sondern kann immerhin an derSpitae des neuen Monates gestanden haben.^) Es lassen sich also die Angaben über dieses eine Osterfest mit der im Wesentlichen oi- veränderten Fortexistenz des unter Augustus eingefohrten Kalendcn vereinigen. Ebenso aber auch die Angaben aber die folgendea Osterfeste. Es sollte nämlich im nächsten Jahre das Osterfest aa 17. des 7. Monates, und in den beiden darauf folgenden am % und am 29. des 7. Monates gefeiert werden,*) d. h., wenn auch ii diesen drei Jahren, ob auch eines von ihnen ein Schal^ahr war, der 7. Monat regeUnässig a. d. IX IcaL ipr. (24. März) begaaa, am 9., 1. und 21. April. Dass Ostern in vier aufeinanderfolgemka Jahren am 25., 9., 1. und 21. April gefeiert worden ist» kam wm ersten Mal in den Jahren 387 390 vor (und dann erst wieder 919 922), in deren erstes also jene Rede gehören mOsste. Hd ich sehe in der That kein Hindemiss, die Rede dem Jahre 387 zuzuweisen.') Freilich hat man im Jahre 387 Ostern vielerwftti,

1) So sind vielleicht auch noch andere Datirangen zu erkläreo. Nach einer Stelle zu Anfang derselben Rede (s. S. 335 A. 2) wird als Datain Festes Stoipapia (Epiphanias) der 13. des 4. Monates genannt, wofSr man, ä dieser 4. Monat a. d. kal, IX Ion. (24. Dec) begann, zunächst den 5. Jaiatf halten wurde, factisch aber wohl den 6. Januar zu hallen hat, inden ^ Durchzählnng der Tage dieses 31 tigigen Monates (des Uê^êOG, atb. Mitti 1899 S. 290) erst am 2. begann. Nach Epiphanius nra^i fU%ifmw uài fta^ fULtv 20 fand das Begräbniss Valentinians II (im Jahre 392) am 16. und zugleich am 23. des ,griechischen* Monates li^gfiiciOG statt Ist hitf der asianische Kalender gemeint, so ist der Monat der a. iL IX käL Èhi (23. April) anfangende achte des asianischen Jahres, dessen 23. Tag nur dm auf den 16. Mai fallt, wenn die Durchzählnng der Tage mit dem 24. k^ beginnt.

2) p. 284 ed. Montf. , 748 Migne: Nvr /ter yivszcu dtvxd^ oy^^ ^ avaataaifwi ^ eis Si to in*ov éTCTaxaéSenaTfj eß86fi4nf fiajroG yiwtxmty td ndUv aie ro é^rje évarrj aßSofAOv firjvo£ koù av&éS êis to TQi%09f ëraç aiwtli ivàt'Q tov fitjvoe t] avcLaToiatftoi yvto^MÔijaeTtu,

3) Das ist, wie ich sehe, auch Useners Meinung (Religioosgesch. ÜDtch suchungen I 241).

ZUM KALENDER DER PROVINZ ASIEN 337

ksonders auch in Rom, nicht am 25. April, sondern froher (am 21. März) gefeiert Aber gerade dadurch wird das oflfenkundige Streben des Redners erst erklärlich, die so späte Feier des Festes 10 rechtfertigen. Es ist dasselbe Osterfest, auf das sich ein be- kUDtes Schreiben des Ambrosius an die Bischöfe der ProTinz Aemilia besieht; und zum Theil werden in diesem Schreiben die- nlbeD Argumente vorgebracht wie in der griechischen Festrede. So wird hier wie dort darauf hingewiesen, dass an einer Osterfeier am 21. April doch noch niemand Anstoss genommen habe (in der Rede p. 284 Hontf., 748 Migne: ol fiiv yag aixujfitvog ofiolo- yovütv elxadi ivàrr] ißdofxov (nrjvoç d. i. am 21. April yiyevija&ai nâaxcc rcollaxiç. Ambrosius ep. 23 c 17: sed cum nU sexetmium celebraverimus paseha dominieum undeeimo koL Matt, . . . moveri non debemus eqs,). In der That hatte man im J. 379 Ostern am 21. April begangen.*) Ambrosius weist ausserdem auch auf das Osterfest am 23. April im Jahre 360 hin.*) Aus beiden I SdriftstOcken geht hervor, dass Ostern am 25. April damals etwas ; ginilich Unerhörtes war (in der That hätte der Fall vorher nur '• em einziges Mal eintreten können, im Jahre 140 n. Chr.). Auch ^n einer Feier des Osterfestes am 24. April scheint dem Redner kein Beispiel bekannt gewesen zu sein. Mir scheint dies viel besser in das Jahr 387 zu passen als in das 7. Jahrhundert, in welche Zeit (672 n. Chr.) Usher die Rede hat setzen wollen, zu welcher : Zeit innerhalb der Kirche, abgesehen vom fernen Westen, keine Differenzen mehr Ober die Daten des Osterfestes herrschten, und Ostern schon oft am 24. sowohl als am 25. April gefeiert worden W (am 24. April z. B. in den Jahren 634 und 645^ am 25. April im Jahre 577). Auch passt gerade in den Ausgang des 4. Jahr^ konderts die Erwähnung einer merkwürdigen Spielart des Quarto- decimanismus, die damals innerhalb der Gemeinschaft der Monta- nisten aufgekommen war; eine Gruppe dieser Secte hatte ange-

t) in demselben Sinne heisst es gegen Schluss der Rede, nachdem erwähnt ist, dass das Osterfest in einigen Jahren auf den 21. April (den 29. des 7. Monates) liUen würde (s. S. 336 Â. 2): xal ov8êlg n^oe tavta ßldnrera^, ovdels n^bs rtnra Àuntêlreu.

2) Ambrosius a. a. 0. c. 21 : sicui septuagesimo texto anno ex die im- ferii DioeleHani factum est: nam tunc vigesimo octavo die Pharmutki mtfuis, qui est nono kalendas Maii (23. Apr.), Dominicam Patchae célébra- émus sine uÜa dubitatione maiorum (wo freilich die Zahlen zum Theil erst oreh Corrector der Ueberlieferung hergestellt sind).

338 H. DESSAU, ZUM KALENDER DER PROVINZ ASIEN

fangen, Ostern ohne Rücksicht auf den Mond und ohne RQcksj auf den Wochentag regehnässig am 14. des Frahlingsmonates» i am 24. März beginnenden asianischen 7. Monates zu feiern.*) i 7. Jahiiiundert waren Quartodedmanismus und Montanismua Ijl0| erloschen.*) Ist dies richtig, und gehört die Rede in das J. 38 so zeigt sich, dass im Schaltjahr (388) die einzelnen Tage i 7. asianischen Monates auf dieselben Apriltage fielen wie im Gemd jähr, dass also auch damals noch der Schalttag jedenfalls mi später als im 6., allem Anschein nach eben im Monat eingel< wurde, wie es unter Augustus bestinunt worden war.

Berlin. H. DESSAU.

1) p. 276 ed. MoDtf. p. 747 Migoe : i&%ê rts aJUi; aSçtOiS ^ i

Mt»vra»ut%ô^ ^ Têa^cL^aawudêftâfnjv yà^ fojvoç rav n^tùtav

Xârrêip rovricrr« fujvos ißäo/tav mot* ^Aautvovç^ ov %9€CaQ999tetêSmiittfft eal^s. HienroD wissen wir sonst nor durch Sozomenas, der die Snkt der RegieniDg des Kaisers Theodosios erzählt (7, 18).

2) Hilgenfeld der Paschastreit der alten Kirche S. 399. Bonwetsch schichte des Montanismus S. 55.

MI8CELLEN.

DIONTSOSINSCHRIFT AUS NAXOS.

A. de Ridder hat im BuU. de corr. hêU. XXI 1897, 20, 2 und 8 zwei loscbriftreste mitgetheilt, deo eioeo Dach der VerOffent- log des Daxischen Localforschers Markopolis id der athenischen la, den andereD (d. 8) Dach Autopsie. LetztereD sah ich 1899

bei Herrn Markopolis, welcher vermuthete, dass beide Stücke umeDgehOreD mOchteD, uud mir gleichzeitig seioe OrigiDal- lirift voD D. 2 zeigte. Aus dieser folgte, dass d. 2 atoixridhv ordoet war, wie dies fQr d. 8 bereits durch de Ridders Abschrift eht. Verbessert mau duo Doch im Lemma zu d. 8^ wie maD , Complet à gauche statt â droite, uud bemerkt, dass auch

antiker Raud, uoten aber freier Raum ist, so kaDD maD deo ich der Zusammeosetzung beginnen.

n. 8 n. 2

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1 O HYS

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frei

Als unmittelbar eiDleuchteDd ergebeo sich fQr deo Schluss: hLi\\€a&a[i J]iovva[ù)t] | Kqov[iù)v]oç. Dies bedeutet eine ilflDge von 13 Buchstaben. Wenn man dann in Z. 2 erst die eliung beseitigt hat, als mOsste es sich durchaus um einen handeln, und festhält, dass der Stein dionysisch ist, findet leicht das Qbrige:

340 HISCELLEN

EYGYS I STAN A I X

O P O N K^A I Q[A]AS0Y

ESO A I AI OH YSfl_l

K P O N I Slt^O 2 [E}v&v[ç latavai x]oQov [xai] o{v)[làç ^]|«a*a[« J\iovvé{on] \ KQov[iù)y]oç.

Dass ich ein von Markopolis gelesenes A in A geändert hab^ wird nicht als grosses Wagniss gelten. FOr die ovXal genOgt ^ anf die Ausführungen von P. Stengel und H. von Fritze, beide i^ dies. Ztschr. (XXIX 627 ff. und XXXII 235 ff.), zu verweisen. Be- fremdlich ist zunächst die Zeitangabe; wir erwarten ein genaad Datuno, wie in den Ähnlich abgefassten rhodischen Steinen IGbt* I 892« 905. 906. Aber dies Datum ist da, nur etwas versteckt. Ev* '^ç lavafiivo(v) Kqoviwvoç wird verlangt, aber, da latareu unmittelbar auf latafxivov gefolgt wäre, Hess man das Participiofli weg, und stellte die zusammengehörenden Zeitbestimmungen an di€ eindrucksvollsten Stellen, an Anfang und Ende; so weiss jeder« was gemeint ist. Wer die Construction hart findet, mOge erwlges, dass der Stein n. 2 in Policbni, an der SodwestkQste der Iiiad» weitab von der Stadt gefunden ward (n. 8 war bereits, als Marko- polis es feststellen konnte, nach den KatmxwQia verschleppt), als» von einem landlichen Dionysosheiligthum stammt. Da hat mal es mit der Formulirung nicht so genau genommen.

Berlin. F. HILLER VON GAERTRINGEN.

VERSE VON KOMIKERN BEI CLEMENS ALEXANDRINUS.

Menander frg. 786 Kock: o xçriatoç iazi noXkaxov atari" Qioç. Stobaeus Fl. 37, 6. Dazu Clemens Protrepi. c. X s. 105 (I p. 107 Ddf.): et; yàç toi navToç fLiSklov rovto eïçrjtai' o Xqiojoç iati navxaxov awTijçioç, Es ist S XQV^^^^ ^ schreiben; denn von Christus ist gar nicht die Rede. HayTaxov, 1 was besser scheint als nolkaxov, hat auch das Flor. Monac HO. 1

Men. frg. 993 Kock: ,ciyaTçéx(o Miv. àvtï %ov moUiâ. \ Suidas et Zonaras, non inttUego* (K.). Sehr natürlich. ClemeM ^ Paedagog. 111 c. XII 93 (1 p. 399 Ddf.): to filv yàç i^afiaç^avM nàaiv €^(pvjov xai xoivov, avadcafLielv dk t/jv afifxftlm

MISCELLEN 341

ti wcv Tvxôvtoç àvÔQOÇf aXXc a^ioXoyov. Das siod alto drei ^erse vod MeDander:

TO fàiv i^afiaçToveiy Snaaiv ffiqwTov xal Koivov, àvaÔQafâëîy di rrjv éfiaQtlctv oi %ov Tvxorrog âvôçog, âXX' à^ioXàyov. . Diei ermuthigt zu weiterem Suchen^ uod man braucht zunächst gir nicht weit zu gehen« um etwas zu finden. Ebend. s. 92 Ende: xa) oixitatç fiiv XQtiaxiov wg iavToig' Sv&Qtonoi yâç elaiv ig fjfitîç' o yàç &boç nâaiv (naaiv in marg. P) tolg llêv^ ^içoig xai toîg ôovXoig iattv av axoTt^g laog. Das av axo- m^g weist so sicher wie etwas auf Dialog; also doch auch wohl Heoander:

o yàç 9èog (to2ç?) näat, %oîg t* ilev^içoig xai toîa{i) dovkoig, èatlv av axonrjg ïaog. IW. m c. 3 a. 20 (I p. 342 Ddf.) spricht Clemens von dem mr- fMa^i verweichlichter Männer« und sagt schliesslich von ihnen: tmmaQzvQBl d* avtwv fj èv ôïjfâoalip àvataxorria vfiv iv I ff àtpaveî in l^ovalag àxoXaaiav * b yàç ino %àg avyàç tov I mèça âgvov/Âevog Tcgoôrjlôg èari vvxtwq iXêyxofievog yvvri. Dm giebt zwei Verse:

o yàg vno %àg avyàg xbv avâg agvovfAevog vvxTWQ nçoôrjXog iax^ ilByxôfievoç yvvri. Woher die Verse sind, scheint die spätere Stelle c. 11 s. 69 p. 380 nieigen: %xoi d* av xaxelvo agiota to eÎQrjfiivov' %o 6^ oXov oix iniata/Àai èyù tpi^çl^êiv ovôk xataxexXaofxévog nXâytov noii^aag tov rçaxrjXov neginatélv^ âanBQ iteQOvg bqù xivaldovg iv&aÔB noUiovg iv aatei xal nBni%%oxomqpiivovg. I)>rin möchte Meineke (IV p. 611) die vorher c 3 s. 15 p. 337 in Nomin. citirten Verse hängen , unter Aenderung in den Accu- lati?:

xXaviai öi otj tp avalai, (Mein. fOr ôiaq>aviai) nBQinB^

TtBfifxévovg xai fÂaatlxtqv tgwyovtag, o^ovvag fivQOv. Das kann richtig sein; doch an xaï nBnitxox. schliesst sich viel besser xal x^'Oviai ; nämlich das di ist von CI. nur gesetzt, weil xovQog fiiv . . anoxBiçofÀBvoi bei ihm vorhergeht. Als weitere Fortsetzung aber passt nun sehr gut 6 yàç ifcb %àç av-

342 MISCELLEN

yàç ntvL, zur BegrüoduDg dafQr, dass diese Leute als xlvaiJai bezeichnet sind.

Diese aus Clemens neugewonnenen Verse scheinen mir sichtf zu sein; etwas weniger die folgenden:

Paedagog. II c. 2 s. 28 p. 238: vo dk nXij&oç Tfjç obth q>lvyiaç ^aldtTrjç eïxaoev (der Dichter der vorher citirten Vene) àuBikfiy iv fj ßeßv&iafiievov to adifia S.an%Q vavç ôiôtnLBf <iç ßv&ov axoofÀiag, taîç %ov oïvov tçixvfAiaiç iniXBXOiCfdpop» Elç ßv&ov gleich nach ßeßv&iofxivov scheint doch deutlich auf ein Citat zu weisen. Also

TO awfAO d' âansQ vavç ôédvxev elç ßv^ov, oïvov TQixvfÀiaia{ivy InmLBXoiofÂévov. Warum nicht hnt%ëxv^ivoVy was doch natQrlicher war? Weil du nicht in den Vers ging. CI. fährt fort: b dk xvßecvi^ijc, ofovç 6 av&çtifrivoç, nBQiq>éQ€xai r(p xXvdwvi vfteQêxovarjçtîjç fied^fjCy h&ttlaztevwv ts iliyyif Çoqxp ttjç xataêylàoÇf %ov Tfjç âXrj'^elaç àoTOxijoaç XifÂévoç, ^(ûç av TteçiTceaèf (L. Dindorf: dvTineç* codd.) v g) à lot g néTçaiç avToç aitif l^oxeilaç elç fjâovàç di^açd'elçrj.

Paedagog. 111 c. 5 s. 32 p. 352 f.: ol yàç Ttaçeiaayoïiefoi naçà Ta kovTçà toIç dsOTcolvaiç yvfAvaiç /ÀeXirrjv îaxovuif anoôvaaad^at nçoç Tolfiav èTcidvfÀiaç S&ei novtjQfß naqa* yçâçovTeç tov q>6ßov. negiygâg), Lowth ; Dindorf indeii hait auch naqayQàq>Btv in diesem Sinne für richtig heUenistiscIi (Thesaur. «. t>.).

Patd. c, 6 s. 34 p. 353 f.: fAi] nrj aça xaï nçoç fiixàç ffîi^ Tiç' o ïnnoç avTov nevTexalôexa TokàvTwv ioTiv a^ioç rj fo XO)çlov ij o oixéTTjç fj TO xç^<^^0Vy avTOç di x^^^^^ ^^^* TifÀiufTsçoç tqkSv. So Hdschr.; èoTiv ov TifuLomÛL Unttf der Voraussetzung, dass hier ein Trimeter zu Grunde liegt, kani man schreiben ioT* otTifAOTeçoç (werthloser), oder Icnre t/^üoc, 9 ist für drei Heller (zu) theuer. Der Gedanke kehrt wieder II, c 10 s. 115 p. 312, auf eine Frau übertragen, doch ohne Spur Ton Versen.

Halle. F. BLASS.

DIE PUNKTE ZUR BEZEICHNUNG DES METRISCHEN ICTUS.

Bekanntlich ist bei dem Anonymus Bellermanns neçl ftov- OLArjç aberliefert, dass die metrische Arsis, der unbetonte TaktUieil«

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MISCELLEN 343

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in der Musikschrîft durch einen Punkt aber der Note gekenn- xeicbnet werde: t*, während die Thesis, der schwere Takttheil, durch die Abwesenheit dieses Punktes bezeichnet sei. Bekannt ist auch, dass Westphal die Emendation dieser Stelle verlangte, um den um- gekehrten Sinn zu gewinnen, und andere zu demselben Zwecke dieAusdrQcke açaiç und &éaiç zu umgekehrtem Sinne zu wenden fochten. Ich habe in meiner Ausgabe des Bakchylides p. L* (XLIV*), wie ich meine, aufgezeigt, dass die Ueberlieferung einschliesslich <ler Doch jetzt, auf Stein und Papyrus, sich bei lyrischen Stacken fiodeoden Punkte in sich völlig einhellig ist, und dass darnach die Worte des Anonymus bleiben müssen wie sie sind, und bedeuten mOsieD, was sie nach wohlbekanntem und sehr festem Sprach- gehraocbe bedeuten, dass also gegen Westphal, 0. Crusius, Th. fteinach F. Haussen Recht behält.

Wesshalb also komme ich, nach so kurzer Zeit, auf diesen (Gegenstand zurQck? Weil ich etwas Thatsächliches übersehen habe, dessen Hervorziehung und Deutung 0. Crusius' Verdienst ist.*) Nlmlich in Herondas' Choliamben ist einmal, I 40, der Schluss «Ines Verses so notirt: XIAAP.HKATACTHO.I.*) Damit muss, ^e Crusius richtig sagt, die auch anderweitig genugsam erwiesene

îj* Betonung des Choliambus (^-^^)v^-wji, ^-^^ bezeichnet sein.

ffte Dann aber bezeichnet der Punkt doch den schweren Takttheil, die

f>4 Thens, und nicht die Arsis. Also hat Haussen dennoch Unrecht?

Ich sage nein! Dies sind Punkte xcorco, unter der betonten

Silbe und unter dem xaroi XQOvoç «b ^éaiç, die Punkte des

^r AnoDymus sind Punkte ayco über der unbetonten Silbe und Note QDd dem Svw XQOvog açaiç. Daraus wird alsbald das ur- ^prQngliche System klar: der Trimeter, der gerade wie der hinkende, Wille notirt sein ^^^v-» ^-v-r. ^-v^-r, indem in jeder Dipodie die <inte Hälfte Arsis, die zweite Thesis war. Aber beiderlei Punkte >o setzen war nicht nOthig, und ebenso wenig nOthig, beide Silben icB schweren Takttheiles bei einem zu recitirenden Verse zu kenn- zeichnen, indem (wie wir es auch machen) die Bezeichnung der Länge als betont geuQgte. Umgekehrt wurden, wo Noten hinzukamen, die XQOvoi avw bezeichnet, die xqovoi xotcü nicht. Wesshalb?

1) Grosias Pbilol. Uli (N. F. VII) 224 f.

2) Die Punkte stehen etwas unterhalb der Zeile. An den von Grasios DOch iDSterdem genannten Stellen I 16 and V 6 kann ich nichts erkennen, IKe TOfdere Hüfte des V. I 40 ist schlecht erhalten.

344 HISCELLEN

Sehr eiofach, weil die Noten hart über dem Texte staDdei, so da» für deutliche Punkte xarai kein Raum war ; also Dahm mao hier die Punkte oyoi, und alles ist nach wie vor in schönster DebereinatimaMiDg. Halle. F. BLASS.

HIERONTMUS UND DIE COLLATIO LEGUM MOSAICARUM ET ROMANORDM.

Die älteste, wohl den frühesten Jahrhunderten des Mittelalter» angehOrige Vita des Hieronymus, welche erstmals von Mabillon Te^ öffentlicht worden ist,*) enthält die Angabe, dass dieser Schriftsteller an die lurisconsulti einen Liber singularis sonansque gerichtet .habe: ad iuris quoçue eonsuUos singularem sonantemque edidü Ittm».') Die Folgerungen, welche ich daraus ziehe, gehen lunächst die hea- tigen luriiconsulii an, welchen jene Notiz, soweit ich sehe, aa* bekannt geblieben ist. Ich darf aber auch bei den Lesern dieser Zeitschrift einiges Interesse fQr den Versuch voraussetzen, auf der Grundlage dieses Berichtes das Schriftenregister des Kirchenfaten mit einem, Qberdies erhaltenen, juristischen Opus zu bereicherst und gebe daher hier eine Zusammenfassung dessen , was ich mir an einem anderen Orte ausführlich darzulegen vorbehalte.

Die Ueberlieferung der Vita, dass Hieronymus eine Schrift i' lurisconsuUos verfasst hat, verdient meines Erachtens keine Be anstandung. Allerdings werden ja sowohl in jener Lebensbeschrei- bung selbst, wie auch sonst, dem Kirchenvater Schriften, theolo- gischen Inhaltes, fälschlich auf Rechnung gesetzt.') Aber damit erklärt sich noch nicht, wie die Vita, bez. ihre Quelle, zu derea Abfassungszeit Begriff und Name des Rechtsgelehrten fast in Ver» schoUenheit gerathen waren, ohne Grund eine als Liher ad Iwit ] consultas bezeichnete Schrift mit einem Theologen, wie Hieronymus, als dem Autor derselben in Verbindung bringen konnte. Ande^e^ seits aber ist der Thatbestaud, dass Hieronymus eine Schrift ab-

1) retU AnalL IV 194—196. Vgl. daza Acta Sanctorum, Sept VIII 411 und 422.

2) Martianay nimmt in seinem Abdruck der Vita {Opp. ffieron. V 1— Sy die folgenden Varianten einer Handschrift in den Text: iuris quoquB eon- suUus singularem tonantemque edidit librum (vgl. p. 9, 10).

3) Vgl. Acta Sanctorum a. a. 0. p. 666 § LXXVil sqq., 421 sob N. 11 ond 18.

HISCELLEN 345

«81 bat, hioter welcher eine juristiscbe Termuthet werden darf weon die Vita sie einen Liher singularü sonanêque nennt, so das wohl nur rhetorischer Ausdruck fflr ein treffliches Werk, wohl auffallend, aber doch nicht befremdend: denn der Kirchen- ir ist zwar kein Jurist, immerhin aber,, wie seine Schriften eo, dem Juristischen nicht fremd geblieben; er erkennt die cbäftigung mit der Rechtswissenschaft als eine wissenschafUiche siplin an (icfoers. Pelagg. 1,21), erblickt in Papinian den grossen Iter der weltlichen Gesetze {EpisL 77, 3) und lässt es auch sonst Bezugnahmen auf das römische Recht nicht fehlen (z. R. Bpist. 6; 77, 3; 123, 1(5; Comment, in Epüt. ad Gal 2, 4 ad v. 29).

Es ist nun. aber eine anonyme Schrift romischen Rechtes auf

gekommen, in welcher das Werk des Hieronymus Äd luriê- niftos zu erblicken mit guten Gründen sich vertheidigen lässt

ist die unter dem Namen der Collatio hgum Mosaicarum et nanarum bekannte Sammlung/) welche soviel ist davon er- ten unter 16 die Materie kennzeichnenden Rubriken Texte I zwar des Pentateuches einerseits, des römischen Rechtes an- eneits zusammenstellt und mit vereinzelten Remerkungen des unlors begleitet.*) Die auffallende Erscheinung, welcher wir

des Hieronymus Werk Ad lurüconsultos begegnet sind, Ab- nmg einer juristischen Schrift durch einen Kirchenschriftsteller, irt hier wieder: denn wenn wir mit Krüger') annehmen dürfen, B der Autor der Collatio kein Jurist gewesen ist, so verrüth ne Herkunft aus der Schule des Theologen die Systematisirung (Stoffes nach der Haterienfolge des Dekaloges, sowie die mehr t theologischen, als den juristischen Standpunkt vertretende ndenz des Autors, durch Aufweisung der Analogien des mo- Khen und des römischen Rechtes die Uebereinstimmung, ja

1) Die beste Ausgabe ist von Mommsen CoU, Kbrr, iuris anteiust (iqq. Vgl. zu dieser Schrift Krüger Geschichte der Quellen S. 302 ff., uod lUDsen a. 0. p. 109 sqq.

2) Mommsen a. a. 0. p. 130, sagt mit Bezug auf diese Bemerkungen (bei 'ihnung der angeblichen Autorschaft des Ambrosius): neque . . ttili genus imbroHo abhorret. Dasselbe wird gewiss auch mit Bezug auf Hieronymus (elten haben; z. B. quia, statt des Accusatives cum Infinitiv, hinter scire, es an der im Texte (S. 346) aufgeführten charakteristischen Stelle heisst m ihm ganz gewöhnlich, so in der Hiobubersetzung nach der Septnaginta Lagarde Mittheilungen 11 193 sqq.) 23, 2; 36, 5; 37, 15; 42, 2.

3) A. 0. S. 303.

346 MISCELLEN

sogar die Herkunft des letzteren aus der Lex dimna darmtho Wie aber dem Hieronymus Papinian als Spitze der römischen Jor prudenz erscheint, so ist auch in der Collatio dieser Jurist i zahlreichen Auszogen aus mehreren seiner Werke ▼ertretea, q wenn diese Schrift neben Auszogen aus den Alteren ConstitutioiM Sammlungen, dem Gregorianus und dem Hermogenianus, eine ù stitution vom Jahre 390, welche spflter in den Codex Theodosiai Oberging, nicht in der an letzterer Stelle Oberlieferten Gest sondern als Extravagante benutzt (vgl. unten), so bedient sich ai Hieronymus (Epist. 52, 6), der ja die Abfassung des geoann Gesetzbuches vom Jahre 438 nicht mehr erlebte, eines wohl dieses, aber in keine ältere Sammlung aufgenommenen Gesel vom Jahre 370 (C. Th. 16, 2, 20).') Noch mehr fällt, wie ich glaa ins Gewicht , dass auch die Collatio , wie das von dem Werke Hieronymus ausgesagt wird, als ein Liher ad luriseonsukos gel konnte, und zwar nicht bloss als Buch juristischen Inhaltes, sond< noch in einem besonderen und auf die Angabe der Vita Ad im eotiiultos . . edidit Ubrum ganz vorzüglich passenden Sinne. Denn einer Stelle der Schrift, in welcher sich der Sammler der CoUa an seine Leser wendet, bezeichnet er sie, und zwar ohne jed weiteren Zusatz, als lurisconsullu Es heisst da folgender Maa» (7, 1, 1): quod si duodecim tabularum noctumum furem quêf modo, diumum autem si se audeat telo defmdere, inter fici niia scitote, iuris consulti, quia Moyses prius hoc statuit. Wie leic konnte dann von dem Urheber der Vita, bezw. von seiner Qael diese in der Schrift ganz einzig dastehende, auch an und fOr si< sehr auffallende Peroration der lurisconsuüi geradezu zur Beseic nung des Werkes verwendet worden seini

Mit Rücksicht auf die Benutzung der genannten Constitoli< vom Jahre 390 vor ihrer Aufnahme in den Codex Theodosiai ergiebt sich, dass die Abfassungszeit der Collatio zwischen 390 Q 438 fällt: innerhalb dieses Zeilraumes liegt aber auch die sehr Stellerische Thätigkeit des Hieronymus (geboren 340, gestorben 420 Und wenn sodann die Constitution vom Jahre 390, welche in Sammlung die Inscriplioo Impp. Valentinianus Theodosius et Arctk ^^999' <^d Orientium vicarium urbis Romae, sowie das Proposi

1) Vgl. Gothofredus ad h. I. (ed. Ritter VI 55).

2) Einzelheiten z. B. bei Zöckler Hieronymus S. 1 ff^ VIII fil

MISCELLEN 347

Pr. id. Maias Romae in atrio Minervae fohrt, vom Autor als Impe- Tütoris Tkeodoni comtitutio bezeichoet wird (5, 3, 1), obschoo sie nicht von Theodosius, sondero von Valentinian, dem Kaiser des Westreiches, herrObri, so erklärt sieb das am leicbtesten, wenn die CoUatio in demjenigen Tbeile des ROmerreicbes abgefasst ist, an dessen Regierung die, wie überall, so aucb auf dem Gebiete der Gesetzgebung dominirende PersOnlicbkeit des Theodosius fortdauernd Antheil gehabt hat, das ist also im Osten.*) Hier war es aber aaeh, wo Hieronymus, dem die Bedeutung des Kaisers, sowohl im allgemeinen wie im besonderen als Gesetzgeber, nicht entgehen koDDte,*) vom Jahre 386 bis zu seinem Tode, im Kloster bei Beth- lehem, litterarisch tbfltig war. Ja es lässt sich diesem Autor ge- radeiu als eine Geflogenheit nachweisen, occidentalische Vorgänge nach der Regierungszeit des Theodosius zu datiren.*)

Einen Einwand gegen die Zuschreibung der Collatio an Hiero- aymos könnte man aus dem Umstände herleiten zu müssen meinen, diss die Pentateuchstellen, welche darin aufgeführt sind, eine Itala- receosion darstellen und somit nicht denjenigen Bibeltext wieder- geben, der unter dem Namen des Hieronymianischen bekannt ist.^) Es kommt jedoch bezüglich der in die Collatio aufgenommenen Textstellen des Pentateuchs keine derselben gehört der Genesis >a ^ insbesondere in Betracht, dass Hieronymus seine Uebersetzung erst im Jahre 396 begonnen und bis zum Jahre 404 fortgeführt hat*): nichts aber hindert anzunehmen, dass die Collatio zusammengestellt worden ist, bevor die Pentateuchübersetzung vollendet war.

Amsterdam. MAX CONRAT.

1) Vgl. hierzu Mommsen a. a. 0. S. 127 und 128.

2) Er rechnet mit Bezug auf sein Leben nach den Regierung8jahren des Tlieodoiius (vgt das Vorwort zu der Schrift De viris iUuttribus und Epiti. 48). lo einem Briefe an Paulinus {Epist 49) gedenkt er aus Anlass der von letz- terem nach dem Siege des Theodosius über Eugenius abgefassten Lobrede des Kûaen mit den folgenden Worten : Felt'x Theodosius, qui a tali Christi oror lore defenditur, illustrasti purpuras eius et utilitatem legum futuris sae- euHs eansecrasti.

3) Z. B. den Tod des Damasus (384) und des Pacianus (391) in der Schrift De viris illustrious 103 und 1U6.

4) Vgl. hierzu Mommsen a. a.^0. S. 130 sqq.

5| VgL Realeucykl. f. prot. Theol. und Kirche' Hl 39.

348 MISCELLEN

0AKA0AAIIAL.

Im 29. SlQcke des zweiten Baodes der Oxyryocbos Papyri liest maD:

6 yàç àlixtwç ria%6%ti%i fiav

%al GÂKA0AAIIAAO2; i^aa^elç èfièv ivnatiUrte. Grenfell und Hunt bemerken dazu: ,Qaxa&alnttç ii eonotiDaify the name of a hen'. Die Vermutbung ist richtig, nur muas eine kleine Correctur vorgenommen werden, damit ein möglicher Name heraus komme. Man schreibe Oax(o}9'alnQÔoç, der SiUwarmerin, und erinnere sich der aus Herondas bekannten Wendung ô^lneiv %àv ôUpQOv.

Halle. F. BECHTBL.

ZUR GESCHICHTE DER MEDICIN IM ALTERTHUM.

(Vgl. Bd. XXIII 556 f.).

V. In dies. Zlschr. (XXIII 561 A. 3) batte ich die VermulhuDg ausgesprochen, dass die zahlreichen Citate medicinischer Schrift- steller Ober den diätetischen Werth der Nahrungsmittel in den drei ersteo Bachern der Compilation des Athenaios aus dem avfiTioaiov des grossen Empirikers Herakleides von Tarent stammen. Im Folgen- den will ich Tersuchen diese Vermuthung näher zu begründen.

Id den Deipnosophisten des Naukratiten finden sich im ganzen sechs Hippokratescitate, fon denen eine Anführung*) rein glosso- grapbischen Charakters ist, sich also von den Qbrigen ohne Weiteres absonderU Durch die Wiederkehr dieser Glosse bei Hes. s. v. tp6a {wo allerdings nur das Klearchcitat wiedergegeben ist) ist ihre Her- leilODg aus einer lexicalischen Vorlage, d. b. aus Herodian*) oder Pamphilos gesichert. Andererseits wird durch das 49. Capitel des 2. Boches Ober die Benennung und diätetische Wirkung der Pinien- keme, in dem gleichfalls ein Hippokratescital') erscheint, da sich

1) Atb. IX 399 b: fivtifnopevsè di lœv ipvwv xal ^Innouçartiç o Uqw- %m%o9. Du Gitat l»ezieht sich auf n9Qi <pva, àvd'd, c. 11 (VI 58 L), wo die »cblechte Ueberlieferuog yrvas hat, vgl. nsQi oarétav fva. c. 9 (IX 174). Das ScbolioD im Parisinas F zu nê(fl fva, avd'g. (vgl. Li tiré) stammt ohne Zweifei MO» derselben lexikalischen Ueberlieferung, vgl. dazu llberg das Hippokrates- glossar des Erotian Abb. der Sachs. Ges. d. W. XIV 121 f. Dieselbe lieber- lieferaog bei Poil. (^11185, der aus Rufus-Sorao schöpft (Vogt Sorani JSphesii Über de tiymologiis corporis humani quattnu* resiilui poMsii Greifsw. Diss. 1882), nod Sorao benutzt wieder den Irenäus, den Schüler des Beüodor (WilamowiU Herakl. P 186 A 130), vgl. Reitzenstein Gesch. der gr. Btymologika 383.

2) Vgl. Reitzenstein a. a. 0. 371 ff.

3) Atb. U 67 c: 'htnaie^Trjs Se èv tîj^ nê^i nriaavrjç^ o ix tov r^fiiaovç Itàw va^tVÊftOê^ vn* Mmv Si uai olov^ xoxMcilovQ (SC. roits nv(f^a£ toU ^%^ßiXov iMtiUî). Das Citât bezieht sich auf nsqi ipva. àr&^, c 11 (VI 58 L), vgl. Gal. gloiê. Hipp. (XIX 113). llberg a. a. 0. 116.

HeroMS XXXY. 23

350 M. WELLMANN

die Glosseo bei Hesych s. ynovog^ ycoxxaXog, ftvçrjveç, ot{ wiederfinden, die Annahme fast zur Gewissheit erhoben, dass Pim- philos als Quelle jenes ganzen Citatennesles, also auch der Snt- liehen Schriftsteller anzusehen ist, d. h. dass Pamphilos die un- mittelbare Vorlage des Athenaios fOr die gesanunte medicioische Ueberlieferung ist. Die übrigen vier Citate geboren dem meü- cinischen Excurs über die Heilwirkung des Wassers im 2. Buche an (II c. 24 p. 45 d (f.): sie zeigen sachliche Benutzung des Hippo- Urates.')

Wer die medicinischen Partien der drei ersten Bücher da Athenaios durchliest (I c. 59 IT.), wird sich des Eindruckes nicht e^ wehren, dass ihnen dieselbe medicinische Compilation zu Graade liegt: das gemeinsame Band besteht in der Wiederkehr derselbe! Gewährsmänner. Hippokrates, Philistion, Diokles, Praxagoras, Pbf* lotimos, Mnesitheos, Pleistonikos, Euenor, Diphilos, Erasistratoi, Glaukias, Andreas und Hikesios werden citirt, d. h. Aerzte der besten Zeit, die in gleicher Vollsiändigkeit nur noch in den fei den Heilkräften der Gemüsearten handelnden Bflchern der pKiit' niscben Compilation (Bd. XX XXII) benutzt sind. Ferner iit ii hohem Grade beachtenswert h, dass die Quelle Kritik an den hipp^ kratischen Schriften übte: sie kannte die verschiedenen Titd der Schrift n€Qt dialzfjç o^éwv*) und erklärte sie zur Hälfte far bi-

1) Ath. 45 e : xai o yXvxâ^œv 8* oîvos ov fta^vrei rr^v xê^al^'y, »Ç */«*>• K^TTjç év 'i(f neçl Stairriç ^c£v, o nvBÇ fUv émyça^^avci nê^l oSêm^^* Si nsçl nricàvr^Çy âXloi nQOi tcts Kvidiaç yvtvfiai ^ Hipp, nêçl 8iâk^ 6È. r. 50 (134 K). A th. 46 b: ^cl ual 'inTtOMçàrtjç 'vè»^ to fp^ d'BQfiatvoßAevov xal \fwx6fi9vov àel xovipéxBçov ^ Àph. V 26 (IV 54Sl^ Epid, Il 11 (V S8L). Alh. 46 b: iv 8i tq> ne^ vBdxtov^Inmm^xffiifM TO xç^<''^ov v8(OQ nÔTifiOv {nolvjiftav CE) ^ neçl vyqciv ^^ffioc c. l (^ 118 L), v;j^l. Theoph. hist. plauLSW 2: xœp v8âi»r â^êCta Ta «^np* xal yffvxifâ. So wird die Schrift auch von Erotian citirt (llberg a. a. 0. 11^ Lillré I 151. 370 f.). 46 c: 'innox^njç 8^ iv rcp na^ tonw a^cxa fifim èlvai TÔfv vBâttov oca ix fASTBagotv xo^^^a»«' ^tX xai ix Xo^mv ytfjfth kvL BS negl déç, v8. Tonotv c. 7 (42, 11 K). Erotian citirt die Scbrift jrtfi <^ natv xai œçcSv, vgl. llberg a. a. 0.

2) Nach Erotian war die Schrift betitelt: neçi nx^â^tiç. Im Marc 209(1! bteht als Ueberschrifl: ^InnoxQarf^s tzb^ 8$aixriç oiimv^ oi Bi nt^ 9tri€ë9^ Ol Si 71QOÇ Toff KvTjdias yvojfuie. Soran kennt die beiden Titel: nêfi snn oâvTjç und 71ÇOÇ ras KviBiaç yvaif^aç (Gael. Âur.). Er begreift a«ch ë vô&a unter dem Titel wie Erotian. Einmal (Gael. Anr. ^. ü. II 29 ^ «« Biaixriç of. {voO-a) c. 34 p. 164, 21) citirt er den zweiten Teil als 9ê«uit^uA\

ZDR GESCHICHTE DER MEDICIN IM ALTERTHUM 351

^ht (58 c), ja sie wusste zu berichteo, dass eioige Aerzte die gaoze Schrift ror unecht bielteo. Ee liegt auf der Hand, dass als Quelle Qor ein Hedicioer in Betracht kommeo kano, der sich gleichzeitig mit Hippokrates abgegebeo hat, uod es ist bezeichaeod, dass sich das Wissen der Quelle in diesem Punkte nahe mit dem berührt, was Galen in seinem Commentar zu dieser Schrift über Titel und Echtheit berichtet/)

Für die Zeit der Quelle ergiebt sich soviel, dass sie frühestens der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. zuzuweisen ist, da der jüngste der compilirten Aerzte, der Erasistrateer Hikesios, nach meinen Ausführungen*) dem Ausgange des 2. resp. dem Anfange des 1. Jahrhunderts angehört. Andererseits verwehrt uns die That- sache, dass die pharmakologischen Schriften der Folgezeit wie die Werke des Asklepiades, Krateuas, Sextius Niger und Dioskurides gänzlich bei Seite gelassen sind, ihre Zeit allzutief hinabzurücken. Eioe weitere Einschränkung gestattet der Abschnitt Ober die physi- bliscben Eigenschaften und den hygienischen Werth des Wassers (11 42 c. d. 46 a d). Die Zusammengehörigkeit dieser beiden Stücke folgt aus der theilweisen Uebereinstimmung mit Plin. XXXI 31 f.* ttf die bereits P. Rusch in seiner Greifswalder Dissertation (1882) de Pmdomo Luereti Cari auctare 33 f. aufmerksam gemacht hat, oboe jedoch aus dieser Uebereinstimmung die richtigen Schluss- Iblgerungen gezogen zu haben.

Seit der Zeit des 5. Jahrhunderts war von den Aerzten die «iehtige Frage lebhaft disculirt worden, welches Wasser der Ge- iiiBdbeit am zuträglichsten und welches ungesund sei. In der grupd- kgeoden Schrift ft$çi àéçwv vô. ton. verficht der geistvolle Ver-

Bi^p^cratês ttero Hbro reguUaH, quem diaeleticum voeamt {xsqI Siairrfc

Wi Alb.), peripneumonieae inquii remedium aptandum ex coccalo atque

flkmo etc.| vgl. Gal. XV 452: rolrov rov Xoyov (c. 10 p. 113, 19 K) âvor

pmmi fUfi. Bomovct ftévor ol jibqI nncavijç iniycayfavTei to ßißXiov * wü-

Mtf av ndknf oi ngos ras KviSiaç yvwfias to nqmrov nQOoiftêov' édeix^

yif ér rtp Savtéç4p fojxért nQO£ rovi Kvidiovç iarçais %6v lôyov noioi-

ßEtfOQ^ àJUà n^t^inœv ini rtftf âatnfaiv t^s tô^ oSsar voürj/Aatotv ^«^a-

jMtes. oiàSfi Tf/TOS lâyoç, ov àxçi Ssvço dtîjld'ev, ^3tj avTr^s rrjii diaêxrj-

fwrçf xéx^9 rwr èiéêftf voaijfiaTafv icjiv. Die vo&a standen schon zu

JBnsbtratot Zeit hinter dem Buch naçl njèffatnjs (Gal. XV 744). Diokles

ktmott sie schon alt hippokratiscb. Darüber an eineni anderen Ort.

1) Gal. XV 452. 744. Littré I 327 ff.

2) Sasemibl Litteratargeschichte der Alex. H 418 f.

23*

352 H. WELLMANN

fasser mit eiDgehender BegrOodaug die Aosicht (c 7 p. 40« 1 dass das stehende Wasser aus Sümpfen und Teichen dem Hen schädlich sei (p. 42, 2), nSichstdem das Wasser, dessen Quelli Gebirge entspringen oder das aus einem an Hineralstoflfen rt Boden kommt (p. 42, 8). Das Schnee- und Eiswasser (p. 4! ist seiner Ansicht nach ohne «Ausnahme schlecht, weil bein frieren die klaren, leichten und sttssen Bestandttheile des W ausgesondert werden und die schmutzigsten und schwersten zurackbleiben (p. 46, 11). Dagegen empfiehlt er (p. 42, 11 Quellwasser, das aus hochgelegenen Gegenden kommt und ( Temperatur in Folge der tiefen Lage der Quellen im Sommet im Winter warm ist, sowie das Regenwasser (p. 44, lf.)t < zur Beseitigung des schlechten Geruches abzukochen rSith.

Diese Theorie des Hippokrates ist, wenn auch vielfach ficirt, doch in den GrOndzOgen für die Folgezeit maassgebei worden. Schon in den pseudoaristotelischen Problemen hat hippokratische Ansicht von der Schädlichkeit des Schnee- unt Wassers Verwendung gefunden,') und dass sie noch in der K zeit fortlebte, dafür sind der von Oribasios in seinem grossen Sai werk erhaltene Tractat des Rufus Tceçi iôâttav (Orib. I 324 Buch II seines umfänglichen Werkes tcbqI dialtrjg) sowie dii streuten Bemerkungen des Galen ein vollgalliger Beweis.*)

Rufus rühmt wie Hippokrates das Wasser der Quellen im Osten entspringen auf Hügeln und Bergen, weil es klar, < flüssig, wohlriechend, süss und weder allzu warm noch allzi sei. Ruf. 328, 6 : jcrjyala dk fuev Ttçoç dvatokàç ve\ Ttavta xal vygotrjTi xal keTtrotrjti xal evwdltf xai fw fihv xfJvxQ€tlv€iv, fÀeTçlwç de &£QpLaLvBiv ngovxei tdiv al, 329, 9 : l6q)oi de xal ocrj xçeloaut * xal yàg xa&aQtiteç kejcTOteca xai evwdeaveca nal valg yXvxvtrjaiv iqdlat {i vôava) naçéxovaiv ^ Hipp. 42, 1 1 : aQiara de oKoaa ex WÇWV xwQluiv Qel xai X6q>wv yetjQaiv. airta te ydg eat

1) Poschenrieder die naturwissenschafllichen Schriften des Arii in ihrem Verhâltniss zu Hippokrates, Progr. von Bamberg (1887) 41. ^ jérût. Pt. 223 n. 197.

2) Zur Ergänzung des Oribasios vgl. Aet. tetrab. I c. 165 (f Daremberg-Ruelle 341), wo Vorsicht geboten ist, weil das Excerpt ao und Rufus zusammengestückt ist (vgl. Ruf. 342, 3 f. « Gal. bei Orib. I 3 und Simeon Seth p. 109 L, der gleichfalls indirect aus Galen und Rafns :

3) Vgl. Gal. bei Orib. a. a. 0.

ZUR GESCHICHTE DER HEDICIN IM ALTERTHUH 353

xëo xai Xejttà {Xevna cod.) xal tov olvov q>éQ€iv oXLyov ola ^i lüTiv* tov de XBLiAWvog d'BQfià ylvevai, tov ôh d'éçeoç xfjv X^a . . fAaXioja âè inaivéio wv ta ^evf^ata fCQOç tag àva- xoUlç tov fiXLov èçQùiyaai xaï (làXkov tcqoç tàç d'eçivdç' àviyxfj yàç XafircQot&qa elvai xai evtôdea xal xovq>a. Das Wasser, das aus eioem felsîgeo oder miDeralreicheo Boden kommt, steht ihm ao Güte oach.') Ruf. 330, 3: ta 6h netguidrj xbIqh} {ih %jj axkrjQotrjti xal tf\ tpv^ei^ xa&aQo dh nXéov tujv aÀ- im xal ayvnoatata. fAeylatt] âh toîç vâaai diaq>OQà xal hui}fÀOtàtr} ex te fietâXXuiv xai ßotavwv 7teg)vxviwv avto^i' îà fiiv ovv fiétaXXa eïç te Ti}y aXXrjv oïxrjaiv xal elç ri} y tùp vdatuiv ftôaiv ßXaßega »■ Hipp. 42, 4: âevtega âk oatav liai» al nrjyal ix netgéwv axXrjçà yàç àvàyxtj elvai § ix yr^Çj oxov &eQfÀà vâatd iattv fj aiôriQog yivetai iq ;^olxoç 1? QQYVQOÇ iq XQ^^^S ? â'eîov fj otVfitrjQlri ij aaq>aXtov ij vl- tQOv . , , ov toivvv Ix toiavtrjç yrjç olov te vâata aya^à ylve- 9^1. Im allgemeioeo ist das Wasser am besten, das im Winter wann, im Sommer kohl ist, da es aus deo tiefsten Quellen kommt*) : OQtt yaQ av tov pAv x^^f^^^<^S ô^eçfÂa ioti, tov de ^igovc ^Ifv^Qo ôoxeî nùfç eîvai xdXXiata, ta âk OfÂoliog ix^^^^ V^^~ U^ç xal &eQft6trjtog talg aiçaig xdxiata' tov fièv yàç &é- a(ivç inifCoX^g tij yf) to d'ecptov ylvetai, tov ôè ;^£t/uc5yog elç ßi^og xatadvetai, xal 6ià tout 6 fioi ôoxeî nrjyal te ooai èx ßat^vtatiav ^éovai xal oaa avtça xolXa ndvta elvai xatà ftcy Xeifiwva d'eçfÀOtata, xatà âè ô'éçog xpvxQcitata »> Elipp> 42, 14 : tov dh x^^f^^^^S ^eg/Àa ylvetai (se. ta agiota vdatay^ < toi dh ô'éQeog xpvxQCt' ovtw yàç av eïrj èx ßa&vtdtwv nt}- yim. Das Regenwasser') wird ?on ihm gleichfalls geschätzt, weil

1) Theoph. hisi, plant, VII 5, 2: jt^^^iara 3i àlvxà nai dvofiapij, 8** 9 Mal Ac TtSv Sxttdyy oi x^V^''^' ^v/tnepi^éQH yàç cnéçftava ai, Buf. 330, 7: ßordvat 3i hri /Ur ital nayv ßXanrovci rc vSmç^ oii 8i xal nçoa- nßEE^olatv avrà to ffior Kai rj xalafiivdij xed ro àdiavrov* ravra yàq mhS/Sfa ép roïs èx9roU niifvxw,

2) Vgl. die weitere Begrûndang dieser Ansicht bei dem Verf. von ntci fmû. naiiiov c. 25.

3) Praiagoras theilte die Ansicht des Hippokrates Âth. 46d: n(faSa- y6fa€ X9 ravrâ ^ci' ina^vai de t6 o/*ßQtov, Desgleichen Theophrast a. s. 0.: âya&à 8i à» JUi. Ein kurzes Excerpt aas Rufus steht im Com- meotar des Galen zu hbqI xvf*ôiv XVI 362. Galen selbst steht völlig anter dem Banne der hippokratischen Schrift, vgl. Gal. bei Orib. 1 309 f.

354 M. WELLMANN

es leicht, dflDO, klar und sQss ist Ruf. 326, 3: ftêçl êk %wo^^ ßgliüv vdarcjv yivùioxcj rade * ta oiAßgia xovqxi lori % «^c kemà xal xa^aga xal ykvxéa yevofiexp ^ Hipp. 44, 3: ^^^ /lev ofißgia xovq>6taTa xai yXvxvtaza ioti xal Xefcxotara x^ar kafÀTtgotata. Das Schnee- uod Eiswasser hält er fOr schSdÜG-Wi weil es wegeo seioer Härte und Kälte weder die Verdauung do^^ die UriosecretioD befördert und allerlei Gebrechen im Gefolge tet. Ruf. 328, 1: oaa dk ànb xiovuàv xaï xgvatalXuàv ^€l vSawro navra oxltjgà itièv xcri xfjv^ei VTtegßccllovTa, yXvxéa ai yev^- fÂivip xtL nipp. 45, 22: ta ôè ànb xiôvoq xai xgvaxiûiXav novrjgà ndvxa' oxorav yàg ana^ ^oyfj, ovx ïri Trjv aç^ Xa/i^y q>vaiv xa&iatatai, alla to fièv avtov XafAngbv nal xovq>ov xaï yXvxv ixxglvevai, %b âè ^ohaôèatàxov xaï axa^- (AwâioTatov Xelnstai. Desgleichen das stagnirende Wasser uni das Wasser aus Teichen, weil es einen faulen Geruch hat und in Sommer warm, im Winter kalt ist. Ruf. 325, 2: tu öi ix Ufiffiç nàvva xâxiara* oofÀt^v te yàg ex^i avonov ola oeof^nota wl Tov fikv x^égovç ^sgfÀO ylvetai, tov àè xeiiAiJavoç tfwxga, ont^ fiéyiatov arjinsîov tl-^^efiai 7covrjgiaç voatußv -^^ Hipp. 40, 15: oxoaa fièv ovv iattv éXtiâea xaï atàaifta xaï kifivaîa, Tovra àvàyxrj tov fzkv d'égeoç elvai &€gfÀà xaï naxéa xai oôiiiif ÏXovTa, ate ovx ànoggvta kovta. Die Erkrankungen, welche der Genuss von solchem Wasser im Gefolge hat, werden von ihn in Uebereinstimmung mit Hippokrates angegeben: im Sommer Djf- enterie, Leienterie und dadurch herbeigeführte Wassersucht (Rrf* 325,7 = Hipp. 41, 10), im Winter Hilzleiden und offene Wuodei an den Füssen (Ruf. 325, 8 Hipp. 40, 22. 41, 23).

Eine abweichende Theorie von dem Werth und Unwerth dd Wassers liegt bei Plin. (XXXl 31 f.) und bei Aih. (H 42 c) for, deren Quelle zwar gleichfalls an Hippokrates anknüpft, aber denllidi genug gegen verschiedene Sätze desselben polemisirt. Die Polemik besteht darin, dass sie die Schädlichkeit des Schnee- und Eiswaesers j bestreitet, ja dass sie es für gesunder erklärt als das Regenwaascr. '. Als Grund wird die dem Hippokrates entnommene, von Xenophanes j resp. Diogenes stammende Annahme angeführt, dass beide leichter I seien als andere Wasser, da bei der Verdunstung des Wassers nur die leichlesteD Bestandltheile desselben von der Sonne hinaufgeiogei würden: das Schneewasser werde weiter durch die Reibung der Luft verdünnt, das Eiswasser durch den Frost verfeinert. lo Ceber*

ZUR GESCHICHTE DER MEDICIN IM ALTERTHUM 355

liûftliminuDg mit Hippokrates beOodet sich die Quelle, wenn sie beba^uptet , dass das slagnireode Wasser schlechter sei als das fiiessende, weil das fliesseode Wasser durch seine Bewegung und Reibung verdünnt werde.

Plitt. XXXI31: quaeritur inter medicos cuius generis aquae sint uiilissimae. stag- nantes pigrasque merito damnant, utiliores quae profluuni existi- mantes, cursu enim percussuque ipso extenuari atque proßcere, eo- que miror cistemarum ab aliquis maxime probari. sed hi rationem adferunt, quoniam levissima sit imbrium, ut quae subire potuerit ac pendere in aere. idea et nives praeferunt nivibusque etiam gla^ dem velut ad infinitum coacta sublilitate. leviora enim haec esse et glaciem multo leviorem aqua, Eugen Oder*) hat in seiner ganz vortrefflichen Abhandlung ,ein angebliches Bruchstück des Demokrit über die Entdeckung tinter- iitliicher Quellen' (Philol. Suppl. VII 1899, 306) die ausgehobeneu Worte des Athenaios auf die theophrasteische Schritt Tcegl vÔotoç, <iie thatsächlich in jenem Abschnitt benutzt ist (41 f.)« zurückgeführt ^ für Plinius auf Grund der Beweisführung von Rusch Benutzung ikrseiben Quelle angenommen. Wimmer hat sogar in seiner Ausgabe <iesTheophrast die ganze Partie des Athenaios (41 f. 43 f.) für Theo- phrast in Anspruch genommen (fr. 159). Dem gegenüber hat schon Rusch (a. a. 0. 35) mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass die von Ath. 43a erwähnten ßaaiXixa xakovfÂeva vâava in Prusa nicht lus Theophrast stammen können, da die Gründung von Prusa erst

Ath. 42 c:

d* iniçQvxa xaî i^ oxeiov

WC ifilnav ßelrlto twv ata-

cinùiv nomofÀevà T€*) fiaXa-

tmtça yLvBtat, ôià tovro xal

(fi) OLTtO jfiÇ X^OVOÇ ÔOULBÎ XQ^'

(nà dvai' xai yàg avayéTai fo noTifÀtitegov xai jovto xe- TiOfifiévov iati t^ àiçr âio xai tm ofißclwv ßeXxlta' xaï h tcvardklov âè âià to xov- fitîça eîvai' arjfÀSÎov d^ oti Xtti 0 xQvataXkoç avroç xov- ipitiçoç vov aXXov vâaTOç.

1) Kaibel hat vennuthel xonrofievâ tb (rr^ àéçi), Oder Quellensacher B Alterthum Ptiil. Soppl. Vil (1899) 306 ist ihm gefolgt. Dass die lieber- efeniog untadelig ist, beweist Plinius. Das fliessende Wasser wird dadurch eieb, dass es sich aneinander reibt in Folge seiner Bewegung, nicht durch e Reibung der Loft.

2) Ich bemerke, dass mein Aufsatz schon im Entwurf vorlag, als die )haod]ung Oders erschien.

356 M. WELLMANN

gegen Eode des 3. Jahrhunderts fällt. Ebenso wenig kooole Thec phrast aber auch von den Heilquellen von Bajae berichten, da n erst in der Liiteratur einer weit späteren Zeit auftreten.*) Kon in jenem Abschnitt des Atheuaios sind zwei Quellen nebeneinandc benutzt: Theophrast negi väazoc und ein späterer Schriftsteila Die Epitomirung des 2. Buches hat diesen Thatbestand verwitda Da die angeführten Worte des Atheuaios sich völlig mit Plioii decken , wogegen die von Oder conslatirte Uebereinstimmung an Vitruv (187,23), die dadurch hervorgerufen ist, dass die Qaeilei des Atheuaios und Vitruv in letzter Linie von Hippokrates abhSogf sind, als völlig unwesentlich und nichts beweisend zurOcktreta muss, so haben wir anzunehmen, dass beide Autoren dieselbe Queue benutzten, und wenn es nun bei Plinius zu Anfang jenes Ab- schnittes heisst: quaerüur inier medicos cuius generis aquae M utilissimae und im folgenden der Arzt Epigeues und andere mM erwähnt werden, so ist wohl kein Zweifel mehr, dass die gemdi* same Quelle ein Arzt gewesen ist, der nicht nur über den Nuükd und Schaden des Wassers gehandelt, sondern wie wir aus Athe* naios entnehmen dürfen, auch paradoxa beigefügt hat. Durch di« Resultat werden wir der Annahme Oberhoben, zu der Oder a. i. 0. auf Grund von Theophrast hist. pl. VII 5, 2 gezwungen ist, da« Theophrasts Ansicht vom Epitomator nur ungenau wiedergegebei sei. Uebrigens ist die Uebereinstimmung zwischen Plinius und AÜK- naios weitgehender als Rusch a. a. 0. 34 gesehen hat, und es verdient besondere Beachtung, dass die Quelle des Plinius die Ansicbieo mehrerer Aerzte ohne Namensnennung anführt, die von dem Ge* währsmann des Atheuaios mit Namen genannt werden. So kehrt die Behauptung des aus Argos in Akaruanien stammenden kvM Euenor, der 322/1 in Athen das Bürgerrecht erhielt,^ dass du Cisternenwasser das Beste sei (Ath. 46 d: Evr^vwQ de ra Àaxxola sc. inaivei) bei Plin. XXXI 31 wieder: eoque tniror dêlemenÊ ah aliquis maxime prohari und wird weiter unten (34) mit dei Citat eines anderen Arztes modificiri: nam cistemas etiam meiK confilentur inutiles alvo duritia faucibusque, etiam limi nan eU inesse plus aut animalium quae faciunt taedium. Die Bebauptui des Erasistratos, dass einige Aerzte das Wasser hiosichtlich d

1) Lucr. VI 748. Hor. Ep. I 16, 5. Ovid met. XV 713. Strab, V 227

2) Vgl. Wilamowitz in dies. Ztschr. XXII 240 A. 1.

ZDR GESCHICHTE DER HEDICIN IM ALTERTHUM 357

îcifiscbeo Gewichtes mit der Waage prüfen, aber ohoe Erfolg') >c: 'EçaaioTçatoç q>fjaiv ' âo^i^d^oval tiveç vôava a9fâ(p ave^êtdavwç' ièov yàç tov i^ ^AfKpiaQaov vdatog l {%ov) i^ ^Qetçiaç avfjßaXlo^ivwv , %ov fiiv g>avkov, vov

Xçrjatov ovtoç, oiô* fJTtç èari èiaq>OQà xarà %ov axa&fiôv^ 1. Eueoor 46 d) hat ihre Parallele in den plinianischen Worten S): qjdidam staiera indicant de salnbritate, frustrante diligentia, \mido perramm est ut levion sit aliqua. Das bekannle, in der edicinischen Lilteralur so häufig wiederkehrende Wort des Hippo- ites: vâùiQ to zaxéwç ^ecfiaivo^evov xai ipvxofievov ael njffOTBQOv (Ath. 46 b) ist der Quelle des Plinius gleichfalls be- iDDt*) (38): certior subtilitas inter pares meUorem esse quae ca- |btf refrigereturque celerius. Was Ath. (46 b) als sicheres Erken- JD^eichen der Schfldlichkeit des Wassers anführt, dass es in ipfernen oder silbernen Gefâssen Grünspan ansetzt und dass Qlsenfrücbte schwer in ihm kochen/) wird von Plinius gleichfalls fmerkt (37). Endlich sei darauf verwiesen, dass einzelne Notizen s ersten Abschnittes bei Alhenaios durchaus hippokrateisch sind: B. dass das salzhaltige Wasser schwer zu erweichen sei (Ath. 42 b. ipp. 43,21), dass das schwere und harte Wasser gesundheits- hädlich sei (Ath. 42 c. Hipp. 42, 4. 46, 3. Ruf. bei Orib. I 333, 6), das Wasser, das von Bergen kommt, dem in der Ebene vor- itieben sei (Ath. 42 d. Hipp. 42, 11. Ruf. bei Orib. I 329) und IM das dicke Wasser im Sommer warm, im Winter kalt ist tth. 42d. Hipp. 40, 16. Ruf. bei Orib. 325, 3). Desgleichen bei ÜdIus. Die Notiz (33): nee vero pauci inter ipsos e contrario ex A( ac nivibus insaluberrimos potus praedicant, quoniam exactum t inde quod tenuissimutn fuerit, minui certe liquorem omnem con- iatione deprehenditur geht auf Hipp. (45, 22 f.) und dessen Näch- ster, ebenso die Angabe, dass das Regenwasser am schnellsten

Fäulnis übergebe (33 = Hipp. 44, 22). Für Plinius schliesse i aus der Thatsache, dass er die von der ärztUchen Quelle vor- Iragene Theorie von dem Werth des Schnee- und Eiswassers mit )88em Nachdruck zurückweist (32: horum sententiam refelli inter-

1) Gels. II 18 (66, 26): nam levis pondère opparet: et ex üs quae pon- e pares sunt, eo melior quaeque est, quo celerius et cale fit et frigescity >que celerius ex ea legumina percoquuntur. Ruf. bei Orib. 1 333, 5.

2) Gels. a. a. 0. Ruf. bei Orib. I 333, 8.

3) Gels. a. a. 0. Vitr. VIU 4. Gal. bei Orib. I 308.

358 H. WELLMANN

est vitae), währeod Alheoaios nur darüber referirt, dass bei ih iodirecte Benulzung desselbeo Gewährsmannes vorliegt wie l Athenaios, und eine erwOnschle Bestätigung für diese Schlui folgerung erbalten wir durch den von Rusch geführten Nachwe dass Plinius seine Partie aus Varro entlehnt hat. Wenn dagegi F. Hünzer in seinen Beiträgen zur Quellenkritik der Naturgeschicli des Plinius (Berlin 1897, 43) in der Kritik des Plinius eine b wusste Polemik gegen Celsus (a. a.« 0.) erkennen will, so ist die Annahme auf eine irrige Auffassung des Celsus zurückzuführe Seine Worte lauten: aqua levissima pluvialis est, detnde fontat tum ex flumine, tum ex puteo; post haec ex nive aut glacie; gr vier his ex lacu; gravissima ex palude. Ich meine, deutlich konnte Celsus die Ansicht nicht zum Ausdruck bringen, dass das Schnee- und Eiswasser für schlechter halte als Regen-, Quel Fluss- und Brunnenwasser, als indem er sein grösseres Gewit betonte, da ja auch nach seiner Meinung der Werth des Wass^ durch das geringere Gewicht bedingt ist. Diese Ansicht ist al doch der von der Quelle des Athenaios- Plinius vertretenen ger^ entgegengesetzt.

In engem Zusammenhang mit dieser rein medicinischen ik' einandersetzung über den Nutzen des Wassers steht bei Athena der Abschnitt über merkwürdige Quellen und Flüsse, deren A gaben zum Theil bei Plinius wiederkehren. Ein Theil dieser Par doxa geht sicher auf Theophrasts Schrift negi iidavoc zurück, uo daraus erklärt sich die theilweise Uebereinstimmung mit Pliniui dessen Quelle (Poseidonios) den Theoplirast gleichfalls verarbeitete. Andererseits hat die vorhergehende Untersuchung gelehrt , dass io der medicinischen Vorlage gleichfalls Paradoxa behandelt waren in welchem Umfange, lässt sich nicht mehr erkennen , unddw diese Verknüpfung auch der medicinischen Litteratur eigen wir, beweist das Beispiel des Rufus, in dessen Tractat negl vSitai das paradoxographische Element ebenso berücksichtigt ist, gleicb falls, wie natürlich auf diesem Gebiet, in theilweiser Ueberein Stimmung mit Plinius und Athenaios.') Der Katalog, der bei Kalk mann Pausanias der Perieget (33 f.) nachzutragen ist, möge hii Platz finden:

1) Vgl. Huf. bei Orib. I 332 f. und seine èça>Ti]ftaTa tar^uea in der Ai :;abf von Ruelle 215, s. den vortrefflichen Gommentar Darembergs io seil

Alisgabe des Orib. I 629.

ZUR GESCHICHTE DER MEDICIN IM ALTERTHUM 359

17 h Jr^ltif lifivf] = Plin. II 229.

TOT iv Ilv&OTCoXsi = A Dt. V. Kar. 162 (Eudoxos).

vdwQ h ^eovTlvoig = Plin. 31 , 27 (Lykos). AdI. t. Kar. 159 W.

Zôwç iv 0€ve(p ^ Plin. 31, 26. Theoph. bei Ant. 158.

Sôwç iv Qçf^f] = Plin. 31, 27. Theopomp bei Ant. v. Kar, 141. Viir. Vm 3.

UfAvrj 17 iv ^avco^axaig = Ant. t. Kar. 152 aus Herakleides. Isig. c. 14. Sot. de flutn. 22.

kifivrj xarà Mi^dovg = Plin. II 109, vgl. Gal. I 658.

vâwç ftBQÏ 2ovaa Sot. 26. Vitruv Vlll 3.

0 2v(iaçiç fioTOfÂOçl

%o iv Ai^ioniif vâwç = Plin. 31,9 (Ktesias). Ant. 145. Sot 17.

to iv Alyvmffi vâwÇf vgl. A th. 42 a.

vo iv AvyxrjOTaiç vâwç «= Ant. 164 (Theopomp). Isig. c. 13. 23. Ath. 43 d.

TO iv KkeiToçiqi ttjç uiçxadlaç = Ath. 43 f. (Phylarch). f^IÎD. 31, 16 (Eudoxos). Sot. 12. Vitr. Vlll 3.

TO iv Xalxlâi rrjç "AQC&ovarjç = Plin. 31, 11. Vitr. VIII 3.

0 Kôâvoç = Plin. 31, 11. Vitr. VU! 3.

Rufus stimmt also ganz in derselben Weise wie Athenaios mit Hioius. Aus dieser Uebereinslimmung irgend welche Schlüsse auf ^ie Quelle zu ziehen, scheint mir, wie E. Oder a. a. 0., bei der leiten Verbreitung und völligen Gleichartigkeit der aus Handbüchern ^er damaligen Zeit bekannten paradoxographischen Litteratur völlig aussichtslos und auch völlig werthlos.

Ganz dasselbe Resultat wie die vorstehende Untersuchung, dass

tlie medicinische Quelle des Athenaios älter ist als Varro und jünger

db Hikesios ergiebt die Retrachtung des in R. I gegen Ende er-

ballenen Verzeichnisses römischer und griechischer Weine und. ihres

hygienischen Werthes (26 a— 27 d. 32 c— 33 c), über dessen Quelle

fl. Bruns in seiner Rostocker Dissertation qiiaesiiones asclepiadeae

de tinorum diversis generihus 16 f. scharfsinnig gehandelt hat. Man

darf soviel als gesichertes Ergebniss dieser Arbeit betrachten, dass

die Quelle ein Arzt gewesen ist, und zeitlich nicht über die repu-

bijcanische Zeit hinabreicht. Wenn aber Rruns die beiden Abschnitte

«charf von einander trennt und für den letzteren den berühmten

AsklepiadeSy für den ersteren einen Schüler des Asklepiades als Quelle

ansetzt, so vermag ich mich dieser Ansicht nicht anzuschliessen.

360 H. WELLMANN

Sehr bezeichoend ist zuoachst, dass Notizen beider Abschoitte Plioias und Dioskurides wiederkehreu : mao vergleiche Alb. 2k mit PliD. XXIli 38 und Diosk.Vll, Alb. 32 d mit Plin. XXIU4. Diosk. V 9. Sodann spricht für den gleichen Ursprung anf ^ allerunzweideutigsie der Umstand , dass Notizen des einen im ftv deren wiederholt werden : der Compilator scheidet nicht so sSubcr lieh, wie wir es bei Compilationen gewohnt sind. Oder bedeutei die Worte 26 b: ôvvafituLWvatoç (sc. o (jiiXag olvog) yaç ieu xai fiévîov iv talg e^eai %wv mvovtwv nkelavov xçovov . . . 0 âk kevubç oîvoç àa&evijç xal kentoç. o âk xiççoç ninu ^^ov ^rjçavtixoç wv elwas anderes, als was 32 d als Ansiebt te Hnesitbeos referirt wird : Mvrjaix^eog d^ o ^A^valog g>riai9' '0 fÀéXaç olvog iati ^çenrixtoTaTog, o âk kêvxog ovçrjZixmaMOÇ Tcaï Xentotatog, o dk xiQçog ^rjçog xal %ù»v aitiùày rtêftfauh rêQogt'^) Aber Athenaios kommt im zweiten Abschnitt noch eioad auf die italienischen Weine zurück, trotzdem sie im ersten Abschaitt abgehandelt sind. Auch das Iflsst sich meines Erachtens erklXreiu Was er über den Albaner- und Falernerwein an jener Stelle (33 1) sagt, deckt sich inhaltlich mit 26 c. Dazu tritt nur der ohoç ^AÔQiavog. Der fehlt im ersten Abschnitt, er wird von Atbenaloi nachgetragen und um dieses Nachtrages willen die abermalige E^ wähnung italienischer Weine. Im übrigen weisen beide Abscboitte inhaltlich so sehr den gleichen Charakter auf, dass sie aus einer Quelle herzuleiten sind: ihr Unterschied besteht einzig und allem darin, dass im ersten die italienischen, im zweiten die griechischeo Weine abgehandelt werden. Ist diese Scblussfolgerung richtig, ^ spricht das im vorhergehenden gewonnene Resultat, dass die Ur- quelle des Athenaios älter als Varro ist, gegen die Annahme vos Bruns, dass ein Schüler des Asklepiades benutzt ist.

Aber auch das epochemachende Werk des Asklepiades ia^ 0ÏVOV âoaecjg kann nicht als Quelle des Athenaios gelten. Wir können uns von dem Inhalt dieses Buches eine ungefähre Vo^ Stellung machen durch die bei Plin. XXlil 31f. und Diosk. Vit vorliegenden Abschnitte über die Weine, d. h. durch die phanna- kologiscbe Compilation des Asklepiadeers Seztius Niger. Es ist keil Zweifel, dass Asklepiades in der richtigen Erkenntniss, dass de Wein das beste q)açiLiaxov ist, die verschiedenen Weinarlen, grii

1) Vgl. Diosc. V 8. Plin. XXIII 38.

ZUR GESCHICHTE DER MEDICIN IM ALTERTHUM 361

«hiscbe wie rOmiscbe, io dieser Schrift behandelt und genaue Vor- schrilteD Ober seine therapeutische Verwendung gegeben hat, aber da« die bei Athenaeos vorliegenden Citate des Drokles, Praxagoras ood Hnesitheos unmöglich aus Asklepiades stammen können, folgt aus dem Umstände, dass sich von ihnen bei Plinius und Dioskurides kdoe Spur findet. Ausserdem mOsste bei Benutzung des Asklepiades durch Athenaios die Uebereinstimmung zwischen ihm und Niger- Cdsus eine weit engere sein, als sie es thatsächlich ist. Demnach sehe ich keinen anderen Ausweg aus diesem Dilemma als anzu- Bekmen, dass die Quelle des Athenaios, auf dessen Rechnung ohne Zweifel die angeführten Citate zu setzen sind, fOr die mit Niger stinmendeo Partien aus derselben Vorlage geschöpft hat wie Askle- piades, und diese Vorlage kann dann meines Erachtens nur der VOD Asklepiades, wie von der Vorlage des Athenaios gleicher- maassen benutzte Arzt Hikesios,*) der Gründer der Aerzteschule der Erasistrateer in Smyrna, gewesen sein. Es ergiebt sich also fttr das von Bruns behandelte Verhältniss der über Wein handeln- den Autoren folgendes Stemma:

Hikesios de conditura vint

med. Quelle des Athenaios Asklepiades nsçi

I otrov dooeofç

PaiDphilo8(?) ^/^\^ \

Athenaios Sextios Niger Gelsus

PÜD. XXIII. Diosk.

Columella Pli n. XIV.

ViCISUB

Fragen wir nun endlich nach dem Namen der medicinischen Quelle des Athenaios, so scheint eine schwache Spur uns den Qttnkter desselben zu verrathen. In dem Abschnitt über die rOmisehen Weine (27 a) heisst es von dem Fundanerwein, dass er knftig und nahrhaft sei, aber Kopf und Magen angreife: dio ov fioüc iv ovfÀnooloiç Ttlvetai. Ich schliesse daraus, dass die Oodle mit Rücksicht auf die Symposien über den Werlh und Un-

1) Vgl. meine Aosföhraogen Ober ihn bei Sasemihl Gesch. der Alexan- drinerzdt II 418. Er hat sowohl in seiner Schrift naçl vli^, als auch in der Spedilsehrift de conditura vint (Plin. Ind, 14. 15. XIV 120) über den Wein geblödelt. Er kannte bereits die römischen Weine, die su Beginn des 3. Jahr- hooderts den griechischen Aerzten noch unbekannt waren, vgl. Plin. XIV 76.

362 M. WELLMANN

werth der Weine gehaodelt hat. Es liegt ounmehr nahe an ein medicinisches Symposioo als Quelle zu deokeD, i solches ist von Athenaios thalsächlich benutzt worden: icli das Symposion des Herakleides von TarenL In der That U dem letzten grossen Vertreter der empirischen Schule^) al sammen, was wir an Kriterien für die Quelle' gewonnen Er leble*) nach Hikesios und vor ApoUonios von Kition« ( Anfang des ersten vorchristlichen Jahrhunderts. Varro kam benutzte ihn: es ist eine ansprechende Vermuthung Hirseli die varronische Satire ,quinqu(Urug' ,eine kynische Antwort y den medicinischen Dialog des Tarenliners Herakleides/ N musste in der ohne Zweifel dialogisch gehaltenen Satire eii Theilnehmer sich des Empirikers annehmen: darauf beziehe Worte (fr. 445 bei Petr. ed. Bücheler) qui TaretUinum it Heraelidem Ponticon corUendereL Aber auch in dem 'Yd{ wird jeder, der die Worte des Athenaios im Gedächtniss 1 wunderbare Uebereinslimmung des uns aus dieser Satire erl Mnesitheosfragmentes mit Ath. 32d^) zu der Annahme vem dass Varro das ihm von Herakleides in seinem avfinooi botene Material zur Begründung seiner ,Wa8sertheorie' v< habe. Sein aviÀTtôaiov vidx eine Compilation: der compilai Charakter folgt aus den namentlichen Anführungen. Ath Hçaxlelôrjç ô* 6 TaQavTîvoç év t(^ JSvfÂnoolip ÇtjTBi n iuLkafjißaveiv ôeî fÂB%à Trjv zwv ouxwv nQoa(poQàv i vàuiQ ïj xpvxQOV, xal zolç (ihv kéyovvaç â'eçftov ôbîv i (iaveiv TtQooçwvvaç to toioZto naçuxelevea^'aïf ôioti 3

1) Cad. Aur. M. AA 17: empiricorum sufficit toli Heraclidi T respondere: etenim eorum (nemine) posterior atque omnium prt apud suos invenilur, vgl. Gomperz Apologie der Heilkunde 166.

2) Vgl. meine Angaben in Sosemihls Litter. der Alex. II 419. ist die Zdtbestimroung de§ Herakleides in meinem Aufsatz sur Geschi Medicin in dies. Ztschr. XXllI 558 zu berichtigen.

3) Hirzel Dialog 1 449 A. 2.

4) Mrfjci&eoç 8* 6 ^yi&rjpaïéç tprjaiv ^6 /läXas oïvos iaxi &( jaTOSy V de levxbe oiçfjTixiÛTatoç xai IsTtrorafOS, v Hê^ços | Ttûr anitûv mnt tueur açoi , Varro bei Geil. XlU 31 (fr. 575 8): non vi Mnenlkeum scribi tria genera esse vini, nigrum y album y medim vocant xiÇQÔv, et novum , vêtus, medium? et efßcere nigrum viru urinaniy medium nirpiv ? novum refrigerare^ vêtus calefaeere, meê prandium caninum?

ZUR GESCHICHTE DER MEDICIN IM ALTERTHUM 36a

X^ÎQog taxéuàç to -âeQ/iov ^vntai' âio 7Ci^avov eîvai xal iv %odl(f avvTOfÀWÇ avrà T(p &€QfÂ(îi âiaXvea^ai. xal inl %d.v ixioq âè (xwvy avuwv to -S^egfAOV ôiaXvec Trjv avvéxBiav avTwv wl €Îç lefCTo/ÂBçeiç TOfÂOvç ayei^ to ôk ifwxQOv avvlaTrjaiv. ol dk ilfvXQov XéyovTêç nçooq>éQ€a&ai S; tov ifJvxQOv, q>aalf nénatoç Irjipig Ta i/ti tov OTOjudxov xa^vjfÂeva T(f ßagei taia(péçei . . âiôneç Tivèç xal tov ançaTov avvexfàç nqoo- (féQovtai . / Er halle also die Streitfrage, ob man zu den Feigen warmes oder kaltes Wasser triokeo müsse, in eingehender Weise behandelt, indem er die Begründung beider ärztlichen Ansichten »röhrte, ohne sich für die eine oder die andere zu entscheiden. Ab Vertreter der zweiten Ansicht glaube ich nach einer Andeutung beiOrib. ill 176 den Karystier Drokles ansetzen zu dürfen: t^ç ôè (mûçaç ta fikv avua kegieXovTac to ôéçfia xal tov onbv tibcl-^ nkivavtaç xai ßgi^avTag iv vOotl ^xfJvxQfp fiektiov iati Xafi- ßiveiv xai ^rj exovtoq avTov xaï tovg iatj dwa/Àévovg iad'leiv una (to) ôelrtvoVf tovç ôk Xol/iovç tcqo tov ôeLnvov. \m engen Zusammenhang mit diesen Ausführungen des Herakleides iteben die Citate des Phylotimos (79 a), Diphilos (80 b) und Mne- fllheos (80 c) über den diätetischen Werth der Feigen : sie stammen siciier aus der medicinischen Quelle.

Aus einer zweiten Stelle (120 b) ergiebt sich, dass der Siphnier Diphilos gleichfalls von ihm benutzt ist. Dass Athenaios die Di- |4lilo8ci^te durch Vermittelung eines späteren Arztes überkommen bat, schliesse ich aus dem Umstände, dass an zwei Stellen (80 f. 121a) etwas von ihm berichtet wird, was unmöglich von diesem Am herrühren kann (vgl. Kaibel in der adnotatio). 120 c pole- iiisirt Herakleides gegen diejenigen Aerzte, welche alle Gemüse- uten und eingesalzenen Fische als xaxooTOfiaxa erklärt hatten, *^1 sie etwas scharfes, beissendes besitzen, und begründet seine abweichende Meinung mit der Thatsache^ dass viele Speisen, welche eine leichte, schnelle Eröffnung herbeiführen, gerade dem Magen luüHglich sind.') Zu den Vertretern der von Herakleides bekämpften Aosicht gehörte der Siphnier Diphilos. Ath. 1170 a: JlçpiXoç dh xoiviûç q^r^aiv êîvai nàvTa Ta Xdxccva oTçoqfa xai XernvvTixa xal xaxoxvXa Îti te InmoXaaTixà xai dvaoïxovàfirjTa, HI 120e:

1) Herakleides steht hierin auf dem Bodeo diokleischer Doctrio, vgl. das Jaogere Brachstûck aus den 'Tytg^và n^o£ IDU^tci^x«^ bei Gal. VI 455 f.

364 M. WELLMANN

j1iq)ikoç d* o 2iq>vi6ç q>rjaiv' ^%à tciqIx^ ta Ix twv ^alaaolMf xai XifÀvaiwv xal fcotafiltüv yivofAcvà iattv ôXiyotçoqWf oh- yoxvXa, xavaioârj, elxoiXia, iQB&iatixà OQé^Bfag .

Das vorliegeDde Bruchstück des Herakleides gestaiiel uds eiies Einblick in die Anlage seines Symposions* Bei den griechisdiei Symposien war es Brauch, vor der Hauptmahlzeit einen Tnnk Wasser oder Wein und Appetit oder Durst reizende. Speisen n .geniessen.') Zu diesem Brauch mussten die alten Aerzte Stelhig nehmen, und schon Diokles hat in seinen ^yieipa ngoç IBai' inaqxov Vorschriften Ober das nconlvBiv und nçoBO^Uiv ge geben. Orib. 174, 1 : nqo ai zov lafißaveiv to oitIov n^ ftlveiv vaijQ fÂéVf Sv di\f)^ Tic, nXeloV el öi fjtrjf ilan99, 175,7: kaxova dh dfia fikv nçoeaâ'lêiv fclijp aixvov aal ^ çâvov * TavTa de Televtala ' to de Iç7^à XafAßivBiv wtb nçw' Tov TO âëÎTcyov (vgl. Diokles bei Ath. 74 b). 176,5: ngoninvt de ngo tov deljtvov xai niveiv fiixQi tivog vdiaç" SrteiTatoiç fikv ioxyovç piélava XercTov olvov, pie^à âk to deînvov iUvxor, Tovç ôè evaaQxovç dià TéXovç Xevxov, vâaçéoTeQov ôè nanaç . . àxçoâçva ôè dvaxQrjata ptev ioTi nàvTa, ijxiaTa dk hoilA TOV Xàyov (xéTQia Xaptfiavopieva nço tvjv aiTiwv . . . Aus Pbfto- timos ist bei Orib. I 429 eio Abschnitt erhalten Ober die Frage: negi noaewç t^ç /ueirà tov altov rj tiqo tov, Herakleides htt* wie wir aus dem angeführten Bruchstück ersehen, in seinem SjiR- posion das Thema gleichfalls behandelt: in einem anderen Çragmeit <Ath. H 53 c) erwähnt er auch den Brauch, den Nachtisch, der ge- wöhnlich den Beschluss der Hauptmahlzeit bildete, vor dem Mable 2u geniessen und widmet der Frage, ob das gesundheitsgemittwif eine kurze Besprechung. Was das ngonlveiv anlangt, so want er vor übermässigem Trinken zu Beginn der Mahlzeit (120d:Yàs èk àd'QOovg iv clqxj} noaeiç èxxXiTéov), weil dadurch die Triok- fähigkeit nach dem Mahle beeiiitrMcbtigt werde. Diese Worte koflpfe»

1) Plut, quaest, symp.yUi 9, 3: al yàç xaXov/Awai yntx^i rçini'* nçÔTBçov oatQénDVf ixiv€9Vf Cüfiwv Xaxarcjv, mtfnêç ilsyev o J7XoT0r, 0* ovçàç éni üto/ia /âerax&elaaif rrjv nçtôxi^v àvrl Trjç iuxiffj^ râ^tv fyn^^ fiéya xal to xœv xaXovfxéveûv nçono/uaTcav' ovdè yà^ v9a^ 01 stoi«**« nçiv évTçayBiv , imvov ' oi Si vvv âcêTOi nço/iêdvud'évxaç ajttoPtM î^* TQOfftis Siaß^xV '^^î* ocifAaTi xai l^éovxi^ Xenxà xai roftà xai ôfta fffH* ^iQOvTeSy vnéxxavfia t^c oçéSems, êîra ovrmç ifi^QOVfiêvoi Tcur «iÜUfV« Mocrob. tat. Ill 13, 12. Plin. XV 143.

ZUR GESCHICHTE DER MEDICiN IM ALTERTHUM 365

i die von AtheDaios 45 d behaDdelte Frage des ngonivBiv an. ier werden die nachtheiligen Folgen des Obermässigen ngonlveiv ifgezählt und der Rath ertheilt, vor der Mahlzeit LeibesQbiingen Hnanehmen, zu baden und darnach möglichst gutes Wasser, im ^ioter und Frühling warmes, im Sommer kaltes zu trinken, aber wh darin Maass zu halten, und wem das nicht genehm ist, dem Dpfiehlt er warmen, mit Wasser versetzten süssen Wein zu trinken, isonders den mytilenäischen Wein {nqoTQonoç). Es liegt auf der ind, dass in diesen Ausfahrungen gleichfalls Gut des Herakleides »fliegt, und es verdient besondere Hervorhebung, dass seine Vor- hriften an die des Diokles und des Pneumatikers Athenaios an- ingen. Diokl. bei Orib. HI 172, 2: naXdic dh ïx^i yvfAvà^ea&ai c fiQo %ov àgiazov) vovg iihv véovç xa^ nkeiovwv yvfÂvaalùtv If ofiévovç xai] ÔBOfxévovg elç vo yvfÂvaaiov anoxtfQijoavTaç^ âè ngeaßvTiQovg xai aa&eveaTéQovç elç ßakavelov .... iHta fiBQifyaâ^Bvov XovxqÇ aQii6%%ovTi XQ^oaad'ai, 174, 1. 76,5. A th. bei Orib. HI 186: noiia (àïv oiv êaiw axolov&wç tîç oQfialç xai vaîç %'^ç g>va€wç oçé^eaiv idaçiateçov xai fj ^eçfAOv ayav, ykvxéog fjikv kv nçofcOfAorc nçorçonov ij 2xV' îUtov ij TIVOÇ %(âv OfÂOlwV,

In dem Bruchstück des Herakleides bei Ath. 111120 c folgt ne Aufzählung der Gemüse und Schalthiere, die seiner Ansicht ich dem Magen zuträglich sind und deren Genuss er desshalb zu ÜB ngonivBiv empfahl. Bis auf das alaagov^ das an dieser teile von Athenaios nachgetragen wird, daher das Epicharm- und nd Dioklescitat,^) sind ihnen an verschiedenen Stellen der Com- ilation des Athenaios besondere Capitel gewidmet, mit den für t medicinische Quelle charakteristischen Citaten:

aoTcàçayoç II 62 d mit einem Citat aus Diphilos 62 f.

têvtJiov VIII 371a gleichfalls mit einem DiphiloscitaL

xoyxaij awX^veg, /avec x^aXatrioi, x^if^^h ^'^éveç III c. 34 is 44 mit Hikesios-, Diphilos- und Mnesitheoscitaten.

taqlxri III 120 e mit Diphilos- und Mnesitheoscitaten.

q>vlXiq II 66 c.

1) Das Dioklescitat steht ausführlicher bei Plin. XX 34: uHnam ciet (sc. wr 0rralieutn), ut Ophion credit et venerem, in eadem sententia est et ^oeht; praeterea cordi convenir e convalescentium aut post muitas vomi' nês perquam uüle. Es folgen Gitate aas Herakleides (v. Tarent.), aas Hl* sios: das stammt sicher aus dem Tareotiner. HennM XXXV. 24

366 M. WELLMANN

Der Zusammenhaog jener Partien mit dem Bruchsttlck dl Herakleides ist so augeofällig, dass ich sie UDbedeoklich fOr P in Anspruch nehme und die Vermuthung ausspreche, dass sie Wi ihm im Anschluss an die Erörterung Ober das nQorcivuv uj TCQoea&iêiv in seinem Symposion behandelt worden sind.

Soviel lehrt die Analyse der geringen Bruchstücke, dass seil aviAftoaiov eine Compilation war, in der mit reichem Excerptea- material die xu einem Symposion gehörigen Speisen und Getriske nach ihrem diätetischen Werth, sowie eine Reihe von hygieniscJMo, gleichfalls mit dem Symposion in Zusammenhang stehenden Fnfes behandelt waren. Das Band freilich, das diese hochgelehrten and wejgen der Excerpte aus alteren Aerzten überaus werthvolleo Er- örterungen zusammenhielt, lässt sich mit unseren Mitteln nidil mehr erkennen : dass sein Symposion ein Dialog gewesen ist, wie Hirzel a. a. 0. anzunehmen geneigt ist, möchte ich stark bezweifdo.

Ein derartiges Excerptenbuch steht aber auch dem grosiefl Empiriker zu Gesichte. Es ist bekannt von ihm,') dass er audi sonst in seiner ausgedehnten Schriftstellerei seinen Vorgängern àt weitgehendste Berücksichtigung hat zu Tbeil werden lassen. Die Aerzte Hippokrates, Diokles, Phylotimos, Euenor, Nyraphodoroi, Andreas, Protarchos, Andron, Demetrios von Apamea, Serapioni der lologe ApoUodor und vor allem sein Lehrer Hikesios*) sad erwiesener Maassen von ihm benutzt worden, d. h. zum Tbeil die- selben Aerzte, deren Excerpte bei Athenaios vorliegen. Dieitf Charakter seiner Schriftstellerei kann nicht Wunder nehmen, weal man bedenkt, dass er der empirischen Aerzteschule angehörte, d. b jener Schule, für die bekanntlich die lotoqla rwv a^x^iW eia« der Grundlagen ihres Systèmes war. Und wenn Galen in leiiei Schrift neçl nXrj&ovç (VII 557) die Schriftstellerei der Empirikei mit folgenden Worten charakterisirt : anavia yàq à^Qoiaam\ elç TavTOy oaa twv ooyfuatixwy exaattf) lékexTai, vofiljÇ/in>u fièv €X(pevy€iv ix tovtwv têtç ixelvfov ànoçiaç xrX,, so glwA ich ohne Furcht vor Widerrede den Herakleides zu den Empiriker auf deren Werke die obige Bemerkung des Galen zielt, rechnt zu dürfen. Der Zweck , den die Empiriker bei dieser Schri

1) Vgl. M. WellmaDQ zur Geschichte der Medicin im Alterthome Ztschr. XXIII 5Ô9 f. Susemihl Gesch. d. Alex. I! 4t9.

2) Vgl. Susemihl a. a. 0. Im HomonymenTerzeichniss bei Diog. L ^ siod beide versehentlich getrennt.

ZUR GESCHICHTE DER MEDICIN IM ALTERTHUM 367

tiellerei verfolgten, war der, durch Coostatirung der grossen Mei- nangsferscbiedenheit der Dogmatiker die Unerrassbarkeit der aorjla, auf deren Erforschung die dogmatischen Aerzte den grOssten Nach- druck legten, theoretisch zu begründen. Somit halte ich die Ver- mulhung Hirzels fOr gesichert, dass das Symposion des Herakleides xar Bekämpfung der dogmatischen Schule verfasst ist.

Auch das letzte der für den Autor des Athenaios erkannten Merkmale, Beschäftigung mit Hippokrates, trifft auf Herakleides XU. Es steht durch Galens Zeugniss unumstösslich Test, dass alle Schriften des Hippokrates von ihm commentirt worden sind, vgl. Gal. XVI 1 : duqxtjrriaav nçoç o[XXi]Xovç ol TtaXaioi i^rjyrjTOÏ nîç\ vovTOv %ov ovyycafAfAcnog (sc. neçl x^f^^"^)' o fxhv yàQ Ztv^ig xal 'HQaxXeidrjç 8Xwç àno %wv yvrjalwv 'iTtTtoxQavovç ßißUiJv TO neçl x^f^^ anoßdXXovaiv' aSv 6 iihv Zev^ig xal fiCT* avtov ^HçaxXêlôrjç eiç Ttavva ßißXla Unnoxgatovc yéyQaq>€v, vgl. Gal. XVIH B 631.

VI. In dem bekannten Laur. 73, 1 (s. XI) des Celsus ist uns

Unter dem Celsustext fol. 142"^ ein Verzeichniss griechischer Aerzte

erhalten, das trotz der Veröffentlichung in dem Katalog der Lau-

rentiana von Bandini bisher für die Wissenschaft noch von niemand

nutzbar gemacht worden ist.') Ueber die Entstehungszeit dieses

Verzeichnisses sei soviel gesagt, dass abgesehen von dem mir un-

hduonten Laurentius(?) keiner der aufgezählten Autoren diesseits

des 6. Jahrhunderts liegt : der jüngste scheint Muscio zu sein, der

von V. Rose in seiner Ausgabe von Sorans gynaecta edirte Ueber-

letzer des Soran, der Zeitgenosse und Landsmann des Caelius Au-

reiianus und Cassius Felix,') vorausgesetzt, dass der Verfasser unter

tan schriftstellernden Escolapius nicht etwa den Verfasser der un-

gefiUir ins 7. Jahrhundert*) fallenden Compilation aus Caelius Au-

relianus verstanden wissen will. Der Verfasser besitzt eine nicht

verichtliche Kenntniss der medicinischen Litteratur der besten Zeit,

die Erwähnung der medicinischen Fälschungen auf den Namen des

Chiron, des Asclepius, des Hermes trismegistus^ Manetho, Necbepso

ood der regina Cleopatra, die ja zum Theil schon dem 1. resp.

1) Vgl. hierzo die Königsberger Dissertation von Otto Kroehnert caito- nesne poetarum tcriptorum artificum per antiquitatem fueruntt 1897 54 f.

2) V. Rose praef. IV.

3) V. Rose jéneedota II 117.

24*

368 M. WELLMANN

2. Jahrhundert v. Chr. aogehOren, kann uns bei einem Arst dei spateren Zeit und das war doch wohl der Verfasser nich Wunder nehmen. Das Verzeichniss heginnt auf der rechten Co lumne von fol. 142^ und umfasst ausserdem die beiden Colomn« der nächsten Seite. Sein Wortlaut ist folgender:

Fol. 142^ nomina auctomm medidnae Aegyptiarum pel Grm carum et Latinorum.

Escolafius item qui graeca lingua scripienm

Podalirius Chiron Thessalus

5 et Machaon Hippocrates

eins filii Heraclidis filius Cous

Äselepius [eius] Soranus

nepos Escolapi Galenus

Hermes Trismegistus Dioscurides 10 Manetho Musa

Nechepso Euphorbus

Cleopatra Äsclepiades

regina Uenemachus

1 Grecorum cod. 3 Scolapius cd. g^eca 4 Podaniiut

5 Bipocrat 6 chous 8 Solapi Gallienus 9 trimegitUut ^ Diu- scoridis 10 emmanetos 11 Necepso Eufuranus

4) Aaf den Namen des Xßicmv gefälscht war das von Suid. «. o. erwilnU inn&arQiHov und die vno&^neu 8i* inmv nçhi läx^^a. Die erste FilschoDf ist älter als das 4. Jahrhundert, da Yegetius sie bereits kennL E. Oder wd darüber neues lehren, Tgl. ferner V. Rose Anecd, 11 120. 122. GaL XlV Uli wo ein Mittel des 'Inniœv 6 Kêvrav^ios (sic) steht

7) Asclepios als Arzt bei Paul. Aig. VII 13 mit einem Cft^fui fi;^« Ausserdem bezeugt der Hippocratescommentator Stephanos too Ihm eiaea Gommentar zu den Aphorismen : vgl. Dietz schoL in Hipp, et GaL I 458. 418> Der Name ist natürlich ein Pseudonym, vgl. Geop. XX 6 und data Oder Rk Mus. XLVIII 21.

10) Eine medicinische Fälschung auf den Namen des Manetho lernen vir aus Paul. Aig.VII 13 kennen, wo ein Mavé&atv mit einem CftTfYfM 8êà «ftf- xlrjQ erwähnt wird.

11) Die umfangreiche Fälschung auf den Namen des alten Aegypterk6iM|i Nechepso ne^i U&iov ylvfije fallt bereits in vorgalenische Zeit: Gal. XO Wl< Oder in Susemihls Litters turgeschich te I 866 A. Euphorbus (Enfarboa) is der Bruder des Antonius Musa und Arzt des luba (Plio. XXV 77).

13) Menemachos aus Aphrodisias, Schüler des Themison, gehörte 4e methodischen Schule an, Tgl. M. Wellmann Die pneum. Schule 7 A. 1.

ZUR GESCHICHTE DER HEDICIN IM ALTERTHUM 369

Fol. 143'

Philoûoenus

Chrysippus Erinei filius

Paccius Antiochtis

Crito

Cnidius

Philonides Catinensis

Niger

Lysias

Lupus Pelopis

Apoüonius

Laurentius

Hipposiades

Pergamenus

Philippus Cous

Antyllus

Herodotus

Demoeedes Cdliphontis filius

Ardiigenes

DiiKles Archi-

Crotoniensis

Mareellus

dami filius

Dracon

Lucius

Carystius

Hippocratis filius Cous

Lucius

1 Siroxenuê Chriwippui erui anthiocus 2 chmdius Ft-

^nis catefuis 3 LUiuê pelobi 4 Hippostiadas 5 Pergamin ^»nHUui 6 calUfantes arcigenis 7 arcidä crodonieruit 8 Li- «««I 9 cariâtius

1) PhiloxenoB aus Alexaodreia, Verfasser einer Chirurgie ans augustei- ^ber Zeit: vgl. VL Wellmann Die pneum. Schule 123. Paccius Antiochus, ^öler des Philonides (Scrib. Larg. 97), aus spätaugusteischer Zeit, Verfasser ^ner Arzneimittellehre.

2) Crito ist der bekannte Leibarzt des Trajan: M. Wellmann Die pneum. ^bole 14 A.7. Oeber Philonides, Tgl. diese Ztschr. XXUI 563.

3) Lysias wird von Celans V 18 und Gal. XIII 49 erwähnt. Vermuthlich ^t er der Verfasser der Schrift naffi xif^ltov na&àv in mindestens vier Büchern (G. Aar. M. Chr, IV 3), die Soran-Caelius Aurelianns erwähnt. {M. Chr, II 7. n 1, wo er zwischen Thessalus and Themison genannt wird). Bekanntlich rthrt die Unterscheidung der acuten nnd chronischen Krankheiten erst von Asdepiades ber, also muss der Verfasser junger sein als Asclepiades. Uebrigens kthrt dieselbe Gormptel des Namens bei Cael. Aur. wieder. Ueber Lupus Pelopis, Tgl. das folgende.

4) Ueber Apollonios Pergamenos, vgl M. Wellmann Die pneum. Schule 17.

5) Ueber Philippos und Antyll, vgl. meine pneum. Schule 19 A. 2 u. 18.

6) flerodot war der pneumatische Arzt: pneum. Schule 14. Ueber Demo- eedes, vgl. Krische Die theologischen Lehren der griechischen Denker 72 A. 1.

8) Galen kennt zwei Lucii, einen Lucius aus Tarsus (Gal. XIII 295 aus Andromacbos) und den jitSnuoi Kad^yrjrr^, den Lehrer des Asklepiades o ^/UÊtUmv (XUI 972. 969), also aus der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts A. Chr. Dass beide verschieden sind, folgt aus dem Excerpt, das Gal. XIII 289 ff. ans dem pharmakologischen Werke des Andromachos giebt, in dem er Mittel g^egen Dysenterie anführt aus einem jiovntoi (292) und einem ^ovxioç Ta^- cevt (295). Beide waren auf pharmakologischem Gebiet schriftstellerisch thâtig. Die Gitate des jiavutoi na&ijyrjri^Q stammen sämmtlich aus Askle- piades, vgL XIII 287. 524. 648. 746. 829. 846. 850. 852. 857. 934. XII 767. 787. 828 o. Ô.

370

10 Nicander Theophrastus Andreas Thessalus Hippocratis

15 filius Cous HerasCappadox Andromachus Theomnestus Themison

20 Thessalus Menecrates Elephantides Muscio Eudemus

25 Sostratus

M. WELLMANN

Praxagoras Nieardii filius

Herophilus Ckaleedonius

Erastslratus Cleomhroti

filius Ceius

Xenophon Alexandrinus

Dionysius Cyrtos

Callimachus Bithynius

Asdepiades Andreae filius

Heraclides

Menodorus

Archibius

Pythagoras

Empedoeles

Democritus

Chrysippus

Serapion

Attalus Nieeraius Tharseas Thessalus ex JVeckq^

90(1)

10 nicanairi fiUu* 11 HerofiUus ealeedonius Nigeratoi 12 An- sistratus eleobroH Tharteus 13 filius Hum 14 yppoerateê t^^ fion 15 CËutos 16 Eras capadox Scomachus btUnius 17 in* dromacus 18 Theonestus EracHdis 20 arcibius 21 Msnegni» pithagoraw 22 EHfaniides Etnpodedes 24 Crisippus 15 Se- stradus Sepion

10) Âllalus ist der leiste König von Pergamum, Attains ID. Philonettfi vgl. meine Ausführungen bei Susemihl a. a. 0. II 415.

11) Niceratos ist der bekannte Asklepladeer, der ein Buch über Ph«»- kologie schrieb (Diosc. praef. 2), ans dem bei Galen eine Reihe von Mituli erhalten ist (XII 634. XIII 96. 98. 87. HO. 180. 232. 233), vgl. Plin.XXXI 101. Ind. XXXI. Er schrieb über den Schlagflnss na^ Kccvaili^yMK, ^ Gael. Aur. M. Chr. II 5.

12) lieber Tharseas, vgl. meine pneum. Schule 58 A.

16) Hera» aus Kappadokien ist der von Galen sehr häufig erwähnte Vtf^ fasser eines pharmakologischen Werkes mit dem Titel va^&tfi oder fi«^ Swa/Mofr (Gal. XUI 416) aus der Zeit des Augustus oder Tiberius. Gdiai (V 22) erwähnt ihn bereits, vgl. Gal. Xll 989, Garg. Mari. 135 (R>. Nichts verwechseln mit ihm ist der im folgenden genannte Heron, den Gels. VO^w als bedeutenden Chirurgen kennt aus vorchristlicher Zeit, vgl. VII 14. Sor gyn, 1 21, 70 (239, 23 R, wo nichts zu ändern ist). Gal. XII 745.

18) Theomnestus wird von Plin. Ind, I 33—35 genannt Ein spItertfTk war Leibthierarzt Theoderichs des Grossen, vgl. Ihm Rh. Mas. 47, 318.

19) Menodorus war Erasistrateer und Freund des Hikesios. Ath.Il^** vgl. Gal. XIII 64. Orib. IV 161.

22) Elephantides wird von Soran citirt bei Gal. XII 416.

ZUR GESCHICHTE DER MEDICIN IM ALTERTHUM 371

roM Glaucias

liodorus Plistonieus

oUonius Cassius

t1jhanes(T) Cteophantus

26 Enm Claucitu 27 EUodorus 29 Epifanes Clefantes

lokbar sind wir dem Verfasser für die Notiz, dass Diokles ein ^ho des Arcbidamos gewesen. Der Name ist uns nicht unbe- iDDt, führt doch eine der Schriften des Karystiers den Titel 'çxlôa/iioç.^) Wir lernen nunmehr, dass sie nach seinem Vater, T gleichfalls Arzt war, benannt und gegen die von ihm ver- eteoe Theorie gerichtet war, dass die ^rjcotcißla dem Ein- iben mit Oel vorzuziehen sei. Unbekannt waren ferner der Ascle- ades Andreae filius, die Aerzte Hipposiades und Philippus Cous. Br Name des Chrysipp kommt zweimal in dem Verzeichniss vor. er eine Chrysippus Erinei filius Cnidius ist -der bekannte Be- eiter des Endoxos auf seiner ägyptischen*) Reise, die von Wila- owitz Antig. v. Kar. 325 in die sechziger Jahre des 4. Jahr- loderts') verlegt ist, der jüngere Zeitgenosse des Plato.^) Wer w der zweite? Dem Uebersetzer des Soran, Caelius Aurelianus trdaoken wir die Kunde von einem zweiten Arzt dieses Namens, Dem Schaler des Asklepiades, der über Würmer (de lumhricü) »cbrieben (C. Aur. M. Chr. IV 8) und zwischen Lethargie und italepsie unterschieden hat (C. Aur. Ä. M. U 10. 12).

Chrysippos hiess aber auch der Lehrer des Erasistratos nach im übereinstimmenden Zeugnis» des Piinius, Diogenes Laertios id Galen. Ich setze die Stellen her. Plin. XXIX 5: Horum (sc. iffocratis et Prodicx) placita Chrysippus ingenti garrulüate mu--

1) Gal. XI 47t ff. Mehr über ihn wird Bd. I der von mir heraasgegebenen tgmenta medicorutn Graecorum geben.

2) Diog. Laert. VIII 87 : Sio 8rj fAr,va9 diarçiyfavra (sc. êt^ Ileigauii) ni* inavßX&elr (sc. Evio^ov) nai n(H)Q rtüv <piXafv igavêa^épra ßis Ai- ymw ànàqtu fi9xà Xçvcinnov toi iargov, avaxetviKàQ tpéçovxa na^ ^y^- i«ov Ttf^Q Natetdvaßev, Die Nachricht stammt aus Sotions 8iadoxai, vgl.

L. VIII 89.

3) Anders Böckh ober die vierjährige Sonnenkreise d. Alten Berl. 1863 i2f., nach dem diese Reise schon ins Jahr 379 fällt. Vgl. R. Helm über '«Lebenszeit der Aerzte Nikias, Erasistratos, Metrodor und Chrysipp, diese l«chr.XXIX167ff.

4) Der von D. L. VIII 89 erhaltene Name seines Vaters wird durch un- 'f« UeberlieferuDg in erfreulicher Weise bestätigt.

372 M. WELLMANN

tavü, plurimumque et ex Chrysippo di8cip%du8 en» Bramtraimm Aristotelis filia genitus (sie) (Quelle ist Varro). Diog. L. VII 1%^ yiyove ôè xal alloc Xgvacrtnoç Kviôcoç largoç, noQ* oi ^^ aiv ^gaalatçarog eiç ta ixaliaxa (üq>elrja&ai. Gal. XI 17/; tI not' ovv avToç 6 'EgaalarçaTOç xa&alQOvai XQV^^*^ 9^f* fÀQUoiç xai ohov ôéôwaiv vêati tpvxQV xe^ayyt;^ ailoiç tiOi xaî xolsQixolç; ivxavd'a fiiv ys (poQTixtâç Ixavwç inai- J vwv %ov ôiôacKalov XQvainTtov, i^evQovta ßoi/]&t](Aa nij- ôevi Twv ifjinçoa^ev iyvwofAévov , fÀOvov diaçxèç elç ïaoïf Xoleçixcjv ijârj x^avâtfp nelaUvTWv^ vgl. Gal. XI 151. 197.251 Mao hat sich daran gewöhnt, diesen Chrysippos, der gleichfalb aus Knidos gebürtig war, mit dem Begleiter des Eudoxos zu iden- tificiren. Meines Erachtens ist das eine chronologische Ungeheueh lichkeit: denn der Begleiter des Eudoxos war ein Schüler des od 380 blühenden Philistion von Lokroi, wie Plato und Diokles tob Karystos,') während wir von dem Lehrer des Erasistratos erfahreo,*) dass sein Sohn unter Ptolemaios Philadelphos, nach einer an- sprechenden Vermuthung von Wilamowitz*) zu Beginn der sieb- ziger Jahre des 3. Jahrhunderts ums Leben kam , und dass seil Schüler Aristogenes nach 276 Leibarzt des Antigonos Gooatai wurde.^) R. Helm hat a. a. 0. 161 f. der althergebrachten, bisher unbeanstandet gebliebenen Identiûciruog zu Liebe die Lebeosseit des älteren Chrysipp herabgerûckt (geb. 390), aber auch dorcb diesen etwas gewaltsamen Reckungsversuch, der stark an dasVe^ fahren des Prokrustes erinnert, wird die chronologische Schwierig- keit nicht gehoben. Die Zeit von Vater und Sohn, von Lehrer : und Schüler würde 110 und mehr Jahre betragen, was beides die Grenzen der Möglichkeit überschreitet. Ich sehe die einzige Mög- lichkeit, in dieser schwierigen Frage Klarheit zu schaffen, darin von den Bruchstücken des Lehrers des Erasistratos ausgehend die

1) Vgl. darüber meine Ausführangen in Bd. I der Fragmenta.

2) D. L. VIII 1 86 : «al ëre^s (sc. X^amnoç) vlos rovrov (sc. des Lehrcft des Erasistratos), larços nroXe/iaiov j vs Suzßlr^d'eis nê^fjx^^ ntd fiMMif yovfievos ixolda&rj, Schol. Theoc. XVII 128: HrolêfiaU^ r^ ^dàiÛff avvq'xBê nçôre^ov ^Açaivorj tj yivaifiâxov^ a^* r^s xai jai/Q naldas èyimftfn^ JltoXßfxaiov xai yivaifiaxov xai Beçavixt^v. inißovltvovaar Si reeiniP iir çwv xai aiv avrf, yi/uvvrav xai Xçvamnov lov KviSior (PàSiov ood.) U- T^ov TovTOvç fièv àvàîker, avrr^v éSé'nefitpev êÎQ Kontbv xrfi Sfjfiatiaî iêxL

3) Anlig. V. Kar. 326.

4) Vgl. meine Ausführangen bei Sasemihl a. a. 0. 1 783.

ZUR GESCHICHTE DER MEDICIN IM ALTERTHUM 373

Frage xu beantworteo, was lehren sie uns über Zeit und Richtung dieses Arxtes. Die einzige Quelle für seine Lehren sind die Schrift Galeos Tteçl q>X€ßoTOfilac ngog ^EgaalatgaTov (XI 147), die aus einem gegen den Erasistrateer Martiales gerichteten Vortrag hervor- gegangen war/) und die spätere Schrift desselben Verfassers negl (plsßotofjilac fiQoç ^EQaaiOTQavelovç tovç iv ^PcifAj] (XI 187). Eine sichere Gewähr für die Authenticität dieser Bruchstücke giebt die Thatsache, dass sie aus seines Schülers Schrift negl aïfAatog àfoywyrjç stammen. Seine Schriften waren damals eine Selten- heit, wenigstens klagt Galen (XI 221) darüber, dass sie dem Unter- gange geweiht seien.

Das bekannteste Dogma des Chrysipp, mit dem er sich in Widerspruch zu der ganzen älteren Medicin gesetzt hat, ist das Verbot des Aderlasses. Gal. XI 252 : tovrwv yag %oi ro Steçov (sc aus Renommisterei neue Dogmen aufzubringen) 6 Kvlôioç X^oiTtnoç ena&ev i^ekùv navtanaai q>keßo%ofAlav tuiv ßorj- ^fiarwv %(Zv laxçmûv' iqxoXov&rjaav d* av%(ß aal ol ^a&T]- talMijdiog ts aal 'ulçiaToyévrjç 'évôo^oi xal avTol naQ^^'El- k^oi yev6fÀ€voc, tovtcjv d^ ini fÂÔlkov o 'EgaalaTçaToç elç ié^av àçâ^eiç XafjmQOtâjriv ig>vXa^e t^v XQvainnov yvaffÀrjv, Seine Schüler Medios, der Oheim des Erasistratos, Aristogenes und Erasistratos selbst waren ihm darin gefolgt (Gal. XI 197), dem Erasistratos wieder seine Schüler Straton und Apemantos, aller- dings mit der yerschiedensten Begrüudung. Gal. XI 150: ^ d' ttiî/o dl' ^v ovx ixQ^'^^ g)XeßotofAl(f , vo fièv àlrj&éaTaTov 9«^««, vâx^ av t(p do^ece fiavveiag ôela^ac, %i yàq äv Tic üOBlrj nwg 'Eçaolatçatoç iylvœaxev vtiIq tav airog oiökv iftffjfiovevae ôie^odixaiç; o/àwç d' ovv iToXfArjadv Tiveg ano- HOfTBvaaa&ai ttjç yvwfÀfjç avtov' natàqxaQoi ô' elaïv afiaç- ^àfovteç ovx TfXiata i^ wv nçoç àXX7f\lovç ôiaq>éQovtai. âoxeî Yqq av%wv ovôevî ta avrà xal to navTiav ôeivoTatov, oti fifjô avTOÎç Toîç avfAq>oiTriTaîç ^hv toi ^EgaaiaTçâtov, ^aâ^j- ^öfe de XçvalfiTtov tov Kviâlov, ovTteç d^ nçwTov iro âoy^a tavT* rjv, fÀTi XQ^^f^^f' q>X€ßoTOfAl(f' ovâè yàç Ixeivoiç ofAoko- Mtai neçl ttjç Xçvainnov yvwfirjç ovôév .... Wodurch war ïeses Verbot bedingt? In letzter Linie ohne Zweifel durch die obe Werthschätzung des Blutes, die seit der Zeit des Empedokles

1) Ilberg Rheio. Mos. 47, 497. 51, 181.

374 M. WELLMANN

TOD der sikelischen Schule und voo der durch sie (Philisüoo tq Lokroi) beeinllussteD knidischen Schule vertreten wurde, bmi kam aber bei Ghrysipp etwa8 anderes. Wir erfahren genauere darüber durch das von Galen aufbewahrte (XI 148, vgL 176. 279. 234) Bruchstück des Erasistratos über die Therapie des Blutspeieiii ich muss es ganz ausschreiben: àrcoôéoeiç de noula&ai {içloiç} naçà re ràg fAaaxàXaç xal xovç ßovßwvac, /ui) aaneç htoi TcJy /ÂifÀOVfAévwv TÙç y^eçaneiaç ovâkv naçaxokov&ovrreç ai- fia%oç xa^iv %avra noiovvtai, àXX^ anortié^ovrai Ixavdiçfoîç ôeofÀOîç, iv yàg toîç anodovfiévocç fiéçeai %ov awfuxtpç tcXbîov alfia anoXafißdvetai' ârjloî âè ^ %e diâvaaiç m q>Xeß(üV nal iq q>X€ßoTOfAia' nokv yàq rtXelov ^€î, orav (ou éd.) anoôed"^ to ckeßoTOfAOVfievov fxéQOç %ov OùifÀoroç. M ôè fr^ç dvaywyilc %ov aï/Âatoç nkeîatov anoXafAßdvBtai toi aifÀOTOç ano r^g ânoôéoêwç iv te %oiç anéleai xaî roiç ß^ Xloaiv. èXâaaovoç yàç yivof^évov tov tcbqï vov &wgttxa{ai' fiavoç) xa« iXag)Qotéga ïatai ^ àvaytoyri' %6 ô' av%6 fovtê ßovXovToi Ttoieîv xal ol cXeßotOfiovvvec tovç àvayovraç ù alfia, àXXà noXv ßiXriov o XQvamTioç, ov (âovov to naçiff InißXiniav, àXXà xal tov iftKpBQOfiévov xivôvvov q>QOvxit,w, eX^fiBVog yàg tov TtBgi Trjv àvaywy^v o xatçt ttjv q)XByiionp xlvôvvog, èv (p ngoaçégBiv fièv ov g^dcov, q>XBßoTOfAri^ini ôè xal noXvv xgôvov aaiTijaavTC xlvàvvog ixXv&^vai* o fi {XgvainTiogy ttjv ivvndgxovaav Tgoq)fjV èv T(p aci/naTi xoie^ ya^o^évriv Big Tonovg àXvnovg {aXvxovg éd.) fAeraaTr^aafJiBifOÇi xa^' ov xaigov o Tr^g ixXvaeiog xlvàvvog^ otav ôè ovrwç ntf çaXXa^jj, kTolfjLOv TavT* ijdï] XQ^H^^og xal firj ngoaq^iqi^ àvayxaÇofÂBvog, axgœg nsgiTTog Tjj àtavoiff xal a^iog ènahoif xal ôi^ oXov axoXov^wv avxog éavTtp, Darnach hatte Cbiysipp bei dieser Krankheit an Stelle der Venaesection das Binden der Glieder mit WollPaden') empfohlen, indem er, wie Erasistratot

1) Vgl. Gael. Aur. M. Chr. II 13: item de ligalionibuM (sc. in kaemtf rhagiae curatione) pvgnaveruni. tiquidem Xenophon et Dionysiut et Bff*' philus primo libro curationum et Erasistratus probant articulorum /"«• ciendaîfi coTutrictionem, Herophilus vero capitis et brachiorum et (^ viorum^ Erasistratus m agis inguinum et alarum, etenim laœationem itMl^ sanguinis approbat fieri retontionem. Doch verwarf Erasistratos den Adff* lass nicht völlig, vgl. G. Aur. a. a. 0. Da Ghrysipp als Erfinder dieses Ver- fahrens gilt, so ergiebt sich, dass Xenophon, der bekannte Schüler des Praxt- ^oras, Dionysios und Herophilos es von ihm übernommeQ haben, Tgl. Gels. H

ZUR GESCHICHTE DER MEDICIN IM ALTERTHUM 375

obend hervorhebt, Dicht Dur auf den gegen wärtigeo Krankheits- ;iistaDd Rücksicht nahm, soodero auch auf die mit der Krankheit rerbuodene Gefahr achtete. Denn er wusste, da^s durch diese Innkheit leicht Entzündungen hervorgeruren würden, und er vertrat eraer den Grundsatz, dass bei der Entzündung völlige Enthaltung OD Speisen {àaivla) zuträglich sei. Demnach würde der Patient, veoD sich zu der Entziehung der Nahrung noch die Entziehung Blut geselle, zu sehr geschwächt und es bestehe die Gefahr, lass er in Folge allzu grosser Schwäche ums Leben käme (vgl. laL X 376 f.). Durch das Binden der Glieder dagegen würde das Hut der Brust entzogen und ausserdem habe der Kranke während 1er durch die Entzündung bedingten Fastenzeit Nahrung genug ur Erhaltung des Körpers in den unterbundenen Gliedern. Wenn Ihrjsipp, was sich aus den Worten des Erasistratos ergiebt, die ilotzQndung durch Fasten zu beseitigen suchte, so folgt daraus oit Nothwendigkeit, dass er als Ursache derselben in Ueberein- timmung mit Erasistratos die Plethora ansaht d. h. die übermässige knfollung der Blutgefässe mit Nährstoffen. Demnach haben wir ^ coDStatiren^ dass Erasistratos auch die Lehre von der Plethora, lie bekanntlich in seinem System eine bedeutsame Rolle spielt, licht selbständig ausgebildet, sondern von seinem Lehrer über- kommen hat. Wie kam nun Chrysipp weiter zu der Behauptung, lass mit dem Bluthusten die Gefahr der Entzündung verbunden iei? Sein Schüler Erasistratos unterschied drei Entstehungsursachen ier Blutungen, Ruptur der Venen, Fäulniss ihrer Häute und die Anastomose, d. h. die Oeffnung der Venenklappen.^) Es liegt auf ■l^r Hand, dass er vornehmlich im letzteren Falle eine Entzündung ftls Folgeerscheinuni^ der Blutung betrachten musste, da bekanut- Bcb nach seiner Theorie Venen und Arterien durch Klappen mit ^oaoder in Verbindung stehen und da er die Entzündung aus dem gewaltsamen Eindringen des Venenblutes in die luftgefüllten Arterien erklärte.*) Bedenkt man nun, d^tss Galen von Erasistratos

11, 135: EraHêlratus komm (sc. qui sanguinis sputu laborant) crura quo- pu et femora braehiaque pluribut tocit deligabat, id Àselepiadei adeo um prodeue, etiam inimicum esse proposuit.

1) Vgl. Gael. Auf. üf. Chr. II 10.

2) R. Fuchs Die plethora bei Eras, in Fleckeisens Jahrb. 1892 S. 679 f., Diets Ueber das physikalische System des Straton Sitzgsb. der Berl. Akad.

(93 105.

376 M. WELLMANN

ausdrücklich bezeugt , er sei in alleo Stocken seinem Lehrer ge- folgtf') d. h. soviel wir beurtheilen können , auf physiologisdieB und pathologischem Gebiet , ein Zeugniss, das gestützt durch Pli- nius,') in den spärlichen Bruchstücken des Chrysipp yoUe Be- stätigung findet,*) so steht der Annahme nichts im Wege, da»

1) Gal. XI 197: xai ii ^avfiaarov ^Ecnciarcarov ëmad'aê myrt X^vainnqf t^ KviSiq^y nçorj^fiêvov ànoarrjvai. rov fleßoxofuiv m9%a^ uàiulvoç ;

2) Plin. XXIX 5.

3) Die von Gilen coostatirte Uebereinstimmong beider Lehren beiMt sich auf folgende Punkte: 1. auf die Verwerfung des Aderlasses, dea En* sistratos allerdings nicht TÖllig verwarf, sondern nur sehr beschrinktf, %, Gael. Aar. M. Chr. II 13. Gal. XI 191 , Tgl. Fuchs diese ZUcbr. XXIX 19H 2. auf die Ersetzung des Aderlasses beim Bluthusten dureh Unterbindeo der Extremititen in der Achsel- und Leistengegend. Gal. XI 148 f. GaeL Aar. IL Chr. U 13. Gels. IV 1 1. 3. auf die Verwendung eines Mischtrankes too Weil und kaltem Wasser bei der Gallenruhr, wenn der Kranke bereits den Tude nahe ist. Gal. XI 171 : %i nor* ovv avros b *EçaaimQaxos xad'digavct xif^» ipa^fiâxoêS Kai olvov 8iâœaiv vêajê ywx^fp Ksçavvvi cXloiQ riai wixh Xêgêxolç; ivrav&a fiiv ye (poQ-nxcii ixav£s innivcuv tov âàSdcxalw Xfr- amnov^ a>e iievQÔvra ßor,&rifia fir^dn^l xwv fynQoad'av iyvwCfUpov^ fuft^ âta^ès eis Xaa^v xo^*çi>xœv rjSij d'avaxt^ naXal^ovxofv. Genaaeres über in therapeutische Verfahren des Erasistratos bei der Gholera hat GaeL Aar. A* M, III 21, d. h. Soran aus seiner Schrift nê^l rcùv vyieivèâv erhalten. Daniaeh gab er lauwarmes Wasser zu trinken, um Erbrechen zu erregen oder nm die , Bitterkeit der Galle zu mildern: bei Kolikschmerzen empfahl er laowtrae \ Bähungen und Umschläge aus Gerstenmehl und Wein. Bei Ohnmächten fick lese: al si Spiritus (sitis ed.) defectio coegerii, vgl. Gels. IV 18. Aret. ftr* j4. M. n 4, 268) verordnete er lesbischen Wein, den er (Plin. XIV 73) besoodtfs hoch schätzte, mit kaltem Wasser, doch rieth er jedem Becher Wasser ntf zwei bis drei Tropfen Wein zuzusetzen und nach dem Erbrechen zu tiiokfl*' Gels. IV 18, 144 steht fast völlig unter dem Einfluss des Erasistratos, wovM sich durch Nachlesen jeder überzeugen kann, desgleichen Aretaios (ArchigeiMi) Cur, A. M. II 4, 268 f. 4. auf die Verwerfung der scharfen Porgantieo. Gil* ! XI 245: ovifoi àça nQoxaifiBvov éariv avrcß {avr6 ed.; gemeint ist Erti) Sia(pvhxjjeiv aal ro tov Xçvcinnov xai /t^ tpXeßotOfiiq XÜ^i^^^^ /*7" ^"^ tmv icxvQwe xa&aiçôvTeûv tpaçuâxœv^ vgl. X 377. 379. 5. auf die weittf I unten zu besprechende Diagnose des Fiebers. 6. auf die Bevorzugung und Ve^ voilkommnung der Anatomie. Gal. XV 136, wo Ghrysipp, Aristogenes (Àf^ yéwfjç ed.) und Medios als Analomen der alten Zeit genannt werden. D* Verbindung des Medios und Aristogenes, d. h. zweier Schüler des Gbrysi^ mit ihm macht es wahrscheinlich, dass der Lehrer des Erasistratos gemciit ist. 7. vermuthlich auch auf die Verwendung des Schwitzkastens bei 4(r Wassersucht, vgl. Gal. IV 495. Damit sind die uns erhaltenen Fragmente 4ei Ghrysipp erschöpft. Soviel Bruchstücke, soviel Uebereinstimmnngen mit Era-

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Chrynpp, als er von der mit dem Blutspeien yerbuDdeneo Gefahr der EotiQnduDg schrieb, besonders den letzteren Fall im Auge hatte und dass er Ober das Wesen der Entzündung dasselbe ge- lehrt hat wie Erasistratos, zumal da sein Schüler mit grossem Nachdruck hervorhebt, dass diese Ableitung des Blutes von der Brost durch Unterbinden der Glieder im Einklang stehe mit der sonstigen Lehre des Mannes {xai dt' olov axokov&wv airog icnnip), was doch nur den Sinn haben kann, dass er die Lehre foo den Synanastomosen kannte, deren Schliessung er durch die Ableitung des Blutes von der Brust herbeiführen wollte. Ist diese Annahme richtig, so ist der Schluss unabweislich, dass Chrysipp die fon Praxagoras aufgestellte Hypothese, dass die Arterien nur Luft, die Venen nur Blut enthalten, kannte, d. h. dass er jünger war, als der in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts lebende SchOler des Diokles.')

sistralos: ich meioe, dis sollte zu denken geben. Die Schrift na^l Xaxaveov <tchoL Nie. Ther. 845. Plin. XXII 83) gehört ohne Zweifel dem Schüler des Philistion an, für dessen Sehnte die diätetisehe Richtung charakteristisch ist: PbilisUon selbst schrieb n»^ 3éairijQj desgleichen sein Schüler Dickies. Seine Verdienste om die Diätetik werden noch von Porphyries (Porph. reliquiae ed.Scbrader! 165) gerühmt: %ov yàq dêauijrêxov *Hç69ixoç ftir ^çS^ro, aw- *ïïÛê98 9i xal *InnoitçoLtri9, Jl^aSayo^as, Xçvatnnoe^ vgl. Gels. I prooem, 2, 18. 1^. L VIII 89 kennt von ihm vnofivrjfiaja xoiXhara, In der späteren phar- Mkologiachen Lilteratnr ist seine Schrift von vielen Aerzten zu Rathe gezogen, ▼OQ Dionysios (vgl. Plin. XX 113), von dem Commentator des Nikander (Anti- fOBoi), von Sextius Niger, Diosknrides, Plinins, sogar eine Pflanze scheint >ach ihm Chrysippios benannt worden zu sein (Plin. XXVI 93. Garg. Mart. ^ Rose 152, 14). Ich meine, auf diesen Chrysipp passt unmöglich das ab- W%e Urtheil des Plin. (XXVIII 5), das ausserdem im Widerspruch steht mit ^ Porphyriosstelle : horum (sc. Hippocratis et Herodici) placita Chrysippus ^nUi garruHiate mutavit plurimumque et ex Chrysippo discipului eins ^uiitratuM etc. Dieser Chrysipp muss ein Arzt gewesen sein, der die medi- ^iaische Wissenschaft nm ganz neue Ideen bereichert hat, und das hatte nach ^ obigen Ausführungen der Lehrer des Erasistratos gethan.

1) Damit fallt meines Ërachtens auch der von H. Diels a. a. 0. geführte

^toweis, dass Erasistratos die seiner Lehre von den Synanastomosen zu

^niade liegende Vacuumtheorie dem Straton verdanke. Der Weg, auf dem

^ryiipp zu dieser Theorie, die er doch ohne Zweifel gleichfalls vertrat, ge-

iiogt war, ist ein anderer. Man wird sich erinnern, dass Plalo im Timaios

e.36. 37 (79. 80) in der von ihm ausführiich gehaltenen Darstellung des Ath-

iDOOgsprocesses hervorhebt, dass dieser Vorgang auf dem horror vacui be-

mile. Mod gebt aber, wie ich an anderer Stelle nachweisen werde, die pla-

iooische Erklirang des Athmnngsprocesses auf Philistion zurück: folglich ist

378 M. WELLMANN

Auf einem andereD Wege kommen wir zu demselben Reiidul- Von Empedokles und den Hippokratikern ist uns Oberliefert, da» sie das Wesen des Fiebers in einer abnormen Steigerung der w- gepflanzten Wärme saben.^ Dem gegenüber behauptete Erasitfn- los, dass das Fieber in Folge einer Entzündung auftrete, da«« also hervorgerufen werde durch das Eindringen des Blutes io die Arterien,*) und betrachtete als Zeichen des Fiebers die mkt- natürliche Pulsfrequenz in den Arterien. Die letztere Angabe w- danken wir dem Gael. Aur.-Soran und mit ihr zugleich die Qudie dieser Lehre. V. Rose Aneed. II 226 (vgl mit 208): alii enim cttutn naturam effectam mutationem sine externat causae adt>entu si§mm febrium voeaverunt, %U Aethlius (Agrius cod.), alii crebritatem pba ultra naturam, ut Cleophantus, Ckrysippus et Era$istratus. Eia- sislratos verdankt also seine Lehre von der Erkennung des Fieben an der Pulsfrequenz dem Chrysipp, und Kleophantos, des Kleon- brotos Sohn, hat sie ebenfalls diesem Arzte entlehnt, wShread Aethlius') als Erkennungszeichen eine widernatürliche Verflnden»! der Pulsation ohne äussere Ursache {avev nçoçàaeîoç g>a9i^ annahm. Eine erfreuliche Bestätigung dieser werthvollen Noiii erhalten wir durch Gal. XVII A 873: ov yàq h tt} tûv açnjçuif xivtjaei ri %wv nvçetwv iartv ovaia. tovto yàg onwg rjnit Trjvai Toîg Tieçl %ov 'EcaalavcaTOv te xai Xçvamnov^ ifi\ /Li€fAà'9'f]xaç. Vereinigen wir diese Worte des Galen mit der obig« Notiz des Soran, so folgt, dass Chrysipp wie Erasistratos die Pot* sationskraft auf die Arterien beschränkte, dass er ferner ve^8clli^ dene Arten der Pulsbewegung kannte und sie zur Grundlage seioer Semiotik machte. Diese Lehre hat meines Erachtens jene Vtf- feinerung der Pulsbeobachtung zur Voraussetzung, die uds voi

diese Vacuumlebre schoD vor Chrysipp in ärztlichen Kreisen verbreitet (i^ wesen. Chrysipp hatte, wenn er, wie später nachgewiesen wird, mit Enkel des grossen Knidiers Identisch ist, physikalisches Interesse: er schrieb fvaixà d'etoçT/fiara nach Diog. L. VIII 89.

1) Vgl. Alex. V. Aphr. in Idelers physici et medici gr, minores 1 Sî- V. Rose /énecd. II 226 (208). Plistonikos, Euenor folgten der hippokratiscM Theorie.

2) Diels Dox, 441 a 3. Gal. XVII A. 873.

3) Dieser Arzt kommt nur noch einmal in der Litteratur vor als \jàt« des jüngeren Chrysipp, des Enkels des Begleiters des Eudoxos t>ei D. L.VI1189'- Xqiainnoiy jéeO'Xîov /lad^ri^ç, ov ^sQanêVfiata fpé^nai 6çaxim,ti* (fx^aixcüv d'eacTißtciTafv tcùv vno tî^v Siâvoiav avrov nêcôvxmy.

ZUR GESCHICHTE DER MEDICIN IM ALTERTHÜM 379

Praxagoras Qberliefert ist (Gal. V 508). Praxagoras war der erste Ant, der die Pulsationskraft auf Herz uod Arterien beschrflnkle (VIII 702. V 561), seio nalf^og, xçofiog und anaafAOç siod weiter nichts ab Terschiedeoe Arten des Pulses. Ohne diese für die Se- miotik der damaligen Zeit so wichtige Entdeckung wflre die Schrift seines Schülers Herophilos negl acpvyfÀiàv unmöglich gewesen, ohne sie ist jene Lehre des Cbrysipp undenkbar. Der Lehrer des Erasistratos lebte also nach Praxagoras.

Nun sehe man sich die bei Diog. Laert. erhaltenen Notizen Ober die Chrysippoi einmal genauei* an. Nach VH 176 hiess der Sohn des Lehrers des Erasistratos Cbrysipp, nach VHl 89 hiess dagegen der Sohn des Begleiters des Eudoxos Aristagoras. Ich meine, deutlicher konnte nicht zum Ausdruck gebracht werden, fag beide verschiedene Aerzte sind. Man wende nicht ein, beide, Aristagoras und Chrysippos könnten ganz gut Söhne desselben Cbrysipp gewesen sein und Diog. L. habe den einen an dieser, 'eo anderen an jener Stelle genannt. Jeder, der unbefangen ur- tbeilt, wird diese an sich mögliche, aber höchst gezwungene Er^ klirong verwerfen gegenüber der von mir gegebenen Auslegung. Wir erhalten also auch durch Diog. L. eine erwünschte Bestätigung ftlr das vorher gefundene Resultat. Ohne Zweifel gehört der Lehrer des Erasistratos, der gleichfalls Knidier war, in diese berühmte Aentefamilie: dann ist er identisch mit dem von Diog. VIII 89 genannten Enkel des Begleiters des Eudoxos. Bei meiner Auf- bseang des Diog. L. erhalten wir folgendes Stemma für die Fa- Hilie des Cbrysipp, das ich in Verbindung setze mit einer Tabelle der medicinischen Nachfolge in der Schule des Philistion. Philistion von Lokroi

Cbryaippos, des Erineos Sohn^ Eudoxos Diokles

aus Knidos

I

Aristagoras Aethlios Praxagoras um 330

I I I

Chrysippos Chrysippos Herophilos, Mnesitheos,

Lehrer des Erasistratos

I

Xenophon, Plistonikos Phylotimos

Ihrysippos gest. etwa 272 Erasistratos, Medios, Aristogenes,

unter Ptolemaios IL Xenophon^ Hetrodor, Kleophantos.

380 M. WELLMANN

Es ist erfreulich zu coDstatiren, dass das gewonoene Resolut durch die bisher meist stiermQtterlich behaudelte Aogabe des Eusebiot bestätigt wird, dass Erasistratos zur Zeit des Aotiochos U. Tbeoi voD Syrien (262—247) 258/7 berühmt wurde. Seine Lebenaeit fôllt unter Plolemaios Pbiladeipbos und Euergeles, d. h. eine GeD^ ration später als die des Herophilos. Die Annahme SusemiUs,*) dass Erasistratos nicht später als 324 geboren sei» wird also dadureh zur Unmöglichkeit; wir werden seine Geburt schwerlich Ober 310 hinaufrücken dQrfen. Dann kann aber die bekannte, ihm tod der Sage zugeschriebene Heilung des syrischen Prinzen Antiochos I. (um 293, Tgl. Droysen Geschichte des Hellenismus 11* 2, 29^ nimmermehr auf historischer Grundhige beruhen. Nun entiilt Plinius an bekannter Stelle (VII 123) diese Geschichte von des Keier Kleombrotos und nicht von Erasistratos. Ich stehe demnach nicht an, diese Form der Sage mit Susemihl*) gegenüber des nichtssagenden Einwendungen Yon R. Fuchs *) fQr die ursprflof liehe zu erklären, und wenn man sich erinnert, dass der Vater des Erasistratos Kleombrotos geheissen,^) so steht zeitlich .nicht du geringste im Wege, in ihm den Leibarzt Seleukos I. Nikator (31} bis 280) zu sehen, von dem Plinius jene Sage berichtet« In diesen Falle wird auch mit einem Schlage begreiflich, wie die Sage iif Erasistratos übertragen werden konnte: der in späterer Zeit 1m- rühmtere Sohn trat in der späteren Ueberlieferung an die Stelle seines damals unberühmten Vaters. Es unterliegt für mich keioefl Zweifel, dass wir es in beiden Fällen mit einer Sage zu thoi haben: der Kern derselben, die wunderbare Heilung des Koolff' sohnes von unglücklicher Liebe, ist weiter nichts als eine Uebe^ tragung der von der Sage dem grossen Koer angedichteten Wunder* that am Hofe des Königs Perdikkas von Makedonien.*) Aber jede Sage, die an eine berühmte Persönlichkeit anknüpft, muss, weai sie nicht von vornherein auf Unglauben stossen soll, in ihrer Eia- kleidung einigermaassen den geschichtlichen Thatsachen entsprechea.

1) A.a.O. 1800 A 127.

2) Beitrage zur alex. Litt. Rh. Mus. 53, 325.

3) Lebte Erasistratos in Alexandreia Rh. Mus. 52, 380 f.

4) Suid. s. V, ^EçaaiaxQaTOi . . . ;i;^iy/uaT^S«« ovv Kigto£^ vioç K^t^ ^évrjç TTj€ Mrj8iov rov tax gov àdeX^rjs, xal KXeofißQOxov. In ooscrein VO" zeich niss heisst es: Erasistratus Cleombroli fititu Ceius,

5) Sor. ßios "'InnoKçdrovs bei Ideler phy*. 1 253.

ZUR GESCHICHTE DER MEDICIN IM ALTERTHUM 381

^eheo wir uns darauf hin unsere Sage an, so glaube ich soviel als hislorisch herausschälen zu dürfen, dass Kleombrotos am Hofe Seleukos 1. Nikator als Leibarzt gewirkt und durch glückliche Kuren berQbmt geworden ist und dass sein Sohn Leibarzt Ptolemaios*) U. resp. ni. gewesen und durch seine Heilerfolge die Augen der Mit- welt auf sich gezogen hat. Die geschäftige Sage schuf die That, der Kleombrotos seinen Ruhm verdankte: vom Vater wurde sie auf den Sohn übertragen. Der That folgte der verdiente Lohn: beide wurden durch grosse Geldgeschenke von ihren Herrschern aus- gexeichnet, Kleombrotos von den Seleukiden, Erasistratos von den Ptolemaiern : auch diese Schenkungen wurden in der Sage vom eineo auf den anderen übertragen. Ich meine, die Fäden des Sageogewebes liegen so deutlich zu Tage, dass es unmöglich ist sie dagegen zu verkennen. So und nur so erklären sich die beiden widersprechenden Versionen bei Plin. VU 123: eandem scientiam (ic praedictionis) in Cleombroto Ceo Ptolemaeus rex Megalensihus sflcris donavit C talentis servato Antiocho rege und Plin. XXIX 5: itc (sc. Erasistratus) Antiocho rege sanato C talentis donatus est a Tige Ptolemaeo, filio eius (sie).

Der Name des Kleombrotos kommt noch einmal in der medi- Qnischeu Litteratur vor. Der Pneumatiker Rufus aus Ephesus (Ruelle-Daremberg 32) erwähnt einen Kl€6q)avToç 6 Kleof^ßcoTOv. Dieser Kleophautos ist der aus Plin. (XXVI 14. XXIll 32) bekannte Büfier einer eigenen nach ihm benannten Aerzteschule in Alexan- dreia zur Zeit Ptolemaios IL 111., dessen diätetische Vorschriften in späterer Zeit den Beifall des grossen Asklepiades fanden.*) Nun

1) Beweisend ist für mich io Verbindung mit den obigen Erwägungen die Stelle des Gael. Âur. M. Cfir. V 2, die ich mir lange angemerkt hatte: Era- 'Utratus Ubro quo de podagra scripsit, prohiberu tarnen purgativa adkiberi fßae uad'açTwâ vocaverunt^ malagma vero Ptolemaeo regi promUtent^ cuius 'fripturam non edidit» Vermathlich hörte er den Ghrysipp nicht in Knidos, lodern in Âlexandreia , nachdem er vorher in Athen stadienhalber geweilt (daher seine Beziehungen zum Peripatos Gal. II 88). Die Beziehungen des ^hoes des Ghrysipp zu den Ptolemaern sprechen für diese Annahme: ausser- dem haben von den Schülern des Ghrysipp Kleophantos sicher in Âlexandreia gewirkt und Xenophon, der gleichfalls unter dem Einfluss seiner Lehre steht, W anfängliche Schüler des Praxagoras, heisst in unserem Verzeichniss be- ^ichoender Weise Alexandrinus, woraus ich schliesse, dass er in späterer !eit in Alexandreia als Arzt thälig gewesen ist. Ueber Herophilos brauche h kein Wort zu verlieren.

2) Susemihl a. a. 0. 1 814.

Hermes XXXV. 25

382 M. WELLHANN

möchte ich auf vier Thatsacben hinweisen , die io hohem Gnde geeignet sind, Anlass zu einer lunächsf von mir mit aller Besene vorgetragenen Combination zu geben. Kleophantoa lebte zu dtf- selben Zeit wie Erasistratos, d. h. unter Ptolemaioa IL HI. , Ueo- phantos schloss sich wie jener in seinen Theorien an den jflngerei Chrysipp an, dem er nach Soran (a. a. 0.) darin gefolgt war, dm er die abnorme Pulsfrequenz als das Kriterium des Fiebers ansah (■■ Erasistratos), er übte seine ärztliche LehrthJitigkeit in AleuB* dreia aus wie Erasistratos und gründete wie Erasistratos und Ewh philos eine eigene nach ihm benannte Schule der Kksoqxmtoi, zu welcher der unter Ptolemaios Hl. Euergetes lebende Hnemoi aus Side und Antigenes gehörten. Wenn nun Kleophantos gletdh falls ein Sohn des Kleombrotos genannt wird, gewinnt es da nicht den Anschein, als ob beide Aerzte Brüder gewesen seien?

VlI. Die Zeit des Heropbileers Kallimachos aus Bithfniaa (Callimachus Bühynius heisst er in unserem Verzeichniss) ist im mir bei Susemihl a. a. 0. 827 zu spät angesetzt. Mangelhafti Kenntniss der dickleibigen Hauptquelle für die Geschichte deraltea Medicin , des Galen , hat mich die für seine Zeit wichtige Stdk (XVH A 826) übersehen lassen, die aus dem Hippokratescommenlir des um die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. lebenden Empiriken Zeuxis stammt: o ö' avzoç ovtoç Zev^iç vtjnia q)r^aiv BiQfr o&at Ttavta natdlaj xa&oTi xai ^Hç6q>ikoç tivof^aoev avtc . oïfwç. xal yàç 7ceçl tovtov yçdçei vôvôe rov rçonov èi tavTTjç Ttjç Xé^eofç' '"tpaivaiai vi^nia Xéywv o ^Inrtoxçatïjç «• ewç Tijßrjc xal ovxl fce veoyvà fiéxQt' ^tJv névte ij ?J ètùnf, «ç vvv ol nkelOTOc kéyovaiv. rjçxei ôè xal o *Hç6(piXoç %d Jijlar avra kéywv vrjnia^ àt' wv q>r]ai' 'joÎç vrjnloiç oi yivWA anéçf,iaTa fÂsyâka, -jiaTa^irjvia, xvrj^a, q)aXaxçàTrjÇ.^ ov yif Toîç (ÀéxQi- T'Js 7Cço€içrjf,iévî]ç r^lixlaç naçayivofuévoiç lé^ti ILirj ylvead^ai raZra, rovréariv àno tr^ç nçdntjç ei&éwç yifi' a€(og, onBQ %iveg ôbxo^bvol xarayeXuiaiv airov, (aç ta nàot yiyvwaxôfÀBva ôiôâaxovroç, wv èoTc xaï 6 KaXkluaxog, àii^ Toiç lÂéxçt^ç ^iß^ig, eneiöij tiveç vnekaßov xal iv fovToiç fovf^ ylveo^ai' Darnach lebte er vor 150 v. Chr., und es ist nickt uumOglicl), dass er noch dem Ausgange des 3. Jahrhunderts aa- geliürt, da er von Erol. 7, 18 zwischen Bakcheios und Pbilinos geuauDt wird. Ausserdem ist a. a. 0. nachzutragen, dass Kallimachos

ZUR GESCHICHTE DER MEDiClN IM ALTERTHUM 383

v^aob dem Zeugoiss des Rufus (202 D. Ruelle) içwtijfiOTa largixâ C^*^ ragen des Arzles am KrankenbeU) geschriebeo hat^ wie sein äl- terer ScbulgeDOsse Kallianax (um 280), die nach dem Urtheil des B^kcheios äusserst albern waren (Gal. XVH B 145 aus Zeuxis), und ^^te später der Pneumatiker Rufus selbst.

VHI. Lupus Pelopis in unserem Verzeicbuiss ist der aus Galen Aaitsam bekannte Makedonier Lykos, der Schüler des Quintus (XVUlBlOO), der i^rjyritixà jwv ^IrtnoxçaTovç àqiOçiOpLuiv vno- ß^^f'Tjftata Terfasste. Er war wie sein Vater Pelops, der Lel^rer des GaileD, bedeutender Anatom und schrieb ein umfängliches Werk ^e^i fivwv (Gal. XVllI B 926. 928 f.), in welchem er die Ansichten der alteren Anatomen mit grosser Sorgfalt zusammengetragen hatte (XIX 22, vgl. 11 458 f. 470). Galen, der bei seiner Hochschätzung v^or dem Begründer der Medicin erbittert war, dass Lykos es ge- ragt hatte den grossen Koer so scharf anzugreifen, verfasste zwei [»olemische Schriften gegen ihn: Tteçl twv ayvorj&evfOßv T(p ^^ilxijfi xa%à Tag àvaxofidç (XIX 22) und tzqoc udmov oti firiôkv fifiaQxrjTai xarcr rov aq)0Qiafi6v (XVII B 414). Daneben ver- fasste er von sämmtlichen anatomischen Büchern des Lykos eine Elpitome (XIX 25).*) Von dem Makedonier zu unterscheiden ist der von Plinius (XX 220) und von Erotian (47, 15. 85, 8) er- wähnte Neapolitanus, für dessen Lebenszeit sich ein sicherer ter- ntijttts ante quem gewinnen lässt. Nach Erot. 47, 14 gaben Epikles und Lykos dieselbe Erklärung der Glosse doçréiov, indem sie <ldrunier im Gegensatz zu Bakcheios die Bronchien verstanden, folglich muss der eine den anderen benutzt haben. Nun hat aber Erotian das Lexikon des Epikles, das ein Auszug aus dem Lexikon ^Bakcheios mit häufiger Berichtigung dieses angesehenen Hippo- Neserklärers auf Grund anderer Ueberlieferung war, thatsächlich io Händen gehabt') und an nicht weniger als 21 Stellen benutzt, ^^^ ist Lykos, der zudem nur einzelne Schriften des Hippokrates ^l^brt bat,') der benutzte Schriftsteller. Epikles aus Kreta lebte

1) Ilberg Rh. Mus. 47, 501. 503. Ilberg de Galeni vocum hippocr. glos- '^o tomment. phiL in honorem 0. Ribbeckii 337 A. 3. Galeni scripta mi- "^^ ed. J. Muller vol. 11 p. 63.

2) Vgl. Strecker in dies. Ztschr. XXVi 301.

<, 3) Er schrieb nach Erot. 85, 8 ein iirjytjrtxov zu der Schrift neçi dç-

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384 M. WELLMANN, GESCH. DER MEDICIN IM ALTERTHDM

aber Dach Nikander und vor Dioskurides 6 0axâç, d. h. in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr./) mithin muss die Lebeos- zeit des Neapolitaners Lykos vor 100 v. Chr. fallen. Etwa der- selben Zeit, d. h. der Wende des 2. und 1. Jahrhunderts gebort der von Gal. (X 142 f.) erwähnte Empiriker dieses Namens an, der ein so eingefleischter Anhänger dieser Schule war, dass er nur von der Erfahrung und Beobachtung Gebrauch machte (Gal. XVI ! eig ifiTieiçlav xai jrjçrjaiv àvanépinet Ttàvra). Ich halte ihn für ein und dieselbe Person mit dem Neapolitaner: die Empiriker der damaligen Zeit waren Hippokratescommentatoren und Diätetiker. Von diesem Empiriker hat Oribasius längere BnichslOcke wSr bewahrt. Dass dieser von ihm genannte Avxoç der empirischei Aerzteschule angehört, folgt aus seinen Worten des II 228: àqti' fiioç âk xai Tovjwy twv xlvafAWv iniç/tolvç iativ iyd f^ ovx Snavtag àvayçdipœ , alla OTtoaoi neîçav diàôvztg h^^ &r]aav elvai açiOTOi xad^ànsç xai ol nqoa&Bv avayQatpih reg. 233: ofiolwg xai fieTaßt]aetat dno étéçov eig ht(f0 elôog xlva^axog. Indem der Autor auf die Erfahrung und Debch lieferung seiner Vorgänger grosses Gewicht legt und den lieber* gang von einem zum anderen empfiehlt (fievdßaaig ano %m of^olov, vgl. Gal. X 782), giebt er sich deutlich als Anhänger dei empirischen Dreifusses zu erkennen. Die von Orib. II 225. 2t) (= V 153) 344 (= V 42). Ili 382 erhaltenen Excerpte bebandeli Clystierrecepte , Abführmittel und verschiedene Arten voo Gfl- schlagen. Das letzte Excerpt (Orib. II 344) umfasst nicht nur du 25. Kapitel des 9. Buches der iargixal avvaywyal des Oribasin^ sondern c. 25—55 (Orib. II 344—368). Der einheitliche Cbarakler folgt aus dem Inhalt: wenn nun eins dieser Capitel für Lykos ii Anspruch genommen werden darf, was sich hier c. 34 (11 359 aus der Vergleichung mit V 43 f. (wo Lykos genannt wird) crgieK so wird man ohne Bedenken das Zwingende dieser ScUussfolgeroBf zugeben.

Stettin. M. WELLMANN.

1) Susemihl a. a. 0. II 427. Strecker a. a. 0. 299.

PLATOS PHAEDRUS.

Theodor Gomperz hal deo Ausspruch gewagt: die platonische rage sei jelzt Jo der Hauptsache gelöst/ Seine Zuversicht stQtzt cb hauptsächlich auf die Ergebnisse der Sprach- und Stilunter- ichungen. So sehr ich nun überzeugt bin, dass bei jeder die hroDoIogie platonischer Schriften betreffenden Frage die Kriterien y Sprache und des Stils genaueste Berücksichtigung fordern, nd so sehr ich mich um die Prüfung der bisher vorliegenden atistischen Feststellungen und die Verbesserung ihrer Methoden Iber bemüht habe (Archiv für Geschichte der Philosophie Bd. XII 1-49. 159^186. XIll 1—22), so haben doch eben diese Be- Qbungen mich überzeugt, dass die Aussicht, auf dieser Grundlage e Frage zu endgültiger Entscheidung zu bringen, gering, jeden« Ik der Glaube, dass diese Entscheidung bereits gewonnen sei, àïi haltbar ist. Wohl aber halte ich, auf Grund des Gesammt- istandes des Inhalts sowohl als der Sprache und des Stils der atooischen Schriften, nach den bisher vorliegenden und meinen poen Untersuchungen Folgendes für hinreichend gesichert: die ei Schriften Phaedo, Gastmahl und Staat') stehen im Centrum r platonischen Schriftstellerlhätigkeit und stellen, unter sich eng sammengéhOrig , die philosophische Grundlehre Piatos von den een in fertiger, ziemlich geschlossener Gestalt dar. Im Parme- des, Sophist-Staatsmann und Philebus dagegen sehen wir ito mit einer tiefgreifenden Umarbeitung eben der in den drei itgenannten Schriften von ihm entwickelten Grundlehre beschäftigt, ese hat nicht zu einer neuen, ähnlich abgeschlossenen Darstellung führt; doch ist im Timaeus eine nochmalige» knappe Formuli- Qg der Lehre erfolgt, welche die Spuren jener Nachprüfung un-

1) In der uns vorliegenden Gestalt. Frühere Abfassung und Herausgabe telner Theile des Werkes ist dadurch nicht ausgeschlossen. Nur für eine :he, nicht für eine frühere, wesentlich abweichende ^Redactions lässt das gniss des Gellius sich geltend machen.

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zweideutig erkennen lässt. Jene vier SchrifleD sind also, nebst Timaeus-Crilias und den Gesetzen, später als die erstgenaDoteo drei verfasst. Dies bestätigt das Verhältoiss des Staatsmanns zoin Staat einerseits, den Gesetzen andererseits in der Auffassung des Staatsprohlems ; auch sprechen alle Gründe der Sprache und des Stils sehr entschieden im gleichen Sinne. Es fragt sich nan weiter, ob etwa noch einige der übrigen Schriften der Reihe dei bisher genannten zehn einzugliedern sind. Sehr nahe liegt den Theaetet mit dem (Parmenides und) Sophisten zu Terbiodeo also ebenfalls dem Phaedo, Gastmahl und Staat nachfolgen zu lasren wofür auch fast alle die Forscher, die die obigen Sätze anoehneo sich entschieden haben. Dem Theaetet aber steht der Phaedrni in vieler Hinsicht nahe, und eine wenn auch weniger geschlosieiM Mehrheit von Forschern hat sich dafür erklärt, ihn ebenfalls, weai nicht auf den ganzen Staat, doch auf die erst verOffeotlichtci Theile desselben, jedenfalls aber auf den Phaedo und das Gastmill, folgen zu lassen, wofür man namentlich Gründe der Sprache nd des Stils geltend macht. Ich bin bezüglich beider Schriften a einem anderen Ergebniss gekommen, und mochte in dieser A^ handlung meine abweichende Meinung in Hinsicht des Phiedf« begründen.

1. Was die Sprach- und Stilkriterien betrifTt, bedarf es nur dff knappen Zusammenfassung der auf den Phaedrus sich erstreckenéd Ergebnisse der genannten früheren Untersuchung, welche auch de* Kennern der letzteren nicht unwillkommen sein wird.

Die bisherige Forschung auf diesem Gebiet bat zu wenig Rück' sieht darauf genommen, dass der Phaedrus in sprachlicher ondstili' slischer Hinsicht besondere, keineswegs allen platonischen Wotei oder denen einer gewissen Periode gemeinsame Absichten verf# nnmiich in Wettstreit mit den Rhetoren tritt, die er nicht bl«» durch weit vertieften Inhalt und logischere Disposition, sondm gleichzeitig durch ungewöhnlichen Glanz der Sprache zu scblagn sucht. Diesem Zwecke dient am auffallendsten die EinfOhnnf eigentlich dichterischer Gebrauchsweisen in die Prosasprache, die denn auch Sokrates ausdrücklich als ihm ,ganz ungewohnt* be zeichnet. Dadurch konnte der Schein entstehen, als ob der Phae drus den in gleicher Hinsicht ausgezeichneten Schriften der lettlei Periode besonders nahe slände. Sobald man aber, was zunächfi -den seltneren Worlgebrauch betrifft, nach einer besonderen, i'

PLATOS PHAEDRUS 387

genannter Abhandlung dargelegten Methode die Gemeiosamkeiten des Gebrauchs zwischen dem Phaedrus und jeder der übrigen in Vergleich kommenden Schriften und wiederum dieser unter sich genau feststellt und vergleicht, so schwindet dieser Schein; es er-^ giebt sich vielmehr, dass der Phaedrus bestimmt nicht mit den Schriften der letzten Periode, sondern mit denen einer mittleren Gruppe zusammengehört, der ausser ihm jedenfalls die Schriften Phaedo, Gastmahl, Staat, Theaetet und Cratylus zuzurechnen sind. Er zeigt, obgleich er weit mehr seltene, insbesondere dichterische Worter hat, in diesen verhaltnissmässig geringere Gemeinsamkeiten tnit Schriften der letzten Periode als der Cratylus, und nicht stärkere ab der Phaedo und das Gastmahl, mit welchen beiden er Gemein- samkeiten hohen Grades aufweist. Von den übrigen (Arch. Xll 177 f. XQsammengestellten) Eigenheiten dichterischer Sprache gilt haupt- licblich, was von einem Theil derselben schon Campbell erkannt kat, dass sie im Phaedrus in bestimmter Absicht und mit beson-» derer Wirkung gebraucht werden, während sie in den späten Schriften derart zur stehenden Gewohnheit geworden sind, dass sie nichts Sonderliches mehr bedeuten und keineswegs der Sprache eine aus- geieichnet dichterische Färbung geben wollen. Die relative Häufig- keit einiger dieser Gebrauchsweisen im Phaedrus erklärt sich eben aus dieser Absichtlichkeit, beweist daher gerade nicht eine besonders labe Stellung zur letzten Periode, sondern eher das Gegenlheil. Könnte nun dieser Befund eine späte Stellung des Phaedrus immer noch als möglich erscheinen lassen, so sprechen andere (Imstäbde bestimmt dagegen. Der Phaedrus ragt nicht minder k^or durch Reichthum und Freiheit der Erfindung, wirksame Steigerung, feine Charakteristik der Personen und einen sehr aus- fearbeiteten Dialog: das sind aber vielmehr Merkmale der frühen und mittleren Zeit Piatos als der späten; ja man muss sagen: nach der endgültigen, bedingungslosen Absage an die Dichtung (im Sinne der fiifir]aiç) im 10. Buche des Staates war ein Dialog wie Phaedrus oomöglich, am unmöglichsten unmittelbar danach, wie Lutoslawski (The Origin and Growth of Platos Logic. London 1897) will. Ins- besondere die höchst gewagte, zugleich sehr individuelle und sehr ODhistorische Zeichnung des Sokrates im Phaedrus ist schwer denk- bar nach dem Gastmahl, welches durch die Einführung der fictiven Diotima in so feiner Weise vermeidet, den Sokrates allzu sehr aus der Rolle fallen zu lassen.

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Dann aber ist es doch sehr merkwürdig, dass in der Haupt- masse der nicht dichterischen Spracherscheinungen (Partikelgebnucb und was sonst Arch. XII 170 177 zusammengestellt wurde, «.die Recapitulation S. 178) der Phaedrus, trotz unverkennbarer BefO^ zugung gewählterer Gebrauchsweisen, durchaus auf der Stufe der mittleren Schriften verbleibt, in Einzelnem, wie der Attraction io Relativsätzen, sogar (mit dem Theaetet) den Schriften der frühesteD Zeit sich gleichstellt. Es ist dies eine Erscheinung, die dem freiesteo, unmittelbar dem Leben abgelauschten Gesprächston vorzugsweise eigen ist; aber dieser lebendige Dialog ist eins der sichersten Keno« zeichen der frühen und allenfalls noch der mittleren Zeit; er scheidet den Phaedrus unbedingt von der ganzen nachstaallichen Periode, und auch vom Staat, wenn man das 1. Buch abrechnet.

Im entgegengesetzten Sinne könnten einzig die AntwortformeiD zu sprechen scheinen, von denen eine (r/ f^rjv;) das Urtheii tod Philologen vorzugsweise bestochen hat und bisweilen noch Ober alle sonstigen Bedenken hinweg bestimmt. Aber sowohl die starke Vorliebe für uneingeschränkte, nicht objectiv gehaltene, oft nodi besonders bekräftigende und belobigende Zustimmung als auch die beispiellose Mannigfaltigkeit und Gewähltheit des Ausdruckes der Zustimmung lässt wiederum auf besondere Absichten schliesseo. Sie gehört grossentheils zur persönlichen Charakteristik des Phae- drus, und übrigens zu dem beabsichtigten, fast überladenen AufpoU dieses {naiâiâç t€ xai éoçifjç x^Ç^^ 276 h) gewollten Schau- stücks; die erstere Eigenthümlichkeit entspricht überdies dem Zweck, für diesmal nicht sowohl dialektisch zu entwickeln als sich positiv auszusprechen. Zieht man dies alles in Erwägung, so e^ scheint ein einseitiger Schluss aus den Antwortformeln, der in jedem Fall gewagt wäre, vollends ungerechtfertigt.

In Summa ergiebt sich, dass der Phaedrus der oben bezeich- neten Mitlelgruppe zugehört, innerhalb dieser aber dem Staat und, was meist zugestanden wird, dem Theaetet vorangeht, mit hober Wahrscheinlichkeit aber auch dem Gastmahl; woraus die Priorilâl vor dem Phaedo folgen würde, da diese zwei Schriften unter sich und mit dem Staat sachlich wie sprachlich eng zusammengeliöreo. Nicht so eindeutig entscheiden die sprachlich-stilistischen Kriterieo für eine spatere Stellung des Cratylus, da zwar der Worlscbat* und gewisse allgemeine Charakterzüge dieses eigenartigen DialogeSi aber immerhin nicht die Gesammtheit der Spracherscheinungen sich

PLATOS PHAEDRÜS 389

afar geltend macheo lässt. Der Euthydem endlich sieht dieser Iruppe voD Schriften zwar nahe genug, um, wenn sachliche Gründe Î8 fordern sollten, ihr beigerechnet werden zu dürfen, er zeigt lodessen weit grössere Verwandtschaft als eine der Yorgenannten Schriften mit den Werken der ersten Periode. Doch hat sich gezeigt, dass überhaupt die Mittelgruppe die stärksten Schwankungen der Sprache und des Stils aufweist, im Unterschied sowohl von den frühen als den späten Schriften, die beiderseits ein ungleich festeres, übereinstimmenderes Gepräge zeigen. Daher ist eine be- stimmtere chronologische Anordnung der Schriften der Hittelgruppe auf Grund dieser Kriterien allein nicht durchführbar. Um so mehr sieht man sich auf Sachgründe hingewiesen, auf die allein wir 008 von hier an stützen werden.

2. Eine frühere Abfassung des Phaedrus als um die Zeit der Schulgründung des Isokrates, d. h. nicht vor 392, Dicht nach 390, findet kaum mehr Vertheidiger *) und ist schüir

1) Zwar ist der Dalirang auf 403 erst jüngst wieder ein Fürsprecher VOD fast beneidenswerther Ueberzeugtheit erstanden in 0. Iromisch (N. Jahrb. 11 H9ff.); doch mass man sehr naheliegende Dinge übersehen, am diese Datirang Meli irgend glaubhaft zu finden. Nur weniges zur Erwiderung, t. Gegen 1«8 zwingende* Argument S. 558f.: Plato spricht 27 iff., 277c mit keinem 'Vorte von nia%eK in lov ^d'ovSf die vielmehr 273 einfach zu den tUÔTa ferecbnet werden, sondern von psychologischer Berechnung der Rede auf die odiridualitât des Hörenden und des Moments, wofür irgend ein ,Reden- icbreiber* schon gar nicht in Betracht Icommen kann. Was hat der Reiche uidÂrme, Jüngling und Greis mit Pialos èXBri tpvxrjs zu thun? Fordert es lie 271 e verlangte Treffsicherheit des psychologischen Blicks, zu erkennen, ^b man mit einem solchen zu thun hat? ,Âbsurd' ist demnach die Annahme *^ohl nicht, dass Plato seine psychologischen Forderungen in den Gerichts- ^en des Lysias so wenig wie in dem Erotikos erfüllt finden konnte (vgl. ^bilol. II 627). 2. Die Worte mansQ yàç axovsiv ktX. 261 e sind gewiss so 'Q verstehen, dass Sokrates es so darstellt, als falle das damit eingeleitete foment ihm in diesem Augenblick, angeregt durch das jetzige Gespräch, 'io, daher durch xalXlnaiBa <Pal$Qov dieser als TtarfjQ tov lôyov bezeichnet vird; aber dadurch wird man nicht ,damit fertig* (Immisch S. 559), dass das foment selbst an den Gorgias in solcher Bestimmtheit erinnert, dass die abliebt der Anknüpfung an diesen sich geradezu aufdrängt, zumal über das lort ausführlich Gesagte, hier kurz in Erinnerung Gebrachte dann wesentlich lioiosgegangen wird durch den positiven Nachweis der Bedingungen, unter Iraen die Rhetorik, die dort keine Techne sein sollte, doch eine solche sein vârde. Aehnlich ist aber das Verhältniss zum Gorgias noch in mehreren an- l^n Thesen des Phaedrus über die Rhetorik (s. die frühere Abhandlung, und ^Diges weiter unten). Das ist nicht wohl deutbar, wenn nicht der Gorgias

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durch die Grande der Sprache und des Suis ausgeschlonoi: im Übrigen siehe meine frühere Abhandlung, Philo!« L (NeiK Folge II) S. 583 596. Andererseits ist ein späterer Termin al der genannte für den unannehmbar, der Yon der bekannteii Bi weisführung Useners und seiner Vorgänger und Nachfolger wenif stens so viel für unwiderlegt hält: 1. dass zwischen dem Ph« drus und der Sophistenrede des Isokrates Beziehungen obwaltei die auf möglichste zeitliche Nähe beider Schriften, nicht ii einen Abstand von zehn und mehr Jahren schliessen lassen, dass das Lob des Isokrates im Phaedrus in irgend einem spät«» Zeitpunkt undenkbar ist, undenkbar namentlich nach der Zuredi Weisung des ungenannten Redemeisters im SchlussstOck des Ei thydem, wenn dieser Ungenannte Isokrates ist.^) Gesetzt, d letztere sei richtig, so wäre die chronologische Frage damit alle entschieden, da für den Eutbydem ein späterer Termin als d

vorherging. Die oneingeschränkle Behauptung des letzteren: Rhetorik ist iib< haupt keine Techne, wäre aDverständlich , wenn Plato nar ein paar Jit früher und mit so guten GrOnden dieselbe Behauptung erst sam AusgiO| punkt genommen, dann aber so eihgeschrinkt hätte, wie es im Phaedmi f schieht. Allermindestens hätte er im Gorgias sagen müssen, dass und wati er das vor kurzem noch mit so grossem Anspruch Behauptete jetzt preisfel aber jener möglichen Einschränkung geschieht im Gorgias mit keiner SB Erwähnung; unbefangen wird man nur urtheilen können, dass sie dan Oberhaupt seinen Gedanken fern lag. 3. Es ist nicht die hier entscbeideB Frage, ob Plato den Sokrates bei dessen Lebzeiten überhaupt, sondern, ob ihn so hat darstellen können, wie es im Phaedrus geschieht. Dm von Viel nur Weniges in Erinnerung zu bringen: a) Plato soll also wirklich i. J. 4 den Sokrates sich zu des Anaxagoras à8oUaxia xal /lereœ^loyia fvn Ttéçi bekennen lassen (270a), wahrend er ihn in der Apologie (19 cd, 23 26 d) sich feierlich dagegen verwahren lasst, dass man ihn je das mindf von dergleichen habe reden hören. Mit dieser Annahme macht man ol Umstände Plato zum Mitschuldigen der Anklage von 399; die Apologie bi sich, statt gegen Aristophanes Wolken, gegen Piatos Phaedrus verwaki müssen, b) Sokrates in der Apologie zeiht der Lüge und Verleumdung (2C den, der behauptet, dass er je beansprucht habe, im Besitz der Wisseascb von der Tugend zu sein und sie zu lehren; Sokrates im Phaedrus vertan dass man diese Wissenschaft besitze und lehren könne, sonst habe man fifc haupt kein Recht, redend aufzutreten. Von Anstössen gegen ,modernes f pfinden' ist liier gar nicht die Rede, sondern von platten Unmöglicbk«! Die absolute Grenze für die Rehauptunp der Tugendlehre bei Plato selbst der Meno; s. weiter unten im Text.

1) Versehentlich licss ich (Arch. Xll S. 1) Gomperz (1887) sich aoch « das erste Argument stützen; er bezog sich nur auf das zweite.

PLATOS PHAEDRÜS 391

ersten Jahre des 2. Jahrzehnts aus allen, auch den sprachlich- stilislischen GrOnden unannehmbar ist. In diesem Falle würde es tu einer Frage von untergeordneter Wichtigkeit, ob dem Phaedrus oder der Sophistenrede die Priorität zukomme. Ich habe in meiner früheren Abhandlung nach dem Vorgang anderer das letztere an- genommen und bin auch durch die neuen Darlegungen von Gercke (in dies. Ztschr. XXXII 365 ff.) und SusemihI (Neue plat. Forsch. I, wiss. Beil. z. Vorl.-Verz. der Univ. Greifswald, Ostern 1898) in meiner Ansicht nur sicherer geworden. Es lohnt darauf einzu- gehen, weil es dazu beitragen wird, die Beziehung zwischen beiden Schriften, die für das chronologische Verhaltniss Von Bedeutung ist, noch etwas schärfer zu beleuchten ; übrigens wolle man auch hier meine frühere Darlegung vergleichen.

Gercke hält ein freundliches Urtheil Piatos über Isokrates nach der Sophistenrede erstens desshalb für ausgeschlossen, weil diese 21) die Lehrharkeit der Tugend verneine. Darauf sei nochmals geantwortet: 1. In der Apologie hat Sokrates nur Hohn übrig für den Wahn gewisser ooq)oi, mit denen er nichts zu schaffen haben will, im Besitz der Wissenschaft von der Tugend zu sein und sie gleich einer anderen Kunst durch Lehre mittheilen zu kOniien (ip. 19 ff.) ; er hält das für gar keine dem Menschen zustehende Wissenschaft, da er überhaupt kein anderes menschliches Wissen anerkennt, als das Wissen, dass man nichts weiss. Die Behauptung vollends, dass er jene vermeintliche Wissenschaft besitze und lehren wolle, erklärt er für böswillige Verleumdung (20 de, 33 ab, und durchweg). Dieselbe unzweideutige Stellung nimmt Sokrates in dieser Frage 2. im Protagoras ein; bes. 319 a b: iyù yàq tovto öwc utiiri^ diôànTov elvai . . . furjö^ vn^ àv&çtûnœv naQaaxBv- wtoy àv&çojTtoiç , ferner 328 e. Die Lehrharkeit der Tugend vertreten auch hier vielmehr Protagoras und die übrigen Sophisten; tSophisl* heisst überhaupt: einer der sich anheischig macht Tugend >n lehren. Im gleichen Sinne spricht 3. Lach. 186 c, 200 e; 4. '^. 89 e. Schon lange ist es mir räthselhaft, wie man angesichts ^i^er klaren und einhelligen Zeugnisse die Lehrharkeit der Tugend ^^ einen Grund- und Eckstein sei es der sokratischen Philo- ^phie (vorausgesetzt, dass man über diese den genannten Schriften H^nà welchen Zeugnisswerth beimisst) oder der platonischen in ^^^ Zeit, der diese Schriften angehören, nur je hat halten können. ^6^is8, vom Meno an behauptet Plato mit wachsender Entschieden-

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heit die Lehrbarkeit der Tugend. Aber damit widerruft er nic^^ einmal jene früheren Aeusserungen, denn die Lehre wird jetzt einem ganz neuen Sinne verstanden. Im gemeinen Sinn der B^ bringung oder Mittheilung von Erkenntniss oder Tugend (na^^^ axevd^eiv, Prot. 1. c, Ttaçaôidovai z. B. Men. 93 b), ihrer ausser^« Hervorbringung oder Einpflanzung in die Seele, in der sie m^er nicht war (nach dem Vers des Theognis, Mm. 95 e: bI <J' ijy /ro/- rjtàv TS xal ïvdsTov àvâçl vôrjiÂa) wird die Lehre nach wie vor verworfen; aus späterer Zeit vgl. bes. Äip. 5l8b— c, aucb Conv. 175 d. Die Lehre, die Plato behauptet, ist vielmehr Er- weckung des Selbstbewusstseins des Lernenden, mythisch darge- stellt als Wiedererinnerung an eine Erkenntniss, die wir in eioem Vorleben schon besassen. Isokrates nun in der von Gercke an- gezogenen Stelle wie in den Übrigen leugnet die Lehre ausdrück- lich im Sinne des naçaôiôovai (5. 7. 10), èveçyà^ea^ai (6), Ifi- nouîv (21, wobei sehr wohl an das noirjjov xal Mv&btov Theognis gedacht sein kann); was er positiv betont, ist, dass die Begabung des Lernenden, seine (piaig, ein nicht zu vernach- lässigender Factor, und auch die Uebung nicht zu unterscbatien ist (14 f. 17. 21 JOÎÇ xaxwg 7t€q>vx6ai). Das erstere ist es aber, was auch der platonischen Ansicht zu Grunde liegt (vgl. z. B. ief- I. c. rfjv Ivovoav dvvafiiv iv tfj ipvxfj y^ccl to ogyavov ©it Is. 14 al yàg ôvvdf4ecç iv toIç evq)V€aiv iyylyrovToi), und die I Trias: q)vaiç, öidax^j^ aa^rjoiç bat Plato im Phaedrus ebenfalls i behauptet. Unter Voraussetzung der geeigneten ,Natur* aber und ^ unter Beihülfe der Uebung verheisst Isokrates sogar positiv, seine | Schüler nicht bloss zur Redefähigkeit, sondern selbst eher noch zur Rechtschaiïenheit zu leiten, Uitmlich durch aviHTtacaxeXevOdt'' a&at xat avvaovLf^aat (21). Sollte dies im Munde eines Gorgias- Schülers doch auffallende Versprechen, unmittelbar nach der Ver- wahrung dagegen, dass man die Redekunst ausschliesslich in den i Dienst der Gerichtspraxis, damit aber der noXvTcçayfuoavvrj ^^^ ' nleove^la stelle bekannte Schlagwörter des platonischen Gor- i gias gegen die politische Bercdtsamkeit nicht eben durch diesen Dialog veranlasst sein, der an den alten Redemeisler genau diese Forderung stellt und sich schliesslich von diesem selbst das Zu- gesländniss machen lüsst, dass er seine Schüler, wenn sie die nülhige sililiche Tüchtigkeit nicht mitbrUchlen, sie erst werde lehren müssen? Mehr: gerade bei der Bekämpfung der sophistischen

PLATOS PHAEDRUS 393

geodlehre hat Isokrates zweifellos die frOhereo plalonischen [irifteD vor Augen und bezieht sich auf sie, wie ich früher be- ts durch zwei Slellen belegt habe/) Kommt nun noch hinzu, SS die Polemik des Isokrates demselben Manne gilt, den Pialos itbjdem in schlagender Uebereinstimmung mit Isokrates Sophisten- de und Helena charakterisirt und lächerlich macht (Antisthenes; ichweisungen Philol. a. 0. 616 A. 64), so muss man sagen: es he- hl auf ihatsächlich irrigen Voraussetzungen, wenn Gercke in dieser igen Antisthenes Tugendlehre gerichleten Polemik ,eine Art Kriegs- klarung' gegen die ,sokratisch- platonischen Grundanschauungen^ kennen will. Isokrates nähert sich vielmehr hier eben dem, was ato in den Schriflen seiner Frühzeit vertritt, und zwar unver- iDobar unter dem EinÛuss dieser Schriflen: der Apologie, des rotagoras, Meno und Gorgias. Gewiss ist er in die eigenlliche iefe der platonischen Anschauung vom Lehren und Lernen nicht Dgedrungen. Aber das Lob der rlg q>iloaoq)la des Isokrates ^haedr. 279 a) verlangt auch nicht, dass er die von Plato selbst seit irzem erreichte Höhe jetzt schon erklommen habe: vielleicht lafUg einmal, heisst es vielmehr, werde die -^etoréça ôçfirj ihn fassen. Ein so bedingtes Lob setzt nicht mehr voraus, als eine lebe Annäherung an Piatos Denkweise, wie sie nach dem Be- lesenen in der That vorliegt.

Das zweite Hauptargument Gerckes ist: Isokrates habe nicht ine Redelehre als ,Philosophie^ bezeichnen können vor dem laedrus, der (278 d) entweder diesen Terminus zuerst geprägt er wenigstens dem Begriff erst die Erweiterung gegeben habe, der er die philosophisch begründete Redekunst milumfasst. )er der Terminus ist im Phaedrus keinesfalls neu, sondern allein

1) Es ist schwerlich blosser Zarall, dass 1. Sokrates in der Apologie ^b) über solche spollet, die für fünf Mineo, Isokrates (3) in doch wohl ab- bllicher Ueberbietung über solche, die für 3—4 Minen Tugend beibringen ^Hen; und dass 2. Pialo im Gorgias (519 cd) höhnt, dass diese trefflichen igeodmeister nicht einmal den ErMg aufzuweisen haben, dass ihre Schüler >eo den ausbedungenen Lohn gutwillig entrichten, da sie oft genöthigt sind t einzuklagen, Isokrates aber (5—6) das spitzige Argument noch weiter ^\n zuspitzt: sie setzen selber so wenig Vertrauen in die Wirksamkeit ihrer igendlehre, dass sie für das Honorar voraus bei Dritten ein Pfand hinter- eo lassen: also solchen, die nie ihre Tugendiehre genossen haben, trauen noch mehr Bechllichkeit zu als jenen, denen sie doch behaupten sie bei- bringen.

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die FixiruDg des Begriffs; und diese bedeutet Dicht eine Em Weiterung, sondero eioe Verengung des bisherigen Gebraucl^ Das Wort hatte bis dabin einen harmlosen Sinn, es besagte: Sta- dium zwecks höherer Bildung; çiloaotpoç ^^r îeder, der sich e^^ höhere Bildung ansueignen beflissen ist, in erster Linie der Schalt) des aoq)iaTrjç, des berufsmässigen Bildungsmeisters. So ganz UJir eben bei Isokrates ($ 14), wo q)iXoaoq)elv =- avyylyvea^ai %(f aoq)ia%fj, und $ 18 ol q)ii.oaoq>ovvTeç ungefähr: die Studioses. Aber in ähnlich allgemeinem Sinn lobt Sokrates im Protagoras (335 dj die q)iXoaoq)la, d. h. Bildungsbeflissenheit des Kallias, und (oit leisem Scherz, wegen der Vorliebe für Sinnspruche) die der La- konier (342 a e, 343 b; zu beachten 342 d q>iloaoq>lav xallo' yovg); so Kritias die des jungen Charmides {Charm. 154e cr.l53d)i und dass auch frühere oder gleichzeitige Redemeister das Studiun ihrer Kunst eine ,Philosophie^ nannten, hat Suseroihl (a. 0. Â. 61) schon gegen Gercke erinnert. An einen anderen Sinn des Wortes ist in der Sophistenrede eben dann nicht zu denken, wenn sie dem Phaedrus vorausging. Freilich, wenn sie ihm nicht nur folgte, sondern die Antwort auf ihn war, so konnte sie das Wort oickt ; ebenso harmlos gebrauchen, sie musste vielmehr zu den hobereo ! Forderungen, die es für Plato nunmehr einschloss, Stellung oebmeo, sie anerkennen oder bestimmt ablehnen. Sie thut keins von beideo, sie weiss offenbar von diesen höheren Forderungen nichts: also wird wohl der Phaedrus nicht vorangegangen sein.

Oder will Isokrates mit der Betonung seiner q>ilooo(fiii (namentlich § 11) doch etwas besonderes sagen? Will er vielleicht auch damit bekräftigen, dass seine Redelehre nicht, wie die tod Plato im Gorgias gescholtene, der Gerichtspraxis und damit sittlich etwa bedenklichen Tendenzen dienstbar sein (19. 20), sondero naiôevaiç (10 cf. 1) und zwar auch im sittlichen Sinne {ifti' eUeia 21) beitragen will? Aber eben dann ist der Gebrauch dieses Ausdrucks eine Wirkung des Gorgias, eine Anerkennung Platos^ und konnte dieser daran nicht nur keinen Anstoss nehmen, sondero darin nur einen Beweis mehr sehen sowohl für das t^ô-oç y^vn- Aioreçov als für die tig (piXoaocpia des Hannes: für ein ,BilduDgs- strebenS ernst genug, um vielleicht noch einmal bis zur Stufe der Wissenschaft (denn das ist das Höhere, was Plato im Sinn bat) sich durchzuarbeiten. Auch in dieser Hinsicht kann weit eher der IMiaedrus die Antwort auf die Sophistenrede sein als umgekehrt.

PLATOS PilAEDRUS 395

Im übrigen bleibt meio Hauptgrund für die PrioriUt der phistenrede: dass von Isokrates doch irgend etwas vorliegen isste, worauf das günstige Urtheil Piatos sich mit einigem Recht er Schein von Recht stützen konnte. Worauf stützte es sich QO nach Gerckes Annahme? Darauf, dass Isokrates sich aber eD das war zu beweisen I im persönlichen Verkehr für Piatos iregungep überaus empßinglich gezeigt, nämlich die beträchtlichen ïrbesserungen der Redekunst, welche die Sophislenrede darlegt welche das Unterscheidende seiner Schule fortan ausmachen, eiche aber gleichwohl in der Grundidee und selbst in den Einzel- iiteo von Plato ursprünglich gefunden waren, aufgenommen und ch zu eigen gemacht hatte. Kein Wunder, dass Plato für einen Al Jahre älteren und noch so gelehrigen Schüler, der durch im zu gründende oder kürzlich eröffnete Schule zugleich für die iinige, die noch in den Windeln lag, Propaganda machen konnte, &hr eingenommen war; kein Wunder, dass das Programm der «ueo Rhetorik von Plato, als seinem Schöpfer, auch zuerst ent- iekeU wurde, natürlich unter kräftiger Empfehlung des Isokrat0s, s des Berufenen, dies Programm zu verwirklichen, als des Philo- ^pheo unter den Rhetoren. Hätte dieser nur geschwiegen, er äre der Philosoph geblieben. Unglücklicherweise aber glaubte ; nachdem doch bereits Plato das Programm für seine (des Iso- ates) Schule geschrieben hatte, es selbst nochmals schreiben zu Qsseo, wobei er es nur verpfuschte. Denn wirklich verstand er ch nicht so viel, die fremde Idee erträglich aufzunehmen und r Ausführung zu bringen. Von da ab ist es mit seinem Philo- phenthum natürlich aus, wie es denn der schwer enttäuschte ato ihm im Euthydem unverblümt anheimgiebt: versprach er im laedrus noch den Rhetor und Philosophen zu vereinigen, so wird m jetzt schwer verdacht, dass er beides sein will, während er der That als Rhetor nichts rechtes und als Philosoph gar cbts ist.

So etwa nach Gercke. Ich empfinde bei dieser Combination, sser dass die Grundannabme, wie gesagt, unbewiesen ist, be- Oders den Anstoss: es genügt nicht, dass Plato privatim eine Dstige Meinung von Isokrates hegte, um den über 40jährigen, r noch immer nichts Imponirendes geleistet hatte, mit solcher Ophase der ganzen früheren und gleichzeitigen Redekunst gegen- »er auf den Schild beben zu dürfen. Es musste irgend etwas

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auch der Oeiïentlichkeit vorliegen, was eioer solcheo Hervorhebi^^ wenigstens einen Schatten von Berechtigung lieh. Nun mag dü^^ mit Susennihl annehmen, dass die Gerichtsreden des Isokrates ^et eines gewissen Ansehens immerhin erfreuten; obwohl man bk dahin glaubte, dass er eben wegen des ungenügenden Erfolges auf diesem Gebiet andere Bahnen aufgesucht habe; aber jedenfalls Platoi Urtheil kann sich unmöglich auf diese, es kann sich, wie auch Gercke richtig empGndet, nur auf irgend einen Grad von Uebe^ einstimmung mit der neuen Richtung stützen, die Plato der Rede- kunst im Phaedrus anweist; anders kann das Lob, am Schluss des Phaedrus, auf dem Gipfel der ganzen, wirkungsvoll sich steigerndeo Darlegung, nach dem letzten ironischen Gruss an Lysias, unmOgUck aufgefasst werden. Seine Richtung aber hat Isokrates nirgends anders als in seinem Programm, der Sophistenrede, ausgesprocheo. Also fragt es sich nur noch: konnte Plato dies Programm im all- gemeinen gutheissen oder nicht? Diese Frage aber ist urkundlich beantwortet eben durch den Phaedrus, der alle Plato interessirendeo Punkte dieses Programmes gleichfalls betont, nur sie durchweg vertieft und mit neuen, ungleich ernsteren Forderungen überbietet. Isokrates stellt 1. der Rhetorik eine erweiterte Aufgabe (20 iO'l vgl. Phaedr. 261); er verspricht 2. sie in den Dienst der allgemeineD Bildung zu stellen und auf sittlicher Höhe zu halten (s. oben); er bricht 3., wenigstens anscheinend, mit den morsch gewordenen Traditionen der bisherigen Redetechnik, denselben, welche, our viel radikaler, der Phaedrus für abgethan erklärt; er betont nameotlicb 4. die Notb wendigkeit einer ordentlichen Disposition (16), deren Abwesenheit Plato an Lysias ganz besonders zu rügen fand; er nimmt 5. einen immerhin nennenswerthen Anlauf zu einer all- gemein theoretischen Begründung der Redekunst auf die ao sich un verwerf liehe, genau so von Plato behauptete Trias: q)voiç, i^' daxrj , aamfjGiç, wobei auf das psychologische Moment der ge- eigneten Anlage der stärkste Nachdruck fällt. Das alles konnte Plato nicht bloss gelten lassen, sondern er musste einen acblbareo Forlschritl darin erkennen; er konnte danach auch allgemein to» isokrates eine günstige Meinung fassen, vorausgesetzt nameotlich, dass er zu diesen Verbesserungen selbständig gekommen war. Dies vorauszusetzen hindert aber doch nichts, es ist vielmehr die bei weitem natürlichere Annahme, zu der man sich um so lieber eni- schliesst, da alsdann der Contrast zwischen dem Urtheil Piatos fSb^

PLATOS PÜAEDRUS 397

krales uod dessen wirklicheu Leistungen doch etwas weniger ireiend wird. Denn das lässt sich gerade noch ?erstehen, dass ito um jener an sich achtenswerthen, obwohl mit wenig Ahnung Q wirklicher Wissenschaft erreichten Fortschritte willen, die dem )krates selbständig geglückt waren, ihm auch die grössere Auf- be zu stellen wagte, deren Losung freilich ganz ausser den enzen seiner Begabung lag: die einer ernstlich wissenschaft- :ben Neubegründung der Darstellungskunst auf den Grundlagen r Dialektik und Psychologie. Uebrigens unterscheidet Piatos Lob »timmt genug: er wird 1. in der Redekunst, wie er sie jetzt itreibl,^) es sicher den anderen weit zuvorlhun, was gewisser- aassen eingetroffen ist; 2. vielleicht noch, ftgoïovarjç rfjç f})ii' ^aç, darüber hinaus zur wahren Philosophie durchdringen,^ was cht eingetroiïen ist und wozu, genau besehen, auch die Sophisten-

1) ip avrole rols Xoyois oU vvv ènix^içdi (wie Gor^, 521 d inixsiçalv ''^X^V »betreiben*). Susemihl (a. 0. S. 36) glaubt das Jetzt* dorchans f den fictiven Zeitpunkt des Gespräches beziehen zu müssen. Mir ist nieht reifelbaft, dass der damalige Leser es, wenn es sich um eioe Tagesfrage tdelte, skrupellos auf die Zeit des Erscheinens der Schrift bezog. Jedenfalls «r halte Plato volle Freiheit, die neue Tendenz der isokrateischen Rede- ttre und auf die Tendenz bezieht sich das Lob, nicht auf einzelne Reden, Mlorch die obige Ueberselzung sich rechtfertigt in die Zeit des Sokrales rockzudatiren, weil es nur so möglich war, Sokrales davon sprechen zu lassen. iBe solche Freiheit wären sehr zahlreiche Stellen bei Flalo unverständlich.

2) Ich baue weiter nichts darauf, möchte aber gleichwohl festhalten, SS Plato mit dieser Unterscheidung Isokrales in höflichster Form zu ver- üben geben will: so löblich auch seine Verbesserungen in der Redekunst rigens seien, so würde es doch etwas ganz anderes zu bedeuten haben, ^OD er sich bis zur Höhe der Wissenschaft noch erhöbe. Er muss desshalb :bt ernstlich geglaubt haben, dass Isokrales dazu die ausreichende Fähigkeit »tze oder überhaupt Lust verspüre; er spricht durchaus nur conditional; r ganze Nachdruck aber fällt auf das Sachliche: dass auch die im Sinne s Isokrales verbesserte Redekunst weit unter der reinen Philosophie bleibt; bes. die feierliche Erklärung 273 e— 274 a, die doch nicht etwa für Iso- les nicht gelten soll. Hai Isokrales eine echte und zulängliche philo- ^bische Begabung, will Plato sagen, so muss und wird er sie damit be- ûeo, dass er sich zu dem ,Grösseren* noch aufschwingt. Mit diesem Wort 'f er schliessen, weil es in der That das reife Ergebniss der ganzen Er- (mng nochmals kurz zusainmenfasst. Diese, wie mir scheint, durch den lanimenhang geforderte, jedenfalls aber mögliche Interpretation empfiehlt 1 dann auch dadurch, dass sie die Schwierigkeit, die in dem Lobe der ilosophie* des Isokrales Jedenfalls liegt, doch auf das mindeste Mass öckbringt.

Heraes XXXV. 26

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rede keine Aussicht gab. Wie dagegen Plato dazu bStte komsüoi^^ können, von dem Manne so hohe Erwartungen zu hegen und aji solcher Zuversicht Oiïentlich auszusprechen, wenn er auch nie^/ einmal jenes massige Verdienst aufzuweisen hatte, entzieht «ücft meinem Verständniss.

Darfle hierdurch die Priorität der Sophistenrede vor dem Phaedrus gesichert sein, so wird man aber wohl nicht darGber im Zweifel sein , dass dieselben Argumente zwingen im Phaedrus die unmittelbare Antwort auf die Sophistenrede zu erkennen, und also i ihn dieser zeitlich möglichst nahe zu rücken. Dazu kommt, das das Lob der ,Philosophie' des Isokrates in irgend einem spätereo Zeitpunkt unmöglich ist, um so unmöglicher, je weiter mao die Schrift von diesem Zeitpunkt abrückt. Denn nicht nur ISsst keine der späteren Schriften des Rhetors dies Lob etwa begründeter erscheinen, und wäre es überhaupt absurd gewesen bei dem al- ternden Manne noch eine Umkehr auch nur als möglich ins Auge zu fassen , sondern es muss nach allen vorliegenden Spuren (fe feindliche Spannung zwischen beiden Männern frühzeitig eingetrelei sein und die Kluft sich dann nur immer mehr vertieft haben. Das würde entscheiden, selbst ohne das Urtheil über den Ungenaonteo im Euthydem. Bezieht sich aber dieses, wie ich nicht zweifle, auf Isokrates , so ist es vollends ausgeschlossen , dass derselbe Plato» der den Rhetor hier so genau als das schätzt, was er ist (306 c)i sich von dessen späteren Leistungen derart habe imponireo lassea, zugleich gegen seine fortgesetzte verständnisslose und neidisdie Mäkelei gegen ihn in solchem Grade unempfindlich geblieben sti, dass er ein Lob wie das im Phaedrus ausgesprochene sieb irgend einem späteren Zeitpunkte hätte abgewinnen können. Viel- mehr scheint auch das bescheidene Prädikat, das von der %\ç (pû^ aocpia im Euthydem zurückgeblieben ist {Ixofjievov q^QoriiOtfii ngâyfia 306 c), noch zurückgenommen zu werden Rep. 496a oiôiv . . . cpQOvr^aewç à).rj^ivrjç ixcfievov. Als letzte Nott hülfe bleibt somit dem, der die spätere Abfassung des Phaedro» erzwingen will, übrig, das Urlheil im Euthydem auf einen Ändere» zu beziehen. Allein es müsste sozusagen nicht mit rechten Dios^ zugehn, wenn ein Anderer gemeint wäre. Alles trifft genau auf Isokrates zu/) und dabei muss es sich, nach dem Wortlaut, ^

1) Vielleichl wendet jemand ein, gerade das Eine treffe nicht lu, **" «iurcti der Gemeinte am bestimmtesten charakterisirt werde: dass er too ^^

PLATOS PHAEDRUS 399

nen ganz bekannten, um einen Mann solchen Ranges handeln, ISS er, ohne eine so ernste und eingehende Zurechtweisung, wie lato sie für nOthig hält, zur Lächerlichkeit zu machen, den An- pnich erheben konnte, der erste zu sein, sobald es ihm ge- ilDge, die Philosophen, d. b. ausser Antisthenes ?or allen Plato, 0 den Schatten zu stellen (305 c d). Das passt so sehr auf Iso- krates, dass man getrost behaupten darf: sofern dieser damals lebte, musste man es auf ihn deuten. Also wird es auch auf ihn ge- mOnzt sein.

Nach dem allen halte ich die Datirung des Phaedrus auf 392 bis 390 insoweit ftlr verbindlich, dass man versuchen muss mit ihr auszukommen, bis etwa eine klare Unmöglichkeit dabei sich herausstellt.

3. Für denselben Termin habe ich frtlher geltend gemacht

ErbÜkern gesprochen habe als neçl ov9evos aiitov âva^iav ixnovSrjv noi- 9tfUptûv ovxaal ydçt na>s xai eîna roïe ovofiaai (Euih. 304 e). Es wird vielleicht das Verlangea gestellt werden, dass man die Stelle bei Isokrates Diehweise, wo wörtlich so über die Erisliker geartheilt werde. Das Verlangen vire unbillig, denn es scheint sich um eine mündlich kolportirte Aeasserung kq handeln. Zum Ueberfluss aber sagt Isokrates in der Helena dem Sinn »ich dasselbe, und auch ungefähr nmi in denselben Worten, nur nicht gende an einer einzelnen Stelle, sondern durch das ganze Proôm verstreut. IKe Gegenstände, mit denen die Eristiker sich abgeben, sind durchaus nichtig, Vertblos: oîdèv cotpeXotaas (l), àxç^i^'^o'^'i /uijdèv n^os jov ßiov eoipeXovaiv [S)) ftf}8i nçce iv XÇ^^^M^^ (6), fpavXœv xai raneivtuv (13); sie steigen auf Ho Gebiet herab, ol /ii^8eiç av aXXos aiicâaeiav (10), und es ist nicht ^loerlei iSitos eineXv nsçl énaréçtov^ über jene nichtigen und über erspriess- Ichere Themata (13); letzteres ist so viel schwerer oaqf ntQ to CBfivxvaad'ai ^ üHojnjBiv xai TO anovSa^eiv tov nai^eiv (11), Jenes sind Narreos- POsscD, TiQÔ'çiia (4) U.S.W. Plato konnte am Ende, selbst wenn er etwa (ende das Helena- Proöm im Auge hatte, den so immer gleichsinnig wieder- holten Tadel in jene knappe, zugleich die isokraleische Worlliftelei parodirende Formel zusammenfassen, und fingiren, dass diese dem Sokrates mündlich hinter- >ncbt worden sei. Jedenfalls aber ist das in dieser Formel ausgedrückte ^rtheil über die ,Eristiker* mit dem in der Helena von Isokrates ausgesprochenen 'er Sache nach identisch und selbst in den Worten ähnlich gefasst. Und diese 'Nogie ist um so beweisender, da überhaupt die ganze Charakteristik des ^ Benrtheilten (Antisthenes) im Euthydem mit der von Isokrates in den ^iden Proömien der Sophistenrede und der Helena gelieferten bis in Einzel- -iten selbst des Ausdruckes übereinstimmt. Wolle man doch die (Philol. N. II 616 Anm. 64 zusammengestellten) Parallelen sich vergegenwärtigen, und 'h wohl überlegen, ob man es auf sich nehmen will, diese ganze Fülle von 'bereinstimmungen für zufällig zu erklären.

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die nahen Beziehungen zwischen dem Phaedrus und dem Gorgias Pialos (Philol. a. 0. 429 f. 431. 444—449. 594—596 f., vgl. Arch. II 397). Die Themata, die Grundabsichten beider Schrifleo er- gänzen sich; der zweite, entwickelnde Theil des Phaedrus koOpÜ an den Gorgias Punkt für Punkt an, um aber in jedem eiozelneo Stück ergänzend und berichtigend über ihn hinauszugebn. Ad sich ist nun zwar ein Zurückgreifen auf eine so naobbaltig wiriiuoie Schrift wie den Gorgias auch in späterer Zeit denkbar; aber un- gleich wahrscheinlicher ist, alles in allem, die baldige Wieder- aufnahme des Themas: Werth der Redekunst Macht dagegen Gercke (in der werthvollen Einleitung seiner Ausgabe des Gorgias 1897 S. XXXVIII) Ton neuem den Stimmungsunterschied beider Schriften geltend, so möchte dem , was darüber Philol. a. 0. 449 gesagt ist, nur hinzuzusetzen sein: an welcher Stelle mao auch den Phaedrus, das Gastmahl, den Euthydem einschieben mag, stels werden diese sonnigeren Schriften unmittelbar neben solchen voa düsterstem Ernst stehen. Plato selbst war der Ansicht, dass der echte Tragiker allein auch im Stande sei Komödien zu dichtes (Conv. 223 d), was man mit Recht auf das Verhältniss des Gast- mahls zum Phaedo deutet; und die Erfahrung aller Zeilen be stätigt, dass solche, die beides vermochten, zu beidem auch in ge ringem Zeitabstand fähig waren. Gaben sie sich einmal für PoeleOt so commandirten sie die Poesie. Plato ist Dichter genug, dass man ihm ein gleiches zutrauen darf.

Uebrigens reicht, um die veränderte Stimmung im Phaedrus zu erklären, die einzige, doch wohl nicht zu gewagte Vorausselzoog hin, dass eine so wuchtige Schrift wie der Gorgias ihren Eindruck nicht verfehlt hatte; dass die bösartigen Angriffe auf Plato, weiche die Schrift voraussetzt und denen sie so mannhaft zu aotwortea weiss, in der OlTentlichen Meinung keinen ernstlichen* RQckhait mehr fanden; dass die rabulistische Rhetorik, der sie so unbanO' herzig die Maske vom Gesicht reisst, in den Kreisen der feinereo Bildung entschiedener missbiiligt wurde; dass die bildungsbegierig^ vornehme Jugend sich um Plato zu schaaren begann, und ersOt wenn auch keine unangefochtene, doch auch keine schutzlose oa<i verachtete Stellung mehr in der Stadt einnahm. Auf eine solch« Wendung aher erlaubt einen völlig sicheren Schluss die Sophisief' rede des Isokrates; und es begreift sich um so mehr der wariB« Ton der Aulwori auf diese im Phaedrus, wenn Plato, einer rich-

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en EmpGuduDg nur etwas sanguiaischer nachgebeod, darin den DZ aufrichligen Ausdruck einer befreundeten Haltung gegen ihn ti, während Isokrates wirklich nur, wie er zu thun pflegte, den aotel nach dera Winde der öffentlichen Meinung hängte. Es (greift sich ebenfalls, dass Plato nun auch sich bereit ßnden iss, ohne sachliches Zurückweichen, doch unnötige Schroffheiten ioes Üorgias fornnell zu mildern. In drei Punkten ist dies ge- Men: die Redekunst wird nicht mehr in Bausch und Bogen irurlbeilt, sondern unter bestimmten, freilich bisher unerfüllten od überhaupt schwer erfüllbaren Bedingungen anerkannt; über erikles als Redner, nicht als Staatsmann wird ein Urtheil (filllt, das bei einiger Ironie doch auch einen Grad aufrichtiger oerkennung einschliesst ; und die tragische Dichtung wird jetzt I weniger wegwerfendem Tone behandelt. In allen drei Fällen eruhten die schroffen Verdicte des Gorgias auf dem einseitig mo- ilischen Standpunkt der Beurtheilung. In dieser Beziehung ßndet lato im Phaedrus nichts zurückzunehmen; dagegen kann er ohne elbslwiderspruch erklären, dass, sofern vom Moralischen abgesehen ird und nur von der Darstellung als solcher geurtheilt werden ill, er gegen den Werth einer tüchtigen rednerischen und dichte- schen Technik und gegen die Höhe der Bildung und Redegabe Des Perikles sich nicht verschliesst. Das ist eine nachträgliche erwahrung ähnlicher Art, wie er sie selbst seiner herbsten Ver- Iheilung der Dichtkunst im 10. Buche des Staates hinzuzufügen T richtig gehalten hat: damit man ihn nicht der axJirjçoTTjç und Yçoixla beschuldigen könne {Rep, 607 b). Ganz so antwortet der Inedrus, und zwar übereinstimmend in allen drei Fällen, auf den t>rwurf der aygoixla (s. Philol. a. 0. 446 f., bes. Anm. 47). Nur, Urend er im Staat beide Seiten der Sache in einem Zusammen- iDg behandelt^ die Anerkennung eine sehr viel subjectivere Färbung It, und das ganze Gewicht nur desto mehr auf das verwerfende idurtheil fôllt, lässt er im Gorgias schroff nur die eine, im taedrus, doch in deutlichem Rückblick auf den Gorgias, auch 5 andere Seite, und zwar diesmal in voller objectiver Würdigung, Worte kommen, wie es durch die allgemein verschiedene Ab- ht beider Schriften klar motivirt ist.

Was nun die Abfassuogszeit des Gorgias betrifft, so dürfte als minus ante quem die Sophislenrede im obigen erwiesen sein, îiler kommt in Frage die mögliche Beziehung zwischen denv

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Gorgias und des Polykrates Anklagerede gegen Sokrates. Ger^jf^ (in der Ausg. des Gorgias S. XLVU) glaubte im Gorgias polemisc^^ BezugDabme auf Polykrates zu erkennen ; indessen hat t. Wilamo- witz die umgekehrte Beziehung sehr viel wahrscheinlicher gemadif und gefolgert, dass der Gorgias vor 393 geschriet^en sein mflsse. Uebrigens liegt es dann um so näher, bei den wiederholten und nacbdracklichen Erörterungen über den Unwerth der BefestigHDgs- werke im Gorgias (517 519) an den in der Bede des Polykrates direkt erwähnten Wiederaufbau der ,langen Mauern^ zu denken; man beachte besonders, dass (517 a c) die Leistungen der gegen- wärtigen Staatsmänner in dieser Hinsicht mit denen der früheren verglichen werden. Darum kann übrigens der Gorgias doch schon 394 geschrieben sein, da, wie Immisch (a. 0. 616 A. 1) aus Inschriflen schliesst, der 393 vollendete Mauerbau schon ein Jahr früher im Werk war. Demnach dürfte die Bede des Polykrates 393, die Sophistenrede, die den noch frischen Eindruck des Gorgias e^ kennen lässt, schwerlich später als 392, und der Phaedrus nor wenig später verfasst sein.

4. Was nun endlich den philosophischen Inhalt des Dialoges betrifft, ist an erster Stelle hervorluheben seine formelle Haltung in den philosophischen Fragen, sein Programmcharakter. Weicht schon der Gorgias, wie Gerckes Einleitung in dankenswertber E^ gänzung meiner früheren Bemerkungen nachweist, von der Haltuof der eigentlich sokratisirenden Schriften Piatos darin auffallend ab, dass er, statt wie jene nach vielseitiger Untersuchung beim Ge- ständniss des Nichtwissens stehen zu bleiben, eine stattliche Reibe von Sätzen, als Kernsätze einer wissenschaftlichen Ethik, M^ eisernen und stählernen Gründen^ festlegt, die entgegengesetzteo Thesen aber, nachdem sie sich erst mit voller Wucht und in ihrem verführendslen Schein haben aussprecl>en dürfen, durch eine desto unwiderstehlicher bis zur Wurzel des Irrthums dringende Kritik vernichtet, so scheint der Phaedrus diese schon ganz unsokratiscbe Positivität nur noch überbieten zu wollen. Die Selbstgewissbeit nimmt hier beinahe einen Plato sonst fremden Zug von Dogm)' tismus an. Beweis und Wissenschaft wird gefordert, aber der Dialog seihst erarbeitet die behaupteten Sätze nicht, sondern spricbl sie als feslslchende Ueherzeugungen nur einfach aus, widerleg nicht die cDtgegenslehenden, sondern weist sie vom eigenen Slafl^l' puukt, als ob dieser jeder Anfechtung entzogen sei, kurz und so-

PLATOS PHAEDRUS 403

zh entschiedeD, beinahe ungeduldig ab. Wie soll mau diese bei .0 sonst beispiellose Art des Vorgehens sich erklären? Das hsüiegende wäre, die Beweise wenigstens für die Grundlhesen vorausgegangenen Schriften zu suchen. Aber nicht nur findet i im Phaedrus nirgendwo ein Hinweis auf frOher Bewiesenes,

etwa im Phaedo (72 e, 100 b) und SUat (507 a, 611b u. 0.), idem der ganze Ton namentlich der dritten Rede, die gleich

ganzes Follhorn philosophischer Thesen ausschüttet, ist der der tmaligen Enthüllung bisher nicht ausgesprochener, und zwar hr intuitiv geschauter als rational erarbeiteter, persönlicher berzeugungen. Die ganze «Beweisführung^ wird eingeführt als foîç (àïv aTtiOToç, Goq)oîç âè matri (245 c), während es doch

feststehender, sogar im Phaedrus selbst (277 c, e) vorkommen-

Satz Piatos ist, dass nloxig nicht ôiôaxri ist. Die Grundlehre I den Ideen aber führt sich ein mit dem merkwürdigen Wort 7 c): ,Den überhimmlischen Ort hat noch keiner der Dichter oieden besungen, noch wird ihn je einer besingen nach Würdig- t; es verhält sich aber damit so man muss doch einmal gen, was wahr ist, zu sagen, zumal es sich um die ihrheit handelte Es gehört Voreingenommenheit dazu, aus Mr Parenthese etwas anderes herauszulesen, als dass die so ein- Qhrte Lehre bis dahin noch nicht, oder, um das äusserste zuzu- tehen, nicht geradezu von Plato ausgesprochen worden war. m aber kann schon der Phaedo, der diese Lehre nicht nur % eingehendste erörtert, sondern von Anfang an als in den mdzügen bekannt voraussetzt und (an der zweiten der oben lannten Stellen) vielmehr seinerseits sich auf frühere Darlegungen Qber bezieht, dem Phaedrus unmöglich vorausgegangen sein; selbe gilt vom Gastmahl, wo der ,überhimmlische Ort^ wahrlich tlicher von Diotima beschrieben und in reineren Akkorden he- gen wird; es gilt vollends vom Staat; ja auf den Cratylus wird 1 den Schluss ausdehnen müssen, wo dieselbe Grundlehre zwar z, aber in schlichter, alles Dichterischen entkleideter, die Haupt- ikle knapp zusammenfassender Formulirung, und wiederum nicht gänzlich neu, sondern als etwas, das ihm ,oft wie im Traume Mïhwebe^ von Sokrales entwickelt wird (439 e). Ich kenne \t Auslegung jener Worte, die es ermöglichte, dieser Folgerung annehmbare Weise zu entgehen. Man könnte etwa sagen: es i doch Sokrates; es werde also nur fingirt, dass dieser die wie

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io einer Visioo vorausgeschaute platonische Ideenlehre jetzt erstiCKje^ verktlndige; an andere platonische Darlegungen zu denken sei ^Jso keine Veranlassung. Allein tlberhaupt nirgends spricht Plato in dm Grade persönlich und verwendet er die Maske des Sokrates mit st^ unerhörter Freiheit wie im Pliaedrus; die Illusion, dass man Soknles und nicht Plato reden höre, kann Oberhaupt kaum aufkommen, so unsokratisch ist hier alles und jedes; man kann nur annehmeOf dass eine solche Illusion gar nicht beabsichtigt ist. Das ,Wagoiss* der Aussprache hat keinen Sinn, wenn Plato bereits in einer Reibe früherer Schriften den Sokrates als ob das zu seinen taglicben Gewohnheiten gehört hatte von der Ideenlehre hatte sprechen lassen. Oder man könnte versuchen, die emphatische AnkflndiguDg von etwas unerhört Neuem auf das Dichterische der Einkleidung zu beziehen ; aber zu bestimmt wird das Aussprechen der frag- lichen ,Wahrheit' selbst als das Wagniss bezeichnet.

Können also die Beweise der neuen Thesen auch nicht in früheren Schriften Pialos gesucht werden , weichen Sinu bat das beweislose Hinstellen dieser Thesen im Phaedrus? Durch die Fic- tion der Eingebung, der enlhusiastischeu Vision, denke ich, sichert sich Plato das Recht, für diesmal, ohne wirkliche Untersuchung oder wissenschaftlichen Beweis {avev àyaxgiaewç xal dtèaxïiÇt sagt er selbst 277 e) seine subjective Ueberzeugung nur eindrioglicb überredend vorzutragen. So trifft der Vorwurf des Dogmatimus ihn eigentlich nicht: er wird mit Untersuchung und Beweis nicht zurückhalten, nur hier soll man sie nicht suchen, denn es ent- spricht nicht der Absicht gerade dieser Schrift, die von der Darstellung, nicht vom Finden der Wahrheit handelt, aber doch sie voraussetzen muss, um von ihrer Darstellung deutlich reden und ein ,Paradigma' geben zu können. Auch die (über- treibende) Verurlheilung aller schriftlichen Darstellung philoso- phischer Lehre und der Hinweis auf die jahrelange geduldige Arbeit im philosophischen Seminar der Akademie dient mit dazu, ihn vor sich selbst und dem Leser zu entschuldigen wegen der nur wie zum festlichen Gepränge (276b) ausgestellten, nicht zum wahren Fortschrill der Wissenschaft dialektisch entwickelten Philosophen«'

Demnach dürfte Schleiermacher insoweit Recht behalteD, dass man im Piiaedrus ein Programm der platonischen Philosophie auch in diesem inhalllichen Sinne eine ,Epideixis* nicht aber eine solclie Darlegimg zu sehen hat, die auch nur über é\t

PLATOS PHAEDRÜS 405

itraleo Frageo der Philosophie etwas ausgemacht haben wilL ch folgerte er viel zu rasch, dass die Schrift desshalb im ersten ifang der platouischeo Schriftstellerthatigkeit gedacht werden Isse. Sie steht gleichwohl au einem Anfang, nämUch am Anfang^ 8 Plato ganz eigenthümlichen , tiber Sokrates frei hinausschrei- ndeo Philosophirens. Denn auch der Meno und Gorgias barg luptsächlich den Gewinn, den Plato aus der Sokratik zog, wenn ich schon in einer über Sokrates hinausgehenden Positivität. eide verlassen der Materie nach den Problemkreis der Sokratik icht. Nur wird im Meno die erste eigenthümlich platonische Lehre^ le TOD der Anamnesis, episodisch eingeflochten und werden, ge- rânoissvolier noch, weitere damit zusammenhängende platonische ehren dort und im Gorgias als ,Mysterien^ für «Eingeweihte^ so recht «zur Erinnerung schon Wissender* {Phatdr. 278 a) an- HJeutet (vgl. Arch. II 407 iï.). Erfolgt nun die offene Darlegung erselben eigenthümlich platonischen Lehren im Phaedrus in Form Der wie aus höherer Eingebung in einem enthusiastischen Moment Bwagten Enthüllung eines Mysteriums^ so ist es für den, der Piatos UDst in diesen Dingen zu beachten gewohnt ist, kaum noch eine cblu88folgerung, sondern ein Datum, dass hier eben das zum rsten Mal enthüllt wird, was er im Menu und Gorgias sich noch icht zu enthüllen getraute. Denn in allen sonst vergleichbaren chriften sind diese Lehren durchaus keine Geheimnisse mehr, modern in der Hauptsache bekannt und längst Gegenstand auch fentlicher Discussion.

Immerhin würde ich auf dies formale Argument weniger bauen, eoD es sich nicht auch im einzelnen bestätigte, dass die fraglichen ehren selbst, überhaupt der ganze Bestand der philosophischen ehre im Phaedrus, soweit sie über das Sokratische hinausgeht, > einer Gestalt vorliegt, die dem gedachten Stadiuoa genau ent- ^richt, nämlich in der Unfertigkeit der ersten Conception, nicht jener Reife wissenschaftlicher Durcharbeitung, die erst das Er- •boiss langer und tiefgründiger, in späteren Schriften, zunächst ^eaetet und Phaedo niedergelegter Untersuchungen ist. Wir kommen tnit zu dem sachlich wichtigsten, die innere Geschichte der pla- Dischen Philosophie betreffenden Theile dieser Untersuchung.

5. Der oberste Gesichtspunkt der platonischen Philosophie ist t der Methode (zuerst if en. 74 d /deriévat %ov Xoyov, Ein- uog am Beispiel 75 a, 77 b, 79 a. So Phaedr. 270 d— e fiiao-

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âoçy fixvfi fi€t lirai, und oft in alleo Hauptschrillten). Der i^«^/. geschichtliche Name der von Plato eotdeckten Methode aber: I>/j. lektik, wird im Phaedrus deutlich als neu eingerobri; 266b, nach Beschreibung der beiden Grundbestandlheile des Verfahrens, Gvvaywyij und ôialçeaiç, heisst es weiter: xal fiéwoi xal mg ôvvafÀévovç %ov%o âçàv ei fikv oç&wç iq fA^ ngoaayoçmi, ^eog oläe, xakw ôè ovv (JtixQi %ovôb dtaAcxTixot;^, worauf die Antwort erfolgt: aXXa rovzo ^kv to eîâoç ogâwç ïnoifB âoxêîç xaleiv, âiaXextixov xakwy, dann 276e%^ dialexTitfj '^^X^î] XQ^f^^^^Ç' ^^ ^^^ Schriften der FrOhzeit werden iwar vielseitig genug die Regeln des âialiyea&ai, als des eigenthümlicb sokratischen Verfahrens, erörtert, aber keinmal erscheint das Ad- jectivum diaXêxtixoç^ nur einmal das Adverbium dialextixtke^uf (Men. 75 d, Gegensatz: el fiév ye %wv aoq)wv %ig eïrj xal Içioti- xwv re xai àywpiarixdiv, cf. Theaet. 164 c, 167e), womit oichU weiter als die nothwendige Rücksicht auf die freie Beistimoiuig des Anderen in der Unterredung bezeichnet wird. Im Pbaedras ist die ,Dialektik^ bereits die feststehende Schule des Philosopbeo; die Schulung in der Dialektik ist die tcoXX^ nçayiiatela 273 e (wie The. 161 e i^ %ov ôiaXéyea&ai ncayfiatela), oder es ist die /Aaxçà neçlodoç Phaedr.27Aa; Ausdrücke, die bestimmt auf die Curse der platonischen Schule gedeutet werden dürfen. Auch auf ältere Muster des Verfahrens scheint 266 b hingedeutet zu werdeo (iày %iv^ akloy '^yi^awfiai dvvarov xtX.), Dabei kann wobl nur an Zeno gedacht werden, der von Aristoteles direct als Urheber der Dialektik genannt wird und in gleicher Rolle bei Plato im Parmenides auftritt; um so bedeutungsvoller erscheint die Erwüb- nung des ,eleatischen Palamedes' Phaedr. 261 d.

Nur wer des dialektischen Verfahrens mächtig ist, wird aber fortan gewürdigt Philosoph zu heissen (278 d), welche Beoeo- nung damit endgültig ihrer bisherigen Unbestimmtheit eothobeo wird. Zwar für die zweite Rede reicht noch die alte BedeuUiog aus: ^ x^ela cpdoooq}la 239 b sagt nicht mehr als ipvx^ç noi- öevoiv 241 c. Enthusiaslisch dagegen wird die Philosophie, zweifel- los in dem nachher ûxirten prägnanten Sinn, in der dritten Rede (248 iï.) gepriesen. Zu beachten ist die einfache Gleichsetzung des Begriffsverfahrens {^wièvai xaz^ eîôoç keyofievov xvL cf. 265 2G6c, 273 e, 277 b) mit der Anamnesis: rotvo ôé iauv avi' uvi.oig ztL 249 c (wie übrigens schon im Meno 98a: %ovfoi

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ùy avàfAyr]Giç, Dämlich die Verknüprung der Vorstellungen ai- ig Xoyia^tji, welche irciaTt]firj von oçd^fj âo^a scheidet), und ran sofort anschliessend: ôio ôrj ôixaiwç fiovrj meçovrai f^ V q)Lkoaôq>ov ôidvoia. Weiter wird 250 b unter ^fxelc (der ifolgschallt des Zeus) zusammengefasst, wer g>iX6aoq>6ç rs xal /tlÂoyixoç zrjv q)vatv. Sollte jemand in Zweifel sein, ob diese recle Gleichsetzung des Berufes zur Philosophie und zur Slaats- ituog vor Piatos Staat denkbar sei, so wolle er sich erinnern, 188 im Euthydem, den man wohl nicht nach dem Staat wird setzen oUeo, die Dialektik nicht bloss über alle, auch die mathematischen i'issenschaften erhoben (290 b c), sondern gleichzeitig zur ßaai- iXTj zixvr] gesteigert wird (291b). Die Grundlage war schon im orgias gegeben ; dass nur der Philosoph auch der berufene Staats- laoD sei, steht seitdem für Plato fest.

Aber der Begriff ,Dialektik' ist im Gorgias noch nicht geprägt, )Ddern erst im Phaedrus. Also besteht die Folgerung Ueberwegs 'gl. Gomperz, plat. Aufs. 1887 S. 27) immer noch zu Recht, dass, Jch um jener Stelle willen, der Euthydem nicht vor dem haedrus zu denken ist. Mögen die ersten Ansätze zu dieser, ie Sokratik weit hinter sich lassenden, die Wissenschaftslehre im ^aat^ schon ankündigenden Auffassung der ,Dialektik' im Meno Kid Gorgias nachweisbar sein: der wichtige Terminus hätte im uthjdem nicht so beiläuGg ohne die geringste Vermittelung eiu- sfQhrt werden können, er wird vorausgesetzt. Aehnliches gilt >iD Cratylus (390 c), der sich hier wie in so vielem mit dem uthydem eng verbindet. Vollends würde das Wort im Gastmahl !02e 203 a) von der dämonischen âiaXexTOç, welche als Mitt- les zwischen Göttlichem und Menschlichem die Brücke schlägt, (ft€ %o Ttäv avro avzt^ ^vvàeôéa&aiy seine tiefe Bedeutung •m nicht erschliessen , der nicht den denkbar höchsten Begriff 'r platonischen Dialektik dabei versteht. Dass aber nichts anderes iineint ist, bestätigt die Fortsetzung: es wird gleich hernach 03 d~204 b) das auch im Phaedr. 278 d benutzte Motiv der Be- ichnung Philosophie, als Forschung im Unterschied vom ver- einten Besitz der endgültigen Wahrheit, somit als Mittleres 'i8chen gänzlichem Nichtwissen und der göttlichen Wahrheit, nur 'fer, durchgeführt; so wird Eros, der Dämon der ersten Stelle, OQ q)il6aog)oç, und also ist es, unter der Benennung des Eros, en die Philosophie (Dialektik), die dann ferner bis zum höchsten

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Gîprel der Ideenschau sich steigert. Somit wird mao wiederuni auch aus diesem Grunde das Gastmahl nicht vor den Phaedrui setzen können. Im Phaedo endlich wird der Terminus «Philosophie' von Anfang an als jedem bekannt und zwar durchweg im präg- nantesten Sinne gebraucht. «Dialektik' unter diesem Namen b^ gegnet nicht, dagegen iq neçî rovç Xôyovg téxi^ri (90 b), die allein rcJv ovrwv trjç àlrj&êlaç te xai iniarrjfiijç theilhaft macht (90 d), womit man vergleiche 99 e *éôo^ê âij fioi jt^voi Tovç loyovç xcnag)vy6vTa iv èxelvoiç axoneîv %wv ovxwf ti{9 aXrj&eiav, was unmittelbar die Idee als vno&eaiç (methodisclKO Grundsatz) einführt. Im Phaedrus war noch koywv tixvri die (vermeinte, nicht wahre) ,Kunst* der Rede (266 d, 271c o. ö.); jener Gebrauch des Phaedo entspricht vielmehr dem höchst prSf- nanten Sinn, in welchem loyog z. B. Phil. 15 d gebraucht wird, nach welchem das Wort die ganze formale Grundlage dès Begriffet des Urtheils und der Verknüpfung der Urtheile im Verfahreo der Wissenschaft, also das Logische im vollen Umfang, vertritt, to scheint mir über den Phaedrus und alle frühen Schriften sogar weit hinauszugehen.

6. So viel über den Namen der Methode und die Bedeutuog, die ihr beigemessen wird. Welches sind nun die Elemente des Verfahrens? Sie wurden genannt: avvaywyi] und dta/^£aiç (266b, cf. 273 e, 277 b). Sicher ist es ein bemerkenswerther Fortschritt gegen die sokratischen Schriften, auch Heno und Gorgias, das» die ySynlhesis des Mannigfaltigen^ wie wir nach Kant sagen, and zwar des Mannigfaltigen der Sinne (249 b), zur Einheit (249 b ix 7CoXX(jüv . . eig ev ^vvaiQOv^evov, 265 d elg fiiav Idiav avfo* Qüivxa ra noXkaxfj ôuanaçfiéva, 266 b elg €v xaï inî noilo? 273 e ^içf lôé(^ necdaijßdveiv), und wiederum die ZerlegoDg solcher Einheiten in untergeordnete (xar' eïâr] TifÂveiv, xor' af &Qa fj néq)vyi€ 265 e, xar' eïârj âiaiçela^ac 273 d) bis zu de» nicht mehr zerlegbaren (fiixQt tov ccTfxrJTov 277 b) in dieser Be- stimmtheil herausgehoben und unter kurzen Bezeichnungen alsdi^ fundamentalen, zu einander complementären BestandslOcke des wissenschaftlichen Verfahrens ungefähr so festgelegt werden, ^* sie noch sp.'ti im Sophisten (253 d e) zu Grunde liegen. Alx^ doch ist die Sache selbst nicht so gar neu. Die Einheit des Be- griffs wird in den sokratischen Dialogen fort und fort eingescbSfft und das Verfalireu, diese Begriffseinheil zu gewinnen, die Begriffs*

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beslimmung (ÔQt^ofievoç, o ionv oçia&év 265 d, cf. 262 b; ^^- fteyoç OQOv 237 d; xor' avto ogiÇtad^at 277 b) systematisch geübt und theoretisch erörtert; aber auch das Verfahreo der Eintheilung wird im Gorgias schon mit voller Sicherheit gehaudhabt (454 e üiri, 463 b fiogia, wie auch Phaedr. 265 a— b, 266 a f^igt] neben ddrj); die ganze dort entwickelte Systematik der Künste beruht auf diesem Verfahren, und wie bestimmt dabei die logischen Be- xiehuogen und die Begriffe als deren Termini bewusst sind, zeigt X. ß. die Anwendung der Proportion auf letztere (465 b), wo auf das Vorbild der Geometrie verwiesen wird und die Parenthese {ijôri fàq &y ïawç axokov^aaiç) die Bewusstheit und Neuheit dieser logischen Errungenschaft verräth. So sehr also ein Fortschritt des iDelhodischen Bewusstseins im Phaedrus anzuerkennen ist, so muss nan doch sagen, dass vom Meno und Gorgias aus dieser Fort- schritt nicht allzu fern lag. Mit dem Gorgias theilt der Phaedrus anch die Bezeichnung des Gegensatzes des begrifflichen Verfahrens àmh i/ATieigla und azsxroç tgißq (PAaedr. 260 e, 270 b, Gorg. 463b, 456a, 501a; vgl. auch Phaedr. 271 e o^iwç rfj aia^ijaêi iinaa&ai iTtaKoXov^eiv, âiaïaô^avofievoi, mit Gorg, 464c ola^ofÀêvr], ov yvovaa Xéyw àkkà ovoxoaafÀivrj^ 463 e ipv^ X^Ç aTOxaojiKfjç eine andere Bedeutung von aioa^rjaic als 'Wr. 249 b). Dies ist das Verfahren, weiches Phaedr. 270 d e ^^ Gange eines Blinden verglichen wird.

Die Auseinanderhaltung der Begriffe ist aber bloss das Gegen- HQck ihrer Verbindung in einer Einheit; Verbindung schliesst Aus- cioaoderhallung des Zuverbindenden im Bewusstsein immer ein; ^er kann als Grundlage des Logischen auch schlechtweg die Syoihesis des Begriffs bezeichnet werden. In dieser aber wurzelt ^^^ platonische ,ldeeS und insofern darf diese gewiss in dem Ter- nioug fila iôéa (265 d, 273 e) gefunden werden. Sonst aber i^tiss, wenn die Schrift einer späteren Zeit angehören soll, die Mogelnde Festigkeit gerade dieses, im Phaedo und Staat ganz ^Dg verstandenen Terminus doch auffallen. So besagt iôéa ^37 d, 238 a etwa psychische Funktion, wie eïôr] 253 cd, wo die 'icthode der Eintheilung zu Grunde liegt {vgtxfj duilo/urjv), deren ^■*^ebniss ja die eidrj (Arten der Gattung) sind ; also Gestaltungen ^cr Arten des Bewusstseins. 246 a ist iôéa (tf^ç tpvxrjç) Be- ^aOTeoheit, Qualität, und so wohl auch 253 b (dort die allge- 'ciiie, hier eine besondere). An keiner dieser Stellen würde die

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Wiedergabe durch ,Idee* den Sinn treffeii. Aber auch elç faüry j idiav 265 d sagt nichts anderes als elç Sv 249 c: zur Einbeil (zusammenscbauen), und so 273 d fiiÇ idi(f nBgdafifiavuv in einer Einheit begreifen. So werden ja die reinen Begriffsinhalte ge- radezu Einheiten (évaâeç, ^ovddeç) genannt im Philebus (15 a— b). Diese Bedeutung von fUa idea bestätigen besonders mehrere Stellen des Theaetet: 184 d eig fiiav Idiav eïre ipvx^v xtÎL (zu einer Einheit, heisse man sie nun Bewusstsein oder wie 80D8t)i ferner 203 c, e, 204 a, 205 c— e. Sonst ist die gelaufigste Be- zeichnung des reinen Begriffsinhalts die durch das Pronomen avtog zum Neutrum des Adjectivum oder zum Substantifum ab- stractum gesetzt; im Phaedrus findet sich nur das Letztere: avtfj dixatoovvrj 247 d, aito to xalloç 250 e. Damit wechselt aber das einfache Substantivum, awq)Qoovvr], iTtian^fir] 247 d, ôixai" oavvrj, aw(pQoavvrj 250 b, q>Q6vrjaiç, xàXloç 250 d, zum ge- ntlgenden Beweis, dass der Zusatz des Pronomen bloss den Nach- druck, nicht den Sinn ändert. Es handelt sich einfach um deo Inhalt der Prädication als dlxatov^ xaXov u. s. w., daher 254 b auch Ti}y tov xdlXovg q>iatv . . . iiBta awtpQoavvtig* diesem Sinne bahnt sich der Gebrauch des avro schon im Prota* goras an (330 d, 360 e). Und so wird auch die Einheit de« Begriffs schon dort betont: 349a, alle Tugend ist Eines, €if Ttgäyfia, von einer Wesenheit, Bedeutung, ovala, övvafxtc, ferne' 329 c, d, %v n, %ov avzov évoç ovtog, 330 a c; lfm. 72 b ^ ovala = ö TL noT^ eati = €v zi eldog TavTOv, Euthypkr. 5 d, 6d— e, fiia idea, daneben eîâog, lia ovaia >=» 8 zi 5y.') E* ist also irrig, wenn Lutoslawski (S. 340) im Gebrauch von oial^ für den Begriffsinhalt Phaedr. 237 c, 254 e (neben Xoyog^ q>vüic}f 270 e {ovoiav zf^g (pvatwg) irgend etwas Besonderes finden will» Auch q>vaig begegnet neben X6yog und aizla im Gorg. 465 ^* 501a so gut wie im PÄaerfr. 270— 27 1 , 254 b al.; dvvafiig i^ Prot. (s. oben) und Lach. 192 b.

Ausser avvaywyr. und ôiaiçeaig wird noch ein dritter Gniod* begriff platonischer Methodenlehre, die anoÖBi^ig (245 c) wenigste^* berührt. Aber auch das ist nicht etwa eine neue EntdeckuDg» das Verfahren der deductiven Folgerung (charakteristische TermiDJ-

1) Indem ich diese Stellen anführe, kann ich freilich nicht unterlass^^ hinzuzusetzen, dass ich über den platonischen Ursprung des Schriftchens dîc*' ganz beruhigt bin. Wenn echt, gehört es ungefähr in die Zeit des Meno.

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vno^eaiç avfißaivetv) wird ebenfalls schon in frühen Schriften angewandt and technisch bezeichnet, so im Charmides (160 d, 163 a, 164 c, 175 d), mit besonderem Nachdruck aber im Heno (86 e i^ ino^iaewç axorteïa&ai waneg ol yewfÄercaij 87 a ovfißaiveiv^ TO avfißaivovy avrrj ^ vnô^êaiç fnévei rjfAÎy, die Voraussetzung hält stand, bewährt sich in den Folgerungen; 89 c). Der Zusammen- baog von Grund und Folge bewirkt jene Festigung der Vorstel- laogen, welche macht, dass sie Erkenntnisse und damit beharrend werden, unterscheidet inêaTrjfirj und oq&^ do^a (98 a), ,und das ist die Wiedererinnerung/ Aber auch der Gorgias betont besonders stark die Folgerichtigkeit des Schliessens (454 c é^rjç Tteçaiveiv fof loyov, xara rfjv ino^eaiv nêçalveiv^ 457 e otf navv âxo- hvâa ovôè avjiiqxüva olg to nçaitov ii-eyeçj, die Einstimmigkeit als Probe der Wahrheit (482 a : nicht ich , die Philosophie spricht so, sie ist ael iwv avxwv Xoywv, mögen eher alle Menschen mir widersprechen ^ eva ovza ifik efÄavztß aavfÀq>iovov ehai xal hanla Xiyeiv). Nach dem allen kann es höchstens auffallen, dass das Beweisverfahren im Phaedrus gerade da Obergangen wird, wo die Elemente der dialektischen Methode festgestellt werden sollen; zumal wenn man sich erinnert, eine wie wichtige Rolle ^ im Phaedo und Staat, und vollends im Parmenides spielt.

7. Geht also in diesen wenigen methodologischen Festsetzungen, tn denen der Inhalt der oialBxrixij réxvr] hier beinahe schon erschöpft scheint, der Phaedrus über die Errungenschaften der akratischen Dialoge (einschliesslich Meno und Gorgias), abgesehen ^on der bestimmteren Formulirung, kaum hinaus, so fehlt ihm andererseits die ganze Vertiefung, welche die Methode im Theaetef, ^baedo, Gastmahl und Staat erfahrt. Ich denke hierbei a) an die 'Ui'OckfObrung aller möglichen Begriffe auf wenige Grundbegriffe Kategorien). Diese bahnt sich zuerst im Theaetet an, um später ^ Parmenides und Sophisten wieder aufgenommen und weiter '^Wickelt zu werden; sie liegt aber, wie sich zeigen wird, der ^he nach auch im Phaedo und Staat zu Grunde. Ich denke ^n das Postulat letzter begründender Sätze, Grundsätze oder ^Ocipien, für dessen Aufstellung der klassische Ort der Phaedo * Und dies leitet c) zum Gipfel platonischer Methodik, zur Idee '^^r strengen systematischen Einheit der Erkenntnisse in einer "^îigen, allen Obergeordneten Grundwissenschaft, der Wissen- ^hart der Methode^ Dialektik. Diese Idee ist es, welche, auf den

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im Theaetel und Phaedo gegebenen Grundlagen schon fassend, dm ^-^ Gastmahl in einfachen, klaren Haupllinien entwirft, der Staat m^ w führlicher entwickelt, übrigens schon der Eathydem (an derer- 1^ * wähnten Stelle) vorgreifend andeutet. Es dürfte klar sein, wie jene drei Dinge unter sich zwingend zusammenhangen und sicli ^^ gegenseitig fordern. Nimmt man nun hinzu, dass der mSchligste Fortschritt und die unvergänglichste Bedeutung der platoDischen Dialektik oder «Philosophie* eben darin liegt, dass so zum ersten. Mal die Fundamente der ,\VissenschaftS in formaler Hinsicht, gdegt wurden, so muss man gestehen, dass das Fehlen fast jedes ent- fernten Hinweises auf dies alles im Phaedrus ein starkes Gewicbt zu Gunsten der Annahme in die Wagschale wirft, dass dieser den nothwendig zusamnftngehOrenden Schriften Theaetet, Phaedo, Gast- mahl, Staat, mit denen aber auch hier der Euthydem sich zusamineD- gruppirt, vorausgeht und, unbeschadet seiner Fortschritte über die sokratischen Dialoge, doch von allen des nicht mehr sokraliscben Charakters diesen zunächst steht. Schon seit langer Zeit ist dies für mich der eigentlich bestimmende Grund für die frühe DatiroDg des Phaedrus. Die Bedeutung der Sache rechtfertigt wohl ein infr führliches Eingehen.

a) Der Theaetet stellt (185^186) eine Reihe durchgehender GrundbegrifTe {noiva negl nàvtwv 185 d, während bei den fr£^<' zçéxoyra 202 a es sich nicht genau um dasselbe, ja nach 201 d, 202 c, e vielmehr um eine fremde Lehre handelt) auf, zwar oho^ die Geschlossenheit eines Systems anzustreben, auf welche et^> die /néyiava twv yevuiv im Sophisten (254 f.) Anspruch macbeo möchten. An der Spitze steht das Sein, mit seinem Gegensatz dem Nichtsein, es folgen Identität und Verschiedenheit bez. GegeP' setz, (qualitative) Gleichheit und Ungleichheit, (quantitative) EÎ0' heit und Zahl nebst Gerade und Ungerade und allem was sieb daran anschliesst (185 d): hier ist die Anknüpfung gegeben fO^ die Grundbegriffe der Mathematik zunächst in Gestalt der AriU^ roctik; aber auch SchDn und Gut mit ihren Gegentheilen werd^^ genannt; also neben Grundbegriffen der theoretischen solche à^^ praktischen Erkenntniss, welche beide Gruppen als oiaia uP^ o)cptUa 186 c kurz zusammengefasst werden.

Im Phaedrus erscheinen weder diese Grundbegriffe selbst, ^1^ solche, noch wird irgendwie angedeutet, dass es nicht genug i^ in jeder besonderen Frage die Einheit des Begriffs dessen, warüfl'

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es sieb haodelt, festzustellen und ionezubalten , sondern dass alle Begriffe sich oolliweodig unter gewisse höchste durchgebende Be* griffe ordnen. Man erwartet zum mindesten bei der Schilderung des Ideenreichs eine Gipfelung der Ideen in einer begrenzten Zabi letzter Ideen, wenn nicht in einer einzigen; aber sie kommt Dicbt zu Tage. Genannt wird 247 c zuerst ro t^g altj^vg int" (nrifirfÇ yévoç das ist nur Bezeichnung des ganzen Gebietes der Begriffe, nicht ein oberster Begriff oder einer der obersten; daoOf in nicht klarem Verhältniss hierzu: dixaioavvrj, awtpço- üiff} und als drittes daneben noch einmal imaTi^/Âr}, wobei nach dieser Zusammenstellung wie nach den Parallelen 250 b und d {ôixaioavvTj, a(aq>ço0vvrjy dann çQovrjaiÇt in Unterscheidung von xalkoç) so wie 254 b {xdJikoç und a(oq>Qoavvrj) es am nächsten liegt an jene èrciatijfÀr] zu denken , die in den sokratischen Dia- logen mit âgêTTj gleichgesetzt wird oder auch, als aotpia oder fçôfrjoiÇy nur einer ihrer Ausdrücke oder ,Theile% Seiten dar- teilen soll. Wollte man aber dies der so vieles verschleiernden dichterischen Holle zu Gute halten (obgleich gesagt war, es solle, Uer endlich, ,die Wahrheit* enthüllt werden), so erwartet man doch, dass in der nachfolgenden nüchternen Erklärung neben den sittlichen Begriffen, die fort und fort, in Gestalt der von den frtlhesien Dialogen an geläufigen Dreiheit des aya&àv^ xakov^ öl- ^lov (260a wie 276c, 277 d, 278a) allein auftreten, die aller- ^ten Grundbegriffe der theoretischen Erkenntniss, die «logischen* B^riffe, doch wenigstens irgendwie angedeutet würden. Soll die rein historische Erwähnung der zenoniscben Thesen (261 d) etwa ^iese Andeutung enthalten? Selbst wenn wir wagen, so viel als ^^Uaserstes daraus zu folgern, dass die Beschäftigung mit den von ^o zuerst ausgezeichneten Uieoretischen Stammbegriffen (cf. Piatos '''Oienides) Plato schon damals nicht ungeläufig ist, so bleibt das '*^cre Bedenken, dass nicht auch nur die Existenz einer Hathe- ^(ik an einer einzigen Stelle erwähnt, geschweige irgend ein ^«^res Verhältniss der mathematischen Grundbegriffe und Methoden ^ ,ldee* angedeutet wird; was stark auffallen rouss im Vergleich ^ Theaetel, Phaedo, Gastmahl, Staat, selbst Euthydem, erst recht ^ allen späten Schriften ohne eine einzige Ausnahme. Vielleicht *"il sich später finden , dass die Mathematik trotzdem irgendwie ^ Hintergrund steht; aber dass sie so tief in den Hintergrund 't'flcktreten kann in einem ganzen Dialog, der einen Uauptplatz

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unter den Darstellungen der dialektischen Methode beanspruc/r^ beweist stark für ein noch wenig entwickeltes Stadium dieser Afe» thode.

b) Im Phaedo können die Grundbegriffe des Tbeaelet ver- gessen scheinen, obgleich man bei genauerem Zusehen sie alsbald wiederfindet. Dagegen werden (100 ff^^) erste Grundsätze gefordert. Es ist zuerst in jeder besonderen Frage der relative Gruodsati (Obersatz zur Deduction , vTto^saiç) festzustellen, aus dem sie tu entscheiden ist; es ist dann weiter erstlich zu prOfen*, ob dieser sich in seinen Ableitungen (ira àn^ ixeivrjç OQfirj&évTa oder é^ ^riiÂéva 101 d e) durchgängig bewährt; zweitens ^aufwärts* id gehen zu höheren und höheren Obersätzen, bis man zu eioeo ,zulänglichen% d. h. keinen weiter voraussetzenden Obersatz, einen wahrhaft ,ersten* Grundsatz (vTto^éaeiç Tag nçtitaq 107 b) oder Princip {ctQxfi lOle) gelangt. Im Kern der Sache aber deckt sidi Grundsatz mit Grundbegriff, denn Begriffe sind, nach Plato wie nach Kant, Oberhaupt die ,Prädikate möglicher Urtheile'. Das kommt gerade im Phaedo zu deutlichster Aussprache , gleich bd der ersten Einführung des Begriffs 65 d, dann besonders 75c: es handelt sich nicht bloss um den Begriff des Gleich, Gr^^sser, Kleiner, sondern ebenso um Schön, Gut, Gerecht, Heilig, /ic^i andvjwv olç èniatpçayiÇôfie^a tovto o îa%t (dem wir das Siegel des ,es ist* aufdrücken,, d. h. was wir mittels der Ropoia als Prädikat setzen) xal Iv taîç èçioTTjaeaiv èçwTwvTsç xaï h raîç inoxQlaeaiv anoxQivo/aevoty d. h. im Urtheilen; ebenso 78 d: avjfj ij ova La Xàyov âlôofisr %ov eîvai xal içtf TùJVTEç xal ànoxQivôfABvoi^ und nochmals 92 d ^ ovala l^x^^^ TTjv Inwvvfiiav r^v tov o eativ. Eben der Sinn dieser Art ovala (nâaa ij totavir] ova la 76 d cf. 65 d) und ihr Gebnucb in der Erkenntniss ist es aber, der seine endgültige Erkläroog finden soll durch jenes Verfahren der Begründung in ObersäU^t bis zu letzten Obersätzen zurück (100 b ovdhv xaivov x%X,). So- mit besagt die Begründung aller Urtheile in den Grundurtheües zugleich die Begründung aller Begriffe in den Grundbegriffen, d.b. aller gültigen Prädikationen in den Grundprädikationen. Der ^ länglich^ definirte Inhalt der Prädikation als gut, als schön u. %.^'^ das und nichts anderes ist die ,ldee^ des Guten, des Schönen, und die richtige Subsumplion unter die zulängliche Definition des be- haupteten Prädikats, das ist der Sinn der ^é^e^iç au der Idee,

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die allein wisseoschaftlich befriedigeode Antwort giebt auf ige «Warum'. Die Zulänglichkeit der Definition aber besagt rückführung jeglicher Setzung eines Begriffs (100a t/-

dXtj^^ ovTo) auf fundamentalere Setzungen, bis zu chlechthin) fundamentalen zurück. Was aber diese Gründ- en betrifft, so deutet der Phaedo genug davon an, um ihre t mit den Grundbegriffen des Theaetet klar erkennen zu ein letzter Grundsatz der Unverträglichkeit contradiktorischer tionen in Hinsicht desselben Bezugspunktes wird ausführlich elt (102 e), wobei mit Identität und Gegensatz (havtlog 101 a; iyavTWTTjc auch unter diesem Namen 105a; das at liegt nahe 105 d e) sicher umgegangen wird. Ferner m als Beispiele fundamentaler Setzungen Einheit, Zweiheit

ôvctç 101c), Zahl, Gerade und Ungerade (103 e ff.), Gleich,, h. Grosser, Kleiner (lOla, 102b cf. 74 75 pass.), also h im Theaetet besonders ausgezeichneten Grundbegriffe des atischen ; daneben, selbstverständlich, die praktischen Grund-

(100 b cf. 75 c, 76 d, 77 a), in der Regel, wie im Theaetet, Qtirt durch die zwei: xalov und dya&ÔK Vermissen könnte s o(.ioiov und dvofioiov, aber eine erschöpfende Aufzählung It beabsichtigt, und übrigens wird später (im ,SophistenS r unten) die Zahl der Grundbegriffe noch mehr beschränkt.

Phaedrus nun fehlt von dem allen jede noch so ferne An- ;. Noch ferner, mochte man sagen, liegt ihm die Forderung, isenschafl liehen Urtheile in Grundurtheilen festzulegen, als ere, die Begriffe auf Grundbegriffe zurückzuführen ; das letz- st sich, obwohl es nicht positiv angedeutet wird, in der ganz in gehaltenen Forderung der avvaywyal und âêaiçéaeiç in mitdenken; wie die Theilung bis zum nicht mehr Theil- brtgehen soll, so muss ja wohl die Verbindung bis zum eiter Zuverbindenden, weil letztlich und ursprünglich Ver- len zurückgehen. Aber im Grunde erscheint der Begriff,

den sokratischen Dialogen, fast lediglich als Vereinbarung , wovon genau die Rede ist (237c neçi ov av y ij

265 d Tteql ov äv del âiddaxeiv id^éXrj). Auch stellt Sterblichkeitsbeweis (245) nicht eine reine Deduktion aus ichen' ersten Vorausselzungen im Sinne des Phaedo dar; inoôei^ewg 245 c hat entschieden nicht die logisch be- Bedeutung einer TtQiotrj VTtà&EOiÇy es heisst »BeginnS

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oder beslenfalls «Ausgnogspunkt' des Beweises (vgl. 237 c èç^rj, h açxfj . ngoeXdôvTeç)^ ungefôhr wie schoo Diogenes yob Apollooia (Diog. Laert. VI 81. IX 57) zu sagen weiss, dass mas von einem einwandfreien Anfangssatze beginnen müsse.

c) Sind nun alle Urtheile in zunächst relativen GrundortheileD, diese in fundamentaleren zu begründen bis zu den schlechthin fonda- mentalen , so ist damit gegeben , dass alle Einzelerkenntnisse sieb fügen müssen in zusammenhängende Wissenschaften, alle Wisseo- Schäften aber zuletzt nothwendig sich unterordnen einer eiangeo Grundwissenschaft, welches nur sein kann die Wissenschaft voo der Methode, die Dialektik. Dies setzt schon der Euthydem voram, wenn er die mathematischen Disciplinen (Rechnen, Geometrie, Astronomie werden genannt) der Dialektik unterordnet, als die aUeia von jenen den rechten Gebrauch zu machen wisse, und wenn die- selbe Dialektik sich dann zugleich als wissenschaftliche Grandlage der Praxis herausstellt Bestimmter lässt das Gastmahl die ,M^ thode' (210 a lay tig oç^a^ç fASTljß^ e ^êtSfievoç iq>é^riç toi oç&œg xaXâ) systematisch fortschreiten von dem besondereo Schönen der körperlichen wie seelischen Welt zu dem SchOoeB der W^issenschaflen (èniatfifAaiy (xa&ri^a%a)^ von da aber zu eioer letzten Wissenschaft (210 d iivà iniaxrifiriv f^iav, btHoç, 2111» iwç ano Twv fÀa&rjiÂâtwy In^ ixelvo zo fiadripia xeXevtrifFt^ deren Inhalt ,üas' Schöne selbst und an sich ist. Dem entspricbl im Staat die Idee des Guten als ^éyiaxov fÂa&rjfÂa oder af^^ àvvTtàd^eTOÇy beruhend auf der ,Melhode* (510 b) durch reine Be- griffe (auch 511b c) d. i. der «dialektischen Methode' (533 c— d), welche keine (bloss relativen) Hypothesen mehr erlaubt, soaderD auf das ,Princip selbst' zurückgeht, um in ihm sich zu sichera (ßeßaKjiarjTaL). So ist die Wissenschaft der Methode, Dialektik, die Krönung des pyramidalen Aufbaues der Wissenscliafteo , uad keine weitere mehr höher hinauf zu suchen, sondern hier hat's eia Ende (534 e). Inwiefern dasselbe Letzte der Erkenntnisse das doch heidemal nur eines sein soll, mit verschiedenen Namen, im Gast- mahl als y.akovy im Staat als aya&ov bezeichnet wiixl, inwietera ^ias eine oder das andere oder eins wie das andere das wirklidi Letzte, die Idee der Idee, das Gesetz der Gesetzlichkeit bedeute (lies zu entwickeln möchte hier zu weil fuhren; zweifellos aber ist beidemal ein Letztes verlangt, worin alle Erkenntniss sich be- gründe als in derjenigen Voraussetzung, die nichts weiter voraas-

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&eUt. Der Sache nach liegt dies nuo auch schon oder bereitet sich vor in den vorerwähnten Ausführungen des Theaetet und Phaedo; besonders deutlich und einhellig lehren beide die ja eben- falls im Eutbydem hervorgehobene Begründung der Mathematik in der Dialektik. Aber auch die Wissenschaft des Werdens, die Physik, in ihr zu begründen nimmt der Phaedo einen sehr merkwürdigen, in seiner Bedeutung selten gewürdigten Anlauf: er wdgt aus der logischen Erhaltung der Identität der Grundsetzung direct zu folgern auf die Erhaltung des Grundbestandes des Seins in der Verände- ruog, indem alle Veränderung bloss als Stellenwechsel eines und desselben, in der Substanz unwandelbaren Grundbestandes logisch zu denken sei, wie, wenn wir modern Bewegung deûniren als Stellenwechsel der Energie, die in der Gesammtsumme unverändert sich erbalte, und die dabei selbst nur ein Begriff, ein Ansatz der Wissenschaft ist. Diese Reduktion der Physik auf Dialektik mag verdeutlichen, was es für Plato besagt, rein durch BÏôrj zu eïôij fortschreitend, die blossen (fundamentlosen) Hypothesen aufheben und zum ^Princip selbst* zurückgehen, um in ihm die Gewissheit der Wissenschaft zu gründen.

Hat nun der Phaedrus irgend etwas hiervon? Ich finde nichts, weder von einer Systemordnung der Wissenschaften, noch ▼OD einem letzten, einzigen (Äa^ri^a^ dem ein letzter, einziger Gegenstand, die Idee der Idee, der Grundsatz der Grundsätze ent- spräche. Es kann weder das Schöne des Gastmahls noch das Cme des Staats hier als dies Letzte gedacht sein, da beide coor- dinirt auftreten, allenfalls das Schöne dem Sinnlichen eine Stufe Bäher, und darüber stehend ÇQÔvrjaiç (250 d); das aber ist Mgar besonders auffallend gegenüber dem Staat, der diese sokra- tische Bezeichnung des Guten ausdrücklich ablehnt als ganz unzu- läoglich, denn man müsste weiter fragen: welche q)Q6vrjaiÇy worauf nur die Antwort erfolgen könne: die des Guten (505b); eine Selbstkritik von schlagender Richtigkeit, die Plato unmöglich in einer späteren (wohl gar, nach Lutoslawski, der nächstfolgenden) Schrift wieder vergessen haben könnte. Man wird sich erinnern, dass auch im Philebus die çQÔvrjoig ihren Platz erst nach dem fiétçiov = àya&ov = Y.aXàv erhält.

Man ist fast versucht zu sagen, der Gorgias sei hier schon weiter gewesen. Nicht nur lässt er bei der Andeutung des Pro- blèmes des Kosmos (507 e) den ausdrücklichen Hinweis auf die

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Geometrie nicht vermissen , sondern er erhebt sich (506 c fT.j zu einer universellen Zusammenfassung aller Probleme, theoretiscii^r vfie praktischer, unter dem einzigen höchsten Gesichtspunkt des Gesetzlichen, als dessen, v^as die eigentbOmliche Güte oder Tugend eines jeden Dinges, sei es des äusseren Umversum, das davon seine Benennung als Kosmos trägt, oder des inneren: das Ziel mensdilichen Handelns, des Individuums wie des Staates (507 d), ausmacht. Eben dies deckt sich allgemein mit dem eîdoÇf ab dem Leitpunkt jeglicher tixvf] (503 de, 506 d). Hier ist bereits der Grund gelegt zur Idee des Guten als Idee der Idee, z\& fié- yiazov lAd^TjfAa. Gesetzlichkeit ist der Sinn aller Idee, die Idee besagt das Gesetz. Warum aber die des Guten? Weil der letzte Sinn des Gesetzes Einheit, Erhaltung der Einheit im Wechsd und Werden ist; allgemein theoretisch: Erhaltung der Einheit, der Identität als Gesichtspunkt des Denkens zur Auffassung des Vieleo, DifTerenten; kosmisch: Erhaltung des Grundbestandes des Seins in der Veränderung; ethisch und politisch: Erhaltung des Sinns usa Willens der Gesetzlichkeit im Individuum und der, eben dadurd) begründeten, Gemeinschaft. Erhaltung aber ist durchweg bei Pbto der Sinn des ,Guten^ Ganz in dieser Anschauung wurzelt der Phaedo, wo 98 b ixaazcp ànoèioôvta ttjv ahiav nai xoiffj nàai JO kiiàoti^ ßiljiOTOv y,ai to xotvov nStaiv àya^ôv zum WWtlaut erinnert an Gor^. 506 e: xoc/âoç èyyevofievoç h é-Kaaup 0 éKCcoTOv olxeîoç àya&bv nagex^i iKaaxov %wv of Tiovy welchem (507 e) gegenübersteht der eine xoofioç, der , das Ganze^ Himmel und Erde, Götter und Menschen zu einem Systeo zusammenschliesst (cf. 504 in. ewg av %o anav ovan^ar^tai «• TayfÀévov re xaî x6xoaf.trjfÀévov 7tçâyfj.a, woran wiederum er- innert Conv, 202 e viave to nàv avvo avT(^ ^vvôeôéa^aiy

Vielleicht lässt sich nun oben diese Grundanschauung im Phaedrus, wiewohl nicht ausgesprochen ûnden, doch als unaos- gesprochen voraussetzen. Gehört er, nach allem, an irgendeine Stelle zwischen Gorgias und Staat, so wäre es ja unwahrscheinücbt dass eine andere als diese Anschauung ihm schliesslich zu GniDde liegen sollte. Aber vveuigslens hat sie sich gut zu verstecken g^ wusst. Eine Kosmologie wird gefordert, aber sie scheint beinahe nocli auf vorsokralischer Stufe gedacht: Anaxagoras sei in seiner l)erilchtiglen Meteorologie iui q>voiv vov t€ xai âvolaç gelangt» NNüvon er ja so viel Hedcns niaclile. Anaxagoras, der nach dem

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laedo mit seinein vovg wirklich nicbls anzufaDgeo wusste und ssbalb zu deo mechanischea Ursachen zurOckgriff; der, nach ioo Urtheil des Aristoteles und der Geschichte, ihn selbst wie eine ascbine gebrauchte I Und Hippokrates habe das Beispiel gegeben, lysiologie auf Kosmologie zu gründen und ein rationales Ver- hren in ihr an die Stelle der blinden Empirie zu setzen (270). 18 Erstere ist hoffentlich blosse Ironie, denn wir sollen doch ohl nicht annehmen, Plato sei hier von der freudigen Erwartung, it der er einst zum Buche des Anaxagoras griff {Phaedo 97 c, ib), immer noch nicht zurückgekommen, ja er suche wohl gar rund und ,Krart* des Wirkens und Leidens noch in gegebenen logen statt in Begriff und Gesetz, in den êçya oder ngayfiata Ht in den koyoi (Phaedo 99 e)I Die annehmbarste Deutung dürfte dmehr diese sein: die schwachen Keime des Richtigen in der tereo Physik werden dankbar anerkannt, der endgültige Weg der )r8chung hier noch nicht enthüllt, weil das nicht so nebenbei ischehen konnte. Wenn aber die dritte Rede die Seele als ein iocip der Selbsterhaltung im Werden des Kosmos, in den irom gesetzmässigen Bewegungen des Uranos, somit deutlich I Weltseele (bes. 246 b, c, e) aufstellt, dann aber über den so Dfdoeten Himmelsbau erst den überhimmlischen Raum der Ideen flrmt, in welchem man versteht jetzt erst, warum Ge- chtigkeit, Besonnenheit, und vom Werden unberührte Erkenntniss lo* Besinnung allerdings mit ihnen die sinnlichere Schön- à thront, so kann und darf auch wohl eine dem Gorgias, uiedo und Staat entsprechende Grundmeinung dabei vorausgesetzt kd zur Erklärung der allzu bilderreichen Darstellung zu Hülfe Qommen, ja auch der vermisste Fortschritt über den Gorgias «D hier gefunden werden. Auch die q>vaiç oder dvvafitc des iilens und Leidens (270 d) darf verstanden werden von jener lern im besonderen einwohnenden Gesetzlichkeit, die einhellig im »rgias und Phaedo von der übergreifenden Gesetzesordnung des lozen unterschieden wird. Zwar will auch so nicht alle Differenz iiwinden. Zu dem erwähnten Anstoss bezüglich der ççovrjaêç mmt ein weiterer inbetreff der kniovri^ri. Das naXbv des Gast- ibls ist ovàé tiç léyoç ovôé tiç i7tiaTi]fir] (211a), das Gute- J Staates über htiazri^ri und àlr]^eia wie (folglich) Ober die üa hinaus, als ,Grund' des einen wie des anderen (508 e, 509 b). \ lässt, so viel ich sehe, nur diese Deutung zu: selbst. der Gel-

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tUDgswerth der Wahrheit und der Erkennlnits, der seinerseits die oiaia bedingt, sei schliesslich gegrandet in einem letzten Prioeipt das sich fflglich als das der Erhaltung bezeichnen Utast'); nämUcb auch Erkenntniss und Wahrheit gehe schliesslich kraft der Eis- stinraiigkeit im Denken, kraft des Miteinanderbestebens des Ge- dachten in unverbrüchlicher Consequenz. Die ,Idee' sagt das G^ setz, Sinn alles Gesetzes aber ist Erhaltung. Sind die Gnmdbgea dazu , wie gesagt , schon im Gorgias gegeben , so erreicht dieser doch nicht diese Höhe der Abstraction. Aber auch der Pbaedroi bleibt dahinter zurück, wie die Unsicherheit über die nothweadige Einheit des Letzten der Erkenntniss, dies unbestimmte Neben- j> Durcheinander von âixaioavvrjj awq>Qoavprjf imari^fÂrjy tp^ rrjaig, xdlkoc beweist, worin einen einzigen Centralpunkt zu socbeo vergebliche Mühe wäre. Der Phaedo aber, das Gastmahl und der Staat erheben sich bis zu dieser Hohe der Abstraction , aUo hat der Phaedrus seine Stelle vor diesen dreien, in der Nähe des Gorgias.

8. Eine fernere Frage schliesst sich hier eng an. Ohne Zweifd hat Plato in einer späteren Periode (Perm., Soph. bes. 248 Phil.) der Veränderung (Bewegung) und damit der Sinnenwelt wdt mehr zugestanden als ehedem, wo Werden und Sein, Sinnen- ood Ideenwelt in schroffer Antithese, fast nach eleatischer Denkart ab Schein und Wahrheit sich gegenüberstehen. Welche Stellung nimiBt in dieser Entwicklung der Phaedrus ein? Eine Annäherung an die spätere Anschauungsweise könnte man etwa suchen 1. in der Vor- aussetzung, auf die der Unsterblichkeitsbeweis (245) sich stQUt: alles Werden und (als dessen Quell?) die Bewegung des Himinels- gewolbes roüsste stillstehn, wenn es nicht einen unzerstOrlicbeD ersten Grund der Bewegung gäbe in einem sich selbst BewegeodeB; also um des Bestandes des Werdens willen wird ein Ewiges postu- lirt; 2. in der, wenngleich ganz allgemein gehaltenen Anerkenooog der Naturforschung (270). In der That ist Lutoslawski (S.34i) der Meinung, da an letzterer Stelle im Einklang mit späteren Schriften (Tim. Leg.) die ,efticienten Ursachen^ anerkannt wQrdeOt die der Phaedo verwerfe, so sei damit ,jede Möglichkeit^ eiflcr

1) Ich empfinde dabei woiil den Anstoss, dass ,ErlialtuDg' die Zeil 'ii^ zuschliessen scheint, was doch die Meinung nicht ist. Aber ich finde käüf^ besseren Ausdrucii. , Bestand' tiüfe die Sache, ist aber vielleicht nicht dent* lieh genug.

PLATOS PHAEDRUS 42!

kliereD Abfassung des Phaedrus aufgehobeo. Das beruht aber f eioer irrthOmlicheo Auffassuug des Phaedo ; dieser verwirft s Wirken und Leiden nur, sofern sein Grund im sinnlichen Ding sucht wird, statt in den Xoyoi und schliesslich in dem Grunde er Gründe, dem Grunde des Guten (98 a). Diesen letzten (Formal- id Final-)Grund vorausgesetzt, lässt er selbst die Materialursache Iteo als Bedingung, av€v ov to aïriov ovx ay no%* eïr] aï- Of (vgl. 7fifi. 46d— e); ganz ausdrücklich aber wird z.B. die irme als wesentliche Eigenschaft des Feuers behauptet (103 d ff..

> Stoff und Form fast ganz aristotelisch unterschieden werden, ID beachte auch netpvxivai, nigyvxe 104 a). Im Phaedrus aber rd die ,Kraft des Wirkens und Leidens* (in demselben Ausdruck B nsqyuxivai 270 d) einfach nur vorausgesetzt, nach ihrem Ur- niDg gar nicht gefragt; allenfalls könnte die Anspielung auf den VC des Anaxagoras (270 a) auf dasselbe hindeuten wollen, was I Phaedo (97 f.) offener gesagt ist. Ein Widerspruch liegt dem- ch nicht vor, ein Fortschritt weit eher im Phaedo. Ebenso kann 16 allgemeine Voraussetzung über das Werden hier nichts be- âsen. Das Werden überhaupt ist, wie sich sogleich zeigen wird, iidestens so entschieden im Phaedo behauptet; auch gewisse all- meine Gesetze des Werdens werden behauptet (70 72).

Andererseits spricht sich aber gerade im Phaedrus eine so hroffe Entgegensetzung von Werden und Sein aus, wie um irgendwo sonst bei Plato; das Werden, die Erscheinung wird, e bei den Eleaten, zum trügenden Schein. Die Vernunft schaut s reine Wesenheit, der nichts vom Sinnlichen anhaftet {axQii- noç xal aaxf]f*(iftaToç xal àvag>riç ova la) noch vom Werden h 7] yéveaiç nçooeariv) noch von Bäumlichkeit, wie dem was ir jetzt seiend nennen* {old^ rj iazl nov ktiga iv IxéQtfi ovaa * fifieïç vvv oyrwv xaXovptBV 247c d). Die Seele, die nicht r Schau dieses allein echten Seins {lov ovrog ^éaç) theilhaft rd, Dährt sich vom Schein (rQOfpfj do^aavfj xQtZvrat 248 b, gen ^ewQoiaa Tâkrj&rj Tçàrpêzai 247 d). In der Wiederer- BeruDg des dereinst Geschauteu blickt die Seele des Philosophen aweg über das ,wovon wir jetzt sagen, es sei* (vTteçiôovaa a

> dval rpafÄ€v)y taucht empor ins wirklich Seiende {ov ovrœç 9c), und erhebt sich so in enthusiastischer Ekstase über das, >i^U8 Menschen einen Ernst machen (d). Von dem schlechten ^bild hienieden schwingt sich der, dem die Weihe geblieben, in

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jähem Flug ins Jenseits empor, wo das Urbild zu schauen {i^iwç <péç€Tai iv^évôe ixelae 250 e), und was solcher Wendungen mehr sind. Ausser einer merkwürdigen Stelle des Protagoras (356 d e), die ähnlich schrolT das Veränderliche als Phantom bezeichnet, das uns in Irrung und Selbstwiderspruch treibe, und das ungültig (axv^) gemacht werde durch die Enthüllung des unwandelbar Wahren, wird man schwerlich bei Plato eine Stelle namhaft machen können, die sich der eleatischen Negierung des Werdens und damit der ganien Sinnenwelt in solchem Grade nähert. Die Ausdrucksweise selbst, die Unterscheidung des bloss von uns Menschen so genannten voi dem wahren Sein ,an sichS die Entgegensetzung der beiden Reiebe der aXri^Bia und öo^a (248 b) als des Jenseits und Diesseits klingt an das Gedicht des Parmenides direct an; die aristotelische Charak- teristik der Eleaten {de gen. et corr. I 8, 325 a 13): Inecßdne; T))y aïadTjaiy xal nagidovrêç t<jJ Aoyçi âéov axolovdih triiït genau auf den Phaedrus zu (inegidovaa a vvv elvai g>a(i&i Kai avaxviljaaa elg to ov ovtwç); selbst die wundervolle Wageo- fahrt in die Gefilde der Wahrheit kann der phantastischen Ein- leitung des parmenideischen Gedichts überbietend nachgedichtet sein; und die Zusammenstellung der drei Prädikate okoxkrjga xal iaui xai arcefATJ {çàafÂaTo) 250 c ist vielleicht eine directe Reminisceni an dasselbe Gedicht {ovlov (Àovvoyevéç ze xai ccTgefieç), Nimnit man dazu den Hinweis auf Zeno 261 d und die wahrscheinliche Beziehung auf denselben als Begründer des dialektischen Verfahrens 266 b (s. oben S. 406), so wird man sagen müssen, dass in keinen zweiten platonischen Dialog sich so stark der positive Einfluss des Eleatismus beweist. Schon der Theaetet kündigt, neben dem Aus- druck der höchsten Verehrung für Parmenides (183 a), doch xu- gleich die Kritik an, die dann später im Parmenides und Sophisten in sehr einschneidender Weise an den Eleaten geübt wird.

Nun ist gewiss von eleatischer Stimmung auch recht viel im Phaedo anzutreiïeu. Aber sie beschränkt sich auf den ersten Tbeili und auch da im ganzen auf die freieren Ausführungen. Ernstlich wissenschaftlich wird dagegen a) 75 a scharf betont, dass die Idee überhaupt nicht anders als ,aus^ den Sinneswahrnehmungen zu er- keunen sei. Danach kann mau keinesfalls mit Lutoslawski (S. 354) iu eiuer höchstens auf gleicher Stufe stehenden Andeutung vu Phaedrus (249 b) ein Argument für späteren Ursprung finden; und noch auffallender irrt derselbe, wenn er (S. 339) die dort vorwaltende

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rslelluDg voD Idee und Erscheinung als Urbild und Abbild für jünger It als die mehr ,iminanenle* Auffassung der Idee im Phaedo, da ch jenes nur eine jener Metaphern (nach Arist. metapk. 1 6) ist. Den der Phaedo durch die ^einfältige^ logische Erklärung der Idee d der ,Theilhabe* an ihr (100 ff.) glücklich ein Ende macht. Phaedo 19 di werden als die beiden Arten des Seins (ovo öij Tùip oytwv) das Veränderliche und Unveränder- :he aufgestellt, im bestimmtesten Gegensatz, wie zu den Eleaten, zum Phaedrus und selbst zum Theaetet, der, trotz bedingter erkennung des Werdens und der Erscheinung und trotz der An- itUDg einer an den Eleaten zu übenden Kritik, dennoch (186 c e) l)ei verharrt, dass es vom Sein allein, nicht vom Werden ge- lodetes Urtheil und somit Wahrheit und Erkennlniss gebe. Ja

0 darf sagen, es werden im Phaedo (102 ff.) jene zwei Arten 8 Seins begründet in zwei Arten des Urtbeilens, indem

Bewegung des Werdens erwiesen wird als Bewegung der Pra- llte im Urtheil, durch Wechsel des Bezugspunktes. Und so kann (Gastmahl in überraschender Klarheit eine unlösliche Verknüpfung laupten zwischen ,Himmel und Erde, Göttlichem nnd Mensch- tieni* d. i. Idee und Sinnenwelt, kraft der dialektischen Methode, ift jenes inductiv {ànb évoç int ovo xai arto ôvoïv inl ndvta

1 0 cf. 210 a b) fortschreitenden Verfahrens, das von den iso- rten Sonderobjecten somatischer und psychischer Ordnung durch t lusammenhängenden Wissenschaften bis zur Einen Grundwissen- laft Stufe um Stufe (obOTieç inavaßa&^olc xQOffievov 211 c) lauffflhrt. Es ist wahr, dass noch nach diesen Schriften im Staat e eigentliche Wissenschaft vom Werden nicht zugestanden zu rden scheint; es ist also die eleatische Verdächtigung der Sinnen- It noch nicht endgültig überwunden. Aber sicher ist es falsch, 1 PhaedruSy der nur die schroffste Scheidung kennt, nichts von thodischer Verknüpfung noch so entfernt andeutet, in ein späteres idium setzen zu wollen als den Phaedo, der mit den genannten Kimmungen die in der Richtung der Immanenz (neben dem rmenides) weitgehendste Schrift, den Sophisten vorwegnimmt, wenn ser unter den fiéyiara yivt] (254 d), zunächst dem ov, also Sem direct untergeordnet, azàaiç und xlvrjacç nennt, weil beides, ivijta xai xsxivrjfÄiva (249 d), gleichen Anspruch darauf habe, D Sein gerechnet zu werden. Zugleich bestätigt sich hier das !D von der Bekanntschaft des Phaedo mit den Kategorien Ge-

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sagte : der Sophist stellt endgültig our fOnf als letzte Begriffe fest, Dämlich neben den drei genannten nur noch Identität oad Ver* schiedenheit. Das Zurücktreten der übrigen im Theaetet aufge- führten Begriffe im Phaedo bedeutet demnach nur einen Fort- schritt zu grösserer Pracision.

Es wird hierbei nicht verkannt, vielmehr behaupte ich nil gleicher Bestimmtheit wie Lutosiawski (S. 339), dass den ,HetapberD' des Phaedrus so gut wie denen des Gastmahls und Staats eii nüchterner wissenschaftlicher Sinn zu Grunde liegt Bei allen bat Plato zuletzt vor Augen: die Methode der Begriffe, nichts Andere«. Aber es ist ein gründlicher Unterschied zwischen dem Begriff ib blossem Werkzeug im Apparate der Erkenntniss, als blester Etappe auf dem Wege zum unendlich fernen Ziele der Wahrheit, und dem- selben als vermeintlich letztem, endgültigem Ausdruck des erkanotea Wahren. Im Phaedrus schwebt durchweg das Letztere vor. Von Sinnlichen zwar soll die Erkenntniss den Ausgang nehmen, ua aber von da in unvermitteltem Sprung (o^éotç q>éQetai) sich wieder zu erheben zu dem einst durch reine Vernunft geschauten, jea- seitigen, von aller Sinnlichkeit und Räumlichkeit schlechthin Ivr gelösten, rein begrifflichen Wesen. Diese schroffe Transcendeai der Begriffe ist die begreifliche Folge der Unentwickeltbeit der Methode, die den Begriff zu Grunde legt, aber seine dutd)- aus bedingte Rolle im Process der Erkenntniss noch nicht dardi- schaut und so noch glauben kann, in den Begriffen die Wesea- heiten der Dinge unvermittelt, gleichsam im Fluge zu erhascbea* Was vorschwebt, ist die reine Ursprünglichkeit der Denkeinbeit selbst als Function. Das Gesetz der Einheit, als Urgesetx der Erkenntniss, erscheint freilich nicht, es ist übersinnlich, über Rao* und Zeit, in seiner Geltung unbedingt, die in der That YVoraQ«- setzungslose' Voraussetzung. Dagegen wird alles Sinnliche aar erkennbar in der Zurückbeziehung (schliesslich) auf das reine Ge- setz dieser Einheit; insofern erscheint dieses in jenem, aber als im ^Abbilds nicht im Urbild. Diese Beziehung des Begriffs zum o^ sprünglichen Gesetze des Selbstbewusstseins lag von Anfang an zu Grunde in dem Motiv der dvdfAvrjaiç^ als des avalaßelv aito^ €§ éavroij rf^v entOTrjir^v (Men, 85 d, vgl. Phaedo 75 e); dan«D ist die fragliche ovaia ursprünglich unser (ebenda 76 d v/i^^ Xovoav 7i()6t€çov àv€VQiaytovT€ç f.fÀBxégav ovaav^ 92 d a^fi [sc. rft; xpvxi^i^] loriv f;. ovaia). Diese an sich wohlbegrOndeie

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insicht koDDle aber, so lange sie nicht bis zur tiefsten Darch- ^uchtuDg des ganzen Getriebes der wissenschaftlichen Methode sich Dtwickelt hatte, leicht irreleiten zu einer Hypostasirung der Be- riffe, der Plato dauernd nicht unterlegen, aber nirgends so nahe ekommen ist wie im Phaedrus. Das Transcendentale, mit Kant j reden, liegt dem Transcendenten stets zu Grunde, selbst bei den leiten, die nur darum die Führer der Dialektik werden konnten; )er im Verharren bei der Transcendenz konnte es seine eigenste raft, die der Gestaltung von Wissenschaft, nicht entfalten. Plato, 1 dem Entwürfe seiner Dialektik, nächst der ethischen Reflexion » Sokrates, am mächtigsten durch die Eleaten angeregt, hatte ese Klippe zunächst zu befahren ; er ist an ihr nicht gescheitert, m keine seiner Schriften zeigt ihn der gefährlichen Stelle so ihe wie der Phaedrus. Also gehört er an den Anfang der Plato genthOmlichen, tlber Sokrates hinausführenden Entwickelung, in 0 Stadium vor dem Tbeaetet, Phaedo, Gastmahl und Staat.

9. Ausser der Dialektik tritt die Psychologie im Phaedrus be- hutsam hervor; erst beide vereint liefern die zulängliche wissen- baftliche Grundlage für die neue Redekunst. Den Anfang macht !r in dialektischer Hinsicht schon oben berührte llnsterblichkeits- !wei8. Was an diesem zuerst auffällt, ist das Archaisiren, das irtlckgreifen nicht bloss auf vorsokratische, sondern auf urälteste iechische Philosopheme wie die des Anaximander und Alkmäon. eoD nach bester Ueberlieferung (s. Zeller Philos, d. Gr. P 198) tt Anaximander zuerst den Begriff einer açx^ geprägt, eines ,An- ogs*, d. i. Princips des Werdens, das, eben als Princip, unver- inglich beharren müsse, weil sonst das Werden sich erschöpfen Orde. Plato macht nicht nur von dem zum Gemeingut gewordenen erminus Gebrauch, sondern stützt sich auf denselben Grund: das 'rincip* der Bewegung zunächst des Himmelsgewölbes, damit aber les Werdens (auch dies ganz anaximandrisch 1) muss ewig sein, enn sonst würde diese Bewegung, mithin alles Werden zum Still- . and kommen, auch nicht wieder von neuem anheben können, ^incip der Bewegung aber ist: das sich selbst Bewegende, gleich- setzt mit der ,Seele^ Dies zweite Bestandstück des Beweises ist 'in Pyihagoreer Alkmäon entnommen, der (nach Arist. de an. I 2, )5 a 29) bereits die Unsterblichkeit der Seele als des ùbï xivov- ^'Vov behauptet und sich dafür auf die ewige Bewegung des gött- ihen, also beseelten Himmelsgewölbes als beweisendes Beispiel

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berufen hat.') Die Grundvorstellung tod der Seele ab Beweg- \ kraft war übrigens (nach Arist. de an. I 2) fast allen alteren Philo- sophen gemein. Dieser historischen Beziehungen muss man sich erinnern, um die Bedeutung des Beweises im Zusammenhange der Entwickelung der platonischen Philosophie richtig zu schätzen.

Plato hat nun denselben Beweisgrund in den Gesetzen (893ff.)t und zwar, wie im Phaedrus, als einzigen, für sich ausreichenden Beweis, allerdings nicht der Unsterblichkeit, aber doch der Prioriftt der Seele vor dem Körper, sachlich ganz gleichsinnig, nur in fid breiterer Ausführung, wiederholt. Daraus schliesst Lutosbwski: er müsse diesen Beweis für triftiger gehalten haben als alle im Phaedo zusammengetragenen sammt dem Nachtrag zu diesen im 10. Boche des Staats (608 ff.). Wenn aber, so sei es sehr unwahrscheinlich, dass er im Phaedo, wo er solche Anstrengungen macht, immer neue Beweisgründe für die Unsterblichkeit zu flnden« gerade dieseOt seinem eigenen Urtheil nach durchschlagendsten ausgelassen hätte, wenn er schon in seinem Besitz gewesen ware. Folglich kOnne der Phaedrus nur nach dem Phaedo und selbst nach dem 10. Buche des Staats geschrieben sein.

Diese Ausdehnung der Folgerung ware in der That noChwendig; womit das Argument für den schon unannehmbar wird, der die Abfassung des Phaedrus nach dem 10. Buche des Staats aus anderen Gründen für ausgeschlossen hält. Aber die Schlussfolgerung an und für sich wird sofort wankend, wenn man sich*) überzeugt) dass das Argument des Phaedrus und der Gesetze dem Kerne mA auch im Phaedo vorliegt. Bekanntlich wird dort die Uebeneuguog von der Unsterblichkeit durch eine lange Reihe von Argumenten ungleichen Gewichts nach und nach geweckt und befestigt; aber erst ein letztes Argument soll den Ausschlag geben; es lautet Dich

1) Von beiden Philosophen hat PJalo auch Anderes ûberoommeD : tod Anaximander die nothwendige Ruhe der Erde im Geotrom der Welt kraft des gleichen Abstandes von der Peripherie {Phaedo 109 in.; es ist sehr lü^ achten, dass Arist. de cael. II 13, 295 b 12 sich auf den Wortlaut bei Plit» bezieht, während er zugleich bemerkt, das Argument stamme von Aoaximanda her; ganz so gebraucht er de an.lZ Piatos Formulirangen, nachdem er in 2. Kapitel Alkmäon als Quelle der fraglichen Ansicht genannt hat); yod Alk- uiäon die Unlerscheidung des Menschen vom Thier durch das Merkmal des ^ivitvai {Pliaedr. 249 l) c, vgl. Hirzel in dies. Zlschr. XI 241).

2) iMit Zeller Phil. d. Gr. II a^ 825 IT.; vgl. auch Toccos Besprechung Werkes von Lutoslawski in der Zeitschrift Alene e Roma 1 1,35 01

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Dger, weit ausgreifender Vorbereitung schliesslich ganz knapp so: eele ist, ihrer Idee nach, das den Körper Belebende; also wider- pricht es ihrer Idee, dem Tode unterworfen zu sein (105 c— e). ^as, was Oberhaupt den Begriff des Lebens ausnoacht, avtb %6 Hoc %fiç ^w^ç, kann nicht sterben (106 d). Hier brauchte nur ttr ,belebend' ,bewegend^ zu stehen, so würde das Argument mit lern des Phaedrus und d^ Gesetze der Sache nach identisch. Diese iileichsetzung ist aber nicht nur durch die Sache gegeben Belebung beisst wesentlich Hittheilung von Bewegung , sondern sie ist im Phaedrus selbst und noch bestimmter in den Gesetzen ausge- sprochen und bildet in beiden ein gar nicht zu entbehrendes Glied des Beweises. Phaedr. 245 c : Was in beständiger Bewegung ist (indem es den Quell der Bewegung in sich hat), ist (damit) unsterblich; m dagegen nur durch Anderes beweglich ist, findet, wenn ein Ende dieser ihm bloss mitgetheillen Bewegung, eben damit ein Ende des Lebens. 246 c: Was vermöge einer ihm innewohnenden Sede bewegt ist und daher sich selbst zu bewegen scheint, heisst eia Lebendes. Am directeslen aber Leg. 895 c: ,Wir sagen, dass etwas lebt, wenn es sich selbst bewegt*; nun ist Seele das, kraft denen ein Körper lebt, also (896 in.) ist Seele ihrem wesentlichen Begriff nach (Xoyog ttjç ovalaç^ wie Phaedr. 245 e ovalav Te xal Uyov) das, was sich selbst zu bewegen im Stande ist. Der ganze Doterschied ist, dass im Phaedo nicht ausdrücklich gesagt, weil ab selbstverständlich vorausgesetzt ist^ was als Begriff des Lebens ugenommen wird : spontane Bewegung. Dies durfte deshalb voraus- gesetzt werden, weil es ja, nach dem Zeugniss des Aristoteles, der %emein angenommene Begriff des Lebens oder der Beseelung ^, den Plato im Phaedrus und den Gesetzen ausdrücklich an- BiiniDt und an keiner sonstigen Stelle etwa in Zweifel gezogen oder %ch einen anderen ersetzt hat. Man beachte wohl, dass auch im i^haedrus und den Gesetzen diese Voraussetzung gar nicht erst '^gründet, sondern als allgemein zugestanden angenommen wird, 'ba beachte ferner, dass dieselbe Grundmeinung von der Macht 1er Seele über den Körper, wie im Phaedrus und den Gesetzen, iQch im Phaedo sich ausspricht : 80 a wie 94 b und e wird, wiederum b von Jedermann zugestanden, angenommen, dass die Seele den Körper leitet, regiert, befehligt, beherrscht (ayeiv, aQXBiVy 157e- onvsiv, âeanoÇeiv)^ desgleichen vom Novg des Anaxagoras ge- igt, dass er alles, besonders die Bewegungen der Gestirne^ ordne

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{ôiaxoafiêlv 97 c, 98 c), Weodungen wie sie im Phaedrus und den Gesetzeo in enger Verbindung mit dem Unsterblicbkeitsbeweis begegnen (246 b näaa ^ tpvxfj navtbg ifii/ÂelëîTai %ov atlfijpVi 7tav%a %bv hoo/àov dioix€i, e o fiéyaç ^yefiwv ip oiqwn^^ êiaxoafidjv Tcavza xal iTti/ÂBlovfiBwoç^ Leg. 896c e ^vpiQ àçxovarjç^ xov oiçavov dioixelv^ ayeip rijw tfwxfj^ nine . . . ralç avtfjg 'Aivrjoeaiv).

Aber, wird man fragen, wetshalb ist, wenn io der Sache das* selbe gemeint ist, dem Argument im Phaedo eine, so alMtracte, M die Hauptsache versteckende Fassung gegeben? Darauf llsit àd bestimmt antworten. Das Argument steht am Ende der sehr äs* gehenden, tief angelegten Untersuchung über die Methode der Ideei ab allein sichere*) Basis der Begründung, insbesondere für irgend welche These, die ein Werden oder Vergehen betrifft; es war deat- nach schlechthin nothwendig, gerade den Beweis, der auch dsa letzten, ernstesten Zweifel standhalten sollte, auch in aller Streife auf diese allein sichere Methode und nur auf sie lu grüsdei. Dies geschieht, indem die Seele als elôoç ^wf^ç deflnirt und mu rein aus dieser Definition, ohne irgend eine weitere Hülfsanoaba^ ihre Sterblichkeit als durch den Satz des Widerspruchs ausgescbloMi* verneint wird. Darum auch wird dieser Beweis ausdrücklich (105 b) als gar sehr zulänglich bezeichnet (xat fiaXa Ixavwg sciL anoi^ delx^cti qxà/Âevy cf. 101 e ^wç ini ri Ixavov elô'Oiç); woni der nachträgliche Skrupel wegen der menschlichen Schwachheit (107 a) nichts ändert,» denn er betrifft nur die subjective V«ip- wisserung seitens des vorher anders Ueberzeugten, nicht dea ob- jectiven Grund der Gewissheit, dessen für Plato feststehende V«^ lässlichkeit dann noch weiter bekräftigt wird: xal iàv avfèç Ixavwç ôié?.rjTe, èyqtfÀaiy àxoXov&tjoêtê t^ ÜJt xa&^ oaov ôvvajov iiâXiar àvd-Qùintfi Irtaxolov y^'^aai, xav xovto aacpeç yevrjtai^ ovâkv ÇriTr^aeTe niçfi^' %éQw.*) Also das Vorwalten des formalen Interesses, den Bevei» aus einer einzigen unzweifelhaften Voraussetzung streng nach 4c*

1) 100 d àa<paX€aTaTOv y 101 d ixo^tet^i exeivov zov âa^paXovC, 105^ aXkrjv àotpâXeiav.

2) Gar nicht damit zu vergleichen ist Phaedr, 246 a nsçl fièv ovv à^' vaaiai avifjs Ixavtôi^ d. h. ,davon genüge Die Beweisführung heisst viehDclfl 245 c nur 711017]^ was nach Phaedo 107 b [xai ei müTcU siagv) nicht genügt Dies mit Bezog auf Luloslawski S. 334 f.

PLATOS PHAEDBUS 429

allein sicheren VerrabreD der Ideen zu führen, erklärt die äusserst knappe und abstracte Fa^ung des Arguments im Pbaedo. Der Piiaedrus und die Gesetze haben sich zur gleichen formalen Strenge nicht verpflichtet; insbesondere können sie fdr ihre Beweisführung von dem Verfahren der Ideen keinen Gebrauch machen, denn im Pbaedrus wird das Mysterium der Ideenlehre erst an späterer Stelle enlhüllt, und die Methode der vTto&éaeiç ist diesem Dialog' Ober- haupt unbekannt; die Gesetze lassen sich auf tiefere dialektische Untersuchungen vollends nicht ein; allenfalls wird das Nothigste Ober die Definition aus diesem besonderen Anlass in mOglichst schlichter, gemeinverständlicher Fassung erklärt (895 d e), womit übrigens dieser Theil des Beweises sich umsomehr dem Phaedo annähert. 10. Der grosseren formalen Strenge der Beweisführung im Phaedo entsprechen aber auch sachliche Fortschritte. Die Scheidung des Seelischen vom Körperlichen ist im Phaedo ungleich reiner durchgeführt als im Pbaedrus. Die Absiebt dieser im Gorgias (492 a b, 523 d, 524 b) schon ausgesprochenen Scheidung hätte es eigentlich ausschliessen müssen, als ursprOnglichen Begriff der Seele zu Grunde zu legen, dass sie, um Quelle der Bewegung des Körpers zu sein, selbst in unablässiger und zwar räumlicher Be- weguog sei (ael xivri%6v 245 c, %bv ovQavov necinolelj jÂSTeuçO' noQd 246 b). Denn wird sie gleich dem Körper im Baume be- wegt und dadurch den Körper bewegend vorgestellt wie, wenn nuin einer Statue Quecksilber eingösse, spottet Aristoteles so ist sie damit ohne Frage kOrperähnlich gedacht. Nun setzt zwar auch der Phaedo wohl die Seele als das den Körper Bewegende voraus, aber gewiss ist nicht nur zufällig nirgendwo gesagt, dass sie, um Quell der Bewegung des Körpers zu sein, selbst im Kau me bewegt sein müsse. Wäre sie das, so wäre sie um nichts l^esser als jene Materialursachen, die der Pbaedo so energisch ab- lehnt. So aber sind die Unklarheiten glücklich vermieden, die sieb in Pbaedrus in geradezu naiver Offenheit blossstellen. Nachdem fiämlich dort, wie gesagt, die Seele als Princip der Bewegung des Körpers, zunächst des .Himmelsgewölbes, eingeführt und aus dieser Voraussetzung (damit die Bewegung der Körperwelt nicht abreisse) ihre Unsterblichkeit bewiesen ist, wird andererseits alle ihre Ver- bindung mit dem Körper als gewaltsam und darum auflösbar dar- gestellt; die reine Vernunft ipoxfjç to Sqiotov 248 b hat dereinst die färb- und gestalllose, untastbare, also doch unkörper-

Hennas XZXV. 28

430 P. NATORP

liehe Wesenheit geschaut (247 c), sich gflnzlicb Ober alles rXaiH' liehe Sein erhoben (d, e, cf. 249 c); sie ist im KOrper wie be* graben, eingekerkert gleich der Schnecke im Gehäuse (250 c). Wi^ ist das zu denken, wenn die Seele ihrem ersten Begriff nach i^ Bewegende im Körper und desshalb selbst in ewiger rflumlicber B^" wegung sein soll? Weitere un verhüllte Widersprüche sind di^ allbekannten: dass an der wundersamen Fahrt in den DeberravCB auch die niederen seelischen Functionen theilnehmen, übrigetfM doch nichts vom Jenseitigen schauen sollen, und dass auch in d^ göttlichen Seele eine Theilung analog der menschlichen angenomm^i wird, während andrerseits der vernünftige Theil der HenscheflB' seele der göttliche heisst. Dagegen lehrt der Phaedo: die Seeli ist in ihrem Reinzustand körperlos (85 e), getrennt vom KOrp^ zu existiren fähig. Sie ist, wenn nicht schlechthin einfach, asi- zusammengesetzt, doch dem am nächsten (78 0- Sic ^^^U^ ^^^ Princip einer reinen Einheit dar, jener Einheit, die wir nur im Bewusstsein, als ßewusslsein kennen. Der vovg^ aufs strengste geschieden von einer Maschine oder Maschinenkraft, die blosse Wabl des Besten (99 a), das Gute oder Seinsollende (99 c) bloss als im Bewusstsein sicher erfasst, übt eine ,dämoni8che' Kraft auf den Körper, dessen Organe, Wirbel, Stösse allenfalls nur secundäre Be- dingungen, Mittel der Ausübung jener in sich rein geistigen Knli sind (98 0* Demnach steht hier im Begriff der Seele durchaus di» Merkmal des Bewusstseins voran; erst ein Zweites ist, dass sie Ober den Körper Gewalt hat, nämlich nicht, als im Räume bewegt, éi&c ihre Bewegung ihm wie durch Anstoss mittheilt, sondern seiflea sonst anarchischen, regellosen Bewegungen Maass und Gesetz giek^ nach dem Gesichtspunkt des ,Beslen* (98 a) d. i. der Erbaltoo^'^ Die Getheiltheit aber, der innere Streit der seelischen Kräfte, al» seelischer, der im Phaedrus so auffällt, ist im Phaedo ganz vtf' mieden; die Seele im reinen, körperlosen Zustand würde der Sinn- lichkeit überhaupt nicht unterliegen, diese ist erst die Folge ihrer Verbindung mit dem Körper, ja sie erscheint (94 b^) fast m als Erregung des Körpers (anders Rep. 439). Zwar kann dies aichl die schliessliche Meinung sein, da doch zweifellos die Seele davon miteriegt wird, sie empfindet doch Begier, Zorn u. s^ w., und so wird es auch anderwärts ausdrücklich angenommen, z. B. 79 c:die Seele nach ihrer sinDlicheo Seite, d. h. als an den Körper hinge- ^'ebeu, wird von ihm in den Strudel des Werdens mit hineinge-

PLATOS PHAEDRUS 431

rissen und gerälh dadurch selber io Irruog uod Schwaokuug, wah- rend sie durch die Kraft des abgezogeneo Denkens vermag sich rein in sich selbst zu samonelD, zu coDcentriren (65 bc, 67 c, 82 e u. 8. w.), was aber ebeu kvaiç xal x^Qf-^^l^og ipvxjjç àno ad^azoc ist. Der thatsächliche Gegensatz der seelischen Kräfte wird also Dicht geleugnet, aber er löst sich auf in den Gegensatz der rein auf sich selbst zurückgezogenen und der an den Körper sich hin- gebenden und gleichsam verlierenden Seele, es ist nicht mehr ein orsprünglicher Streit seelischer Kräfte als seelischer. Im Phaedrus kann man mit einiger Hübe vielleicht eben dies angedeutet finden, aber klar festgehalten ist es nicht, sonst wären die aufgezeigten Widersprüche nicht möglich gewesen.

Hat man sich dies einmal deutlich gemacht, so wird man nicht leicht mehr beirrt werden durch das Argument von F. Schultess, auf das die Vertheidiger einer späten Datirung des Phaedrus sich regelmässig berufen : der Phaedrus müsse, gleich dem Staat, später als der Phaedo verfasst sein, weil dieser von der in jenen beiden geehrten Theilung der Seele überhaupt nichts wisse, sondern ihre strenge Einheitlichkeit behaupte. Es ist darauf schon so oft ge- antwortet worden (von mir Philol. a. 0. 596 602), dass man sich fast scheut, es nochmals zu thun. Doch sei in Kürze so viel darüber bemerkt: 1. Der Phaedo sagt nicht schlechthin: die Seele ist ein- fach, sondern entweder einfach (was schlechthin nur von der Idee behauptet wird) oder dem am nächsten. 2. Dies kann jedenfalls Dar gelten von der Seele im reinen Gegensatz zum Körper, nicht v<>n ihr, sofern sie in Folge ihrer Verbindung mit ihm von seinen Erregungen tausendfach mitberührt wird. Dass in letzterer Hin- sicht die Seele mit sich selbst, nämlich die Vernunft mit der Sinn- lichkeit, in fortwährendem Streit ist, wird keineswegs geleugnet, gerade der Phaedo ist vielmehr unerschöpflich in der Schilderung dieses Streites. Auch die Dreiheit der Functionen ist ihm nicht fremd (68 b— c (piX6aoq}oij (piloxQT^f^otoif (piXÖTCfioi). 3. Im Staat wird die Dreitheilung zunächst eingeführt ohne jedes Eingehen auf die Principienfrage des Verhältnisses der Seele zum Körper; nachdem aber schon in den mittleren Büchern dies Verhältniss ganz so wie im Phaedo vorausgesetzt worden, wird im letzten Buch (611 fif.) die früher aufgestellte Dreitheilung mit der jetzt behaupteten rela- tiven Einfachheit der Seele ausdrücklich vermittelt und zwar ganz so, wie es der Auffassung des Phaedo entspricht: die Einfachheit

28*

432 P. NATORP

(oder Dächste AoDaberuog an diese selbst diese EinscbrinkuDg der Behauptung stimmt mit dem Phaedo ganz Oberein ) gilt fflr den Reiozustand der Seele, die früher behauptete Tbeilung fOrihre derzeitige VerbioduDg mit dem Körper. 4. Sollte die TbeiloDg ioDerhalh der Seele im Phaedo noch ganz unbekannt und Ober' haupt erst spater von Plato behauptet worden sein, so dOrfte lacb keine frohere Schrift sie enthalten. Aber nicht nur ist dem Pro* tagoras (352 b, c, 356 d, e) und anderen früheren Schriften àcx Streit in der Seele ganz geläuug, sondern im Gorgias (493 a) wird mit darren Worten der Begierde ihr Sitz in einem eigenen SeeleiB- theil angewiesen {ttjç xpvxijç vovto iv (^ ini&vfilai elalp). Will man also nicht etwa den Gorgias später als den Phaedo selzesB, so muss auch nicht der Phaedrus deswegen später sein, weil ^r eine Tbeilung der Seele annimmt. 5. Der Phaedrus nfthert sioh seinerseits dem Phaedo, wenn er die Vernunft als dem UnkOrper- lichen zugewandt, die Sinnlichkeit als zum Körper niederziehend betrachtet. Auch wird 250 c eine gewisse Gleichartigkeit der Ver- nunft mit ihrem reinen Object, der Idee, wie im Phaedo, aoge- nommen. Gleichwohl sind die oben bemerkten Unklarheiten stebao geblieben, die im Phaedo vermieden, im 10. Buch des Staats aus- drücklich beseitigt sind. Also kann der Phaedrus keinesfalls nacb dem 10. Buche des Staats, aber auch schwerlich nach dem Phaedo verfasst sein; letzterer vertritt in Hinsicht der Psychologie ebenso wie der Dialektik die entwickeltere, abgeklärtere Position ; wie deno auch die Fortschritte in beiden Beziehungen sich als eng zusanuneo- liängend erwiesen.

11. Es bleiben noch einige wenige Argumente von minder centraler Bedeutung übrig. Lutoslawski legt grosses Gewicht dirauf« dass in der Rangordnung der Lebensberufe Phaedr, 248 d dem Dichter kein sonderlich hoher Rang eingeräumt wird. Das widerspreche der Würdigung der Poesie im Gastmahl (209 d—e), entspreche dagegen ihrer radicalen Verwerfung im letzten Buche des Stalls» Aber Phaedr. 245 a, 265 b, 259 d spricht sich eine Schätzung der Dichtkunst aus, wie sie nach dem 10. Buche des Staats, zumal unmittelbar danach, für Plato nicht möglich war; und in derAo- erkeonung des Vorzugs der dichterischen Begeisterung vor der blossen rixvi] (245 a) geht der Phaedrus auch über das Gastmahl liinaus, wo die Dichtung durchaus als Sache der Téxvrj erscheint (223 d). Wie wäre es auch denkbar, dass die Schrift, die von

PLATOS PHAEDRÜS 433

ichteriscbeo Hiltelo den stärksten Gebrauch macht und sich laut essen rahmt (neben Phaedr. 265 c beachte man besonders das durch- Js ironielose Selbstlob Theaet. 176 in.), die Dichtung schlechthin ibe herabsetzen wollen. Richtig ist nur, dass er die Dichterei ( feruf nicht sonderlich hochstellt^ denn seine letzte Meinung ist, S3 die Dichtung allein der philosophischen Muse dienstbar sein Ite (259 b u. bes. 277 f.). Aber gegenüber der uneingeschränkten rwerfung der Poesie in der Apologie und im Gorgias vertritt der aedrus entschieden eine gerechtere Würdigung, auch scheint 8 c— e eii^e Milderung der Schroffheiten des Gorgias (502) gegen i Tragiker beabsichtigt zu sein. Dagegen kehrt das 10. Buch s Staats ganz zu der extremen Haltung der ersten Schriften zurück d bedauert den «Rückfall' (vgl. Arch. XII 42^48). Also ftUl r Phaedrus und mit ihm der Theaetet und das Gastmahl jeden* Is zwischen Gorgias und Staat.

12. Endlich will Lutoslawski (S. 329) in der Jenseitsdichtung B Phaedrus Unterschiede gegen Phaedo und Staat finden, die nur greiflich seien, wenn ersterer in eine spätere Zeit falle als die iden letzteren, besonders der Phaedo. Indess sind Döring (Arch. 1 475 ff.) und Dieterich (Nekyia, 1893, S. 112 ff.) nach sorgsamer Atersuchung, unabhängig von einander, zu dem Ergebniss ge- >aimeny dass die drei Darstellungen in den wesentlichen Zügen !>ereinstimmen, die des Phaedrus aber, als die in den Grundlinien zuständigste, in den Einzelheiten wenigst ausgeführte Skizze am ^türlichsten voranstehe. Zwar findet Dieterich andererseits, dass bestimmten Einzelheiten Phaedrus und Staat sich näher stehen ^d einer gemeinsamen Vorlage (orphischen Dichtung) in gegen- 'itiger Ergänzung nachgearbeitet seien, während der Phaedo einiges IS anderen Quellen (allattischen Rechtsvorstellungen) einflechte, AQientlich aber an die alt überlieferten, schon Pindar und Empe- <^kles bekannten genauen Zeitbestimmungen sich nicht binde, ondern die Zeiten unbestimmt lasse. Es handelt sich dabei aber miner nur um unwichtige Variationen der Hauptsache nach fest- lebender, religiös überlieferter Motive, nicht um von Plato frei Dtworfene Vorstellungen.') Chronologische Schlüsse wären bei ieser Sachlage überhaupt gewagt. Aber auch die einzelnen Wider- )rüche, die Lutoslawski findet, liegen nicht vor. Er macht gel- nd, 1. dass nach Phaedo (1 14 a) selbst Vatermörder unter gewissen

1) Rohde Psyche 5i2^ 566^ Dieterich a. 0.

434 P. NATORP

Bedingungen schon nacli einjähriger Strafe loskommen, wahrend im Staat (615b, 617d) und Phaedrus (249a b) eine tausendjährige Periode for alle Abgeschiedenen angesetzt werde, nach welcher sie erst reYncarnirt werden; 2. dass nach dem Phaedo (114c) der Philosoph sogleich nach dem Tode vom Körper befreit in die Selig- keit eingehe, während er im Phaedrus (249 a) erst nach drei jener tausendjährigen Perioden das Ziel erreiche, alle Übrigen aber (248 e) sogar zehn solcher Perioden durchzumachen haben (letzteres auch dem Staat fremd). Er sieht in diesen ungeheueren Strafverecbir- fungen den Beweis eines gewachsenen Verantwortlichjceilsbewusüt- seins. Im ersten Punkte aber hat Lutostawski den platoniscbeD Text nicht scharf aufgefasst. Die Classe, von der Phaedo 114a die Rede ist, nämlich die der mit schwerer, doch nicht uDsOhn- barer Schuld Belasteten, steht in der Mitte zwischen den ganz Un- heilbaren (113 e), die auf ewige Zeit im Tartarus bUssen mOssem und den ,Miltelmässigen' (113 d), die nicht zum Tartarus kommen, sondern am acherusischen See, gleichsam in einem PurgatoriuDt von ihren Verfehlungen sich reinigen müssen , aber auch für ihre Gutthaten belohnt werden, um dann, nach bestimmten längeren oder kürzeren (113 a, vielen und grossen 107 e) Perioden rela- carnirt zu werden (ndkiv ixné^Ttovrai elç rag twv ttpwv fi- véoeiç 113 a, alloc ôevQO ndktv tjyeiiiwv xofiiKei 107 e). Aus- drücklich nun kommt jene mittlere Classe nach einjährigen Tartanis- qualen unter der angegebenen Bedingung an den See, d. h. ao jenen Ort der Reinigung, und nimmt von da ab offenbar an de0 Los jener nächstbesseren Classe theil (so auch Döring S. 484). Die Worte Xriyovai twv xorxcJy beziehen sich auf die Qualen des Tar^ tarus, der Reinigung dagegen am acherusischen See unterliegen diese so gut wie die ,Mittelmässigen'. Dies bestätigt die Fortsetzung (114 b c): die ausgezeichnet heilig gelebt haben^ heisst es weiter, diese sind es, die von den unterirdischen Gefängnissen losgesprochen werden und aufwärts zu den (vorher geschilderten) reinen Wohn- sitzen an der wahren Erdoberfläche gelangen. Wiederum unter diesen werden dann ausgezeichnet die durch Philosophie ,genug8am* Gereioigteo, welche fortan körperlos bleiben und ,noch schöneres hier nicht zu schildernde Wohnsitze erhalten sollen.') Hierdurch

1) Diese Wolinsitze können nur jenseits, in ätherischen Regionen ge- snclit werden. Insofern ist es ungenau, wenn Lutoslawski S. 328 (nnlen) sagt, 4i^r Schauplatz des Mythus im Phaedo sei auf die Erde beschränkt.

PLATOS PHAEDRUS 435

sind die öfteren iDcaroatiooeD (selbst der Philosophen) nicht einmal aasgeschlossen. Und wenn 107 e von vielen und langen Perioden die Rede ist, würde man an die traditionellen tausendjährigen sogar ohne weiteres denken, wenn nicht die ParalleUtelle 113a mehr dafür spräche, dass die Dauer absichtlich unbestimmt gelassen ist, vielleicht weil es rationeller schien, eine längere oder kürzere Buss- zeit je nach der Grösse der Verschuldung oder auch nach der Lebeosdauer anzunehmen. Der Staat (615 a b) sucht nämlich die kODStlichsten GrQnde, um die handgreiflich ungerechte, aber durch die Tradition einmal gegebene, für alle unterschiedslos gleiche Buss- zeit von 1000 Jahren einigermaassen zu rechtfertigen: die mensch* liehe Lebensdauer sei zu 100 Jahren gerechnet (1) und es mQssten alle Gut- und Uebelthaten zehnfach vergolten werden; eine Rech- nung, die bei der thatsächlichen Ungleichheit der Lebensdauer vielmehr auf ungleiche Perioden hätte führen sollen. Es wäre kleinlich über solche Dinge mit dem Schriftsteller zu rechten, der selber sagt, dergleichen buchstäblich für wahr zu nehmen ov ngi- mi vovv UxovTi àvdçi (Phaedo 114 d). Aber eben desshalb lässt sich aus dergleichen chronologisch nichts schliessen. Ich kann ebenso wenig die Abweichungen in der Ausmalung der Oertlich- keiten für gewichtig genug halten, um Schlüsse hinsichtlich der Zeitfolge der Schriften darauf zu bauen. Phaedr. 249 a und Rep. 614 c—d, 615a sprechen, nach einer Ueberlieferung, von einem Aufenthalt der Gerechten droben im Himmel, wo sie den Lohn, (ier Ungerechten drunten in der Unterwelt, wo sie die Strafe ihrer Thaten empfangen, oder genauer: der Phaedrus von einem dauernden Aufenthalt, der Staat beiderseits von Wanderungen, während der Phaedo, der, wie wir sahen, nicht weniger als fünf Cbssen Jinter- scheidet, hauptsächlich von jenem Aufenthalt der «Meisten* (113 a), it^lich aller mit Ausnahme der hervorragend Frommen und der ganz Verruchten, also derer, die ,mittelmässig* gelebt haben (113 d), am acherusischen See zu erzählen weiss, wo sie sowohl von ihren Debelthaten sich zu reinigen haben, als für ihre Gulthaten Lohn empfangen (an letzteres wieder anklingend Rep. 615 b). Dies wird ebenfalls Ueberlieferungen, nur anderen, entnommen sein; oder es wirkt vielleicht auch hier jenes rationalistische Bestreben, in der jenseitigen Vergeltung etwas mehr Gerechtigkeit walten zu lassen ; denn die grosse Masse der Menschen theilt sich eben nicht in die zwei Classen : Gerechte und Ungerechte, sondern hat eben-

436 P. NATORP, PLATOS PHAEDRUS

sowohl gute wie üble Thaten aufzuweisen ; dazu passt besser eio gemeiosamer Aufentbaltsort, wo beides, Loho und Strafe, zugelheih wird. So wOrde der Fortschritt^ nSmlich in der Richtung grosserer Freiheit von der Ueberlieferung und eines genaueren Gerechtig^ keitsstrebens vielmehr auf Seiten des Phaedo sein; und desshalb mag wohl Rohde (Psyche S. 566* Schluss) die Darstellung des Phaedo sogar für die jüngste gehalten haben. Aber darin konnte ich ihm aus anderen Gründen nicht folgen ; sondern ich vermuthe, dass Plato spater im Staat vorzog, sich wieder enger an die Deber- liefening anzuschliessen und sie lieber auf irgend eine Weise ihm gilt gleichviel, wie, s. z. B. den Zusatz betreffs der ganz jung Verstorbenen 615c zu rechtfertigen, statt eigene Dichlangei an ihre Stelle zu setzen, die ohne Halt an der Ueberlieferung am Ende nicht des gleichen Eindruckes gewiss sein konnten. muss nie vergessen, dass Plato in diesen Mythen predigt, nicht philosophirt.

Und so können auch diese, an sich nicht allzu ernst zu neh- menden Differenzen nichts an der allgemeinen Schlussfolgerusg ändern, auf die so viele übereinstimmende Erwägungen hinfQbrteo: der Phaedrus ist jünger als der Gorgias, jünger somit als die game sokratisirende Periode Piatos, deren positivsten Abschluss der 6<m^ gias bezeichnet; jünger auch als die Sophistenrede des Isokrates, aber die unmittelbare Antwort auf diese; er ist andererseits alter als der Theaetet, Euthydem, Cratylus, Phaedo, das Gastmahl, der Staat und die ganze letzte, d. h. nachstaatliche Gruppe von Schriften; daher um so mehr dem Gorgias und der Sophistenrede nahe n stellen; mithin schwerlich später als 390, eher ein bis zwei Jahre früher verfasst.

Marburg. P. NATORP.

PRAETORIUM.

Kein technisches Wort der römischen Militärsprache begegnet i unseren Limesforschern häufiger als die Benennung praetorium. ^ fragt sich aber, ob dieser Gebrauch nicht grossentheils ein iasbrauch ist. Dass er mindestens incorrect ist, hat kürzlich »maszewski (Neue Heidelberger Jahrb. 9 S. 142) ausgesprochen; illeicht aber ist er geradezu falsch.

Praetorium in der ursprünglichen Verwendung bezeichnet Ort- h den im Heerlager dem praetor, d. h. dem befehlführenden Ma- Hni vorbehaltenen Raum; das Wort muss in republikanischer it aufgekommen sein, nachdem der rex beseitigt war und bevor 9 Benennung consul die spätere Allgemeinheit gewann. In dem twickelten Sprachgebrauch wird das Wort neben dieser immer ilgehaltenen Verwendung in zwiefacher Weise verallgemeinert, imial geschieht dies durch Hervorheben der Beziehung auf den Idherrn unter Zurücktreten der Ortlichen; in praetorio militare last nicht im FeldherrnzeU, sondern unmittelbar unter dem Feld- rm Dienst thun. Daraus entwickelt sich der Begriff des Haupt- tartiers, des Gardedienstes im Gegensatz zu dem gewöhnlichen verdienst. Andererseits heisst wenigstens schon in der frühen liserzeit praetorium unter Zurücktreten der militärischen Be- AuDg') jede ausserhalb der Stadt insbesondere für den Beamten Bcrvirte Wohnung, die kaiserliche Villa*) so wie die Statthalter- Bidenz und namentlich das für die amtlichen Reisen des Statt- Iters eingerichtete Gebäude,*) aber auch im Privatverhältniss das

1) Dies zeigt sich besonders deutlich in der Stelle des Tacitos ann, 3, 33,

die Domaszewski mich aufmerksam macht, wonach, wenn dem Feldherrn

ac Gemahlin ins Lager folgt, in demselben zwei Reservatquartiere, duo prae-

^ erforderlich sind. Die Dame mit ihrem Gefolge kann nicht an der Ofßzier-

' apeisen.

2) Edict des Claudius Bau in praetorio CIL. Ill 5050 und sonst.

3) luUan CTh. 15, 1, 8: oportuit praetoria iudicum et domos iudi' publico iuri atque usut vindicari, Honorius G. Th. 15, 1, 35: de

438 TH. HOMMSEN

▼on dem Gutsbesitzer Dicht für wirlhschafUiche Zwecke angelegte,

sondern für persönliche BenuUung reservirte Landhaus.^)

Von diesem Sprachgebrauch dürfte auch der in den Inscbrifteo

begegnende sich nicht entfernen.

Unter den nicht häuflgen Erwähnungen des pnutornm auf

den Inschriften fordern die meisten die Auffassung desselben ak

Statthalterbaus oder lassen doch dieselbe ungezwungen zu.

Köln : dis conservatoribius) Q. Tarçuitius Ca[t]ulu$ leg, Aug., ctit«[i] cwra fraeto[r]ium in ruina[m eo]lapsum ad fi[o]oam fadem rv- 8titut[um est], Brambach CIL. 331.

Asturica: /. o. m.» Soli inviclo, Libero pairi. Genta praaariii)Q, MamiL Capitolinus . . . leg. Aug. per Aituriam et Callaeamt dux leg. VII [G.] p. [f.] . . . pro salute ma et suorum. CIL. II 2634.

Tarraco : /. o. m., lunoni, Minervae, Genio praelorii consularii, .... ibu8 T, Fl. Titianus kg. Augg. pr. pr. (praesee pm. Hi$p. citerioris auf der Inschrift II 41 18) ... a eins dedicavenat* CIL. II 1076. Das praetorium consularis (so wohl eher als fm- torium consulare, wie Domaszewski Westdeutsche Ztschr. 14,101 meint, da eonsularis als Adjectiv nur von consul, nicht too cM" sularis verwendet werden kann) ist die Amtswohnung des Statt- halters der Provinz, der in Beziehung auf diese nicht titular» sondern mit der üblichen Kurzformel bezeichnet wird.

palatiit aut praetoriU iudicum. Vgl. G. Tti. 1, 26, 4. C. lust. ], 40, 1^ Darauf beziehen sich die praetoria der Provinz Thrakien, deren Aolegoof unter Nero eine Inschrift (CIL. III 6123) bezeugt: [Nero Claudius] ....<*- bemat et praetoria per vias militares fieri iutiit per TV. lulium Iiutum frpc provinciae Thraciae und die dann Severus wieder aufnahm. Nach ooer kürzlich gefundenen Urkunde {Bull, de corr. hell. 22 p. 472 fg.) wurde in Jahre 202 der Marktflecken {ifinoffiov) Pizos in dieser Provinz unweit voo Pki- lippopolis gegründet und aus den benachbarten Ortschaften eine Anzahl CoU* nisten dort angesiedelt; in dem darauf bezüglichen Erlass des kaiserlichen Ststt- halters Q. Sicinnius Clarus heisst es (Z. 246 fr.): neçl êi twv oUoBofOifuktt* oncas énifieXeiaç rvvxavovra eis asl Biafiévoi , tcelevof rovç roTta^x^ ^ TOv£ é7ti[arâ]d'fiovs arcariiVTag [n]a[Q]à rdv ènt/ieXfjTtôy na^fala[vß]09[''^\' Ta nçcuxœçia nai ftaXarsia oXoKXr^qa, Gemeint sind die an den ItiB* sionen angelegten Nachtquartiere nebst ihren Badern. An solche pradmi^ knüpfen die der peulingerschen Tafel an.

1) Clpianus Dig. 50, 16, 198 rechnet die praetoria voluptati taniuméi' servienlia zu den nicht in oppidis befindlichen urbana aedificia. Dcfselbt unterscheidet 7, », 12 villa und praetorium als Nutz- und Luxusbaaten« ?•* pinian Dig. 32, 91, 1 spricht von praedia cum praetorio in ähnlichem Slü*

PRAETORIUM 439

pulum: Genio praeiohi huius M. VaL Longinus [v. c, leg.] leg. XIII g^m.] Sevehanae cum suis votum sobnt. CIL. UI 1019. Die Parallelinschrifi, dem /. o. m, conservator gewidmet (CIL. III 1020)9 deutet darauf hin, das der Genius des Gebäudes ge- meint ist. Auch huius, was gegen den sonstigen Inschriften- gebrauch hinzugesetzt ist, will wohl nicht, wie Domaszewski meint, das Haus des Legionslegaten von dem des Statthalters Ton Dacien unterscheiden, sondern andeuten, dass unter prae- torium nicht das Hauptquartier verstanden werden soll, sondern das Gebäude.*)

huTDom: praetorium [vetustate] conlapsum . . . ., Bumistae, .... ses ex pec, [puhl. fecer.]. Scapulla] .... (wahrscheinlich Scapula Tertullus unter Marcus und Commodus) leg. Äugg. p[rov. Dalmatiae] restit[uit]. CIL. III 2809. Zur Errichtung dieses Stationsgebäudes haben sich also mehrere benachbarte Gemeinden zusammengethan.

fegend von Volubilis in der Tingitana: [Ge]nio loci ... I. Neon praef. [coh.] I Astur, et Call[aec. praetorium per m[a[nus com- m{ilitonum) has . . . io composuit et fecit. BuU. du comité 1891 p. 137 CIL. VIII 21820. Auch hier steht der An- nahme nichts im Wege, dass der Cohortencommandant für den Statthalter ein Gebäude hat herstellen lassen, zumal da die Ruinen desselben den Berichterstattern ansehnlicher erschienen sind als die gewöhnlicher Burgen.

mracum : &boîç toîç tov ^yBfiovmov nçaitwçlov (Eph. epigr. 3 p. 312). Inschriftliche Zeugnisse für den Gebrauch von praetorium, die

ii auf die Statthalterwohnung nicht beziehen lassen, flnden sich, viel ich weiss, lediglich in Britannien am Wall:

inchest er: Genio praetori Cl. Epaphroditis Gaudianus tribunus cho. I Ling. v. l p. m. CIL. VU 432.

1) In den Dedicalionsinschriften fehlt das hie ständig, weil es selbst- ntindlich ist, dass das Gebäude gemeint ist, an dem die Inschrift sich be- idet und also fehlerhaft dies auszudrücken. Soll ein Gebäude von einem deren unterschieden werden, so kann dies nur geschehen durch Hinsetzung ioer speciellen Benennung. Aber da Genio praetorii zweideutig ist und irobl örtlich verstanden werden kann von dem Gebäude wie von dem Haupt- irtier oder dem Feldherrn, so ist die Hinzufûgung des Wortes hier gerecht- ligt.

440 TH. MOMMSEN

Litllechesters: /. o. m. ceierisque dits immort, et Gen. praetor, j

Q. Pelronius Q. F. Fab. Urbicus praef. cok. IUI fiofiomm....

voium solvit pro se et suis. CIL. Vl( 704. Ebendaselbsl: Genio praetori sacrum Pituanius Secundus praeftäiü

coh. IUI Gallor. CIL. Vil 703. Aber was wir jelzt io den Castellen Praetorium nenoeD, kaao aach in diesen Inschriften unmöglich gemeint sein. Praetorium ist weder in dem grossen Lager der Legion noch in dem einer kläacrei Truppe der hausahnliche Hittelbau, sondern eine für den Fdd- herrn oder den Statthalter oder den Gutsbesitzer reservirte fUuD- lichkeit, immer, auch in abgeleiteter Ausdrucksweise, gegensatxlid zu den den untergeordneten Personen zugänglichen Räumen. Dtf auch der einem Commandoführer niederen Ranges angewiesene Raum also genannt werden könne, passt wenig zu dem for- nehmen Charakter des Wortes; aber selbst wenn man dies aB- nimmt, kann ein solcher unter dem praetorium jener engliscbes Inschriften unmöglich gemeint sein, da es nicht angeht dieie Dedicationen auf d\v, einem solchen Fahrer im Gegensatz zu des Mannschaften vorbehaltene Wohnung zu beschränken. Dagegei steht nichts im Wege, darunter das statthalterliche Hauptquartier zu verstehen. Der Genius der einzelnen Person, vom Kaiser ab- gesehen, ist vom Lagercult ausgeschlossen'); aber fOglich konDte das Obercommando in seiner abstracten Bezeichnung in gleicher ; Weise divinisirt werden. Allgemein gebräuchlich scheint dies oicht gewesen zu sein, da die Belege dafür sich auf Britannien te- schränken; in der Regel hat man es wohl vorgezogen, den Genius auf die Provinz oder die Legion zu beziehen, wobei die Penos des Statthalters und des Felüherrn noch weiter zurücktrat. Abo aus den sparsamen Belegen für diesen Gebrauch des Wortes kami ein Schluss auf die Benennung der castrensischen Localitäten nicht gezogen werden.

So weit ich sehe, fehlt es in der technischen Sprache der Römer an einem zusammenlassenden Ausdruck für die Lagerbauten im Gegensatz zu den Soldatenzelten und dem Wall und ist die Be* nennuDg praetorium in örtlicher Geltung beschränkt auf die fOr

1) Ausnahme macht, bis jetzt einzig, eine kürzlich bei Stockach gefu- dene Inschrift (Zangemeister im westdeutschen Gorr. Blatt 1898 S. 19c): i. o. in. (Gölterbildnisse mit ßeischriften Isis Sarapis) conservatori eeterUfM$

dits deabusque e[t] Genio lutii Fictorini co{n)s(ularis).

PRAETORIUM 441

den Feldberrn yorbebalteuen Räume, unanwendbar aber oder we- nigsteDS bis jetzt unerwiesen fOr die Wohnung des Commando- trflgers Oberhaupt, welche bei kleineren Abtheilungen schwerlich in der baulichen Anlage dem praetorium des Legionslagers glich nnd schwerlich einen distinctiven Namen geführt hat.')

Es kann Oberhaupt die Frage aufgeworfen werden, in wie weit irir befugt sind die Lagerbezeichnungen der römischen Mililär- sprache auf die kleinen und kleinsten römischen Staudlager zu übertragen. An sich ist es ja wahrscheinlich, dass, so weit das Cistell mit dem Heerlager im Schema zusammenstimmt, die tech- nischen Bezeichnungen auch auf jenes Anwendung gefunden haben werden, und die Benennung der Hauptthore des Lagers porta prae- t»ria giebt den Anstoss nicht, welchen das vornehme Wort prae- Mim in der Anwendung auf die Behausung eines kleinen Ort- liehen BefehlfOhrers hervorruft. Weiter hat Domaszewski (bei Hett- Der, Limes-Castell Murrhardl S. 4 A. 1) aus einer von ihm in dem Boesischen Castell Kutlovica gefundenen Inschrift vom Jahre 258 pL. III 7450: portam praetoriam cum turre a futidamento . . ftArkaüit) den Gebrauch von porta praetoria auch für das Castell- tlior nachgewiesen; für die porta decumana fehlt bis jetzt ein gleich- irtiger Beleg. Indess ist bei dem Gebrauch dieser Thorbenennungen licht zu Obersehen , dass derselbe durch den Nachweis der Stirn- läte bedingt ist.

Nach der romischen Ueberlieferung ist bei der Anlage des Manch- wie des Standlagers nalurgemäss die Stirnseite diejenige, welche in der Marschrichtung liegt oder dem Feinde zugewendet ist*}; indess ist dies Princip, da es eben durch die nicht immer lleichmässigen militärischen Ziele bedingt wird, mancherlei Modi- icationen unterworfen und wir wissen auch, dass noch andere Aflcksichten dabei eingriffen, zum Beispiel auf ungleichem Boden fQr das Hinterthor der Umschau wegen die höchste Stelle bevor-

1) Als daoernde Residenzen haben die Gastelle auch den Offizieren von fiitterraog schwerlich gedient; für die Subalternen, die hier regelmässig den Befehl geführt haben müssen, dürfle ein grösseres Zelt ausgereicht haben.

2) Diese Regel giebt bekanntlich Pseudo-Hyginus 56: porta praetoria temper hostem speetare debet Vegetius 1, 23: porta quae appeüatur prae- iaria out orientent speetare debet aut ilium locum qui ad hottes respicit mut si iter agitur illam partem debet attendere, ad quam est profecturus exereitus.

442 TH. MOMHSEN^ PRAETORIUM

zugl ward.') Wenn also bei der Wahl der Stirnseite ZweckmS keitsrücksichten entschieden uod eine feste Orieotiruog nichi stand, so lässt sich die Stirnseite in den erhaltenen Lagern in anderer Weise bestimmen. Rekannllich ist das römische I der späteren Zeit der Regel nach kein Quadrat, sondern mei ein Rechteck und es liegen die beiden Hauptthore an den Sei Seiten, die beiden secundären aber in den Längsseiten nid deren Mitte, sondern im ersten Drittel, so dass dieselben ?oi porta decumana doppelt so weit entfernt sind als von der j praeioria. Nach dieser Regel lässt sich da, wo die Lage der 1 ermittelt ist, danach die Stirnseite feststellen.

Nicht immer treffen beide Merkmale zusammen. Das G der Saalburg folgt im allgemeinen dem gewöhnlichen Schema Schmalseiten messen 100, die Längsseiten 150 römische Sd und die Seitenthore liegen im Drittel der Längsseiten. Wir< Stirnseite bestimmt durch die Entfernung der Seitenthore tob Schmalseiten, so ist das Thor an der Südseite auf dem Wege Heddemheim, das im Wesentlichen sich erhalten und dem Ja Meisterhand kürzlich seine Vollständigkeit wiedergegeben hat, pinrta praeioria. Wird aber die Stirnseite bestimmt durch Rücksicht auf das Ausland, so ist umgekehrt dieses Thor diej decumana und dasjenige an der Nordseile, das zum Limes uo das Ausland führt, die porta praetoria.

Die letztere Ansicht hat sich eingebürgert, wenn sie g uicht ohne Widerspruch geblieben ist. Aber zugegeben i werden, dass die jetzt beliebte Annahme, wonach das Saalb Castell durch Vertauschung der praetentura und der retentura von der gewöhnlichen Anlageform entfernt haben soll, auf i schwachem Grunde beruht und dass, da einmal eine Ausnahme genommen werden muss, es einfacher ist, die Richtung auf Ausland aufzugeben und die porta praetoria auf der Strasse i Heddemheim zu suchen, wo der offenbar nicht unbedeutende Mi flecken an das Castell sich anschliesst.

Berlin. TH. MOMMSEI

1) Pseudo-Hyginas a.a.O.: porta decimana eminentissimo loco stituitur, ut regiones castris subiaceant. Die von Vegetius s. a. 0. bd gehobene Bevorzugung der Ostseite kann wohl nur auf den Gesetzes Limitation beruhen; sie wird in der antiquarischen Theorie eine Rolle ges aber schwerlich praktisch eingegriffen haben.

ÄGYPTISCHE LEGIONARE.

VegetiuSf iodem er bemerkl, dass bei dem Legioosdienst des SchreibeDs uod des Rechnens kundige Leute nicht fehlen dürfen, begründet dies eingehend (2, 19): totius enim Ugionis ratio, sive ûbseguiorum sive milUarium munerum sive pecuniae, cotidie ad- uribitur actis maiore prope diligentia, quam res annonaria vel ci- vais in polyptychis adnotatur: cotidianas etiam in pau vigilias, item txcubitum sive agrarias de omnibus centuriis et contubemiis vicissim mSites faciunt. ut ne quis contra iustitiam praegravetur aut alicui fraestetur immunitas, nomina eorum, qui vices suas fecerunt, bre- r vAus inseruntur, quando quis commeatum acceperit vel quot dierum, [f eiMtatur in brevibus. Ein Stück solcher brevia ist kürzlich in Aegypten zum Vorschein gekommen und von zwei namhaften Genfer Gelehrten, lules Nicole und Ch. Morel in Sonderpublication {ar- (üoes militaires au I siede. Genf 1900) mit Facsimile heraus- gegeben worden.

Ich beabsichtige nicht den gesammten Inhalt des opislho- gnphen Blattes hier zu wiederholen und zu erläutern; es soll nur eine kurze Uebersicht des Inhaltes gegeben und der wichtigste Be- itaadttheil, die Soldberechnung zweier Legionare, näher erörtert irerden.

Die Vorderseite des Papyrus zeigt in der Ueberschrift den Rest des Consulats 81 n. Chr. . . . £. Asinio cos.^) In dem Soldver- lachniss, wovon die beiden letzten Columnen erhalten sind, ist diesen vorgeschrieben an(no) III Do(mitiani), d. h. nach der ohne Zweifel hier zu Grunde liegenden ägyptischen Jahrbezeichnung 29. August 83/4. Die in der letzten Columne der Vorderseite zusammengestellten

Uriaubsvermerke beginnen: exü .... anno III [imp. Tito ]

Octobres, r{edit) anno eodem XII k. Februarias und fahren fort: exit

1) Der sonst nicht bekannte Vorname dieses Consuls erscheint mir auf der Photographie deutlich mit vorhergehendem leerem Raum, und ebenso liest Nicole. Morel meint vielmehr et zu erkennen.

444 TH. HOMMSEN

.... anno I imp. Domitiano .... r{edit) anno eodem II luUas. Diese Notiz ist also begonnen zwischen dem 14. Sep und dem 14. October 81, bevor die Kunde von dem am 12 tember erMglen Tode des Titus nach Aegypten kam, uiu weiter geführt bis 13. Juli 82; der annus III Tut (29. Aug 13. September 81) und der annus I Domitiani (14. Septem bis 28. August 82) sind identisch. Unter den späteren ai Vermerken ist der jüngste datirt anno VII Damüiani III tob[res], 29. September 87. Demnach ist die Liste angel^ im Todesjahr des Tilus 81 n. Chr. und, von verschiedenen I fortgeführt, in Gebrauch geblieben bis zum Jahr 87. Du Seite, welche nach Cassirung der Vorderseite geschrieben if sich nur insoweit datiren, dass die darin aufgeführten Ti zeichnet sind als k. DomUia(nis) und so weiter bis VI iéh mittanas], Sie ist also bald nach Cassirung der Vorderaei gesetzt, da die Umnennung des Monats October in Dan (Sueton Dom. 13) nach dem vorher Bemerkten nach 87 zi scheint, aber in den Jahren 88/9 (nach einem von den I gebern angeführten Genfer Papyrus) und 89/90 (nach drei a einem Londoner Pap. of the Br. Mus. 1 n. 259 p. 39, eine liner, Wilcken Ostraka 1, 810 und einem Oxforder, Grenf Hunt Oxyrhynchus 2 p. 164) bereits eingeführt war; mit de strophe Domitians im Jahre 96 verschwindet sie wieder. I der Vorderseite, aber nach Umkehrung und Cassirung de geschriebener Vermerk, beginnend imp. Domitiano XV ea aus dem Jahre 90, kann der Rückseite gleichzeitig sein.

Ich verzeichne die einzelnen Schriftstücke.

1. Die unter dem schon angegebenen Rest des Samt . . . £. Asinio cos. und mit der, auch vielleicht zu Anfang ständigen, wahrscheinlich den Schreiber nennenden UnU L. Ennius Innocens von mehreren vermuthlich gleicharti lumnen übrig gebliebenen beiden letzten tragen als Ueben zwei Soldalenoamen:

Q. lulius Proculus Ganigrisl)^)

C, Valerius Germanus Tyr{o)^) und führen mit der gleichlautenden £iDgangsfoimel: accepit slip. I (oder // o

1) Die Lesung ist unsicher, vielleicht mit Morel so wie oben a zu fassen.

2) Mir scheint Tyr. zu stehen, nicht Cyr,

ÄGYPTISCHE LEGIONARE 445

an. Ill Do. (oachher anni eiusdem) dr. CCXLVIII die Löhnung dieser beiden Leute in Einnahme, Ausgabe und Kassenrest auf, wie dies weiterhin näher ausgeführt werden soll.

2. Eine neben den beiden vorigen stehende am Zeiienachiuss beschädigte Columne nennt vier einzelne Soldaten mit römischen Namen die wahrscheinlich hinzugefügte Charge fehlt bis auf c . . bei dem ersten unter Hinzufügung bei einem jeden längerer Entsendungen zum Empfang von Getr^de oder zu anderen Zwecken: ad hormos cùnfoditndos ad Aariam eonficiendam ad moneta{m). Beispielsweise heisst es bei dem ersten: C. Papirius Clemens c . . . . exit ad frumentutm Neapoli{m) eso ep[i8lula^) T. S\udi] dementis 'pfaef. castrorum, welcher Offizier als praef. ca- ttramm iu Aegypten auch auf einer Inschrift der Memnonsäule (CIL. III 33) vom Jahre 79 genannt wird. Hier ist von einer Sen- dung in das Hauptquartier die Rede; Neapoüs wird als Stadttheil von Alexai\dreia genannt in dem mehrfach begegnenden Beamtentitel des procurator Neaspoleos et tnausolei Alexandria».^ Auch die Wen- dung ad frumentum Mercuri wird man in Verbindung bringen dürfen nit dem procurator À[ug^orum ad ife[re]urtiitn AUxandT{eaiey)

3. Auf der gewendeten Vorderseite stehen, wie angegeben ward« unter dem Prascript imp. Domitiano XY cos. au ..... vier Namen rOiniscber Form mit Angabe der Tribus, bei dreien der PolUa, bei deq^ vierten der CoUina; die Heimathangaben fehlen, scheinen aber MQ Schluss gestanden zu haben. In welcher Beziehung dieselben >l3o verzeichnet werden, ist nicht ersichtlich.

4. Auf der Rückseite erscheint zunächst eine Aufzählung ver- schiedener Soldaten mit Angabe ihrer Specialchargen und unter Beisetzung bei den eitnzelnen Namen der Zahl 1 oder^ wo mehrere zusammengeCssst werden, der entsprechenden Zahl. Von diesem ScbriftstOck ist der Schluss der vorletzten und die letzte Columne einigermaassen erhalten. Am Ende der vorletzteii erscheint die Be^

1) Der letzte erhaltene Bochslabe nach EP scheint L zo sein; die Er- gioaiKig ist gSDZ unsicher.

2) Lyon: G. lolios Celsos CIL. XII 1S68 Dessau inser. sei. n. 1454; Saldae in Mauretanien: Sex. Cornelius Dexter CIL VUI S934 ^ Dessau 1400; Magnius Rufinianus Berliner Papyrus BGU. 8, 2, 28. Einen Theii dieser Nach- Weisungen verdanke ich Wiicken. Unmöglich kann mit Morel an die Kaêtni TtoXêS der Thebais gedacht werden, wenn diese gleich bei Herodot Néfj noXis heisst.

3) Diesen nennt die capuanische Inschrift G. X 3847 ^ Dessau 1398. Morel denkt au tiermupoUs magna,

Henne« XXXV. 29

446 TH. MOMMSEN

Zeichnung e^tfiïes mil der Ziffer II; darunter iwei Namen. letzte Columne beginnt mit den Worten:

reliqui XXXX, ex eis opera vacantes Darauf folgt weiter die unsicheren Lesungen sind in ( }, -dii Ergänzungen in [ ] gegeben:

armorum enstos I

eonducior: Porcius 1

carrarius: {Si)vinius I

secuior tri[buni]: . . tius Severus 1

custos dornt . . . ibi . . .; Slams I

Ubrarius et (diseens) II

Curiati{us) ... a

Àureli{us) . . s supra numer[um] .... 1

Domitius . . . stationem a[gens] 1

Domitius .... f\iunt VIIIH] Nach Aufzahlung dieser neun vom Dienst Befreiten wird abermals die Summe gezogen:

reliqui XXXL Es scheint hier eine Uebersicht sämmllicher der betreffenden Ab- theilung angehOriger Soldaten Torzuliegen mit Angabe der eio^ jeden zugewiesenen militärischen Beschäftigung, so dass am Scblo^i neun befreite Leute und 31 nicht fest verwendete munifici ^^' bleiben. Indess ist dies Schriftsttlck so unvollständig und zerst.^^ dass damit wenig anzufangen ist.

5. Den grösseren Theil der ROckseite fallt eine recht eig^^^' lieh den brevia des Vegelius entsprechende Tafel, welche in itMf^^ Längsstreifen die Namen von 36 Soldaten aufführt, in ihren Q^M^ streifen die ersten zehn Octobertage, wie schon gesagt, voiB ^' Dom. bis VI id, Dom. Weitere Namen folgten nicht, wohl 3^^ folgten weitere Tagescolumnen. Das Jahr ist nicht angeget'^^' Die 36 Soldaten werden bezeichnet mit den drei römischen Na(^^^ ohne Angabe der Tribus und der Heimath; einer derselben T. f^ vius Valens kehrt wieder unter den vier im zweiten Schriflst**^ genannten. Zwei Homonyme C. iulii Longi werden unterschied*^ durch die Zusätze Sipo und Miso, vielleicht castrensische 0^'' namen. Es bildete sich also für jeden Soldaten und ftlr jed^^

ÄGYPTISCHE LEGIONARE 447

ensttag ein Rechteck, in welches der Tagesdienst des einzelnen anoes eingetragen werden konnte. Ein grosser Theil dieser Qua- rate ist nicht ausgefällt; vermuthlich sind nur Specialmandate Ter- lichnet. Einzelne derselben, wie das hier mehrfach wiederkehrende ii mit folgendem Determinativ , weiter ein unTerstfindliches pro intane . ., erstrecken sich tlber mehrere Tage; die meisten, auch »chmassig sich wiederholende, beschränken sich auf den einzelnen g. Von manchen ist die Bedeutung klar: armamenta signis

harena calcem via Nieo{politn?) 8ta(tio) prindpis

sta{tio) por{taé) 8tati[o] ad Serenu(m); mehrfach findet sich Weisung zu einzelnen Centurien : in 7 Heli Serem 7 D. cri 7. Die Beischrift pagano cuUu, welche, wie Morel erinnert,

metaphorischer Anwendung in Plinius Briefen (7, 20) wieder- irt, wird die Aufsichtfflhrung über die für die Truppe thatigen Idarbeiter bezeichnen. Anderes bleibt wenigstens zur Zeit dunkel,

die häufigen Angaben strigis und baüio.

Die Truppenabtheilung, von welcher diese Aufzeichnungen her- hren, gehörte ohne Zweifel einer Legion an. Alle darin begeg- snden Vollnamen haben die römische Form; die Tribus, und zwar verwiegend die castrensische Pollia, erscheint in dem dritten tOck; die Heimathangabe steht in dem ersten und stand wohl ach in dem dritten. Gehörten diese Aufzeichnungen einer Auxiliar- ruppe an, so würden unrömisch gebildete Namen nicht mangeln. )i8s diese Abtheilung nicht in dem alexandrinischen Hauptquartier 'Und, ist wahrscheinlich, weil sie, um Getreide zu empfangen, wie bemerkt ward, nach Alexandreia schickte. Die Gesammtsahl der ^btheilung kann nicht viel höher als 40 gewesen sein, da vor den àiqui XXXX verzeichneten Namen wohl nur die der Chargirlen ge- raden haben können. Dazu passt auch die 36 Namen aufführende 'iste, da diese vermuthlich nur die eigentlichen munifici nannte und, ^l%leich sie freilich auf anderen gleichartigen Blättern ihre Fort- letiUDg gehabt haben kann, vermuthlich vollständig ist. Immer wird itit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden dürfen, dass Kese Mannschaften keine feste Legionsabtheilung bildeten, sondern »oe abcommandirte legionare vexiUatio, eine statio agraria.^) Es rt möglich, dass eine solche in Arsinoe stand, obwohl dies aus dem ODdort des Blattes nicht mit Sicherheit gefolgert werden darf.

1) AmmisDas 14, 3, 2. Vegetias a. a. 0.

29*

448 TH. MOMMSEN

Bei weitem das wichtigste Stück unter den hier erhaltenen ist die Aufzeichnung hinsichtlich der Soldsahlung. Ich stelle lu- nflchst die beiden wesentlich gleichförmigen RecbnungeD in ihren Ergebnissen lusammen; kleine Abweichungen und ErgSiniungen . bezeichne ich nicht besonders, dsi alles Wesentliche feststeht

In Einnahme wird jedem der beiden Solduten gestcdlt ftlr das dritte (ägyptische) Jahr Domitians:

aecepit siip. I dt. CCÏLVIII II dr. CCXLVIII III dr. CCXLYIU In Ausgabe wird gestellt fOr den ersten Viermonaltemiin : ex eii faenaria dr. X

in vtetum dr. IXXX

caligas faseias dr. XII

saiumalicium k{aiiren$e)^) dr. XX in vestim^ntum] (oder [in

vesti]torium) dr. LX Proculus; dr. C Germanus

expensas

dr. CLXXXII dr. CCXXII

Ftlr den zweiten

Viermonattermin:

ex eis faenaria

dr. X

in victum

dr. LXXX

caligas fascias

dr. XII

ad signa

dr. IV

expensas

dr. CVI

Ftlr den dritten

Viermonattermio:

ex eis faenaria

dr.X

in victum

dr. LXXX

caligas fascias

dr. XII

in vestimentis

dr. CXLVI

expensas

dr. CCXLVIII

Die Bilanzen stellen sich verschieden ftlr die beiden Soldaten: Proculus: Germaous:

1. Termin: reliquas deposuit dr. LXVI dr. XXVI

ei kabuü ex prio[rey) dr. CXXXVI dr. XX

fit summa omnis dr. CCII ' "^ dr. XLfI

1 ) So dürfte aufzulösen sein, wie im dlocietianischen Edict, nicht kialendts). 2) Dies weist auf entsprechende Vorzeichnungen aus dem Vorjahr sorûçkt die füglich in den fehlenden Columnen gestanden haben können.

ÄGYPTISCHE LEGIONARE 449

min:

muit dr. CXLII dr. CXLII

X priore dr. CCII dr. XLVI

omnis dr.CCCXLIV dr. CLXXXVIII

tniD (io dem Einnahme und Ausgabe sich decken): fOiito dr.CCCXLIV dr. CLXXXVIII

Zunächst bestätigt diese Aufstellung, was wir schon wussten, die römische Soldzahlung in Viermonatterminen, also dreimal ihre stattfand. Dass dabei wenigstens in unserer Liste das ische Jahr zu Grunde gelegt ist, bestätigt sich durch die Ein- Dg der Verabreichung fOr die Saturnalien (Dec. 17 fg.) in den 1 Termin.

Dass das Stipendium des Legionars von Caesar auf 75 Denare, ahressold auf 225 Denare festgesetzt war und dieser Satz blieb, lomitian ihn auf 100 Denare erhöhte, steht fest.') Es fragt wie der in dem Papyrus angegebene Betrag von 24S Drachmen es Stipendium oder von 744 Drachmen fQr die JahreslOhnung Jazu verhält, oder, was dasselbe ist, wie die ägyptische Silber- me dieser Epoche dass diese gemeint ist, kann keinen nblick zweifelhaft sein*) sich verhält zu dem römischen Denar. Nominell wird bekanntlich der römische Silberdenar in Aegypten elradrachmon behandelt und es würde danach das Stipendium auf 300 Drachmen Silbers stellen, während die Urkunde nur Drachmen ansetzt. Allein neben der Silberdrachme von 7 71/4 Obolen (der Denar wird auf 28 oder 29 Obolen ange- gab es eine Kupferdrachme von 6 Obolen, auf welche die Dzialmünze ausgebracht ward.') Nimmt man an, was alle Wahr-

1) Es genügt die Verweisung auf Marquardts Staatsverwaltung 2, 96. 480.

2) Das zeigt auch die Fassung reliqua*. Morel bat, indem er dr, durch ios auflöste, die richtige Auffassung des Schriftstückes verfehlt.

3) Metrologisches Fragment bei Grenfell und Hunt Oxyrhynchos pa- vol. 1 p. 77 : fx^ xahtelvfj oßoXovS ç . . , ixßi Bçaxuri oßoXovc Snxa. cens kann ich für diese Ausführung auf Wilckens Ostraka 1, 732 fg. isen. Zweifelhaft ist mir nur eine allerdings sehr wichtige Frage: e Gegensätze von Silber und Kupfer mit Recht auf das Billon der irachmen und das Kupfer der Obolen bezogen, oder nicht yielmehr die ;he Reichsmflnze und die ägyptische Prägung damit bezeichnet worden, lemunze kann neben dem dazu gehörigen Grossgeld zu einem besonderen nur gelangen, wenn sie in Massen geprägt wird, um auch in Gross- Igen verwendet zu werden; das scheint auf das ägyptische Kleingeld

450 TH. MOMMSEN

scbeiolichkeît for sich hat, dass die io Silber zahlende Behörde den Denar nach diesem Satze anrechnete, ao konnten dem Curs 1 : 29 mit 62 Denaren oder 248 Silberdrachmen effect.» 300 ägyptische Drachmen (genau 62 x 29 1798 Oboien) begliche- n werden, und so wird hier verfahren worden sein. Ohne Zweifel L^ag in dieser Substituirung der Drachme von 6 fOr die Drachme roo 7 Oboien factisch eine Soldreduction, die insbesondere bei den Er- sparnissen der Mannschaften sichtbar wurde; aber bei der ohneknin zurückgesetzten Stellung der ägyptischen Legionen kann eine derartige Plusmacherei der kaiserlichen Kasse nicht befremden. Danach li^t der von Caesar eingeführte Lohnungsbetrag auch hier lu Gründe; die Erhöhung durch Domitian ist erst nach Abschluss dieser Ur- kunde eingetreten.

Dass diese Löhnung factisch nicht ausgezahlt, sondern dem einzelnen Soldaten theils für seine Bedürfnisse verrechnet, tbe/ls gutgeschrieben wurde, zeigt unsere Urkunde zum ersten Mal ia voller Deutlichkeit. Die fälligen Soldbetrfige verblieben in der Kasse der betreffenden Abtheilung, wahrscheinlich nach der Ad* gäbe des Vegetius (2, 20) und nach der Natur der Sache ao der Centralstelle, in der Cohorte bei den signa. Dass noch in der besseren Kaiserzeit dem Soldaten, was er verbrauchte, am Solde gekürzt ward, wussten wir'); aber jetzt erst ersehen wir, dasf Uno

der Kaiserzeit keineswegs za passeo. Andererseits kann das von Tiberius eingeführte Billon, in dem Silber ond Kupfer normal sich wie 1 : 3 verUelttOy insbesondere wenn man erwägt, dass die Römer der guten Kaiseneit iiel> der Kupferpragung einen gewissen Metailwerth gaben, füglich als Kopfefgd^ betrachtet werden. Das fast vollständige Schweigen der Sgyptlschen Urkondeo von dem Denar, der doch sicher auch dort umlief und dem Aureus zu Groode lag, ist eine weitere Bestätigung für diese Annahme. Dass der Denar hief nicht mit seinem römischen Namen, sondern nach Drachmen Silbers bezeichBet wurde, entspricht geuau der formell festgehaltenen Selbständigkeit des König* reiches. Wenn ,ptolemäische Drachmen* in den ägyptischen Urkunden bis hioab in die claudische Zeit genannt werden, so ist wahrscheinlich einfach der Den« gemeint, der dem Aegypter füglich erscheinen konnte als die alte Silber- drachme der Königszeit.

1) Bei Tacitus anîi. 1, 17 klagen die Legionare: denis in diem amhu animam et corpus aestimarû hinc vestem arma tentaria . . . redimi, Daas die Kost nicht abgezogen ward, ist hieraus mit Unrecht geschlossen worden (Marquardt a. a. 0. S. 97 A. 1). Nur den Prätorianern wurde seit Nero diese unentgeltlich gewährt (Tacilus ann. 15,72: addidit sine preHo frumentum, quo ante ex modo annonae utebantur; Sueton iVer. 10: consUiuit . . . praetorianis cohortibus frumentum menstruum gratuitum).

ÄGYPTISCHE LEGIONÄRE 45t

Iberhaupt für seine Bedürfoisse kein Geld in die Hand gegeben, »Odern nach einem wenigstens im Ganzen fest regulirtem System 19 Erforderliche ihm geliefert wurde. Diese Lieferung muss durch DC>€Stellte oder Unternehmer bewirkt worden sein, denen fOr den apf entsprechende Betrage gezahlt und diese in der Lohnungs- »rcchnung dem Soldaten zur Last geschrieben wurden. Die ein- tloen Posten, welche in den Rechnungen erscheinen, sind die ■senden , wobei nicht zu übersehen ist, dass auch sie auf die ^Iberrechnung gestellt sind, also die Drachme nicht 6, sondern 7 1er 7V4 Obolen des ägyptischen Courants gleichsteht.

In victum, fflr die Kost, durchgängig in jedem Termin fOr en Mann 80 Drachmen oder täglich nahezu 5 Obolen. In den ertlhmten ägyptischen Gutsverwalterrechnungen Tom Jahre 78/9 I. Chr. ist der gewöhnliche und niedrigste Tagelohn 3 Obolen.

In vesimentum, im ersten Termin 60 oder 100 Drachmen [ifies ist der einzige Ansatz, in welchem die Personen differiren), im zweiten nichts, im dritten 146 Drachmen.

Caltgas faseias, Stiefel und Strumpfe,') durchgängig in jedem Termin 12 Drachmen.

Faenaria, wofOr in jedem Termin 10 Drachmen ausgeworfen werden, scheinen, da Tacitus unter den dem Soldaten in Rechnung geateliten Gegenständen die temotia aufführt (S. 450 Â. 1), die Bettung und was damit zusammenhängt zu bezeichnen. An die Kosten fOr Pferdeverpflegung mit den Herausgebern zu denken, verbietet, abgesehen davon, dass nichts dafür spricht, dass die beiden Soldaten beritten waren, die geringe Höhe der Summe.

Ad signa, wofür im zweiten Termin 4 Drachmen ausgesetzt worden, beziehen die Herausgeber auf die von Vegetius (2, 20) er- wähnte Slerbecasse, den saecus undecimus neben den zehn Cohorten- bssen, in quem iota legio particulam aliquam conferebat, septd- turae scilicet causa, ut si guis ex coniubemalibus defédsset, de illo nndedmo sauo ad sepulturam ipsius promeretur expensa. Dafür würde man eine präcisere Bezeichnung erwarten. Eher könnte man an einen Beilrag denken für Instandhaltung der Feldzeichen.

1) Ulpian Dig^. 34, 2, 25, 4 : fasciae crurales pedulesquê .... veslis loco suntf quia partem corporis legunt, Plinius n. h. 8,57,221: Carboni imp, ipud Ctusium (mures adrosis) fasceis, quibus in calciatu uiebalur^ exitium porUndebanl),

452 TH. MOMMSEN, ÄGYPTISCHE LEGIONARE

Von AufwenduDgeD für di« Waffen, deren Tadtas gedeak^s sprechen unsere Listen nicht.

Das satumaUdum kiastrense) von 20 Draehmen im ersten Tecmi^ ist ohne Zweifel bestimmt fOr das Satamalienfest im 'Decemb^ und dOrfle die einzige Summe sein, die dem Soldaten ca beliebige Verwendung in die Hand gegeben ward, obwohl auch dies hmm zweifelt werden kann.

Den nicht für die Ausgaben abgeschriebenen Restbetrag erhalt^^ die Mannschaften ebenso wenig ausgezahlt, sondern ^deponiren' ikv wie unsere Urkunde bestätigt, offenbar nicht freiwillig, sondern nach fester Ordnung bei der Abtheilungskasse.') Es ist dies ^as eigentliche peculium castrense, das bei der Entlassung dem 'Soldaten ausgehändigt wird, und auf dieses beziehen sich die neben àea Militärschreibern für die Magazine und denen für die Strafgelder und den militärischen Schreiblehrern genannten librarü dtfou' , tomm,^) deren einer T. Ennius Innocens unsere Urkunde abgefasst haben wird.

Berlin. TH. MOMMSEN.

1) Marqoardt Handb. 2, 563. Suetoo Dom. 7 : L. Antonius apud duar» legionum hiberna res novas moliri fiduciam cepisse etiam ex depositoru» summa videbatur (v%\, vita Pescennii 10). Die fallige Soldzahlang bleibt rnr ebenfalls in der Rasse und kann rechtlich auch nur als Depositum betrachtet werden; aber technisch gilt als solches nur die nicht erhobene Restsonme.

2) Dig. 50, 6, 7.

?1K DER BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER JT BEITRÄGEN ZUR GESCHICHTE DER MAKKABÄISCHEN ERHEBUNG.

(ZWEITER ARTIKEL). Kur Charakteristik des 1. Hakkabaerbuches.

1. Makkabäerbuch lässt sich wie das zweite als Epitome eo; es giebt gleichfalls our eine Auswahl der wichtigsten len/) und z. B. lasoo von Kyrene muss viel eingehender iahen. Im übrigen unterscheidet es sich vor allem durch sseren Umfang des historischen Stoffes, der ja bis zum mens reicht. Doch zeigt sich schon bei oberflächlicher UDg, dass die Erzählung sehr ungleich ist, und man darnach ti in zwei annähernd gleiche Hälften theilen kann. Das Qck c. 1 7 läuft dem 2. Hakkabäerbuche parallel und De leidlich ausführliche Geschichte der ersten 8 9 Jahre bung, die letzten acht Capitel umfassen in viel dürftigerer ng 25 Jahre,*) wobei von den syrischen und ägyptischen

fast ebensoviel die Rede ist wie von den Juden. Ausser* halt dieser Theil, was der ersten Hälfte fehlt, nämlich eine iringe Anzahl von Urkunden, zuerst das Bündniss Judas I, Briefwechsel mit Römern und Spartanern, Lehn- und riefe der.'Seleukidischen Fürsten und endlich einen langen chluss der Juden für Simon. Diese Urkunden werden

mitgetheilt, können jedoch^ wie längst erkannt worden it original sein; denn sie reden nicht die Sprache der n und griechischen Kanzleien, sondern sind im Stil des ßllers gehalten. Sie müssen also in dem vorliegenden Wort- mes Werk des Schriftstellers sein, und sind im besten

. Makk. 9, 22.

de Kurze hebt schon die oben S. 26S Â. 1 citirte alte Charakteristik

454 B. MESE

Falle nur dem Sinne nach echl; aber da bei Urkunden die Form eine nicht geringe Bedeutung hat, so ist kein Wunder, daas ihre Echtheit und Beglaubigung ernsten, wohlbegrQndeten Zweifeln aas- geaetzt ist, zumal da auch der Inhalt mancherlei Verdacht erwedtt, und vieles zum Ruhme und Vorlheil des jüdischen Volkes hinio- gesetzt scheint.*) Durch diese Urkunden wird der Raum fOr die Erzählung stark eingeengt, und da zugleich WeitläuftigkriteD, Wiederholungen u. s. w. nicht fehlen, so ist die Erzihlung, wie gesagt, sehr kurz ausgefallen und erreicht nirgendwo auch nr annähernd die Ausführlichkeit , mit der vorher die KriegszOge des Judas geschildert werden. Diese Ungleichheit der beiden TheOe ist auffallend; denn sonst pQegt die Erzählung, je mehr sich der Historiker seiner Zeit nähert, um so ausführlicher zu werden; hier ist es umgekehrt.

Besonders bemerkenswerth ist eine grosse Lücke von 7 Jahrait die zwischen dem Tode des Hohenpriesters Alkimos und der Er- hebung Jonathans, zwischen 160/59 und 153/2 v. Chr. klafft. Nir von einem Ereigniss weiss in all dieser Zeit der Historiker lu be- richten.^ Erst mit der Erhebung Alexander Balas fängt die E^ Zählung wieder an. Was bat sich sonst in den sieben Jahres fe- geben? Wer z. B. versah die Functionen eines HohenpriestersT Darüber schweigt die Ueberlieferung; entweder hat also der Ver- fasser nichts darüber gewusst, oder er hat nichts sagen wolles.

Denn die Möglichkeit des absichtlichen Stillschweigens ist oiebt von der Hand zu weisen, da auch an anderen Stellen dieser Ver- dacht besteht. So sehen wir, dass die Vorgeschichte des Kriegeii die das 2. Makkabäerbuch giebt, fast gänzlich fehlt und auf ein paar allgemeine Sätze zusammengeschrumpft ist, wahrscheinlich mit Bedacht, weil damit für die Juden wenig Ehre einzulegen war.*) Die Hohenpriester lason und Menelaos, von denen besonders der letztere eine sehr einflussreiche Rolle gespielt hat, werden niefflib auch nur genannt, und wenn wir nur das 1. Makkabäerbuch hättea,

1) Den Briefwechsel der Jbden mit den Spartanern tiat schon G. Wens- dorff und vor ihm Joh. Clericus für unecht erklärt. G. Wernsdorf ComiReii- tatio S. 37. 141 ff.

2) 9, 58 fr.

3) Wellhausen Israelitische und jüdische Geschichte 242 3. Aufl. Abf. (feiger Urschrift und Leberseizungen der Bibel S. 215 nimmt an, dass dab« r.ücksicht auf den Priesterstand maassgebend gewesen sei.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 455

10 würden wir nichts ?on ihnen wissen. Dies sind Erscheinungen» die auf eine Tendenz hinweisen ; denn es isi sehr unwahrscheinlich, dass der Verfasser Dinge, die im 2. Hakkabäerbuche ausführlicher dargestellt werden und auch auf spfttere Autoren Obergegangen sind, Dicht gewusst haben sollte. Auch anderswo zeigt sich, dass er sdoe Nation in möglichst ?ort heilhaftem Lichte erscheinen lassen wül und daher das unrühmliche und tadelnswerthe gern Obergeht.

So wird ganz offenbar verschwiegen, dass Jonathan auf Ge- heias des Königs Demelrios II. die Belagerung der Akra in Jeni- ttlem aufgeben musste.^) Ebenso wird c 5, 66 f. eine Schlappe der Juden yerschleiert; besonders deutlich wird es, wenn man die entsprechende Stelle des 2. Makkabfterbuches') vergleicht, wo offen- bar derselbe Vorfall, aber genauer, unter Nennung mehrerer Namen behandelt wird. Auch hier wird die Niederlage nicht eingestanden, Mhimmert aber deutlich durch. Eine Anzahl Juden sind gefallen, oad da stellt sich bei der Bestattung heraus, dass sie heidnische Anoelette am Leibe tragen. Ihr Tod erscheint somit als Strafe der Abgötterei , und Judas trifft sogleich Anstalten, den göttlichen Zorn zu versöhnen. Eis ist wohl möglich, dass im 1. Makkabfier- beche diese Geschichte, die für die religiöse Correctheit der kämpfen- den Juden etwas bedenklich ist, absichtlich ausgelassen worden ist,*} ebenso wie die Erzählung vom Verrath einiger Unterführer und ^^ jüdischen Spion, welche das 2: Hakkabäerbuch unbedenklich iwtlheilt^)

Denn was patriotische Gesinnung anlangt, so ist das 1. Hakka- blerbuch vielleicht noch weiter vorgeschritten als das andere, dessen Piitriotismus zwar laut und aufdringlich, aber harmlos erscheint, 'edenfalls ist im ersten Buche das jüdische Selbstgefühl viel mehr entwickelt; hier steht das jüdische Volk im Mittelpunkt der Welt- feachichte. Schon zu Anfang ist es der Aufstand des Judas, der en Antiochos Epiphanes in den Osten treibt und damit die Ur- icbe seines Unterganges wird; denn da er zur Bezwingung des ufstandes in seinem Säckel nicht Geld genug flndet, muss er über

1) 1. Makk. 11,20. 41 ff.

2) 2. Makk. 12, 32 ff. Denn dass es sich am denselben Vorfall handelt 1. Makk. 5y(>6f, zeigt die gemeinsame Erwähnung Marisas.

3) Dafür erzählt es gleich darnach, dass Judas sich gegen Azotos wandte heidnische Altäre und Götzenbilder zerstörte. 1. Makk. 5, 68.

4) 2. Makk. 10, 19 ff. 13,21.

456 B. NIESE

den Eiiphrat ziehen, neues zu holen.') Nicht nor das 2. Hakkahier- buch weiss hie?on nichts; aus anderen Nachricbteo hOren wir auch, dass die Parther es waren, die den Antiocbos in den Oiteo riefen.') Mit Wohlgefallen berichtet ferner der Schriftsteller « wie auswärtige Volker sich um die Freundschaft der Juden bemflben, nicht nur die syrischen und ägyptischen Kdnige,^ sondern MRh Römer und Spartaner, wie Jonathans Tod in Rom uad bis DMh Sparta hin mit Trauer vernommen ward und man sich beeilte, mit seinem Nachfolger Simon Freundschaft zu schliessen, wie Sinmn Ruhm bis zu den Enden der Erde ▼ordrang/) Kurs alles ist ge> schehen , um einerseits alle Schatten aus der makkabäischen G^ schichte zu entfernen , andererseits diese ganze Zeit in einer Art Verklarung darzustellen. Die Einzeluntersuchung wird noch weitare Beispiele davon zu Tage fördern.

Wenn das 1. HakkabSerbuch manches unerfreuliche und ta- gOnstige verschwiegen hat, so hat es doch daneben auch etw» hinzugethan. Wohl das bemerkenswertheste Stack ist c 2, die An- fHnge des Aufstandes. Es erhob sich, heisst es, Hattathias, Soin des Johannes des Sohnes Simeons, ein Priester aus der FaaiKe Jojarib, mit fünf Söhnen, Johannes, Simon, Judas, Eleazar uid Jonathan. Er wird Führer der gesetzestreuen Juden gegen As- tiochos Epiphanes, aber schon nach einem Jahre stirbt er; nf dem Todtenbette hält er eine Ansprache an seine Sohne. Sinai, sagt er, ist klug und weise im Rath, auf ihn hOrt, er soll eoer Vater sein; Judas ist jung und stark, er sei euer Feldherr. Hier wird also mit deutlichen Worten Simon, der Zweitälteste isd Familienliaupt erklart. Jedoch von einer leitenden, beratheodea Thâtigkeil desselben ist in der Geschichte nicht die leiseste Spar, 1 weder im 1. noch im 2. Makkabäerbuche. Ein und das andere Mal wird Simon wie die anderen Brüder erwähnt, aber das Haapt in Rath und That, der anerkannte Führer ist allein Judas (s. oben S. 305 fr.). Erst viel spater nach Judas' Tode und unter der Priester- schaft Jonathans tritt Simon bedeutender hervor.

Offenbar ist in der Rede des Mattathias Simon vorangestelh, weil von ihm die späteren Hasmonüer, Johannes Hyrkanos und

1) 1. Alakk. 4, 27. Hieron. in Daniel. 8, 9 vol. Ill p. 1105.

2) Tacitus histur. V 8. ;i) 1. Makk. 11, 5 f.

4) 1. Makk. 14, 10. 10 ff.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 457

ine Çobne abstaiDmeD,^ wie dean auch sonst auf Simon und ine Söhne besondere Rücksicht genommen wird.*) Nur Simons iscbiecht hat sich in der Herrschaft behauptet, die Nachkommen r Brüder sind verschollen^ und der Verfasser des 1. Makkabtter^ iches, der ja unter den späteren Hasoionäern schrieb, hat offenbar B.Absicht gehabt, Swons Principat schon durch Mattathias sanc« )Biren zu lassen.

Von besonderem Ipleresse ist die Genealogie, die den Matta* IM so feierlich eii^führt; er ist Sohn des Johannes, Enkel Si- ms, Priester und zwar aus der Ephemeris Jojarib, der ersten id fornebmsten,*) also einer der angesehensten aus den Söhnen irons. Merkwürdig aber, dass in dieser Genealogie der Name l^t, nach dem das ganze Geschlecht heisst, Hasmonai oder Asa- oiiaios. Dadurch weicht die Genealogie stark von Josepbus im ibtm lud.*) ab, wo Mattathias Sohn des Asamonaios genannt fd. Später hat daher Josepbus in den Antiquitätein, wo er das Makkabäerbuch ausschreibt, den Asamonaios eingefügt,') weil er a eigentlichen Eponym des vielgenannten Geschlechtes vergnisste. ich in unseren Tagen hat man ihn vermisst, i. B. Wellhausen V für Simeon Aschmon in den Text setzen,*) was mich wenig ihrscheinlich dünkt« Ich habe vielmehr den Verdacht, dass Asa- Niaios absichtlich unterdrückt worden ist; der Verfasser hat ihn pgelassen, um dafür die prieslerlicbe Abkunft des Mattathias mit icbdruck hervorzuheben. Es ist bekannt, dass das Recht der iMQonäer auf den hohenpriesterlichen Stuhl sehr zweifelhaft r. Schon Jonathan hatte seine Widersacher,^) ebenso Johannes.

1) Richtig hat dies« Tendenz erkannt Abr. Geiger Urschrift S. 206 ff.

2) 1. Makk. 13, 17 ff. wird Simon wegen der Auslieferung der. Söhne laMians bei Gefangennahme des Vaters gerechtfertigt. 14, 25 werden im rendecret für Simon seine Söhne, die damals sich noch nicht hervorgelhan, t einbegriffen.

3) l. Paralip. 24, 7.

4) I 36. Darnach Jobannes Ânt. fr. 58 {fr, hist, gr. IV 558).

5) Ant^, luä* X|I 265 Marrad'ias viàs *I<oaw9v X€m ^fiaœvos tov 'Aoa- ¥aiov. Gewiss hat er nicht das 1. Makkabäerbach in anderem Text vor I gehabt, sondern dasselbe aus seiner eigenen früheren DarsteUung ergänzt,

öfters, s. unten.

6) Israelitische und jüdische Geschichte 253 3. Aufl.

7) 1. Makk. 10,61. 11, 21. 25 erz&hlt, dasa schlechte Menschen ihn bei lemäos VI. und Demetrios II. verklagten.

458 B. NIESE

Hyrkaoos') und noch mehr seine Sohoe; ihr Recht ist immer be- stritten wordeO; und dies hat später der iduroaiscbeD Dynastie éei Antipater und Herodes die Wege ebnen helfen. Da dient nun die prieslerliche Genealogie des 1. Makkabäerbudies daiu« du Anrecht der Nachkommen des Mattalhias aufs unzweifelhafteste iiachxuweiie&. Wie es mit dem Stammvater Asamonflos stand, können wir aidil sagen, da über diesen jede Nachricht fehlt, und wir nnr seinen Namen kennen. Aber es ist wohl möglich, dass dessen prieetar- liehe Abkunft zweifelhaft, sein Stammbaum nicht rein war, oié dass aus diesem Grunde der Schriftsteller es vorzog ihn wegn- lassen. Fügen wir nun hinzu, dass, wie schon gesagt, mit der Vorgeschichte des Krieges auch die Hohenpriester lason und Nea^ laos vollkommen ausgefallen sind; ja selbst Onias, der in anderer Ueberlieferung, z. B. im 2. MakkabSerbuche, als ein Mann eh^«(l^ digsten Andenkens erscheint,*) ist aus dem 1. Hakkabäerbuch fOUif verschwunden und taucht nur einmal in dem Brief an die Spartuer in unbestimmter Ferne auf.') Wohl möglich, dass der Verfasser nil Rücksicht auf die Hasmonfter an die früheren Hohenpriester, dem Nachkommen vielleicht noch lebten, lieber nicht erinnern mocbte. Kehren wir indess zu Mattathias zurück. Von jeher iit ib auffallend bemerkt worden, dass er im 2. Makkabaeri)uche oidit mit einem Wort erwähnt wird. Man wird zunächst denken, der Epitomator habe ihn der Kürze halber übergangen: denn ao eise bOse Absicht wird man nicht leicht denken können; wie soDie wohl ein Schriftsteller, der den Hakkabäos so hoch hält, den Vattf des Helden geflissentlich aus der Geschichte entfernt haben? Al- lein die Sache liegt so, dass im 2. Makkabäerbuch für Hattathiai überhaupt kein Platz ist. Bei dem zweiten Strafgericht, das Ober Jerusalem erging, entfloh nach dieser Erzählung Judas mit wenigen Begleitern in die Einöde und musste hier wie ein wildes Thier sein Leben fristen, dann aber, als die Verfolgung das ganze Las' ergrifl*, machte er sich auf, sammelte Verwandte und Freunde bis zu 6000 Mann um sich und begann der Kampf wider die Doter drücker/) Also von Anfang an, noch ehe der eigentliche AufsUni

1) Josephus BelL lud. I 07. AnL XIII 288 ff.

2) '1, Makk. 3, Ifl. 15, 12 ff.

3) 1. Makk. 12, 7 ff.

4) 2. Makk. 5, 27. 8, Iff. C. 8 schliesst eng an den Schluss von 5 tu, dazwischen ist c. 6 und 7 die Religionsverfolgung mit den Martyrien eingdegt

DIE BEIDEN MARKABÄERBOCHER 459

t, 181 Judas der Führer und nimmt diejenige Stelle ein,

nach dem 1. Makkabäerbuche seinem Vater zukommen ^ auch lason von Kyrene kann nicht anders erzählt haben, ht also fest, dass der ältere Bericht nichts von Hattathias

und da auch sonst im 1. Hakkahäerbuche eine Tendenz ennbar ist, so ist der Gedanke unabweisbar, dass alles was attathias und seinen Thaten übrigens in ganz allgemeinen D erzählt wird,') also der ganze Inhalt von c. 2 , eine ten- le Erdichtung des 1. Hakkabäerbuches ist, deren eigentliche L dahin ging, das Erbrecht Simons und seiner Sohne zu er- Denn wenn schon der Vater legitimer Führer oder Fürst d war, so hat Simon als ältester überlebender Sohn das \ Erbrecht, zumal wenn der sterbende Vater selbst ihn zum

designirt hatte. Ganz anders lag die Sache, wenn, wie es tirheit der Fall war, Judas zuerst das Führeramt an sich lit hatte. Deutlich verräth sich die Absicht an einer spä- »tdle in dem für Simon und seine Sühne bestimmten jüdischen eschluss, wo wohl der Vater erwähnt wird, aber der eigent- leid, Judas nicht.*).

attathias ist also eingefügt worden, um unter Verdrängung titen Ahnen, Asamonäos, die priesterliche Herkunft des Ge- iles nachzuweisen und zugleich die Thronrecbte Simons und Bohne, der späteren Hasmonäer, sicher zu begründen/) Von

Gedanken ist vielleicht auch die Reihenfolge der Sobne des lias beeinflusst worden. Jetzt lautet sie: Johannes, Simon,

Eleazar, Jonathan.") Judas ist darnach jünger als Simon,

Henfeld Geschichte des Volkes Jisrael II 446 vermothet, bei lason «oe sei eine Locke gewesen und desshalb im 2. Makkabäerboche Matta- sgefallen. Aber es fehlt nichts; die Stelle des Mattathias ist besetzt.

1. Makk. 2, 45 f. Von Judas wird gleich darnach ungefähr dasselbe M ff).

1. Makk. 14, 26.

Zweifelhaft kann es dabei sein, ob Mattathias ganz und gar auf Er- bernbt oder nur sein Führeramt. Nicht übel ist die Vermuthung ri, lason Ton Kyrene S. 10, dass Asamonäos der Beiname des Malta- iwesen sei, wofür sich auch ein Zeugniss bei Syncellus p. 543 anführen Preilich Josephus, bei dem Asamonäos Vater des Mattathias ist, spricht igegen, and ich neige mehr zur Ansicht, dass der Vater des Judas und irflder in Wahrheit Asamonäos geheissen habe.

2. Makk. 8, 22 werden die Bruder des Judas in folgender Ordnung ge- Simon, Joseph, Jonathan, Eleazar. Joseph tritt an Stelle des Johannes.

460 B. NIESE

und Jooalhao der allerjüogste. Aber es besteht eioe andere Hieb rieht, dass Judas der älteste war/) und dazu stimmt sehr gM dass Judas in der That, so lange er lebte, anerkannt/es Haapt Familie war; es kann also wohl sein, dass Simon erst nachlrlglir seinen Plats ?or Judas erhalten hat,*) was der Tendenz des Bsdii durchaus entsprechen würde.

Ich gehe jetzt zur Form und Art der Darstellung des !.. Nikh btterbuches über, worin es sich, wie gesagt, vom zweiten m bestimmt unterscheidet, aber auch vielfach mit ihm berührt i tieferem Eindringen erkennt man, dass alles was osan am zw«iti Buche tadelt, wenn auch weniger grell, so doch ähnlich, ja zuweik noch verstärkt im ersten bemerklieb ist« Wenn auch die grob Wunder, insbesondere die Eogelserscheinungen fehlen, so ist #1 des Unglaublichen und Fabelhaften genug übrig geblieben.*) I ist z. B. ein starkes Stück, wenn uns erzählt wird» dass J4Nlialli mit nur zwei Geßihrlen das schon siegreiche feindliche Heer schtas An Uebertreibungen , wie sie am deutlichsten in den ZiSero m zeigen, fehlt es auch nicht; das 1. Hakkabäerbuch giebt dem « deren darin wenig nach.') Die Parteilichkeit und Einseitigkeit i im 1. Makkabäerbuche eher grosser als geringer; denn im zweiti wird doch zuweilen etwas für die Juden nachtbeiliges berichti im ersten dagegen fast gar nichts.') Unzweifelhaft ist ferner, à im Verfasser des 1. Makkabäerbuches gleichzeitig eine starke A torische Ader schlägt. Gern ergeht er sich in Bescbreibuogi

1) Josephus Bell, lud. I 37.

2) Allerdings ist nicht Simon, sondern Johannes im 1. MakJMiicrtiC der älteste; es wäre aber denkbar, dass dieser wenig hervortretende Brad nur zur Verschleierung der Absicht an die Spitze gestellt wire. Da es einer wirklich zuverlässigen Gontrolle fehlt, so wird man in diesesi Pii über mehr oder minder unsichere Vermutbungen nicht binauskommen.

3) Z. B. was man c. 1 zu Anfang über Alexander und die Thettaog i Reiches liest, c. 6 über den Tod des Antiochos, c. 8 über das Wesen waé i Thaten der Römer. WernsdoifT S. 40 ff.

4) 1. Makk. 11,70. Wernsdorff 139.

5) So räckt nach 1. Makk. 4, 2S Lysias mit 60000 Mann zu Fais i 5000 Reitern gegen Jerusalem; nach 7', 46 entkommt von den Leuten Mikai auch nicht einer; nach 11, 44 werden 120000 Antiocbener von 3000 Ja besiegt, und nicht weniger als 100000 fallen; Antiochos Sidetes soll, wie M erzählt wird, bei der Belagerung Doras ein Beer von 128000 Bfaon gel haben, vgl. oben S. 300. Wernsdorff S. 16.

i>) Oben S. 529.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 461

Ausmalungea , Reden und Gebeten, die durchaus den Stempel der Rhetorik tragen ; denn sie sind typisch und ohne individuelles Ge- prige.') In ihrer anspruchsTolien Breite stehen diese Stocke in merklichem Gegensatze zur Kürze, mit der oft die wichtigsten Be- gebenheiten erzählt werden. Von der griechischen Art sind sie ver- schieden durch ihre alttestamentliche Färbung; im übrigen aber lassen sie sich sehr wohl mit dem vergleichen, was man bei rhe- torisch veranlagten Schriftstellern, bei Diodor und anderen häufig trifft

Eigenthûmlich ist dem Verfasser, dass er seine Erzählung ganz in den Formen des alten Testamentes hält oder doch zu halten sich bestrebt, und die Kämpfe der Hasmonäer etwa nach dem Muster der alten israelitischen Kriege erzählt. Das zeigt die Sprache, die durchaus dem Griechisch der Septuaginta nachgebildet ist, das zeigen auch die zahlreichen wörtlichen Anklänge und Ent- lehnungen, die wir finden.') Dem alten Testamente, mit Ein- ichluss des Propheten Daniel, entnimmt er die Beispiele ^ die er in den Reden braucht, was ebenso, aber nicht ausschliesslich in 2. Hakkabäerbuche der Fall ist,*) aber auch Orte und Namen. Nach 3; 46 sammelt Judas sein Heer in Mi^pah; denn dies war, M wird bezeichnend zugesetzt, vor alters eine Stätte der Anbetung. Jonathan lässt sich in Hichmas nieder und beginnt das Volk zu richten: xat (^nrjaev ^Iwya&av iv Maxfidct xal rjg^aTO ïci>-

1) Z. B. 1, 20 ff. die Bedrângniss Israels, 2, 1 ff. die Geschichte des Matta- ^M, 6, 28 ff. BeschreiboDg der feiodlichen Schlachtreihe, vgl. 4, 9 ff. 30 ff. *i»ff:9, Iff. 16, Iff.

2) Z. B. 1. Makk. 5, 46 : ovx f,v itniilvai an avTr^Q Bêiiàv iq açiarê^âr

SQ9 Nom. 22, 26 : sis ôv ovx ijv éxxlivai 8a(iàv ovBè à^ê<nêçav. 5, 4 Stammt

>ssp8. 68, 23. Die Schlussworte (1. Makk. 16, 23) xai hunà rœv lôycÊv

i»wvov xtU xoiv noXifiiov ovtov xai twv âvBQayad'uâv avxoi wv rjyBQa-

yi^9tr xai r^ oixodofiTfÇ %wv TSiX^afv tav tj^uodofatjaev xai jcjv n(^iêmv

tmov i8oi ratera yéy^aTtraê èni ßißXiov ^fUQWv €c^;i;M^aKrv077S avxov ent-

iprechen genao den häufigen Formeln in den Büchern der Könige und Ghro-

oika, I. B. 3. Reg. 16, 20: xai Xomà rmv I6yœp Za/iß^i ual ràç owd-

%pêU avrov as avrfjytav ovx t8ov tavja ysyçafifiéva iv ßißXiqf hdyofv roTr

^fiêçav tœv ßaüeXeofr ^la^affl und mit leichten Variationen an Tielen an*

deren Stellen. Bleeck Einl. in das alte Test. S. 13. Grimm zu 1. Makk. 9, 22

S, 135 f.

3) Vgl. 1. Makk. 2, 51 ff. 4, 9. 30. 7, 41. Aus Daniel stammt auch 1, 54 die Benennung des heidnischen Altars im Tempel als ßOeXvyfta i^fifi(ôuBOÊS. Daniel 11, 31. 12, 11.

Hermes XXXV. 30

462 B. NIESE

ifé^av xçivBiv %ov Xaov, wie eîoer der alten Richter aus der Vku zeit.^) Die Idumfler heissen Söhne Esaus,*) and ein Mann ana den Termutblich arabischen Stamm Ambri oder larobri wird ab eioer der Grossen in Kanaan vorgeruhrt,') Skythopplit ist Baithsaa.^ Die Akra, die syrische Zwingburg in Jerusalem, ial dem Schrift- steller unter diesem Namen wohlbekannt,") xuweilen aber b«it sie auch Stadt Davids/) was sich in den BOchem der Könige aal Chronika Öfters findet, selten in den jOngeren historiacben Sobri^ ten. Tempelberg und Stadt werden Zion genannt,*) mit der b^' kannten poetischen Bezeichnung, die ohne Zweifel fOUig obsokt war und daher in historischen Schriften sonst nicht gebrückt wird.*) Im 2. Makkabäerbuche kommt, obwohl der Verfasser ci an jodischem Eifer nicht fehlen lässt, derartiges nicht Tor. Er giebt die Namen durchweg in der griechischen Form, «gt imMr 'leçoaôkv^a nicht '/e^ovaaAifjti, und mit beachtenswerther Correelr heit Shv^w noXtç nicht Baithsan.*) Ohne Zweifel soll àa

1. Makkabaerbuch den Schriften des alten Testamentes auch Sinkp* lieh gleichgemacht werden. Der Verfiisser trügt lugleich Sorge, dass seine Archaismen auch verstttndlich sind. Dass die Stadt Dinia die Akra bedeuten soll , wird ausdrOcklich erläutert,'®) ebenso «er unter den Söhnen Esaus zu verstehen sei,") und wenn es im Ea- gang des Buches heisst IdXé^cnfdqov xàv OiXirtnov %ov Mona- doVa, og i^fjl^ev Ix yrjç Xérvteift^ so hat er damit den Leier belehrt, wo das Land Kittim zu suchen sei, und kann daher spSer

1) 1. Makk. 0, 73. Vgl. ladic. 3, 10. 4, 4. Aach die Ebene Asor 1. Hakt 11, 67 bedeutet vielleicht eine Remioiscenz an Josua 11, Iff., wo es 4ieReii- denz des Königs Jabin ist.

2) 1. Makk. 5, 3.

3) 9, 37 ivcç rdv fitydJiMv fiêytCTnrofp év Xavaâr.

4) 5, 52. Dagegen heisst es Ptolemak, nicht Âkko.

^) Z. B. Ol ix Tfjcair^«« 1. Makk. 6, 18. oi vUl tf^ç aM^as I. Hakt 4,1

6) 1. Makk. 1, 33. 7, 32. 14, 36.

7) 1. Makk. 4, 30. 5, 54. 6, 48. 62. 7, 33. 10, 11.

8) Worüber die Goncordanzen Ansksnft geben. Zion 6oden sich in 4ei Psalmen and bei den Propheten, auch bei Jesus Sirach 36, 10. 48, 16. 2i

9) Eine Ausnahme bilden nur die durch den hanfigen Gebrauch legi timirten Formen der Sep tu agi n ta: *j4ßqaafi ^htttnu 'latcafl Javi9 .Sttfpaxii^

2. Makk. 1,2. 2, 13. 8, 19. 15,22.

10) 1. Makk. 1, 33: xai ojxoSofir^ca try noXiv Javi8 weixM fuyâXt^ m oxyqot niçy'OiS oxtçoïi nal éyévtro avroU eiç ançav, vgl. 14, 36.

11) 5, 3: Tzoos rots vlois 'llaav èv rfj *I$ov/iaiq,

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCIIER 463

:i Philippos uod Perseus obne ein MissversUfodniss zu befürchten nige der Kitier nennen.') Dass hier benrusste Alterthflmelei vor- gfl, muss um so eher angenommen werden, als er einen guten eil seines Wissens doch aus griechischer Quelle geschöpft haben ISS, und griechischer Einfliiss vielfach durchschimmert. Was zu fang Ober Alexander und seine Nachfolger, ferner c. 8 über Rom d seine Geschichte gesagt wird, beruht in letzter Hand auf grie- 8chen Historien, nicht etwa auf einheimischer Tradition; sonst inte Alexander nicht wohl zwölf Regierungsjahre erhalten,') denn iT die Juden bat er ja nur neun oder zehn Jahre geherrscht.*) ch hat der König seinen richtigen, griechischen Namen ^Aki^ctv 9$ OiXlTtnov Maneiciv oder Maneôoyœv ßaüikevg.*)

Griechische Quellen sind besonders in der zweiten HAlfte des ches wahrscheinlich, wo sich die Erzählung ja grossentheils in ' ägyptischen und syrischen Königsgeschichte bewegt. Sehr be- rkenswerlh ist hier gegen Ende 14, 25 ff. der feierliche jadische Ihsbeschlttss für Simon aus seinem dritten Jahre (172 Sei. «» 1/0 V. Chr.). Dieses Dekret hält man wohl für die Bestallungs- cunde Simons, durch welche ihm Priesteramt und Pürstenthum ertragen ward.*) Aber fon einer Ernennung zum Hohenpriester rch das Volk steht im Décret kein Wort; sie wird vielmehr als lon geschehen Torausgesetzt,*) und war ja auch nach v. 38 und * Torangehenden Erzählung schon zwei Jahre früher, und zwar rch Demetrios II. erfolgt. Es ist Tielmehr ein Ehrendecret, das n Simon aus Dank für seine Verdienste gewidmet worden ist,^) d entspricht am besten den bekannten Ehrendecreten grie- ischer Städte für verdiente Männer, oder auch den ptolemäischen creten von Kanopos und Rosette, iu denen, wie hier, die taten der gefeierten aufgezählt und zuletzt die würdige Auf«

1) 1. Makk. 8, 5.

2) 1, 7.

3) So hat Alexander im Kanon des Ptolemaios fur Babylon our acht Jahre.

4) 1, l. 6, 2.

5) Grioiina Gommenlar S. 212. Ewald Geschichte des Volkes Israel 438 f.

6) V. 41 f., wo man natürlich ot« nicht streichen darf. Vgl. die richtige lerkung Destinons, die Quellen des Flavius Josephaa 86 Anm.

7) 1. Makk. 14, 25 œç da ^xovaiv 6 Bij/tos liov hoywv xoinotv tlnav* t j^efffty anoBàcOftw JSifiafvi ual toU vloU a'èrov urX,

30*

464 B. MESE

stelluog und Bekanntmachung des Beschlusses verfOgt wird.') Solche Ehrendecrete haben dem Verfasser des 1. Hakkabflerbuches vermulhlich an dieser Stelle xum Huster gedient; denn was mio auch über die Echtheit des Inhaltes denken mag, die Form and Fassung rührt unxweifelhaft vom Schriftsteller selbst her. Der Nachdruck , der nicht nur auf den Vater Hattalhias fi&Ut (v. 26. 29), sondern auch auf die Söhne Simons (v. 25. 49), die Nennuog des Berges Zion (v. 27), Ausdrucksweise und Stil, alles entspricht vollkommen der Art des ganzen Buches.') Der Schriftsteller hit offenbar ein griechisches Vorbild in seinen Stil umgesetzt Bit er doch anderswo sogar die amtlichen Titulaturen umgestiltet; denn wenn er 3, 32 sagt: xcri xafiXinsv Avaiav av&çwrcofh' ôo^ov xaî ànb yévovç %^ç ßaaikelac inï vcHv nçayfiâtwv tov ßaailiwg^ so ist dies eine hebraisirende Paraphrase des correcteo Titels, den das 2. Hakkabäerbuch erhalten hat: Avaiag Initfo- nog Tov ßaaikitog xal avyyevrjg mal im %wv nçay/iitm,') wobei jedoch beim Leser das Hiss?erstflndniss geweckt wird, ib wäre Lysias wirklich ein Verwandter des Königshauses gewesen, das in der correcten Fassung für den kundigen Zeitgenossen kiuin aufkommen konnte; denn avyyevijg %ov ßaailewg ,Vetter des Königs* ist nur Titel oder Raugbezeichnung,^) darf aber, um richtig verstanden zu werden, nicht verändert worden. Ich habe aus dieses und ähnlichen Erscheinungen die Ueberzeugung gewonnen, diss die hebraisirende Art des 1. Makkabäerbucbes nicht so sehr laf Unfâbigkeit oder Uokenntniss des Griechischen beruht, soodero ebenfalls der Absicht dient, die Schrift den kanonischen BOchero

1) V^l. die Ehrendecrete für die Redner bei Plutarch vit dêc, orâL p. 850 ff., fur Phaidros CIA. Il 331 Dittenberger sylL P 213, fur IHophaotoi Diitenberger syll. I> 326. Die ptolemâischen Décrète bei Su-ack Dynastie dtf Ptolemäer 227. 211.

2) Die Echtheit der Urkunde wird vielfach in Zweifel gezogen, uo<l nicht ohne Grund. Vgl. Welihausen Israel, und jüd. Gesch. 268. Die log«!)- liehen sachlichen Unrichtigkeiten (Keils Commentar S. 233) fallen Dachmeioef Meinung nicht sehr ins Gewicht, weil es sehr zweifelhaft ist, ob dies wirklich Unrichtigkeiten sind. Aber die im Décret aufgeführten Thalen Simoos komoeB sämmtlich auch in der vorangehenden Erzählung vor, und die Neonong <itf Söhne Simons ist sehr verdächtig. Letzteres kann freilich durch die Stilisiroul . hereingekommen sein, und die Möglichkeit, dass ein Ehreodecret für SiiW» exislirte, iässt sich gewiss nicht in Abrede stellen.

3) 2. Makk. 11, 1.

4j Hierüber hat neuerdings Strack gehandelt, Rhein, Mas. N. F. 56, 1611

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 465

des alten Testamentes möglichst ähnlich zu machen'); dies ist dem Verfasser in der That sehr gut gelungen und hat seinem Buche KU dauerndem Ansehen verhelfen. Die alttestamentliche Färbung pb ihm den ehrwürdigen Charakter unbedingter Zuverlässigkeit, JDd da es zugleich das umfassendere, ausgiebigere Werk war, so ivard ihm unter den MakkabäerbUchern die erste und vornehmste Stelle eingeräumt.

Uns hat sich dagegen aus den dargelegten Gründen ergeben, lass es ein aus zwei ungleichen Theilen zusammengesetztes Buch st, in dem die Tradition durch nationale und antiquarische Ten- lenzen stark bearbeitet vorliegt. Der Verfasser ist ein Freund der )riesterlichen Dynastie der späteren Hasmonäer und ein strenger lann des Gesetzes.'} Er ist dringend verdächtig, vieles absichtlich verschwiegen, geändert oder zugesetzt zu haben. Seine Tendenzen «od dem 2. Makkabäerbuche in manchen Stücken nahe verwandt, ^gleich aber geschickter und gründlicher durchgeführt. Das Werk nacht einen harmonischeren, geschlosseneren Eindruck; die Er- ttluDg giebt ungünstigerer Beurtheilung wenig Raum, während hs 2. Hakkabäerbuch seine Tendenzen zwar offener kundthut, aber oit weniger Ueberlegung durchführt und namentlich die Kunst 'es Verschweigens in geringerem Haasse übt. Wenn wir also im !• Makkabäerbuche eine ältere, vielfach ursprünglichere Erzählung sitzen, so hat doch das erste seine bedeutenden Vorzüge durch lie grössere Umsicht des Schriftstellers, der manche Fehler des weiten zu vermeiden gewusst hat und den dürftigen Auszug des- elbeo vielfach ergänzt und berichtigt. Das erste ist auch nicht iwa vom zweiten abhängig, sondern vertritt eine selbständige Be- rbeitung der Ueberlieferung. Es behält neben dem älteren Bruder einen Werth; nur kann es die erste Stelle nicht mehr behaupten,

1) Man braocht desshalb die Nachricht, wonach das 1. Makkabäerboch Da dem Hebräischen übersetzt sei, noch nicht zu bezweifeln, wie manclie

B. Hengstenberg gethan haben. Aber diese Frage verdient eine gründliche i^teraochong, die eine bessere Eennlniss des alten Testamentes erfordert, als '^ besitze.

2) Als charakteristisch fur das Buch darf hier noch angeführt werden, >M die Zeit der Propheten vorbei ist und gewisse Entscheidungen auf die ikttDft verschoben werden, wenn ein Prophet auftritt. 1. Makk. 4, 46. 9, 27. 1)41. Offenbar denkt sich der Verfasser ähnlich wie Josephus Conl, Ap, I 41 e Prophétie mit Maleachi erloschen^ dem letzten Propheten im Kanon der %en Schriften. Es deutet darauf hin, dass der Kanon schon fertig war.

466 B. NIESE

soDdero muss sich mit der zweiten begoQgeo. Dies wird auch ük Untersuchung einzelner Nachrichten lehren, die im nachfolgeDdefi vorgetragen werden soll.

Der erste Feldzug.

Als Anliochos Epiphanes von den Erfolgen des Judas über Apollonios und Seron hOrt, so erzählt das 1. MakkabSerbuch/) ht- schliesst er den Krieg gegen Judas. Da er jedoch findet, da» seine Kasse fOr ein solches Unternehmen nicht ausreichti zieht er vorerst in die oberen Satrapien, uro seinen Schatz zu fOlleD (t47 Sei. = 166/5 v. Chr.). Als Statthalter bleibt Lysias zurOck, der nun drei Männer, Ptolemäos, den Sohn des Dorymenes, Ni- kanor und Gorgias mit 47000 Mann gegen die Juden aussendet. Aber das syrische Heer wird bei Emmaus geschlagen ; nur Gorgias mit seiner Abtheilung entkommt.*)

Dieser Sieg des Judas wird ebenfalls im 2. Makk. 8, 8 berichteti aber mit bcachtenswerthen Abweichungen. Denn hier geht das Uoter* nehmen von Philippos, dem Befehlshaber in Jerusalem aus. Dieser wendet sich um Hülfe an den Strategen Cölesyriens, Ptolemäos, Sohn des Dorymenes, der Strateg schickt 20000 Mann unter Ni- kanor und Gorgias, die nun von Judas geschlagen werden. Diese Version macht einen guten Eindruck; denn in der That hat lu- nächst der Befehlshaber in Jerusalem für Unterdrückung der Re- bellion zu sorgen, erst als Judas ihm zu mächtig wird, wendet er sich an die nächste Instanz, den Statthalter von Colesyrien. Der könighche Hof in Antiochien wird nicht gleich in Bewegung geseUli während im 1. Makkabäerbuche alles von da ausgeht, wodurch, wie schon bemerkt ist, die bisherigen Erfolge Judas eine fiel grössere Bedeutung erhalten, und dem entspricht, dass auch das syrische Heer mehr als verdoppelt wird. Ptolemäos ist nach dem 2. Makkabäerbuche gar nicht mit ausgezogen« sondern nur Nikaoor und Gorgias, und die Kriegsgeschichte bestätigt es; denn jener wird in keinem Berichte, auch nicht im 1. Makkabäerbuche weiter genannt.

Im übrigen herrscht in beiden Büchern über das Ereigniss

1) 1. Makk. 3, 10 ff. Die ersten Unternehmungen werden 2. Makk. S, 6f.

nur kurz angedeutet.

2) 1. Makk. 3, 3 S il

DIE BEIDEN HAKKABÄERBOCHER 467

le bemerkenswerihe Uebereiusümmung in den Gruodsttgen wie maDcheo Eioielheiteo. Beide heben die sichere Siegeszuversicht r Feinde wie die besorgte Stimmung dar Juden her?or, ihre bete zu Gott, zugleich die damals vorgenommene Eiatheilung d Gliederung des Heeres. Aber die Art» wie dies alles erzählt rd, weicht wieder sehr ab. Nach dem 2. Hakkahäerbuche Ver- sen viele Juden das Heer aus Angst, im ersten entlässt Judas bst alle die, welche nach dem Gesetz vom Kriegsdienst zu be- ien sind.^) Die Eintheilung des Heeres geschieht nach dem MakkabSlerfouche so, dass Judas vier Haufen bildet und über ien einen seiner Brüder setzt, nach dem ersten ernennt er üiarchen, Hekatontarchen, Penlekontarchen und Dekarchen, wie

im alten Testament zuweilen vorkommen,*) Stellt ferner die zirâer vor und erfüllt auch sonst noch allerlei alte gesetzliche brauche. In allen diesen Dingen macht die Version des 2. Hakka- erbucbes einen viel ursprünglicheren Eindruck, während das icre eine theils beschönigende theils antiquarische Bearbeitung rstellt, die vor allem zeigen soll, dass es den Freiheitskämpfern erall vornehmlich auf getreue Erfüllung des Gesetzes ankam;

Auf den Sieg Ober Nikanor folgt im 2. Hakkahäerbuche noch I zweites siegreiches Treffen mit Timotheos und Bakchides, und srauf die Wiedereinnahme Jerusalems. Im 1. Makkabflerbuche lit das eine gänzlich, das zweite, die Besetzung Jerusalems wird It später nach dem ersten Feldzuge des Lysias gesetzt und mit r Einweihung des Tempeb zusammengelegt*) Ueber diesen iterschied der Anordnung später; zunächst ist dne andere Be- irkung zu machen.

Nach dem 1. Hakkahäerbuche wird Jerusalem ohne Wider- nd und Kampf besetzt; nach den Vorstellungen des Verfassers Jerusalem verödet (ao/xijToç), in den Tempelhöfen wächst das IS, und nur in der Akra sitzen die Syrer.^) Hingegen nach n 2. Hakkahäerbuche ist Jerusalem keineswegs ohne Kampf in Hände des Judas gefallen ; ein gewisser Kallisthenes, der früher der Eroberung der Stadt das Thorhaus des Tempels verbrannt

1) 1. Makk. 3, 56. Deuteron. 20, 5 ff. ludic. 7, a.

2) 1. Makk. 3, 54 und dazu die Erklärer.

3) 1. Makk. 4, 36.

4) 1. Makk. 3, 45. 4, 3S.

468 B. NJESE

hatte, fiodet io gerechter Vergeltung den Feuertod^) und spater hören wir voo Vertriebeneo aus Jerusalem, die id xiemlidier An- zahl gewesen sein mOsseo.') Also war Jerusalem Dicht mensdieo- leer, sondern die Parteigänger, vielleicht auch Kolonistea des Au* tiochos wohnten daselbst. Judas hat sieb der Sudt mît Gewill bemächtigt und die Gegner vertrieben* Hiermit ist zu verbipdea die leider sehr kurze Erzählung des Josephus,*) wonach sich Judu; nachdem er den Epiphanes geschlagen, gegen Jeru^lem wendet, die syrische Besatzung aus der oberen Stadt in die uütere, Akra treibt und sich der Stadt bemäcbtigL Dies stimmt mit dem 2. Makkabäerbuche gut Uberein. Dass dabei Jerusalem so leicht und ohne Belagerung gewonnen wird, iat nicht zu verwundern» Aus der Geschichte dieser Zeit gebt hervor, daes die Stadt all solche nur dürftig befestigt und nur die Akra eine wirkliche Festung war. Antiochos wie lason ziehen ziemlich ungehindert in die Stadt ein/)

Der Sieg Ober Timotbeos und Bakchides^) steht mit den DOh gebenden Ereignissen in sehr gutem Zusammenhange. Man bon vermuthen, dass die beiden nach der Niederlage Nikauor« tum Schulze Jerusalems herbeigeeilt waren, und zwar von Osten über den Jordan her, wo Timotbeos heimisch war. Judas schlug sie ebenfalls, machte ansehnliche Beute, nahm mehrere Kasldl« up^I besetzte sie mit eigenen Leuten, und nachdem er sich eines Tbeik der Landschaft also versichert hatte, eroberte er auch Jenisaleni ausser der Burg. Der hier erwähnte Bakchides ist gewiss kein anderer als derjenige, welcher einige Jahre später um 160 T*Cbr* den Hakkabäos schlug und zu Fall hr«cbte/3

Die Kriege des Judas gegen die Nachbarn.

Wenn wir in den HakkabäerbOchern weiter vordriogcu, fällt am meisten und zunächst ein bedeutender Unterschied in

1) 2. Makk. 8, 33. Dies stimmt mi' 4eo bei der Eroberung Jerusalems dorelr vielleicht noch ein Nebengebäode, 2. Makk. 1,8. 1. Makk. 4, 38.

2) 2. Makk. 10, 15.

3) Bell lud, I 39.

4) 2. Makk. 5, 5 ff. lasor

5) 2. Makk. 8, 30. (;) 1. Makk. 9, Iff.

DIE BEIDEN HAKKABÄERBOCHER 469

kenfolge der Begebeoheiteo in die Augen, der sich am leich- en durch folgende Gegenüberstellung klar machen lässt:

1. Makk. c. 4 ff. 2. Makk. c. 8 ff.

[ Ober Gorgias und Nikanor. Sieg über Gorgias und Nikanor. ^eldzug des Lysias. Besetzung Jerusalems,

itiung Jerusalems und Tod des Epiphanes (c. 9).

ligung des Tempels. Reinigung des Tempels (c. 10).

ibarkflmpfe (c. 5). Regierungsantritt Eupators.

des Epiphanes und Nachbarkämpfe,

ierungsanfang Eupators (c. 6). 1. Feldzug des Lysias und Friede

(c. 11). ^eldzug des Lysias mit Eu- Neue Nachbarkampfe (c. 12). itor. 2. Feldzug des Lysias mit Eupator.

de mit den Juden. Friede mit den Juden (c. 13).

e Unterschiede werden wir bei allen nachfolgenden Erörterungen t aus den Augen zu verlieren haben. Zunächst habe ich mich den kleineren Kämpfen zu beschäftigen, die Judas Hakkabäos )n den Hauptactionen mit feindlichen Nachbarn, mit den Feld- Q und Bundesgenossen der syrischen Könige auszufechten hatte.

1. Makkabäerbuch erzählt da?on c. 5 im Anschluss an die derherstellung des Gottesdienstes. Ergrimmt Ober diesen Erfolg ben sich die Heiden ringsum zur Vernichtung der in ihrer Mitte oenden Juden. Aber Makkabäos kommt seinen Stammesgenossen Lig zur Hülfe. Er wendet sich zuerst gegen die Idumäer und Kinder Baian/) geht dann über den Jordan ins Land der Am- iter und gegen Timotheos, erobert Jazer und kehrt wieder ck. Hierauf kommt Nachricht von der Bedrängniss der Tu- er und anderer Juden in Gilead und Galiläa. Während Judas m Bruder Simon nach Galiläa schickt, geht er selber mit Jo- in nach Gilead, schlägt den Timotheos aufs neue, nimmt ?er- idene Städte, darunter Karnaim sammt dem Heiligthum und "on, und kehrt über Skythopolis nach Jerusalem zurück (v. 9 ff.). Beauftragten, die Judas daheim zurückgelassen, haben in seiner esenheit wider Befehl mit Gorgias in Jamneia angebunden und

Niederlage erlitten.') Später geht Judas nochmals nach Idu-

1) 1. Makk. 5, 3. Die Lage dieses Stammes ist unbekanot. Namen 32, 3 t jeaseits des Jordan ein Baian, aber ao unserer Steile scheint die Nach- :hift Idumâas angedeutet zu werden.

2) 1. Makk. 5, 55 ff.

470 B. NIESE

màa, nimmt Hebron, kämpft bei Marisa und unternimmt nleci einen Streifzug nach Azotos (?• 65 ff.)- ^^^ ^^^ ^ud in tiwm Züge zwischen der Tempelweihe (im Kislev 148 Sei. «> December 165 V. Chr.) ') und dem Tode des Antiocho« (149 Sei. 164^ V. Chr.)*) erzählt; es fällt somit alles unter die Regierung da Epiphanes.

Dagegen im 2. Makkabäerbuche werden dieselben Untemk- mungen gleichfalls an die Tempelweihe angeschlosaen , aber ii zwei Gruppen vertheilt; gleich der Tempelweihe fallen sie in ta Zeit Eupators. Der Verlauf ist in KOrze folgender*): Gorgias» te königliche Strateg an der philisiäischen Küste und die Idaoler machen den Juden \iel zu schaffen. Makkabäos fällt in Idomit ein und belagert und erobert mehrere feste Plätze. Von hier vA er gegen Timotheos, der geschlagen und in der Festung Gaan gefangen und getodtet wird/) Judas kehrt siegreich zurück. Hir, folgt nun der erste Angriff des Lysias/) der mit einem FriediB* schluss endigt Aber nur kurz ist der Friede; die Feindidif keiten der Nachbarn, besonders der Joppiten, lassen den Juèi keine Ruhe.*) Judas züchtigt Joppe und Jamneia und wendet éà dann gegen arabische Stämme; die Erzählung ist hier durch Vr kürzung, vielleicht auch durch Verwahrlosung des Textes flchinr entstellt; offenbar handelt es sich um ein Unternehmen im OHr jordanlande. Eine Stadt an einem See wird ferner gewooMii dann den Tubienern zur Hülfe gezogen und Timotheos geschla|«i der Tempel der Atargatis bei Karnion und die Stadt Ephron nr* wüstet. Ueber Skylbopolis kehrt Judas zu Pfingsten nach Jcpi- salem zurück, um bald wieder nach Idumäa zu ziehen« wo er ei bei Marisa mit Gorgias ohne Entscheidung herumschlägt und disB wieder nach Jerusalem geht.

Die beiden Berichte stimmen in den Grundlinien mit einanli überein. In beiden macht ein Zug nach Idumäa den Anfang, <

1) 1. Makk. 4, 52.

2) 1. Makk. 6, 16.

3) 2. Makk. 10, 10 ff.

4) Gazara ist wahrscheinlich identisch mit Jazer. Vgl. Grimm zu 2. Mal 10, 32 (Exeg. Handb. IV 163); denn Timotheos ist im Ostjordanliade heinia Er lebt übrigens nachher wieder auf, oben S. 273 A. 3.

5) 2. Makk. 11, Iff.

6) 2. Makk. 12, Iff.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 471

folgen iwei UnterDehmungeD jenseits des Jordaas, deo Schlug» micht eioe zweite Reihe idumäiscber Kämpfe. Im 1. Makkabäer* boche fehlt der Rachezug gegeu Joppe uod Jamneia/) im zweiten digegen da» Unternehmen gegen Azolos. Auch sonst herrscht im tiDKlnen, in den Ortsnamen u. s. w. eine bemerkenswertbe lieber* •lisliimnung zwischen den beiden Büchern.') Der wesentliche Unter- sehied liegt darin , dass diese Kämpfe, die im 1. Buch in einem Zuge dargestellt werden, im zweiten durch den Angriff des Lysias nd den Friedensscbluss unterbrochen werden. Das 2. Buch ver- thiilt also die Ereignisse auf einen weiteren Zeitraum, und dies m offenbar viel wahrscheinlicher und sachgemässer als jenes; denn es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kampfe, von denen m Übrigens gewiss nur die wichtigeren kennen , sich nicht auf «tmal abgespielt, sondern den ganzen Krieg begleitet haben. Es iit daher wahrscheinlich, dass die Anordnung des 1. Buches auf spä- terer Redaction beruht, durch die eine Reihe gleichartiger Ereig^ litt«, die tu verschiedenen Zeiten geschahen, zusammengelegt ward. Diese Vermutbung wird bestätigt durch die Art, wie diese Kimpfe eingeleitet werden. Es heisst 1. Makk. 5, 1: xot iyiveto in ijnovaay to fi^fj i^vxXo&ev o%t (pnodofirj^ to ^aior ^tt'icior xai ivexaiviodif] to aylaafÀa to tcçotsçov, xal ^yioxhjacep oq>6âça xal eßovksvovTO xov agai to yévoç ^la-- ^ Tovç ovraç h iiéatfi avrwv u. s. w. Die Angriffe auf die "loden werden hervorgerufen durch die Erneuerung des jüdischen (Uttesdienstes ; die Heiden beschliessen jetzt, die bei ihnen wohnen- <ini Juden auszurotten; ihre Feindseligkeit entspringt also dem Uns gegen die jüdische Religion. Hievon ist im 2. Makkabäer- )>ucbe keine Spur'); dagegen erinnert es lebhaft an dasjenige, was ia den Büchern Esra und Neliemia über die Missgunst der Heiden beim Wiederaufbau des Tempels und der Stadtmauern berichtet vird« Offenbar ist die ältere Schrift, und zwar wörtlich benutzt

1) Der verooglöckte Versuch des Joseph ood Azarias aaf Jamoeia (1. Makk. 56 j kaoo schwerlich an dessen Stelle treten.

2) £wald Geschichte des Volkes Israel IV^ 415 Aimi. nimmt au, 2. Makk. ly 10 ff. und 12, 11 ff. seien dieselben Vorginge doppelt erzählt, ebenso wie ch der Angriff des Lysias. Dies Urtheil hält einer genaueren Prüfung nicht ifld« Das 1. Makkabäerbuch kennt ebenso wie das zweite einen doppelten igriff des Lysias.

3) 2. Makk. 10, 4.

472 B. NIESE

wordeo,*) uod dadurch auch die Anordnung im 1. Makkabaerbucbe beeinflusst. Der Schriftsteller hat alle Nachbarkriege susammei»- gefasst, um aie nach dem Muster Nehemias an die Wiederherstelluog des Gottesdienstes anzuknüpfen, wodurch nun alles io fiel höherem Grade den Charakter eines Religionskrieges erhalten hat, als es im Alteren Bericht des 2. Hakkabflerbuches der Fall ist; aocb hierin wird dieses letztere die ursprüngliche Ueberliefening besser wiedergeben.

Von Anfang an ist die makkabSische Erhebung von Raub ood PlQnderung begleitet « die weit ins Land hinausging und natflrlieb viele Klagen erzeugte « Hass gegen die Juden erweckte^ und lor Vergeltung einlud. Von welcher Seite der Anfang gemacht ward, ist schwerlich zu ermitteln; gewiss hatten auch die Juden n leiden,*) wenn auch dies in unseren Berichten wenig henrortritt Auf jeden Fall sehen wir, dass Judas Hakkabaos und seine Ge- nossen sich nicht auf die Abwehr beschränkten, sondern offensiv Yorgingen. Es ist höchst wahrscheinlich, dass sich von Anfang an waffengeQbte Rfluber und Freibeuter um Makkabflos und seine Brüder sammelten und den Kern seiner Schaaren bildeten, Lente» bei denen religiöser Eifer sich mit Raublust verband. Ueberdies waren die PlOnderungzüge im gewissen Sinne wohl unentbehrlich für die Unterhaltung der Aufständischen, die als Verbannte und Geächtete in den Bergen und der Wildniss lebten und gewiss nicbt selten Mangel litten.^)

Von diesen Zügen, bei denen wacker geraubt, gesengt und gemordet ward, erzählt das 2. Makkabäerbuch mit einer naives Freude. Schon in der Inhaltsübersicht wird die Plünderung

1) Nehem. 4, 1 xal iydvajo r,vixa r/MOvaa ^vaßaXXax or* r^fMß 0** xoSofiOVfiÊP TO 'reîxoSy Kcd novriçov avr^ ètpâvri xal œçyiadij inl noJi» ood fast mit denselben Worten v. 7, vgl. Esra 4, 1.

2) Vgl. Strabo XVI 761 oi ftèv yàç à^tarâfiavoê r^v x^for hiiitetr xai avTTfV xai t^v yetTviwaav ^ oi av/inçàiioviêS roïs cr^;|rava« iMt^f na^or àkkorçia xai tt;s ^vçiae xaTsarçé^orro xal rijs <PotviK^ç Ttoli^i was übrigens hauptsächlich auf die spätere Zeit geht, wo die Riobereieo der Juden eine wahre Landplage wurden. Slrabo XVI 763. Diodor XL 2. InstiD XL 2, 4. Aber auch in der makkabâischen Zeit war es nicht anders. Vgl die Klagen des Antiochos Sideles 1. Makk. 15, 29.

3) Wie z. B. aus 1. Makk. 5, 4 und 2. Makk. 32 hervorgeht, wo Leute erwiilmt worden, die den Juden viel übles gethan hatten.

4) 2. Makk. 5, 27.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 473

les ganzen Landes unter die Ruhmesthaten des Judas gerechnet*) lod ebenso nachher erzählt, wie Judas mit seinen Leuten Städte jnd Dörfer Qberfiel und anzündete und besonders im Dunkel 1er Nacht seine Anschläge ins Werk zu setzen pQegte.') Seine »pateren Zöge sind yon gewaltigem Blutvergiessen begleitet*) Dies ritt im 1. Makkabäerbuche viel weniger hervor; es wird mit Sorg- alt berforgehoben, dass Judas nur dem Glauben und den Gesetzen lieot. Die PlttnderungzUge werden dargestellt als unternommen ediglich zur Verlheidigung , zum Schutze bedrängter Landsleute, or Vergeltung früherer Unbill,^) oder zur Bezwingung böswilliger Verstocktheit, wobei es zugleich nicht an alttestamentlichen An- Jlogen fehlt*) Dass dabei fiel Blut floss, wird nicht verschwiegen, ber wiederum nach alttestamentlichem Vorbild ausdrücklich gesagt, ais nur die Männer gemordet wurden.*) Alles dieses macht den aodruck einer gewissen Beschönigung. Das 1. Makkabäerbuch rill die schonungslose Kriegführung der Juden in milderem Lichte ncheinen lassen und zeigen, dass nur soviel geschehen sei, als or Vertheidigung nothwendig und nach den Vorschriften der hei- igen Bücher erlaubt gewesen.

Die Tempelreinigung und Benachbartes.

Die abweichende Reihenfolge der Ereignisse, die oben kurz lirgestellt wurde, geht in der Hauptsache darauf zurück, dass nteos, wovon soeben gehandelt ward, die kleineren Kriegzüge im

1) 2. Makk. 2, 21 &crB r^ okriv xfôgnv oliyovs ovtaß XnjXarslv nai A ßigßaga nli^&tj duuxêiv,

2) 2. Makk. 8, 5 ff.

3) 2. Makk. 12, 16 âfiv^^rovç inotr^aarro ag>aya9y vgl. v. 26.

4) 1. Makk. 3, Iff. 5, Iff. 9ff. 25 ff.

5) Hierher gehört die Ersturmoog der Stadl Ephron. Nach 1. Makk. 6, 46 91188 Judas auf der Heimkehr hindurch, es giebt keinen Weg daneben; oIh 9 ixxiZvcu an* alrr^ç da^iàv rj àçiCTaQdv heîsst es mit den Worten der «pluaginta Num. 22, 26 (vgl. S. 461 A. 2). Aber die Bürger verweigern ihm tn friedlichen Durchzug und so bieibl nur Gewalt Qbrig. Judas verfährt coioach mit der Stadt gerade so wie Moses mit Sihon, dem Könige der Amo- ier Num. 21, 21 ff. Im 2. Makk. 12, 27, wo Ephrons Eroberung auch er- ihnt wird, steht von alledem nichts zu lesen. Bedenken erweckt auch die -zihlang 1. Makk. 5, 23. 45, dass alle Juden aus Gilead und Galilfia mit Kind id Kegel mitgenommen worden seien. Dies dient dazu, den Nothstand recht atlich za machen, ist aber gewiss nur zum Theil richtig.

6) 1. Makk. 5, 28. 51.

474 B. NIESE

1. Makkabäerbuche in eins zusammeDgelegt wurden, zweitem der Tod des AnUochos Epiphanes im 1. Buch etwa ein Jahr spKcr ßlllt als im anderen, drittens der erste Angriff des Lysias um Hwi ebensoviel früher gesetzt wird, also diese beiden Ereignisse, der Tod des Antiochos und das Unternehmen des Lysias in den beidei MakkabäerbQcbern ungefähr den Platz getauscht haben.

Wenn wir uns nun die Aufgabe stellen, zwischen den beidei Darstellungen zn wtthlen, so wird vor allem zu unterssehen m^ wann Epiphanes starb. Hierüber wird demgeroäss unten zu huMi sein; doch möchte ich schon jetzt und vorweg bemerken, daesii Anordnung des 1. Makkabäerbuches, da sie in Einem Punkte wsiii begründeten Verdacht erweckt, auch im übrigen nicht mehr ab maassgebend gelten kann. Der Schriftsteller kann auch hier ii überlieferte Folge absichtlich gelindert haben. Im 2. Makkabflerbad» wird der jüdische Gottesdienst erst nach dem Tode des AntioMioi Epiphanes wieder eingerichtet , der in seinen letzten Tagen dei Juden Freiheit und hohe Ehren versprochen haben soll. In soltkcB Zusammenhange kann die Wiederherstellung des Gottesdienstes leidil als Wirkung der Bewilligungen des Epiphanes erscheinen; es wH nicht ausgesprochen, aber die Folge der Erzählung legt es osbe, während bei der Anordnung des 1. Makkabäerbuches dieser G^ danke nicht aufkommen kann, sondern die Wiedergewinnung des Heiiigthumes in unzweifelhafter Weise eigenes Werk des HakkabI* ist. Vielleicht könnte also, um dies zu erreichen, die überiieferti Ordnung im 1. Makkabäerbuche geändert sein. Wahrscheinlich lei* lete ihn aber noch mehr ein anderer Umstand. Nach dem 2. Makka- bäerbuche sind die Besetzung Jerusalems und die Reinigung des Tempels zwei getrennte Handlungen; der Tod des Antiochos liegt zwischen ihnen. Judas feiert erst in Jerusalem ein Siegeifesi;') dann erst, nach dem Tode des Antiochos schreitet er zur neoen Tempelweihe. Dies war vermuthlicli dem Verfasser des 1. Halb- bäerbuches anstössig; bei ihm steht der Gottesdienst, der Tempei« das Gesetz im Mittelpunkt der Darstellung; es schien ihm uner* träglich, dass Judas eine Zeillang in Jerusalem gewesen sei oi' Siegesfeste begangen habe, ehe der Tempel wieder hergerichtet war. Er legte daher die Besetzung Jerusalems und die Wiede^ einrichtung des Gottesdienstes zu einer Handlung zusammen, "^

I) tTuvixia 2. Makk. 8, 33.

DIE BEIDEN HAKKABÄERBCCHER 475

idurch geschah, dàss der Tod des Epipbanes auf einen späteren '«Dkt verlegt ward. Eine solche Umstellung wflrde den priester^ ichen Tendenxen des 1. Makkahflerbuches vollkommen entsprechen.

Auch hier macht das 2. MakkabSerbuch an sich den Eindruck les ursprtinglicheren , unbefangeneren Berichtes, an den wir uns nlten mQssen. Dbss zwischen der Einnahme Jerusalems und der Fempelweibe einige Zeit liegt, dass Judas nicht sogleich daran hfihte oder im Stande war, den Tempel zum dauernden Gebrauch miurichten, ist ganz natürlich; schon die Existenz der syrischen ientzung auf der Burg zeigt, welche Schwierigkeiten hier be- Inden. Es ist möglich, dass erst der Tod des Antiochos für Uas der Afilass war, den weiteren Schritt zu thun und den iottesdienst wieder einzurichten.^

Der Bericht Ober die Reinigung und Einwdhung des Tempels Hitet in den beiden Bachern in der Hauptsache übereinstimmend,*) kr jeder zeigt wiederum charakteristische Eigenheiten. Im 1. Hak- ibierbuche wird der Zustand der Verwüstung und später der Akt isr Reinigung wortreich und mit einer gewissen Inbrunst ge- ekildert; es soll ersichtlich gezeigt werden, dass alles nach dem ■iietz und in rechter Weise geschehen ist. Das zweite ist darin ill kurzer, fügt aber andere Notizen hinzu. Von besonderem Inter- ne ist darunter, dass die Reinigung nicht nur den Tempel und liiien Bezirk angeht, sondern die ganze Stadt umfasst, wo auf in Harkt und anderswo heidnische Altäre und andere Heilig- hiaier niedergerissen werden.') Das 1. Makkabäerbuch hat nichts isîon erzählt, vielleicht weil es der vom Verfasser beliebten Vor-

1) Dies ist freilich sehr onsieher, da wir nicht wissen, ob die parallele ^hng des 2. MakkabSerbaches die Zeitfolge genao ianebält und nicht Jchaehr nur eine nngelahre Gleichzeitigkeit der Ereignisse andeutet Da «r Anfang Eapators, der doch mit dem Tode des Epiphanes zusammenfallt, nt nach der Tempelweihe berichtet wird, so ist vielleicht anzunehmen, ^ die Todesnachricht erst etwas spater eintraf. Dass Antiochos wirklich ie Absicht gehabt hat, mit den Juden Frieden zu machen, lässt sich aus m 2. Makkabäerbuch schwerlich entnehmen. An sich würde es weder dem ibankter noch der Politik des Antiochos widersprechen, der durchaus kein Istdfirstiger Tyrann war, aber der Bericht des 2. Makkabaerbuches ist zu ihr Ton erbaulicher Rhetorik überwuchert und erlaubt in dieser Richtung Efaie Schlüsse.

2) 1. M«kk. A, 36. 2. Makk. 10, 1 ff.

3) 2. Makk. 10, 2.

476 B. NIESE

Stellung eoUpricht, dass Jerusalem zur Zeit fler Entweihuag y ^g, ödet und menschenleer gewesen wäre*); denn es geht daraus her»-4>|. dass die Stadt bewohnt und eine Zeitlang auf dem besten VT^^^ war, heidnisch und hellenisch zu werden.

i

Die Urkunden im 2. Makkabflerbuche and die Friedensverhandlungen.

Schon mehrmals sind die FeldzQge des Lysias erwähnt worden, deren jedes der Makkabäerbücher zwei kennt.*) Beidemale versucht Lysias von Süden her, aber Bethsura, Jerusalem zu erreichen; zuerst gelingt es nicht, als er aber zum zweiten Male mit grosserer Macht und in Begleitung des Königs den Angriff erneuert, bat er besseren Erfolg. Soweit stimmen beide Erzählungen Oberdo. Sonst gehen sie in zwei Hauptstücken stark auseinander; luerst in der Zeitfolge; denn im 1. Makkabäerbuche gehört der eine Zog noch unter Antiochos Epiphanes, der andere unter Eupator, wahrend im 2. Buch beide in die Zeit Eupators fallen. Zweitens fOhn im 1. Makkabäerbuch nur der zweite Zug zu einem Friedenschlosse, während im anderen Berichte beide in ein friedliches AbkomDiefl ausgehen, und zwar wird dieses an zweiter Stelle*) nur ganz flochtig erwähnt, dagegen früher, wo das 1. Makkabäerbuch überhaupt nichts von Unterhandlungen weiss, ausführlicher erzählt, unter Bei- fügung der zugehörigen Schreiben des Lysias, des Königs und einer römischen Gesandtschaft. Mit dieser Unterhandlung und diesen vi^ Schreiben, den einzigen urkundlichen Beilagen, die sich im 2. Makka- bäerbuche ûnden, werden wir uns jetzt zu beschäftigen haben.

Lysias versucht also von Süden her durch Idumäa in Jüdäa einzudringen und greift Bethsura an, erleidet aber eine Niederlage und entschliesst sieb nun zu Unterhandlungen, auf welche die Auf' ständigen eingehen. Judas reicht dem Lysias seine Forderungen schriftlich ein; sie gehen von hier an den König, von dem ai^ genehmigt werden/) Zum Beleg dafür werden die nachstehendeO vier Briefe mitgetheilt (v. IßfiT.):

1) Oben S. 463.

2) 1. Makk. 4, 28 ff. 6, 28 ft'. 2. Makk. 11 und 13.

3) 2. Makk. 13, 23.

4) 2. Makk. 11, 15: énévêvatv de 6 Maxxaßaloe inl naatp oh 6 Av- alas naçexdXei rov avfiféçovxoi tpQOvxil^mv' oca yàç o MoHxaßalos èf*- dcDxev T^ ydvaiq 8ià yçajiTwv Tteçi tclv *IovBaiœv avvBxtû^aw 6 ßacdtv^

DIE BEIDEN HAKKABÄERBOCHEU ÀTt

r^aav yàç al yêyçafÀfÀévai tolç ^lovdaloiç iniutolùl itaQà ^ïv Avalov ftêçiéxovoai viv tgonov tovtoV^

Avaiaç ztp nXrj&ët tdiv ^tovdaUav x^^Ç^^^^ *twùvvfjç xcrl 'Aßioaaldt^ ol nêfÀq)&évtBç fcaç* vfÂWp iniôofreç tov irto^ ytyQafifxévop^) xçrnÂatiaiÂOv rj^lovv TteQÏ vwv ôt txbxov ari" \iuntofiévwv. oaa ftiv ovv eêec xal r(p ßaatkel nçooêfex^^ »öl duaafprjaa,*) a d' ^v ivaixof^^va avifex(jiQtJ0a.^) èàt fikv ovf avvTfjQrjarjte tf^v elç tct nçdyfÀaia evpoiav, xaï elç to komov fiêt(fàaofiac Ttaqaitioq àya&wv yevéa&aiy vnkç de w*) xorà: iUqoç ivrétaX^ai %ovvoiç te xal totç naç* ifiov itaUx^rjvai vfdîv. ïçQùta^B. hovç ixatoatov teaaaQaxoatov oyôoov Aioaxoçiv&lov têtgaôi nal eUaôi.

%r ôk tov ßaoiXiwg èmatolrj nëçtBÎx^y ovttaç' Baailêvç Aftioxoç t(p adeig)^ jivolq x^içeir' to€ natçoç fiiim eiç ^ifç fAStaatàvtoç ßovXoßetoi*) tovç ix trjg ßaciXelag itœ- fixovç ovtaç yevia&at nqbç tfj tdhf lôliov im^elelif,*) axij- witiç tovç *lovàalovç iiii avvevdoxovvtaç tfj toi nctfQèç ini"^ ta 'Eiltivixà ^letad'iaei, alla, t^v iavttôv*) àytoy^^v ^Iqnl^ovtaç a^iovv*) avyxofçrj&^vac avtoîç ta vofÂifÀO, al- [ tovfiëvot xai tovto to i&voç ixtoç taçax^ç thaï xçlvofiev ^otB Isçàv anoxataata&^yai avtoîç xa\ rtolitevea^ai xatà ta im ttav ftçoyôvwv avtwv ï-^rj. sv oUv tcoh^obiç diansfÀ- ^àfiêvoç rcqbç aitovç xaï ôovç de^iàç, onwç eldotBç trjv ^jU€- téçttv TtQoalçeaiv Bv^fioi tB waiv xaï ^déœç diaylvœvtai fCQOç tfj twp lôlœv avtikijil^Bi.

IIqoç ôk to l^oç 17 tov ßaaikitog iniatoX^ toiaÔB ^v BaaikBvç ^Avtioxoç tfj yBçovaitjç ttLv 'lovdaiwy xaï toîç ai- ioiç 'lovôaiotç ^^/^«iv. bi ÎQQwa&By BÎt] av ßovlofAB&a, xai avtoi âh vyiaivofÀBV. èvBq>dviOBv ^fiîv MBvékaoç ßovXB-

1) éniy9yfaftf»éwov eod. Venetus. anoyty^aftftdfß^p ood. 74.

2) Bfaatpfitta» cod. Oxon. (62).

3) 4wêxœ0i0à\ Oxon. ftvrtx(Â(^9v Alex. Ven. u. t.

4) Tœv] tovttav cod. Alex. u. a. tovrœv nal %m¥ Yen. il t.

5) ßovXofiirov cod. Alex.

6) nçoe Ttjv tojv ^Iov8aitov iynfitUav Alex.

7) ëU Alex.

8) àlXk Tfjp éavTÔûv] ite 8i rrjv éavrôiv Oxon. a. a.

9) aitavv\ àiêovvrêi Yen. ntd Sià rovro dfiovrrctc volgo. et prop^ t^rea postulare Latinus.

HennM XXXY. 31

478 B. NIESE

ad^ai xateld'ovtaç vfiàç ylvea&ai nçoç toIç Idioig. tolç <^ xa%anoçevofÀévocg fieXQt TQiaxàdoç Sov&ixov vnàç^ei^) is^^ia, fxërà ndar]ç*) âôslaç x^^a^crt*) ToifÇ *Iovdaiavç toîç kfxvxm [ôanavijfiaai xaiy) vofÂOiç xad^à xal ro tiqoibqov^ xai ovêeig avrdiv xot' ovôéva zçônov naçêvoxi'Tjd'i^aeTai Tceçl tw rjpO' r]fÀivwv. 7ténofÀg)a dk xal vov MeveXaov TtaçaxaXiaovta vfiàg' ^Qçwad^e. ^ovç éxaroarov xal TBaaaqaxoarov xal oyôiov Sav^ixov nifÀmj] xal ÔBxàif].

^uBiÂipav dk xal ol 'PwfÀaîoi nçoç avtovg iniatoXfi^ neçiéxovoav') ovtùjç' Koivrog Mé^fiiog Tizog Màviog^ nqttf^ ßeVTal 'PtûfÀalùJv T(p *lovàaLiav nXrid'Bi^ xalq^iv, vnhç fif^ ^vaUxg 6 avyyevrjç %ov ßaaikiwg ovvexfifQfjoep vfilv xal ^lUt^ avvBvèoxoviiBv y a ôk ïxqivbv nQoaavBvex^rjvai t(p ßaaiXei TcefAifjoti Tiva nagaxQrjfÀa incaxBipoiÀBVov*) ubqI Tov%(aVf îr' ix&wfÀBv^) tic xa^ixBt lyfiîs^*^* fifÀBÎg yàç nçoàyofÂBV^^) n^ç ^Av%iôxBtav, âto anBvaa%B xal Tcé(i\pa%é ripaç, onwç lurl rilÂBîg kniyvfSiABVy inl noiag^^ lath yvcifÂfjg. vyiaivetB. ïtovç ixatoaxov xal TBOGaçaxoarov xal oyôoov Eavd'ixov fiBrre- xaidBxàtj].^')

Da im 1. Makkabäerbucb von diesen Verhandlungen keine Spur i8t| 80 wird die Glaubwürdigkeit der Nachricht und somit aucfa die Echtheit der Urkunden stark angefochten. Die meisten onserer Gelehrten, wenn wir von den katholischen Interpreten abseheo, halten sie für gefälscht *^) und geben höchstens einige echte Ele-

1) vnaQ^êi n^ortcov] damns dextras seeurilatU, ut ludaei tUantur cibU et legibus suis sicut et prius Latious.

2) juerà naarje] Oxon. fisrà t^6 Yen. Alex, volgo.

3) ;c^a^a*] xÇV^^^^ ^^ Oxon.

4) Betnavrifiaai feai fehlt im Oxon.

5) l';^ovaa»' Alex.

6) Mavioç] Alex, und die meisten Hdschr. MàvXioç volgo Môpos'St v$oi Yen.

7) T(ô 'lovSaicjv nXrj&ei] Yen. tip Bi^fitp rœv ^lovBalœv Alex, o.««

8) è7têax8xpa/ievo& Alex. Latin.

9) ixoffitev Alex. Der Archetypes hatte vielleicht éxâ'œftav,

10) vfiXr Alex. Lat. u. a.

11) nçocâyofisv Alex. Yen. u. a.

12) ènl noias] onoias Alex.

13) nsvTBxatSsxâxT-] nivraxaiSexdrij Bioaxoçidov Yen.

14) Auch Grimm Exeget. Handbuch IV 172 f.

DIE BEIDElN MAKKABÄERBÜCHER 479

nente zu, andere, wie Bertheau und Keil/) auch Clinton') und j. F. Unger*) geben die Echtheit der Schreiben zu, nehmen aber Dach Anleitung des 1. Makkabäerbuches an, dass sie den Verhand- luDgeo nach dem zweiten Zuge des Lysias angehören und hier falsch eingereiht seien. Diese Vermuthung scheint ja recht ein- leuchtend, ist aber in Wahrheit nicht sehr wahrscheinlich. Denn das 2. Mnkkahäerbuch kennt ja auch den Frieden nach dem zweiten Ijalanischen Feldzuge; wie kam also lason oder der Epitomator zu der Umstellung? Wenn man annimmt, dass ihm diese Briefe irgend- wie in die Hände gefallen und nun irrthümlich statt in die zweite in die erste Verhandlung eingelegt seien, so setzt man dabei doch eine zweimalige Verhandlung als überliefert foraus. Da ferner die Briefe datirt sind, so muss man glauben, dass die Daten ent- weder eigenmächtig hinzugesetzt oder die yorhandenen richtigeren geändert worden seien, alles Dinge, die nicht so leicht zu glauben sind, zumal da auch die Situation bei dem zweiten Feldzuge durch die persönliche Anwesenheit des Königs wesentlich anders war/) Insofern haben diejenigen, welche Nachricht und Briefe kurz- weg fQr unecht erklären, leichteres Spiel, aber sie behaupten zu- gleich etwas, was bei der Beschaffenheit der Urkunden unglaublich i^t Wer etwas von Polybios, wer einige Inschriften und Urkunden 'er hellenistischen Zeit gelesen hat, wird urtheilen müssen, dass ^om formellen Standpunkt aus gegen die Echtheit der Schreiben Dichls einzuwenden ist. So schrieb man damals überall. Hier iegt also die Sache ganz anders als bei den Urkunden im 1. Mak- {^bäerbuche. Aber auch der Inhalt ist ganz uuTerdächtig; es sind 'infache geschäftliche Schreiben, in denen bestimmte Abmachungen <irz getroffen werden, tadellose Schriftstücke, die nur durch die '<!hu]d des Epitomators oder die Ungunst der Ueberlieferung einigen <^haden gelitten haben. Es fehlt jede Rhetorik; kein Wort wird ^^a zum besonderen Ruhme der Juden gesagt. Wir haben es ^ch mit einem Schriftsteller vom allergröbsten jüdischen Patriotismus ^ thun; halte er also gefälscht, so würde er seiner Tendenz gemäss 'fälscht haben.

1) Commentar über die Bücher der Makkah. 389 f., wo im übrigen haupt- schlich Grimm benutzt ist.

2) Foiti Hell. Ill 373 f.

3) SitzDDgsberichle der xMuncb. Akad. Philo!, philos, hist. G). 1S95 S. 2S1 ff.

4) Grimm a. a. 0. S. 173.

31*

4S0 B. NIESE

Auch hier ist ferner das Verdammungsurlbeil nichl frei ^^^^ starken MissverstflndDissen. Ich will eins erwflhaeil: Im Bfiefe des Königs an die Gerusia (3) ist von katèl^oifteç, xatafsofeif 6f4€voi die Rede. Dies setxt nach Grimiii und Keil eine Be- lagern ug Jerusalems Yordus; die Belagerten sollen herabkooBeo und Begnadigung erhalten. Da nan nicht im ersten, wob! aker im zweiten Feldzuge des Lysias Jerusalem belagert Ward*, so isU daraus folgen« dass die Urkunde nicht an die Stelle gebort, wo sie gesetzt wird.*) Aber es ist wohlbekannt, dase xatëMtlf^ xââodoç und synonyme Worte die ROckkebr Verbannter, die Heimkehr Vertriebener im eigentlichen Sinne bedeuten uod in keiner Weise auf eine Belagerung scbliessen lassen. Auf Belagerte angewendet würden jene Ausdrücke unpassend oder wenigsleat missversUfndlich sein. Auch andere Gründe der Uneebtheit sind wenig überzeugend.*) Ueberhaupt würde die Sache wohl anders behandelt worden sein, wenn man nicht von vornbertiD die Autorität des 1. Makkabäerbuches als massgebend anerkannt bitte. Ich glaube genügend gezeigt zu haben, dass diese Meinung nicht bestehen kann, will daher hier nur noch aussprechen, dass gegeo die Echtheit der Briefe in Wahrheit nichts stichhaltiges angelUirt worden ist, und gehe jetzt dazu über, einige Beiträge zu ibno Verständniss zu geben, das, soviel ich weiss, noch zu wünscbeo übrig lässL

Die Briefe 1 3 scbliessen sich so genau wie möglich lo den Bericht über die Verhandlungen an.') Judas MakkabSos bK seine Forderungen schriftlich vorgelegt, Lysias befürwortet sie, der König nimmt sie an. Dass der KOnig noch ein Kind ist, nudit keinen Unterschied; von ihm gebt gleichwohl alles aus, wenn ittch andere für ihn handeln. Auch Lysias ist nicht allein competent; er ist wohl Vormund, aber nicht Regent in unserm Sinne. Daher geht die Sache von ihm an den Hof nach Antiochien, wo iff

1) Aehnlich schon WernsdorfT S. 102.

2) Z. ß. die angeblich römische Grussformel aÜQQaa^e, attj ây tis f09- kofied'a xtX. aus den etwa gleichzeitigen pergameniscben Schreiben (ArchIoL epigr. Mittheil, aus Oesterreich VIII 95 fr.), dem Brief des Aotiochos VIII (lies. Ztschr. XXIX 436) crgiebt sich zur Genüge, dass diese Formel TÎelnM^ ursprünglich hellenistisch ist. Sie findet sich ebenso im Afisteasbriefe und nn 3. Makkabäerbuche, die beide römische Einflüsse nichl erfahren haben.

3) 2. Makk. 11, 15.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 481

LO^igi d. h. der Staauratbi*) ai# zu genehmig^m bat. D«r m Hryten Brief erwähnte xQ^ß^'^^^^^Q î^ ^>Q ScbrifUtQck des Ju4m; !s wird der AQtwort des Lyslas beigefagt, v7€oy9yQa(4ß4vog*) abçr 1^ Sistoriker hat es nicht mitgetheiltf weil sieb der Inbalt aas den oichfolgendeo Bewilligungen des Koqigi ergiebt, f^ur ejp gerJDgfDgiger Unterschied scheint zu besteben; Q^cb d^in J, Briefe hit Judas die Verhandlungen eipgeleitet, «ach der Erzählung*) Lysi^n. Das vereipigt sich ohne Schwierigkeit; Lfsiffs k^pp j|i U9ter der Qend vorher angefragt haben. In der That war bei der dim^iligen höchst pnsicheren Lage, wq der KropprJitepdept D^ip^ trios in Rom sass pnd our apf ejpe Gelegephei^ wartete, ppd bei der dadurch bedingten SchwCfcbe der Regierupg für I<»ysias der Frii^e sehr wünschepswertb.^) Uebrigeps ist nicht l^u verge^eep« dsss die Emählupg des 2. Makkabäerbuches fpr die Judep sehr (Qnstig lautet; der Sieg ist oflfepbar stark aufgebläht; paçh d#m t* HakkabSerbuche/) das hier ergfinzepd eintritt, ist er schon Hinder glänzend, wahrscheinlich hapdelt es sich um eipen ver<- kdtDiismässig unbedeutenden Erfolg. Judas bat dai Spiel noch siebt gewonnen; immer aase ibm die syrische Besatzppg der B^rg in Jerusalem auf dem Nacken, upd ohpe Zweifel war auch für ibp ead seine Freupde ein friedliches Abkommen auf ertr<|gliçhe Be» diagungen höchst erwapscht, besonders für dep friedlichen Theil teioer Anhanger, der nur durch die Noth zum Aufstande getrieben ^r. Der Friedensschluss entsprach also den Interessen beider Theile.

Die beidep Briefe, die ap die Juden gerichtet sipd, I und lUt >ei|^D einen bem^kenswerthen Unterschied ip den Adressep; der dfS Lysias ist an das nlfj'9og süv 'loüdalmv gerichtet, wOrtUcb ii^ Mehrheit der Juden. Der Köpig dagegen wendet sich aP die l^erysia upd die übrigen Juden, also die aqotlicbep Vertreter der iQdiscben Gemeinde, deren Sitz wir ip Jerusalem au denken haben. ^^9 nkTJx^og 1WV ^lovöaiwv sind ohne Zweifel die Aufständischen,

1) Vgl. Polyb. XXXI 12, 10. 13,6, wo tod nçùêeiwjMS die ßede ist.

2) Was DStârlich oicht heisseo kann ,der unterzeichDete, mit Unter- ^briA^n versehene', wie Keil o. a. es wolleo. Richtig Grimm z. d. St. S. 168.

3) 2. Makk. 11,130*.

4) Polyb. XXXI 12, TfT. 13, 6 zeigl die Schwäche der damaligen Re- {itruDg in Ântioehien.

5) 1. Makk. 4, 34 f.

482 B. NIESE

Judas und GeoosseD, mit denen Lysias zunSchst unterhandelt hat ; wie es scheint, befinden sie sich nicht in Jerusalem bei der Gerusia. Judas selbst wird nicht besonders genannt, ganz natOr* lieb, da er sich in keiner anerkannten amtlichen Stellung befand, sondern nur thatsâchlicb Führer war. Es sind also zwei jadiacbe Gruppen, mit denen unterbandelt wird^ und dem entspricht, dass in den beiden Briefen auch die Unterhändler verschieden sind; io lysianischen Briefe sind es Johannes und Absalom,') Genossen des Judas, im Briefe des Königs wird hingegen Menelaos ge- nannt, ohne Zweifel der Hohepriester, der hier also noch als Vertreter des Volkes erscheint. Seine Mitwirkung ist yon beson- derem Interesse; man hat sie für unglaublich gehalten^ aber nur deshalb, weil man gewohnt ist, alles durch die Brille des 1. Makka- bäerbuches zu sehen. Menelaos ist beim Könige für Wiederher- stellung des jüdischen Gottesdienstes eingetreten, und der KOnig schickt ihn nach Jerusalem, um auch seinerseits an der Versöhnung und Beruhigung des Volkes zu arbeiten. Aus diesem Antbeil am Friedensschluss erklärt sich nun auch sein Ende. Als sich baM darnach zeigte, dass der Friede umsonst geschlossen war, als der Krieg in Judäa wieder ausbrach und der König selbst gegen die Auf* ständischen ins Feld zog, ging Menelaos den Syrern entgegen, ward aber festgenommen und in Beroia hingerichtet. Diese sonst schwer verständliche Execution ist jetzt begreiflich ; er musste eben die Verantwortung für den verfehlten Frieden tragen.*)

Noch einige einzelne Bemerkungen. Anstoss und viel Be- denken hat das Datum des ersten Briefes gemacht; im 148. iahre am 24. des Monats Dioskorintbios.') Dieser Monat ist sonst unbe* kannt. Scaliger,") der die Lesart der lateinischen Uebersetzoog Dioscori annahm, hielt es für den Schaltmonat des syromake- donischen Kalenders, scharfsinnig aber unwahrscheinlich; deoD Schaltmonate pflegen sonst keine eigenen Namen zu haben. AD"

1) Letzterer ist wohl der 1. Makk. 11, 70. 13, 11 erwälinle Valer des MalU- ttiias und Jonathan, ohne Zweifel ein Verwandter des Hasmoniischen Haoses.

2) 2. Makk. 13,3 fr. Josephus ^rch, XII 383 0*. Ewald Geschichte des Volkes Israel IV^ 416. Unsere Quellen sagen nichts ober die Ursache der Hinrichtung, im 2. Makkabäerbuche heissl es nur: der König der Könige e^ weckte des Antiochos Zorn wider den Frevler.

3) Die verschiedenen Meinungen bei Grimm Exeget. Handbuch IV 1$9.

4) Ebenso G. F. Unger a. a. 0. S. 290.

DIE BEIDEN HARKABÄERBÜCHER 483

e meiDen, es sei der Dios zu verstehen, der erste Monat des kedonischen Jahres, was noch ud wahrscheinlicher ist. Ich wage

Vermuthung, dass wir einen von Antiochos Epiphanes einge- urteo, nur kurze Zeit in Gebrauch gebliebenen neuen Monat * UD8 haben. Aus der Urkunde bei Josephus Ant. XII 264 DSD wir, dass Antiochos IV. den attischen Monat Hekatombäon :h Syrien gebracht und den makedonischen Kalender klassisch iiustellen versucht hat. So ist wohl denkbar, dass er auch an- 'e kalendarische Neuerungen eingefahrt hat.') Der Name oaxoçiv^ioç*) scheint von der sprichwörtlichen Redensart Jiog Qiv&oQ abgeleitet zu sein,') Antiochos könnte damit zugleich rinlh zu ehren beabsichtigt haben; denn seine Vorliebe fOr len hinderte ihn nicht, auch andern Griechen seine Gunst zu leoken.^) Wie man aber auch Ober diese Vermuthung denken g, so ist doch wenigstens klar, dass dieser eigenartige Monat tbaus nicht nach einem Falscher aussieht; denn einem solchen Dden ja die bekannten und daher viel wahrscheinlicheren syro* kedonischen Namen zur Verfügung, die bis ins spateste Alter- im in Geltung geblieben sind.

Der vierte und letzte Brief ist ein Schreiben zweier römischer iandter an die Juden, und zwar an das nXfj&og %œy ^lovdalwy^*) ) an Judas und Genossen. Der Adresse nach, aber auch zeit- i und sachlich gehört der Brief mit dem ersten Briefe des üas zusammen. Man ersieht aus ihm, dass die Juden sich an

römischen Gesandten gewendet und sie um ihre Fürsprache >eten haben. Die Römer wissen, dass Lysias den Juden ent- eokommt und aber das Weitere an den Hof berichtet hat.*)

stellen ebenfalls ihre Verwendung beim König in Aussicht, und sie auf der Reise nach Antiochien begriffen sind, fordern sie

1) Natürlich können nur einzelne Monate geändert sein, andere, z. B. Xanthikos blieben.

2) Wenn die Lesart richlig ist, vgl. unten S. 484. 520.

3) Plato Euthydem. 292 E mit Scholl., Aristophanes Vögel 439 mit Scholl., as s. Jwe Koçêv&oç. Es bedeutet einen stolzen Namen, ein prunkhaftes (sere ohne wirkliche Kraft. Schwerlich kann, wie die Aasleger wohl hmen, Jioanoçivd'iov von einem Nominativ ZtvQ KoQiy&ê09 abgeleitet len.

4) Polyb. XXVI l, 11. Liv. XL! 20, 6.

5) So ist mit dem Venelus, der besten Handschrift zu lesen.

6) V. 35 f.

484 B. NIESE

die Judeo auf, scbleunigst zur weiteren InronnatioD ihiieo üAr ihre Forderungen Nachriebt zu geben. Daraus gebt mit Not- wendigkeit berror, data die Entscheidung dee Könige, die im iweffea und dritten Briefe Torliegt, noch nicht erfolgt ist; dss rOmiidM Schreiben geht diesen also voran. Es ist ferner höchst wak^ scbeinlicby dass die Gessndten mit Lysias sussmmengetroffen nnd und vielleicht noch zur Zeit des Briefes sich bei ihm befisdefl. Sie sind ferner nach Antiocbien unterwegs, und da ansunclmeo ist, daas sie sich in der Nähe der Juden befinden, so ist mit* scbeinlich, dass der Brief von einer der pallfstinensischen Kttiles- Städte, etwa von Gaza oder Ptolemais aus geschrieben ist. Hu kann sich denken, dass die ROmer auf der Reise von Alexsodrie» nach Antiocbien begriffen waren, die aufständischen Juden battes von ihrer Anwesenheit gehört und baten sie, sich su ihren GoDftes bei Lysias und dem Könige zu verwenden, und die Römer, stdi bereit, sich der Schwächeren, UnterdrOckten anzunehmen, wsbb es sich nur nicht um ihre eigenen Unterthanen bandelte, ginges gerne darauf ein. Wie stimmt aber damit das überlieferte Datsn des römischen Briefes, der 15. Xantbikoe des Jahres 148, derselbe Tag, von dem auch der Amnestiebrief des Königs Antiochos ib die Juden datirt ist? Der Römerbrief geht ja offenbar dem KdBi|t' brief voran, und die Gesandten waren ja nicht beim Könige, sof dern erst auf dem Wege zu ihm. Die Briefe können nicht woèl gleichzeitig gesehrieben sein, und die Uebereinstimmung der beidei Briefdaten hat daher seit Wernsdorff*) ein willkommenes Argumeot gegen die Echtheit der Briefe geboten, aber mit Unrecht; deDO in Wahrheit ist nur durch einen Fehler der handschrifUichen Uebe^ lieferung das Datum des dritten Briefes auch dem vierten beige- schrieben worden. In der besten Handschrift, dem Venetui, '^ der Schluss unseres Briefes') folgendermassen überliefert: Itoi;^ lyiOToarov xal teoaaçaxoaTOv aal oydoov Sovd^ixov ft€ytt' TcatoexccTTj Jioo%oqLöov. Dieses /Jioaxoçlâov ist offenbar eine alte Variante für Savx^iicov und bezeichnet denselben Honst, wie JioavLOQLv^Lov des ersten Briefes. Ich halte es für die ursprüng- liche Lesart, die von der jetzigen Vuigata verdrangt ward. Wir erhalten damit ein Datum, das allen Ansprüchen genügt. Der

1) A. a. 0. 103 f. Vgl. Schlatter lason von Kyrene 30.

2) 2. Makk. 11, 3S.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 485

Bri^f der röoiischep Geeaodteo jet von demselbeq Mooat wie der lysiiDHKdie» mit dem er ja ¥> eng susammeDbangt. Die Tageisiffer omai dam ergflpzt werdeo; deoD auch 7c$vTMnaiôêxthn wird lur InierpolatioQ gehören. Oboe Schwierigkeit kaon mao dafür xb oder aholieb ▼ermuihen; der Romerbrief ist gewiaa nicht vor dem des Lyaias gefcbrieben, sondern etwaa apäier.')

Aueh an einer anderen wichtigen Stelle bietet der Venetua eioe aehr bemerkenswerihe Verbesserung des vulgaren Textes, nfim- lieb bei den Namen der römischen Gesandten, die in der That allerlei Schwierigkeiten bieten. Man liest jeut Koivtoç Méfifiioç Titog Mdvlioç. Von einem Memmius aus dieser Zeit wissen wir oichts; wir kennen aus Livius einen Gains Hemmius, der nveinal Pritor, auch einmal Gesandter war,') auch ein Titus Ntmoiîus wird aus dem Jahre 170 v. Chr. als Gesandter erwähnt.*) BfkaoQter ist Titus Manlius; diess mOsste T. Manlius Torquatus ieio, Consul vor 165 v. Chr., der nach Polybios*) im nächsten Jihre 164/8 aus Rom ausgesandt ward, um den Ptolemflos Physkon ascb Cypern zu führen. Unmöglich jedoch kann dieser unsern Brief geschrieben haben, der jedenfalls geraume Zeit vor dem laothikos 148 Sei., also vor April 164 v. Chr. abgesandt ist; denn erst am 15. März dieses Jahres lief das Consulat des Manlius ab, M selbst bei einer starken Verschiebung des römischen Kalenders varde man mit der Zeit sehr ins Gedränge kommen. Dieser Punkt iit auch Wernsdorff nicht entgangen^) und von ihm mit Nachdruck g^B die Echtheit des Schreibens vorgebracht worden.

Jedoch der Name Màvlioç ist geringer Beglaubigung, und •Mtt fast wie eine Conjectur aus. Unter den 15 in Betracht komnenden Handschriften bei Hohnes und Parsons bezeugen ihn QBr fanf, wenn man nämlich aus dem Stillschweigen des kritischen Apparats schliessen darf. Unter den alten Teitzeugen könnte nur die biciaiache Uebersetzung vielleicht dafür angeführt werden, die nach

1) Man hat aehr mit Unrecht daran Anatoaa genommen, daaa *die Römer flieh der aeleokidischen Aera datiren; die Gesandten schlieasen sich darin AsUriieh den Ortsgewohnheiten an; nach Gonsulo und römischem Kalender ta

dstjreo, der nur örtliche Geltung hatte, wäre hier gani unzweckmässig ge-

veseo.

2) Liv. XU 25, 5. XLII 9, 8. 10, 14 aus den Jahren 174 uqd 173 ?. Chr. 8) LiT. XLUl 5, 10.

4) XXXI 18, 9.

5) Â. a. 0. S. 103.

486 B. MESE

Sabatier Quintus Memmius et Titus Manilius bat. Alle ûhn'geo, darunter die ältesten und besten Autoritäten, haben Màvioç^ lB, der Alexandrinus und die syrische Uebersetzung. BeaoDdèrs wjdb- tig ist aber die Lesart des Venetus xoivvoa fÂefÂfÂioa titoa fiO' vioa egvioa. Diese Ueberlieferung giebt der Sache ein gaox id- deres Aussehen ; denn hier haben wir zum Vornameo Manias eis Gentile, und Titus Manlius verliert damit seine Berechtigong. Zwar einen römischen Namen Ernius oder Hernius giebt es meines Wissens nicht; aber man wird mit leichter Aendemag schreiben dtirfen Mdviog Zegyiog; denn M'. Sergius nahm Dich Polybios') mit C. Sulpicius an einer Gesandtschaft theii, die zuerst in Hellas vorsprechen, aber vor allem sich überzeugen sollte, ob nicht Antiochos Epiphanes und Eu menés zusammen etms gegen Rom im Schilde führten. Sulpicius hielt sich in Vordeh asien auf und bemühte sich, dem Eumenes möglichst unangeneho zu sein.*) Sein Mitgesandter, Sergius, mag nach Syrien gegangeo sein, um den Antiochos zu überwachen. Auch das Datum ist an- gemessen; denn Sulpicius, der Consul von 166 v. Chr., ging oicli Ablauf seines Amtes, also 165 v. Chr. nach Asien ab, und der Brief ist vom Jahre 148 Sei. datirt, das im Herbste desselben Jahres begann.

Dass also Sergius an diesen Ort und in diese Zeit nicht Obel passt, darf man wohl behaupten. Dagegen ist nicht leicht lu sagen, was mit seinem Collegen Koivzog MéfÂfiioç Titog an- zufangen ist. Dies können zwei Namen sein, Quintus Memmiusund ein Tilus, dessen Gentile ausgefallen wäre; vielleicht ist es aber nor einer; tizog kann der Rest eines Namens auf tiu$ sein. Sacblidi würde es nahe liegen, C. Sulpicius einzusetzen, aber das wSre ein zu hartes Stück, und man muss eine andere Lösung versuchen, wozu sich eine doppelte Möglichkeit bietet; entweder handelt es sich um eine neue Gesandtschaft, an der M'. Sergius wiederum tbeil- nahm, die im Herbst 165 v. Chr., etwa in dem damals entbranaten Streit zwischen Ptolemäos Philometor und Pbyskon, eingreifea sollte, und von Alexandrien auch nach Antiochien kam; bekannt* lieh sind in diesen Zeiten sehr viele römische Gesandtschaften auf den Beinen gewesen, oder es ist bei Polybios in der Notiz über

I) XXXI 9, 0. Er wird als Zeuge im SC de ThisbaeU erwähnt. Dittes-

berger sijll. P i^üO z. 16. 2)'Polyl). XXXI 10.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 487

t Gesandlschaft des Sulpicius ein Name ausgefallen, was leicht schehen konote'); es wäre also diese Gesandtschaft, was damals îîst geschah, dreikOpûg gewesen, und der im 2. Makkabäerbuche mipt erhaltene Name wäre zwischen Sulpicius und Sergius ein* logen.

Dass hier eine Schwierigkeit vorliegt, ist unleugbar. Darüber irf man sich jedoch nicht sonderlich erstaunen; denn unsere eootniss dieser Zeit ist sehr mangelhaft; von Polybios besitzen ir Dur einige Auszüge, und Livius existirt nicht mehr. So be- eisen denn auch diese Schwierigkeiten nichts gegen die Echtheit »Briefes der römischen Gesandten, der vielmehr nach Inhalt nd Form tadellos und ohne Bedenken ist, dessen Datum, wie es ir codex Venetus andeutet, aufs beste in die Reihe der übrigen rkuoden passt.

Noch ein Bedenken ist zu erwähnen, und zwar wohl das :hwerste von allen, die gegen die vier Urkunden ins Feld geführt Orden sind-. Im zweiten Briefe erwähnt Antiocbos den Tod seines Iters, des Epiphanes.') Der Brief hat kein eigenes Datum, ist t>er offenbar von demselben Tage, wie der nachfolgende, nämlich M 15. Xanthikos 148 Sei., also etwa vom April 164 v.Chr.« ährend nach 1. Makk. 6, 16 Antiocbos Epiphanes erst im nächsten ibre, 149 Sei. starb, womit die Chronik des Eusebius stimmt, ie sein Ende in Olymp. 154, 1 164/3 v. Chr. setzt.

Frühzeitig hat man auf einen Ausgleich dieses bedenklichen irooologiscben Widerspruches gesonnen, der natürlich dem An- ihen und der Echtheit der Briefe erheblichen Eintrag that. Man U angenommen, die Aera im 2. Makkabäerbuche sei anders als A ersten. Der normale Anfang der seleukidischen Aera ist der erbst, etwa October 312 v. Chr., man bat nun vielfach vermuthet, ) 1. Makkabäerbuche sei es das Frühjahr desselben Jahres, also D Punkt, der ein halbes Jahr früher liegt. Auch hat man daran dacht, dem 2. Makkabäerbuch die sogenannte chaldäische Aera izulegen, die im Herbste 311 v. Chr. anfangt, deren 148. Jahr der That dem 149sten der seleukidischen Zählung entspricht.

1) Polyb. XXXI 9, 6 wo man schreiben könnte rdiop JSoXniMtov {koU trrov ) xal Mdviov ^éçyiov. Das doppelte Kcd würde den Aus- leicht erklären.

2) 2. Makk. 11, 23: tov Ttajçoe tifjiœv eis â'êovs /maarâvros.

488 B. MESE

CliDtoD, der aber diese Versuche berichtet,') hat jedoch gaoi richtig erkaDDt, dass diese Auskunftsmittel entweder nicbta belfea oder höchst uDwahrscheiolich sind. Er oimmt deaahalb an, ibn te Brief des Königs an die Juden später sei ala im übrigen, etm aus dem December 164 v. Chr.^ was ja dadurch erleichtert wird, dass er in der That kein eigenes Datum tragt.^ Aber d«r lohalt widerspricht aufs bestimmteste einer solchen Scheidung; Britft und 3 hingen auf das engste zusammen und trgftniM sich. Ihi konnte sich wohl denken , dass n. 2 etwas vor n. 3 läge, nich aber, dass er so viel, mehr als ein halbes Jahr spater ware. Otcsr bar gilt das Datum des dritten auch für den zweiten und ist w diesem Grunde nur einmal gesellt worden. Wenn also n. 2 nidit am rechten Platze steht oder gefälscht ist, so zieht er die andens nach sich; was von einem gilt, muss von allen gdtoii. Da an nach meiner Meinung eine Fälschung ebenso unwabrscheinlich ist wie eine Versetzung, so bleibt nichts Qhrig ala der Urkunde 9 glauben, dass Antiocbos wirklich im April 164 v. Chr, bareits vo^ stürben war.

Dies entspricht auch durchaus der Erzählung d^ 3. MiUl' bäerbucbes, wo der Tod des Epipbaoes vor der Tampflw^be in Kislev (December) 165 v. Chr. erzählt, und folgerichtig der päcbiti Feldzug des Lysias ins folgende Jahr 149 Sei. gesetzt wird.') El ist eine in sich völlig Qbereinstimmepde und geachlosieae Dtf^ Stellung, wo von einer Verwirrung, von einem Versehen keine Spur ist. Der Tod des Epiphanes muss darnach der Tempelweibe op- gefähr gleichzeitig sein,') also 3 4 Monate vor dem AbscUv» der Verhandlungen im Xantbikos liegen. Diese Zeit reicht voll« kommen aus, für die kriegerischen Unternehmungen des Jodii gegen Gorgias und Timotheos, wie für den Zug des Lysias od^ die Uoterbandlungeo. Ein Theil dieser Ereignisse muss in den VVioter fallen. Offenbar sind die FeldzPge beiderseits nur geriogeo

1) Fasti hell. 111 367 ff. Hier sei erwähot, dass Q, F. Unger Sii^aif*' bericht der MûocheDer Akad. phllos. philo), hist. Cl. 1895 S. 236 ff. demi lind 2. Makkabâerbuch eine seleukidische Âera beilegt, die mit dem înïr Jahr 311 v. Chr. beginnt.

2) Aehnlich G. F. Unger S. 285.

3) 2. Makk. 13, 1.

4) Die Tempelweihe fallt noch unter die Regierung des Epiphanes, weott» ^leich sein Tod schon früher erzählt worden ist. 2. Makk. 10, l. 9,

DIE BEIDEN MAKKâBAERBOCHER 489

ifaoges uod machen mehr den Eindruck improvisirler StreifzQge, e man sie auch zur Winterzeit uoternahm. Sie bewegen aicb rchaus in nächster Nachbarschaft Judäas und haben schwerlich igere Zeil beansprucht.^)

Auch ton Seiten der sonstigen Ueberlieferung steht der An- hme nichts in Wege, dass Antiochos Epiphanes gegen Ende 165 Chr. gestorben ist. Ich werde im nächsten Abschnitt darüber adeln und hoffe tror allem bestimmt nachzuweisen, dass auch der Chronographie des Eusebios sein Tod ursprQnglich auf ynp. 153, 4 SM 165/4 v. Chr. fiel. Indem ich dies einstweilen I erwiesen voraussetze, werfe ich zunächst noch einen Blick auf a Zusammenhang der Ereignisse nach dem Tode des Antiochos )iphanes, wie sie uns in der Ueberlieferung des 2. Makkabtter- icbes vorliegen.

Nach dem Tode des Epiphanes und der Wiederherstellung des tischen Gottesdienstes ging zunächst der kleine Krieg der auf- lodischen gegen die syrischen Feldherrn Gorgias und Timolheos Biter. Die Erfolge des Judas bewirkten, dass Lysias selbst sich ich im Winter gegen Jerusalem aufmachte; er ward aber bei ithsura zurückgeschlagen, und es kam jetzt vielleicht unter dem afluss der Nachricht Vom Tode des Epiphanes zu Unterhand- Bgen, in die auch eine des Weges kommende römische Gesandt- bift fordernd eingriff. Das Ergebniss war, dass die Wiederher* dhiDg des Gottesdienstes genehmigt ward; den Juden wurden te alten Gesetze zurückgegeben, die Aufständischen unter Judas kieken die Erlaubniss zurückzukehren unter Zusicherung völliger Boestie. Es sollte zugleich eine Aussöhnung der feindlichen Par- ten sein; der Hohepriester Menelaos, der an dem Frieden mit- irirkt hatte, kehrte nach Jerusalem zurück; die Juden gingen eder an ihre friedliche Arbeit.

Aber der Friede hatte keine Dauer. Nach dem Bericht im

Hakkabaerbuche') Hessen die syrischen Peldherrn und die um-

ihnenden Heiden keine Ruhe und brachten den Judas wieder

die Waffen. Wir dürfen hier fragen, ob nicht auch andere

istände das Kriegsfeuer wieder entfachten, ob nicht die Partei-

1) Nor die Belagerong von Gazara (Jazer) nimmt 25 Tage in Ansprach, dakk. 10, 35.

2) 12, 2 if.

490 B. MESE

ungeo unter den Juden selbst, z. B. die Feindschaft gegen deo zurückgekehrten Henelaos dabei mitwirkte. Kurz, der Friede ward gebrochen, die philistäischen Stfldte, das Ostjordanland, Idomia wurden von Judas heimgesucht , und nun setzte sich der König selbst, geleitet von Lysias, mit ansehnlicher Macht in Bewegung, in der Absicht, die Juden jetzt völlig zu unterwerfen. Das erste Opfer des königlichen Zornes war Menelaos, der wahrscheinlidi aus Judäa vertrieben dem Heere entgegen kam, zur Verantwortung gezogen und in Beroia enthauptet ward. Der Angriff ging wieder von der philistäischen Koste aus durch Idumäa auf Jerusalen. Hier ist nun das einzelne im 2. Makkabäerbuche durch unglaok- liche Verkürzung und patriotische Verfälschung ganz entstellL Ei lässt den Judas immer siegen, berichtet aber im Widerspruch damit, dass die den Zugang nach Jerusalem beherrschende Veste Betih sura sich den Syrern ergab, der König einen Frieden schloss, nach Jerusalem kam , im Tempel opferte und sich mit Makkabäos Ter- söhnte.*) Wir müssen den parallelen Bericht des 1. Hakkabäo^ bûches heranziehen, der hier ganz offenbar den Vorzug verdient.) Auch Josephus^) bietet einige Ergänzungen. Daraus ergiebt «cb, dass der König Bethsura nahm und den Judas bei Bethzacharii schlug. Judas musste den Weg nach Jerusalem freigeben und lOg mit dem Rest seiner Leute nordwärts in die Gegend von Gopbni. Jerusalem ward belagert und hätte sich auf Gnade und Ungnade ergeben müssen, wenn nicht in Antiochien Philippos, der dort geblieben war, Unruhen verursacht hätte, die den König und Lyiiv nölhigten, schleunigst dorthin zurückzukehren. Er gewährte at» den Juden einen billigen Frieden, d. h. ihre Gesetze und ilif Gottesdienst wurde anerkannL Unter dieser Bedingung borte der Widerstand auf, der König zog ein und opferte im Tempe!« liess ihn aber entfestigen und legte eine ausreichende Besatnng hinein. Auch Judas ward zu Gnaden angenommen; der hinge- richtete Menelaos ward, wie es scheint, zunächst nicht ersetzt, die Partei der Hasmonäer behielt also in Jerusalem die Oberbind

1) 2. Makk. 13, 9—24, v. 21 ist von einem Verrälher die Rede, ebenfalls auf Unglücksfälle hinweist: lason wird also die Niederlage nidii verschwiegen haben und scheint einem Verräther die Schuld gegeben n

haben.

2) 1. Makk. 6, 28 fT. :\) Bell. lud. 1 41 ff.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHFR 491

>d der Friede war in dieser Hinsicht für Judas noch günstiger s der letzte.')

Dieser Hergang, wie ihn das 2. Makkabäerbuch überliefert, t durchaus natürlich ; beide Verträge, der frühere wie der spätere, erden durch die Lage der Dinge gut begründet. Wir haben nur och, zu fragen, was das 1. Makkabäerbuch bewog, den ersten riedensschluss fortzulassen. Wahrscheinlich wieder der Wunsch zu eschOnigen. Es lässt sich nicht leugnen, dass nach dem 2. Makka- lerbuch Judas einen vortheilhaften Frieden gebrochen hat. Diese iMtsache wollte das 1. Makkabäerbuch vielleicht unterdrücken und at es desshalb für gut befunden, den ersten Friedensscbluss zu enchweigen.

Die syrische KOnigsliste bei Eusebios und das Todesjahr des Antiochos IV.

Unsere Chronologie der syrischen Könige in der Makkabäer- m beruht, neben dem 1. Makkabäerbuch, vor allem auf der KOnigs- Bte, die Eusebios aus Porphyrios entlehnt hat.') Sie giebt ja QT annähernde Bestimmungen, da sie wie alle derartige Listen, or ganze Zahlen giebt und Jahrestheile nicht berücksichtigt« Ihre iDricbtung ist so, dass jedem Könige sein Todesjahr zugerechnet ird, sein letztes Jahr also das Todesjahr ist, oder anders aus- edrflckt die Regierung jedes Herrschers von dem Jahre ab ge- icliDet wird, das auf seinen Regierungsantritt folgl.^) Bei aller Oferlässigkeit im Ganzen haben sich nun in Einzelnem mehrere eUer eingeschlichen. Der bedeutendste findet sich bei den Näch- tigem des Antiochos III., bei Seleukos IV., Antiochos IV. Epi- banes, Antiochos V. Eupator, Demetrios I. und Alexander Balas. iese Könige haben folgende Regierungzeiten: Dtiochos III. 36 Jahre. Erstes Jahr Ol. 139, 2 223/2 v. Chr. Letztes Jahr Ol. 148, 2 = 187/6 v. Chr.

1) 1. Makk. 6, 55. 2. Makk. 13, 23 f. Josephus bell, lud. l 46. Alki- «, der spätere Nachfolger des Menelaos, scheint damals nicht eingesetzt rden zu sein.

2) Eusebios ehron, I p. 247 ff. Schöne. Vgl. G. Müller fragm. hüt. graec. 710 ff. Clinton fasti hell. Ill 314 ff.

3) Dies sieht man bei Seleukos I., Antiochos II., Seleukos II. und auch ter. Der Ptolemfiische Kanon verfährt bekanntlich für Aegypten umge* rt; hier wird das Jahr, in dem ein König stirbt, als erstes seines Nach- [crs gerechnet. Ideler Handbuch der Chronologie I 117 ff.

492 B. NIESË

Seleukos IV. 12 Jahre. Ergte» Jahr Ol. 148, 8 » 1S6/5 t. Chr.

Letztes Jahr Ol. 151, 1 176/5 f. Chr.

(Ol. 151, 2 '^ 175/4 V. Chr. nach Gytacbmid).

ADtiochos IV. 11 Jahre. Erstes Jahr Ol. 151, 3 -• 174/3 v. Chr.

Lettles Jahr Ol. 154, 1 164/3 t. Chr. ADliocbos V. nimmt 2 Jahre eio Ol. 154, 2 ««• 163/2 v. Chr.

Ol. 154, 3 162/1 V. Chr. Demetrios 1. 12 Jahre. Erstes Jahr Ol. 154, 4 161/0 v. Chr.

Letztes Jahr Ol. 157, 4 «- 149/8 v. Chr.

(Ol. 157, 3 »- 150/49 v. Chr. oaeh Gotschmid und MQll<r>

Alexander Balas 5 Jahre. Erstes Jahr Ol. 157, 3 •» 150/49 f. Chr.

(Ol. 157, 4 = 149/8 V. Chr. nach Gutschmid).

Letztes Jahr Ol. 158, 4 145/4 ▼. Chr. Sie haben sich alle um ein Jahr verspätet. Die Ursache des Fehlers ist, dass als letztes Jahr Antiochos des Grossen Ol. 148,2 statt Ol. 148, 1 gezahlt wird, ihm also statt der richtig überlieferten 36 Jahre in Wahrheit 37 zugeschrieben werden; es gab namlicfc eine Angabe, die zuerst bei Appian Syr. 66 begegnet,') womck Antiochos 111. 37 Jahre regiert hat, und er mag wirklich mehr lii 36 Jahre im Amte gewesen sein, aber in der chronographisdüi Jahresreihe kommen ihm doch nur volle 36 Jahre zu,*) und jeoer Fehler hat dann die unvermeidliche Folge gehabt, dass die gine Liste bis Alexander Balas um ein Jahr verschoben worden iH^ Die Richtigkeit dieses Satzes wird durch unanfechtbare Zeug- nisse bewiesen. Antiochos 111. ist nicht, wie es die jetzige eose- bianische Liste will, Ol. 148, 2 (187/6 v. Chr.)« sondern Olymp. 148,

1) Wobei zu bemerken ist, dass Appian zugleich seinem Vorgänger St- leukos III. statt der sonst üblichen drei Jahre nur zwei giebt, also sieb to überschüssige Jahr vom Vorgänger holt und damit den Unterschied aosgleidit Recht wohl möglich ist übrigens, dass bei Appian nor eio Versehen v^füegt

2) 36 Jahre rechnet Eusebius im armenischen Text der Chronik od^ des Laterculus (I 253. 263) und im Kanon (II 122 f.) nach dem armeoiscbefl Text wie nach Hieronymus, femer Syncellos p. 540 Bonn, die ExcerpU Bir- bari p. 223 Schöne, und die Series Hegnm p. 16. 36 SchSoe. 37 Jahre sSUa ausser Appian Syr. 66 einige spätere Chroniken, Sulpicius Severos ehron, 1119.4 das ;u(xw'oy^a9p«îo*' avvrofwv p. 91 Schöne nnd die griechischen ExcerpU •• Eusebius. Sie haben alle wohl die heutige Gestalt der Gusebianiscben IMti benutzt.

3) Leber Alexander Balas hinaus pflanzt sich der Fehler nicht fort,«ti' die Liste bei ihm eine Unterbrechung erleidet und mit einem Sprung aof D(* nielrios II. überseht.

DIE BEIDEN MAKKaBÄERBOCHER 493

"> 188/7 y. Chr. oder im Jahre 125 dei* seléukidiâcheD Àera ver* orbeo. Diet ergiebt sich aus der Datiraûg des Ereigoisses in m römischen Ânnalen/) wo das Ereigniss in das Consolalajafar 37 ?. Chr. fiel, was mit Sicherheit erschliessen läset« dass Poiybios I Olymp. 148, 1 setzte. Noch zwingeoder ist ein anderes Zeugnias. I giebt babylonische Urkunden aus dem Jahre 125 Sei., die nach atioclios und Seleukos datirt sin^, aber auch solche, in denen eleukos allein als Herrscher erscheint.') Daraus folgt nothwendig, in Antiochos Hl. im Laufe des Jahres 125, also Olymp. 148, 1 188/7 V. Chr. starb.') Hiermit steht im follkommenem Ein- lange, dass die Gesandten seines Nachfolgers Seleukos IV. schon 0 achäischen Amisjahre 187/6 v. Chr. unter der Strategie des rislainos beim achflischen Bunde erscheinen.')

Ferner die Thronbesteigung des Antiochos Epiphanes erzählte irius^) unter dem Consulatsjahre 175 ▼. Chr., und zwar nach olybios; dieser muss demnach unter Olymp. 151, 1 176/5 v. hr. davon erzählt haben. Dies ist also das Todesjahr des Seleu- n IV. und in der eusebianischen Liste musste demnach das fol- Mide, Olymp. 151, 2 175/4 v. Chr. als erstes des Epiphanes Btilhlt werden, nicht wie es jetzt heisst, Olymp. 153, 3. Ich be* terke noch, dass Antiochos IV. seinem Bruder nicht, unmittelbar lecedirte, sondern nach einem Interregnum, das man auf zwei ODate oder mehr berechnen kann. Der Tod des Seleukos kann ihr wohl in der ersten Hälfte des Jahres, etwa Ende 176 v. Chr. attgefunden haben.

Aoch das Ende des Demetrios I. und der Anfang Alexanders I. 088 bei Eusebios um ein Jahr verschoben sein; denn nach Ausweis irMOnzen vollzog sich dieses Ereigniss 162 Sei. ai 151/0 v. Chr., 80 nicht im dritten, sondern im zweiten Jahre der 157. Oiym- ttde.*) ' Endlich wird beim Tode Alexanders der gleiche Fehler

1) Zonaras IX 21, 5.

2) Strassmaier in der Zeitscbria für Aasyriologie VIU 109 ff.

3) Die Jahre der seleokidischen Aera, die im Herbst anfangen, decken ih âenlich genau mit den OiympiadeiUahren, namentlich nach der Praxis B Poiybios.

4) Polyb. XXn 10, 4.

5) XU 20.

6) Aus 162 Sei. stammen die letzten Münzen des Demetrios und zugleich ersten Alexanders, Babelon rois de Syrie p. GXIX ff. CXXllI.

Henaei XXXV. 32

494 B. NIESE

allgemeio aoerkaont^); deno nach dem QbereinstimmeiideD Zeogcf^ der syriscbeD und ägyptischeo Chronologie starb er etwa Prlfl^ sommer 145 v. Chr., d. h. Ol. 158, 3,*) was die Mûoseo bestätigst denn seine letzten wie die ersten seines Nachfolgers Demetrios 1^- sind 167 Sei. ■» 146/5 v. Chr. geschlagen, in diesem Jahre \b^ also der Thronwechsel stattgefunden. Falschlich wird demnach b^ Eusebios jeUt Ol. 158, 4 (145/4 v. Chr.) als sein léutes Jahr g^ rechnet.

Darnach kann kein Zweifel sein, dass die eusebische Liste i ursprünglicher Gestalt folgendermaassen lief: Antiochos III. reg. 36 Jahre. Erstes Jahr Ol. 139, 2 (223/2 ▼. Cbv

Letztes Jahr Ol. 148, 1 (188/7 v. Cha Seleukos IV. reg. 12 Jahre. Erstes Jahr Ol. 148, 2 (187/6 v. Otm

Letztes Jahr Ol. 151, 1 (176/5 ▼. Clu Antiochos IV. reg. 11 Jahre. Erstes Jahr Ol. 151, 2 (175/4 ▼. Cbr

Letztes Jahr Ol. 153, 4 (165/4 ▼. Chr. Antiochos V. reg. 2 Jahre. Erstes Jahr Ol. 154, 1 (164/3 v. Chr.

Letztes Jahr Ol. 154, 2 (163/2 ▼. Chr.J Demetrios 1. reg. 12 Jahre. Erstes Jahr Ol. 154, 3 (162/1 ?. Cbr.)

Letztes Jahr Ol. 157, 2 (151/0 v. Chr.) Alexander Balas reg. 5 Jahre. Erstes Jahr Ol. 157, 3 (150/49 t. Cbr)

Letztes Jahr Ol. 158, 3 (146/5 ▼. Cbr.) Dies ist nun genau die Liste, wie sie im Kanon, also den Tabelleo des Eusebios nach der Bearbeitung des Hieronymus sich fiodeL*) Ja selbst im Texte des eusebischen Verzeichnisses in der Cbrooik haben sich davon noch an zwei Stellen Reste des ursprQnglicbeo erbalten; denn ganz richtig wird dort der Tod des Seleukos IV.

1) Clinton fasti hell III 314 ff. G. Müller fr. hist. Gr. Ill 712.

2) Nach 1. Makk. 11, 19 fiel er 167 Sei. 146/5 v. Chr. Er «tarb ferner korze Zeit vor Ptolemäos Philometor, dessen Begierang nach dem ptol^ maischen Kanon in dem Jahre zu Ende ging, das vom 29. September t4S bis zum 27. September 145 v. Chr. lief. Vgl. Strack Dynastie der Ptoleoief 184. 198.

3) Euseb. 1! 123 fi'. Schöne. Nur Alexanders Begierang hat einen «oderei Schluss; es werden ihm 10 Jahre gegeben und damit die Lücke der CbroiMh graphie nach seinem Tode öberkleistert. Die armenische Uebersetznng stioD^ ebenfalls, aber in ihr sind die Olympiadenjahre bekanntlich am eine SteBe zurückgesetzt, so dass z. B. Seleukos 1. nicht Ol. 117, 1, sondern 117, 2 t»' (ängi u. s. w.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 495

151, 1 und der Aofang Alexanders Ol. 157, 3 geselzt.') Es eiot also, dass der Fehler erst durch eine Dachträgliche, von Bebios selbst nicht verschuldete Redaction entslanden ist; denn * haben ja nicht den Originaltext des Eusebios, sondern nur die aenische Uebersetzung.

Die sonst vorhandenen chronologischen Zeugnisse fügen sich

berichtigten Liste trefflich ein. Zunächst die Hünzdaten') und hl anders die Zeilbestimmungen des 1. Makkabäerbucbes. Hier Kimt Antiochos Epiphanes 137 Sei. 176/5 v. Chr. auf den ron, Demetrios I. beginnt 151 Sei. «= 162/1 v. Chr., er stirbt 2 Sei. BB 151/0 V. Chr., und Alexander Balas endet, wie schon râhnt, 167 Sel. = 146/5 v. Chr.') Nur der Tod des Antiochos iphanes, der den Ausgangspunkt dieser Untersuchung bildet, icbt ab und wird 149 Sei. «= 164/3 v. Chr. gesetzt,') also ein ir später und übereinstimmend mit der redigirten Liste des Eu- >ios. Diese Angabe, die auch sonst Schwierigkeiten -macht, weil zu den einmQlhig überlieferten 11 Regierungsjahren des Herr- tiers nicht stimmt,') erklärt sich wohl so, dass der Schriftsteller r das letzte Jahr des Epiphanes das erste seines Nachfolgers ^etzt hat; in der Thai wird der Regierungsantritt Eupators un- lUtelbar anschliessend erzählt.^

Nach der ursprünglichen, wohlbeglaubigten chronographischen ^eberlieferung ist also Antiochos Epiphanes Ol. 153, 4 «- 148 el. KB 165/4 V. Chr. gestorben, und mit diesem Datum stehen Ddlich auch die Reste der polybianischen Geschichte in bestem

1) Euseb. I 253. 255 Schöne. Clinton und Gutscbmid wollen den Text ibttsern.

2) Zasammengestellt von Babelon rois de Syrie XG ff. Das von Babelon m Epiphanes zugewiesene SlQck, eine Münze von Tripolis mit der Ziffer 149 fi^\ bildet keine Ansnahme; denn der Königsname fehlt, und sie ist daher t Gavedoni dem Antiochos V. zuzuweisen, was keine Schwierigkeit bietet

Com be veterum pop. et reg, numi qui in mus, briL asservantur 205 . XII 4. Gavedoni revue numismat, 1856 S. 380. Babelon S. GX.

3) l. Makk. 1,10. 7, 1. 10,51.11,19.

4) 1. Makk. 6, 16.

5) Clinton sucht ihr dadurch gerecht zu werden, dass er den Beginn B Antiochos Ende 137 und den Tod Anfang 149 Sei. setzt.

6) 1. Makk. 6, 16: xa* ànéd'avsv exellevrioxo« 6 ßaaiXeic iravç ivârov i reaaacaxoüTOv xal éxaarov Kai énéyvat j^vaiaç, on Të&tnjMSv o ßacfi^ VC, xal nariatrjcsv ßaaileveip Itévrioxov rov viov avrov àvr' avrov, or id'qexpsv vetuTSçov, xal èxaXeaev ro ovofia axiov Evnaratç»

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496 B. NIESE

Einklang. Buch 31 fr. 12 lesen wir, wie die Nicbricfat vom T(k/« des Epipbanes und der Thronbesteigung seines Sohnes nach R^f» iLommly wie der Senat die Ansprüche des Demetrios, der als Gei»^^ in Rom lebt, zurückweist, weil er es für ntttzlicher hsit, des oü' mündigen und schwachen Antiochos V. anzuerkennen , und eii»^ Gesandtschaft nach Antiocliien schickt, an deren Spitie Co. Oc-' tavius steht. Dieser war einer der Consuln von 165 r. Chr., omcl seine Entsendung ßllt höchst wahrscheinlich ins Amtsjahr 164.*) Da sie erst geraume Zeit nach dem Tode des Epipbanes erfolgte^ so sieht von dieser Seite nichts im Wege denselben in den Wiates* 165/4 V. Chr. zu setzen. Aus dieser Stelle folgt zugleich, dass eine Nachricht des Granius Licinianus, wonach der König im Cott«* suiatsjahr 163 v. Chr. starb, nicht richtig sein kann, sondern aixT MissverstMndniss beruhen muss.*)

Zum Schluss und um nichts zu vergessen, muss noch ein« Stelle Appians erwähnt werden, wo die Regierungszeit des Epi- pbanes nicht, wie sonst immer, auf 11, sondern auf nicht volle 12 Jahre beziffert wird. Dieses Zeugniss verdient desshalb Be- achtung, weil Appian älter ist als sämmtliche erhaltene Chrono- graphien und jedenfalls da, wo er ausführlicher erzählt, den Po- iybios zu benutzen pflegt.') Man muss aus seiner Angabe zunlchst

1) Dies erfordert eigentlich einen umständlicheren Beweis und steht nicbi mit der jetzigen Ordnung und Datirung der Polybiosexcerpte in Einklng, wie sie Metzung und Nissen gegeben haben, wonach das 30. Buch die 153., das 31. die 154. Olympiade enthielt. Dem widerstreben auch die Zeugnisse; vir müssen auf Grund derselben vielmehr annehmen, dass die 153. Olympiade id den Büchern 30 und 31 dargestellt ward. Für den hier vorliegenden Fall be- merke ich nur folgendes; es ist in der Zeit, die uns beschäftigt, ofieabar eis gewisses Princip gewesen, die Consuln des letztvergangenen Jahres, soweit sie zur Verfügung standen, an die Spitze der wichtigsten üesandtscbafteo n stellen. So geht G. Sulpicius Gallus, der Consul von 166 v. Chr. im nichslefl Jahre nach Pergamon, ähnlich T. Manlius Torqnatus der Consul von 165 ood Ti. Gracchus, Consul von 163. Polyb. XXXI 9, 7. 18, 9. 23, 9. Ebenso wirf es in unserem Falle mil Cn. Octavius stehen, der dann in langsamem Zöge mil vielem Aufenthalt nach Syrien ging und dort bekanntlich ermordet wird. Seinen Tod erzählte Livius (Obsequens 15) unter den Consuln von 162 v. Gbr^ ^r gehört also in Olymp. 154, 2 (163/2 v. Chr.).

2) Granius p. 9 Bonn: Graccho Herum .... contuh, wenn hier richtig gelesen ist.

3) Was aber von dieser Stelle nicht gilt; hier hat Appian offenbar «w eine kurze, clironikartige Uebersicht gehabt.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 497

bliesseo, dass Epipbaoes beinahe 12 oder wenigsteDS mehr als L Jahre regiert habe. Dies letztere liesse sidi auch mit der iDstigen beglaubigten Ueberlieferung unschwer vereinigen. Man aiicht z. B. nur anzunehmen, dass Seleukos IV. im Herbst 176 Chr. starb, was sehr wohl möglich ist. Indess beiweifle ich, » Appian wirklich so gerechnet hat. Seine Worte lautea (Syr. 66) : xal avtov (nämlich ^Avxioxov %ov fisycikov) mcl %olv Ttai- '«9^ nçoëÎTiov ifÀÇoîv ßeßaailivxoroiv, Sêlevxov re xal ^jiv^ '^X<^f ^êlevxov jdiv ïreai ôiidexa artçdxTWç Sfia xai aa- ta^cJç âià jfjv %ov naxQog av/Â^poçàv, IAvtUxov ôk ôaiôêxa ^tXrJQéaiv, h olç l/içta^iav %ov itiçfdéviov eViê xal Aï- ^^rzov iajQcnevaav xtk. Er stellt also die beiden Brüder Se- ile os und Antiochos nebeneinander; Seleuko«, sagt er, herrschte Jahre, Antiochos nicht ganze 12 Jahre. Bekanntlich ist Appian •t« und überall bemüht gewesen, sich mOglidist gewählt und ge* bnorkelt auszudrücken, und auch an dieser Stelle kommt es ihm ^Ikl mehr auf die Antithese an, als auf historische Genauigkeit, b halte es daher für sehr wahrscheinlich, dass er mit seinen cht YoUen 12 Jahren nur die sonst überall und eintnüthig über* Herten 1 1 Regierungsjahre des Epipbanes hat umschreiben wollen.

Die Berichte über den Tod des Antiochos.

Wie Antiochos Epipbanes starb, berichtet zuerst Polybios.*) 'I* König versuchte darnach den Tempel der Artemis in ElymaTs berauben, jedoch die Bevölkerung liess es nicht zu, er ging ^rauf nach Tabä in Persis zurück und starb daselbst*) Einige S^^n, fôhrt Polybios fort, er sei unter göttlicher Heimsuchung ^^fiavi]aaç) gestorben; die beleidigte Gottheit habe ihren Zorn >*eh allerlei Zeichen kundgethan. Dieser Punkt wird von anderen ^iter ausgemalt; der Misserfolg sei ihm sehr zu Herzen gegangen, sei von schreckhaften Gespenstern und Gesichten heimgesucht ^K^tien und so zu Grunde gegangen.^)

Es ist kein Zweifel, dass diese Berichte, wie sie schon Polybios 'beutet, auch den beiden Makkabäerbü<!bern zu Grunde liegen und

1) XXXI 11 vielleicht Tom Excerptor verkürzt. Josepbus Ânt XII 358 ^^ ihn, hat ihn aber nicht ganz richtig verstanden.

2) Seine Krankheit war Schwindsucht, wie Appian Syr, 66 sagt

3) Porphyrios bei Hieronymus in Daniel, 11, 36 vol. Ill p. 1131 ff., W(k '^^^'bios und Diodor cilirt werden.

498 B. MESE

voo ilmeo verarbeitet worden sind. Beide haben den Versuch gegeo den persischen Tempel übernommen, zugleich aber die Vergewal- tigung der Juden daneben gesetzt und in den Vordergrund gerückt; bei beiden wird die Trauer des Königs durch die ungQnstigen Nachrichten aus Judäa verschärft.') Das 2. Buch beschreibt sodann die Krankheit des Königs, seine Reue und den Wunsch, das Un- recht an den Juden wieder gut zu machen, und theilt den Briet mit, in dem er ihnen seinen Sohn empfiehlt. Das Ende wird ein- geleitet durch den Sturz aus dem Wagen , der wie oben S. 296 bemerkt wohl aus anderem Zusammenhange entlehnt ist. Der Tempelraub geschieht hier in Persepolis, als Ort, wo den Ronig das Verhangniss ereilte, erscheint Ekbatana^; lason hat also, um seine Geschichte stattlicher herauszuputzen, an Steile unbekanolerer Orte die beiden berühmteslen Städte Irans gesetzt. Das 1. Hakka- bäerbuch nennt wie Polybios die Elymais, die es für eine Stadt hält, lässt aber den König dann in Babylon sterben. Er schildert den Reichthum des elymäischen Heiliglhuroes mit den von Alexander dem Grossen gestifteten goldenen Rüstungen und Waffen. Beide Bücher haben also zum Aufputz der Geschichte das ihrige biozu- gethan, das erste hat sich nicht ganz so frei gehen lassen wie das zweite, verdient aber doch, was den historischen Werth anlangt, vor dem anderen keinerlei Vorzug.')

Die Niederlage Nikanors.

Nach dem zweiten Vertrage mit Eupator herrschte in Jodia eine Zeillang Friede.^) Die Menge der friedlichen Leute, darunter auch die Frommen oder Asidäer (Chassidim) fügten sich der seien- kidischen Oberherrlichkeit,') Jerusalem war königlich, die Be- festigungen waren geschleift und in der Akra lag immer die Be- satzung. Judas war in den Frieden aufgenommen und konnte nacb

1) 1. Makk. 6. 2. Makk. 9.

2) Wobei es möglicli ist, dass Antiochos bei Gelegenheit dieser Fcldiûg? wirklich in Ekbatana war, das nach ihm eine Zeitlang ^Ejn^aveia geheissc» liaben soll. Stephan. Byz. s. ^Ayßaiava.

3) Ein gewisser vielleicht zufälliger Anklang zwischen beiden findet siel' an einer Stelle: 1. Makk. 6, 13 klagt Antiochos iSov àncllvficu Xvn^ »t^^ év )'î aXkorçiq. Vgl. 2. Makk. 9, 28 éni iivrji èv toli ogeciv oixxicxt^ ft^ y-ajearoex^'ev xov ßiov,

A) 1. Makk. ü, 55 ff. 2. Makk. 13, 23. 5) 1. Makk. 7, 12. 2. Makk. 14,6.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 499

r Niederlage ouq Kräfte sammelo. Ob er sich in Jerusalem ielt oder draussen auf dem Lande, wissen wir nicht bestimmt, was aus den Gegnern wurde, ist nicht ttberiiefert. Der Führer ilben, Alkimos (Jakimos), Nachfolger des Henelaos, scheint t zurückgekehrt zu sein; Lysias hielt es damals mit den Has- lern.

Aber bald brach der Streit wieder aus, und zwar in Anlass Thronwechsels in Syrien, wo 162 t. Chr, Antiochos V. von etrios entthront ward. Der neue König nahm sich des Al- is an, und beschloss ihn als Hohenpriester und Vorsteher des es einzusetzen.') In der That wurde er ?on Nikanor nach salem gefuhrt und dort auch allgemein anerkannt. Aber Judas labäos und seine Partei wollte und konnte mit ihm nicht zu- oen hausen ; sie machten ihm sofort den Krieg, worauf Nikanor ftragt ward, den Widerstand zu brechen und vor allem Judas hädlich zu machen. Nikanor versuchte es zunächst sich mit 8 zu verständigen, er hatte mit ihm eine Zusammenkunft, die 1 durchaus freundschafUichen Verlauf nahm. Die Waffen wurden irgelegt, Judas verstand sich dazu ,^ bei Nikanor in Jerusalem lieh zu wohnen, zu heirathen und eine Familie zu grttnden ; er e sich gewissermaassen mit seiner Person als Geisel. Aber bei nos erregte das gute Verhältniss der beiden Besorgniss, und ihm beeinflusst verweigerte Demetrios dem Vertrage mit Judas Bestätigung und ertheilte Nikanorn den Befehl, Judas festzu- len, weichem Auftrage sich Nikanor nur ungern fügte. In- !n blieb ihm die Ausführung erspart; denn es gelang dem Judas in Sicherheit zu bringen. Nikanor ging nun in den Tempel machte die Priesterschaft für die Flucht des Judas verant- lich; unter Drohungen gegen das Heiligthum verlangte er seine eferung und schritt zugleich gegen die Verdächtigen ein.') I wandte er sich durch jüdische Holfstruppen verstärkt gegen s, der sofort wieder die Waffen ergriffen hatte, ward aber bei

t) 1. Makk. 7, 5 ff. 2. Makk. 14, 3 ff. Josephus Anl. XII 385. XX 235. letzterer Stelle regierte er drei Jahre ; wenn diese Nachricht richtig ist, folgte seine Einsetzung 162 v. Chr., denn er starb nach 1. Makk. 9, 54 öhjahr 159 v. Chr.

2) 2. Makk. 14, 31 ff. Hier wird die Verhaftang and der Selbstmord des erzählt. In diesen Zusammenhang wird auch die vom 1. Makk« 7, 16 Xe Hinrichtung 60 unschuldiger Juden gehören.

500 B. NIESE

BelhoroD geschlagen uod fiel selbst. SeÎD Kopf und der km, den er drohend gegen das Heiligthum emporgestreckt, wird ib Trophle nach Jerusalem gebracht und dort ausgestellt

Dieser Bericht, wie ich ihn im wesentlichen nach dem 2.Hikk»- baerbuch gegeben habe, wird vom 1. IhkkabSerbiich in eioigM Stocken ergänzt; z. B. erscheint hier zu Anfang statt Nikaain und neben ihm Bakchides') als Beauftragter des Königs. Viel be deutender sind aber die Abweichungen; so wird lükaaor als da geschworener Judenfeind dargestellt, der es bei den Unterbaaé- lungen ?on Anfang an darauf abgesehen hat, den Judas mit Aig* list zu fangen,*) wf hrend er nach dem 2. Makkabaerbaoh eraallidi Frieden und Freundschaft mit Judas wtlnscht. Besonders folgender Punkt Terdient Beachtung. Nach dem 2. Makkabflerbuch bat Ni- kanor, als er too Jerusalem gegen Judas ausrückt, auch jödiicka Truppen zwangsweise aufgeboten. Der Schriftsteller hebt es ib einen Beweis besonderer Gottlosigkeit hervor, dass er sie, Dreilick Tergeblich, zu zwingen versucht, den Judas wahrend der Sabbili- ruhe zu überfallen.*) Von diesem jüdischen Aufgebot weiss du 1. Makkabaerbuch nichts; gleichwohl ist die Nachricht sicher ricbtif und nicht ohne Bedeutung. Zur Ergänzung dient eine andere ebenfalls nur im 2. Makkabaerbuche vorhandene, dass nämlich Ni- kanor, nachdem er mit Judas das Abkommen geschlossen, seine Httlfstnippen nach Hause gehen liess.^) Man sieht also, Nikasor hatte, als der Krieg mit Judas wieder anfing, nicht genug Tmppei bei sich und nahm daher aus der Mitte der Juden einige Ver* Stärkungen mit. Jetzt erklart sich auch seine Niederlage; denn es ist leicht begreiflich und man liest es sogar zwischen den Zeilen des Berichtes, dass die jüdischen Soldaten nicht gegen ihre Landi- leute fechten wollten, sondern ihn verliessen oder zu Judas flbe^ liefen. Das 1. Makkabaerbuch bat dies absichtlich ausgelaseeo, weil es dazu dienen konnte, das Verdienst und den Ruhm des jo- discben Sieges abzuschwächen, es erzählt dafür, dass Nikanor kun vor der Schlacht syrische Verstärkungen empOng,*) und sucht da« durch den Erfolg des Judas noch glänzender zu gestalten.

1) 1. Makk. 7,8.

2) 1. Makk. 7, 26.

3) 2. Makk. 14, 1 ff.

4) 2. Makk. 14, 23. Es sind die v. 14 erwähnten Bundesgenossen.

5) 1. Makk. 7, 39.

DIE BEIDEN MAKKABÄEBBÜCHEB 50t

Das Bflndniss der Bomer mit Judas Makkabäos.

Dass Judas Makkabäos, wie das 1. Makk. 8 erzählt, mit deD Römern Freundschaft und Bündniss geschlossen habe, ist neuerdings ▼on Willrich und Wellbausen bestimmt geleugnet worden.') In der That ist die dort mitgelheiite Bündnissurkunde in keinem Falle echt, sondern erst ?om Schriftsteller selbst ausgearbeitet, und die ganze Erxahlung erweckt in ihrer aufgeblähten, salbungsvollen, umsländ- licben Rhetorik nur geringes Vertrauen. Da?on abgesehen ist jedoch die Tbatsache, dass Judas mit den Römern Freundschaft schloss, so gut wie nur möglich bezeugt. Auch Josephus im Bellum ludaicum êpricht da?on*) in unverdächtiger Weise, lustinus erwähnt es') und schliesslich wird wenigstens die jüdische Gesandtschaft nach Rom îom 2. Hakkabäerbuche in einer beiläuugen und ganz unbefangenen Notiz so efwähnt, dass an ihrer Wirklichkeit kein Grund zu zweifeln vorliegt,^) zumal da auch die Zeitumstände sehr dafür sprechen. Dean Judas suchte in Rom gegen Demetrios einen Rückhalt und batte auch Grund , auf Erfolg zu hoffen ; denn die ROmer waren jeaem Fürsten durchaus feindlich gesinnt; wenn sie ihn auch an- criuionten, so haben sie ihm doch nie verziehen, dass er gegen ihren Willen auf den Thron gelangt war, und daran ist er dann achliesslich tu Grunde gegangen.

Man hat nun gesagt, mit einem Bebellen wie Judas würden die Aomer kein Bündniss geschlossen haben. Dagegen verweise ich auf ihr Verhalten gegen Timarchos, der sich als babylonischer Satrap gegen Demetrios erhob; er erhielt vom Senat eine sehr ^nmiihigende Antwort,*) und es ist wahrscheinlich genug, dass QUO sich den Juden gegenüber nicht anders verhielt. Ob nun

1) Willrich Jaden and Griechen S. 71. Wellhausen Israelitische und jü- disehe Geschichte 3. Âofl. 261. Keine Zweifel ânssern Ewald Geschichte des ^•Ikes Israel IV* 420 f. Schurer Geschichte des jüdischen Volkes 1* 171 ff.

2) BeiL lud. I § .38 an einer früheren Stelle aU das 1. Makkabâerbndi and aUem Anscheine nach von diesem unabhängig.

3) XXX VI 3, 9, denn es geht aus c 1 § 10 hervor, dass er das Bündniss Qnter Demetrios I. setzt, also nicht, wie Willrich meint, den Vertrag mit Simon ***» Auge hat.

4) 2. Makk. 4, 11 SUl 'Icaavpov rov TtaxQos EvTtohéftov rov noér^aafUvav ^''«y n^aßeiav vniq fiXias xal avfifiaxlaç n^Q ToifS 'Boffiaiavs.

5) Diodor XXXI 27* Ti/ioQx^ Spêxtp avrcûr (éitUvaé} ßainkda êîpai. ^%l im SC de TbiêbaeU z. 19 (Dittenberger »yll, 1* 300) ravra ri/itSv /uiv ^*X9v ixê$v iSeïvai idoiêv, vgl. Ewald a. a. 0.

502 B. NIESE

damals schon ein förmliches Bttndûiss mit dem römischen Volke geschlossen ward, oder ob die Gesandten der Juden nur einen freand- lichen Senatsbeschluss und eine Verwendung bei Demetrios er- reichten, darüber kann man zweifeln; denn da die BOndaissurkunde in der Überlieferlen Form unecht ist, so ist es wohl denkbar, da» der Schriftsteller ein Senatusconsult zu einem Bündnis« umgearbôtel habe. Uebrigens kommt nicht viel darauf an; denn das BflodnlH ist nicht in Wirksamkeit getreten.

Bald nach dem Falle Nikanors hatte Judas die Gesandtschalt nach Rom geschickt, ihre Bückkehr hat er vielleicht nicht mehr erlebt*); denn er ûel schon ein Jahr nach dem Siege über Ni- kanor.^) Demetrios sandte eine überlegene Streitmacht unter Bak- chides nach Judäa, Judas ward in einer Schlacht völlig geschiageo und fiel, seine Brüder und Anhänger mussten fliehen. Die G^ sandtschafl hilft uns nun, den schnellen Verlauf der Ereigoiae zu erklären. Es lässt sich vermuthen, dass Judas sich bei den drohenden Rüstungen des Königs nach Rom um Beistand wandle, dass aber Demetrios von dem Abgange der Gesandtschaft erfulir und nun mit verdoppelter Kraft und Eile handelte^ um der läsligeo und vielleicht gefährlichen römischen Einmischung durch eioeo raschen Erfolg zuvorzukommen, was ihm denn auch gekng.

Die ägyptischen Feldzüge des Antiochos Epiphaoes.

Wann und wie oft Antiochos Epiphanes nach Aegypten zog, ist immer noch streitig. Man hat drei, ja vier verschiedene Feld- züge ausgerechnet,') nicht auf Grund bestimmter Zeugnisse, soodem durch Combination abweichender Nachrichten, wobei natürlich die Makkabäerbücher eine wichtige Rolle gespielt haben. In Wahrheit jedoch hat es nur zwei Feldzüge gegeben; als classischer Zeuge dafür kann der Prophet Daniel gellen, der Zeitgenosse,^) und das- selbe ergiebt sich aus den Resten der polybischen Erzählung mit den Ergänzungen aus den Excerpten Diodors. Durch die VerkettUDg

1) Ewald Geschichte des Volkes Israel IV^ 420.

2) 2. Makk. 15, 37. 1. Makk. 7, 49. 9, 3. Wellhausen Israelitische Ge- schichte 3. Aufl. 2GI Anm.

3) WernsdorfT a. a. 0. S. 910*. zahlt vier, Clinton fasH HeU, ID 3l8f. und U. Wilcken in Pauly-Wissowas Realencyclop. I 2, 2472 f. drei.

4) Daniel 11, 25 f. Wellhausen a. a. 0. 246.

DIE BEIDEN UAKKABÄERBOCHER 503

dem gleichzeiligeD dritten makedonischen Kriege wird die Chro- ogie der polybiscben Excerpte in dieser Hinsicht vollkommen ichert

Ueber den zweiten Feldzug besteht kein Zweifel und konnte Der bestehen ; es ist sicher, dass er dem letzten Jahre des make- liscben Krieges parallel lief, und kurze Zeit nach der Schlacht

Pydna (22. Juni 168 ?. Chr.) durch die berühmte Botschaft I C. Popilius zu Ende ging. Ebenso sicher ist aber, dass der te Krieg nicht, wie man gewöhnlich annimmt,') im Jahre 170, kdern 169 t. Chr. sich ereignete.*)

Es ist kein Zweifel, dass der Krieg von Aegypten angefangen fde, wo man die Rückgabe Colesyriens forderte und diese Forde- )g mit den Waffen erzwingen wollte. Ehe man in den Krieg lg, vollzog man die Mündigkeitserklärung, die Anakleterien, des )lemaos Philomelor. Diese Feier muss 170 v. Chr. stattgefunden l>eo; denn eine achäische Gratulationsgesandtschaft aus diesem lass ging im Frühsommer 169 v. Chr. nach Aegypten ab.") Auch

kurz zuvor in Rom anlangende ägyptische Gesandtschaft, die 1 Auftrag hatte, die Freundschaft mit Rom zu erneuern, erfolgte hrsclieinlich bald nach den Anakleterien.^)

Als die ägyptischen Rüstungen drohend wurden, beschwerte b Antiochos in Rom. Zur Zeit, wo seine Gesandten in Rom trafen, hatte mittlerweile der Krieg schon angefangen. Der Senat

1) So auch Schörer Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu '. 1* 152. Wellhausen a. a. 0. 247.

2) Richtig hat dies J. G. Droysen gesehen (kl. Sehr. II 409), ebenso f. Unger, Sitzungsberichte der Münchener Akad. philosopb. philol. hist. Gl. )5 S. 247.

3) Polyb. XXVIII 12, 8. Wenn, wie man glaubt, die 2. Makk. 4, 21 ge- mten 7r^<uT0»AiJ<r«a mit den Anakleterien identisch sind, so bestimmt sich mach auch die Zeit der dort erzählten Ereignisse, die demgemäss später d, als man gewöhnlich annimmt. Der Tod des Onias u. s. w. würde dann den Winter 169/8 t. Ghr. fallen. Doch dies erfordert eine besondere Unter- iliDDg. U. Wilcken (in Droysens kl. Schriften II 440) will nach Schweig- iser (Polyb. vol. VIII 1, 428) bei Polybios die Anakleterien des Ptolemfios yskon erkennen. Allein Polybios unterscheidet nach Physkons Erbebung ts sorgfältig zwischen dem älteren und jüngeren Ptolemäos. Da er nun r nur von König Ptolemäos spricht {neçl rov ßattiXeas Uxolêfiaiov nçoa^ révTos ToU W^ttAOtc)) so kann nur Philomelor gemeint sein und es damals ' einen König des Namens gegeben haben.

4) Polyb. XXVIII 1, 7.

504 B. NIESE

aotworlete ihm, er werde den Q. Marcius beauftragea darOber nach pOichtmaBsigem Ermessen an Ptolemttos 2u adireibeo.') Q. Maro« war Consul von 169 v. Chr. und damals ohne Zweifel schoa lui Kriege nach Makedonien abgegangen; also ftUt die Getaadisdufl und der Beginn des Krieges in dieses Jahr. Dazu stimmt, te einige Zeil spüier Q. Marcius in Makedonien schon Ton deo Er- folgen des Antiochos wuaste.*)

Eine Bestätigung ergiebt die Regierungsieit des Ptoiemios Ph^fskon, der bekanntlich in Alexandrien zum König ausgerofai ward, als Antiochos in Aegypten stand und den Philometor fo Frieden und BOndniss genOthigl hatte. Physkons 1. Regieniop^ jähr ist gleich dem 12. Philometors, das vom 5. October 170 kii sum 3. October 169 lief); er ist demoach in diesem Jahre, abo vor dem 4. October 169 KOnig geworden.

Das sind klare, unanfechtbare Zeugnisse, die allein muar gebend sind; die entgegenstehenden Berichte jüngerer, mindtf- werthiger Quellen müssen dagegen zurückstehen. So lässt P(n^ phyrios^ den zweiten Feldzug zwei Jahre nach dem ersten stattfiadei. Dies ist ein Irrthum, der wahrscheinlich durch ein Missverstaodaisi herbeigeführt worden ist; Porphyrios hat die zwei Jahre, die Dich dem 1. Makkabäerbuch und Josephus, die er beide benutzt, zwiscbea den beiden Eroberungen Jerusalems liegen, auf die agyptischeo Feldzüge übertragen, was in diesem Falle ja sehr nahe lag.

Irreführend hat dann besonders Livius gewirkt^ der den ä^ tisch -syrischen Streit nicht im Zusammenhange erzählt, sondera nur gelegentlich kurz und üüchtig erwähnt, und zwar zuerst unter 171 V. Chr.,^) woraus man geschlossen hat, dass damals oder biM nachher der Krieg begann. Jedoch giebt der Historiker ao jener Stelle nur einen kurzen Ueberblick ohne jeden chronologiscben Werlh, er nimmt die späteren Enûgnisse, die er nicht enSUea will, in kurzer Zusammenfassung vorweg, und zwar bei Geiegeobeit der sladlrümischen Vorgänge, deren Bericht' sich auch in dieser Zeit durch grobe Unzuvei lässigkeil auszeichnet. Ich würde aus

1) Folyb. XXVII 19. XXVIll 1. Diodor XXX 2.

2) Polyb. XXVIll 17, 5.

3) Eusebius cliron. I 101.

4) Bei Hieronymus in Danfei. 11, 2S vol. Ill p. 1129. h) Liv. XLII 29, 5.

DIE BEIDEN HAKKABÄERBÜCIIER 505

dieser Stelle nicht oionial das zu entoehmen wagen , dass im ge- dachten Jabre die Sireitfrage in Fluss gekommen wäre.') f Im 1. Hakkabäerbüch wird die ROckkehr des Antiocbos aus

Aegypten ins Jahr 143 Sei. gesetzt, das vom Herbste 170 his zum Herbste 169 v. Chr. lief, also den ganzen Sommer 169 v. Chr. noch omfaMte. Dies ist das richtige, mit Polybios vollkommen überein- stionnende Datam des ersten Zuges. Die erste Heimsuchung der Juden wird also nach dem 1. Hakkabäerbuche 169 v. Chr. zu setzen seil. Die zweite, die Entweihung des Tempels geschah nach dem- «dben Berichte, zwei Jahre darnach im Jabre 143 Sei. und zwar in Monat Kislev, d. h. 168 v. Chr. im December. Die zweite Heimsuchung kann also nicht zwei volle Jahre, wie das 1. Makka- Iderbuch sagt, sondern nur ein Jahr und einige Monate nach der ersten stattgefunden haben. Die zwei Jabre sind nur chrooo- ^phisch nach der Jahresziffer gemessen.

Das 1. Hakbabäerbuch knüpft also, ohne es jedoch ausdrücklich ai tagen, die erste Plünderung Jerusalems an den ersten igyp* 4iKben Feldzug des Antiochos an ; ebenso bestimmt sagt nun aber éa zweite, dass sie erst bei Gelegenheit des zweiten, also 168 v. Chr. leiehehen sei,*) und berechnet zugleich die folgenden Ereignisse ^ers. Das 1. Makkabflerbuch giebt folgende Jahreszahlen: 143 Sei. -> 170/69 v. Chr. Rückkehr aus Aegypten. 1. Plünderung. 145 ' 168/7 Entweihung des Tempels am 25. Kislev. J46— 167/6 Tod des Mattathias. 148— > 165/4 Tempelweihe am 25. Kislev. Drei Jahre nach der

Verunreinigung. Im 2. Makkabäerbuche geschieht die erste Plünderung der heiligen Stadt nach dem zweiten ägyptischen Feldzuge 168 v. Chr., nicht lange darnach fier' ov noXvv xqovov die zweite Heimsuchung und Citweibung .des Tempels am 25. Kislev, und zwei Jahre spater an denselben Tage die Reinigung durch Judas.*) Da nun nach dem •3. Habkabfierbocbe die Reinigung ohne Zweifel wie im ersten in

1) Die t>eideo anderen Stellen des Li vins, die sich auf den ägyptischen ^eg beziehen, XLIV 19, 6 ff. XLV 11, 8, beide aus 168 v. Chr., weichen von ^^r polybischen Zeitrechnung nicht ab, haben also für die vorliegende Frage ^^ine Bedeotung. Aber auch diese Nachrichten müssen unter schärfste Gon- ^'^lle gestellt werden.

2) 2. Makk.5, 1 vi^r SêvriQav èfo8ov 6 lévrioxos êtç AXyvytxov iarêiXajo,

3) 1. Makk. 1, 20. 29. 59. 4, 52. 2. Makk. 5, 1. 11 f. 10, 3 ff.

506 B. NIESE

den December 165 ▼. Chr. fSlllt, so muss die EDtweihuDg m ; Jahre vorher, December 167 v. Chr. fallen. Auch diese RechnaDg ist an sich tadellos; indem Plünderung und Entweihung des Tempels ein Jahr später gesetzt werden, ist zugleich die Dauer der EntweihoDg um ein Jahr kOrzer.

Eine Vereinigung der beiden Ueberlieferungen , die jede ii sich 80 wohl zusammenhangt, wie man sie ?on apologetischer Sdte versucht hat, ist natOrlich unmöglich. Zugleich ist aber ebeiM schwer zu sagen, welche von beiden besser ist. Immer wird aber von vorne herein die des 2. Makkabäerbuchs fOr die ursprOnglicbere zu halten sein, und vielleicht wird sie unterstützt durch Josephu, der zwar ganz dem 1. Makkabäerbuche folgt, aber nur der zweites Plünderung ein griechisches Datum beigesetzt hat, Olymp. 153 Ji das Jahr, wo Antiochos zum zweiten Mal aus Aegyplen zorOck- kehrte.^ Dies Jahr stammt aus den griechischen Cbronographiei, die, wie wir auch sonst wissen, von der Plünderung des Tenpds durch Antiochos erzahlten.') Da nun nur eine Plünderung dordi Antiochos stattgefunden hat,*) so scheint es, dass die profane lieber- lieferung, vor allem Polybios, diese an den zweiten agyptiscbei Feldzug anknüpfte, also mit dem 2. Hakkabaerbuch ttbereinstimote.

Auch lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit erklären, wie die abweichende Rechnung des 1. Makkabaerbuches entstanden isU Die oben S. 458 schon erwähnte Einführung des Mattatbias b»t bewirkt, dass für diesen ein Jahr in die Geschichte eingelegt warA. wodurch dann weiter geschah, dass die Plünderung des Tempeln von dem zweiten auf den ersten ägyptischen Feldzug zurückweichet musste.

Quellen und Chronologie des 1. Makkabaerbuches.

Schlatter hat bekanntlich vermuthet, dass dem 1. Makkabäe^ buch in ganzer Ausdehnung das Werk lasons zu Grunde ü Dabei wird ein lason vorausgesetzt, der gar nicht existirt

1) Josephus Antiq, XII 248. Auch Polybios hat das Ereigniss oi»'« Olymp. 153, 1 erzählt.

2) Josephus cont, Ap. II 84, vgl. in dies. Ztschr. XXVIÜ 222 ff.

3) Die zweite Eroberung Jerusalems war keine Plünderung des Temp«^ sondern beabsichtigte die Unterdrückung des Judenthunos und wurde nicht f^B Antiochos selbst, sondern von seinen Beamten vorgenommen. Hierin sliœD**' die beiden Makkabäerbücher völlig überein.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 507

leoD nach dem einzig Torliegenden Zeugoiss hat lasoo nur die jcschichte des Judas Makkabaos bebandelt. Ausserdem wird dabei 1er Unterschied nicht beachtet, der zwischen der ersten und zweiten Salfle des 1. Makkabaerbuches besteht. Wenn also auch die Schlatter- tche Vermuthung zu verwerfen ist, so liegt ihr doch ein guter ßedanke zu Grunde. Dass nämlich fOr den ersten Theil c 1 7, lasoD dem 1 . Makkabäerbuch den historischen Stoff geliefert habe, ist bei den zahlreichen Berührungen mit dem 2. Makkabäerbuch recht wahrscheinlich, wobei dann zugleich zu sagen ist, dass jenes mit dem Stoff sehr frei und gemäss seinen besonderen Tendenzen umgegangen ist.

Für den zweiten Theil c. 8 15 fehlt es für die Quellenkritik )D jeder bestimmten Handhabe. Ich habe schon bemerkt, dass lie Erzählung viel kürzer ist und dass in ihr die syrischen An- gelegenheiten einen verhältnissmässig breiten Raum einnehmen, ivahrend das jüdische Volk in den Nachrichten stark zurücktritt; Dur die Fürsten, die Hasmonäer, ziehen das Interesse auf sich. Schwerlich konnte also eine Specialgeschichte Yon der Art lasons, {esetzt es hätte eine solche gegeben, die Quelle sein. Die Dar- itelluDg ist vielmehr so beschaffen, dass vieles oder das meiste "^ht wohl aus einer Geschichte der syrischen Könige abgeleitet cio könnte, wenn wir uns diese auch nur leidlich ausführlich enken.

Bei der Erörterung dieser Frage dürfen wir nicht an den U'onologischen Daten vorübergehen, die eine so hervorstechende genthümlichkeit des 1. Hakkabäerbuches bilden. Um sie richtig Würdigen, wird es von Nutzen sein, sie hier zusammenzustellen, ^bei ich dann hoffe, dass mir keines entgangen ist. Diese Daten '<) alle in Jahren der seleukidischen Aera gegeben, die im Herbste

2 V. Chr. begann; es sind also Jahre, die von Herbst zu Herbst tren.

"7 Antiochos Epiphanes kommt zur Regierung (1, 10).

3 Auf der Rückkehr von Aegypten nimmt er Jerusalem (1, 20). Zwei Jahre später (1, 29) im Jahre

^5 im Monat Kislev (December) Entweihung des Tempels (1, 59).

16 Tod des Mattathias (2, 70).

17 Antiochos geht über den Euphrat (3, 37).

Im folgenden Jahre 1. Feldzug des Lysias (4, 28). 48 Am 25. Kislev Reinigung des Tempels durch Judas (4, 52).

508 B. NIESE

149 Tod des Aotiochos IV. (6, 16).

150 2. Zug des Lysias und Eupators. Friede mit deo Jaden (6,

151 Demetrios 1. kommt auf den Thron (7, 1).

152 Im 1. Monat neuer Angrifl der syrischen FeMberren auf ^iie Juden (Tod des Judas) 9, 3.

153 Im 2. Monat Tod des Hohenpriesters Alkimos (9, 54). 160 Auftreten des Alexander Balas (10, 1).

160 Am LaubhQttenfest wird Jonathan Hoherpriester (10,21).

162 Vermahlung Alexanders mit Kleopatra (10, 57).

165 Demetrios II. kommt nach Syrien (10, 67).

167 Tod Alexanders, Demetrios wird König (11, 19).

170 Befreiung der Juden, Beginn Simons (13, 41).

171 Am 23. des 2. Monates Einzug in die Akra (13, 51).

172 Demetrios IL zieht nach Medien, wird gefangen (14, 1).

172 Am 18. Eiul (3. Jahr Simons) Ehrendecret der Jaden für

Simon (14, 27). 174 Anliochos Sidetes kommt nach Syrien (15, 10). Die Daten gehen besonders in der zweiten Hilfte des Buches Olier^ wiegend auf die syrische Konigsgeschicbte, es sind durchweg di^ Anfangs- und Endjahre der Könige und als solche ofifenbar ehrooo-^ graphisch zu verstehen, z. B. das Auftreten des Demetrios I. be^ deutet sein erstes Regierungsjahr, ganz entsprechend dem, welcfae^^ ihm in der echten Liste des Eusebios beigelegt wird. Es scheiiC-- mir daher sehr wahrscheinlich, dass der Schriftsteller hier dDCs== €hronik der Seleukiden, eine Art Chronographie benutzt hat Eigest— lieh jüdisch ist ausser den Daten Simons nur der Tod des AlkioM;^^ der Anfang Jonathans dagegen fallt einfach mit dem Aoliniiu- *" Alexanders zusammen; das erste Jahr des einen gilt auch fftr deo^^ anderen.

Auch im ersten Theile des Buches liefert die scleukidiidi«^*^ Geschichte die wichtigsten Daten, da jedoch schon lason too Kj^^ rene nacii Ausweis des 2. Makkabäerbuches einzelne Ereignisse ier^ jüdischen Geschichte seleukidisch datirt hat/) so kann auch er* benutzt sein, ich vermuthe z. B. , dass das wichtige Dalun der TeoipelreiniguDg ans ihm stammt. Dabei hat der Verfasser if^ 1. Makkabäerbuches mil der Aenderung des Zusammenhanges aodi einzelne Zeitbestimmungen geändert. Wie schon bemerkt, wurde

1) 2. Makk. 13, 1. 14, 4.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 509

r Tod des Antiochos in das Aûfangsjahr seines Nachfolgers ver- :t , und an Stelle des zweiten ägyptischen Feldzuges trat der (t€.') Für derartige Verschiebungen bot ja die Chronographie I ganz bequemes Hülfsmittel dar.

Tod des Onias.

2. Makk. 4, 27 ff. wird erzählt, wie der Hohepriester Menelaos, * in Gefahr stand sein Amt wieder zu ?erlieren, und auch durch t Anklage seines Nebenbuhlers und Vorgängers Onias bedroht 1*, sich desselben zu entledigen Tcrsuchte^ In Abwesenheit des >nigs gewann er den Andronikos, seinen Stellvertreter, durch schenke. Onias, der die drohende Gefahr merkte, hatte beim Heilig- em in Daphne ein Asyl gesucht, wurde aber von Andronikos rch feierliche Zusicherungen bewogen, herauszukommen und srauf umgebracht. Es herrschte darüber allgemeine Entrüstung ^ntiochien; Antiochos, der bald darauf zurückkam, theilte sie, klagte den Tod des Onias und liess den Andronikos an derselben eile hinrichten, wo dieser den Onias hatte todten lassen.

Schon Wernsdorff (S. 90) hat diese Erzählung bezweifelt. Er \t es vor allem für unglaublich, dass ein Jude das Asyl des beid- rehen Tempels in Daphne sollte aufgesucht haben. Aber dieser und ist nicht zutreffend; denn wir befinden uns noch in einer it, wo der Kampf gegen die jüdische Religion noch nicht ent- anDt war. Ueberdies befand sich Onias in einer Nothlage; er l^lte sein Leben bedroht und begab sich desshalb an einen Ort, ssen Heiligkeit allgemein respectirt war. Dies konnte ein Jude c^hl wohl thun.

Andere Zweifel äussern Willrich und Wellhausen.^) Nach ihrer ^inung ist dieser Onias derselbe, dessen Flucht nach Aegypten '%ephus berichtet und im Bellum ludaicum gleichzeitig mit der Onderung Jerusalems setzt*); er kann also nicht wohl schon ^rher in Antiochien hingerichtet worden sein. Es wird darauf ^gewiesen, dass nach anderen Berichten Andronikos desshalb hin* ^richtet ward, weil er den jungen Seleukos, den Neffen des Ad-

1) Oben S. 502 ff.

2) Willrich Joden ond Griechen 86 ff. 120 fL Wellhaosen Gott. Gel. Adz. .895 S. 951 r. Israelitische und jüdische Geschichte 3. Aafl. 243 ff.

3) Josephus belL lud. 1 31. 33.

Hennés XXXV. 33

519 S. NIESE

tiochos, beseitigte*); diese EriäUung erittaert in einigeo P«DkU^^ •Urk »D die unsere, wodurch dann der Verdacht entstuden h^^ der Tod des Onias sei nach diesem Muster erfu»deo. In YiAA^^ jedoch wird durch diesen Vergleich nicht der Tod des Obiss, sosder^r~ des Andronikos betroffen; sehr wohl kann lason um seiner &-«£ schichte mehr Interesse lu geben, den Tod des Onias willkOhrli<^^i damit in Verbindung gebracht haben.

Im übrigen bietet seine Erzählung zu Zweifeln keinen s^e- grQndeten Anlass. Wir lernen daraus, dass Onias in Antiochieo lebte; er war also nach seiner Absetzung dorthin berufen, uov seinem Nachfolger in Judäa nicht beschwerlich zu fallen und ooter den Augen des Hofes zu leben, was eine begreifliche und viel ge- (fl)te Regierungspraxis ist. Er konnte bei passender Gelegenheit leicht wieder ins Amt kommen, war also fOr Menelaos ein lastiger Nebenbuhler, dessen Beseitigung erwünscht war. Wie das aos- gefahrl ward , erzählte lason, wie er es liebte, mit aller IRhetorik. Dass z. B. Andronikos an derselben Stelle den Tod erleidet, wo er den Onias hat hinrichten lassen, ist ein bekannter Effekt; lach scheint die Geschichte vom Tode des jungen Seleukos verarbeitet zu sein. Aber dies alles berechtigt nicht, die Thatsache selbst ta leugnen. Ich erinnere an die Erzählung von den letzten Tagen des Epiphanes. Auch in ihr blüht die üppigste Rhetorik und sind einzelne Züge aus anderen Geschichten entlehnt,*) gleichwohl bleibt es wahr, dass Antiochos im fernen Osten zu Grunde gegangen ist So werden wir auch hier die Hinrichtung des Onias auf Betreiben des Menelaos in Anliochien als Thatsache hinzunehmen haben.

Der Schluss des 1. Makkabäerbuciies. J. V. Destinon hat vermuthet, dass der letzte Therl des 1. Hakka- f)äerbuches, von c. t4, 16 an, eine nachträgliche Ergänsong sei, und das Buch ursprünglich mit der Befreiung des Volkes durdi Simon geschlossen habe, und andere Gelehrte hafben sidi ihm angeschlossen.') Der Grund zu dieser Vermuthung ist die Thatsadie,

1) Diodor XXX 7, 2. Joh. Anlioch. fr. 58 {Frgm. hùt. Gr. IV 558). Ewild Geschichte des Volkes Israel IV^ 384.

2) Oben S. 497.

3) Destinon Die Quellen des Josephus S. 80 ff. Wellbanseo Israelitische Geschichte 3. Aufl. 26S. Schon vorher hat Ewald Geachicbte des Volkes Israel IV^ 436 A. 1 nach Whiston ähnliches angedeutet. Vgl. auch Hugo WUlrich Juden und Griechen S. 69 ff.

DIE BEIDEN MAKKABâERBOCHER 511

^^^st JMqphtts in der Archäologie, wo er fais dabio das 1. Makkabäer- ^^^«h so fetreuUch beoutzt hat, Dunmefar diese QoeHe urplötzlich ^^^"Wlisst. Dies kaoD oach DesüooD nur deo Grood habeo, dass die '^^aeile aufborte zu fliessen, d. b. Josephus benutzte das 1. Makka- lerbucb ohne den jetzigen Scbluss, deo erst ein spälerer hinzu- tfêgi hatte, um den Anschluss an die zu Ende des Buches ge- ^^^BDten Annalen Hyrkans herzustellen.

Dazu komneo andere Erscheinungen, die den Gedanken an

^%^«ien Interpolator nahe legen, z. B. ein gewisser Widerspruch des

^€^koD erwähnten Ehrendecrets für Simon mit der umgebenden Er-

Uihlang,') besonders die Nachricht, dass Demetrios IL den Simon

^«im Hobeapriest«r gemacht habe, weil er vernahm, dass die Römer

û«n Juden ihre Freundschaft gewährten und die jodischen Ge-

«anfUen Simons mit allen Ehren aufgenommen hätten.') Denn

Numenios, der Gesandte Simons, wird zwar vor dem Décret von

172 Sei. nach Rom abgesandt, kommt aber erst um das Jahr 174,

d. h. zwei Jahre später zurück *); da also das Böndniss mit Rom

erst damals perfect gewesen sei, so habe es im Ebrendecret nicht

erwähnt werden können.

Diese Discrepanz betritt, wie man siebt, eigentlich nur die Urkunde und kann als Argument gegen deren Echtheit benutzt werden, beweist aber nicht, dass der ganze Schluss später hinzu- gefOgt sei. Ausserdem lässt sich sagen, daas Demetrios von der guten Aufnahme der jüdischen Gesandten in Rom auch schon vor der Rückkehr derselben, die ja ungewöhnlich spät erfolgte, gehört haben könnte. Aber ich will davon absehen; denn ich glaube, dass der betreffende Satz des Décrets auf den c. 14, 18 erwähnten Abschluss der römischen Freundschaft gehen soll, und kann einen erheblichen Widerspruch nicht finden.

Sehr gewichtig sind die Gronde, die gegen Destinons Annahme sprechen; vor allem ist es die Gleichartigkeit der Erzählung, die in derselben Weise, wie die frühere, mit allerlei Urkunden und Jahreszahlen versehen ist, und die völlige Uebereinstimmung der Scihlusscapitel in Sprache und Tendenz mit dem frdheren Theile des Buches. Die Verherrlichung Simons und seiner Söhne, die im Ehrendecrei ihren Höhepunkt erreicht, durchzieht, wie oben

1) Vgl. GrimiDS Gommentar 219 ff.

2) 1. Makk. 14, 40.

3) 1. Makk. 14, 24. 15, 15.

33*

512 B. NIESE

bemerkt, das ganze 1. Makkabäerbuch ; der venneiDÜiche Fortsetier mOsste also ein Mann genau desselben Geistes, derselben Art ge- wesen sein, wie sein Vorgänger, was höchst unwahrscheinlich ist.

Das kräftigste Argument Destinons liegt in der Beschaffeoheil des Josephus. Gewiss ist es aufTallend , dass dieser mit der Re- gierung Simons das 1. Makkabäerbucb verlässt, aber dieser Dmstand gestattet schwerlich so weit gehende Schlüsse. Es braucht nicht dessbalb geschehen zu sein, weil das 1. Makkabäerbucb^ die bisher vorwiegend benutzte Quelle, zu Ende ging, sondern dessbalb, weil Josephus zu einer anderen, übrigens schon vorher gelegentlich be- nutzten grilTy nämlich zu seiner eigenen früheren Darstellung io der Geschichte des jüdischen Krieges. Dieselbe ist anfänglich sehr kurz und summarisch, dagegen mit Simon wird sie ausführlicher und enthalt, wenn auch in kürzerer Fassung, alles wesentliche wt8 man wusste. Es ist daher kein Wunder, wenn der Historiker tod dieser Zeit an statt des 1. Makkabäerbuches sein eigenes Werk lu Grunde legt, wobei er aber jenes nicht ganz vergass. Denn es ist nach meiner Meinung ein Irrthum, wenn man meint, dass er die letzten Capitel des 1. Makkabäerbuches gar nicht benutzt hibe. Die Nachricht vom Bündniss Simons mit den Römern, die sich im BeUum Judaicum nicht ûndet, ist gewiss von dort her entlehnt worden.')

Die Destinonsche Hypothese ist später von Hugo Willrich^ dahin erweitert worden, dass der ganze zweite Theil des 1. Makka- bäerbuches uns in interpolirter Gestalt vorliege und dass vor allem die zahlreichen Urkunden theils durch den Uebersetzer interpolirtf theils nach späteren Mustern in herodischer Zeit eingefügt worden seien. Dieser Vermuthung fehlt es an jeglicher Begründung; Will- rich begnügt sich damit auszuführen, aus welchen Quellen ein solcher Bearbeiter die Urkunden vielleicht hätte nehmen können'); die Hauptsache, der Beweis der Interpolation fehlt gänzlich und

1) Josephus Ant XIII 227. 1. Makk. 14, 24. 15, 15.

2) Juden und Griechen S. 69 ff.

3) Willrich glaubt (S. 72), dass es eine Sammlung von jüdischen Ür* künden gab, aus der Josephus die seinigen entnahm. Aus dieser Sammlangt vermulhet er, sei das Verzeichniss der Städte 1. Makk. 15, 23 geflossen; deoo diese Städte finden sich z. Th. in den Urkunden bei Josephus, z, Th. lOch unter den von Herodes beschenkten Gemeinden, und darnach habe der Fälscher seine Liste gemacht. Die Uebereinstimmung ist in M^ahrheit recht unvoll- kommen und beweist gar nichts, da es sich um bekannte Orte handelt.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 513

DD auch schwerlich geliefert werdeo; denn Id Wahrheit bilden I Urkunden, mag man auch Ober ihre Echtheit denken was man II, einen wesentlichen Bestandtlheil der Erzählung und können ;ht entbehrt werden; wenn man sie sich fortdenkt, so bleibt ;ht viel übrig.

Offenbar ist Willrich hauptsächlich desshalb auf seinen Inter- lator verfallen, weil er den Verfasser des 1. Makkabäerbuches ' einen zuverlässigen, ehrlichen Mann hält, dem man falsche Ur- nden nicht zutrauen dürfe. Er iheilt das allgemeine so günstige rurtheil für das 1. Makkabäerbuch, das sich, wie ich gezeigt zu [)en glaube, bei eindringlicher Betrachtung nicht bewährt.

Der Bericht des Josephus.

Josephus hat bekanntlich zwei verschiedene Erzählungen der ikkabäischen Erhebung hinterlassen, eine frühere im Bellum lu- \cum, eine spätere in den Antiquitäten. Ich versuche sie im chfolgendeu zu charakterisiren.

Die Erzählung des Bellum Judaicum beginnt I 31 mit den lischen Parteikämpfen unter Antiochos Epiphanes, mit der Ver- istung des Tempels und der Verfolgung der jüdischen Religion, s als ein Ereigniss zusammengefasst wird. Die folgende Ge- lichte von der Erhebung bis zur Regierung Simons und weiter im wesentlichen eine Geschichte nicht der Juden, sondern der smonäischen Fürsten. Bemerkenswerth ist, dass gleich der erste, ittathias, als richtiger Herrscher erscheint, der die fremden Be- inger vertreibt, das Fürstenthum erlangt und bei seinem Tode m ältesten Sohne Judas hinterlässt.*) Wirksamkeit und Erfolge 9 Hattathias werden offenbar stark übertrieben; ich sehe natürlich ron ab^ dass seine Existenz etwas zweifelhaft ist, aber aus dem Makkabäerbuche geht doch zur Genüge hervor, dass ihm weder i Vertreibung der Makedonier noch eine eigentliche Herrschaft igelegt werden kann.

Weit ausführlicher ist die Darstellung der Archäologie XII 7 ff. Hier ist von § 240 ab das 1. Makkabäerbuch ausgiebig nutzt, oder vielmehr zu Grunde gelegt worden, wie allgemein

1) UaçeX&wv de ano jrjs avnQoyias êU dwaaxeiav nal 8tà irjp ânttX' taßvjaTtp Tcjv naî8cav xaraXéTttov rr^r aQXTi^ I § 37.

514 B. MESE

aoerkaoût wird. Weniger beachtet ist, dass Josephus tugleich seioc frühere Erzähluog hioeiogewirkt hat. Aufs dentlichste erkennt man es § 270. Hier wird berichtet, wie Hatlathias und seme nsit Opfer* messern bewaffnelen Sohne herbeieilen und den abtrSnnigen Juden, der nach dem königlichen Befehl heidnisch opfert, erschlagen. Jedoch an der entsprechenden Stelle des 1. Makkabaerbucbes ist weder von den Söhnen noch von Opfermessern die Rede; beides findet sich an der parallelen Stelle des jüdischen Krieges und ist ohne Zweifel von da geholt*)

Aehnlich erklärt sich eine zweite Erscheinung. Nach dem^

1. Makkabäerbuche zerfällt die Judenverfolgung des Antiochos be

kanntlich in zwei Abschnitte.') Zuerst wird Jerusalem mit deor» Tempel von Antiochos nach dem ersten ägyptischen Feldzuge er ubert und geplündert, zwei Jahre später folgt der zweite Akt; û^r König schickt seine Beamten und Soldaten, und lässt durch sie üi«s Stadt verheeren, den Tempel schänden und die jüdisclie Religioo verbieten. Josephus Antiq, XU 246 ff. unterscheidet zwar gleieb— falls diese beiden Executioneu, lässt aber auch zur zweitei Ver- wüstung den König in Person erscheinen. Vielleicht ward er dabei von den griechischen Chronographen, von denen oben die Redics war, beeinûusst, aber vor allem wird es auch nach BMum lud, 1 32 ff. geändert sein; denn hier, wo überhaupt alles in einen Ai^t zusammengedrängt wird, nimmt Antiochos auch die Entweihui&S des Tempels und die Verfolgung der jüdischen Religion selber

1) Âni. XII 270 &vfito&8ls ô Marra&ias œçfitjaev in' avtov fitrà tck^ naidtav è%ovt<av xoniSaç xal avtév re ixeXvot^ SU^&ê^QUP neà tov 9X^^»^ ifiyov 10V ßaOeXetos jéneXXrjVf vS inrjvâyxal^ty^ Bu%çrjifaro fiex* ollymv #t^^' tianœv xai tov ßcofiov xa&eXœv àvéxQayiv htX, Anders 1. Makk. 2, 2 '4' xai eîSe Majzad'iaç xai é^r^Xcaae xai irQo^rjaav ol vBfpqoi avrov »ai àm^' vByxB d'vfxov xaro to x^ifia xai 8çafi(ùv icr^a^av avrov inl tov ßtaft^^i xai rbv âvSça jov ßaailetoi lov àvayxa^ovra &v8$tf anéxTBwtP ht xatoo) èxeivoj xai tov ßoifiov xad'sïlB .... xai àviMQa^ê xtX. Bell, ImL I S^ Mairad'iaç yovr .... awaanicsai fiBxà x^^QOS oixBiaç^ 7fâ$rtê yàq vUt6 Tfiftif' avTo)^ xoTtîotp àvaiçBÏ tbv BaxxiStjv. Ich habe sogar den Verdacht, dan der Name Âpelles, den Josephus ebenfalls allein hat, nichts ist als eine Vff- besseruiig des früheren Berichtes; denn ßakchides, das sah Josephos aus dem weiteren Verlauf der Geschichte, war nicht am Platze. Es ist ihm wohl ZQ- zutraiicn, dass er dafür nach eigenem Belieben einen anderen Namen eingesetxl .'iHi. A[iders urlheilt Destinon, die Quellen des Fiav. Josephus S. 6S.

2) 1. Makk. 1, 20. 29. Dasselbe gilt vom 2. Makkabäerbache.

DIE BEIDEN HAKKABÄERBÜCHER 515

r-.*) Wörtliche Ankläoge bestätigen diese Anoahrae.^) Auch scheiot »C, d»8 XU 373 der HeMeotod Eleazars nMhr oach Bill. lud. I 42 sablt ist als Dach i. Makk. 6, 43.')

Nicht mioder beweiskräftig ist folgender Fall. Dem 1. Makka* Ltsrbuch ist, wie schon erwähnt, eine eigentliche Herrschaft des altatbias nicht bekannt. Die Gläubigen schaaren sich um ihn, ^^ von einer Wahl zum Vorsteher des Volkes ist keine Rede, ad nicht so sehr Hattathias tritt handelnd hervor, wie die Ge- inanlheit der Gläubigen: es heisst (c. % 45): xa^eÜLov tovç ßan o-vç, n€çUt€fâov, iäiw^avj avreldßovTO. Dagegen bei Josephos rscheint Mattathias als gewählter legitimer FOrst,^) alles geht von im aus, er stürzt die Altäre um und befiehlt die Kinder zu bt- stioeideD,*) und ab er nach einjähriger Herrschaft stirbt, Ober- immt Judas von rhm die Regierung.*) Josepbas hat, wie man iebt, die Darstellung des BeU. Ind. dem 1. Makkabäerbuch aufge- Aropa, um auch in den Antiquitäten den ersten Hasmonäer als echtmässigen Forsten erscheinen zu lassen«

Ich darf zugleich daran erinnern, dass Josephus bei Judas 'akkabäos ganz ähnlich das Herrscheramt, die forstliche Stellung mehr Nachdruck betont hat als seine Quelle. Er läset ihn be- ^Qntlich, wovon das Makkabäerbuch nichts weiss, als Nachfolger ^ Alkimos zum Hohenpriester gewählt werden, und hat, um dies ' erreichen, die Überlieferte Erzählung abgeändert Alkimos, der Wirklichkeit den Judas überlebt hat, stirbt bei ihm mehrere ^bre Torher zu Lebzeiten des Makkabäos, und durch Verschweigung ^er Jahreszahl hat sich Josephus weiter bemOht, seine WillkOhr ^ gut wie möglich zu verbergen.^) Josephus ist nichts weniger

1) Dies erklärt sich aus der Kürze des Berichtes; in den Worten koI ^^^Hxi^Tji 6 nê/u^êlQ vn'' *Avrt6xov fpwfacgoc (1 35) ist flbrigens noeb eine ^^chte Spur des richtigeo erhalten.

2) Es heisst § 2&5 ol dotufuireno* wie Bell lud, I 35.

3) Denn Josephus erzählt beide Male, dass Eleasar irrig geglaubt habe, ^<*r König sitze auf dem Elephanten, während nach 1. Makkabäerbuch dies ^ITeDbar wirklich der Fall war.

4) j4nL Xn 275 Mànàivoif âçxo^^^t amiSaiSttp.

5) § 278 T0V6 ßofßiOvQ na&alXêv . . . xovê ov nê^iVêx/trffUrmn ittikiv^e

6) § 279 â^ias iviavTov. § 285 Budiiaxo di Ttjy nQOCxaalav wu 7[(faYfidxo»v 6 naii aixov ^lovdaç.

7) ^ntiq. XII 414. 434. Vgl. Destlnon, die Chronologie des Josephos 29 f. meine Ausführungen in dies. Ztscbr. XXVIII 218.

516 B. NIESE

als eiü automatischer Abschreiber seiner Quellen; er hat in deo Antiquitäten seine frohere Darstellung im Bellum ludaimm niete^ gessen, sondern sie mit verarbeitet und dazu auch eigene Âende rungen nicht gescheut.

Darnach ist nun auch die Vorgeschichte der makkabüischen Erhebung zu beurtheilen, wie er sie giebt (XII 237 ff.)- Die Sache liegt hier minder einfach, weil er weder das 1. Makkabäerbuch noch den jüdischen Krieg benutzen konnte, die beide von lasoD und Menelaos nichts wissen ; nur Onias und die Tobiaden werden im jodischen Krieg erwähnt,') alles Qbrige muss aus anderer Qoelle stammen. Wahrscheinlich war es nur eine kurze summarische Nach- richt, deren Ursprung kaum zu ermitteln ist. Vielleicht ist sie im Anschluss an die Hohenpriesterliste zu ihm gelangt,*) und in letiter Hand wird sie auf das 2. Makkabäerbuch, unsere Hauptquelle, zurückgehen. Aber Josephus selbst kann dieses hier nicht benotit haben, da er zu sehr abweicht und ein seltsames Gemisch tod Wahrheit und Dichtung hergestellt hat. Er hat offenbar tod deo feindlichen Brüdern Onias und lason gehört, ebenso vom Streite zwischen lason und Menelaos. Die beiden Paare nun ferbinden sich bei ihm zu einem, wodurch Menelaos und Onias in eine PersoD ▼erschmelzen. Zugleich erscheint ?or lason ein zweiter Ooias, so dass die im 2. Hakkabäerbuche überlieferte Priesterreihe, Ooias, lason, Menelaos, immerhin auch bei Josephus herauskommt. Aus dem jüdischen Kriege sind ferner die Tobiaden eingeflochten, wie dort als Bundesgenossen des Antiochos, aber sonst mit reränderter Stellung, da sie nicht mehr Gegner, sondern Freunde des Onias sind. Das ganze ist offenbar eine willkürliche Contamination einer stark verkürzten Ueberlieferung und kann, wie man schon richtig erkannt hat, eigenen Werth nicht beanspruchen.

Ueber die Anfänge des Aufstandes kommt also bei Josephus nur das Bellum Judaicum in Betracht, und dies ist eine Erzählung, deren Ursprung sich nicht ganz leicht bestimmen lässt. FrOber habe ich griechische Ueberliererung zu erkennen geglaubt, uod fDr manche Theiîe trifft dies gewiss zu, aber die Erzählung hat dabei doch ganz jüdische Färbung. Schon die Bezeichnung der Gegner als Fremde, aXkucpvXoL^^) ist charakteristisch. Sie stellt die Juden

1) Antiq. XII 239 f. Bell, lud, I 31 f.

2) Wie die kurzen Notizen, die sich Ant, XV 41 und XX 235 fiodeo.

3) 1 37 8i(t jr^v n7taV.ayr;v xciv àXh)<f\Xo}%',

DIE BEIDEN MAKKABÄERBGCHDR 517

1 ihre Forsten von der fortheilhaftesten Seite dar. Die Stand- ligkeit des Volkes gegen die Bedrückungen wird ?iel starker *forgehoben, als z. B. im 1. Makkabäerbucbe. Von den zahl- chen Abtrünnigen ist keine Rede.') Auch zeigen sich deutliche aren jüdischer Ueberlieferung. Josephus lässt die Verwüstung i Heiligthumes nicht drei Jahre dauern, wie im 1. Makkabfler- ch erzahlt wird, sondern 3V2 Jahre.") Diese 3V2 Jahre stammen DB Zweifel aus dem Propheten Daniel'); denn dieser verkündete, BS die Entweihung des Tempels dauern sollte xaiçov xol xaiQovg à rjfiiav xaiQOv,*) die letzte Hälfte der letzten Jahrwoche bis zur lOsuDg und Wiederherstellung. Und der Heldentod Eleazars, der 12 mit besonderem Nachdruck erzählt wird, ist sicherlich direct oder direct dem 1. Makkabäerbucbe (6, 43) entlehnt, dem die Darstel- Dg möglichst genau entspricht. Auch anderes, wie der Ruhm der ophelischen Gaben Hyrkans*) macht durchaus nicht den Eindruck llenischen Ursprunges. Wenn also griechische Ueberlieferung nutzt ist, so ist diese jedenfalls mit jüdischen Elementen durch- tzt und von jüdischer Hand bearbeitet. Und zwar darf Josephus Ibst als der Bearbeiter angesehen werden. Der Ton der Er- Uung entspricht ganz seiner apologetischen Tendenz, mit der sich überall bemüht, die Vergangenheit seines Volkes möglichst »ig zu malen. Das Hervortreten der hasmonäischen Fürsten, in- iderheit des Mattatbias, ist seiner Person und Herkunft vollkommen gemessen; denn er stammte selbst mütterlicherseits von ihnen und blickt mit Stolz auf die hasmonäische Periode der jüdischen schichte zurück.^ Auf die Zeit des Josephus weist es auch tick, wenn gleich zu Anfange Onias als einer der Hohenpriester

1) 1. Makk. 1, 52. Dagegen Bell. lud. I 35 n^os a narre« fièv r,nBi- *w^ iatparrovro di oi doMi/nuxaxoi.

2) Bell, lud. I 32. Ebenso § 19 und V 394.

3) A. Bûchler Die Tobiaden and die Oniaden 122. Vgl. Ewald Geschichte Volkes Israel IV» 406 A. 3.

4) Daniel 12, 7, vgl. 8, 10 ff. 24 ff.

5) BeU. lud, I 69.

6) lotephi vita § 2 vndçx"^ ^^ ^lai rov ßcunXtxov yivovi ino t^c ^17- c oi yàç 'Aaaftmvaiùv naîdeSj car iyyoroQ ixêlvrj^ tov è&rovQ rjfttüv ini iéorov x^^^^^ Ti(fx^a^àxBvaav %ai ißaciXevaav, Man beachte diese Worte; Tendenz, der hasmonäischen Dynastie ein möglichst hohes Alter zu geben, ^t in ihnen.

7) Bell. lud, I 31.

518 B. KIESE

elç Jijjv OLQxuQéiuv bezeichoet wird , was maocheni schM va* gefallen ist; deon dies eotspricht nicht der älteren Ordnaag, noid aber dem Zeitalter des Josephus; denn aus ihm wie ans den Eni- gelien wissen wir« dass damals die Hohenpriester eine besonder« Classe innerhalb des Priesterstandes bildeten, aus der die nsok wechselnden amtirenden Hohenpriester genomonn wurden.') Den- gemäss ist nun der Werth der Darstellung im BMitm ludaicmm m ermessen; es ist eine kurze« patriotisch g«f2R*ble Uebersicbt wesenl- iich jüdischen Charakters, die zwar auch Stocke aus griechischer, unparteiischer Quelle enthält, aber auf alle Fälle mit Kritik beootit werden muss.

Hat Josephus das 2. Makkabäerbuch gekannt?

In den besprochenen Tbeilen der josephischea Archäoisgie finden sich noch andere Stellen, die weder auf das 1. Makkabie^ buch noch anf den jüdischen Krieg zurückgeben. Darunter tmi einige nicht unwichtige Ergänzungen zur syrischen Geschichte, die auf griechische Geschicblswerke zurückzuführen sind,^ ferner iick einige Dinge, die sich mit dem 2. Makkabäerbuche berOhren otri daher auf einen Einfluss dieser Schrift oder des lason von Kjreae zurückgeführt werden können und zurückgeführt worden siad.^ Demetrios I. landet z. B. nach XII 389 im phOniziscben TripoiiSi was sich nicht im 1., wohl aber im 2. Makkabäerbuch fiodel,^ es kann also dalier entlehnt sein, braucht aber nicht; deoo cf kann aus griechischen Historien stammen, wie es sich, in derTbK heute noch bei Porphyries u. a. findet.^)

Ueber XU 237(1., die Vorgeschichte des Aufstandes habe ich schon gehandelt. Dass sie in letzter Hand auf das 2. MakkabM^ buch oder lason zurückgeht, ist wahrscheinlich genug, zugleich ist

1) Belege sind sehr zahlreich, z. B. BßlL lud. IV 151. 160. Ant, XX 180 heisst es : è^dnxÊTou neu roU à^x^Q^vin exacts nçoç xovç ia^àis, Schûicf Geschichte des jüdischen Volkes IP 214.

2) Z. B. XII 402 die Notiz, dass Nikanor dem Demetrios aaf der Flodit von Rom beigestanden habe, was sich im 1. Makkabäerbuche nicht findet nod mit Polyb. XXXI 22, 4 sUmrot. Vgl. Destinon Die Quellen des FL JoMpbis S. 60 If., wo eine sorgfältige Vergleichung vorgenommen wird.

3) Vgl. Grimm Exeg. Handb. IV 20.

4) 1. Makk. 7, 1. 2. Makk. 14, 1.

5) Euseb. chron. I 253. Umgekehrt kann die oben erwähnte Nacbriekt über Nikanor sehr wohl bei lason gestanden haben.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 519

»er XU TerDiutbeo, dass diese Quelle dem Joaephus oicbt unmittelbar irgelegen bat« sondern durch Vermittelung einer kürzenden Be- "beitang.

Da Josepbus bei dieser Gelegenheit vom Hohenpriester Henelaos cqurochen hatte, Ton dem das 1. Makkabäerbuch ja ganz schweigt, I ist angemessen, dass er später^] auch sein Ende erzahlt, und ivar im wesentlichen wie 2. Makk« 13, 3 ff . Nur wird es an an- nrer Stelle eingefügt und die Beschreibung des Todes fehlt ganz, ifilr wird die Ernennung des Alkimos hinzugesetzt, die sich im . Makkabäerbuche findet. Eine Entlehnung aus dem 2. Bfakka- lerbuch oder aus lason wird hier schwer abzuweisen sein; denn n NichtJude hatte dieses Ereigniss schwerlich so erzählt. Die iweichende Einfagong mag sich daraus erklären, dass Josepbus m Geschichte in eine anders geartete Darstellung einftlgen musste, eigentlich kein Platz dafür war. Die nähere Beschreibung der inricbtuiig des Meoelaos im feurigen Ofen kann er ferner als iehl geeignet bei Seite gelassen haben. Es ist aber auch möglich, elleicht sogar wahrscheinlicher, dass Josepbus den lasoo nur durch ermitteinng einer anderen Quelle benutzt habe. Sehr zu beachten I ferner, dass der Tod des Menelaos bei ihm sehr eng mit der lacht des Onias nach Aegypten verknüpft ist, und dass die Quelle, te das eine brachte, auch wohl das andere erzählte. Wie man cfa das auch vorstellen mag, dass die Erzählung aus lason stammt, C in hofaem Grade wahrscheinlich.

Ein fernerer Zusatz des Josepbus zum 1. Makkabäerbuch betrifft ie Ballung der Samaritaner am Garizim Arch, XII 257 264. Die- dben sagen sich von den Juden los, zeigen dies dem KOnig in mtm wörtlich mitgetheilten Schreiben an und bitten ihn, er möge inen erlauben, den Gott ihres Heiligthumes Zeus Hellenios zu Boeonen, was der König in einem ebenfalls wörtlich mitgetheilten riass an Nikanor gestattet. Dies deckt sich mit 2. Makk. 6, 2, 'onach Antiocfaos den Tempel auf Garizim auf Ansuchen der Um- obner dem Zeus Xenios zu weihen befahl.') Natürlich ist die •iokleidung der Erzählung bei Josepbus das Eigenthum dieses üstorikers; denn sie entspricht ganz dem, was er wiederholt von

1) ^n^'^.XlI 383 ff., vgl. XX 235.

2) 2. Makk. 6, 3 na&eis èvstvyxavov ol toy ronov otxoîvrae; denn *^nvyxf^*'<>y wird für das überlieferte, aber sinnlose éxvYxavov zu lesen sein.

520 B. NIESE

den Samaritanern gesagt hatte , zuletzt XI 341 ff.« wo aie ebenso, wie hier als Sidooier in Sichern') bezeichnet werdeD.

Sehr bemerkeDSwerth siod die beiden Schreiben; sieeriancn stark an die im 2. Makkabaerbuch c. 1 1 eingelegten, oben besprocbeiMi Aktenstocke, und es sdheint mir aus diesem Gmnde wahrscheinlick genug, dass Josephus sie aus lason entlehnt und dann selbstäDdif seiner Erzählung eingefügt hat.

Die Schreiben selbst zeigen alle Merkmale der Echtheit, nl wer an eine Fälschung glaubt, muss jedenfalls einen kuadign Fälscher annehmen. Im ersten Stock ist die Betitelung des Konp ßaaiXel ^Avxioxtf ^ê(p iniçaveî tadellos und entspricht seiMi zahlreichen MOnzaufschrifleu.*) Auch der Name Sidonier in Sicheii den sich die Samariter beilegen , passt nicht Obel in diese Zdt Wir bemerken, wiederum nach den Münzen, dass unter Antioeh« Epiphanes sich ein gewisses Nationalbewusstsein der PhOnizierregt. Damals beginnen die phOnizischen MOnzaufschriften, Laodikeia ib Libanon nennt sich ,Mutter in Kanaan% Tyros ,Mutter der SidoDia't und auch Sidon legt sich ähnliche phOnizische Ehrentitel bel^ Diesen Vorstellungen und Gesinnungen entspricht es, wenn Uer die Samariter, um alle Gemeinschaft mit den Juden abzulehaa« Sidonier, d. h. Phönizier von Sichem zu sein behaupten. Der Konif in seiner Antwort fOgt, ebenfalls dem Amtsstil entsprechend, seile Titel nicht bei.^) Aber sehr auffallend ist zuletzt das Monatsdatoo fÀrjvoç ^ExaTOfißaiüjvoc 'Ygxaviov ôxTwxaiôexàTf]. Schon b^ merkt ist, dass der attische Hekatombäon uns an die Vorliebe de$ Königs für Athen erinnert. Ein König, der den attischen Urkaodeo* Stil in Antiochien einführt, kann recht wohl attische Monate dorthio verpflanzt haben.^) Mit dem Hyrkanios freilich, der daneben steht. weiss ich nichts anzufangen; dies ist ein Räthsel, das sich boffeot- lich noch einmal lösen wird. Jedenfalls ist diese Datirung so eigen* artig, dass man sich schwerlich entschliessen wird, sie einem FJÜscbtf zuzutrauen, und von dieser Seite steht nichts im Wege, die D^ künde aus lason abzuleiten.

1) Ol dv ^ixi/jLOtç ^éSojv^ê Ant. XI 344.

2) Babelon rois de Syrie 67 ff.

3) Babelon a. a. 0. 84 ff.

4) § 262 ßaaiXevs lévrioxos Nixâvoçi,

5) Oben S. 483, wo über den ebenfalls singulären Monat Dioskorifltü« t^

wurde. 1 l

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 521

Eioe schwächere Spur findet sich XII 274. Hier wird erzählt,

die FeldherrD des Antiochos eioe Schaar Juden am Sabbat jner Höhle überrascht und ohne Gegenwehr verbrannt hätten.

stammt aus 1. Makk. 2, 38, mit einer Ausnahme; ?on Ver- neo wird dort nichts gesagt, wohl aber im 2. Makk. 6, 11, lieselbe Geschichte in etwas anderer Umgebung berichtet wird.') D also nicht der Zufall gespielt bat, so scheint dem Josephus

Erinnerung an die Version lasons in die Feder geflossen zu Endlich kann das Hohepriesterlhum des Judas, das wir zuerst losephus finden,^ recht wohl aus dem 2. Hakkabäerbuch ent- len sein, wo Alkimos beim Könige Demetrios den Nikanor huldigt, dass er Judas an seine Stelle gesetzt habe.') Aus sr Anklage konnte gar leicht die Nachricht entstehen; es lag »elt nahe, wenn man ohnehin, wie Josephus es thut, den Judas ISO als richtigen Fürsten der Juden auiïasst, wie später Jonathan Simon es waren.

Um also das Gesagte kurz zusammenzufassen, so lässt sich Recht behaupten, dass lasen von Kyrene oder das 2. Makka- bucb auf Josephus und seine Erzählung eingewirkt hat^ jedoch iger durch eigene unmittelbare Benutzung als durch spätere Ver- slung. Es wäre wohl denkbar, dass aus lason manches in die :hischen Historien, wie Nikolaos von Damaskos, eingedrungen ^ und auch auf den kurzen Abriss des BeUum ludaicum könnte diesem Wege lasons Erzählung Einfluss gewonnen haben.

eiträge zur Textkritik des 2. Makkabäerbuches.

Schon bei flüchtiger Leetüre der Makkahäerbücher kann man überzeugen, dass für die Herstellung des Textes noch nichts ' fast nichts geschehen ist. Der gewöhnliche Text, wie ihn grosse Oxforder Ausgabe von Holmes und Parsons^ Tischendorf . bieten, ist offenbar ziemlich zußQlig und willkührlich ent- deo. 0. F. Fritzsche^) will besseres leisten, hat aber den Text ' verschlechtert, dazu den Apparat der Oxforder Ausgabe so Igelhaft excerpirt, dass kein Verlass auf ihn ist. Die Commen-

1) Vgl. Geiger Urschrift S. 229.

2) Jnliq. XII 414. 419. 434.

3) 2. Makk. 14, 26 : ror yà^ inißovhtv t^6 ßaaiXsias avxov *Iovday ^ diâdoxov àvaiéBêix^v.

4) Libri apocryphi Fet. Test, gr, Leipzig 1871.

522 B. NIESE

tare geben fOr die Textkritik beinahe gar niohtt am. Endbh die neue Cambridger Ausgabe') giebt keine neue Reeenaioo, aeoin nur eiuen Abdruck des Codex Alexasdrinna mit den Variante ds Sinaiticua und Venetua. Dies ist gewiss «n verdienslilâehea ^feik, jda jedoch der Alexandrinus hier sehr viele Fehler hat, so ist éer Text kaum zu geniesse«.

Die handschriftlichen Holfmittel sind fOr die MakkakierbOéa insofern minder reich, als der Vaticaous «usßlllt «nd unteren altes Uncialhandschriften nur der Alexandrinoe fsrhanden ist aehi dem Sinaiticus, in dem jedoch nur einige Stücke des 1. flachs erhalten sind. Im ttbrigen fehlt es nicht an kritischen fluifanttda eine syrische und eine lateinische, fOr das 1. Makkabäerbudi Mp zwei lateinische Uebersetzungen und eine Menge jüngerer gnecbiacke Handschriften sind vorhanden.^ Unter letzteren ist der älteste de Venetus Gr. 1, eine Handschrift des 8. 9. Jabrinnderts, dieai ein Original des 6. zurückgeht.') Sie ist offenbar die beste m allen und giebt in vielen SUlcken die älteste Ueberiiefemog irieder Neben ihr ist die Gruppe der Lucianischen Recension bemefkeai werth, die Handschriften n. 19. 62. und 93/) die eine werliifil Ergänzung zum Venetus bilden. Diese und andere Handschriftei dürfen desshalb, weil sie jünger sind, neben den tJndalcodioe doch nicht vernachlässigt werden; zwar ist für eine Handsckril hohes Alter immer ein Vorzug, aber wer auf diesem Gebiet éaif Erfahrung besitzt, weiss, dass hier der Spruch gilt: Alter scbQtitf« Thorheit nicht, wovon der Alexandrinus ein leibhaftes Exempel !$>

Der Text des 1. Buches hat ein günstigeres Schicksal gebil) als der des zweiten , ist aber natürlich nicht fehlerfrei , hat and Recensionen und Emendationen erfahren. Neben den Handsdliriftei und Uebersetzungen giebt es noch ein wichtiges kritisches HtAi mittel in Josephus, der als ältester Textzeuge gelten kann. ScIm längst hat man z. ß. gesehen, dass 1. Makk. 5, 66 fito- das Ober

1) The old iettamenl in Greek by H. B. Swete, vol. Ill GaiB bridge 1S94.

2) Sclîûrer Geschichte des jüdischen Volkes IIP 144.

3) Swete vol. III p. XIV. Auf den Werth des Venetus bat scIim U garde gelegentlich hingewiesen.

4) N. 19 ein Ghisianus des tO. Jahrhunderts, n. 62 eiae OxforderHs. d< 13. Jahrhunderts, n. 93 Brit. Mus. o. I D 11 des 14. Jahrhunderte. Vfl. Or ^^enis hexapL ed. Field I p. LXXXVIfî. Lagarde Theol. Lit Zelt. l«76 S. W Miltheilungen 1 122. 175.

DIE BEIDEN HaKKASÄERBGCHER 523

lieferte Zaixaquav nach AnU lud. XII 353 MoQiaav eiozugetzeo lit, was auch die ältere lateinisohe Ueberaetzung geleaeo hat/) u«d auch die anderen Abweicbungeo too unserer handsohrifdichen Oeberlieferiingf die sieb bei Jesepbus finden, verdienen ernste Be- rflcksichtigung.*)

Offenbar viel scfhiechter ttberliefert ist das 2. Hakkabflerbucb ; m wimmelt von Verderbnissen jeder Art, Dittographien , Inter- (Kklationen,') Lücken und amch Verbesserungen; denn es ist ganz «atQrUch, dass eise so ml gelesene Schrift gelegentlich auch emen- 4iit ward. Beispiele sind Hberall, z. B. gleich die beiden Anfirags- bpitel geben manches Räthsel auf. Die guten Handschriften, vor aUem dcrr Venetus, bringen an vielen Stellen erwünschte Hülfe,^) liebt selten aber versagen sie, und man muss dann zur Conjec- Unalkrkik greifen. Eünige Beispiele werden das Gesagte erläutern; icè beginne mit 6, 18 (Tm den ersten Sätzen des bertthmten Mar- Ifrioms Eleazars, die zugleich vom Zustande der Vulgata einen

I Bepiff geben können, wo sie so lauten :

[ ^ELboI^qoç %iç TÛv Ttçanevâvtwv ygafÂ^fiaréiov àrqç fjdrj

^ ^t^ßeßriKWC f^v ^liKlav xal r^v ncoaoipiv %ov Ttgoatorvov voUitiFvoç Tv^cmûv, àvttxctvtiv ^vaynaÇtro çetysîv vsiov Kçéaç. (19) 0 ôi Tov fjiBv^ êvxkeiaç ^dvarov [aUXov ^ %ov fievà fivaovç ßiof àvaÔB^o^evog ttv&atQérœç inl to xvßnavov nQoarjye,

\ ^ùJtTvaaç ai (20) xa^' ov eôei tqÔtvov TtçoaéçxsG&ai tovç ^^Oftivovtaç àfivyea^ai cJv ov ^fiiç yivaao&ai àià %fiv tc^oç *^ ^v q>ékoavoQylttP. (21) ol de Ttqoç j(p TcagayôfjKp anXayxyi- ^liif TBxayiÂévoi^ ôià rijv ix TcJf Ttalaitâv xqovwv jiqoç vov ^ÔQa yvùHjtv anokttß6v%BC avtov xar' lôlccv TcaçexdXovv^ iviy- ^Miyra Kçéa olç ko^xov ctv%ip xç^^^^^^'' ^^' av%ov naçaaxev- ^^éinga, vnoKQ^â'fjvai dh (oç ia&loy%a imè %ov ßaailewc ^f^oaxeutyuima vdh àrto wrjç Ôvalaç xQtwv, (22) ïva tovto ngajag ànolv^ tov '^avàvov wxl âtà c^y oqx^^^ nçoç av- fovç q^ikiav %vx^ tpikavô'Qbiniaç. (23) o àk Xoyio^bv àaielov

1) Anoh 1. Makk. 5, 35 laa diese UebersetzuDg mit Josephas Ant. XII 340 MêHa, («■ jéÀêfta) fur das sonst überlieferte Maatpa,

2) Z. B. steht für das verdächtige ^A^iokov des 1. Makk. 9, 15 bei Jose- phns AnL XII 429 'iSga oder Itf^a. Abweichende Ortsnamen überliefert femer Josephos Ant. XII 397. 422. XUI 26, vgl. 1. Makk. 7, 19. 9, 4. 62.

3) Einen Fat!, wo eine Randbemerkung in den Texl gelangt ist (2. Makk. 12, 45), bemerkt Gobet Far. led. 4S0.

4) Vgl. oben S. 484 fr.

524 B. NIESE

avakaßüfv naï a^iov t^ç iqXinlaç nai tijç %ov jn^QUfç vnBQOiffi xai Trjç kni%%ri%ov nal imçavovç rtokiâç xai rf^ç h, nmioç KaXXlattjç avaatQoq>tlç , fiàlkov ôk tijç aylaç xal ^«oxtîotov vofÀO^ealaç, àxokoid'wç anBq>fjvcpro raxifoç kéyîav nçonifinuf

Dieser Text ist m schlimmem Zustande. V. 18 haben die HxùA^ Schriften durchweg entweder rvyxo^^^ ^^ avaxcn^ùiv, nicht beide» nebeneinander; letzteres ist eine freilich sehr alte Comiptel, die schon der Lateiner Obersetzt hat; natürlich muss es hinaus. Id Venetus fehlt übrigens %vyxciv(ov. V. 19 muss man aus Origeo»^ TtQorjye schreiben, ferner nQoartrvaaç, das folgende dl muss mit cod. 62 ausgelassen werden, und wenn man dann mit HugoGro- tius joTtov aus xQonov herstellt, erhalt man einen leidlichen Sioi. Nur àfivveaâ'ai (a/ivvaa&ai) macht untlberwindliche Schwierig- keiten; Tielleicht ist es eine Dittographie. Jedenfalls ist klar, dais^ TOVÇ vnofÀévovraç dy ov d-éfÀiç yevaaad'ai zu Terbindeo isU Von ▼. 21 ist der erste Theil gut Terstlindlich, gegen den ScUos» aber muss de mit cod. 44 gestrichen werden und weiterhin ist mit cod. 52 dg ia^lovta ôià ta 7tçoare%ayfÂéva zu lesea oder auch nach der lateinischen Uebersetzung sicui rex miperwnS xatà Ta Ttçoav.y denn sonst würde es so ausseben, als bitte der königliche Befehl bestimmte Fleischstücke zum Genüsse tot— geschrieben. V. 23 ist für yi]Qœç (yiJQOvç Alex.) zu schreiben yi-- VOVÇ, ferner mit dem Venetus xal tfjg inixTiJTOv imqxtvBia^ Kai T^g ftoXiäg, auch vermisst man ein Object zu âneq>rifaT9^ etwa yvùifirjv oder dergleichen.

Aehnlich verwahrloste Stellen findet man überall, und oft bieten die Handschriften die schönsten, einleuchtendsten Besse-* rungen: Emendatiooeo sind hier sehr billig zu haben, und nur um das Bemerkte durch einige Beispiele flüchtig zu erlflutern, ge' stalle man mir zum Schluss noch ein paar Stellen anzuführen.

3, 15 Ol de leçeig tzqo tov ^aiaatrjçiov iv %aîg Uçd^ tmaîç oxoXalg çlipavteç kavtoig iTtexakovvzo elg ovQcnfov lOf neçl TiaçaKaja&i^Krjç vo^o&etrioavxa xoîg rtaçaxava^efiifotç raixa owa ôiaq)vla^ai. Mit codd. 19, 62 und 93 muss hier eiç ovçavov geslriclieD werden.

4, 24 heisst es von Menelaos o ôk eig éavzov xttTT^vrriO&i rr^v àçxieçwavvr^v. Der Venetus hat xaTiarrjae und daraus wird fdeTéazr.ae herzustellen sein.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBOCHER 525

4, 34 lesen wir o de naçayivofÀêvoç im %ov ^Ovlav xoî ne€€&êlç inï ôolip xaï ôê^iùç fieâ'^ oçxwv ôovç xaifteç Iv iTJCotplç KBlfieyoç 'éneiOêV Ix tov aaukov ngoslâ-elv, oy xal naçaxQT^^a naçéxXeiCêv ovx alôead'êlg to ôUaiov^ Ich will die soostigen Variaoteo übergehen, und nur bemerken, dass ohne Zweifel für das unverständliche nua^êlç aus cod. 62 nlaTeig eiozuseUen ist Das allgemein überlieferte naçixXetaev ist schwer- lich richtig; da der Lateiner (und ebenso der Syrer) peremù hat, so wird anéxTeivev herzustellen sein.

7, 18 sagt einer der sieben Märtyrer: ^fielg yàç dt* éavrovç vavTo naaxofiev è/Àaçrôvteç elç rov kavtwv d'Bov^ àib a^ia ^cevfiaa/ÀOv yéyovê. Das dio der Vulgata ist ganz schlecht be- glaubigt und muss gestrichen werden. Dafür ist mit einer Anzahl Handschriften yàç hinter a^ia einzusetzen. Ferner hat der Ve- neins a^ioi yeyovafiev, endlich ist &avfÀaafÀOv ganz und gar Dicht am Platze, sondern erfordert wird ein Wort, das Strafe be- deutet; bis ein besseres gefunden wird, schlage ich xoXaa/ioC vor; ^enn wir darnach a^ioi yàç xoXacfÀOv yeyovafiep lesen, so haben ^Hr wenigstens das was der Sinn verlangt.

7, 23 lesen wir: 6 nXdoag àvd'QWrtov yéveaiv xol nàvtfov iS^vfwif yiveaiv. Ohne Zweifel ist das erste yéveaiv zu streichen und zu lesen 6 nkaaag av&Qwnov (oder âv^çcinovg) xaï nâv- ^^*^ L y.

7, 30 ist das überlieferte Ire de tavtrjg xaraXeyovarjg (oder xorraAiyyoïîcnjç) in ravra Xsyovatjg zu verbessern. Für das fol- K^nde veavlag schreibt der Yen. besser veaviaxog.

7, 36 ol fikv yàç vvv ^fiiTegoi ad€Xq>oï ßcaxifv vaBviy- *«^>ffiç nôvav àetàov Çtoijg vno dia^ijxtiv â'ëov nenrcixaaiv. Hier ist zu ergänzen avt' ievdov ^wrjg. Auch der Anfang des ^^tses ist vielleicht nicht fehlerlos überliefert; fiiv fehlt im Ven., ^^vjr im cod. 71.

8, 3 iXêfjaai di xai trjv Kataq>&€i(fOfÀévfiv nôXiv xol niX" lovaoy laoTcedov yivea&ai schlage ich vor umzustellen xatatp&ei" feOfiivtiV TT^v néXiv. Den zweiten Theil des Verses xal %wv ^laaxovüai Ittsst der Ven. aus, vielleicht mit Recht.

8, 8 haben die Ausgaben: cvvoçwv di o OlXinnog xorcr fitKQOv eig TtQoxonfjv içxofÀevov tov iivdçaj nvxvoteçov ôk iv fcdg eififÀSçiaig nQoßaivov%a^ nçog IhoXs^aîov ïyçatpsv xtX. Hier muss nach cod. 62 und seinen Verwandten hergestellt

Bonnes XXXV. 34

526 B. NIESE

werden: avvoçwv ä' 6 OIL ov xarà fiixcov fcvxvétegov ^i tfjç sirjfiêQlaç nQoßalvovta. Philippos sah« dass Judas ni'^^^fif langsame, sondern rasche Fortschritte machte. Erst durch m^sks vorangegangene ov erhalt das äk seine Berechtigung.

8, 9 lesen wir Ntxdvoga tov %ov Ilcnçoxlov twv nQonr^MMv (plXwv aneatBilev inorà^aç nafitpiXtav ï^rj ovx iXàrr^m^ç roiv diOfiVQlwv. Hier ist offenbar mit codd. 19« 62, 64 und 93 ovra nach q)ÜL(jJv einzusetzen, und fOr das unmögliche nafiq)vL€MM9 ^&vrj aus dem Ven. ox^iov nafiq>vXov.

8, 14 ist schwer verderht; für ol ab neçileXeififié^^a ndvta inciXovv wird ol äk TteçileXeififÀivoi n. i. zu schreibeo sein. Aber auch nachher bestehen ernste Schwierigkeiten.

8, 27 heisst es neciaadc evkoyovvteg xal i^OfioXoyovfiew^oi %(p xvQlif %(^ diaawaayri avrovg sic ttjV ^fiéçav ravr^ijr açx^v iXéovç rd^awog avroîg. Nach Anleitung einiger Hand- schriften, besonders des cod. 62, wird man lesen dürfen : T(p ôêa- acüCavTi avTOvg xal t^v ^fâéçav vavTrjv açxf^y iXéovg rà^avu avTOîg. jâ^avji Qberliefern 62 und 64.

8, 30 ist jetzt unverständlich. Fritzsche liest nach dem Altf xal rolg nsQi Tifio&eov xal Baxxldrjv avvBQlaavveg vtiIq tovç ôiafivçiovç avTùiv aveïXov, aber der Venetus hat xal ol rtSQ^ Ti^o&Bov avvBQiaavrêÇy andere xal xwv tzbqI Ttfi. au^^' Qiadvtwy. In avvêQiaavTeç steckt ohne Zweifel avveyylaav^^^' Im übrigen halte ich die Ueberlieferung des Ven. für die be^^^* glaube aber, dass nach avveçlaavreg etwas ausgefallen ist.

9, 11 f. ist von Antiochos die Rede; wir lesen da: inaO^ ovv ^Q^ato %b noXv tfjg vTtBçijçaviag Xijyeiv VTCOteâ^çavafii^^^ xal Big kniyvwoiv ÏQXBO^ai &Bl<f fidatiyi xard atiyfArjv ït^^' %Bivàf4Bvoç ralg aXytjdoai. 12. xal firjôi tf^g oafitjg av^^ dvvdfiBvog dvixBO&ai ravt' Bq)rj xtX. Hier ist xa%à a%iyf^^J nicht zu erklären.*) Ich vermutbe, es ist aus einer DiltograpV^^ des benachbarten fidatiyi hervorgegangen, was dadurch untersttt ^^ wird, dass cod. 62 fiaoTiyfirjv hat. Ferner muss man mit 19. ^^' 64. 93 lesen: xal Big Irtlyvwaiv ÏQXBO&at àXrj&Blag' &^^^ yàg fÂaatiyi knitBivô^Bvog xalg dXyrjâoai xal fitjôi tijg a^^ firjg dvvdfÂBvog avéxBOx^ai xvX.

1) Grimm übersetzt ,von Augenblick zu Augenblick' als wenn uarà üt^, fitiv xQOvav da stünde.

DIE BEIDEN MAKKABÄERBÜCHER 527

12,35 liest man: Jwoi&Boç riç rwv %ov Baxi^voQOç ênnoç avrjQ xaï xaçT€QOÇ eïxeto %ov Foçylov xaï laßo- voç zijç xkaiÂvdoç rjyev avrov evQciatwç %%h Sehr wunder- ii ist xvjv rov Baxr^voQoç; voo einem Bakenor ist nie die Rede d der Name ist höchst seltsam. Sicherlich ist mit dem codd. 19. . 64. 93 zu lesen twv Tovßirjvdjy oder TwßiTjvoiv. Dositbeos lOrt zu den Tubienern, den Juden, die jenseits des Jordan wohnten. IMakk. 12, 17. 1. Makk. 5, 13.

13, 6 ist Ton dem Feuerthurm die Rede, in den Menelaos itOrzt wird ; es heisst : lv%av9a %bv Ucoavklag evoxov ovta 'Kai xtvwv aXkwv xaxwv vnegoxfiv TteTCOitjfÀévoy aTtavreç wawd^ovaiv sic oke^çov. Dies giebt keinen Sinn; denn anav- S als Subject zu nQoaw&ovai ist undenkbar. Ich schlage vor: ^av%Bg ngoia&ovaiv.

13, 16 f. wird ein nächtlicher Ueberfall des Judas auf das feind- he Lager beschrieben: xal %o réloç t^v nacefißoX^v ôiovç ti tagaxrjç inXtJQwaav xal i^ikvaav svr]fÀSçovy%Bç. 17 vno^ nvovOTjç de ijârj Trjç r^fiiçaç rovto iyeyovei dià Ttjv iTcaçtj^ vaav airip xov xvqIov axénrjv. Der zweite Satz ist ganz un- Bglich; aber eine wesentliche Besserung bringt der Venetus, der s de an anderer Stelle, nämlich hinter tovto hat. Man muss K> verbinden xa< i^ékvaav evrj/ÂêQOvvTêç V7toq>aivovarjç rjarj ç ^fiégaç. Bei Tagesanbruch zog Judas wieder ab. Der Venetus irt dann fort: %ovto d^ iyeyovei ôtà trjv i^ oigavov yeyo- lay avTip ènaçijyovaav xvçiov axiTtrjv. Auch dies mochte I zur Annahme empfehlen.

Wenn man hienach den Zustand unseres Textes erwägt, so rd man es nicht unwahrscheinlich finden, dass auch manche iQgel der Erzählung in Verderbnissen der Ueberlieferung ihren 'und haben. Dies im einzelnen festzustellen wird Aufgabe eines künftigen Herausgebers der Hakkabäerbücher sein, der sich hoffent- h finden wird. Zwar keine leichte, aber eine dankbare Aufgabe Irde ihm zufallen.

Marburg. BENEDICTUS NIESE.

34*

MISCELLEN.

DAS TODESJAHR DES GARDEPRÂPECTEN PERENNIS.

Der Sturz von Commodus' allmSlchtigeiii Gardeprafecten (Ti- gidius?) Perennis ist seit Eckhel ziemlich allgemein in das Jahr 185 Q. Chr. gesetzt worden; vor kurzem aber hat Rar! E. W. StrootmaD wieder den von Tillemont angenommenen ZeitansaU 186 zu Yer- iheidigen gesucht,^) obwohl jene andere Annahme durch ein Galeo- citat bei einem arabischen, beziehungsweise syrischen Autor schoD längst eine bedeutsame Bestätigung erfahren hat.*) StrootmaDS Untersuchung trifft nicht das Richtige; der Sturz des Pereonis fällt, wie sich gleich zeigen wird, in das Jahr 185. Eine Wider- legung der schon an sich nicht sehr kräftigen drei neuen Argu- mente, die Strootman vorbringt, ist überflüssig, da sich die richtige Zeitbestimmung auf anderem Wege mit völliger Zuverlässigkeit ge- winnen lässt.

Es ist interessant und erfreulich, dass wir zu der verhaltuiss- massig grossen Zahl von bereits bekannten Praefeeti praetorio unter Commodus, der, wie sein Biograph sagt, dieses Amt oft our auf Stunden und Tage besetzte/) jetzt wieder einen neuen kenoen lernen.

In der vor kurzem im Corpus publicirten lateinischen iDSchrift auf einer Säule in Alexandria^) lesen wir den Namen T. Loogatu$ Rufus, dem die Inschrift von dem praef(ectus) leg{ionis) II Tr. fori' ff., T, Voconius A, /".,*) gesetzt ist, und der ah praef. Aegi^t),

1) Jahrb. f. class. Philol. XLIJI (1897) 653—656; vgl. besonders 655, $ und dazu Dessau Protopogr. imp, Rom, III 316 n. 146.

2) A. Müller in dies. Zlschr. XVIII 623-626.

3) Hisl. Aug. Comm. 6, 7 mutabantur enim praef, praet, per horot'^

dies; vgl. auch 14, 8 ul etiam de is praefeclity quos ipse feeerti,

Iriennium nuUus impleret,

4) CIL. III Suppl. 14137.

5) Auffällig ist das Fehlen des Cognomens.

MISCELLEN 529

praef. praei(Qrio), eminentissimw vir bezeichnet wird. Daraus iét ohne Weiters ersichtlich, dass Rufus wahrend seiner Verwaltung ▼on Aegypten zum Gardeprärecten befördert wurde, und dass er vor dem Abgeben aus der Provinz von seinem Untergebenen durch Auf- stellung einer Statue geehrt wurde, deren Untersatz erhalten ist') Schmidt, der die Inschrift zuerst sah, aber nur die erste Zeile lesen konnte, fand mit Recht die Form Longatus für das Gentile auffallend. Es liegt hier eine ungenaue Lesung vor; wir kennen jetzt den richtigen Namen durch eine in dem letzten Heft der Berliner Publication veröffentlichte Papyrusurkunde *): kein Zweifel, dass der hier genannte ^/e^ucJy Longaeus Rufus mit dem eben erwähnten Prafecten identisch ist. Als Zeit seiner Statthalterschaft in Aegypten wird das 24. Jahr des Kaisers Commodus, das ist 183/4, angegeben; Hommsen und Hirschfeld in*en somit, wenn sie das G in dem Beinamen der Legion zu Gordiana auflösen und demnach Rufas der Zeit Gordians zuweisen, indem sie nicht bemerkten, l dass dieses G den dritten Beinamen der legio II Traiana foriis, Germanica, bedeutet, der uns durch mehrere andere Inschriften bekannt geworden ist.") f Der Papyrus ist datirt vom November 185; zu dieser Zeit war

T. LoDgaeus Rufus, wie sich aus der Form ^yefÀOvevaaç ergiebt, nicht mehr Prafect von Aegypten; folglich war er damals schon i J^aefecttu praitario geworden, und Perennis muss schon früher, [ also spätestens 185, gestürzt worden sein.^) Denn Herodian sagt ausdrücklich, dass Perennis bis an sein Lebensende allein im Amte blieb, und dass erst dann wieder zwei Prafecten eingesetzt wurden.") Wahrscheinlich wurde Rufus zugleich mit Niger, der an Stelle des

1) Eineo analogen Fall finden wir z. B. in der Laufbahn des (Mevius) BoQoratus, CIL. III Snppl. 12052.

2) Aegypt. Urk. aus dem kgi. Museum in Berlin. Griech. Urk. III 807.

3) CIL. m Suppl. 6592. 6594 a. 6609. 12058 a 14132; vgl. 12052. ^'^141. 14142. Jetzt zeigt sich auch, dass die Yermuthnng Trommsdorffs (hmett. duae ad hist, legion, Romanar, spectanies diss. Lips, 1S96, 24 f. über ^i« Ursache dieses Beinamens irrig ist.

4) Herod. I 9, 10 o 8 à Ko/ioâos Bio rove ina^x^^ MctrcunTj^as àa^" *^fs^ov (pf^d^ fsri M THüTsveiv jocavnjr iSovaiav, fisffia&siaav Bi avTr^v ^9&stfsatê^av icêo&ai IjXmae n^os r^ ßaCiXeiac int&vfAiav\ vgl. Dio ep, l'XXn 10, 1 SuL T^v fiXa^x^^ ahtcataxos xq üaxiq^'tf rq cwa^x^**^* '^ov oli&(fov iyivsTO»

5) HisL Aug, Comm. 6, 6.

530 MISCELLEN

Perenois Gardepräfect wurde, und voo dem berichtet wird, dass er sein Amt nur sechs Stuodeo versehen habe/) zu seiner neueo Würde erhoben. Die Zeitbestimmung, die Herodian fOr den Stun des Perennis bietet, dass nämlich dessen angebliche VerschwOniag zur Zeit des capitolinischen Agon,*) das wäre also im Sommer 186 (vgl. Wissowa in Pauly-Wissowas Real-Encyclop. Ill s. v. Capitolia), entdeckt worden sei, erweist sich nach dem Gesagten als uoricbtig. Wien. ARTHUR STEIN.

ZUR ÜBERLIEFERUNG DES TACITUS.

Mehrfach ist in den letzten Jahren die Frage berührt worden, ob im 14. Jahrhundert der Cod. Mediceus II., der heute bekannl- lieh im 26. Capitel des 5. Buches der Historien abbricht, noch Theile des Werkes enthielt, die uns heute verloren sind, oder ob es gar eine zweite vollständigere Ilandschrirt der Historien gegebeo habe. Diese Frage aufzuwerfen, giebt ausser einer Briefstelle des Poggio der Umstand Veranlassung, dass in zwei Fallen Worte ib taciteisch angeführt werden, die sich in dem uns vorliegenden Texte des Geschichtschreibers nicht finden.

Poggio schreibt an Niccoli am 21. October 1427: Misistimäd librum Senecae et Cornelium Taciturn, quod est mihi gratum; ot tf est litteris Longobardis et maiore ex parle caducis, quod si sämM, liberassem te eo lahore. Legi olim quendam apud vos manens Uttm antiquis, nesao Coluciine esset an alterius. Illum eupio haben vi alium qui legi possit, nam difficile erit reperire scriptorem, qui kunt codicem rede legat. Am 5. Juni 1428 berichtet Poggio Ober die Rücksendung: Dedi Bartholomaeo de Bardis Decadem Livii etOfr- nelium Tacitum, ut illos ad te mittat; in tuo Cornelia defiduntfhffft chartae variis in locis,^) Dass dieser an Poggio geliehene lOckeD- hafte alte Codex in langobardischer Schrift der Mediceus II. war, der nach einer darin eingetragenen Notiz de hereditate Nicolai Ifi-

1) Herod. a. a. 0.

2) Der iName des Präfecten von Aegypten Longaeus Rafas taacht jetit auch in einem anderen Papyrus auf, Grenfell und Huot, Oxyrhyoclios Pap. U n. 237 col. IV 14. 34. VI 6 u. ö. Dessen ctironologisclie AogabeD bestâtigeo meinen Ansatz; Rufus ist noch am 22. iMai 185 im Amte; im Tybi des 26. Jahres (27. December 185 bis 25. Januar 186) finden wir schon als seioeo Nachfolger Pomponius Fauslianus; vgl. Grenfell und Hunt a. a. 0. S. 147.

3) Poggii EpisLin 15. 17 ed. Tonelli.

MISCELLEN 531

herstammte, ist Dicht zu bezweifeln. Jene lesbarere Handschrift ', die Poggio einst in Florenz in Händen gehabt, war nichts iger als ein alter etwa mit dem Hediceus II. gleichzeitiger Codex, ) Utterae antiquae bedeutet nicht alte Schrift, sondern moderne alte karolingische Minuskel nachahmende schöne Schrift. Wie |ifii5 bei den Humanisten geradezu die Bedeutung schön in Btischer wie in moralischer Beziehung erhalten hat, dafür hat Rossi, Il Quattrocento, Hilano 1898 (Stotia Uu. f Italia vol.V) . 407 genügende Belegstellen beigebracht. Hier mit Ramorino') Frage aufzuwerfen, ob diese Handschrift vielleicht aus einem Ten Originale stammte als aus dem Mediceus H., entbehrt jeder ehtigung.

In seinem in den siebziger Jahren des 14. Jahrhunderts ?er- en Commentar zu Dantes Inferno spricht Benvenuto da Imola Cleopatra, die der Dichter ihrer Unzucht wegen in die Hölle Hzt habe: aduUerata est cum omnibus regibus orienlalibus , ut Cornelius Tacitus.*) Die Stelle findet sich in unserem 8 nicht; Pierre de Nolhac*) hält es für möglich, sie könne in verlorenen Capiteln des 5. Buches der Historien gestanden D, die der Mediceus II. damals noch enthalten. Wenn man nun in Boccaccios Schrift de claris mulieribus c. 86 von Cleopatra Norie liest: quasi scortum orientalium regum facta, so ist wohl (lass hier bloss ein irrtbümliches Citat vorliegt und dass Ben- to in Wirklichkeit jene Stelle Boccaccios^ den er in seinem mentar aufs ausgiebigste benutzt, vor Augen gehabt hat. Endlich hat M. Goldmann im Centralblatt für Bibliothekswesen [V 1887 einen 1451 abgeschlossenen Katalog der /i6rerta pan7a Klosters S. Spirito in Florenz veröffentlicht, aus dem S. 151 iführt wird : Item in eodem banco V lib. 7 id quod de Comelio lo reperitur. conpletus copertus corio rubeo. cuius principium Nam valeium asiaticum. finis uero in penultima carta hina acessura erat.*) Die Anfangsworte stimmen mit denen

1) Comelio Tacito nella storia delta coUura, II* ediz. Milano 1898,

2) Comeiitum super Dantis Mdigherii comoediam ed. Lacaita I 201.

3) Boccace et Tacite. Extrait des Mélanges d*archéoL et d'hist, t XII p. 27.

4) Einige Uogenaoigkeiten Goldmanns berichtigte Sabbadini im Mttseo a filoL class. III 1890 p. 341.

532 MISCELLEN

des Mediceus IL, die Schlussworte aber stehen nicht bei TaäUis, sondern bei Vitruvius X 22, 7; was hierauf bei Yitruv Doch folgt, kann etwa noch ein Blatt der Handschrift eingenommen haben, so dass also auch die Angabe in pmuUima carta hierzu passt. In jenem Codex von S. Spirito folgte also auf Tacitus das Werk des Vitruvius; bei der Ungenauigkeii der alten Kataloge ist es etwis durchaus Gewöhnliches, für Sammelhandschriften als Titel nur das erste Werk anzugeben ohne Rücksicht auf das Folgende. Ob der Codex, dessen Wiederaufßndung nicht ausgeschlossen erscheint, sur Bibliothek Boccaccios geborte, die lange in S. Spirito aufbewihit wurde, mochte ich ebenso wenig mit Bestimmtheit Tersichen wie de Nolhac (a. a. 0. S. 25); jedenralls aber ist die Frage, ob n im 14. und 15. Jahrhundert die Historien in vollständigerer Gestalt besass als heute, jetzt endgiltig zu verneinen.

Königsberg i. Pr. M. LEHNERDT.

Berichtigung.

S. 443 Z. 28 ist anno III[I imp. Tito ....), *

S. 444 Z. 5 annus IUI Tili zu lesen. . k\

Th. M.

LESEFRÜCHTE.

LVII. In verschiedeDeo UntersuchuDgen spielt der Glaube eine tolle, dass Isokrates in seinem Euagoras das erste Enkomion auf Hoeo Menschen verfasst hätte, keinesfalls vor der Mitte der sieb- ager Jahre. Der Glaube gründet sich auf Isokrates selbst, der sich fihmt als erster das Werk zu leisten, avôgoç açetrjv âcà loyœv yxwfAià^eiv (8). Er thut das im Gegensatze zu den Dichtern, Dd der Name Enkomion ist ja aus der Lyrik entlehnt, von den reisliedern, die wir von Pindaros und Bakchylides haben; die ieder^ welche die Grammatiker bei Pindar als Enkomien in einem ^sonderen Buche absonderten, werden von den erhaltenen, die •Q xwfiog so oft erwähnen, der Art nach schwerlich verschieden ! Wesen sein. Nun ist es an sich sehr unwahrscheinlich, dass die letoren, die Lob und Tadel als eine Gattung theoretisch aner- QDten, vor dem Euagoras noch nicht auf den Gedanken gekommen Iren, einen lebenden Zeitgenossen zu preisen; genau genommen rühmt sich Isokrates auch nur, zuerst die ageti] eines Mannes priesen zu haben, und er war geneigt seine Originalität sehr 'ch einzuschätzen. Ich habe ihm also nie sehr getraut. Aber 8 wichtige ist, dass ein anderer ihm geflissentlich den Ruhm stritten hat, einer der es wissen konnte, Aristoteles. Er führt

der Rhetorik (I 9, 1368 a 17) unter den av^rjttxa Dinge an, K jemandem als besonderes Lob zuzurechnen sind, weil er sie ^schliesslich oder zuerst erreicht hat, xal elg ov ngurrov iy- ifiiov inoiij&rjy olov eig ^iTtnoloxov, Wenn er, eben in den Erträgen, die ihn in scharfe Opposition zu den Isokrateern brachten, kd die doch auf Schritt und Tritt den Einfluss des Isokrates igen, auch den Euagoras wiederholt citiren, so etwas einflocht,

war die Absicht den Hörern merkbar und ist es auch uns. übei braucht die Rede auf Hippolochos nicht bedeutender gewesen i sein als die Dialoge des Alexamenos von Teos, die Aristoteles

Henne« XXXV. 35

534 ü. V. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF

aus dem wisseDScbaftlichen Interesse fOr die AoniDge einer Galtasg als die ersten angemerkt hat. Den Hippolochos mochte man na* türlich kennen; der Name klingt thessalisch« und da finden wir den Mann denn auch. Um seinetwillen giebt Lais ihr Gewertie auf, folgt ihm aus Korinth nach Thessalien; aber die Ehefnooi dulden nicht, dass die schöne Hetflre in ihre Reihen tritt, sondern bringen sie um. Die hübsche Geschichte steht mit dem Naawft Hippolochos im Erotikos des Plutarch 21, Quelle unbekannt, aber wohl philosophische Tradition n. ïçœvoç. Enflhlt hatte sie auch Polemon (Âth. XUI 583) , aber (wenn kein Irrthum vorliegt) mk dem Namen Pausanias statt Hippolochos. Lais, als Kind 415 »» Hykara geraubt, hat im Beginn des 4. Jahrhunderts geblüht nid ist noch als bezaubernde Schönheit gestorben: das ist unbedingt lange vor dem Euagoras des Isokrates geschehen. Aber iimr konnte in dem Preise eines königlichen Helden den Ruhm einei Hippolochos bei Seite lassen, von dem wir nur noch das allerdings in gewissem Sinne grössere, zu sagen haben, dass die Liebe zu iba eine Bajadere aus tiefem Verderben zu einem läuternden Tode ge- führt hat.

LVIH. In dem Odysseus des Alkidamas muss man scbreibes 17, Paris wollte nach Hellas fahren to tb Uqov to iv Jelipolç d-ewçrjoai ßovkof/evoc Sfia dk xal %o xàXkoç %rjç ^BAfffc [à'KOvwv drjXovoTi] xal tiJv tov TTj3iéq>ov yéveaiv àxrjxofki ono^ev T€ eiTj xai viva tqotzov %al vno vivoç eftga^* D** Glossem ist durch die Form schon kenntlich; indem das re oit Sf^a ah xal aufgenommen wird, subjungirt sich, wie der Gedanke fordert, das axrjxoœç dem ^Biog^aai ßovlofiivoc. Er hatte tod Helenes Schönheit und der Herkunft seines Freundes Telepb« gehört und fuhr nach Hellas, sich über beides persönlich in io- formiren. Eigentlich müssten nun die drei so bezeichneten SU- tionen der Reise in der Erzählung vorkommen. Aber der Besuch Delphis wird übergangen/) Helenes Raub erzählt, und dann gebt es fort àg)ixoiÂévov ôè avtov nàXcy eîç 'Aaiav ayovroç ta xqt^ fÂOta xaî zïjv yvvalxa ïaxLv onov avveXdßov tcvoç (19)u. 8.t.

t) Aikidamas hat ihn natürlich nicht erfanden, sondern eine Traditiw obenhin benutzt. Wir kennen ein Orakel, das dem Menelaos und Paris soglekib in Delphi gegeben ist, schol. E 64; ich habe es in dies. Ztschr. XXII 636 b^ sprochen. Aber das setzt einen Besuch des Menelaos in Ilios voraus, Lykophr. 132 ffg., stimmt also nicht zu Alkidamas.

LESEFROCHTE 535

(geredet ist Palainedes: wie sollte der das deoD io Asien leisten? d wo ist die Expedition um des Telephos willen geblieben? er auch, wozu hat Alkidamas ?on Telephos geredet, abgesehen D dem Localpatriotismus des Elaiten? Es ist ganz offenbar àfpi- lAivov ak ^avTov elç NavnXiav zu schreiben, und die Cor- stur^ die zu naXiv geworden ist, ist für die Textentstellung Leressant.

Danach wird 21 erzählt, dass Palamedes zu Oinopion und Ki- rras gesandt war, Hilfe zu holen. Von Rinyras hat er sich das »kaufen lassen und von dem Gelde an Agamemnon nur einen lozer abgegeben. Das ist Fiction auf Grund der Panzerbeschreibung BS A. Dabei ist vorausgesetzt, dass Rinyras sich wirklich los- loft,') nur hat er viel mehr gezahlt als Agamemnon bekommen It« Dass dieser statt der Theilnahme am Zuge auch eine Ab- BduDg durch Geschenke nahm, ist auch aus der Ilias genommen ^296. Hat man den Sinn erfasst, so ist gesagt, dass es lauten loss It^ya/néfÀVOvi fxlv aTtoôlôwai ^ùiçoxa ... va d' akXa vToç ïx^i xQrifAa%a, nicht ûxe^ und dass das folgende nicht ehr von Rinyras gesagt sein kann, anijyyeXke 6* ovi ixarov tvg [ano]nifiipu b Kivvçaç, Denn die Verpflichtung war Ri- fras los. Dass aber von Oinopion etwas gesagt werden musste, It man schon bemerkt. Offenbar muss er hier statt Rinyras ein- setzt werden; nur ist die directe Vertauschung der Namen zu »h; es wird ein Ausdruck wie 6 Xioç hier gestanden haben, der 1 falscher Glossirung Anlass bot. Uebrigens ist diese Geschichte ihwerlich ganz neu erfunden; dem Elaiten lag Chios am nächsten.

24. Das zweite Distichon hat zu lauten:

Oldygov q>lXov vlov og 'HgaxXfj' idida^evy evQBV Ô* àv&gtinoiç ygafAfACtra xai aoq>lr]v.

1) Nach einer anderen Tradition versprach er 50 Schiffe, schickte eins d macht die 49 ans Thon mit thônemer Bemannung und wirft sie ins Meer, »memnon verflucht ihn, und er kommt um, weil er mit Apollon einen mu- eben Wettkampf eingeht, seine 50 Töchter stürzen sich ins Meer und werden Vögel. So schol. T zu // 20 (daraus EusUth.) und EpiL ApoUod. BibL 9 igner (der das Scholion nicht kennt). Bei ApoUodor stand als Führer des en Schiffes o . . üvyfiaXiwvoc {Mvy8aXüuvo8 cod.); es war ein Schwager I Kinyras (Apoll. 3, 182). Den Namen habe ich noch nicht gefunden. Die ^e ist rar. Dem Pindar Pyth. 2, 26 war Kinyras ein von Apollons Liebe reihter König.

35*

536 ü. ?. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF

Dass trotz der UeberlieferuDg des CrippsisDus ^canXr} l^cdijo^ey edirt wird, ist mir unverstäDdlich ; daoo sieht eigciv tut evçîf i\ als ob der Hauptrubm des Linos der Ersiehuog des Herakles vb^ juDgirt wäre. 26. Die PhOnikier haben die HOozen erfonden, naç^ wv ovtog fAo^wv aoq>il^B%ai. Dass [xa^tiv zu IJJdw ▼erdori)ecm ist, ist amusant Unbegreiflich, wie ein Sprachkenner lilc»y Ter^— muthen konnte, was auf griechisch Xaßwv heissen mOsste.

LIX. Lysias 32, 7 àno&avovtoç èxelvov ^loyelrwr tr^f fiiw^ yh}ya%éQa exgvnrê tov ^votov toi àvâgoç xal tot ygifiiiotf^i

kafAßavei ta aearjfÂaofÂéva inBidrj di xçôviai idtihan^

%bv d'dvaxov %xX. Der Fehler, den das beziehungslose fxiv leigi^ will Fuhr durch die Annahme einer LOcke heben, in der gestsodeo hätte, dass der ungetreue Vormund Forderungen eintrieb. Das ist nicht richtig: es steht im engsten Zusammenhange, dass er n seiner Tochter geht, aber statt ihr die Trauerbotschaft zu melden, die Papiere wegnimmt, die das Vermögen des unmOndigen Erixo auswiesen. Ich meine mit Téwç fikv Ti}y ^. gut zu heilen, sndi in Hinblick auf den Tempuswechsel.

Der Vater war vor Ephesos unter dem Commando des Thra- syllos gefallen (7); als er aufgeboten wird, heisst es (5) xataUym JiôèoToç [jUCTci QgaaiXXov] %wv bnXivwv. Der ofTenkundige Anstoss, den man falsch, zuweilen mit groben sachlichen Versehet hat heben wollen, fordert die Athetese. Der Stratege wird nicht mit ausgehoben, und auch die Hopliten werden zwar diuth die Strategen, aber in ihrer Phyle ausgehoben; die Verwendung des Regimentes oder seiner Theile ist etwas späteres als die Aus- hebung.

Auch 20 ist eine Interpolation« In der Rechnung des Vo^ mundes erscheint ein Talent eig VTtoofjfAara xal elg yvatptlof [IfÂÔTLa] xal eig xovçéœg. Man soll das Glossem nicht darcb Zusatz von xal eig einrenken. Denn der Interpolator yennisste wie wir den Posten Kleidung, neben Schuhwerk, Wäsche und Toi* lette. Allein Kleider wurden nicht gekault, sondern im Hause voo den weibiicheo Familienmitgliedern und Sclavinnen gewoben: di figiirirt nur die Walkerrechnung. Das ist die attische von unserer verschiedene Sitte.

LX. Im BtdL de corr. hell. XX 124 ist ein Volksbeschluss vod MaDtiueia-Antigoneia veröffentlicht, den ich wiederhole, weil er eis Deukmal des rhythmischen hellenistischen Stiles ist, den Antioches

LESEFRÜCHTE 537

TOD Kommagene am volUtäDdigsten zeigt, den Ciceros Lehrer in Asien yertraten, wir also asianisch nennen. Ich hatte dieses Do- cament beachtet, als ich im ersten Hefte dieses Jahrganges diesen Stil besprach. Gleichzeitig hatte ich den Landtagsbeschluss von Asien aus dem Jahre 9 v. Chr. zu bearbeiten, der in den athe- nischen Mittheilungen steht, und von dem ich dort bemerke, dass er bereits den Stempel der classicistischen Reaction trägt; im In- neren TOD Arkadien war man noch nicht so weit, als man den Eophrosynos ehrte. Das war nicht wohl mehr möglich am Ende des 1. Jahrhunders, wohin der Herausgeber, der um Mantineia sehr verdiente Fougères, die Inschrift setzt. Es ist dazu auch kein A^nlass. Denn wenn Eupbrosynos das Macellum gebaut hat, und m diesem ein Alur an Qed 'lovXla Seßaavd gefunden ist (S. 151), so wQrde dieser das Macellum nicht datiren, auch wenn es der lulia Sabina gfilte. Aber es ist allerdings bei diesem Titel ungleich wahr- scheinlicher, dass Livia nach ihrer testamentarischen Adoption durch Augustus gemeint ist» da deren Cult bei den Orientalen überaus beliebt war. Dann datirt der Altar freilich das Macellum insofern, als es vor dem Tode des Augustus errichtet sein muss. Eupbro- synos, hören wir, hat zwei Gesandtschaftsreisen nach Rom unter- nommen und dem Senate nicht Beschwerden, sondern Lobdecrete (tlr die Proconsuln aberreicht (Z. 31). Das führt auch, wenn es nicht nach Claudius Thronbesteigung fallt, auf die Zeit des Augustus, da Tiberius Achaia dem Senate genommen hat; das Senatsregiment hatte also nicht genügt, und an Eupbrosynos hatte der Senat an- genehm, also als Ausnahme, bemerkt, dass er nicht mit Beschwerden kam. So werden wir nicht irren, wenn wir die Inschrift etwa in den 20 Jahren um Christi Geburt ansetzen. Ich gebe die Inschrift nicht in der Zeilentheilung des Steines, sondern nach ihren Rhythmen gegliedert und bezeichne kleine selbstverstaindliche Ergänzungen, Tilgungen von Dittographien und dgl. nicht.

Id nokig Ttüv idmyoviwv xal 'Pwfjialoi ol ncayf^atev- ôfÀêvoi h avxà ^EniySvrjv IdQTéfAWvoç %àv iavtwv eveçyàviv*

WfjçiGfjia !AvTiyovéwy. \ èneiârj Eèççoavvoç Titov no^ Xltfjç f^iÀéxBQOç nQoyovi\xfiv eiç vi^v narçlda ôiade^àfievoç evvoiuv ov fiovov ov\ii Ifiiwaév %i t^ç. Ttargwag àçBTfjç dXXà xaî avvav^Tjaev \ (10) ahl xal xa&* ^fÀigav inivowv r^i noXei nXelov ze naçéxBad-ai | ttjv fxiv knUxBiav %wv Tçonwv yeyBVVTjfÂivoç trjv ôè tpvx'^v evyeveareQav vrjç q)v-

538 U. ▼. WILâMOWITZ-MOLLENDORFF

aewç nkaTvvaç nolvtek^ç (âIv iv hier schlieast der ente Stein; der Kopf des zweiten ist verstümmelt; es wird aber mchl

sehr viel fehlen, ngartovaiv àvBfÀeai^vœç naaiv

(15) véa&ai. a^iov de xal %ov%o zwv xatoçdio[fiatwv ittî]}- varia V T^v yàq nqoaoôov t^ç xtoQaç elç ev&fjvlcnf aiTw\flaç èvo/no&irrjae, to avevôeèç t^ç %Qoq)fjç alwvlw \ Tcaça^é' fXBvoç anolavaei, ivngrja'd'évToç re rav xavot \ to yvit-

yàaiov xvxXov ràç elç Ttjy lôlav evxçrj] (20) artav ^oifiaü- fxévaç Ixaçlaono nXlvâ'Ovç, t^ç xot* oÎ\xov (iq>BUaç tor drjfÀoacov xoafÀOv Tcçoxgelvaç. n3Lfj\çtûaaç ody noitÙxiç

evegyealaç v^v nôXiv vneçé\[fial$] tovç %fjç *Elladoç [içlovç^ xaî (ÂéxQi %€ï¥ aeßaavellwv evnkorjaev xoçaxn^çwy, oy ô' of naçàxtioc jcXeîy \ (25) liôçlay xay ana^ BvXaßovyrai, tot- ray 6 fAeaôyaioç \ xal devregoy nkeva[aç] xctTêq>ç6yf]ae' ^^ çeîy yàç av\rdy nargldoç evegyetovfÀéyrjç evxceî ngoetgénono»] ôlç ovy, xal ravza dwgeay, ngeaßevaag vnig t^y nôXiy \ nçoarjvriç èyéyeTO xai Ttj &e[tovat]ï] avyxki]Ttû, /U17 xo (30) |f<t- ^œv xaTTjyoglav [ayâvn]a[T]wy alk* ïftaiyoy. üvyrig\ii6chi â' avTw xal y[vy^] TtoXîxiç àno yivovç ^Efciyôyrj J^AgréfÂtafOÇ [to]Iç yd/noiç avyxegaa&eîaa, i^evyyvy\i^o yàg ßi[oiC x]ai aci^aaiy i/n;^«/, xal nag* àfÂÇotigoiç \ àfieQfjç 6fÀ]6yoia, q)&àvovT€Ç d* c[iÀr;kovç ralç elç (35) | ev[n;oUaç] èTtiyolaiç vaovç fièv ^yeigav elç ïdaq>oç iJ|^[ei/u^^v]ot;g, deinyiafTjQia te TcgoaefÀijxvyav ôeucyclatrigloiç xal %a(Àela avvôioiç ixaçi- aavTO nagexofie\yoi firj fioyoy &eoîç evaeßeiay àlii- xal xÔtcolç xÔGfÀOv, fj [T]e ae/ÂyoTocTt] xai q>lXaydgoç ^EmyôfTj fÂeifÂTjaafÂéi (40) yrj tov ya/nr^Gayra xal avti^, nâarj ^ti

zfjv ènlralxToy legwovyrjy ayalaßovaa fietà nâarjç iaTtêf vif]ç nolvrelovg tovç fxey &eoiç l&griaxevaey ev\aeßwc foiç d' àvd'gtonovç evwxriae Ttayâijfiwç. ^âei de \ xal ta nqar

r^yovfÂeva %olç ^exà xaika dwgoiç vnegßf^^yav \ (45) /uaxeîUo^ ^x &efÀeX£u}v vxpovxo nolvveXrjç igyaavrjlglwy avràgxrj ôta- yga(p6fjLevoç xaXXoviqvy hiagvezo d* atf\Toîç i^éôga (äoi]

ôvva^àvri Y.al fiôvi] noleœç x6\aiÂ0Ç elvai 7tgoefÀï]xvvi%o

ô' avToîç xoft ßalrrjc \ evxgrjGvoç ànoXavaiç Xf'f^égioy xati- GTr^liia viK(ju\ (50) ar]ç eneaq)gayLaa%o â' avtwy t^vmIv réleiav n€Qi\aTvXov fiag/iaçlvoiç inegtôôfieyoy xelooih

CUV f^ 'Aalllovij xai zo Xelnov eti rfjÇ àyogâç xexSafitjxe xci 0: I (^léTQia ô' avTwv elvai ôoxovvva ngoç avyxgiaiv der

LESEFROCHTE 539

It der Motive und der eigentliche Beschluss stand auf einem .ten Steine.

15 ergänit Fougères 23 v7tece[Tißa] toig rf^g 'EkXàdoç }vç Foug. Das habe ich ohne Bedenken geändert 29 ergänzt lg. 30 [aTg(n]aywv Foug. falsch 31 d* steht bei Foug. der Umschrift, fehlt also wohl durch Versehen in der Abschrift. if von Foug. ergänzt 32 [a^loiç] Foug. in seiner Abschrift len Reste von ig^ aber dann seltsame Punkte, die nur Raum zwei Buchstaben lassen« Allerdings sind die Spatien, wie die men Ergänzungen zeigen, ungenau notirt 33 ßloig Foug.

dieser Partie kann nur der Stein Entscheidung bringen ergänzt Foug. 35 Bv[eQyealay] Foug. zu lang für seine

ikte und unrhythmisch 36 Ergänzt von Leonardos. Ein

Qnschter Beleg für eine postulirte, aber noch nicht sicher be- ß Form 39 ys giebt Foug. da musste re eingesetzt werden, irlei ob der Fehler auf dem Steine steht.

Sachlich hat Fougères den Text erläutert; es wird den Lesern ler Zeitschrift aber bequem sein, wenn auch hier kurz gesagt j, was die Inschrift lehrt. Wie ivt den meisten Städten des ver- iten Griechenlands hat sich auch in Hantineia in der Revolution Mann an Stelle der Gemeinde ins ungemessene bereichert; in Ruhe des Kaiserreiches trägt das seine Frucht, endlich auch Gunsten der Stadt. Euphrosynos, Sohn des Titus, aber nicht lischer Bürger, war in Antigoneia das was Eurykles in Sparta, sr Caligula Epaminondas in Akraiphia, unter Trajan Atticus in en war; er hat in der städtischen Verwaltung mancherlei, was

nicht mehr lesen, geleistet und die Einkünfte für eine cura onae, die evd-tjvla, festgelegt, die wir aus Asien kennen, deren auere Aufklärung einmal ein Volkswirth geben mOge. Sonst ist

die Lieferung privater Ziegel für einen Bau und die Ueber- me zweier Gesandtschaften zu erwähnen, bei denen er die Ehre .e, den Majestäten vorgestellt zu werden ; dem Senat aber gefiel

dass er im Gegensatze zu dem Landtage die Proconsuln be- ;e: er stand sich also mit der vorgesetzten Behörde; die römische Dnie in Antigoneia, d. h. die blutsaugenden Geldmänner, votiren I auch ihren Dank. Seine Frau hat ausser der Herstellung 'aliéner Heiligthümer und der Uebernahme der Priesterthümer, denen es, wie man sogar ausspricht, wesentlich auf die Speisung Volkes ankam, den grossen Bau angelegt, dessen Reste Fou-

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gères entdeckt hat, eio Schlachthaus mit Tabernen daran; in de Mitte des Hofes, den Zimmer umgeben, eine Exedra,') daneba eine Wärmehalle, d. h. einen geheizten Raum,*) der im Winter de Dienst der zugigen Stoen that, und rings um die ganze Anla| einen Säulengang ?on Marmor: das wird ausdrOcklich henrorgehobei der Glanz ist in Antigoneia natQrlich relativ. Es ist ein lebendig« Bild der Misère jenes Griechenlandes, das der ehrliche Strabc schildert, und der beginnenden Herstellung, die freilich nur darc Verschärfung der socialen Schaden möglich war. Aber nicht ai der Sachen willen habe ich die Inschrift tractirt, sondern ah 91 cimen d^éloqumce provinciale, wie Fougères sich ausdrückt. D Gemeinde redete noch Dialect, zwar nicht arkadisch, aber pel« ponnesisch'); der Rhetor bedient sich der Schriftsprache und b gewiss so schön geschrieben, wie er es bei seinem UniversilAI professor . gelernt hatte. Sein Stil ist alles andere als proyincû Da ist erstens der Hiat vermieden, denn xai avrij 40 muss aac um der Rhythmen willen mit Krasis gelesen werden. Zweitei sind die drei Cadenzen inne gehalten, die auch die Römer dama übernahmen, Ditrochaeus, Doppelkretiker und Kretiker + Spondeu Die Auflösungen, die sehr beliebt sind, beleben die Honotoni aber Ausnahmen giebt es nicht/) Man sieht, was die Recitatic als ein Glied zusammenfasste. Interessant ist, dass das flOcbtif Ny nur gesetzt ist, wo es für die Rhythmen erforderlich wa Z. 3 muss man messen diaàe^âfitvoç evvoiav s>ww w, ab

1) Man denke an das Macellnm in Pompei, wo auch an den Seiten d Semviari^Qta nicht fehlen, die Speisezimmer, bestimmt für die Opferschmia des Volkes. Hier wurden auch den Glubbs, cvvoBoi^ Sitzongs-, d. h. Roei räume zur Verfügung gestellt.

2) ßaizfi heisst eigentlich der Flausch, volksthömlich auf die wan Stube übertragen. Belegen kann ich den Gebrauch nur aus der Inschrift ▼< Magnesia 179, 12. 15, aber er ist nun deutlich, und man begreift, was i inalêrfi Xtffxn ist, die schon Hesiodos (Erg. 491) und Homer (ff 320) kenoc Neoptolemos von Parion bei Proklus zu Hesiod erklärt avXrj iv r^ nvQ #ai dann muss es ein geschlossener Raum sein. Die ßairn in Mantineia und Ma nesia ist durch Luftheizung wie die ßädern geheizt zu denken.

3) Auf die charakteristische Erscheinung, dass Antigoneia nicht me arkadisch schreibt, habe ich schon vor Jahren hingewiesen.

4) Es sei denn 37 in 8êinviaTTj^ioie eine dochmische Gadenz beabsichtii die bei manchen Stilisten, z. B. in n. vxp&vç, beliebt ist. Aber hier swai die Aufzählung zu diesen Worten, und man braucht kein besonderes Gli abzusetzen.

LESEFRÜCHTE 541

fieç^ç ofÀOvoia ~v^^^^, 35 einoilaç Inivolaiç -w.^ Ein 80 streng rhythmisirtes Stack ist im gnechischen r noch etwas rares. Es repräsentirt die hellenistische Weise in dem Sprachschätze und Stile. Zwar ßalxrj ist eio tech- \ Wort, 6v&rjvla auch, aber ngoarjvi^ç von Persooen, mla- V zrjy tlwx^v seine Seele weiten, ist neu, letzteres zumal be- ioswerthy weil nkarvQ in gutem Sinne nicht gesagt zu werden . Aus der stoischen Sprache ist xanoQd'WfAava für avègaya- !ra gekommen; avB/neajjtœç hat Piaton (Ges. 684 e) gewagt, in âq>â'6vwç die eigentliche Bedeutung, ohne qfd'ovog, nicht

gefohlt ward. Das Hauptkennzeichen der hellenistischen Rede ß Periphrase: dafür sind hier prachtige Belege, xifiigiov xa- rifia für xEVfÂtivy ßaltrjc evxQfjOTog anolavaig, wo ßalTtj ge- , EvnXoeiv für nXelv^ evxQtjGTla für XQ^^^y danavt] noXvte- wo das Adjectiv nur schmückt, avvriQfAoad^ yvvrj toîç yàfÀOiç îçaG'd'elaa, worin ausser der Heirath die ,innige Verschmel-

bezeichnet werden soll: xegavvvyac höchst pretiOs, kein ike an das Synonymon fiBiyvvad'ai^^) aber auch das poetische r? xegavvvvai ist anders gemeint (?on dem ^iXoTr^aioç x^a- ler verständlich). Das seltsamste ist die Bezeichnung der aller- ten Herrschaften durch aeßdateioi x^Q^^^'^^Q^Sf >di® Triiger lempels der Majestät.' Man versteht es, wenn man die Sprache

und kann es elegant finden; aber einen Beleg habe ich nicht r im Hebraeerbriefe 1, 3 von dem Gottessohn anavyaafia t^ç ; xal x^Q^^'^^Q ^^? vnooTàaewç avtov. Von Wortverbin- ^n ist äusserst kühn zijv fikv inaUuav %wv Tçàfcwv ye-- jl^évoç für èftiemrjç tov tgéttov q>iaei Tcecpvxtoç. Plebejisch, Dan wohl sagen darf, ist vnkg t^v nôXiy statt des Genetivs; iahe zufällig einen Beleg auf einer Freilassungsurkunde von lissa BGH. XIX 386; Epigraphiker werden leicht mehr geben, veiter besonders ins Auge fallende ist die Wortstellung, die I das Streben nach der quantitirenden Cadenz mitbedingt wird; oalformen prävaliren, zu denen Participia und Adverbia zu rechnen

man vergleiche aus der späten Prosa mit accentuirender Ca- eine Partie, so wird man sehen, wie um der Barytonie willen lie Verbalformen prävaliren. Periodisirung ist nicht angestrebt, irn die Parataxe coordinirter Glieder, Parisose nicht eben stark,

1) fiaiyvva&ai ist die correcte Forn), nicht ftiywad'at; so steht in dem sehen Hymnus.

542 U. V. WILâHOWITZ-MOLLENDORFF

Reim oicht: es ist etwas wesentlich anderes als die gorgiamicbe Rede, die doch auch mit coordinirten Gliedern operirt, aber seine Herkunft aus der vorisokrateischen Kunstprosa verlflugnet dieier ,Âsianismus' nicht.

LXI. Im Bull, de corr. heU. IV 352 hat HomoUe einen Be* schluss ?on Knossos veröffentlicht, der in Delos publicirt worden isL Es ist die Ehrung eines Grammatikers Dioskurides aus Tanoi, der ein Enkomion auf Kreta in homerischem Stile') verfasst noA seinen Schüler^ den epischen und lyrischen Dichter Myrinos an» Amisos nach Knossos geschickt hatte, um es dort Torsutrageo. Das ist ein charakteristisches Culturbild; aber es wflre gewiss noda fiel hübscher, wenn Dioskurides und Myrinos für uns bekannte Grossen wären. So hat zuerst Homolle das von Myrinos ange- nommen, den er mit einem gleichnamigen Dichter der Anthologie identificirt hat, und dann hat Br. Keil in dem Grammatiker Dios- kurides den Verfasser der Abhandlung über die homerische Cnltnr gefunden, den die treffliche Arbeit ?on R. Weber hergestellt hiL^ Leider ist beides unhaltbar, und ich muss das Negative ausführem weil ich sehe, dass Dittenberger in seiner neuen Sylloge 722 badei annimmt, so dass zu befürchten ist, dass es in die üffentliebe Meinung übergeht. Myrinos ist bald abgethan. Die Gedichte der Anthologie Xl 67, VII 703, VI 108 und 254 stehen alle in Reibeo, deren Herkunft aus der Sammlung des Philippos unzweifelhaft in: also hat Myrinos zwischen Sulla und Caligula gelebt, wahrscbeinlid) mehr nach der unteren Grenze zu. Auch der Stil der ekphrastiscbeo Epigramme, mit ihrer zum Theil dürftigen bukolischen ImitatioD weisl sie aus dem 2. Jahrhundert in die Sphäre der Augusteer, efl(i* lieh heisst die Hetäre, die den Apparat ihres Handwerkes weiht, tl^^ sie sich zu Ruhe setzt, Statyllion, die erste Silbe lang gebrauditt ein gräcisirtes Statilia.') lieber Dioskurides ist nicht ganz so éor

1) éyxcifiiov xarà rov noirjTav vnèç to; àfiœ éi9y«os könnte aoch ÔDC prosaische Schrift sein, die das Lob Kretas bei Homer enthielte; alleiD za deren Recitation war die Entsendung eines Vorlesers und ToIIends eines Diditeß nicht erfordert.

2) Leipz. Stud. XI. Die Sammlung und Werthung der Doctrio in dieser Arbeit ist viel werthvoller und sicherer als die Herstellung der Person des Schriftstellers; aber da die Identification mit diesem operirt, kann ich iho einsetzen, wie Weber ihn gegeben hat

3) VI 254. Es wird eine Freigelassene aus dem Gesinde der StaHB Tauri sein, Myrinos ein geringer Litterat der Zeit nicht lange vor Philippol

LESEFROCHTE 543

h zum Schluss zu kommen. Die Inschrift wird man um ihrer nche willen möglichst nahe an die obere Grenze 166, die An- den von Delos au Athen, rUcken. Der Homeriker Dioskurides isste also noch Zeitgenosse des Aristarchos sein, dessen Lehre

vorwiegend bekennt. Das ist nicht gerade unmöglich, wohl ^r darf man den ganzen Charakter des Buches in die Wagschale ^egen werfen. Wenn Dio und Plutarch ein Buch direct benutzen à dasselbe noch dem Athenaeus vorliegt, so ist nicht wahrschein- ti, dass es aus der gelehrtesten Periode der Grammatik stammte, t der namentlich Dio keine Verbindung hat. Es war ein popu- «8 Buch, und sein Verfasser ein Eklektiker, der die aristarchische :egese und neben ihr ruhig die peripatetischen Lösungen der lorien und mancherlei Stoisches verarbeitete. Das sieht viel eher €h der Zeit des Augustus als der des Aristarchos aus. Ich vermag >ch weder in den Resten des Dioskurides Spuren speciflsch helle- itischer Weise zu finden, noch sind Benutzungen dieses Buches •r Plutarch und Dio nachgewiesen. Anders steht es mit der la- »nischen Politic eines Dioskurides, die von Didymos benutzt ist,') id den Apomnemoneumata eines Dioskurides, die sogar schon egesandros von Delphi citirt*); aber die Identification dieser gleich- imigen Schriftsteller mit dem Verfasser des homerischen Buches 1er mit dem dichtenden Grammatiker der Inschrift schwebt völlig

der Luft, und wenn man auch geneigt sein mag, die Anzahl

r schriftstellernden Dioskurides zu verringern : das einzig wirklich

ichtige, die Identification des Grammatikers von Tarsos mit dem

)meriker, hat am meisten gegen sich.

LXII. lieber den Grammatiker Artemidoros, den Vater Theons,

die Untersuchung von Ahrens BucoL II XXXV mit Recht an- sehen. Es erscheint durchaus geboten ihn mit dem ^Agiaxo- if$ioç oder W€vôaQiaToq>ay€ioç zu identificiren; minder sicher

die Identification mit dem TaçaevÇj den Strabon erwähnt (675), dit als Zeitgenossen, also spätestens in suUanischer Zeit blühend,

1) Ihr uod nicht dem homerischen Buche gehört ofienbar an, was bei )tio8 axvrdlij steht, Jwaxovçidrjs ir rois nêçl vofiifM^v rovs 8apêi^opras ZncLÇTfîi htX, Eine lakonische Politie ist immer eine Darstellung von ve- ut. Der unglückliche Gedanke, diese mit dem Leben der Heroen zu ver- »peln, wird damit beseitigt sein. Eine Politie schreibt nicht leicht ein mmatiker.

2) Diesen wird man nicht leicht für jünger als die zweite Hälfte des lahrhunderts v. Chr. halten.

546 U. V. WILÂMOWITZ-MOLLENDORFF

xandriDer nichts angehC) wird noch filter sein: hat doch Daiid schon sein Volk gezahlt.

Was die Zahl der ägyptischen Ortschaften angeht (Wilden 488ffg.)> so sind die Einreden Belochs gegen die Ueberliefernug Diodors und das angebliche confuse Fragment des Baton oder BiitoD (so E. Meyer) in dies. Ztschr. XXXIU 520*) erledigt. Es istHeki- taios. Es sei aber noch eine Appianstelle behandelt, mit der Wilcken 247 nicht zu Rande kommt. 5iyr. 50 ergeben sich dem Pompeius Kilikien und Syrien, nur die Juden muss er mit Gewalt bezwingen, ihren König nach Rom schicken und ihre Hauptstadt zerstören, was Ptolemfios I. froher, nachher Vespasian und Hadri» wiederholt haben. Diese sehr übertreibenden Bemerkungen flogt Appian natürlich aus sich hinzu. Dass die gewaltsame Eroberaag durch Pompeius so bezeichnet werden konnte, wird man Dicht beanstanden. Nun folgt der fragliche Satz nai dca %av%^ lorlr 'lovdaloiç Snaaiy 6 q>6goç vaiv awfÀorwv, ßagirecoc %rjç oUi/g neçiovalaç. eari ai xal 2vqoiç xai Klli^iv èvijaioç ixatomi tov TifAi^inatoç éxdatwi. Dass sich dies auf Pompeius beseht, nicht auf die Gegenwart, folgt aus der Gegenüberstellung der fOh her ebenso in ihrem Verhalten zu ihm entgegengestellten Volker. Es folgt auch daraus, dass zur Zeit Appians Kopfsteuer in Syrien gezahlt ward. Also schreibt Appian einen Berichterstatter aus, der gemfiss den Ordnungen das Pompeius für jene zwei Provinzen nur eine jfihrige einprocentige Vermögenssteuer angab. Dieser Satz wird verdorben^ wenn man hinter èzijaioç ein Komma setzt. Vorher hat Musgrave neçiovaia mit Recht für unerträglich erklärt, einerlei wie falsches er an seine Stelle setzte. Wilcken durfte einem aa* tiken Schriftsteller nicht eine byzantinische Bedeutung, d. h. dl Verwechselung mit oiala zumuthen* Mao verlan jït den Sinn, den Juden, die sonst natürlich dasselbe zu leisten hatten wie

1) Das sagen das 3. Makkabaerbuch und iostphuä hf'ide^

2) Mittlerweile hat Wachsmoth io den JatirbücherD füf N^bopttoki und Statistik 1900,779 die Steile behandefl; der Aiif^ati litif du^ Freundlichkeit des Verfassers vor. Er zeigt, dass dn* * j)Uh B einmal mit derselben Gorruptel Bärtov bei S( vorliegt. Ich denke, er selbst wird die £mt den er billigt, vorziehen, denn er weiss, das^j Im übrigen lasse ich alles stehn wie es zu vergleichen. So viel ich von Wac' Millionen und die Volkszahlung sehe

LESEFROCHTE 545

far das Platon (aus den Gesetzen) bei Photius Téçafiov citirt wird, hat hiermit nichts zu Ihun. FOr die Beurtheilung unserer Platon- flberlieferung scheint mir die Variante wichtig; ich habe mich leider dazu bekehren müssen, wie die Einheitlichkeit, so die Vor- trefilichkeit unseres Textes nur mit starker Einschränkung anzu- erkennen.

LXIV. Josephus BeU. 11 385 giebt die Bevölkerung Aegyptens auf 7^2 Million an ix %rjç etc éxdottjv xegtal^v elaqtogSc, Wilcken in seinem schonen Werke über die Ostraka 1 239 macht sich mit dieser Notiz Mühe. Wenn die Zahl so gewonnen ware, dass Josephus die Gesammtsumme der Kopfsteuer durch den Ein- heitssatz dividirt hatte, so wflre sie freilich so werthlos, wie Wilcken sagt, da der Satz stark differirte. Aber eine solche Rechnung wird so leicht niemand dem Josephus zutrauen; dividiren ist in der griechischen Rechenkunst etwas schweres. Nun kommt aber Wilcken S. 491 zu dem Ergebniss, dass die Zahl an sich richtig sein wird, da sie der gegenwartigen fast gleich ist, und die von Diodor für die Ptolemäerzeit und die eigene Gegenwart angegebenen 7 Millionen in angemessener Weise abersteigt. Da ist es doch sehr seltsam, dass eine falsche Rechnung ein richtiges Resultat haben soll. Nicht die Kopfsteuer, sondern die zu deren Behufe vorgenommene Volks- zählung hatte Josephus benutzen sollen, also griechisch ausgedrückt. die kaoyçaq)la doch uein^ dieses Wort ist zwar dem Wortsinne nach Volkszahlung, hat aber die Bedeutung Kopfsteuer. Nun ist das Wort Oberhaupt nicht schriftgemass. Es kommt nur in einer Stelle des 3. Makkabaerbuches vor 2, 28, die so verwirrt ist, dass ich sie nicht verwenden kann. Josephus hat bekanntlich sein Werk ▼on einem Grammatiker sprachlich revidiren lassen: da haben wir den Erfolg. ^aoyçaq)la ist durch eine Paraphrase ersetzt, welche den Sinn giebt, den es praktisch zu jener Zeit hatte, der aber hier nicht zutrifft: der Grammatiker hatte noch schwerfälliger sagen müssen, Ix rcJy ^évexa Ttjç sic éxàavriv x€q>aXfjv elaq>oçaç àva- yQaq>ü(¥. Das Alter der Kopfsteuer lasst man passend mit Wilcken in stUEpeiMo: dass die kaoyçaq)la zuerst bedeutet hat, was sie sagt, fordert die Sprache, bestätigt sich durch die Angabe über die Volks- zahl schon unter Ptolemaos 1.*) und die Zahlung, die ja die Ale-

1) Die Stelle Diodor I 31 ist von Wilcken mit Erfolg gegen Belocti ge- sichert T0VTÙ9V möchte icli freilicli nicht aus rçioxaaiatv machen, sondern •wie Stephanus und schon ein Schreiber streichen.

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xandriner nicbu angeht,^) wird noch älter sein: hat doch DiTkl achoD sein Volk gezahlt.

Was die Zahl der Sgyptiacben Ortschaften angeht (Wikkea 488ffg.)y so sind die Einreden Belochs gegen die Ueberlieferoag Diodors und das angebliche confuse Fragment des Baton oder Baiton (so E. Meyer) in dies. Ztschr. XXXIII 520*) erledigt. Es ist Heb- taios. Es sei aber nocb eine Appianstelle behandelt , mit der Wilcken 247 nicht zu Rande kommt. Syr. 50 ergeben sieb den Pompeius Rilikien und Syrien, nur die Juden muss er mit Gewalt bezwingen, ihren ROnig nach Rom schicken und ihre Hauptstadt zerstören, was PtolemSos I. froher, nachher Vespasian und Hadrian wiederholt haben. Diese sehr Obertreibenden Bemerkungen füft Appian natOrlich aus sich hinzu. Dass die gewaltsame EroberuD^ durch Pompeius so bezeichnet werden konnte, wird man nicht beanstanden. Nun folgt der fragliche Satz xal aid %av%^ Icnrla^ ^lovôaloiç Snaatv 6 q^éçoç tvjv owfAOTWv, ßacvreQOC r^ç cfUijç neçiovalaç. ^ati êè aal Svqolç xal KlXi^iv injaioç éxatoav^ tov %ifAi]iÂa%oç éxâarwi. Dass sich dies auf Pompeius bezieht, nicht auf die Gegenwart, folgt aus der GegenOberstellung der j(x^ her ebenso in ihrem Verhalten zu ihm entgegengestellten Volker. Es folgt auch daraus, dass zur Zeit Appians Kopfsteuer in Syries gezahlt ward. Also schreibt Appian einen Berichterstatter aus, der gemäss den Ordnungen das Pompeius fOr jene zwei Pronnzen nur eine jährige einprocentige Vermögenssteuer angab. Dieser Satz wird verdorben, wenn man hinter itijaioç ein Komma setzt. Vorher hat Musgrave nsçiovala mit Recht fOr unerträglich erklärt, einerlei wie falsches er an seine Stelle setzte. Wilcken durfte einem ao* tiken Schriftsteller nicht eine byzantinische Bedeutung, d.h. eine Verwechselung mit olala zumuthen. Man verlangt den Sinn, da» den Juden, die sonst natürlich dasselbe zu leisten hatten wie die

1) Das sagen das 3. Makkabâerbuch und Josephus beide.

2) Mittlerweile hat Wachsmolh in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik 1900, 779 die Stelle behandelt; der Aufsatz liegt mir durch die Freundlichkeit des Verfassers vor. Er zeigt, dass das Homerscbolion B noch einmal mit derselben Gorruptel Bdxav bei Stephanos von Byzaoz Jêccmlti vorliegt. Ich denke, er selbst wird die Emendation 'EKaxaloG dem JCaar«»^, den er billigt, vorziehen, denn er weiss, dass dieser der Erfinder der Zahl ist Im übrigen lasse ich alles stehn wie es geschrieben war, bitte aber den Leser zu vergleichen. So viel ich von Wachsmuth sonst gelernt habe, die siebea Millionen und die Volkszählung scheinen mir nicht beseitigt.

LESEFRÜCHTE 547

anderen ProYiozialen, zur Strafe für ihreo Widerstand die drückende Kopfsteuer extra auferlegt wurde. Extra kann man in elegantem Griechisch nicht besser sagen als ix nsçiovalaç; ßacvrecoc^ Apposition zu q>6çoç, fordert einen Zusatz der Relation, schwerer als die anderen Steuern, %wv SXXtav. So meine ich, muss man schreiben.

LXV. Unter den vielen Vorwürfen, die Eduard Meyer in seinen Forschungen zur alten Geschichte gegen mich erhebt, befindet sich einer, der eine thatsflchliche Feststellung betrifft, und dem ich daher sofort Rede stehe; im übrigen lasse ich mich nicht provociren. Er wirft Kaibel und mir vor, dass wir auch noch in der dritten Auflage der aristotelischen Politic die Lesart der Berliner Hand- schrift 13, 4 Térraçaç für nivve der Londoner ,ignorirlenS Blass l hatte noch in seiner zweiten Auflage dieselbe Sünde begangen; in ^ler dritten die für den Text nicht geringere, auf Meyers Mahnung [ hin die Vierzahl zu empfehlen, denn dass sie falsch ist, giebt \ dieser jetzt selbst zu. Aber darum haben beide sich nicht ge- ' kümmert, dass unsere dritte Auflage eine neue Vergleichung der Berliner Blatter verwerthet, die ich angestellt habe. Wenn sich da diese Variante nicht findet, so heisst das für jeden, der einen kri- tischen Apparat zu benutzen weiss, dass ich das von Blass selbst 4s unsicher bezeichnete ag, auf dem allein die Zahl vier be- ruht, nicht gefunden habe und nicht anerkenne. Ich habe nur einen halbrunden Buchstaben sicher gelesen und bin moralisch überzeugt, dass er der letzte von névre ist. Ich bewundere die Leistung von Blass, der mit der ersten Abschrift der Blatter auch das gegeben hat, aber dass er, wie wir alle, an die neun Ar- chonten allein gewohnt die Spuren auf réTTagaç gedeutet bat, was jeder erwarten musste, ist wahrlich begreiflich. Solchen Irr- thomern verfallen wir Gelehrte leicht in Folge unserer Sachkennt- niss. Schreiber freilich, wie sie sich Meyer denkt, die entweder die Neunzahl um der Kenntniss der neun Archonten, oder die Zebnzahl, wegen ihrer Herrschaft im kleisthenischen Athen, ein- setzen, sind für den, der die Schreiber kennt (unseren Setzern vergleichbar), eine komische Erfindung.

Nicht mehr Glück hat Meyer mit seiner neuen Deutung. Er meint, die zehn Archonten wären statt des einen gewählt worden. Also sollen acht andere neben ihnen gestanden haben. Die zehn, die sich die Macht des Regenten theilen, sind Vertreter der drei

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Stande: die acht sind wohl io solonischer Weise auf Präseotation der vier Phyleu erloste PentakosiomediiDDen, haben aber nichts lu bedeuten. Das sollen wir ernst nehmen? Da soll die Parallele der Decemvirn ziehen : ja, standen denn neben denen andere Obe^ beamte? Dass die neun Archonten niemals gemeinsam agirtea, ist falsch. Eine Competenz, wie der Zuschlag zum Verkaufe der con- ûscirten Goter der q>BvyovTBg k^ uiçêlov nàyov, der ihnen i. B. immer geblieben ist, war in der Revolutionszeit keine Kleinigkeit. Mein Drtheil, das freilich gegenOber dem geschulten Historiker inferior ist (Meyer S. 412), gewohnt an Schlüsse aus der Aa^ logie, hier von den awagxLai anderer Staaten her, und an ROck- schlQsse aus späterer VerkOmmerung auf die Bedeutung der In- stitution in ihrer BlOlhe, kann die ivvia oqxovxbç nicht als eiaea inhaltlosen Zahlbegriff fassen. Aber die Competenzen der aeua und der zehn jenes einen Jahres, an denen ihre Bestellung uad ihre Zahl allein so bedeutsam erschienen ist, dass sie aufgesdchnct waren, kann ich nicht abschätzen. Das konnte auch Aristotdei nicht, der schwerlich mehr überliefert erhalten hatte, als er g^ geben hat. Wenn er aber in der Chronik fand, dass ein Dsurpatur sich Ober Jahresfrist als Archen gehalten hat, mehrfach ayo^/a war (gab es in solchen Jahren die anderen acht?), in einem Jahre 10 anomal gewählte soll er da nicht sagen, das wäre ein Beweis von der entscheidenden Bedeutung des Amtes, wobei o açxwv oad ol aQxovTBç nicht unterschieden werden , da sie jetzt längst alle neun bedeutungslos sind.

LXVl. 1. Bruns') hat kürzlich treffend dargelegt, dass schoa lange vor den Ekklesiazusen Aristophanes selbst mit den Ideen der Frauenemancipation gespielt bat, so dass dieser Gedanke schon lo denen gehört, die io der unendlich fruchtbaren Sophistenzeit auf- geworfen worden sind: kennt doch Euripides sogar die Weibe^ gemeinschaft.') Mit diesen Beobachtungen habe ich auch immer gerechnet, wenn ich die unerträgliche Beziehung der Ekklesiazusen auf Piaton abwies. Aber Bruns geht weiter; er nimmt in des weiblichen Kreisen selbst eine auf höhere Bildung und Emao- cipatiou gerichtete Bewegung an, schon in perikleischer Zeit, und

1) Frauenemancipation In Athen, Kiel 1900.

2) Im Protesilaos 653, der zu seinen älteren Stücken gerechnet werden muss. Der Vers wird bei Clemens eben zu dem Zwecke angeführt, Platoni xXoTir] dieses Gedankens zu zeigen.

LESEFROCHTE 549

die Chorlieder der Medeia de« Euripides sollen sie ihm belegen. Diese Interpretation verkennt die Weise und zum Theil die dra- matische Absicht des Dichters.') Freilich dreht sich das Drama um die Stellung der Frau: die gekrankte Wtirde der Ehefrau ver- tritt Medeia, die von dem gewissenlosen Egoisten lason Verstössen wird, weil sie eine Fremde ist. So etwas haben die Frauen in Athen oft erfahren, zumal nach der Verschärfung der Gesetze über die Legitimität Es mag auch manche gescheitere Frau unter ihrer den Mannern und Frauen unbequemen aoq>la gelitten haben wie Medeia; aoq>riv oh fiiow sagt Hippolytos, und die ganze yuvai,- xoç àçeTi^ ist im athenischen Sinne bedingungsloser Gehorsam. In 80 fern als er die Partei einer solchen nimmt, muss der Chor der Korintherinnen und der Dichter, der durch diesen spricht, fOr die Frauen eintreten. Aber dass er diese aoq>la selbst gebilligt hatte, folgt daraus nicht: denn Medeia ist doch eine Giftmiscberin und Mörderin, und Euripides hat sie erst dazu gemacht. Sie ist das nicht als Barbarin, wie bei Grillparzer, sie ist auch das als Frau: die List, der Betrug, die aTclr^arla xo/ti^ç, die vor nichts zurückschreckende Verfolgung ihrer Nebenbuhlerin, alles gehört dazu. Giftmord ist für sie als Weib der gerade Weg.

71Ç0Ç de xal neq>viiafÀBV yvvaîxsç, fikv 'éa^V à^rixaviâtaxai, naxdiv âè ndvtcjv Téntoveç aoq>ùnaTai (407). Das haben wir noch in den Ohren, als der Chor das Lied anstimmt, das für Bruns eine kleine aber bedeutende Partei emancipirter Damen in Alben belegen soll. ,Die Welt dreht sich um, die Männer sind treulos und die Frauen müssen gepriesen werden. Die Sprüche der alten Dichter') von unserer Unzuverlässigkeit müssen ver- stummen, und wenn wir zu dichten verstünden, würden wir ein Lied von der Männertreue singen.' So sagen sie, weil lason treulos ist und Medeia ihnen den Mordplan mitgetheilt hat. Auf dem Contraste beruht die starke Wirkung des Liedes, das auch die ver- brecherische Natur der Frauen illustrirt, die Medeia selbst gerühmt

1) Es ist nicht meine Schuld, dass ich von neuem einschärfen muss, was von mir in dies. Ztschr. XV 518 und von Arnim in seiner Erklärung der Medeia dargelegt war.

2) /tovüai naXatyavê'anf àotddJPy nicht àoidàPf wie ich auch schon froher betont habe und jeder sich bei einigem Nachdenken sagen sollte, not^ T,fiLata T(vv naltn aofcày notrjrœv sagt der Scholiast.

Hdrmet XXXV. 36

550 ü. V. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF

hat.*) Die Treulosigkeit der Manner macht die Frauen nicht besser.

Hier war ausgesprochen, dass es keine Dichterinnen oder ^ Schriftstellerinnen, was dasselbe ist, gflbe. In einem späteren Liede (1081) sagt der Chor, er hätte tiefer gedacht als die Frauen pflegten^ aber es gäbe ja auch vereinzelt unter dem weiblichen Gescblechte musisch -sophistisch gebildete. Diese Erklärung leitet eine dialec^ tische Erörterung ein, die zu dem Schlüsse fOhrt, dass Rinder kein Segen wären, also zum Widerspruche gegen das allgemeine Urtheil der natQrlichen Weiblichkeit: desshalb wird dem Aasios».» dass Frauen so etwas sagen, durch jene Einleitung vorgebaut. E^ ist schwer zu sehen, mit welcher Kunst hieraus auf die ExisteiiaK von emanicipationslüsternen Frauen geschlossen werden soll. Di^ anderen Lieder vollends, in denen der Chor der Medeia um ein^ friedliche, auch von keinem Ueberschwang der Leidenschaft ge^ trObte Ehe bittet (weil er das Gegentheil vor Augen hat), und wo er Athen als den unverletzlichen^ Boden -der Cultur und Bildoai? preist (weil sein ROnig Medeia dort Zuflucht versprochen hat) kann vollends nur Voreingenommenheit in dieselben Kreise ziehen. Es befremdet, dass Bruns nicht auch Phaidra als Typus dieser gelehrten Frauen angeführt hat: sie leitet tiefe allgemeine Betrachtung«*n mil ^ dem Bekenntniss ein, in schlaflosen Nächten gegrübelt zu haben (374), oder ihre Amme, die in langem Leben viel gelernt und die Ueberlieferung der Vorzeit studirt zu haben bekennt (252. 451)' Und vollends Melanippe, die den Beinamen ,die Sophistin' erhalteo hat, und eine Kosmologie vortrug, die sie, wieder um sich zu ent- schuldigen, vpn ihrer göttlichen Mutter empfangen haben wollte. Manchmal wagt der Dichter weibliche Personen auch ohne b^ sondere Motivirung sogar ganz bestimmte philosophische Sätze aus- sprechen zu lassen ; es ist ja bekannt, dass Zeitgenossen und Nach- welt ihm die Verletzung der Wahrscheinlichkeit stark verflbelt haben.') Es ist wirklich schwer begreiflich, wie er so missverstanden werden kann, dass er noch mehr beweisen soll, als er selbst sagt, dass der Chor der Medeia eine Partei emancipirler Frauen vertreten soll,

1) Wieder muss ich audi daran erinnern, dass Euripides sich mît der- selben Wirkung im Ion 1090 copirt hat.

2) Dies, weil der Einfall der Peloponnesier nnmiltelbar droht, deren Heer während der Dionysien am Isthmus stand.

3) Troer. SS4 mit Schol., wenn man denn dafür noch erst citireo soll.

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LESEFRÜCIITE 551

wo er doch nur angiebt, dass ganz vereinzelt eio iDdividuum der Art sich fände. Was er allgemein sagt, dass die Frau an sich der Muse nicht entbehre, d. h. bildungsfähig wäre, ist gewiss ein wich- tiger Satz abstracter sophistischer Doctrin, ein Vorfäufer der Uto- pîeen der nächsten Generation, aber mit dem Leben hat das so veenig zu thun als jene, und ihn spricht der Mann, der Sophist aus. Das Leben betrachtete die Athenerinnen so, dass sie mit IXcGBidwv xa2 axdfpr] abgethan sind; und nach drei Generationen, in Henanders RomOdie, ist es nicht viel anders.

Als weiteren Beweis führt Bruns die Aspasia an : da sind wir bei Hamerling. Drei Zeugnisse der Sokratiker lägen für ihre geistige Bedeutung vor. Es ist, wie ich gesagt hatte und der Prüfende unschwer finden konnte, eins. Denn wenn Xenophon {Oecon. 3, 14) Aspasia als Erzieherin nennt, so ist das ein Compliment an Aischines, in dessen Dialoge Aspasia eben Xenophon und seiner jungen Frau Segenübertrat : das ist doch evident. Historische Realität bean- sprucht es nicht, sintemal Xenophon zu Aspasias Lebzeiten eine ^rau weder hatte noch haben konnte. Das zweite ist der Mene- Keiios oder besser seine Rahmenerzählung. Da ist Aspasia als die L»ehrerin der Rhetorik freilich für den Verfasser eine feststehende Grosse; wer den Dialog nicht für platonisch hält, wird ihn über- haupt für die Realität nicht verwenden. Uebrigens treibt Aspasia bier keine Frauenemancipation , sondern belehrt Männer. Sie ist l^eine Ehefrau, sondern es geht bei ihr die Männerwelt aus und ^d: kein anständiger Mann konnte seine Frau in ein solches Haus bringen. Bleibt also Aischines. Der hat freilich jenes nicht un- veriïngliche Gespräch erfunden, das sie mit Xenophon und seiner Frau führt, hat auch erzählt, dass sie nach Perikles Tod schleunigst den Schafhändler Lysikles nicht nur zum Staatsmann gebildet hat, sondern ihm auch einen Sohn geboren, Poristes mit Namen. Nun, ist das historisch? Hiess ein Mensch nach dem Amte, das die Er- öffnung neuer Einnahmequellen im Namen trägt? Aischines hat es mit der Realität so frei gehalten wie er durfte und manche Fabel aufgebracht.') Diese Novellen in die Historie aufzunehmen aiag den Leuten reizvoll sein, die das pikante Detail nicht missen können; man kann darüber nicht ernsthaft reden. Historisch ▼erwerthbar ist lexliglich, dass Aischines die Aspasia als ein ge-

1) Daraater die Gesctiichte vom armen Âristeides und dem reichen Ral- lias — sollen wir hinter der auch Realität suchen?

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schcidtes Weib überkommen hatte, die Egeria des Perikles, deren Besitz die politische Macht verlieh. Social war ihre Position bei ihm so weil gehoben, dass ein Vater seinen Sohn su ihr schickte, ein Mann mit seiner Frau bei ihr erschien; ob sie bei LysiUes^ wohnte, ob sie über die Zeilen persönlicher Reize hinweg war (was mir Xenophons wegen vorzuziehen scheint), stehe dabio* Es ward in dem Dialoge unzweifelhaft die Frage der weiblichen Leistungsfähigkeit behandelt, da die Hetäre Thargelia und die KOnigix: Rhodogune besprochen wurden; es ward auch die sittliche Ver- kommenheit der lonierinnen gegeisselt, und man mag sich deokecM dass Aspasia sie aus dem Haremsleben ableitete: gewiss ein merlK- würdiges Buch, belehrend für die sophistisch-sokratische Speculation, aber weder für die geschichtliche Kebse des Perikles noch fOr die Atbenerinnen des 5. Jahrhunderts ein verwendbares Zeugniss. We wirkliche Aspasia hat dem Perikles vor dem samischen Kriege eioeo Sohn geboren; es ist ganz ausgeschlossen, dass sie auch nur al$ nakXaxfj ènl natal yvrjaloiç bei ihm hätte leben können, da sie eine Fremde war. Höchstens als der Sohn durch Specialgesett legitimirt war, kann sie sich neçiyiléovç yvvtj genannt haben, und wer den Grabstein mit Diodoros anerkennt, darf sagen, sie war eine Tochter des Axiochos von Milet, Concubine des Perikles, und ist legitimirt als seine VVitiwe gestorben. Das ist eine baltbare Position: aber dann ein Strich durch die unvereinbaren Geschichten. Denn es ist natürlich unmöglich, dass sie nach dem Tode des Peri- kles Concubine des Lysikles ward, und dem wieder einen Sohn gebar: E.Meyer bringt es freilich fertig beides zu glauben: er glaubt auch Blass, dass Periklione ihren Sohn aus erster Ehe zum xvçioç gehabt hätte. Ob Perikles sich Aspasia in seinem Hause hielt oder wo anders, kann niemand entscheiden: das zweite bezeugt Antisthenes, der ebensoviel und wenig bedeutet wie Aischines, bezeugt Aristo- phanes (sonst konnte sie keine Sciavinnen haben) bei ihren Leb- zeiten, und in den Schiiderungen vom Tode des Perikles fehlt die ,Gallin', deren Pflicht das fualvea^ai ist. Vollkommen lächerlich wird es, wenn die Anklage daeßsiag ein Beweis für ihre geistige Bildung sein soll: oder gilt das auch für Ninos und Phryne, die ebenso belangt worden sind? Unser Bericht lässt erkennen, dass der Angiifl* darauf hinauslief, sie veranstaltete Zusammenkünfte von Frauen, die sie in Wahrheit an Perikles verkuppelte. Also ein verbotener Verein, wie Phryne einen des Isodaites gestiftet habeo

LESEFRÜCHTE 553

sollte. Ich gebe auf den ganzen Bericht gar nichts, der sogar nach (Jem Process der Phryne verfertigt sein kann. Ich habe gesagt, Aspasia war eine Hetäre: nur als solche kennt sie die Komödie. Dass Perikles eine dauernde Verbindung mit ihr gehabt hat, be- zeugt noch lange nicht, dass sie ein gescheidtes Weib gewesen ist: das will ich aber den Angriffen der Komödie zugestehen. Weil sie Hetäre war, konnte man alles mögliche von ihr erfinden, gutes uod schlechtes. Weil sie HetSre war, beweist sie fdr die Athene- rs nnen gar nichts. Ob sie Bildung oder Bildungstrieb besass, kann lieute niemand sagen; für die Geschichte ist es einerlei. Von meinen Aufstellungen ist widerlegt, dass der Name bei einer lonierin das Ge- werbe bezeichnete: weiter nichts. Da haben neue Thatsachen mit- gesprochen: die respectire ich; alte Meinungen werden durch er- i^eute Belheuerungen nicht stärker, und über weiteres haben E. Heyer und Bruns nicht verfügt.

LXVII. Nachdem Thukydides seine Erzählung des Krieges mit dem vielbewunderten Gemälde der Deberrumpelung Plataiais eröffnet und die Hinrichtung der gefangenen Thebaner erzählt hat, lïhrt er fort (6): ,als sie das gethan hatten, schickten sie Botschaft nach Athen und gaben den Thebanern unter Vertrag die Leichen zurück ; trafen auch in ihrer Stadt die geeignet scheinenden Maassnahmen. I Den Athenern ward das Geschehene sofort gemeldet'); sie nahmen auf der Stelle alle Böoter in Attika fest und sandten einen Herold nach Plataiai, der zu bestellen hatte, man sollte sich an den Gefangenen nicht vergreifen, ehe nicht auch Athen darüber beraten hätte. Die Hinrichtung war ihnen nämlich nicht gemeldet, denn der erste Bote war gleich bei dem Eindringen der Thebaner ab- gegangen, der zweite, als diese eben besiegt und gefangen waren; von dem weiteren wussten sie nichts. So sandten die Athener Botschaft, ohne davon zu wissen, und der Herold traf bei seiner Ankunft die Männer bereiu hingerichtet. ||

1) [nê^l TÔSv UXaiatœv} yeysvrjfiiva' das Ueberlieferte ist überhaupt kein Griechisch, daher hat der Gorreclor des Laurentianus naçà verniulhet, eben so unbrauchbar, wie wenn man nach 8, 96 neçl rrjy Evßoiav /«• YÊWfiftiva hier nêf^i rr,v liXaxatay vermuthen wollte, oder etwa naçà rcSy nL ff ysy, Tilgung ist hier das allein befriedigende wie 19 iv nXa" raioi [rair eüsX&bvxmv 6rißalav] ; aber es bleibt die Unsicherheit, dass man die Interpolation nicht begreift. In den Formen des Stadtnamens befolge ich die Ueberlieferung , nicht weil ich sie glaubte, sondern weil ich keine Ratio ermitteln kann.

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Danach zog ein athenisches Heer nach Plataiai, brachte ProfiaBl hinein, liess eine Besatzung dort und nahm die wehrlose BevOlkenug mit Frauen und Kindern mit hinaus/*)

Ich halte für evident, dass die bezeichneten Satze eine spätere Einlage sind. In diesem Nachtrage ist alles in schönster Ordonog; wir erfahren, dass die Athener Ober das vorgefallene schleonigst unterrichtet wurden und was sie thaten ; dabei wird durch genaoere Angaben festgestellt, dass ihr Beschluss die Hinrichtung iesr Ge- fangenen nicht nur nicht vorausgesetzt hat, sondern sogar gegen diese gerichtet war. Der Schlusssatz des Kapitels kann so wie er steht angeschlossen werden, obwohl fueza zavva ziemlich leer ist: doch würde Thukydides den Namen der Athener schwerlich wieder* holt haben, wenn er das in einem Zuge geschrieben hätte. Da» er das nicht hat, zeigt der Unsinn, der durch die Verbindang der Einlage nach oben erzeugt ist. Denn der Bote, den er ehen eiD- führt, muss dann nach der Hinrichtung abgegangen sein, kann also nicht unter den beiden später erwähnten verstanden werden. Und es ist eine Stümperei, wenn nichts schlimmeres, nach ig fàç ^Ad^rivag ayyskov ïnB(Anov fortzufahren zolg d' 'A&ijvaioig rff- yél&rj €v&vç yêyevrifÀéva, wenn sich auch dafür wie fOr alle solche Stümperei Bewunderer finden. Dagegen liest man alles mil voller Befriedigung, wenn die Einlage ausgeschieden wird.

Die Einlage hat den Zweck die Athener zu entlasten; sie sind unschuldig an der Blutlhat, ja sie haben sie missbilligt. Diese Blutthat ist vorher ganz einfach als That der Platäer erzähiL Weoo die Einlage fehlt, sollen die Athener auch unschuldig sein, deoo der Schriftsteller hat die Botschaft an Athen erst nachher enäbll. Das genügte im allgemeinen vollkommen. Erst bei genauerer Er- wägung der Mitschuld Athens musste Thukydides aufmerksam werden, dass sein Bericht allerdings in dem nun bedeutsam gewordeDen Punkte angreifbar geworden war. Er halte den Abgang der Bol- schaft zeitlich zu spät erzählt, wenn auch bei seiner Darstellung

1) Griechisch schreibe ich nur die Hauptsätze ab toixo 8s %oirflan^ Si TB tag 'Ad'rjvas nyyslop insfinov xai tovc vBKÇoi£ vnacnorSovs out doaav toU Orißaiois rei re iv riji noXei na&iatatno nçoG neiçovxfi M éSôxei nvroXe. \\ rois 8* j4d'rjvaiois rjyyéXd'rj tv&vç [nsçl xàv Ilhactad*]

yeysiTj/uera ovrco 8r. ovx eiSortS oi ^Ad'r^aXot ineaxalXoVy 6 ii «f*

çv^ ocfCxofiBvoi r^içE rois nvSçae 8tefd'açfiéyov6 | Koi /tstà xavra oi A^ rnJoi aTçaTetaarres li UXâraiar alxôv x' ioriyayov jctA.

LESEFRÜCHTE 555

keine Trübung der Wahrheit entstand. Bekanntlich hat die un- überlegte Grausamkeit der Platäer die Folge gehabt, dass ihre Ge- fangenen nach dem Falle der Stadt hingerichtet wurden, ein Ge- schick, das auch 25 mitgefangene Athener theilten. Athen aber hat im Nikiasfrieden auf Plataiai verzichtet Die Hinrichtung der athenischen Gefangenen konnte entschuldigt werden, wenn Athen an der ersten Hinrichtung mitschuldig war; die Distinction war für Athen von Wertb, und sie mochte später zur Entschuldigung dafür dienen, dass Athen die Platäer preisgab. Ephoros hat sich nicht gescheut, die ganze erste Grausamkeit der Plaiäer zu unter- schlagen (Diodor 12, 42): zu seiner Zeit war die Sympathie der OflTentlichen Meinung bei den Platäern, die unter dem erneuten Hasse Thebens so viel gelitten hatten. Es ist somit ganz begreif- lich, dass Thukydides, der die Geschichte des Deberfalles längst geschrieben hatte, nach 421 Veranlassung fand, einen Nachtrag zu machen, den er freilich nicht mehr in den alten Text ver- woben bat.

Darauf erzählt Thukydides nicht gleich die durch die factische Eröffnung des Krieges hervorgerufenen Maassregeln, sondern die Vorbereitungen des letzten Winters, und giebt eine Uebersicht über die Bundesgenossenschaften der beiden Gegner.') Daraus folgt, dass er von vornherein nicht beabsichtigt hat, diese Vorbereitungen an der Stelle zu behandeln, wo sie zeitlich hingehörten; ein Anschluss, wie er jetzt zwischen den Verhandlungen der Mächte im Herbste und der That von Plataiai im März vorliegt, war also immer sein Plan. Von der Uebersicht der beiden Bundesgenossenschaften ist von mir und anderen bemerkt, dass sie auf dem Friedensinstrument von 445 beruht, das er immer voraussetzt. So ist es gekommen, dass er von den Westhellenen ganz absieht, obwohl sie sich auf

1) 7 yiyêtnjftévov xov iv UXataïaïs ^(f/ov . . ol jä^ifpalot net^inttV' a^orto cas noXê/u^fforras ^ naceüxeva^opro 8i uai oi jieutadmßtoruH ued oi èvfifiaxoi. 9 €JQ/ifivTO^ noXêie 8* iuâxtçoi Taa8* ixov%B9 .... am Ende fvufMLxia fUr avnj éxaxiQmv xai na^oxevri éi Tor noXa/iOP r^v, 10 Oi 8i ^oMêâtu/iAoviot ftatà év IlXaxaécûs 9v&vç, la dieser archaischen Weise die einzelnen Abschnitte fest umgrenzend erzihlt er nicht immer: es wird so der Aufban der Erzählung ganz klar. Die archaische Poesie und Rhetorik, ganz besonders Thukydides, bauen zwar so; die Interpreten übersehen es nur zu oft Von der ünbehilflichkeit, dass es nun zuerst den Eindruck erweckt, als wären die Vorbereitungen von c. 7 nach dem 5. März 431 getroffen, kann man ihn nicht freisprechen.

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beide Parteien vertbeilteD, und auch Athen sich damals um sie be- mühte. Es fehlen auf athenischer Seite auch die Thessaler, obwohl sie sehr bald eingreifen : alle diese Völker standen ausserhalb der griechischen Welt, die Athen und Sparta sich 445 getheilt hatten. Der Anschluss an das Verzeichniss in jener Urkunde erklärt allei.^) Thukydides bemerkt bei den Achäern, dass sie zunSchst neutral blieben bis auf Pallene, dann aber auf Spartas Seite traten. Be- kanntlich ist aber nach dem Nikiasfrieden Achaia nicht bei dem Bunde geblieben, ja Alkibiades hat versucht Patrai zu dem Bau too langen Mauern zu bewegen (5, 52). Thukydides hat das nicht ge wusst, als er dies schrieb; er würde nach 420 auch die so be- deutsame Verbindung von Arges mit Athen ebenso erwähnt haben, wie er den Anschluss von Achaia an Sparta berichtet.

Nun beginnt die ErzShIung, und Archidamos steht in ihrer Mitte. Ihm wird eine Rede in den Mund gelegt,') deren Absicht ist, einen Angriff der Athener als sehr wohl denkbar hinzustellen und demgemdss die grflsste Vorsicht zu empfehlen. Dann schickt er noch einen Herold, den Perikles abweist, und das Heer rflckl vor. In dem Moment springt die Erzählung nach Athen Ober und

t) Der nsineaTiKos tpèçoi wird so bezeichoet vr,cin ôaeu àvrot ÏÏûù' nowr^üov uai K^jTijç nços ijlior avicxovja nâaai al aXXeu (dies Wort fehlt in G) KimXddas nXrp^ Mr^lov hoI Or^^s, Hier hat mao seit Dobree die Ky* kladeo Tertrieben, und man moss es, wenn sie Id der später ûblicheo Weise als die rings am Delos liegenden aufgefasst werden. Allein dass ThukydidM eine andere Auffassung hat, die gerade, weil sie den späteren widerspricht, alt und gut ist, zeigt der s. g. Skylax 48. KvxXâdaç at9ê eici nêigl v^ yîeuadaifiopiofr x^Q^^ oixovfievai^ das sind die dorischen von Melos bis Âsty* palaia. 58 naxa da t^v *Axrixr^v tiai rr^aoi ai KvxlâSêS xahn'fuvau DaoQ werden die eigentlichen Kykladen aufgezählt mit dem Vermerk: avxiu fkf ai xvuldSts vr,tfot* vjfo 8i ravxats nçhi vlxov los Amorgos Ikaros (so dtss man für dies falschlich südliche Lage annehmen würde), fuxà "Avèf^ £^ ßota^ iv TûJ« Alyaioi nsXiyu Skyros, Ikos, Peparethos, Skiathos. Man wird hiernach bei Thukydides nichts ändern. Dass die Inseireihe von Tenedos bis Rhodos immer nur zu Asien gehört, muss bekannt sein.

2) Diese wird eingeführt èvpcaXëCaç xovç ax^xijyoiç x£r nolutv iw omv %al XOVÇ fiâliaxa èv xélei xai xovç àiioloyandxovs ntiL^vai xoUi^ ile^er. Diese Vulgata schien Sintenis mit yta(fTjiv8t xoiddê vortrefflich ver- bessert zu haben. Aber G hat xoifs àSiandxovç naqswai^ und dieser bestes Ueberlieferung soll man folgen. Neben den Führern der bundesgenössiscbeo Contingente und den höchsten spartanischen Offizieren werden Männer sa- gezogen, deren Gegenwart der König sonst für angemessen hält. Es wird eine alte Variante à^ioXoycûTàrovç neben à^iaxdxovi naçêitai existirt haben.

LESEFRÜCHTE 557

ckt zuerst Perikles in bedeutungsvollster Weise in den Vorder- ind, schweift dann aber weit in aitattische Geschichte ab. Danach id die Peleponnesier (18) erst an das Grenzcastell gekommen, s Archidamos zu belagern sich anschickt. Der Schriftsteller halt le, um zu erzählen, wie unpopulär und wohl auch unrichtig die ;emde Kriegsfahrung gewesen wäre, dass Archidamos aber immer cb auf Nachgiebigkeit Athens gehofft batte.^) Endlich geht es \ Acharnai, wo wieder längere Station gemacht wird. Diese wird I einer ausdrücklich hervorgehobenen Betrachtung Ober die Ab- hi des Archidamos ausgefüllt, der nun einen Angriff erwartete.') in wendet sich die Erzählung nach Athen; die Stimmung dort

ihrem Wechsel und mit ihren Widersprüchen wird geschildert offenbart sich, dass die Rechnung des Archidamos in ihrem iten Theile doch nicht unberechtigt war, denn ohne die Con« ({uenz des Perikles würde ein Angriff erfolgt sein. Es fehlt nicht

directen Beziehungen auf die vorhergehenden Betrachtungen.') iDD wird gelegentlich eines einzelnen Gefechtes^) die thessalische lodesgenossenschaft aufgezählt'): dem Schriftsteller ist ersichtlich

1) 18 Ânf. heisst es ,8ie rösteten sich zam Sturme und hielten sich auch ast lange auf.' Dann die Belrachtong. ,Âls sie mit dem Sturme und allen deren Versuchen Oinoe nicht nehmen konnten und Athen keinen Herold lickte/ Man kann die Zwischensätze nicht missen.

2) Nicht nur, dass die Betrachtung des c. 20 durch Wiederholung der- ben Worte eingerahmt ist, auch c. 21 recapilulirt die einzelnen Stationen § Marsches, die 19 genannt sind, am Eingange, so dass es eine Ungeheuer- bkeit ist, den Thukydides 21 an 19 ohne 20 reihen zu lassen.

3) Wenn nicht 20 vorhergeht, ist unverstandlich, wieso die Acharner 21 ^ a^ictv avToU ov ttiv àXaxiCTTjv fio^av ilyat *A&fjvaimr annahmen.

4) Den Ort <P^yêa habe ich im Demos Lakiadai, noch am linken Ke- sosufer, bei der U(fà ^x^ (Pausan. I 37, Phot, is^ fftm^) bestimmt, in- II ich das sonst unverständliche, bei Âthenaeus III 75 b schlechtgedeutete, vyias avf^fiaxa üvnrfi bei Alexis (Athen. II 55 b) auf dies 0Qi>yM bezog, nahe also ist eine böotische Gavalleriepatrouille schon 431 gekommen.

5) Die Larisaeer fahren JloXv/itjdaç xal *jéQicr6vovç ànb t^s ardaêœç T«fOff* Ich halte gesagt, wir wössten nicht, was üxciaic wäre, da es ja Dbar eine politische Körperschaft ist Dagegen hat man nur Redensarten gebracht. Jetzt ist in Larisa die Unterschrift einer Ehrenstatue des einen ines entdeckt und von dem Herausgeber Hatzigogides richtig verwerthet den (A&f^à VII 449) i7oA[v/M]i7^<[a] araüui^x* das Tempus wage ich It zu bestimmen. Es gab also in Larisa neben der Gemeinde tint atd^iSy

ihre eigenen Beamten hatte und einen eigenen Her bann aufbot, eine plebê

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gegeowärtig , das8 er sie obeo in der allgemeinen Uebersicht aus- gelassen hat; schriftstellerisch kaum löblich. Endlich wird die Erzählung des peloponnesischen Einfalles zum Abschlüsse gd)ncbi und zu der athenischen Expedition um den Peloponnes überge- gangen.*)

Formell wird man an dieser Darstellung eine gewisse un- behilfliche Breite Yielleicht tadeln können (wie denn mancherlei athetirt worden ist), es wird aber alles in seiner Einheitlickkrii und seiner bedeutenden Berechnung klar, sobald man die Kunst- mittel verfolgt und von den Winken des Schriftstellers geleitel zur Erkenntniss seiner Absicht gelangt. Er will retardiren: daher vor Ueberschreitung der Grenze die Rede und die Sendung des Herolds. Die Rede fordert den allersorgsamsten Sicherheitsdienst, warnt vor Unterschatzung des Gegners, spricht aber die Erwartung eioer grossen Schlacht aus: sie dient also der einen Absicht desArchi- damos, die Athener zu einer Schlacht zu bringen, in der er Sieg hofft, wenn die lakonische Disciplin gewahrt wird. Die letzte Bot-

neben dem populusy oder wie in Deutschland etwa eine bischöfliche oehcfi einer autonomen Gemeinde in derselben Stadt bestand. Das genauere wisset) wir immer noch nicht.

1) Aus c. 25 seien noch ein paar Einzelheiten erledigt Nachdem die Waffenthat des Brasidas bei Methone erzählt ist, heisst es ành rovSi m ToXfirj/iaros n^toxoe tdfv narà rov noXt/iov ijtruvid^ èv JSnâqrtn. Da ändert Hude mit Herwerden nçcjxav; sie verstehen also, dass diese That sdo Renommee begründete. Schwerlich kann ènr^ivid^ das heissen, schwerlid) passt dafür der Aorist. Was Thokydides angiebl ist ein einzelnes Factam: Brasidas erhielt in diesem Kriege die erste Auszeichnung wegen Tapferkeit: der Orden ist ihtaivoe. Wir sind noch in einer Zeit, wo das genügt: später würde es heissen ènawsiv énaivati x^vffflVof axstpwon u. dgl. Weiter schlafen die Athener bei Pheia n^ßorj&rjüavrac rwv in rrfC xoiXtjç "HXtSaç t^ta- Koaiovs Xoyddac nal toi S {rdJv codd.) avro&er is Tf;s nê^utiSoç ^HUim. Die 300 waren nicht aus den Eleem des hohlen Elis und denen des Dntertbaaeo- landes ausgewählte 300, sondern 300, die die Eleer gleich schicken koaotea, daneben das Aufgebot der ne^ioixls. Ein paar Tage später rœr *Hldmf % TtolXf} armaria TtQoceßeßoij&Tjxei , im Gegensatze zu den 300 , wo man daoii also nicht mit Madvlg nom^ in aXlij ändern darf. Auch 26 ändert Madvif falsch. Die Athener schicken 30 Schiffe die lokrische Küste entlang (natär- lieh, wie sich gleich zeigt, zum Plündern), koI Evßoias apta tfvJLaury^ ,nh gleich auch als Wache von Euböa/ Weil der Leder bei 9r«^j ^oac^« die Ab- sicht der Plünderung sich selbst ergänzt, kann ein zweites Motiv angereiht werden; Kai aua ist nicht copulativ. xarâ für nai steht schlecht and is (1er alten Rede bedarf der Accusativ keiner Stütze.

LESEFROCHTE 559

scbaft dient dagegen seiner personlichen Neigung, den Krieg zu vermeiden, Athen zum Einlenken zu bewegen. Endlich wird die Grenze Oberschritten. Das Zaudern bei Oinoe versinnlicht eine Betrachtung des SchriftsteUers : die Hoffnung auf Einlenken Athens war trügerisch und schädlich : Perikles hatte mit dem Kriege Ernst gemacht. Nun geht es bis Acharnai, wo Archidamos die Schlacht anbietet, die er herbeiführen müchte. Wieder eine Betrachtung. Diesmal würde die Rechnung nicht getrogen haben, wenn nicht Perikles die Volksstiromung mit fester Hand gezOgelt hätte. Dann läuft die Ueberschwemmung Attikas durch die Peloponnesier ab, resultallos. Dafür treten die Unternehmungen Athens ein, die an vielen Punkten ansetzen; alles ganz knapp erzählt, keinerlei Schil- derung, keinerlei Betrachtung, oder gar Einführung eines Redners. Wir bekommen den Eindruck eines Erfolges der perikleischen Po- litik und Strategie; das wird nicht gesagt, denn es ist ja der Erfolg der Geduld und der Berechnung; die Früchte reifen, aber sie brauchen noch Zeit. Dem gegenüber sehen wir die Pelopon- nesier mit grossem Aufwände ?on Mitteln nichts erreichen. Unter ihnen aber tritt der alte König als Gegenspieler des Perikles hervor. Er soll verstanden und gerechtfertigt werden, wenn auch Perikles als überlegen erscheint. Archidamos tritt nicht weiter als leitende Persönlichkeit hervor, dagegen spielt er dieselbe Rolle wie hier auch im ersten Buche. Die Haltung des Perikles ist durch seine Rede am Ende des ersten Buches vorbereitet, seine Person in die nothwendige Höbe gestellt. In all dem zeigt sich eine zusammen- hängende künstlerische Absicht. Untrennbar aber ist auch die Rede des Archidamos in die Erzählung verwoben, die ihrer so wenig entbehren kann wie der eingeschobenen Betrachtungen des Schrift- stellers.

Wir folgern also. Thukydides hat diese ganze Partie in einem Zuge geschrieben, auch die Rede und auch die Kritik des Archi- daoios. Selbst wo man etwas befremdet wird, versteht man seine Intentionen. Wenn er die älteren Vorbereitungen erst hinter dem Ueberfalle von Plataiai berichtet, so sollte dieser erste wirkliche Casus belli fn Contrast zu den diplomatischen Verhandlungen des Vor- jahres treten. Wenn er die Bundesgenossenschaften auf Grund des Verzeichnisses aufzählt, das für das ganze Recht der beiden Theile maassgebend ist, so bleiben die Thessaler fort: ihr Verzeichniss wird bei einem kleinen Gefechte nachgeholt^ dem einzigen, wo sie

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in Action getreten sind. Mit dieser Partie muss mindesteDS ein Theil des ersten Buches in engem Zusammenhange stehen, die Partien in welchen sich Archidamos und Perikles einfOhren. Beide thun das durch Reden*): da wir hier auch eine Rede haben, die mit der Erzählung unlöslich lusammenhflngt, werden wir daran keinen Anstoss nehmen.

Wann hat Thukydides diese Partie entworfen? Kein Zweifel, dass wir ihm glauben dürfen, wenn er sagt, dass er gleich mit dem Beginne des Krieges zu schreiben begonnen hat. Wir sebeo hier das Verhalten sowohl des spartanischen wie das des alhe nischen Führers auf eine scharfe Verurlheilung im Publicum slosseo, deren Berechtigung der Schriftsteller prüft und verwirft. Wir sebeo in dem schweigenden Contrasie der Actionen beider Parteien und ihrer Erfolge die Chancen des Kampfes deutlich gemacht. Wir empfinden, dass die conséquente Verfolgung der perikleischeo Po- litik zum Siege führen muss. Schon im nächsten Jahre hat sieb das geändert, durch unvorhersehbare Dinge. .Perikles tritt Ton Schauplatz ab; Archidamos tritt zurück, wir erfahren nicht wieso, vermulhlich weil er durch die ersten Hisserfolge an Einfiuss xu Hause verlor. Man kommt durch alles zu dem Urtheile, dass diese Schilderung unter dem unmittelbaren Eindrucke des ersten Sommers entworfen ist.

Es ist schon ein Indicium dafür aufgewiesen, dass selbst die Ausarbeitung vor den Nikiasfrieden fällt. Zwei weitere treten zu. Schon vor Jahren habe ich bemerkt, dass c. 23 vor 411 verfasst ist, da Oropos im Besitze von Athen erscheint. Dasselbe gilt vod 24, denn die Sicherheitsmaassregeln, die hier für den ganzen Krieg gütig heissen, konnten nur bis 421 gellen: dann gab es Frieden und nach der Besetzung Dekeleias änderte sich alles. Also ist diese Partie ganz und gar ein Theil der ersten Bearbeitung, wie die Ein- sichtigen auch angenommen haben werden. Zu ihr gehören aber auch schon Reden. Das ist sehr wichtig; aber seit wir die attische

1) Die Rede des Archidamos I 80 beginnt ähnlich wie seine spatere; sie scheint mir denselben Charakter zu tragen. Man hat sehr viel in ihr btin- standet; in Wahrheit zeigt sie jene Breite und jenen Mangel an Concentration der Gedanken, wie z. B. Antiphons Herodesrede. Die Ethopöie ist, wie über- haupt, unbehülflich, aber was beabsichtigt ist, offenbart die Gegenrede des Slhenelaidas. Die Partie schliesst mit einer Datirung nach dem Frieden von 445 (87).

LESEFRÜCHTE 561

Beredsamkeit über das Auflrelen des Gorgias hioauf verfolgt haben, Dicht mehr befremdlich. Es erwächst die Aufgabe, diesen Faden io dem Labyrinthe des ersten Buches zu verfolgen, wie anderer- seits in dem Epitapbios des Perikles ein Stück von notorisch spa- terer Entstehung folgt.*) Scharfe Interpretation des einzelnen, Ver- folgung der schriftstellerischen Intentionen und der rhetorischen KuDstmittel, Beobachtung der Entwickelung des Schriftstellers zu der künstlerischen Höhe, die im sicilischen Kriege weit über diesen Anfangen steht, wird die complicirten und höchst reizvollen und bedeutsamen Probleme lOsen: Philologenarbeit.

LXVIII. Das T ist zwar innerhalb der Uias ein junges, aber ein schönes Stück, das eine sehr entwickelte und überlegte Er- zflblungskunst zeigt. Nachdem das Schwuropfer auf dem Marktplätze am Heere gebracht ist, entlässt Achilleus die Versammlung und die Achäer gehen zum Essen (275). Die Hyrmidonen nehmen die Geschenke Agamemnons in Empfang und tragen sie in die Zelte des Achilleus. Hit ihnen gehl Briseis, und der Dichter tbeilt ihre Klagen mit, die sie vor der Leiche des Patroklos anstimmt. Diese Scene geht also in dem Zelte vor sich (bis 302). Gleichzeitig sind die Heerführer bemüht den Achilleus dazu zu bewegen, dass er Speise zu sich nähme. Der Dichter ist zwar so sehr bei seiner Hauptperson, dass er zu ihr zurückkehren kann, ohne den Namen zu nennen (303), aber er sagt nicht, dass Achilleus in sein Zelt gegangen wäre, und das ist auch nicht wahrscheinlich, da er nicht essen will. Er weist den Vorschlag der Heerführer ab, indem er schmerzlich seines Sohnes gedenkt. Wenn dazu die Alten klagen, auch an ihre eigenen Kinder gedenkend, so ist das prächtig in Parallele zu den Klagen der Sclavinnen componirt, die eigenen Leides eingedenk der Briseis accompagniren (338. 39 und 301. 2). Nun sendet Zeus die Athena, um dem Achilleus die Stärkung deren er bedarf durch ein Wunder zu verleihen. Als sie wieder geht, werden eine Henge Waffen herausgetragen,') deren Glanz zum Himmel strahlt, man hört das Dröhnen der Hännerschritte und

1) £s sollte auch abgesehen von einem bestimmten Belege (in dies. Ztschr. XI 294) klar sein, dass der Epitapbios des Gorgias dem Tbukydides vorlag; dieser ist natürlich für Athen verfasst, also nach 427.

2) 360 xÔQvd'êÇ vt]ûiv èxfoçiovro xal àaniBtç ktX, Mit einer Erklärung, die hierin das Erscheinen von Männern sieht, die Helme und Schilde angelegt haben, kann man nicht debattiren.

562 ü. V. WILAMOWITZ-MÖLLENDORPF

mitten unter ihnen wappnet sich Achilleus. Also ist die Vorstel- lung, (lass die Wappnung da vor sich geht (355 64), wo er sich befand, wo ihm einige der ersten Helden Geleit gaben (wo and wie diese gegessen haben, bleibt unerOrtert). Es ist freilich wider die raisonable Wirklichkeit, dass die Achäer sich ihre Waffen aaf den Marktplatz tragen , um sie da erst anzulegen ; aber das steht da und ist von dem Dichter offenbar darum so erfunden, weil seil Achiileus den Ort nicht wechseln wollte und in mitten der all- gemeinen Rüstung eingeführt werden sollte. Nun hat man aber nichts von der Wirkung der Götterspeise vernommen, die ihm Athens eingeflOsst hatte: das ist nicht zu entbehren. Es stebt denn auch ,er knirschte mit den Zähnen, die Augen strahlten ibni wie Feuer, unerträglicher Schmerz (Wuth) drang ihm in das Hen, und so legte er die Waffen an, die Hephaislos ihm gemacht batfe, Groll gegen die Troer sinnend (365 69).* Es sollte einleuchtea, dass Aristarch gut berathen war, als er von seiner Athetese dieser Verse zurückkam, die gleichwohl heute vielen Beifall findet. Bei seiner Ausrede, die AnstOsse, die er früher genommen hatte, waren zu ertragen, das ware eben poetisch, d. h. Dichterlicenz, werdea wir uns freilich nicht beruhigen, oder doch nur, so weit este Zähneknirschen angeht, das allein in den Auszügen unserer Scholieo als Ansloss hervorgehoben wird. Es folgt nämlich eine detaillirte Beschreibung der Rüstung, die aus dem 11 entlehnt ist, und aocb sonst mit fremdem Sprachgut operirt.*) Dass sie in sich einheit- lich ist, hat schon der feinsinnige Erklärer der Scholien B ge- sehen. Denn die drei Vergleichungen des Schildes, der wie der Mond glänzt (374), des Helmes, der wie ein Stern funkelt (381)i und des vollgerüsteten Achiileus, der wie die Sonne im Waffen- glänze einherschreitet, sind in einem Zuge erfunden (398). Damit ist auch das Besteigen des Wagens und die Einführung des Auto- medon und Alkimedon als zugehörig erwiesen, d. h. die Benutzung jener Partieeo des P, in denen die Rosse und Wagenlenker des Achiileus nach Patroklos Falle eingeführt sind. Und schon nach dem Aufbau der originalen (d. h. diesem Dichter gegenüber ori- ginalen) Wappnung des Patroklos im 11, ist zu verlangen, dass die Rosse hier eingeführt werden, wie es die Ueberlieferung be- zeugt. Achiileus redet sie an, bei Namen und mit ergreifendem

l) Z. B. 382. 83 = X314. 15.

LESEFRÜCHTE 563

Ethos des Patroklos gedenkend, der jetzt zum ersten Male auf dem Platze des Wagenlenkers neben ihm fehlt. Diese Anrede ist« das sollte sich jeder sagen, auf die Antwort des Rosses, also das Wunder des redenden Pferdes, componirt, und wenn der nahe Tod dem Achilleus vor dieser Ausfahrt durch Hera selbst, seine Be- schOtzerin, mitgetheilt wird, so haben wir hoflTeotlich die Empfindung unserer Kindheit noch nicht verloren, die uns diese Scene so rührend machte. Es streitet wider die an sich untadelige Composition der ganzen Partie, wenn die Rede des sprechenden Pferdes allein oder mit der vorhergehenden Anrede durch Achilleus athetirt wird, mag auch das ,Unhomeri8che^ mit richtigem Gefühle beobachtet sein.

In sich ist die Scene 369 424 ganz und gut, aber dem Dichter von T gehört sie nicht an. Sie schliesst damit, dass Achilleus sich in die Reihe der Vorkämpfer mit seinem Wagen stellt: dann waren die auch zu Wagen. Davon haben wir in T nichts gdiOrt. Der nächste Vers Y 1 sagt, ,8o wappneten sie sich um Achilleus an den Schiffen.* Der setzt also nicht den letzten Vers ^OA T voraus, sondern die Situation von 368, an den er unmittel- bar anschliessen kann. Und endlich und vornehmlich: die Scene Qiit den Pferden, mit der die zweite Wappnung zusammenhängt, ^rd sich jeder in Achilleus Zelt denken, was doch wider die Er- findung von T ist. So hat dieser Dichter es auch verstanden, denn Achilleus nimmt seine Lanze aus dem Schranke (ovQty^y ^lao in seinem Zelte (387). So hat also Aristarch ein richtiges Gefühl gehabt, wenn ihm die vier Verse ^ welche die Wappnung des Achilleus und bereits seine Seelenstimmung schildern und seinen sofortigen Eintritt in die Schlacht fordern, mit dem folgenden un- tereinbar erschienen. Aber er hat getilgt was an seinem Platze steht, statt die längere Erzählung als etwas Zugewachsenes anzu- erkennen : die Scene des prophezeienden Xanthos war zu rührend, als dass er sie fallen lassen mochte. So muss es gehen, wenn die Hypothese der Einheit mit ihren falschen Begriffen echt und unecht in der Homerkritik regirt.

Für uns ist das Ergebniss, dass die Scene mit dem sprechenden Pferde später eingefügt ist als die jetzige Verarbeitung der Theo- machie und der Aineiasepisode mit dem T. Denn Y 1 schliesst erst an, wenn man sie tilgt. Die Episode ist vornehmlich nach der Wappnung des Patroklos gearbeitet^ und zwar ist auch die Beschreibung der Lanze entlehnt, denn wenn sie auch Aristarch

564 ü. V. WILAMOWITZ-MOLLENDORFF

hier verworfen hat, so ist sie doch unentbehrlich, da die Haupt- waiïe nicht fehlen kann. Wir erfahren auch keinen Grund der Athetese, als dass Zenodot die Verse im 11 gestrichen hätte; also Aristarch übertrug nur die Athetese auf den vermeintlich richtigeren Fleck. Da hat er sich aber getäuscht. Die Verse sind im il ZoaaU (140 44), denn erstens hat da Patroklos sich iwei Speere Torher genommen, und es folgt nur eine Motivirung dafür, dass er nicht die Eschenlanze des Achilleus nahm: d. h. dies ist zugesetzt, ab die Scene, die ursprünglich nichts von dem Waffentausche wusste, in dieser Absicht umgearbeitet ward. Zweitens erfahren wir durch die Schollen des n, dass Zenodol mindestens vier der Verse gar nicht schrieb, d. h., da kein schwerer inhaithcher Anstoss far ihn vorhanden war, gute Handschriften kannte, die sie nicht enthielten. Um so merkwürdiger, dass ein Nachdichter die Erweiterung kennt, die Zenodot noch nicht überall fand. Nur diejenigen, die auch in der Ueberlieferung Einheitshirten sind, können sich gegen eine solche Möglichkeit sperren, aber es ist werthvoll, ein concretes Exempel zu haben. Wir haben aus Aegypten bisher nur Reste vod ^Iliàôeç TcolvaTixoi: wenn erst einmal eine ôliyotnixoç komml wird sie wohl mehr directen Gewinn bringen.

Auch eine Einlage des P ist von der Xanthosepisode benutzt Nach einer Versreibe, die Zenodot nicht las, und die auch gani inhaltsleer ist (404 425), folgt ein Stück, das ganz für sich steht 426 542, eine Aristie des Automedon, die damit eingeleitet wird, dass die Pferde um Patroklos weinen. Die Priorität dieser Partie vor der Rede des Xanlhos zu erhärten genügt eine Beobachtung, im P weinen die Pferde, haben den Kopf auf den Boden gesenkt, so dass die Mähne unter dem Joche und den Riemen, die es an dem Nacken befestigen, hervorquillt (440). Das T wiederholt die anderthalb Verse, lässt also den Xanthos auch den Kopf auf den Boden senken : und dabei will der Hengst reden, während er im P weint. Dort weigert er sich anzuziehen, hier sind wir in dem Augenblicke, wo der Kutscher die Zügel bereits erfasst, der Kämpfer aufgestiegen ist und den Pferden gewaltig zugeschrien hat: da ist die Bewegung widersinnig, und wenn Automedon ein ordentlicher Kutscher ist, so lässt er die Zügel nicht locker.

Die Episode des T ist also ein ganz spätes Stück, in die feilige llias eingesetzt, und mit sehr unselbständiger Kunst enl- worfeü. Das redende Pferd ist eine Steigerung des weinenden. Es

LESEFRÜCHTE 565

ist oichte mehr tod der allen Anschauung darin, die dem Helden Rosse gegeben hatte, die göttlich waren nach Ursprung und Kraft und es sein konnten, weil die höchsten Götter Rossgestalt nicht Terschmähten. Hier erhält Xanthos durch Gotterlaune einmal die Rede, und die Hollenmächte, die so zu sagen das Naturgesetz ver- treCeo, nehmen sie ihm wieder. Der Dichter fabulirt. Leider kann man nicht beweisen, dass er den Arion des Adrestos vor Augen hat, aber der Sohn des Poseidon und der Erinys muss mindestens in der originalen Sags handelnde, also auch redende Person ge- wesen sein.

LXIX. Athenaeus XV 665 führt in seiner eigenen Rede zwei Euripidesverse an

êï (AOL TO Neatôgeiov ^yXœaaov fxiXog IdvTiijvoQoç Te Tov Oçvyoç doit] ^eoç^ ov% av dvvalfÂrjv ànofivrifiovBVBiv htL Den Nachsatz hat Husgrave glücklich in einem Citate Plutarchs, auch aus eigenem Gedflchtniss, de garrulit. 1 erkannt

ovx av dvvaLfiriv fi^ OTiyovTa nifiTtXdvai aoq>ovç InavThJüv àvdgl fiij aogxHi Xàyovç. Das war nach Plutarch uqoç tov dovveTov àKçoaTi^v gerichtet Diesen und damit das Drama zu bestimmen, in dem die Verse standen, weiss ich nicht, obwohl es nicht viele sind, deren Zeit die Nennung des Nestor und Antenor gestattete; man denkt leicht an Philoklet, vor dem Vertreter der Troer und Achäer einen Rede- kampf führten. Im ersten Verse hat schon Barnes das sinnlose fiéXoç in fiiXi geändert, was unmittelbar einleuchten muss, da es aus Homer ^ 249 stammt: dass es eine Sorte Conjecturenmacher giebt, die oro/ua für wahrscheinlicher halten, ist kaum der Er- wähnung werth. Interessant aber ist, dass die Verse in der Rhetoren- schule der ersten Kaiserzeit auch wenig gebildeten Römern bekannt geworden sind. Der Dichter der Laus Pisonis 64 hat die inclüa Neatorei . . . graiia mellis, so die Lesart sichernd, und der der laus MessaUae in dem Buche xaTÙ ksTtrov 9, 15 von dessen Ge- dichten carmina quae Phrygium . . . quae PyUum vincere digna senetn. Nur in der festen Zusammenstellung war Antenor und seine Beredsamkeit verständlich.

LXX. In diesen Lesefrüchten (in dies. Ztscbr. XXXHI 519) babe ich das Andenken des tenedischen Arztes Pbaidas erneuert, den die Londoner latrika PhaYtas nennen. Ich finde ihn jetzt als

Henne« XXXY. 37

566 U. V. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF, LESEFRÜCHTE

Verfasser eines Kochbuches, speciell für Kuchen, das Kallimachos in seinem Kataloge der alexandrinischen Bibliothek aufgezeichnet hat. Denn man wird den Namen OuItov bei Athen. XIV 643 f. nicht mehr beanstanden, der doch so rar ist, dass man das Buch, das um 250 vorhanden war, dem Manne zusdireiben wird, der um 330 gestorben ist Und Kochrecepte stehen einem Ante sehr gut. Gab es doch selbst von Diokles von Karystos X)ipa^Tvfm.

LXXI. In den Scholien des Ammonios (Oxyrhynchos 11 221) ist die Herkunft des Asteropaios zu <Z> 162 ganz besonders aui- führlich und gelehrt behandelt. Ich habe in meiner Besprecbung (Gott Gel. Anz. 1900 38) übersehen, dass wir den Verfasser nach- weisen können: es ist Ptolemaios Pindarion, der negl *AaTBQ(h naLov %ov nag* ^Ofiijgwi /ÀVfjfÀOVëvofiévov schrieb; so die Suidas- vita. Dass er in den Scholien des Ammonios zweimal mit dem wenig bezeichnenden Namen Ptolemaios (mit Ignorirung des Asb- loniten) angeführt, ein drittes Mal namenlos benutzt ist, hatte ich schon angemerkt; er ist also neben Seleukos als Hauptautor an- zusehen.

Westend. ü. v. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF.

SEPULCRALIA.

Musa latioa lapidaria ood minus quam litteraria Graecis rere coepit, ubi primum iambis rudioribus spretis dactylicos imeros praeoptavit. multa sunt quae ne intellegas quidem commode si de graeco mooitus exemplo. venustum Callimacbi epigramma Ti hoc est

elxov ano OfÂinçùiv oXlyov ßlov^ ov%b %i aeivov

^éÇwv ov%^ aâixéwv ovôéva. Fala q)Üif], MixvXoç €Ï Ti novrjQov inijiveaa, iat^xb ai xovq)rj ylveo firi$^ ïleu dalfÀOveç (jl ^xéze. rierunt artis gratiae, supersuot vero sententiae artiore dicendi nere compressae in dislicho quod Q. Caetrooius Passer miles coh. prael. anno p. Chr. xxix suc sépulcre inscribeodum curavit irm. epigr. 991 Buecheleri)

vixi quod volui semper bene^ pauper honeste; fraudavi nullum, quod tuvat ossa mea. Q puto T. 1 quod parum scite positum esse pro quoad, quam- am in alio eiusdem disticbi exemplo (992 Buech) rêvera scriptum imus 010751 quad potui semper bene, sed hoc ille uti dixit ita luit dicere ovôkv èyw novriQov im^iveoa i. e. bene mi semper ut volui. alterum Caliimachi distichum saepe et vario modo in înis carminibus expressum reperitur nec semper tam arido et :ompto stilo quam in Caetrooii titulo, velut 1321 B. qui ittiUi i9is extiteram, dum vita manebai, hac functo aetemum sit mihi ^a levis, novo et ridiculo paene acumine Heieager, si quidem Meleagri distichon A. P. vu 461 Cailimacheo carmini subiectum IlaiÂfÂrjJOç rfj, X^^Q^' ^^ ''^^^ naçoç ov ßacvv elç ah

Alaiyévriv xavrfj vvv inéxoiç aßacT^g,

puero scilicet parvulo non magoi pooderis, sicut de puellula

rtialis v 34 mollia nec rigidus caespes tegat ossa^ nec iUi, Terra,

^vis fueris: non fuit iUa tibi, similiter Diodorus, de rhetorum

itni saeculi numéro haud dubie epigrammatarius, A. P. vii 632

37*

568 G. KAiBEL

aXlà ai vrjniàxov ôfdwSç^ xovi^ iÀijnoTB ßgl^eiv èatéa, jov duTovç q)€iôoinévr] KoQaxoç, et saepe sic latiDi poeUe velot 1152 B. te, lapis, ohtestor, levis ut super ossa quieseas, ne reiierae aetati gravis esse videaris, el absurde polius quam ridicule Apelles quidam de uxore sua (1192 B) te, lapis, obtestar, hviter super om quiescas et mediae aetati ne gravis esse veUs.

Id Boaruo Tiroieusiuro pago Felicianus salis mirum carmen olim descripsit (982 B)

si lutus, si pulvis tardât te forte, viator^ arida sive sitis nunc tibi iter minuit, perlege, cum in patria{m) tülerit te dextera Fati,

ut requietus queas dicere saepe tuis: 'finibus Italiae monumentum vidi Yohema, in quo est Atini conditum [corpus . / mirum oi viator velut Tarenlious vel Venetus de Atinio homioe ignoto apud suos uarrare oblitus sit. corrupil, nisi failor, poeta Catullo aetate quidem el palria aequalis, graecum carmeo tale quale est Asclepiadis A. P. vii 500

w nag' IfÀOv atelx^v xevov fjgiov etnoVj oâîta,

etc Xlov evT^ av ïurji, nazgl MelfjaayoQYjiy (üQ ifih ixlv xa/ vija %ai ifÂnoçlrjv xanog evçoç äkeaev, Evinnov ^ aixo kikeim' ovofAa, vel ul laceam Lacedaemonios ad Tliermopylas occisos qualia sunt Caliimaclii ep. 12, Nossidis A. P. vii 718, Nicaeneti A. P. ni 502. pulcre hoc ab alexandrinis poelis invenlum, ut nautae milites mercatores apud peregrinos mortui viatorem rogarenl, si forte patriam parentes cognatos viseret, de fato suo nuntiarent. non invitam dico latinum poetam a graecorum mente aberrasse, sciens mutafit, ut docet dextera Fati, sed parum seile.

illud quoque a graecis mutuati sunt poetae latini ut in udo sepulcro magnam vulgarium lugendi incusandi consolandi adbortaodi oplandi formularum copiam cumularent. moleste ferimus effusam in dolore ostentaodo vcrborum uberlalem, sed quanto talia ineptiora. tanto cerlius ex anliquioribus exemplis petita esse patebiu Romae olim duo lapides inventi sunt, extra Pincianam portam aller, alter ad viam Salariam (970. 971 B), carminibus inscripti inter se ûmil- limis. (le puero prius esl:

. . . Uns P. et Clodiae L Optatus \ vixit annos vi m. i;iii, cum me] ßorentem met combussere parentes.

SEPULCRALIA 569

vixi d]um licuit superis acceptior tint», quoi nemo po]tuit verba mahdicere acerbo eqs. apparet vero de puero sexenni baec primilus scripta dod fuisse, cuius quidem ineplum est laudare sine crimine vitam. alterum de Octavia L. et 3. 1. Arbuscula:

terminus est vitae nostrae tertius et vicensimus annus, cum me florentem met combussere parentes, vixi ego dum licuit superis acceptior una, quoi nemo potuit verbo {verbis lapis) makdicere acerbo. aetatis Tocabula versibus non apla satis indicant antiquius aliquod Arbuscula carmen, fldemque facit simile exordium n. 1219 vigintiduo erant annt, si fata dedissetU, cum me florentem rapuit sibi Ditis ad umbras, polerat poeta nisi rerum Veritas obstarel scribere ierminus alter erat vitae et vicensimus anmis; requiritur enim etiam erat praeteritum pro praesenti est.

secuntur plane diversa in Optati titulo, quae iam mutila nulio modo redintegrari possunt

festino] ad superos, quos pietas (i. e. pietas quos) cogi[t adire. lugete] modeste nunc vos, quoni[am moriundum est

tis dicite 'Opiate, sit [tibi terra levied

ubi de primi versus sententia praeter alia v. n. 1048.

numerosius paullo de Arbuscula poeta, sed virginis prorsus oblitus tamquam de iuvene parentibus erepto:

crudele pater funus nati vidisse videris et pia complexu mater spoliata senescens. at tu, dulcis soror, exstincto me solare parentes. his vero très subiecit carminum particulas nuili fere vituperio ob* noxias, sed nullo sententiarum vinculo inter se conexas:

1. crudelis Pluton, nimio saevite rapinae,

parce precor nostram iam lacerare domum.

2. te, lapis, obtestor, leviter super ossa résidas,

ne nostra doleat conditus officio.

3. detine iam frustra, mater mea, desine fletu

te miseram tolas exagitare dies, namque dolor talis nan nunc tibi cantigit uni,

haec eadem et magnis regibus acdderunt. alterum distichum non puellae aplum satis crebrum, v. quae adno- taTit Buechelenis ad n. 1474. primo sententia similis n. 1212 crudeles divi . . quid vos immatura iuvat quae vestra futura est

570 G. KAIBEL

post modo consumpto tempore, turba, tuo, sed forma similius cannen graecum NeapolUaoum (E]i. gr. 575) ôaKçvxctQi]g IHovtaifi oi nvevfiara 7tdv%a ßcoteia coi véfÂBtai; %l Tçvyàiç ofiq^axaç ^hxlrjç; vide ad Ep. gr. 576 578. apertum autem est et Ditis crimiDatioDem et lapidis obtestationem non niai îd extremis car- minibus sepulcralibus primitus locum habere potuisse, eidemque legi paret tertium carmen, cuius argumentum tragoediis consola- tionibus epitaphiis frequentalum non mullum admittit variatioois. persimile e latinis distichum est n. 1068 B de$ine, soror, me im flere sepukro: hoc etiam mnüis regibus hora tulü^ ubi satis ioepte multü pro magnis scriptum, e graecis epigranuna Parium (mus. Rhen. xxxir 183) %lç anXi^atov névô-eog iiq>eXlri\ rifla^r xai yoQ avanTeg àfÀeiôi^twi no%i niv&ei xvçoarreç tolri^ aXyoç *€x^va odtvrjç, quod carmen ut Ârbuscuiae lapide sit recen- tius, tamen neque ex hoc neque ullo ex alio latino carmine graece versum est. ineptum est et imperatoria aetate fortasse non antiquios ex regum mortalitate privatorum consolationem petere. aniiquitos quid fuerit demonstrari potest, vulgare est dicere ,quid fies? omaibas scilicet moriundum est* (e. g. Ep.gr. 264, 11. 372,37), idemqoe paulio quaesitius expressum Ep. gr. 345 /n'^reç Ifiii^ ^crffw ànonaveOy kij^ov oêvç^nâv xai %one%wv' ^Alôrjç olxToy oTto- a%Qé(fBtai. sed na&rjtinioTeQOv mullo Antipater Sidonius A. P. VII 8 tI (p^LfÀévoiç OTovaxevf^ev iq>' vldaiv ctvix othiktw tùjv nalôwv 'AlÔYiv ovôè ^eoîç àvva^iç^ quod aliquo modo imitatus est poeta Teius Ep. gr. 298 alXây nareg, &ç7jvwv, qiXit naveo' /afJTeQ nQeifiiyévrj , ànod^ov ^vfÀOÔaneîç oêvvaç' ViÇ in Ifiol XvTtrjç naga^v^iov ifÀ q)Qeaï ^éa&e tovtov xoî ftaxdgwv naîôeç 'éveç^ev %ßav. inscile communis omnium IDO^ talitas cum heroum mortalitate coniuncta in fratrum titvdo m fere p. Chr. saeculi (CI liai. Sic. 1474) ^açaeltov^ âvo naîôe^ n- ^vr]7i[6Te' xai Aïoç] vlio' xoivov hcel fisçofKûv fcaai /nlivtiio rélo]ç, hanc igitur graecam sententiam varus modis latini poetae suam feceruDt (satis antiqui iambi n. 59, 12 et 81, dactyli n. 107S, cf. 1211. 998 alia), fecerunt etiam duo illi qui de Optato puero et (le Arbuscula virgine carmina compilaverunt, non alter alterius opera abusus sed antiquiore auclore adhibito uterque.

post eoim verba Opiate, sit tibi terra levis unius fere versus spaiio vacuo interieclo haec vel supersunt vel certa coniectura restitula sunt

SEPÜLCRALIA 571

.... 0 annorum nondum

e]iim ad mortem matris [de gremio raptor, Manibus carus fui, vivos cartlssimus Uli,

adverseis quae me su^ulit o[minibus, desine iam frustra, mea mater, [dtsine fletu

te miseram totos exagitare dit{s, namque dolor talis non nunc tibi [eontigit uni, haec eadem et magnets regibus [acciderunt.

CLARA AMARANTO

AV . . . . . haec quae perscripsi quattuor disticba non crediderim de Amaranlo potius quam de Optato scripta esse, cur enim subscriptum magis Amaraoli oomen quam praescriptum , cur maioribus litteris? si falli DOS voluit lapidarius, dod saue polerat calUdius. fac alterum Optati, alterum Amaraoti titulum esse, boc sane nihil offen- sioDÎs babet, modo Amarantum brevi post Optalum obiisse sumas, qaod utrumque carmen ut in eodem lapide ita ab eodem poeta coDcinnatum sit. at quooiam in antiquiore iam lapide vidimus coDÎUDCta fuisse duo ilia carmina, unum cum me florentem met cambussere parentes, alterum desine iam frustra, putabimusne poeiastrum cum Optatum laudaret prius carmen adbibuisse, alterum vero seposuisse, tamquam alterum eiusdem familiae funus expec- tantem, mox vero cum Amarantus puer expectationem non fefellisset, ex eodem penu alterum adiecisse carmen ? multo profecto acerbio- res querellas legeremus si duos pueros eiusdem fere aetatis eodem fere tempore eisdem forlasse parentibus ereplos flendos ille susce* pisset, immo ad eundem Optatum utrumque pertinet epigramma: posterius additus brevis titulus quem posuit Clara Amaranto. itaque supplendum fere, ut de Optato haec quoque dicta sint Septem iter] annorum nondum [fatale peregi^ c\um ad mortem matris [de gremio rapior. omnibus carus fui vivos, cart\ssimus Uli, adverseis quae me sustulit o[minibus. V. t unius Amadutii fide traditam litteram 0 in R mutavi et feci versum qualis in urbano titulo n. 1068 est iter vii annis ego iam fatale peregi, nunc rapior tenebris eqs. confidentius v. 3 omnibus scripsi pro Manibus. Diti et Proserpinae dilectos pueros puéllasve ad mortem trahi fingunt passim graeci poetae (A. P. vu 483. Bp. gr. 272), sed quod absurdum erat dicere, Manes hominum amore

572 G. KAIBEL, SEPULCRALIA

ÎDcensos Duoquam legimus, et si maxime boc voluisset poeta, dicendum fuit Manihus earns obii; ▼. n. 1020 eut fueras mus vivos, et ille tibi, d. 1085 dum vixi fui eara viro, similia saepe. quod in opère tectorio nigro albis litleris pulcris saeculi p- Chr. primi ioscriptum inveoeruDt carmen illi qui in colle Capitolino monumento Victori Immanneli régi erigendo fundamenta struebaat (Buecheleri n. 877), id etsi in integrum restifuere non ponona« sententiam tamen qualem babuerit indicabo.

REI SS///MIVSM/// \i VNVLLANORTEPL RINAEPIOMVNDOSINEC MVNAMDOSC//SVPI vacat dubium non est, si maioribus litteris scriptum yersum primam a reliquis separaveris, quin carmen fuerit duobus distichis composi- tum. ▼. 3 NORTE pro morte scriptum adgnovit Buechelerus, simili autem vitio non tam pictoris opinor quam eius qui descripsit V. 4 AEPIO scriptum Yidetur pro aerio, quo correcto haec suppleri possunt

tu nuUa morte perire potes. semper in aerio mundo sine corpore vives: propter Musam unam, docte^ superstes oris* in amici sive amicae alicuius memoriam ab amico versus parieti private inscripti in mentem revocant Callimachi de Heraclite Bali- carnassensi poeta pulcrum fivrjfÀoavvov.

Gottingae. GEORGIUS KAIBEL

JR CHRONOLOGIE DES PELOPONNESISCHEN KRIEGES.

Für die Chronologie des peloponnesischeD Krieges ist die viel nterte Frage von wesentlicher Bedeutung, ob der Ueberfall von raiai Anfang März oder Anfang April erfolgte , ob die Pelopon- ier in Attika in der iweiten Hälfte des Hai oder in der zweiten fte des Juni einfielen. In den achtziger Jahren hielten sich Vertreter der einen oder der anderen Ansicht so ziemlich die age, in der letzten Zeit hat sich eine entschiedene Wendung zu Dsten der Mflrz- und Maidatirung vollzogen.

Es sei gestattet, zunächst daran zu erinnern, dass die Pelo- inesier in Attika einfielen /usrcr ta h TlXonalq yevofÂBva rund

80. Tage jov &iQovç xol tov altov àxfiâ^ovroç. Die Be- itung der axfii] des aîToç steht jetzt fest, es ist die Schnittreife.

Angaben über die gegenwärtige Erntezeit findet man nament- ^ hei A. Hommsen Gr. Jahreszeiten (Schleswig 1877) 571 und r Kunde des gr. Klimas (Schleswig 1870) 8. A. Mommsen be- ;|inet den 15. Hai als Hittelzeit des gegenwärtigen attischen Dteanfanges. Tb. v. Heldreich sagt bei Hommsen a. a. 0. 571: s Ernte beginnt in Atlika Hitte Mai und endigt je nach den gen spätestens Ende Juni^ Die Erntezeit di£ferirt aber nicht 'SS je nach der ungünstigen oder günstigen Lage um mehrere >chen, sondern sie ist auch in den verschiedenen Jahren je nach * Witterung erheblichen Schwankungen unterworfen. Nach den gaben des Hofgärtners Schmidt bei A. Hommsen a. a. 0. 6. 7 r^nn man im Jahre 1860 in der attischen Ebene erst am 30. Hai, Jahre 1866 erst am 31. Hai Gerste zu schneiden.

Wilamowitz hat im Hai den Eintritt der ax^i; des Getreides Verschiedenen Gegenden beobachtet und sich viel darüber unter- teil. ,Danach erkläre ich denn, sagt Wilamowitz in dies. Ztschr. ^V| (1891) 220 A. 1, dass der Ansatz des Ueberfalles von Plataiai > April und des Einfalles der Peloponnesier im Juni mit dem

574 G. BUSOLT

Klima von Boeotien und Attika schlechlhin uovereinbar ist. Wer sie behaupten will, gebe hio und sehe nach: ich mag kein Wort mehr darüber TerlierenS

Noch stärker drückt sich Ed. Meyer Forschungen lur alten Geschichte il (1899) 306 A. 2 aus: ,wer freilich beiweifelly dass zur Zeil des pelopoonesiscben Krieges der Frühlingsanfang in die letzten Tage des Februar und die ersten des Harz, der BegioD der Ernte (tov oItov axfiâ^ovToç) Hitte Hai julianisch fôllt, kennt die grundlegenden Thatsachen nicht und muss daher zu falschen Schlüssen kommen. Als ich im Jahre 1884 in Griechenland war, begann die Ernte auf dem Isthmos am 5. Hai gregor., in Delphi war sie am 23. Hai im vollen Gange; Anfang Juni stand in den Ebenen Boeotiens und Attikas kein Halm mehr auf dem Felden

Durch solche apodiktische Aeusserungen darf man sich nicht beirren lassen. So einfach liegt die Sache nicht. Für die Be- stimmung der Erntezeit vor rund 2330 Jahren kommen noch an- dere Factoren in Betracht als Beobachtungen über die gegenwärtige Erntezeit.

Erstens sind die gegenwärtigen gregor. Daten für die Zeit des Tbukydides nicht um fünf, sondern um sieben zu erhoben, da die Sonnenwende im Jahre 431 erst am 28. Juni (zwischen 1 und 2 Uhr Hittags) eintrat. Ferner befand sich damals die Erde nicht am 31. December, sondern am 21. November in der Sonnennähe, was das Klima und den Eintritt des natürlichen Frühjahres um etwa zwei Tage beeinflusst. (Nach gütigen Berechnungen der Herren Proff. Schur und Wiechert). Das ergiebt eine normale Verschiebung der Ernte um durchschnittlich neun Tage. Namentlich hat aber die damals bereits beginnende, stetig fortschreitende Entwaldung in VerbioduDg mit anderen Homenten eine andere Vertheilung der Niederschläge und eine raschere Entwickelung der Halmfrüchte im Hittelmeergebiet zur Folge gehabt.

In Italien hat sich die Reife des Weizens seit dem Alterthume um einen vollen Honat verfrüht (Nissen Italische Landeskunde 399 flf.). Nach einer mündlichen Hittheilung des Herrn Prof. Th. Fischer, des ersten Kenners des Hiltelmeerklimas, sprechen verschiedene An- zeichen für eine nicht unwesentliche Veränderung des Klimas.

Aus dem Alterthume selbst liegt namentlich die von Ed. Meyer citirte Aeusserung bei Hesiod Erga 383 vor: nkriididwv'ATlayeyiwv iniTeXXofÀevaiov agx^od^ a/nriTov xtL Dazu bemerkt Ed. Meyer:

m CHRONOLOGIE DES PELOPONNESISCHEN KRIEGES 575

lach Hesiod fUU der Anfang der Ernte bekanntlich auf den Prüh- jfgang der Pleiaden, d. h. im 5. Jahrhundert auf den 16. Mai', ie Bestimmung des mit dem unbewaffneten Auge sichtbaren FrOh- ifganges ist ein recht schwieriges Problem. Sie hangt wesentlich »o dem ,SehuDgsbogen' ab, mit anderen Worten, von dem Winkel T dadurch entsteht, dass man das eine Auge auf die (unler dem orizoDt stehende) Sonne, das andere auf das (über dem Horizont ifiodlicbe) Sternbild richtet Letzteres ist erst bei einer gewissen itferoung von der Sonne oder bei einer gewissen Höhe des ïhungsbogens siebtbar. Der erforderliche Sehungsbogen lässt sich »er, wie mir der gerade auf diesem Gebiete arbeitende Herr Prof. 'endel versichert, sehr schwer auch nur mit annähernder Sicher- dt bestimmen, da sehr verschiedene schwankende Factoren in stracht zu ziehen sind. Ideler hatte einen Sehungsbogen von }o angenommen und danach für 800 v. Chr. den FrQhaufgang iv Pleiaden auf den 19. Mai jul. Kai. gesetzt. Der Director der esigen Sternwarte Herr Prof. Schur hat die Gflte gehabt, eine achprQfung der Berechnung vorzunehmen und im Wesentlichen 18 Ergebniss Idelers bestätigt. Unter Annahme eines Sehungs- 3gens von 16^ fand um 700 v. Chr. der FrOhaufgang am 20. Mai alt. Aber jede VergrOsserung des Sehungsbogens um nur einen rad bedeutet eine Verschiebung des FrQhaufganges von nicht eniger als 2, 55 bis 2, 60 Tage. Auf Grund von directen Beob- :htUDgen und nicht bloss rein theoretischen Erwägungen J. Schmidts^ es ehemaligen hochverdienten Directors der Athener Sternwarte, hat nihns bri A. Mommsen Chronologie 29 einen Sehungsbogen von BV2^ angenommen, und danach für das Jahr 800 den FrQhaufgang nf den 27. Mai jul. Kai., für das Jahr 431 auf den 29. gesetzt, er grössere Bogen ist entschieden der richtigere. A, Mommsen a. a. 0. at bereits zu dem durch die Berechnung Schurs bestätigten Ergeb- isse von Bruhns bemerkt, dass der 16. Mai (Ernteanfang in Athen ach heutigen Notirungen) ungefähr dem 26. Mai hesiodischer Zeit dtspricht. Im Jahre 800 fiel nämlich die Sonnenwende erst auf en 1. Juli. Die Notirungen nach gregorianischen Daten sind also m rund zehn Tage zu erhöben. Dazu kommen noch zwei Tage egen der Verschiebung der Sonnennähe, also zusammen bereits 2 Tage normaler Verspätung der Ernte in hesiodischer Zeit im ergleich mit der Gegenwart. Wenn man aber die Angaben Schmidts ber die von ihm beobachteten Frühaufgänge (16. Juni, 17. Juni,

576 G. BÜSOLT

21. Juni, 22. Juni) betrachtet^ 80 ergiebt sich, dass der tod Hesiodo» ios Auge gefasste PrQhaufgaog leicht noch einige Tage ipller fallen kann.

A. Moromsen Zur Kunde des gr. Klimas S. 6 bemerkt ferner zur Anweisung Hesiods mit Recht, dass der Bauer gern gtlnstige Umstände als Norm betrachte. Ausserdem ist das drOckend hone Klima Boeotiens im Sommer zu berücksichtigen, ferner der Umstand, dass mau möglichst früh mit der Ernte begann, weil sich dieselbe lange hinzog, da man das Getreide mit der Sichel schnitt (Neo- mann und Partsch Physikal. Geographie Griechenlands 439). Der günstige Beginn derErnte fiel also schon nach diesen Daten im Alterthume frühestens erst in dieselbeZeit, in der sie gegenwärtig in ungünstigen Jahren beginnt. Wenn aber unter günstigen Umständen die Ernte erst Ende Mai begann, so wird man den Juni als normale Erntezeit betrachteo müssen.

Wie will man mit folgenden Angaben des Thukydides die Be- hauptung vereinigen, dass zu dessen Zeit der Frühlingsanfang in die letzten Tage der Februar und in die ersten der März fiel?

Thuk. IV 117, 1 sagt in Bezug auf den Waffenstillstand fom Frühjahre 423: ^ayieâai/Aovioi ôk nalui&rjvaîoiafjia^Qim iniyiyvofievov ^égovç ev&vç ixex^içiav inoii^aavto xtl. Das geschah in zwei Acten. Zuerst stellten die Lakedaimonier und ihre Bundesgenossen die den Athenern vorzulegenden Bedingungen in Sparta fest, dann erfolgte deren Genehmigung durch die athe nische Volksversammlung. 'Exexeiçiav inoirjaavxo geht auf beide Acte. Vgl. IV 117, 3: yiyverai ovv ixexeigia avtolg re xal toiç SvfdfÀQXoiç ijâe. Dann folgt die Vertragsurkunde, die aus den Propositionen der Lakedaimonier und dem athenischen Volksbe Schlüsse besteht. Der Vertrag trat am 14. Elaphebolion, am ersten Tage nach den Dionysien, in Kraft, an demselben Tage, an dem ihn die Volksversammlung genehmigte. Die Beschlussfassung in Sparta erfolgte 10— 14 Tage früher. Nach Böckh Mondcyklen 79, 90 und Ungar Philol. 43 (1884) 606 entoprach der 14. Elaphebolion dem 20. April. Das geschah S/Aa riQi tov éniyiyvofiévov âéçovç eix^vg. Und dabei soll das Thukydideische Frühjahr Ende Febroar oder in den ersten Tagen des März begonnen haben!

Ein anderer Falll Der fünfzigjährige Friede wurde in SparU abgeschlossen und beschworen. Er begann mit dem 25. Elaphe-

ZUR CHRONOLOGIE DES PELOPONNESISCHEN KRIEGES 577

bolioD, nach Bockh und Unger mit dem 11. April 421. Thuk. V 20 sagt: ^vtai al onovdai lyévovxo tbXbvtwvtoç %ov x^^f^^^^S Sfia rjQi ix Jiovvaiiav ev&vg tüv àavixœv. In diesem Falle liegt der Schwerpunkt der Datirung, wie M . Strack rerutn prima hdli Pelop. parte gest. temporihu (Bonn .1892 Diss.) p. 18 dargelegt tiat, in den Worten ^x Jiovvalœv ev&vç vwv aanxwv. Bei der Peier der Dionysien war der Friede thatsächlich perfect, die Volks- rereammlung wird ihn am Tage nach den Dionysien d. h. am H. Mftrz genehmigt haben. Ein zweites Datum S fia ^çi Ende März, noch dazu mit dem Zusätze velevzœvvoç vov xeiixtivoç. iu8 der Reihe ähnlicher Fälle heben wir noch zwei henror, die roo der Kalenderredaction unabhängig sind, die man obschon » noch nicht geschehen ist vielleicht anzweifeln könnte. Im labre 412 fuhr die lakonische Flotte nach Ionien neçï fiXiov tçonàç 1. h. um den 26. December (Unger Philol. 43, 580; 657). Von 1er Abfahrt der Flotte bis zum Beginne des Sommersemesters ver- lossen nach Thuk. VIU 39—42; 44, 4; 60. 61 mindestens 100 Tage. Unger a. a. 0. rechnet zu knapp mindesten 90 Tage, Mûller-StrObing labrb. f. kl. Philol. 127 (1883) 701 etwas zu hoch mindestens 110 Tage. Das mit dem Frühjahre beginnende Kriegsjahr begann iko etwa Anfang April. Wilamowitz Curae Thueydideae (Ind. tchol. Gotting. 1885) p. 19 beseitigt die unbequemen Angaben des rbuk. dadurch, dass er VIII 44, 4 das überlieferte SydoiJKOvta sinfach in nevtrjuovra ändert und dadurch einen Monat für den rflhern Beginn des Frühlings gewinnt. Dann heisst es bei Thuk. iV 52: Tov d' imyi/vofiévov ô'iQOvç ev-^vç xov Te rjUov ixXi- xéç re iyévevo neçl vovfÀrjvlav xal tov avzov iâtjvoç lava/dévov îaeiae. Die SonnenOnsterniss fand am 21. März statt, am 3. Ela-- )hebolion nach Unger a. a. 0. 604. Das Erdbeben ereignete sich dso spätestens am 28. März. Die Datirung des Thukydides geht mf beide durch eine Zwischenzeit von wenigen Tagen von einander jelrennle Vorgänge. L. Herbst Philol. 42 (1884) 652. Suhl in ^oppos Thuk. Ausg.* Vol. I Sect. II Append. 244.

Nach diesen Daten, die sich leicht vermehren lassen, begann las Thukydideische Frühjahr zwischen Mitte März und Anfang April. )a Plataia Sfia rjçi dgxo/aivtp Überrallen wurde, so ist damit schon intschieden, dass der Ueberfall in der Nacht vom 3. auf den 4. April ►der vom 4. auf den 5. April erfolgte, nicht in der vom 5./6. oder ;./7. März.

578 G. BUSOLT

Die weitere Datirung bei Thukydides Ilv&oôtûçov lu èio fÀ^vaç agxovtoç ùi&rivaloigy die gegen die voo Wibmowitz Curae p. 13 erhobeneQ sprachlichen Bedenken von anderer Seite (L. Herbst Philol. 46*432; Stahl Poppos Thuk. Ausg.V tu U 2,1) in Schutz genommen wird, besUtigt unseren Ansatz, sofern man die einleuchteode , einfache Konjektur K. W. Krügers Hist. Philol. Stud. I 221 annimmt, dass & irrthOmlich als üo geleieo wurde. Häufig ist im Texte des Th. d' TerschriebeD oder falsch aufgefasst wordeo. Die immerhin ungewöhnliche Datirung ist mit Ad. Schmidt Jahrb. f. kl. Philol. 113 (1885) 638 dadurch zu e^ klären, dass das Jahr 432/1 ein Schalljahr von 13 Monateo wir. Wenn Th. etwa %va%ov f^fjva gesagt hätte, so würde ein Leser leicht arglos ao deo Elaphebolion statt an den Aothesterion g^ dacht haben. Setzt man den Ueberfall Plataias nicht Ende Aotbe sterion, sondern Ende Gamelioo, so steht man dieser DatiroDg ganz rathlos gegenüber und muss sie irgendwie beseitigen.

Nun zu dem Ausdrucke tov ^igovc mal xov airov axfiaKoffoc- Weon man denselben nicht mit MoUer-StrObing geradezu für ,albero* erkläreo oder ihn irgendwie zurecht schneideo will, sondern ihn so nimmt, wie er einmal überliefert ist, so muss es einen Zeit- punkt gegeben haben, wo sich sowohl das •S'égoç als der oîtoç in der ax^ij befand.

L. Herbst Philol. 46 (1S88) 496; 527 hat richtig bemerkt, dass Thukydides mit Rücksicht auf tov aizov den Begriff der axfi)} anwendet, und dass der Sommer des natürlichen Sonnenjahres sieb beim höchsten Stande der Sonne in der ax/ui/ befindet (vgl. PluL Pelof, 24: x«£]Ma)yo$ fihv r]oav al negl tqotcqç ax/i^ai). Aber die Formel ist doch nicht, wie Herbst annimmt, gleichbedeutend mit TOV &éçovç iasgovvtoç^ sondern sie hat eine prägnantere Be- deutung. Mittsommer beginnt bei Thuk. im Juni. Die Ausfahrt der Flotte nach Sicilien erfolgte -d'éçovç fjLBOOvvToç rdrj (VI 30), nach Isaios VI 30 im Archontenjahre des Arimnestos, d. h. vor dem 9. Juli. Da das ihukydideische -d-éçoç nach den angeführten Fällen mit Ende März beginnt und, wie hinlänglich feststeht, bis Ende October oder Anfang November reicht, so umfasst der Mittsommer die Zeit von Mitte Juni bis Mitte August oder die beiden Monate, die Xen. Cyr. Vlll 6, 22 als ax^uiy des Oéçoç bezeichnet. Der Ausdruck dy^jurj unterscheidet sich in der von Thuk. gebrauchten Formel von der Mitte dadurch, dass er eine organische Entwickelnog

ZUR CHRONOLOGIE DES PELOPONNESISCHEN KRIEGES 579

andeutet, deren Höbepunkt nicht immer gerade mit der Mitte zu- sammenzufallen braucht Der Zusatz Kai tov altov bezeichnet einen bestimmten Zeitpunkt der anfirj des &içoç, nämlich denjenigen, in dem sich sowohl der aîtoç, als das d-égoç in der ax/irj be- ÛDden, die Zeit, in der sich beide Begriffe decken. Wurde Plataiai etwa am 4. April überfallen, so fand der Einfall der Peloponnesier etwa am 20. Juni statu Der Sommer war damals in die ax/ui^' eingetreten, und der airog muss sich also auch in derselben be- funden haben, wenn man nicht dem Thukydides einen ganz un- passenden, den realen Verhältnissen widersprechenden Ausdruck zutrauen will. Verlegt man den Einfall etwa auf den 22. Mai, so mûsste er in einer Zeil stattgefunden haben, wo nach der gewöhn- lichen Anschauung das eigentliche ^éçoç noch gar nicht begonnen hatte, denn den Beginn desselben datirte man vom sichtbaren Früh- aufgange der Pleiaden, vom Ende Mai. Vgl. die Zusammenstellung Ungera Philol. 43 (1884) 628; 44 (1885) 641 ff.; Jahrbuch f. kl. PhUol. 141 (1890) 153 ff.

In Bezug auf den Einfall der Peloponnesier ist ferner zu beachten, dass derselbe 2 3 Wochen später erfolgte, als ursprünglich beabsichtigt worden war. Es fand eine irtifÂOv^ auf dem Isthmos statt, dazu kam axoXaiàzriç auf dem Harsche^ schliesslich eine iniaxBaiç vor Oinoe. Das Heer war deswegen gegen Archidamos aufgebracht. Die Peloponnesier fielen dann noch ein %ov airov àxfÀaÇovtoç, aber damit ist nicht gesagt, dass es gleich zu Beginn der ox^uif oder genau afia rtp alrtfi axfÂdÇovTi (III 1) geschah. Es war zwar Erntezeit, aber die Ernte wird bereits in günstigen Lagen eingebracht worden sein. Die Peloponnesier werden doch sicherlich im Sinne gehabt haben, die ganze Ernte zu vernichten, also zu Beginn der axfirj oder mindestens of/ua T(p aittp axfia^ovii einzufallen; wenn sich ihr Einfall erheblich gegen ihren Willen verzögerte, so wird der beste Zeitpunkt überschritten worden sein. Der Beginn der axfii^ wird also etwa zwei Wochen vor den Einfall zu setzen sein. Dann entfernt er sich aber nur wenig von dem in ungünstigen Jahren der Gegenwart. Auch die Möglichkeit eines schlechten Frühjahres ist immerhin nicht ausser Acht gelassen.

Endlich hat man sich auf die Schatzmeisterurkunde CIA. IV p. 170 A zum Beweise dafür berufen, dass die Pelopon- nesier bereits im Mai eingefallen wären (vgl. namentlich Wilamo-

580 G. BUSOLT

wiu Curœ Thucydideae p. 10). Gerade sie liefert den Beweis, daes das nicht geschehen sein kann. Es handelt sich um Zahlungen für die negi ÜBlonovvriaov ausgesandte Flotte. Zu- nächst müssen wir diese etwas auf ihrer Fahrt begleiten.

Die Flotte stach in See, als die Peloponnesier noch in AUika waren, ovxiav avrwp h Tjj y^^ aber bereits Acharnai TerUiMD hatten und Demen iwischen dem Parnes und Brilesios TerwOsteteD (II 23, 1). Die Abfahrt der Flotte erfolgte etwa acht Tage beior die Peloponnesier wieder die Grenze Attikas Oberschritten. Der Einfall dauerte weniger als 40 Tage und mehr als 15, im Mittel also 27 28 Tage. Man wird unter diese Mittelxeit noch ettw heruntergehen müssen, da der mitgebrachte Proviant in Folge der inlax^oig vor Oinoe und der sonstigen Verzögerungen bei der eigentlichen iaßokij offenbar zum grossen Theil verbraucht wir (Tgl. dazu die Bemerkung Delbrücks Die Strategie des PerÜLles S. 111 A. 2). Rechnet man auf den Einfall etwa 25 Tage, so Verliese also die Flotte, wenn die iaßoXri etwa am 20. Juni be- gann, etwa am 7. Juli den Peiraieus. Die Athener traten die Fahrt um die Peloponnesos an {nBQié7tXBov\ vereinigten sich dabei mit 50 korkyraeischen Schiffen , aXhx ta inàxovv neQinkéovt$ç xai ig Me^^civriv %f^ç ^axaivixrjç anoßdvxeg %ifi relxti fcgooi- ßaXov. Der Angriff scheiterte, die Athener fuhren weiter, hmdeteo an der elischen Küste bei Pheia, verwüsteten dort zwei Tage lang das Land und schlugen eine Kerutruppe der Eleier. Es trat nun stürmisches Wetter ein, die meisten Athener gingen an Bord, einige mussten am Lande zurückbleiben. Die Flotte umfuhr das Vorgebirge Icbthys und suchte im Haren von Pheia Schulz. Die Zurückgebliebenen nahmen Pheia ein. Als sich der Sturm legte, kehrte die Flotte zurück, Pheia wurde geräumt und die zurück* gebliebene Abtheilung an Bord genommen, da bereits die Haupt* macht der Eleier im Anzüge war. Gesammtaufenthalt bei Pheia höchstens eine Woche, nacanlevoavteg âk ol IdÔTji^aioi ln\ äkXa x^Q^^ èôfjovv. Sonnenûnsterniss vom August (li 28).

Die Umfahrt um die Peloponnesos mit gelegentlichen KOslen* Verwüstungen und der Landung zur Berennung des schwach be- iestigtcD und besetzten Metbone kann nicht länger als 3 4 Wochen gedauert liabeu. Auf die blosse Fahrt von Athen bis zur nOrd- liclieü Küste von Elis sind bei der damaligen Jahreszeit unter D0^ malen VerhUlluissen uiclit mehr als fünf Tage zu rechnen (vgl. die

ZUR CHRONOLOGIE DES PELOPONNESISCHEN KRIEGES h%\

Zusammeiigtellung bei H. Droysen Gr. KriegMitertiiamer 302). Wie

kurz die Landungeo der Athener waren, gebt darans hervor, daw

Thukydidea besoodera bemerkt, dass die Athener iftl ovo rifiéçaç

das Kostengebiet von Elia verwOstelen. Delbrück Die Strategie dea

Periklea S. 111 liat richtig auseinandergeaeut, daaa ,die Athener

sich immer sehr beeilen musslen, wieder an Bord zu kommenS da

ibr Landengacorps, 1000 Epibaten« 400 BogenschQtxen und einige

buDdeageaOseiache Mannachaften , zn achwach war, um stärkeren

feindlichen Anaammlungen die Spitze eu bieten und sich zugleich

die Rückkehr nach dem Strande zu sichern. Wenn ferner ein

KOstensiridi oberflUchlich verwOstet war, so roussie die Flotte wegen

der Alarmirung der Bevölkerung eine gute Strecke weiter fahren,

bevor sie wieder eine Landung unternehmen konnte. Damit würde

eine Ausfahrt der Flotte etwa am 7. Juli darchaus im Einklänge

stellen.

Nun ist in der Urkunde zunächst eine SKahlung der Schatz- meister 9^1 vav<pQ{<ixT)(p atgoTifi wrji {rregl II$3icnovvtiaov) an die Strategen Sokrates, Proteas und Karkinos acht Tage vor dem Schlüsse einer Prytanie verzeichnet Dann folgt die erste Zahlung einer Summe in der Prytanie der Hippothontis an die Hel^ lenotamieen, die das Geld den Strategen flbermiUelten (vovra ido&rj Kagxhifi ktX.), eine zweite Zahlung . vridoç ngvtaveiaç auf demselben Wege an Karkinos, eine dritte desgleidien an Sokrates. Von einer vierten Zalilung haben sich noch Spuren erhalten, dann bricht die Inschrift ab.

Die Zahlung acht Tage vor dem Ende der Prytanie wurde direct an die Strategen geleistet, die (Ihrigen Zahlungen gingen durch die Hände der Hellenotamieen. Letzteres geschah, sobald die Strategen in See gestochen waren. Natürlich konnte man die Strategen nicht mit leeren Händen abfahren lassen. Es wurde also an sie kurz vor der Abfahrt, wenn die Einschififang begann, eine Summe gezahlt und zwar unmittelbar durch die Scharzmeister. €IA. I 179 A. B.

Nun steht es jetzt fest, dass die Hippothontis nur die 9. oder 10. Prytanie gehabt haben kann. Wenn sich Wilamowiu a. a. 0., Kubicki Die attische Zeitrechnung vor Archen Kailias (Wohlau 1897 Progr.) 12 und W. Kolbe in dies. Ztschr. XXXIV (1899) 393 für die neunte entscheiden, so fehlt es dafür an jedem zwingenden iïrunde. Die Ergänzungsversuche Kolbes schweben bei der Fülle

Hennet XXXV. 38

582 G. BUSOLT

vou MOglichkeiteD gaoz in der Luft, und in dieftem Falle bldbeo bei der EiosetzuDg ?od ivérriç noch twei Stelleo aDausgefQllU

Der erste Abschnitt der Inschrift entbSit Zahlungen, die io demselben Jahre gleichzeitig für den Krieg mit Makedonien ond namentlich fOr die Streitkrflfte bei Poteidaia geleistet wurden. Am sechsten Tage der Prytanie der Hippothontis zahlten die Schau- meister fOr das Heer bei Poteidaia 40 Talente, in derselben Pry- Unie ebenfalls für dieses Heer 20 Talente 5535 Dr. Diese 61 TalenU deckten ungefähr die Unterhaltungskosten von Belagemngsheer uod Flotte far eine Prytanie (vgl. Holzapfel Berlin. Stud. VII 81; Wocbeih Schrift f. kl. Philo!. 1888 V Sp. 1270 ff.; Stahl Poppos Thuk. Ausg.' Vol. I Sect. II Append. 258)* Würde die Hippothontis die 9. Pry- tanie gehabt haben, so wäre noch eine Zahlung in der zehnten iv erwarten. Allein es kommt nur noch eine Zahlung von 16 Talenteo am 17. Tage einer Prytanie, die, wie Kolbe richtig erkannt bat, far den altog der Ritter bestimmt war. Diese Zahlung kann selbstverständlich in derselben Prytanie erfolgt sein, wie die beidn vorhergehenden an das Heer bei Poteidaia. Die Hippothontis hatte also schon aus diesem Grunde wahrscheinlich die 10. Prytanie. Das bestätigt folgende Erwägung.

Der erste Hekatombaion des Jahres 431 fiel etwa auf deo 2. August. Die 10. Prytanie würde demnach die Zeit vom 24./25. Juni bis zum 1. August, die neunte vom 16./18. Mai bis 23./24. iuni, die achte vom 7./10. April bis 15./17. Mai umfasst haben. Aber B. Keil in dies. Ztschr. XXIX (1894) 358 hat nachgewiesen oder mindestens höchst wahrscheinlich gemacht, dass das Rathsjabr 432/1 erst am 12. Hekatombaion, am 13. August, schloss. Dann reichte die 10. Prytanie etwa vom 6. Juli bis zum 13. August, die neaote etwa vom 28. Mai bis 5. Juli, die achte etwa vom 19. April bis 27. Mai.

Wenn die erste, directe Zahlung an die Strategen in der 9. Pry- tanie erfolgte, so wurde das Geld etwa am 27. Juni geiahlt, etwa oeuH Tage vor der Abfahrt der Flotte. Es stimmt also alles vortrefflich. Nimmt man an, dass die Hippothontis die 9. Prytanie hatte, so inüsste die Zahlung bereits um den 20. Mai geleistet worden seia^ während doch die Flotte, selbst wenn man den Einfall in Attika bereits um den 22. Mai ansetzt, erst um den 7. Juni, im anderen Falle erst um den 7. Juli in See ging. Man sucht Ober diese Scliwierigkeit durch die Annahme hinwegzukommen, da^ die di-

ZUR CHRONOLOGIE DES PELOPONNESISCHEN KRIEGES 583

recte Zahlung ao die Strategen zur Ausrüstung, nicht zur Abfahrt uod Einschiffung gezahlt wurde; so Wilamowiiz, Kubicki, H. Lipsius. Dabei übersieht manjedoch, dass dann die unentbehr- liche directe Zahlung zur AbTahrt fehlen würde. Die Hippothontis muss »also auch aus diesem Grunde die 10. Prytanie gehabt haben.

Auch die Annahme, dass die auf die directe Auszahlung an die Strategen folgenden ?ier Zahlungen auf mehrere Pryranieen zu ▼ertheilen waren, entbehrt, wie schon Unger Philol. 44, 625. H. Lipsius Leipziger Stud. Vlll 166. Stahl Poppos Thuk. Ausg.* Vol. I Sect. II Append. 240, 2 bemerkt haben, jeder Begründung. Eine Flotte von 100 Trieren mit einem Landungscorps an Bord erfor- derte so grosse Summen, mindestens sechs Talente täglich, dass die Wahrscheinlichkeit für Theilzahlungen in kürzeren Fristen spricht Man sieht ja in der Urkunde, wie während der Prytanie der Hippo« thoDtis an das Heer vor Poteidaia nur Zahlungen von 40 und 20 Ta- lenten geleistet wurden. Der Staat sparte durch die kleineren ZahloDgen auch an Zinsen für die Göttin. Die Urkunde liefert also einen Beweis, dass der Einfall der Peloponnesier nicht vor Mitte Juni erfolgte.

Schliesslich machen wir noch eine Probe auf die Rechnung. Im Jahre 428 ûelen nach Thuk. 111 1 die Peloponnesier SfAU rtp clttff axfia^ofti in Attika ein und blieben dort, so lange die Lebensmittel reichten. Der Einfall dauerte nicht länger als etwa 30 Tage (vgl. oben S. 579). Mezà de rffv iaßoXrjv TtSv Ileko- Teovvrjaiatv Bv&vcuiiaßog 7rÀr)v MrjOvfAvrjg arcearrj an* i^x^rj- vai(üy. Die arcôoTaoïç erfolgte, als eine von den Athenern zur Fahrt negl Ilelonevvrjaov ausgerüstete und rasch nach Lesbos gesandte Flotte vor Mylilene erschien, und die Mytilenaier die von den Strategen an sie gestellten Forderungen ablehnten (IH 4, 1 und 5, 4 mit der Bemerkung Steups). Da nun die Athener noch während des Aufenthaltes der Peloponnesier in Attika auch mit Rücksicht auf die geringere Anzahl der in der Peloponnesos anwesen- den Sireitkräfte die Flotte abzusenden pflegten, so ging dieselbe spätestens etwa gleichzeitig mit dem Abzüge der Peloponnesier nach Lesbos in See« Das ev&vg ist also ganz scharf als ,unmittelbar nach' aufzurassen. Gleich nach der anoaraoic wurde ein VVafTen- stilktand zwischen den Mytilenaiern und den Strategen abgeschlossen, xal àyoxwxt]v noirjadiAevoi schickten jene Gesandte nach AI hen,

38*

584 G. BUSOLT, CHRONOL. DES PELOPON. KRIEGES

h tovtffi (io der Zwischenzeit, währeod sie auf Aotwort von Athen warteten) dnoatikkovai xai ig %rjv AaxBdaifiova ncicßtt; xQtT^QBL hx&ovteg %o wdiv ui&fivaiwv vav%i%6v %%h Nach «ner beschwerlichen Fahrt mitten durch das Meer (ohne irgendwo ao einer Insel anzulegen) trafen die Gesandten in Sparta ein, fe^ handelten dort Aber eine Hülfssendung (III 4, 6) und erhieltea ton den Lakedamoniern den Bescheid, sie möchten sich nach Olympia begeben, damit auch die übrigen Bundesgenossen sie anhOren und ihre Beschlüsse fassen könnten. Die Gesandten begaben sich nacb Olympia und trugen nach dem Feste ihre Sache ?or (III 8).

Die Olympien wurden, wie jetzt feststeht (A. Mommsen Die Festzeit der Olympien 54 ff.; vgl. Unger Philol. 33, 427 ff.; Nisaeo Rhein. Mus. 40,34911.) in diesem Jahre zwischen dem 11. uod 15. August gefeiert. Die Seereise auf einer Triere ?on Hytiteiie nach Lakonien mitten durch das Meer (gegen 70 geogr. Heilei) dauerte in dieser Jahreszeit unter normalen Verhaltnissen lickl mehr als 3 5 Tage. Rechnen wir jedoch die doppelte Zeit. Diiit reichlich bemessen, 10 Tage Verbandlungen in Sparta, endlidi 5 Tage Reise nach Olympia. Daraus ergiebt sich, dass die Ge sandten frühestens um den 15. Juli von Mytilene abfuhren. Der Abfall erfolgte etwa eine Woche vor der Abfahrt, ganz unmittdbar vor dem Abfall der Abzug der Peloponnesier aus Attika. Die Felo- ponnesier fielen also frühestens Anfang Juni ä/uor oittp axni» ÇovTi in Attika ein, sie können aber auch erst um den 10. Juni eingefallen sein. Dazu stimmt, dass sie im Jahre 431 in Folge der Verzögerung des Einfalles erst um den 20. Juni einfielen, nicht mehr ganz Sjua T(p airtp OKfAol^ovti.

Götlingen. G. BUSOLT.

DIE WERTHANGABEN IN DER NATURALIS HISTORIA DES PLINlüS.

Id meineo kOnlich erschieoen «UntereuchuDgeD über die Zu* sammeDseliung der Naturgeschichte des Plioius, Berlin Weid* mann 1899^ uotenog ich die indices im 1. B. der N. H. einer eingehenden Betrachtung, um aus deren Vergleich mit dem Texte der folgenden Bücher über die Arbeitsweise des Schriflstellers Auf- kUürung zu gewinnen. In Anlehnung an die gewonnenen Resultate ▼ersuche ich jetzt, über eine Reihe Ton Stellen der N. H., die nach Inhalt und Fassung unter einander nahe verwandt sind, einiges Licht zu verbreiten. Auch hier richtet sich das Hauptaugenmerk darauf zu erkennen, welche Gesichtspunkte PI. bei seiner Arbeit verfolgte, welche Quellen er benutzte, und insbesondere was von jenen Stellen als seine eigene Leistung anzusehen ist.

Eine Hauptaufgabe, welche sich PI. bei der Abfassung der N. H. stellte, war die, Bedeutung und Nutzen der einzelnen Natur- producte für das Leben nachzuweisen (praef. 16). Einen Haassstab dafür musste auch der Preis abgeben, den wichtigere Gegenstände im Verkehr hatten. Für eine Anzahl solcher bat er mit einer ge- wissen Sorgralt Preisangaben gemacht, und es hat sowohl ein sach- liches Interesse, diese zusammenzustellen und einer Betrachtung zu unterwerfen, als auch ist es nicht unwichtig zu erkennen, auf welche Dinge PI. dabei sein Hauptaugenmerk richtete.

Den letzten Abschnitt seines Werkes, den von Jan zuerst aus der Bamberger Handschrift, der einzigen, die ihn erhalten hat, herausgab,') bezeichnet PI. am Schluss des ind. von B. 37 als Com- f oratio naiuraê per terras, comparatio rerum per pretia. Dem entsprechend beginnt er diesen Abschnitt 37, 201 mit den Worten : Peractis omnibus naturae operibus discrimen quoddam rerum ipsarum

1) Leetione* Ptinianae pari. I 1834, in denen der Text eingehend be- bandelt wird, doch ohne die Gesichtspunkte weiter zu verfolgen, die ich zo- meist ins Ange fasse.

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atgve terrarum facere convenU, und stellt daon an die Spitze der Länder Italien, dessen Vorzüge er einzeln Yorrûhrt. Ihm fOgt er Spanien und Gallien mit kürzerer Schilderung an, nennt aber, abgesehen vom nebenher erwähnten Indien, hier keine anderen Lander mehr. Dann fährt er § 204 fort: verum autem ipsarum maximwÊi est prêt tum in mari nascentium margaritis, extra tellurem^) ery- stallis, intra adamanti, smaragdis^ [gemmis],*) myrrkinii, e tem vero exeuntibus in cocco, lasere, in fronde nardo, Serids veaSnUf in arbore dtro, in frutice cinnamo, casia, amomo, arbori$ autfru- tids suco in mcino, opobalsamo, murra, ture, in radicibui coito, ex is, quae spirare convenu, animalibus in terra maximum dentilm elephantorum , in mari testudinum cortici, in tergore pellibus qm Seres infidunt et Arabiae caprarum viUo quad hdanum vocammtu, ex is, quae terrena et maris, conchylis,^) purpurae. voluarwn na- turae praeter conos beUicos et Commagenum anserum adipem mcttm adnotatur indgne. non praetereundum est, auro, drca q[uod omna mortales insaniunt, dedmum*) vix esse in pretio locum, argnâ^ vero, quo aurum emitur, paene vieennmum.

PI. stellt also aus sämmtlichen Naturreichen eine Liste der kostbarsten Dinge zusammen, die alle in den Handel kommen, meist Luxusgegenstände, aber nicht eigentliche Kunstwerke. Die Liste umfasst 28 Stoffe, und wenn PL am Schlüsse sagt, Gold nehme unter ihnen kaum den zehnten, Silber kaum den 20. Plati ein, so muss ihm eine förmliche Liste vorgelegen haben, die jene Stoffe und wohl noch andere mit den Preisangaben enthielt Darauf

1) PI. will sagen, dass der Bergkristall sich nicht i o der Erde, aoodero aussen an den Felsen hervorstehend findet, wie er es 37, 27 näher beschreibt. Doch stimmen dazu nicht 33, 5 und 27, 24

2) Ich halte gemmit für ein Glossem ; es ist ein Gattungsbegriff, der alte Edelsteine, von denen B. 37 handelt, umfasst (37, t : ut nihil instituto operi desil, gemmae supertunt). Auch die myrrhina werden 37, 18 ff. daiu gezâhlL Schon von Jan nahm a. a. 0. S. 9 an dem Worte Anstoss.

3) Strack übersetzt: ,von allen Land- und Seemuscheln der Purpur*, aber ich verstehe nicht, wie er da conchy lis construirt. Ich übersetze: ,vod den Dingen, die aus Erde und Meer gemischt sind, den Muschelfarbeo und deiD Purpur'. Nicht die Schalthierc selbst sind gemeint, sondern die aus ihoea gewoiinenen Farben, zu deren Bereitung auch erdige Bestaodttheile nölhig waren, nach 9, 133 Salz, (nach § 133 Urin), nach § 140 auch coceum (^in et te?'rena vüscere coccuque thictum Tyrio tinguere, ut fierel hysginum).

4) So von Jan; der Bamb. bietet demum.

WERTHANGABEN IN DER NAT. HIST. DES PLINIUS 587

Mreisen auch die Worte voluerum twturae praeter conos beUieos . . luUutn adnotatur insigne.

Mag DUO PI. selbst diese Liste xusammeogestellt, oder sie inderswoher entlehnt haben , der Urheber musste sich, soweit es nOglich war, eines festen Maasses bedienen, nach dem er die Preise )erechnete, um sie mit einander vergleichen zu können, und das klaass konnte für einen grossen Theil der Gegenstände kein anderes lein, als das Gewicht der libra, nach dem sich auch der Werth les Goldes bestimmte. Wenn PI. dem Golde kaum den zehnten, lein Silber kaum den 20. Platz in der Reihe der Preise einräumt, ^) heisst das nach seinen Angaben über das Gold 33, 47 (plaeuit 3i XXXX signari ex auri libris, paulatimçue principes imminuere pon- lus et nooissime Nero ad XXXXY) und über das Silber § 132 [cum Sit iustum LXXXIV denarios e libris signari),*) dass es zehn Stoffe gab, von denen das Pfund mehr als 40 45 Golddenare s. 1000 1125 Silberdenaren*) kostete und zehn andere zwischen Jiesem Preise und dem ?on 84 Silberdenaren für das Pfund. Ueber liese Verhältnisse werden wir in der N. H. genauere Angaben er- irarten dürfen.

In der That hat PI. es auch nicht unterlassen, von den meisten jener Gegenstände an den Stellen, wo er im Text der N. H. von ihnen handelt, ihren Werth anzugeben. Nicht bei allen jedoch, und gerade bei den werthvollsten nicht, hat er den Preis in bestimmten Kahlen angeben können, da manche nicht nach dem Gewichte, sondern nach anderen Eigenschaften bewerthet wurden, doch hat sr von den allerwerihvollsten den Platz in der Preisliste genau 3estimmt.

Nach PI. eigenen Worten ergiebt sich mit ziemlicher Sicher- leit folgende Rangabstufun^:

1. Der Diamant; 37, 55: maximum in rébus humanis, %cn solum inter gemmas pretium habet a damas:

2. Ihm folgt die Perle; 37, 62: proximum apud nos In- Ueis Arabicisque margaritis pretium est. Schon 9, 106 schreibt

1) Doch wurde während der Regierung Neros die Zahl der auf ein Pfund gehenden Denare auf 96 bestimmt (s. Mommsen R6m. MQnzw. S. 757), was lern PI. entgangen zu sein scheint.

2) ,Gemäss dem ursprünglichen Normalverhältniss der drei Metalle in tker- ^eichsmûnze der Kaiserzeit entsprach 1 Goldstück 25 Silberdenaren, 100 Mes* ingsesterzen und 400 KupferassenS Mommsen a. 0. S. 766.

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PL: prituipium coluntenque omnium nrum preii margarit» teim und führt $ 120 die Perle der Rleopatre im Werte von eentim sêslertium, d. i. 10000000 Denaren an.

3. Der Smaragd; 37, 62: tertia auctorùoi imara^iit perhibetur.

4. Der vierte Plata gebohrt wohl dem Holz des mauretaniwheo Citrus, aus dem kostbare Tische verfertigt wurden. PI. redet 13, 91 von der mensarum (e citro) insania, quas feminae mm contra margaritas regeruni, und fahrt Preise derselben lu 1000000, 1200000 und 1300000 Sestenen an, latifundi taxatione, n qm» pratiiü tanti mtrcari malil.

5. Es folgen die myrrhina; 37, 18 wird ein vas myrrhinm zum Preise von 70000 Sesterzen und § 20 eine tndla zu 300000 und eine capis zu 1000000 Sesterzen erwähnt.

6. Der Bergkristall crystallum, von dem es 37,29 heisst: alius et in his furor, centum quinquaginta milibus truttm unam non ante multos annos mercata matte familias non divile,

7. Der Bernstein, sucinum; 37,30: proximum (a cry- stallis) locum in delicis, feminarum tamen adhuc lantum, svctas optinent eandemque omnia haec quam gemmae*) auctoritatem uod § 49: taxatio in delicis tanta, ut hominis quamvis parva effila vivorum hominum vigentiumque prelia exsuperet.

8. Das cinnamum, der Zimnit; 12,93: pretium quondam fuere in libras denarium milia. auctum id parte dimidia est in- censis, ut ferunt, silvis ira barbarorum.

9. Das opobalsamum, der Balsam; 12, 123: milibus ék- narium sextarii . . . veneunt. Setzen wir letzteres Hohlmaass der libra gleich, so kam der VVerth des Balsams dem des Goldes zu Anfang der Regierung Neros gleich. In* der N. H. wird sonst kein anderer SlofT mit einem Preise erwähnt, der höher anzusetzen wärt», als

10. Das Gold, von dem PI. 37, 204 sagt: dedmum vix tsu in pretio locum. Er sclieint Ireilich seiner Sache nicht ganz sicher zu sein, da er ein vix hinzufügt, mit dem er aber vielleicht nur andeuten will, dass eine genau bestimmte Reihenfolge der Wertbe bei der verschiedenen Natur der Gegenstände schwierig oder un-

1) Hier muss gemmae so viel heissen als ,geschniUene Steine', in welcbem Sirüie das Woit öfter vorkommt.

WERTHANGABEN IN DER NAT. HIST. DES PLINIUS 5S»

möglich sei. Es mOgeo hier zunächst diejeoigeD folgen, die etwa noch neben oder vor dem Golde in Betracht kommen konnten.

11. Das Elfenbein; 8, 31: dentibus (etephaniorum) ingens pretium.

12. Serieaé vestes, die 6, 54. 12, 2; 11; 84. 21, 11. 34, 145 als Gegenstände des grOssten Luxus erwähnt werden. PI. lässt ihren Stoff falschlich aus dem Laube von Bäumen gewinnen (6, 54. 12, 17; 38. 37, 204), indem er den Ursprung der Seide mit dem der Baumwolle Terwechselt.

13. Sericae feiles, die 34, 145 neben den vestes als Luxus- gegenstände genannt werden.^

Bestimmtere Preisangaben macht PI. zu den folgenden Stoffen ; doch ist ausführlicher darüber zu handeln, welche Stelle

14. dem Purpur in seiner Preisliste zukommt. Nachdem PI. 9, 124 die Perle gerühmt hat, weil ihr Werth von der Zeit nicht angegriffen werde {aetemae prope possessionis est), fährt er fort: conthyUa et purpuras omnis hora atterit, quibus eadem mater luxuria paria paene et margahtis pretia fecit. Danach müsste der Purpur etwa an der vierten Stelle der Liste stehen. Auch widmet ihm PL einen langen Abschnitt § 125—140. Darin führt er $ 137 wortlich eine Stelle aus dem Nepos Ober die Preise des Purpurs zur Zeit des Augustus an: me, inquit, iuvene violacea purpura vi- gebat, cuius libra denariis centum venibat, nee multo post rubra Ta- rentina. huic sueeessit dibapha Tyria, quae in libras denariis milk non polerat emi. hac P. Lentulus Spinther aedilis curulis primus in praetexta usus improbabatur ; qua purpura quis non iam, inquit, trieUniaria faeit. Diese Stelle führt PL, wie auch sonst in ähn- lichen Fällen, offenbar nur an, um einen Vergleich der früheren IVeise mit denen seiner Zeit daran anzuschliessen. Kurz darauf nennt er diese: pretia medicamento sunt quidem pro fertilitate li- torum viliora, non tarnen usquam pelagi^) [centenas] libras quinqua- genos nummos excedere et bucini eentenos sciant, qui ista mercantur inmenso. Der Vergleich der beiden Stellen lehrt, wie mir scheint, dass das in allen Handschriften Oberlieferte centenas vor libras zu streichen ist; es wird eine Dittographie des kurz darauf folgenden eentenos sein. Zwar entsprechen die von Nepos angegebenen und

1) Von dem pêlagium und bueinum, zwei Sorten des Parpore, war bereiu § 130 f. gehandelt.

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die voD'Pl. geoaDDten Sorten eiDander nicht genau« docli scheiol der Preis des Purpurs seit des Augustus Zeit Oberhaupt etwu zurückgegangen zu sein. Für die Preisliste des PI. sind nur die Angaben von § 138 zu berücksichtigen. Da 50 und 100 Siiber- denare nur gleich 2 und 4 Golddenaren sind, ergiebt sich, da» PI. 9, 124 stark übertrieben hat, wenn er den Werth des Purpurs fast dem der Perlen gleichstellt; er scheint hier nur die aus dem Meere gewonnenen Gegenstände mit einander verglichen zu habeo, unter denen allerdings der Purpur der Perle am nächsten kommt. In der Liste des PI. hat er seinen Platz zwischen Gold und Silber.

15. Die Muschelfarben, comhylia, schliessen sich ao, von deren Bereitung PL zugleich mit der des Purpurs handelt, ohne jedoch genaue Preise derselben anzugeben.

16. Das nardum steht dem letzten Purpur im Preise gleicli; 12, 43: pretium spicae in Ubras K C.

17. Das /a« er; 19, 38: auctoritaie darissimum laserpichm, quod Graeci silphion vacant, in Cfflrenaica provinda repertum, am sucutn^) laser vacant, magnifieum in um medicamentisque H ad pondus argentei denarii repensum; vgl. 22, 101 und 107. Dastoer steht also im Preise neben

18. dem Silber, dem PI. paene viunsimum locum io der Preisliste zuschreibt. Hat er sich damit nicht nachlässig ausge- druckt, so mOssen in der Liste entweder noch einige ungeHÜir gleich werlhige Stoffe enthalten sein, oder PI. hat solche hier Obe^ gangen. In Betracht kommt für jenen Fall zunächst

19. das coccutn. Schon bei Gelegenheit des Purpurs e^ wähnl PI. 9, 141 diesen kostbaren Farbstoff, dann 16, 32, wo er von den Waldbäumen handelt. Nachdem er vom robur und dessen Parasiten gesprochen, fügt er hinzu: otnnes tarnen has eins dofes Hex solo provocat cocco . . . pensionem alteram tributi pauperiius Hispaniae donat. Weiter nennt er 22, 3 das coccum einen aisad- rahilis fucus zum Färben der Kleider, imperatoriis dicatum pak- damentis, doch nirgends fügt er seinen Preis hinzu.

20. Vom Schildpatt giebt PI. ebenfalls keinen Preis an, so oft er auch von den Schildkröten redet, z. B. 9, 35 39 und be- sonders oft in B. 11. Als Gegenstand des Luxus wird es 32, 144

1) Demnach hätte das later in der Lisle von B. 37 seinen Platz eigeot* lieh neben dem suchiumf opobaltamum u. 8. w. haben müssen.

WERTHANGABEN IN DER NAT. HIST. DES PLINIÜS 591

oaoDt, nach § 32 werden die SchildkrOteD in Ehren gehalten l propter exuUens in usu pretium, 9, 39 werden die Blatter des bildpatts als luxuriae instrumenta bezeichnet und § 139 sowie , 146 wird weiter von ihrer Verwendung gehandelt, doch bleibt bei unbestimmten Angaben über den Werth.

21. Die Straussenfedern, mit denen nach 10, 2 die coni Uici geschmückt werden, können ebenfalls hier noch iu Betracht mmen, sowie

22. das Comtnagenum, von dessen Herstellung aus dem tt der Commagenischen Gänse und von dessen Gebrauch als Heil- ttel 29, 55 IT. und 10, 55 die Rede ist; PI. nennt es eine do- tima res celeberrimi usus als Salbe zugleich und als Heilmittel, ne jedoch seinen Preis anzugeben.

Bleibt es bei den vier zuletzt angeführten Stoffen zweifelhaft, sie dem Silber gleichstehen oder nicht, so sind die übrigen in r Liste 37, 204 genannten alle weniger werth. Sie ordnen sich gendermaassen :

23. amomum (12,49) t>i libras 3i LX,

24. casta (12,97) in libras HL,

25. murra (12,70) XI.

26. tus (12, 65) libra ï V/.

27. costum (12,41) in libras X VS

28. ladanum (12, 76) in libras asses XXXX oder 21/2 Denare. Es muss auffallen, dass die zuletzt genannten, so geringwer-

igen Stoffe von PI. in die Schlussliste aufgenommen sind, um mehr da besonders in B. 12, in dem von ihnen die Rede ist, inche theurere Stoffe vorkommen; indess lässt sich der Grund dafür )hl erkennen. Die Zusammensetzung der Liste zeigt, dass PI. rauf Gewicht legte, Stoffe möglichst verschiedener Herkunft aus m Pflanzenreiche aufzuzahlen; sie finden sich in fronde, in ar^ re, in frutice, arboris et fruticis suco, in radidhus.

Dass die ganze Liste mit denjenigen Stellen des Textes, in nen die Preise der einzelnen Stoffe angegeben werden, in echselbeziehung steht, ist klar, obgleich in ihr nur beim ia- num ausdrücklich auf 12, 73 zurückverwiesen wird. Aber die eilen, auf welche PI. Bezug nimmt, treten auch in ihrer Um» bung durch einige gemeinschaftliche Eigenschaften hervor. In (mittelbarer Verbindung mit einander stehen die drei zuerst gö- nnten Stoffe (maximum pretium proximum tertia auc-

592 D. DETLEFSEN

tcrÜQs), für 13 andere, nach Gewicht oder Hohlmaaas beUhnmle ist die genaue Preisangabe charakteristisch. Aaffallend isC, da», abgesehen fon dem Citat aus Nepos fOr keine einzige Preisangibe ein Gewährsmann angeführt wird, obgleich in der Einzelbeschrei« bung mancher eine Anzahl solcher genannt sind. Wenn beim Pur« pur Nepos nur deshalb citirt wurde, um im Gegensalz zu ihm die Preise der Neuzeit hinzuzufügen« so heisst es bei den Perlen aus- drücklich: proximum apud nos . pretittm est, beim tucinum, fs sei aihuc nur bei den Frauen in hohem Ansehen, der höchste Preis eines Tisches aus ct7rtf«i ist nnper gezahlt worden, bdo teuren vas ntfflrrhinum setzt PI. hinzu: neque esi ho die mifrrkm aUßrius praestantior indicatnra, die teure truUa aus Bergkristall ist non ante multos annos gekauft Beim cinnamum wird dem froheren Preise der zu PI. Zeit gellende gegenüber gestellt, auch beim opobalsamum spricht PI. deutlich von dem zu seiner Zeit fest- stehenden, und dass dasselbe ?on allen übrigen Gewürzen aozu- nehmen ist, werden wir weiter unten sehen. Endlich ist noch beachtenswerth , dass bei allen Preisangaben nur römische Haasse und Münzen angeführt werden und keine Spur ?on griecbischeD vorkommt, die auf fremde und ältere Quellen hinweisen würde.

Alle diese Beobachtungen machen es wahrscheinlich, dass oicht allein die Liste von 37,204, sondern auch, wenn nicht alle, so doch die meisten oben angeführten Stellen mit Preisangaben nicht aus einer älteren Quelle entlehnt, sondern von PL selbst oder tod einem Zeitgenossen gesammelt sind. Es kam dem PI. besonders darauf an, die Fortschrille seiner Zeit gegenüber der früheren nach- zuweisen,*) und ein besonderer Charakterzug seiner Schriflstellerei ist es, auf Zahlen ein grosses Gewicht zu legen^ und so auch auf die Preise der Dinge. Er selbst erklärt am Schluss von B. 33, das 26 Preisangaben von Farben enthält: pretia remm, tptae tci- quam posuimus, non ignoramus alia aliis loeis esse et omnibus pom annis mutari, prout navigatione constiterint aut ut quisque mercatus sit aut aliqiiis praevalens manceps annonam flagellet . . . poni tamei^ necessarium fuit, quae plerumque erant Romae, ut exprimeretur auc' toritas renim. Demnach hat PI. die Marktpreise mancher Gegen- stände in Rom gesammeil.

Die N. IL enthält in mehreren Büchern umfangreiche Gruppen

1) S. meine Unters. 46; 48; 93.

2) Ebd. 92 f.

WERTHANGABEN IN DER NAT. HIST. DES PLINIUS 593

D Preisangabeo Ober verschiedeoe Stoffe. Besonders tritt eine che in B. 12 hervor, dasTOD den fremdlfindiscbeD Bflomeo haodelt, d manches ist aus ihr in die Schlussliste von B. 37 Obergegangen n. 8. 16. 23—28). Schon im ind. zu B. 12 onter s. 19 macht . auf diese Preisangaben aufmerksam; ounubtu odoribus aut %dimenti$ dkuntur aduUerattones, ea^erimeiUa, pretia. Ich stelle ar diese Gruppe nach den Preisen geordnet mit den hinzuge- hen Belegstellen zusammen, jedoch so, dass ich diejenigen Stoffe, D denen PI. nach den Unterarten verschiedene Preise angiebt, den Platz stelle, der dem hOclisten der genannten Preise zu- mmt. Alle bis auf den für Balsam, n. 2, sind für das Pfund, ) libra, in Denaren, einige wenige in Assen angegeben. Es stet das Pfund

1. einnamum 1500 Denare 93; s. o. n. 8). balsamum der sextarius 1000 Den. (s. o. n. 9).

xylobaUamum das Pfund 5 Den. 123). nudobathrum 1 400 Den. 5. das Blatl desselben 40 Den. 129). isoeinnamon 300 Den. 98). nardum in Aehren 100 Den. (s. o. n. 16). microsphaerum 75 Den. mesosphaerum 60 Den. 10. hadrosphaerum 40 Den. 44).

amomum in Trauben 60 Den. (s. o. n. 23).

firiatum 48 Den. 49). coêia, die beste Sorte 50 Den. (s. o. n. 24). die übrigen 5 Den. 97). 15. murra stade 3 50 Den. (s. o. n. 25). saiiva höchstens 11 Den. Erythraea 16 Den. Trogodyticae nucleus I6V2 Den. odoraria 12 Den. 70). 20. styrax optimus 17 Den. 125). piper longum 15 Den. album 7 Den. nigrum 4 Den. 28). mastiche Chia Candida 10 Den.*).

1) Id meiner Ausgabe habe ich nach dem Palimpsest If hinter der Zahl X ch zwei Punkle, das Zeicheo des Sextans, hinzugefügt; da jedoch in dieser

594 D. DETLEFSEN

25. nigra 2 Den. 72).

xylocinnamomum 10 Den. 91). zingiberi 6 Den. 28). omphacium 6 Den. 131). thus optimum 6 Deo. (s. o. n. 26). 30. secundum 5 DeD.

tertium 3 Den. 65). seriehatum 6 Den. 99). costum candicans 57^ Den. 41; 8. o. n. 27). iuncus odoratHS 5 Den. 106). 85. eypros 5 Den. 109). aspalathos 5 Den. ($ 110). galbanum 5 Den. 126). bdellium sincerum 3 Den. 36) nardum Gallicum 3 Den. 45). 40. cardamomum optimum 3 Den. 50).

ladanum laudatissimum 40 As8e, gleich 2V2 Den. 76

' 8. 0. n. 28). metopon optimum^ 40 A88e 107). comacum 40 Asse*) 135). myrohalanum 2 Den. 103). 45. panax optimus 2 Den. 127). calamus odoratus 1 Den. 106). Bei diesen Preisangaben, ?on denen n. 1. 2. 7. 11. 13. 15. 29. 33. 41 bereits oben angefQhrt wurden, finden sich zunächst dieselben bezeichnenden Merkmale, die wir dort zosammenstelltea; nur römische ^aasse und Münzen kommen vor, für keine einzige Angabe beruft sich PI. auf einen Gewährsmann, fQr keine lässl sich eine anderweitige Schriftquelle nachweisen. Auch fflr sie haben ohne Zweifei die aus dem Schluss von B. 33 angeführten Worte Geltung. Die Preisangabe findet sich selten in engerer gramma- tischer Verbindung mit dem übrigen Texte, sondern meist irgendwo lose eingeschoben oder ans Ende des Abschnittes gesetzt. Häufig heisst es einfach: pretium ei in libras K tot; kommt ein Verbum im Satze vor, so steht es im Präsens: pretium est, pr. habet, per-

und den folgenden Listen so genaue Angaben nicht vorkommen, wird es rich- tiger sein, den übrigen Handschriften zu folgen, die alle nur X bieten.

1) OITenbar ist XXXX asses zu PI. Zeit der gebräuchliche Aasdrack für

den sestertius gewesen.

WERTHANGABEN IN DER NAT. HIST. DES PLINIUS 595

mniatur oder ähnlich, so dass es klar ist, PI. führt deo zu seiner Zeit üblichen Preis an.

Daraus ergiebt sich, dass uns in jener Liste eine Art Preis- courant vorliegt, und da wir doch kaum annehmen können, dass der vornehme Beamte Plinius ihn aus eigener Erfahrung zusammen- gestellt habe, darf man es wohl «als sehr wahrscheinlich ansehen, dass er ihn sich von einem Kaufmann verschaffe hat, den wir im Anschluss an die Worte des index als einen odorarius oder con- dimenlarius werden bezeichnen dürfen.*)

Auffallen muss es, dass in B. 13« das als Fortsetzung des vorigen ebenfalls von fremdländischen Bäumen handelt, und dessen index ganz dieselben auctores wie der des vorigen nennt, nur zwei Preisangaben sich finden, die wir den obigen vielleicht anschliessen dürfen:

47. {cummis aptimae) preiium in libras X /// (S 66 f.)') und

4S. tragacanthi pretium in Ubras ^ III 115).

Sonst giebt PI. in diesem Buche ausser dem schon oben S. 588 unter n. 4 behandelten Preise des citrum nur noch folgende beiden an:

§ 15: pretia (unguento einnamomino) a X XXXY adK CCCC und

§ 20: exeedunt quadringenos X librae ungueniorum.

Dass von anderen Salben, von denen ein grosser Theil dieses Buches handelt, gar keine Preise angefahrt werden, mag in dem starken Schwanken derselben seinen Grund haben, je nachdem ein grösseres oder ein geringeres Quantum der zahlreichen, theureren oder wohlfeileren Bestandttheile, aus denen sie bereitet wurden, dazu genommen wurde. Auch in der Schlussliste von B. 37 nimmt PI. auf die unguenta gar keine Rücksicht.

1) Die Glossen des Philoxeaus übersetzen odorarius mit cL(^a>ftatonœhfi. Blûmner Tecbnol. 1, 355 giebt noch eine Reibe ähnlicher Bezeichnungen an, aber nicht die des condimentariut, die vielleicht nnr bei Tertol. an. 23, aber in übertragener Bedeutong vorkommt : doleq Plaionem omnium haereticorum condimentarium factum. Bemerkenswerlh ist es, dass in der Liste von zoll- pflichtigen Dingen (species pertinentes ad veetigal)^ die in den Dig, I. 39 t. 4, 16, 7 ans Marcianus liber singularis de delatoribus mitgetheilt wird, die unter nn. 1. 4. 7. 11. 13. 15. 21. 22. 26. 27. 33. 40 unserer Liste angeführten Dinge und ans der vorigen Liste die nn. 2. 11. 12. 14. 17 vorkommen.

2) Doch wird die Art e sarcocoUa § 67 utilissima pictoribus et mèdieis genannt, so dass die Preisangabe auch zu der sogleich zu behandelnden Liste der Farben gehören könnte.

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Eine grosse Aeholichkeit mit der aus B. 12 und 13 gewon- nenen Preisliste hat eine andere, die sidi aus Stellen der Bûcher 33 und 35 .tusammensetzt und die »eisten der in der Malerei ge- briuchlichen Farben umfasst. Ich flDbre sie in derselben Weise wie jene geordnet an :

1. fwrpurissmum 1—30 »Den. (35, 45). Imdieum 20 Den. (35, 46). mimmm 70 Seslerze 171/2 Den. (33, 118). cinnabaris sineera nummi L ■- I2V2 Den. (33, 117). 5. lomentum 10 Den.- eaendeum 8 Den. Indieum 7 Den. Veitorianum 1 Den. adifitum 5 Asse (33, 162 f.). 10. Paraeiomum optimum m pondo VI IE l, also das Pfund zu 8V9 Den. (35, 36). Armeninm kostete früher rreceni nummi » 71/2 Den.,

jeUt 6 Den. (35, 97). ckrysocoUa aspera 7 Den. media 5 Den.

adirita oder herbaeea 3 Den. (33, 90). 15. eenista 6 Den. (35, 38).

auripigmentum 4 Den. zur Zeit Caligulas*) (33, 79). ft7 Atticum 2 Den.

marmorosum 1 Den. (33, 15S). Sinopis optima 2 Den. 20. quae ex Africa venit 8 Asse (35, 31). Sil Scyncum 2 Sesterze «= ^/2 Den.

lucidum e Gallia venietu dupondis dametis mb 6 Assen (33, 158). Melinum 1 Sesterz (35, 37). viridß çuod Appianum voamt 1 Sesterz (35, 48). 2$. sandaraca 5 Asse (35, 39). Mondyx 2V2 Asse (35, 40). In dieser Liste werden fast alle von PI. in diesen BOchem genannten Malerfarben, die aus Metallen oder Erden gewonnen

1) Dieser Beisatz lisst die PreisbestinmaDg Tielleiclit andereD Drepraaget erscheioen als die übrigeo.

WERTHANGABEN IN DER NAT. HIST. DES PLINIUS 597

werden, aurgeführt; nur die gaoz wohlfeilen, ochra, atramentum (35, 30), rubrica, sind nicht aurgenommen. Die Preise sind durch- weg beträchtlich geringer als die der adores und condimenta. Sonst ist die Liste der obigen in allen aufgezahlten Merkmalen gleich, auch in ihr finden wir nirgendwo eine Quelle erwflhnt, noch ist fOr irgend welche Angabe eine Quelle bekannt; nur n. 16 ist viel- leicht aus irgend einem Schriftwerk entlehnt. Als Grundlage des Textes dürfen wir daher wohl entsprechend der obigen Liste eines odarartus hier die eines Parbenhändlers, pigmentarius, aus der Zeit des PL erkennen. BlOmner sagt (Technol. 1, 354), mit dem Ver- kauf von Droguen sei im Alterihum in der Regel auch der von Farbestoffen, Schminken, Seifen, Pomaden u. a. kosmetischen Mit- teln verbunden gewesen, mehrere von Forcellini $. v. pigmentarius angefahrte Stellen beweisen das, und so roOgen die in ß. 12. 13. 33 und 35 benutzten Preislisten dem PI. wohl von einem und demselben Kaufmann geliefert worden sein. Von allen auctores, die PI. in den indices dieser Bücher nennt, kann keiner mit Wahr- scheinlichkeit als Urheber derselben angesehen werden, nur M. Varrö und Democrit werden in allen vieren zugleich genannt, stehen aber ihres Alters wegen hier völlig ausser Frage. Wenn aber PI. in der praef. 6 vom Inhalt seiner N. H., allerdings mit erkünstelter Be- scheidenheit sagt: humili vulgo scripta sunt^ agricolarum, opificum turbae, so wird man annehmen dürfen, dass er sich wohl auch einmal bei Männern dieses Schlages Auskunft geholt hat. Ueber- haupt dürfte gar manches von dem, was in der N. H. mit hodiep nunc, nuper und ahnlichen Zeilbestimmungen angeführt wird, aus der mündlichen oder schriftlichen Mittheilung von Zeitgenossen stammen, die PI. nicht als schriftstellerische auctores in seine in- dices aufnehmen konnte.

Ausser den besprochenen macht PL nur noch an reichlich 20 Stellen Preisangaben für Gegenstände de6 Verkehres und des täglichen Gebrauches; denn von den wenigen Stellen, an denen Preise von Statuen sich finden, werden wir in diesem Zusammen- hange abzusehen haben. Wenn ich dagegen auf jene hier noch kurz eingehe, so geschieht das nicht, weil sie etwa mit den Preislisten oder auch unter einander in Zusammenhang stehen könnten, was sicherlich nicht der Fall ist, sondern weil wir aus ihnen die Gesichtspunkte näher kennen lernen, die PL bei seiner Schriftstellerei im Auge hatte.

Hermes XXXV. 39

59» D. DETLEFSEN

Er selbst macht im index von B. 7 s. 40 auf die pretia do- minum intignia und in dem von B. 9 s. 31 auf miraUUa pisciuB pretia aufmerksam. Beide Male stellt er im entsprechenden Texte Preise aus alter Zeit denen der neuesten gegenüber« 7, 128 f. des als Sciaven für 700000 Sesterzen verkauften Grammatiker Dapbsis aue dem 7. Jahrhundert dem diepensaiw im Armenischen Kriege, den Nero fOr 12000000 Sesteraen freiliess, und den Verschnitteoeo Pazon des Sejan, der für 50 Millionen vei kauft wurde, ähnlich 9, 67 den Preis von 8000 Sesterzen, den Asinius Celer zur Zeil des Caligula fOr einen muUue bezahlte, dem mittler Weile sehr gestiegenen Preise der Fiache zu seiner Zeit: nunc cod triwu- pharum pretiie parantnr et eocorum pisces.

Bei den Sflugethieren, aus deren Reiche die Schlussliste von B. 37 das Elfenbein und die Serischen Felle anfuhrt, wird our 8, 154 der 16 Talente betragende Preis von Alexanders Buce- phalus erwShnt und § 167 nach Varro der Preis eines Esek zu 40000 Denaren. In dem von den Vögeln handelnden B. 10 wird § 54 erzählt, dass die Federn der deutschen Gänse das Pfund 5 De- nare kosteten, § 84, dass zur Zeit des Claudius eine weisse Nach- tigall mit 6000 Sesterzen bezahlt wurde, §110 (wozu esimmè^ zu 8. 52 f. heisst : De columbis, opera earum mirabilia et pretia) nach Varro r. r. 3, 7, 10, dass ein paar Tauben fQr 4000 Denare verkauft wurden, und § 141 wird eine GeÛQgelpastete des Clodius Aesopus erwähnt, in qua posuit aves cantu aliguo aut humane ur- mone vocales HSVI singulas coemptas.^) Alle diese Preise sind aber keine Marktpreise, sondera Affectionspreise, die PI. offenbar aus irgend welchen Schriftquellen entlehnt hat.

Das vom Wein handelnde B. 14 enthält mehrere Preisangaben; nach § 48 kostete zur Zeit der ersten Kaiser ein Landgut voa 60 iugera bei Nomentum 400000 Denare, 20 Jahre später ein anderes in derselben 'Gegend 6000000, dessen Besitzer Remmius Palämou nach 8 Jahren fleissiger Bearbeitung die blosse Weinernte für 4 000000 am Stock verkaufte. An Weinpreisen erscheint §56

1) PI. giebt auch den Preis der ganzen Pastete an, doch ist er fehlerhsfl überliefert. Ich schrieb mitSillig: patina US 0 taxaia; statt der letzten drei Worte geben DE^F^ in isla ea ia , H in isla eva^ E* taxata ^ F* coiUfâM liia. Die Summe von 100 000 Sesterzen scheint aber zu klein gegenülier dem IVeise der einzelnen Vögelchen. Wahrscheinlicher ist es, CC (oder VCC) BS lüxata zu setzen.

WERTHANGABEN IN DER NAT. HIST. DES PLINIUS 599>

r des Opimianischeo Weines zur Zelt des C. Gracchus die am^ 'pra zu 100 Denaren, und § 57 wird htnzugefQgt, dass zu PI. il auch von Schlemmern seilen mehr als 1000 Denare fOr das BS bezahlt wurde. Offenbar zum Vergleich wird dem gegenüber >5 ein censorisches Edict aus dem Jahre 665 angeführt: ne quis uum Graecum Amineumque octonis aeris singula quadrantalta^) tderet. Denselben Pi*eis hatte der Wein nach 18, 17 (s. u.) auch lon im Jahre 502. Uebrigens geschieht in der SchlussHste von 37 des Weines so wenig, wie der Salben Erwähnung. Selbst ^ ga^rum kommt hier nicht vor. Ober das sich 31, 94 eine Preis- gabe ûndet, nach, der ungefähr zwei congii*) desselben 1000 De- re kosteten; nee, fährt PI. fort, liquor ulbis paene praeter un- 9nta maiore in pretio esse coepit.

Bei der Behandlung der Waldblume berichtet PI. 16, 202 von isten aus Fichtenstämmen: vulgo auditur LKXX nummum et iTis malos venundari . . . rates vero eonecti [xZj') satertium ple- içue.

Auch für den Preis des Getreides fohrt PI. zwei Beispiele » eins aus der alten Zeit, an das sich eine Reihe anderer Nahrungs- Itel anschliesst, und eins aus der neueren. Ersteres 18, 17 ent- nmt er dem Varro: M. Varro auclor est, cum L Metellus in Umpho plurimos duxit elephantos (502 der Stadt), assibus singulis Tri s modios fuisse, item vini congios ficique siccae pondo XXX, et pondo X, carnis pondo XII. Dem gegenüber heisst es § 90: "etium huic (tritico) annona media in modios farinae XL assis, nilagini octonis assibus amplius, siligini çastratae duplum.

Ganz beiläuGg und kaum um des Preises selbst willen macht :. 29, 96 folgende Angabe: Cantharides obiectae sunt Catoni ticensi, ceu venenum vendidisset in auctione regia, quoniam eas S LX addixerat. Et sebum autem struthocamelinum tunc Hisse US XXX obiter dictum sil.

Endlich findet sich noch eine Preisangabe in B. 34, deren iberlieferung jedoch getrübt ist. Gehandelt wird nach dem index

1) Ein quadrantal ist gleich einer amphora und enthält 8 congii.

2) Die uobestimmle Angabe congios fêre binos ist wohl so zu erklären, s die Gefässe, in denen die Fischbrühe in den Handel gebracht wurde, ^t immer volle 2 congii enthielten.

3) So schreibt Kubitschek in^s. Ztschr. XXIV 1SS9 S. 586 ohne Zweifel Recht statt des überlieferten XL,

39»

600 D. DETLEFSEN

zu 8. 47 56 de plumbi nietaUis. PI. uoterscheidet § 156 flum-

bum nigrum und candidum. Letzteres neDot er preftostsstmum und

berichtet § 161 : albo per se sineero pretium sunt R IXXX/) m'lfro

jE YII. Danach käme der Preis des weissen Bleies fast dem des

Silbers gleich (s. o. S. 5). AufTallend ist es, dass PL weder hierauf

noch auf den starken Unterschied Tom Preise des schwarzen Bleies

aufmerksam macht. Unmittelbar vor obigen Worten führt er mehrere

Mischungen an : terliarium vocant, in quo duae sunt nigh portiom

et terlia albi, pretium eius in Ubras X XX. Stellen wir eine

Rechnung an, so mOsste nach diesen Angaben das Pfund tertiarium

2. 7 4- 80 mindestens -^ ^- «=311/3 Den. kosten; wenn der Harktpreii o

dafür nur 20 ansetzt, hätten die Mischer mit starkem Schaden ge- arbeitet. Weiter beisst es: improbiores ad tertiarium addilis par- tibus aequis albi argentarium vocant. . . . pretium kuius faciunt in p, X IXX.') Rechnen wir mit den von PI. gegebenen Wertheo,

20 -4- 80

so ist das Pfund argentarium mindestens zu = 50 Den.

/i

anzusetzen, so dass für den Mischer ein hübscher Vortheil lieraas- gekommen wäre. Dagegen ist zwar nichts einzuwenden, aber der Preis des terliarium zu 20 Den. ist nach den gegebenen Grund- preisen für plumbum nigrum und candidum unerklärlich. Eioe Heilung der ganzen Stelle wäre erreicht, wenn § 161 der Preis des plumbum candidum statt zu X IXXX vielmehr zu X XXXI

2. 7 4- 40 angesetzt wird. Dann ergiebt sich für das tertiarium -^ r

"=18 Den., und die Mischer hätten 2 Den. gewonnen, wenn sie es zu 20 Den. verkauften. Der Herstellungspreis des argentarium

wäre ^ = 29 Den., und danach wäre bei PI. für dieses

X XXX statt X LXX als Marktpreis anzusetzen. Auf die Verderbniss letzterer Stelle scheint die der ersteren eingewirkt zu haben. Indess giebt obiger Vorschlag nur eine Möglichkeit der Heilung an, neben <ler sich nocli manche andere denken lassen. Uebrigens erinnerl <lie Stelle ihrer Fassung nach an die Preislisten der Wohlgerücbe und der Farben, so dass man auf den Gedanken kommt, es habe

1) n giebi XLXXX, K XXX, /-' XCX, ^ CX-

2) So B'; B- sclireibt: X-LXX///, R. CXLXX, T: CXXLXX; a Ussl die Zahl aus.

WERTHANGABEN IN DER NAT. HIST. DES PLINIUS 601

dem PI. eioe gleichartige über die Metalle vorgelegen. Weitere Preisaogaben sind aus ihr jedoch nicht in die N. H. herüber- genomroen.

Stellen wir die Resultate dieser Untersuchungen zusammen, 80 dürfte sich als höchst wahrscheinlich ergeben haben , dass PI. in den Büchern 12 und 13, sodann in 33 und 35 zwei Preislisten benutzte, deren eine die Marktpreise der odores und condimenia, die andere die der pigmenta enthielt. Beide gaben die zu seiner Zeit gangbaren Preise an und waren ihm wohl ?on zwei oder viel- leicht von einem und demselben Kaufmann zur Verfügung gestellt. Die comparatio rerum per pretia in B. 37, 204 dagegen hat er wohl erst selbst zusammengestellt. Benutzt hat er dabei die Preisliste der odores, aber nicht die der pigmenta, im übrigen wohl nur die von ihm selbst im Texte der N. gemachten Angaben. Dass ihm ein Verzeichniss von Edelsteinen und anderen Luxusgegen- standen mit Preisangaben von fremder Hand vorgelegen habe, an- zunehmen genügt die Beziehung des Wertbes der Diamanten, Perlen und Smaragde als maximum, proximum und tertium nicht, da sie sich an keine weiteren ähnlichen Angaben in der ausführlichen Beschreibung der Edelsteine in B. 37 anschliesst. Dass PI. jedoch bei der Abfassung seines Werkes jene comparatio im Auge gehabt und sie nicht auf einen blossen Einfall hin angehängt hat, gehl daraus hervor, dass die oben gegebene Anordnung der dort ge- nannten Gegenstände nach ihrem Werthe, die auf den Aeusserungen und Preisangaben des PI. im Texte selbst beruht, in der That mil seinen Angaben über die Stellung des Goldes und Silber in der Rangordnung so gut wie möglich stimmt. Im übrigen trat bei manchen Preisangaben die klare Absicht des PI. hervor zu zeigen, wie sich unter der gesegneten Regierung Vespasians der Werth der Dinge gegenüber der früheren Zeit gesteigert habe.

Glflckstadt. D. DETLEFSEN.

AUS DER STRASSBÜRGER PAPYRÜS8AMMLÜNÖ.

I. Zu Aristophanes.

Aus der ältesten Handschrift der Wolken des Aristophanes besitzt die Strassburger Bibliothek (unter n. 621) arg verstümmelte Reste eines Pergamentblaitchens; Höhe 12 cm, Breite 10,5 cm, ob^ rer, unterer und linker Rand fehlen. Die fast unleserliche erste Seite enthalt die Reste von 1371—1391, die Rückseite von 1407 bis 1428 (Bergk). Da die lyrischen Partien in ihrer Vertheilung etwa unserer Trennung entsprochen haben, standen also ursprüng- lich 36 Zeilen auf einer Seite, deren Schriftraum etwa 18x15 cm betragen haben mag; die BlaitgrOsse war etwa 26x20 cm. Die Zeilen sind eingeritzt, die Schrift steht unter ihnen. An dem breiten äusseren Rand standen vereinzelte Scholien, in denen zwei Hände zu erkennen sind. Das Alter der etwas schräg liegenden Scbrifl ist ausserordentlich schwer zu bestimmen; ich möchte über das 7. Jahrhundert nicht namhaft herunter, über das 5. sicher nicht heraufgehen.

Der Text der Vorderseite lautet*):

if . AN . . . A(|)HN ^ ezAiOAOY

. . eVOeuUCAPPATUU tapattcd

YOGNOlONeiKOC 1375 YTUüCenANAnHAA

reKAnéTPiBe

AHNeTJAlN .

nuü

1) Ein Tlieil der Schrift und die Accenle der Vorderseite scheinen in jüngerer Zeil mil schwärzerer Tinte nachgemalt. Bei den Acceoten der Rück- seite ist dasselbe wenigstens möglich. Die Randbemerkungen stammen z. Tb. von zweiter Hand.

AUS DER STRASSBURGER PAPTRUSSAMMLUNG 603

H . TAP AIKAICÜC

13S0 eOPGYA

TINOOIHC

NenécxoN auünanApton

AABüüNO^PAZe 13S5 M€NYNAnÂrXU)N

1390

APAIAC

AC, Besser isl die Rückseite erhalten:

. nnuü

eK6fC€A'6oeN KAlüPOüT'ePHCOMA

c 1410 ermre gynoiun

OYK AMeCOlAlKAlONe

TYTTTeiNT eTÏÏAHnep

N . nCJUCrAPTOMG N COICUU

TOYMÔNAGMH KAIM

1415 KAÄlOYCin

TO TYTTTeCOAl. HCeiCNO

. rujAer'ANT e . k6ct€m ocuünepezAM

1420 AAA'OYAAMOYN OYKOYNANHPTÖNN

uücnepcYKArujKA

HTTONTI AHT 6

1379 Für TAP auch TCP möglich.

1381 Am Rand ein längeres, für mich ganz unleserliches ScholioD.

1415 Das ersle t scheint durchstrichen.

1416 Vgl. Schol. R TOÜTO Tovfyov: rinxiad'at.

604 R. REITZENSTEIN

OeiNAINOMONTO

1425 ocACAenAHrAC

A<p . IMeN KAIAI CK . . AIAGTOY

'. .. ATG

Die eigeoen Lesungen der neuen Handschrift, also 1375 oi'- JWÇ, 1383 ein anderes Particip für g)éçwv^ 1413 aoi tod erster Hand fQr aov, 1415 xXalovoi, 1421 o fehlt, 1426 a^^e^fiey habeo wenig zu bedeuten. Dagegen ist äusserst interessant, dass V. 1373 die Conjectur von Heineke ivâéwç âçQtrw, welche Blaydes in einer einzigen jungen Handschrift, dem Cantabr. 1, wiedergefundeo hat, in leichter Verderbniss wiederkehrt; BV'^iwg i^aQatrw haben Cant. 3, Harl. 1, Bodl. 1, eV'^vg i^açdjxw alle übrigen, und i|a- çatjw wird von den Scholien zu R bezeugt. Von den weiteren Varianten, die jeder leicht in Blaydes Ausgabe nachschlagen kann, erwähne ich nur

1376 xanirctße: xanirctßev die jüngeren Codd., xanialißB

RS, xini^Ußtv V. 1379 Iv dixji yag wie @ Elb: hôlxwç ydç A0 Bodl. 8, b ôUf] y" av RV und die überwiegende Zahl der jüngeren Codd. 1407 ïnnù){v): ïnnov V und ein Theil der jüngeren.

1409 xal TtQwr'i xai Tiguitov V.

1410 eyœyé a* (a^ über der Zeile vielleicht von zweiter Hand): ïyw/ STX Par. 19, Bodl. 1.7; Mut. 2.

1411 oif xafie: oix av kfih V.

1412 TvnT€cv t' mit den jüngeren: %in%eiv d^V, %vn%€iv^* 1417 iytà ôé y": èyià ô' V. Mut. 1. 2. 3, Bodl. l. 7 T.

141S elxoç T€ mit R und wenigen jüngeren gegen V und die Mehrzahl, die elxoç ôé haben.

Die Folgerungen sind klar: unsere Aristophanesüberlieferung ist nicht in der Art einheitlich, dass R und V als älteste Zeugen derselben etwa frühbyzaolinischen Recension, von der auch die Übrigen Handschriften abstammen, das meiste Vertrauen verdienen. Die verschiedenen Receusionen^ welche es im Alterthum gab« haben noch auf bisher kaum beachtete junge Handschriften weiter ge- wirkt. Ein Stemma der Ueberlieferung zu geben wird wohl niemals möglich sein.

AUS DER STRASSBURGER PAPTRUSSAHHLUNG 605 II. Zu Apollonios von Rhodos.

Die Ueberlieferung der Argonautika ist, soweit wir wissen, sserordenllich einheillich. Dass sie freilich von spaten und ge- Itsamen Interpolationen nicht frei ist, hoffe ich durch einen reifen aus der ältesten Handschrift zu belegen.

Das Pergamentfetzchen (n. 173), um das es sich dabei handelt, auf der Rückseite traurig entstellt, da das weiche, schwammige rgament in zahllose Faltchen zusammengedrückt und abgerieben . Die Schrift, etwa dem 8. oder 9. Jahrhundert angehOrig, ist b, am Zeilenende ist, wo der Raum nicht reichte, eine beliebige izahl Buchstaben über die Zeile gestellt. Ein gewölbter Strich innt sie von der oberen Zeile und zeigt ihre Zugehörigkeit.

Die Seite hatte 29 Zeilen, die Schrifthöhe war ungefähr 20 cm, i Schriftbreite etwa 15 cm. Das Format war also dem der Aristo- aneshandschrift ahnlich.

Die Vorderseite enthält folgende Reste von 3, 145—161:

145 UU MHA NUÜAGM

AfcceTo

ANTOMé

isojcYccenÖT

ICtuü . YN

HM..TOIAUÜP

eiKGNeNlCKHM

(|)H ÖA' ÀP' ACTPAFA

155 MHTPÔcéHCeYUAN

AYTÎKAA^ ÏOAOKHNX

TTPGMNUüKeKAlMeN

6K . HAeAlOCMerAAOlOO

. . . . P . neiTATTYAACeZ

160 eNASKAT

n

158 6K über der Zeile ia dünnerer, steifer Schrift.

606 R. REITZENSTEIN

Auf der Bückselte unterscheidet man Kette von 173—191 :

I

KU)

n€P

175 ^ YPAC

MNeTEKHAOI

lAIHTAO YC TOlCIN e . . . 0

eP . . . NTI . . .^^ 180 Y

icoMe

A . eeproMeNoicjN ay . . .

1S5 N eneeccireneiPHÔ ....

NC<|)éTepoNKTep

INAPeCCACOAl MG

YOOCOKeNMOAlC

HGKATAXPÇ

inoTAMY

T

Dass die Handschrift derselben Ueberlieferung wie LG und dir jüDgeren angehört, beweist der allen gemeinsame Schreibfehler inéiaat in V. 1S5, dem gegenüber wohl niemand auf eine orlho- graphische Absonderlichkeit wie 176 nlurer' hiiiXoi Gewicht legen wird. Um so wichtiger ist die Abweichung in V. 15S, welcher io unseren Handschriften übereinstimmend

ßi] ôè ôiex fieyâçoio ^loç nayxacnor àkwr^y überliefert ist.')

An dieser Fassung hatte schon Gerhard (lect. Apoll, p. 77) Anstoss genommen. Hera und Athene, welche Aphrodite in ihrem Hause auf dem Olymp aufgesucht haben, geben mit dieser dcD Eros suchen OvXvunoio natu nxvxaç. Sie finden ihn Jibç 9a- legfj fv àXùtfj. Wenu er nun zur Erde eilt, so ist die Beschreibung ßrj ai dieyi fteyâçoio Jiàç Ttâyxagnov âXorriV, selbst wenn wir fii- yagov gleich olxog im weitesten Sinne fassen, unklar und unschOo.

1 /$r; SeSi' éxfiiyâçoto L.

AUS DER STRASSBURGER PAPYRUSSAMMLUNG 607

Gerhard vermuthete ßrj âk âi^ ix /Asydloto Jibç fiayycacnov àXœijvj wenig Oberzeugeud, weil wir dabei dux von dem daneben siehenden Genetiv Irennen müssten. Dagegen scheint mir, was unser Text bietet [ß]fj de Jioç fieyâkoio '3[éœv^) TCêQixaXlia aktor^v] in jeder Hinsicht ansprechend. Was der Corrector gewollt hat, ist schwer zu entscheiden; ich glaube, dass zunächst AI€K ganz me- chanisch aus Aloe, dessen O unleserlich geworden war, verdorben ist, und dass erst, als öiex nun im Text stand, aus dem miss- verstandenen MGFAAOIO 061ÜN durch Interpolation ^yàçoio Jioç wurde. Es lohnt vielleicht nachzusehen, ob sich in der noch wenig bekannten jüngeren Ueberlieferung, die sicher nicht ganz aus L stammt, weitere Spuren dieses Herganges erhalten haben.

Hl. Zu Isokrates und den Florilegien.

Ein kleines mit der Scheere zurechtgeschnittenes Papyrusblatt {Pap. graec. 92), seiner Zeit meine erste Erwerbung in Kairo, ent- hält auf seiner Vorderseite in grosser, wundervoller Uncialschrift etwa des beginnenden 3. Jahrhunderts') Isokrates 7cçoç Jiniôvi- xov § 45 in zwei schmalen Coluranen, deren jede ursprünglich 23 Zeilen umfasste.

1 11

. . . ri;yXA XPUUMGNOC-

viü TcJy MSn THnePlTHN

yàç aXXwH AAAHNÏÏAI

%ovç nU\ AeiAN(|)IAO

a%ovg bvqH TTONIATON 5

aouev cL'CüeP TAPAYTUU

tüv (TtT/fiN TABeATICTa

%olg fidiaTo\c TTPATTeiN

^aXkov H eniTATTON

%oiq vyuMo TATOYiON lo

lâjoiç xol eiKOCKAl

1) Bezw. &iêtv,

2) Die ZeitbeslimmuDg danke ich der grossen Güte Prof. Wilckens, der zu der Schrift der Vorderseite in dem Fragment aus Demosthenes de corona Oxyrrh. I 25 pi. 3 das beste Ânalogon findet. Die Schrift der Rückseite kann nach ihm nicht mehr dem 4., wohl aber nach den Formen der einzelnen Buchstaben eventuell sogar dem 2. Jahrhundert angehören; doch deute auch hier der Geaammtcharakler mehr auf das 3. Jahrhundert.

608 R. REITZENSTEliN

çovjaç oY TOYCAAAOYc

twg xai tflN TOYCeülTHN

Die einzige neoDeDswerthe Variante ist, dass in 11 3 oov, welcbet die jüngeren Handschriften einschieben, hier wie im Drbinas fehlt Wichtiger ist die Rückseite, welche in einer eigentbanlich steifen und verschnörkelten Schrift, die ebenfalls noch dem 3. ithr- hundert gehOrl, Reste eines Florilegiums bietet, durch welches sich vielleicht schon der erste Besitzer die inhaltlich einem solchen ja sehr nahestehende Isokratesrede nachträglich erweitern liess. Von der obersten Zeile ist das HauptstUck weggeschnitten. Ich lese: TATOYCj

PYIATÖKAIAieceiCATOeiTA MHT€KeNOCMHTeMeC PeYCAl €§TATOIAYTACTINAC

KAieniM€AeiAcnepiTOYnop

nPOCMGAieïHeiOYTOCONA OTOYH<l>AIC§OYiePeYCAC6r

CG AereiNTTPOCTONAeKOAO(t)U)

TOIC€nH;?'|€NOTieiOeA€l

KIANArAf/yeiN€NM€NTAICA

OYKABUDTONOYTUUCeCTI

MOixeiAre nhtaikaitoytoai

nHCAMAATTOnNeireTAIKA

OYTlAlNOMIMONeCTINKAI tABOPeiNOY

enAMeiNlüNAACrAPOOHBAi

GAAHNUUNTAYTHNeclïHMenCT Die Zeilen waren uffenbar sehr lang; die Ergänzung wird noch durch die (iDgleichmässigkeit der Schrift erschwert; so oehmeD z. B. in Z. 3 die 16 Buchstaben denselben Raum, wie die 23 in Z. 2 ein. Für die Reconstruction des Gedankenganges muss m. E. maassgebend sein, dass es sich um ein FlorilegienslQck bandelt, dass ein den Meisten befremdliches vefuftov in einem brieflichen oder mündlichen Bericht über eine Unterredung gerechtfertigt wird, endlicli dass Z, 10 13 die bekannten, immer wiederholten Grflnde gegen die Ehe entliaiteo') und in Z. 5 von der noçyeia im all-

1) Vgl. Gellius V 18 und die von Freudrolhal Rh. Mus. 35, 413 id- ''fûhrle Lilteratur. Der Gedanke kehrt in den d'iaus n ya/u/Ttov wieder.

AUS DER STRASSBURGER PAPYRUSSAMMLUNG 609

gemeinen die Rede ist. Um die Unterhaltung eines christlichen Asketen mit einem Heiden kann es sich kaum handeln; nicht vom Fasten, sondern von den massigen Mahlzeiten, wie sie z. B. Apol- lonius von Tyana mit seinen Schülern hielt, scheint in Z. 3 die Rede.') Auf die Litteratur über ihn oder andere Neupythagoreer scheint unser Stück zurückzugehen. Ich will statt eines langen Commentares lieber einen Ergänzungsversuch , der natürlich gün- stigsten Falles nur den Gedankengang treffen kann, geben:

rdrovc [fcokkaxic diu)]-

ov^aro xal öuaelaaxo* elta

uijte xevog fii^iB fÀ€a[TOç xoii^rj&fjvai T] diavvxJ€]Q€vaai' e[Z]ra loiavvaç tivàç [innrjâeiaug te éavtov] xal ènifiBlelaç negl 5 lov noçlvelaç ânixea&ai ndarjç] nçog fie die^ff£i oitoç^ oy l[ayviaTa%ov (oyofÀaaev] b %ov ^Hq>ala[T\ov leçevç, èy[ià ovx av ôvvaifiriv ov6ï\ Xéyêiv tcqoç ae. %ov ai xoXoq>ùi[va ixeî- voy (.lâXiaia %ov\ioiç l/i^f/jcO on el â'éket [tiç yvyaîxa elç Vfjv ol\Klay àyQ[y]€lv, h fikv taîç a[laxQC[iç àridla* xaï nwç] 10 wx aßiwTov ovtwç èa%l[v; h de taîç xaXaîç (poßog jui)] juox- [ela yivrjrai' xal %ov%o al^oxi'OTOv èariv, ozi vno AtJj/rîjç afxa trtonyiyBiai xa\l im&vfÀlaç. aixolg ôïî\ ovtw vofÂifiov iariy :aî [rtdarjç inéxsa^ai fil^eœç].

Das aus Favorinus entnommene Stück hflngl wahrscheinlich, nit dem von Freudenthal im Rh. Mus. XXXV 408 besprochenen Verke, den rvm^oXoyixa, zusammen. Wichtig ist die Einführung les ct7z6(p^ey^a durch yaQ. Sie zeigt, dass Favorinus nicht nur len Aussprüchen berühmter Männer eigene allgemeine Betrach- ungen vorausgeschickt hat, wie mau dies bisher annehmen musste, ondern dass er die anoq)&éyfiata v^ie die Gnomen in sachlich geordneter, zusammenhängender Darstellung bot.') Eine Fundgrube Ür die Verfasser von Florilegien oder die Zusammensteller von ipophthegmensammlungen war das Werk gewiss, aber der Form )ach war es weder das eine noch das andere, sondern eine Samm- ung philosophisch-rhetorischer Vorträge über moralische Themata, lierzu stimmen, wie schon Freudenthal gesehen hat, die Frag-

1) Z. 1 und 2 könnten die Enthaltung vom Weingenuss vorschreiben.

2) Vgl. Aelian H. /4. 13, 12 teal 8rj teal rov xoloipivva énijyê r(p8ê r^ cyip navxl ixelvav.

3) Genau entspricht Stob. 119, 16 ex iwv 4>aß(o^ivov tibçI ytiqav Sêô^ tûÇO£ fiiv yaç 6 Kv^vàîos oiSê/iiav ixavr^p nqcipnaiv êfaaxêv êlnu xrX,

610 R. REITZENSTEIN

mente (z. B. 104. 106. 110 Marres), die diesem Werke abto- sprechen jetzt noch weniger Grund Torliegt. Allein wir dOrlen weiter fortschreiten. Freudenthal hat einen falschen Ausgang punkt gewählt, rvwfiokoyixa ist gar kein Titel und als solcher nicht bezeugt Zu der Suidasvita ist nach der vollkommen ab- geschlossenen Schriftenaursahlung (xal aila) nachtraglich von eioem B]fzantiner hinzugefügt ovtog fyçaipe koI yytofioloyixa.^) Die Erklärung bietet eben Freudenthals Fund. Es gab einen byno- tinischen Auszug, welcher einerseits anoq>&éyiiaza , andererseits Gnomen entliielt; ihn bat JMaximus benutzt.*) E& ist, wie die Uebereinstimmungen mit Stobaios zeigen, ein dürfliger Auszug aus demselben Werk, oder besser demselben corpus, welches dieser benutzte. Dasselbe muss als solches allgemein bekannt, seine Titel denen des Florilegiums z. Tb. ähnlich gewesen sein. Nur so ist es zu erklären, dass, wie Stobaios in der Regel, so auch uoser Autor keinen Specialtitel cilirl. Aber ,gnomologisch* war es nicbt. Seinen Charakter lehrt uns Gellius IX 8 kennen, der einen Theil des von Stobaios 49, 48 angeführten Fragmentes mit den Worten einleitet hanc sententiam memini a Favorino inter ingéniés omnium damores detomatam ind^uwnque verbis his paucissimis. Eine Re- stitliguDg bietet uns Philostratos vit. Apollon. IV 25 ^Jrjfujtçioç .... ov OaßwQivog vazeçov iv noXkoîg %wy iavtov Ilo- ywv ovx ayevvajg l/rc/uyifa^i}.') Es kann sich dabei nur um moralphilosophischc Vorträge handeln. Traten in ihnen, wie wir dies ja bei dem vielbelesenen Sophisten ohne weiteres erwarteo, die Dichterei ta te,^) die Gnomen und àîtoç^éYpiaxa besonders stark hervor, so ist die weitgehende Benutzung in den Florilegien ebenso wie der ,gnomologische' Auszug, dessen Reste Freudenthal entdeckt hat, erklärt.

Gellius erwähnt diese Reden stets, als ob er sie lediglich dem

1) Selbst wer diesen, m. E. nolhwendigen Schluss nicht machen woHte, mûsste den Satz wenigstens sachlich mit yéyçanxai yox-v aixtp ipûâ^ofa xt xai iaroçixâ verbinden; auch dann ist yvtofioXoyixd Icein Titel.

2) Leber den Titel ex xwv (Paßtocivov, vgl. Freudenthal S. 415.

3) Sehr möglich daher, dass die Erwähnungen des Kynilcers Demetrios in der Florilegienlitleratur auf dies corpus zurückgehen. Die Ijoyot ftU- GOffoxfiEvot, welche Philostratos {vit. Soph. 8) erwähnt, umfassen neben deo ^vçioi'Bioi /.oyat auch diese moralphilosophischen.

4) Vgl. Fr. 109 und 87 Marres.

AUS DER STRASSBURGER PAPYRUSSAMMLUNG 611

Gedfichtoiss eotnimmt; aber er cilirt IX 8 zweifellos Dach der Ausgabe.^) Wenn nun Phiiostratos (viL Soph. 8) einen Xoyoç inl j(ß li]Ç(fi bezeugt und Gellius 1 15, 17 nach prSchügen griechischen Citaten Ober das IrjQelv erwähni, Favorinus habe die bekannten Verse aus Euripides Bakchen 386 388 im Gegensatz zu anderen auf die Schwatzer bezogen (was allerdings auch Plutarch und an- dere thuD), so gilt mir als wahrscheinlich, dass Gellius auf diese Rede Bezug nimmt, und als möglich, dass Stobaios 36, 13 aus Favorinus stammt. Ich führe auf diese koyoi ferner noch Gellius I 3, 27 (Ober die Freundschaft), V 11 (ei yafirjzéovl), XII 1 (Ober Kindererziehung), XIX 3 (über Lob und Tadel, Tgl. Fr. 104 Marres), ja selbst XVII 19 die Gnomen des Epiktet zurück.

Auf die schon von Marres bemerkte, nun immer deutlicher hervortretende Aehnlichkeit der Schriftstellerei des Haximus von Tyros und auf die Schulvortrüge der Philosophen kann ich hier nicht eingehen.

Der Spruch des Epaminondas ist m. W. sonst nicht erhalten. Wie gut ein Spruch gegen die nogvela denn nur diese, nicht die Ehe kann als das grOsste Unglück in Hellas bezeichnet sein in den Mund des in strenger Selbstzucht nur der Politik und dem Waflenhandwerk lebenden Mannes passt, brauche ich kaum zu er- wähnen. Vielleicht hilft auch dies Fragmentchen, in den noch wenig bekannten jüngeren lateinischen und griechischen Apophlhegmen- sammlungen die Spur des Favorinus verfolgen.

IV. Zu den lliasscholien.

U. Wilcken hat in den Sitzungsberichten der Berliner Akade- mie 1887 S. 817 aus einem Pariser und einem Berliner Papyrus- blatt des 3./4. und des 5. Jahrhunderts den Anfang zweier Glossen-

1) Die Manier wird besonders klar durch II 1,3 de fortitudine eitu viri ui pleraque disterens (woraas M. freilich niemals einen Titel nêçl rtji JSW- nçdrovç ^{ofArjç hätte machen dflrfen) und XIV 1, wo unzweifelhaft eine Rede xaxà Xaldaieav vorliegt. Aber auch von den Fictionen des Gellius abgesehen wir beziehen viel zu häufig ein dicebat oder itpaantv auf mündliche Tra- dition und vergessen, dass es z. B. Lucian (nêçl r^s ènotpçâSos 32) fertig bringt, Euripides Bakch. 386—388 mit den Worten einzuführen a>6 o xaXis EvçèfUSriç Xdyêtv sïœâ'êv. Ob das ^vyycaßi^nav nsçl «v^^s, welches Phrynichos citirt, oder die Schrift ntf^i ytjçopQ bei Stobaios zu diesem Ck>rpu8 gehörte, ist natürlich nicht zu entscheiden.

612 R. REITZENSTEIN

Sammlungen zum ersten Buch der Uias herausgegeben. Ihre Ver- wandtschaft mit den sogenannten Didymosscholien hat Wilamowiii in dies. Ztschr. XXlil 142 hervorgehoben und die entscheidenden Folgerungen gezogen. Der Glossenbestand ist verschieden; das jüngere Blatt bietet eine ganze Reihe der allertrivialslen Umschrei- bungen mehr. Ein sehr viel grösseres Stock aus der Mitte des- selben Iliasbuches erwarb ich für die Strassburger Sammlung im Fayoum, allerdings in traurigem Zustand.') Die Schrift« etwa dem 3. Jahrhundert angehOrig, ist z. Th. verloschen , z. Tb., be- sonders im Anfang, weggerissen, der Rest nur mit furchtbarer An- strengung der Augen lesbar. Die Buchstaben sind unregelmässig, je nach dem Raum breiter oder schmäler, zwischen Lemma und Erklärung bald mehr, bald weniger Raum gelassen; fast jede An- gabe über die Zahl der verlorenen Buchstaben ist unsicher. Die Vorderseite nimmt eine längere Rechnung ein. Zur Ergänzung helfen vor allem die Didymosscholien , für die ich leider nur die Baseler Ausgabe (die Hervagiana von 1535) benuuen kann, lieber die handschriftliche Tradition dieses Theiles der Didymosscholien wissen wir bisher nichts; etwas hilft die Bekkersche Paraphrase, die nach einer Recension dieser Scholien gemacht ist, sowie die interlinearglossen des Venelus A. Die Uebereinstimmung ist durch die Buchstaben DPA am Schluss der Glossen angedeutet. Ueber- einstimmungen mit Eustathios (E) sind nicht immer, sondern nur, wo sie Wichtigkeit zu haben schienen, angegeben. Von der ersten Columne sind nur wenige Zeilenenden erhalten.')

Col. 1. 20 .... rag

avai

QOViOV (JÜV

25 (oôov elv^éiiievaf sic èv)éàQag II. l, 151

1) Bezeichnet als Pap. gr. 33; Höhe 2ü,3 cm, Länge 80,5 cm.

2) Accenle, Spiritus, Apostroph und Interpunktion fehlen vollständig. Jota muluvi ist nie gesetzt. Die Orthographie ist bis auf die Verwechselung

'OU t und El und c und ai richtig.

AUS DER STRASSBURGER PAPTRUSSAMMLUNG 613

Col. IL >)

/)

eJÀax(t) 155

.i}aay(To) 156 5

evra 157

ïvaidi{ç)' (fieyàktoç) ävaidea(taT€). DP 158

(t)^I' Tif4w{Qiav). DPA 159

)fÀ€&a' ^€v. 158

)fiev{oi)' (àvtiKaTaXX)aaao(jiëvoi). DP 159 10

)n{ay ci(vaidiayr(ne. DP 159

xr if (v). 162

ifjaa'' èx{a)xoiTtd)d7iaa. DA 162

Tç(ii)ut(v)' (Ix Tgwtüv), rtaçà Tçiiwv. P 160

)nç{é)rcj]' (jÀBTaa%Q)é(p7}. 160 15

iXt{yC)T^Biç' oit, o .... y %XBiç. cf. E. 160

iU^QOv 164

lai €x)^W* TCOQ{BvoiÀat)^ fjxw 168

«S-

xi6fÀ€vov)' Tri(v) xaXùi{ç) oUovfÀi^ 164 20

{yri)v. DP

iixoç' {n)okXà(ç oç)iÀàç ^x^VTOg. DA 165

vaiv at. 166

iç' (jÀBÇia)fÂ6ç. DPA 166

rj(v) n(oT)e' èày ai 7tot€> P 166 25

xon(id)aœ. PA 168

liiÇwv)' {7to)XêfA(iy. DPA 168

Col. 111.

169

v(iatv)' <

170 5

^ ç

Tivrai)'

173

ifiàya) oder (fiayâltos) denkbar

8 {xjrjv über der Zeile

15 So

ieTa}nç{a)7i8i III 4 smrj

mos XXXV.

40

614 R. REITZENSTEIN

aq>€v{oç)' fjç 171

10 aq>v^êi{v)' èniavtXriaêiv). DP 171

XiaaofÀai' 174

naç^ l(lÀ)o(i yfi)* na(çeiaiv èfÂoi), D 174

f4t]tUta' ßov(X€vrix6c). DP 175

ïx9'ia%oç' lix&QOTaTog). DP 176

15 ôi{o)%QBq>iwv' à{no Jioç to) 176 yjvoç ixo{vT(oy)

ovô' o&ofAar (ovdk iniy 181

a(T)Qeg>o(fi)a(i t)ovtwv. cf. P

oé&ev aov . . . . DP 180

20 notiovtoç' oiçyi^ofÂivov). DP 181

nXialfjv axîjWiJy. DP 185

aTvyiji dé' (poßrj(&ff). 186

iaal' vnciQx(eiç) ai. P 176

ofÄOiW&r^iiiiByai)' 187

25 avrrjv iva{vTiaç). DP 187

q>àa&af elneîv. 187

Xaaloiai' n;vxvoî(ç). 189

ueçuiiQiBev' i 189

Col. IV.

(diàv)dix(ay iâi)x(ôç f^i(oi) DPA 189

[içvaad)fÂêvoç ' anaaà^evoç. DPA 190

oç' (pq

xrj^ôofÂévrj)' q>Qovtl^ovaa 196

5 avao(ji^aBiey)' avaarrjvaii) noir^O]]. 191

iv(açl^oi)' rj aKvXiêvoi). cf. E. 191?

(âiç/Âaive)' {ât)evoelJO. DPA 193

{èçrjjvaeié ze dv^)6v xatdaxoi Trjv 192

0{Q)y7]V.

10 x(o)k{eolo)' (^t)(po{&ri)itrjç rov ^lg>ovç. DP 194

(oiçavo&ev)* {s^ ovçavov. DP 195

nço yà{ç) f^{x)e' 7tQoén€fi(ipe) ydç. DPA 195

ô/nûig' o/ioiwç, DP 196

{k)evxwX€voç' Xevxo ç 195

15 XevKi].

lu a(fv^t{v) 26 «tTTiv

LUS DER STRASSBURGER PAPYRUSSAMMLUNG 615

o>V. DP I &iäfiß)f}aev' ii)(poß/X^)rj. DP 198. 199

ïctJÇ

^dav)&€V' avq xga 200 Î

4f V 20

{g>6)ß(o)v aiioi. 200

Tr€^(o6yx)a' %axBî{g X6)yovç. DP 201

o(f{d)aXiioL DP 200

v^ag 1] 202

9£o' oly.^àoyxov (ij) a/yig 25

'Ziniov) cf. DP 202

»« r//

zl{laiçy (vn)BQ(îj)q>(aviai)ç. DPA 205

Col.V.

7i)iç' yX{avx6q))&ai.fioç. DP 206

ti&r})ai' èûiv neia&fjç. DP 207

.... 1^- ï(pfj, iil)nê. DP 210. 219

aaa)' tqiç To{a)avta. I xQV ' '*^- 213. 216

Qov)' vfi{ù)v T)cJy ovo. cf. AD 216 5

Try toî; ^{i(po)vg )iia)ß^: AB 219

x(€), lax€. 219

iti)/iiovaç aXX{ovç)* nqoç tovç 222

\viâ{ç)a. DPA 227 10

Odijvar 226

(palverai. DP 224

q{o)îç' (yiQ)v€QOÎç, 223

[(>)^ç- oMq) ߀ßaQr})fiiyi£)y 225 15

iu^^ae. DP

[ofi)fÂaTa e(x)(ov* (âv)aiâéaTaTe. D 225 •) d' ilâq)oio' (â)€i(Xé)* ôeiXoy yàç

Q(poy Ua(poç. cf. D 225

0- â(3paiç(o)t}. 275? 20

Drç- V7tOfiB^é\{ri)yia{g). D 228

2 Ta;e«(6) 25 Möglich auch «uj^fov^ov V 13 «Jrr« 14 ge* wohl ß{c)vioo^s 15 Oi{vofi)a{ç}tjç

40*

616 R. REITZENSTEIN

(Xw)iov' ßikTiov. m

{ari)iAo(ß6)Qog* b àrifiov 231

25 (o)v%ià{av)oîç* fJi{ri)àaiiLvoîç. 231 {o^ovg- x)Xadovç. || ida%)aTa' ïoxa%a, 234. 232

X(wßT^aai)o' ßk(a)ipaic. 232

ig>va€i)' avaßXaatri{a)Bi. D 235

Col. VI.

. . . .^ . i4ß . .V,

o(ix àifaâ)rjki]aêf ovx ayaßkaarii^aBi). DP 236

fi yr

(pX{oi6v)' . . ov 237

b ytu no . . . Jiiiq

noi^Ti)* avia^TJTrjaiçy 240

elQv(a)Tai' q){v3L)àaa{ovai)v, DPA 239

evr" av (ot)av. DP 242

fieçànwv /Âê/€(Qia)fÂivov 'é- 250

10 X^^T^Ç . , t] . .

nçoa&e* nQÔTt{Qo)v» PA 251

i(p&ia&ot (so)* i(p^aQf4ivoi elialy). cf. D 251

rjya&i^' ayav &ie)iay (so), cf. E 252

ag>ly' avtoîç. cf. DP 253

15 01 7t{6n)or œ nanai' eari ôk ijiiçQrj- 254 ((do) ax€tXiaafi{ov).

lx(àyeiy xaTaXa(j4ßd)v(€i), P 254

^Ax{auö)a yaiay %(riy) IlekoTCoyyi]- 254 aov.

20 y7j{xh^)aet' xciç(elr]). DA 255

n{v\^oLaT)o' à'AOv{aBiav). P 257

fia{Q)v{afi)év{ou)v (jLiaxo)/iiév(ûv ôvixcjç. DPA 257 neçï fièv ßovkfj Javawy* (oï 'tfi)v

(ß)ovX{ri)v Twv 'EXXijyœy. 25S

25 7i{eçl ô^) èaié' neçleate âé E. 258

dgieiooiv)' xçeiaaoai. DA 260

VI 2 (avad')r]Xrjai und avaßXaffrrj(a)i 7 éçv{a}Tê 15 «f»-

oïî(^a) 20 yri{&Ti)ai hierauf vielleicht noch drei Bachstaben 22 Ge-

schrieben 8vi 25 ne^iwra* 8i, vorher vielleicht noch vier Bachsttbeo

26 xpiaacaai

AUS DER STRASSBURGER PAPTRUSSAMHLUNG 617

fi{filXr})aa* aiv)v{'q)X&ov avve .... 261

GoLVIl.

i&éçiÇov' an(€)âoxlf4a^ov. DPA 261

àfTl^BOV la{fid)Bov. DPA 264

%Qàq>Bv' iTQ{ä(p)i^(aa)v. DP 266

inix^ovlœv i[7t)i(y€l)(üv. DP 266

i<p)rjQaly xevravQoig. cf. D 268 5

oQeaxtpoiOi' h 5(q)€{i âi)aiTw- 268

/Âévoiç, DPA

{è)xnàyX(uç' ix(n)X{7i)iitixwç, lf(o)xcüc. cf. DA 268

anlrjç yairjç' Tr^ç fxaxQO&ëv, 270

Ti^ç 10

xar' ifÀttvtov xarà xîj(y i/na)v%ov 271

âvvaf^iv DP g ßQOTOQ' (av)9Q{(u7C0ç). P 272

(^vviov* avvi{ßa)av, 7Ja&{dvo)vto. EA 273

avTißlrjv l(v)aiv)Tiaç. DP 278

anoalQBO' àq)(aiQ)ov. DP 275 15

SfXflOQe' fi€T ....€, (6Ï)ÀÎ?X«' 278

ofÂoiriç* ïarjç, DA 278

axrjntovxoç' axriTtXQOçoQoç. DP 279 X6il€i;^oi;ç* (o)doi;g.

fâB&ifiev' iaaai. 283 20

e^xo^- Telxoçj à{a)q>ài.eia. cf. DPA 284

Ttéletai' ylvBTaiy èarl. DA 284

(x)aTà fioÎQav* xçt%à rb xa&rjiio(y). 286

alxf^flfijv' (jÀOJxi^Tfjv 290

7r€(^){ (/t)ayTaiy v/ri^ /rdyTc^y. 287 25

alèv BOVTBÇ' âià navroç ovtBç» D 290

nço&iovoi' n(QOt)Qéxovai. DP 291

Col. VIII.

ov%(iday6ç)' 293

vnoßX'^d(rjv)' vnoßaXktjy nçlv 292

a(y o) ^tBçoç oiytjat].

vnieO^OfÂar VTCOxcaQijow. DA 294

Vn 6 offtcx^o^^h ^* scheint übergeschrieben 12 Wohl (av)^^(ai) ge- schrieben; Tgl. das bei Ad. Jacoby Ein neues Evangelienfragment S. 34 heraus- gegebene Gebet Z. 16 16 iêt)lrjx' sehr unsicher 20 aêaa<u 21 itxo^^ a(a)faXia 22 ica* oder saxt VIII 3 cnyrjcij

61S R. REITZENSTEIN

5 a/j(ßaiy)€' è{n{)iaaa€. 2%

lniTiXi.€o' nçoaraaae. DP 295

(7tel)Q'f]ia)ar (nBlQ)aaov. 302

aiii(ovtoç)' fÀfj ßovXofxevov. DP 301

x€Àa(Oyoy* liihiv. DPA 303

10 alxpa* Toxitoç. DA 303

lQwi]atr i^)Bv(a)Bi. P 303

äg TcJ/e* oCrTcoç ovtoi. DP 304

(liVag- laoToixovg. DP 306

Mevomaâi]' Mevoitlov 307

15 vl^'" T^ IlaxQÔxXif. DA cf. P

£la€V (l)x(a)^(ta)€i'. DPA 311

{ß)^aB' (eveßlß)aa€v. D cf. P 310

{Tt)QoiQvaae ' xa&elXxvaev. DA 30S

noXvfÂr]%{iç)' TtoXvßovXog. DP 311

20 xaXXinaQjjov xaXàç naçeiàç ïx^^^^^* 3^^

avtoyev ixiXevev. DP 313

(àn)oXvifÀ)alv(e)a&ai' aicoxa&aiçia- 313

;^(ot). DPA

{vyç)à xiXevd'a' t^v ôià ^aXctaarig 312

25 hdov. DPA

(ii;)]uaTa* {to) xa^acf^ara. E 314

(?^)doy InexiXovv. D 315

ttXriéaaaç* zeXtiag. DP 315

Col. IX.

nivovTO' hrjçyovv. DP || ^lyiov (pQixtov. E 318. 325

otçTjçùi' ß . . . €Qc( ^initeXXe' inizaaae. 321. 326 ßdTTjV ènoç(6v&)riaav. DA || èçiovTO' riQtizwv. cf. P 327. 332

orQ{v)yéToio' xçc^agâg xaï néçag firj èxovar]ç. 327

5 TaQßi]aavT€g' q^oßrj&ivTeg. DP 331

^BQajtoviag* (v)n:î]çéjaç, ev(io)i de âovXovg. cf. DP 321

Tci) ju^y ov(jOi) jU£v, dfixcJç. D 321

aaaov ïzb* (TtQ6)aéQXB0d^e. 335

nQ{o)ur 7cç{oé)ne^xp€v. PA | (xrt«'«^' XC«^. DP 336. 341

10 àm^véog' qy.(hjçu)y. DA || ^lîef iv^ovai^^ oçfÀÇ. 340. 342

affag' ev&é(u)ç). D || nçôaow sfÂnQoat^e. 349. 343

rôoqi' x^^çiOÇ' f) || {6n)Laow fiejà zavza. cf. E 349. 343

11 £na)r;(Jt {ç)£v{c)i 13 («««)<T«s IX 8 {n^)C9^x*(r&aê

9 7r()(0)«(l)5<

AUS DEK STRASSBURGER PAPYRUSSAHMLUNG 619

}Xirjç aloç' (rfjç v)7to %ov àq>Qov Xeuxaivoféé'- 350

vt]ç &aX(daar]ç). ] novrov d-àXaoaav. DP 350

vona' oiv{oei)ôfj T?}y XQ^^^ ïx^»'^«- 350 15

:xad-elç' çc(vaxl)iyaç | OQêyvvç* ixTeiviaç). DA 349. 351

\jT)d'6v' oUyov. DA || cxpiXkav ä^pBlev. DPA 354. 353

yvv&âôiov (okt)yoxQOviov. DPA 352

lv/n7tioç' 6 Zevç. I iè)yyvaXi^ar iyx^iQiaai, dqvvqi. A 353. 353 HfiçefiéTriç* o èy vipBi ßQoyrwv. DPA 354 20

wvQaç' àq)B(là)^Bvoç. DA \ ßev&oc' ßa&og. DP 356. 358 hvia' iv{ti/noç). DA || nargl yéqovxC Tip NrjçBî. DP 357. 358

{v)vwy' Il xaQnalifxtJç* Taxéu){ç). DPA 407 î 357

'%€' xa&d{fteQy iiç). P || ôfilxXrj* axotla. 359. 359

içoi^ey ï/UTtQoa&e. DP | oîa&a' oîdaç. D .360. 365 25

tagi^ai' ameiy^ xaraip^aai. cf. DP 361

Die Aehnlichkeit mit den tod Wilcken herausgebenen Stücken It sofort in die Augen und die erste Folgerung ist, dass dieser leil der Didymosscholien mit den loToglai überhaupt nichts ihun hat. Der Schluss aus einer Randnotiz eines im Inhalt s unbekannten Blattes war trügerisch. Aber dürfen wir über- upl von den Didymosscholien als einer Einheit, wenn auch im iiteslen Sinne, reden und ihr Alter durch derartige Papyrosfunde stimmen? Es sei gestattet, etwas weiter auszuholen.

Wie unser Werk entstand, zeigt am besten VI 12 €(t>OIAOOI |)OAPM€NOl €\{aiv). Aus einer Interlinearglosse ist das ein zu erklären; aber gerade, wenn wir diesen Ursprung an- hmen, befremdet die so häufige Störung der Ordnung. Auch Qst finden sich Spuren, dass mehrere glossirte Texte zusammen- arbeitet sind. Ich verweise auf IX 6 d'eçârcorvaç' VTttiQétaç" lOi âk ôovXovç, Die Didymosscholien und Bekkers Paraphrase ;ten &£Qdnoyt€' vmjQéTai; ApoUonios 87, 15 ^BQinov%€ç* X Ol dovloi, âXlà ndvraç rovç a^ecarcevtixioc ^x^yraç ovtw keî xjX. Die Glosse durchbricht die Ordnung.*) Aehnlich ist

16 haa&iç a{vaxX)eivas und iKTiy{aç) 19 avx^^^f^ 20 sv vipê vtiQê 26 a^naiv für anrêiv

1) Ganz ähnlich ist V 4 tqIs rocaa* t^c roffavra^ vgL Did. xçlç rocca*

llaxêC Toaavra' ov yoQ r^êTtlôata avr^ naqêCxidtj nafà jéyofUfu^oroSj

avv rfi Bc^arj[t8i noXhà âJUa, tos avxoi ftjCêv iv r^ «'. Auch hier

die Stellung insofern beachtenswerlh , als sich unmittelbar fünf von den

lymosscholien abweichende Glossen folgen V 4—9. Zu beachten ist auch

Stellung von II 14-19, V Jl— 25, VI 9 ff.

620 R. REITZENSTEIN

IV 6, èvagl^oi ^ oxv^eioi). Aoch hier wird die ente

Erklärung den Didyinogscholien {g>ovevoi) entsprochen haben, die zweite entspricht Apollonios (68, 6) und Eustathios. Die dritte Stelle (IV f. ôiavôixa' ôixwç fjroi .... seigt wieder die Erklaraog der Didymosscholien als erste; daneben eine andere, die dort nicht erscheint Ich verweise schon jetzt auf die Glosse ^lov* avvUoat, jia^avortOj der in den Didymosscholien und der Paraphrase ^xovov entspricht, während Eustathios 100, 2 genau die Erklärung unseres Textes bietet.

Zwei verschiedene Exemplare scheinen benutzt Wir können im Anfang von Col. IX fast mit Händen greifen, wie neben eine Reibe névovvo, oTÇTjçw, ßarfjv (zu den Versen 318. 321. 327) eine zweite tritt ^lyiov, inejeiXey èçéovro (zu 325. 326. 332), ebenso neben nçotei, anrjvéoç, aq>aQ, v6ag>i (zu 336. 340. 349) eine andere XÇ^^^> &v€i, ngoaato, onlaaw (zu 341. 342. 343). Zu den Didymosscholien stimmt beide Male die erste einigermaassen; man vgl. nevovto' ivtjgyovv^ ingattoy. ßartiv ïfirjaav, kno- gev&tjaav. ngotei' ïnef^ne (vgl. ngoinefiipe P. hier und zu V. 326, TtgoiftBfÀftB zu 326 D). anrivéoç' anrjvovç, x^iU;cov, axXrjgov. aq>ag* ev&i(oç^ raxetog, v6aq>i' X^Q^S* Aus deo beiden nebenbei geschriebenen Reihen kehrt nur eine Glosse x^^i^i' Xgeia in den Scholien wieder, dagegen die sehr charakteristische Glosse (pgixtov ^lyœv bei Eustathios 111, 19 (vgl. oniaao)' fieta %avTa Eust 115,9).

Aus verschiedenen glossirten Ausgaben ist unser Stock entnommen. Aber mit dem entsprechenden Theil der Didymos- scholien steht es nicht anders, wie ich für den, der sie und die Paraphrase nachgeschlagen hat, wohl nicht eingehender zu beweisen brauche. Auch hier finden sich beständig zwei Er- klärungen, auch hier fehlt es nicht an Wendungen wie ol àé, evioL ôé, Tj, rJToi. Nicht eine einheitliche ,Trivialerklärung', oder gar die Reste einer alten Paraphrase bieten sie, sondern alles, was sich aus den verschiedensten, glossirten Exemplaren zusammen- raffen Hess und vielleicht in verschiedenen Zeiten zusammengerafft ist. Wir sehen in ein buntes Treiben hinein. Hatte der eine Schulmeister, der sich und seinen Schülern den Text glossiren wollte, noch allerhand gelehrtes Material, auch ältere Lexika be- uutzt, ein anderer sich mit den billigsten Trivialitäten begnügt, so kam bald genug ein dritter, um beides zu einer neuen Schul-

AUS DER STRASSBURGER PAPTRUSSAHHLUNG 621

lusgabe oder zu einem Lexikoo (in byzaDtiDischem SioDe) zu ver- rbeiten, und dies mochte wieder allein oder mit Ergänzungen aus weiteren glossirten Texten von dem einen an den Rand eines neuen *exte8 geschrieben, von dem andern in grossere Glossare wie Kyrill nd Hesych übertragen werden.') Eine gewisse Einheit des Grund- barakters bleibt freilich; dafür sorgt das Schulbedürfniss'); aber s ist die täuschende Einheit der Erbärmlichkeit, und der ganze iewinn aus der mühseligen Aufdeckung eines Stückes dieser Tra- ition ist die Erkenntniss, dass die Zunft der Grammatiker mindestens eil dem 2. Jahrhundert nicht einmal auf dem Gebiet solcher Trivial- rklärung etwas Eigenes wagt, sondern nur, was in verschiedenen Ixemplaren umläuft, zusammenzuschweissen versteht. Dass es mit en gelehrten Scholien ähnlich steht, wird jetzt wohl allgemein ugegeben und im letzten Grunde zeigen die von mir entdeckten leste der Orthographie Herodians, dass auch der gefeiertste Ge- ehrte der Zeit unter derselben knechtenden Gewalt des einmal Ge- cfariebenen steht wie der arme Schulmeister, mit dessen Werk ich lieh hier ungern beschäftigt habe.

t) An die Earipidesglossen im Hesych (Kyriil) brauche ich nur zu er- mern ; sie geben za êtp&ia&oi die besten Parallelen und stammen doch sicher lebt aus dem Euripidestext, sondern aus ähnlichen Lexika. Vgl. Rh. Mus. I, 451.

2) [Durchaus ähnlich scheinen die Erklärungen zu dem Slrassburger Epo- eDStück, in welchen Blass (Rh. Mus. LV 102 Â und 341 ff.) m. E. bald zu Tie), ild zu wenig sucht Zu den an sich klaren Schlussworten des Dichters xaik' ^iXoifi^ av idelv Sc /a* Tfdiierjae XàS 9* itp^ oçxioêS ißri to n^v iralçoi iwv isst er den Glossator hinzufügen [fffjjfiaivêt [rov Bo%]naX[otf]. Ich würde, 'enn er im ganzen Gedicht nicht genannt war, entweder am Eingang des edichtes iU Btnnalov oder bei der ersten Erwähnung BovnaXov Xdyn er- warten. Für die Annahme, der Gegner sei im Eingang mit einem Beinamen >der, wegen ctj/iaivat wohl besser, durch irgend einen y(nfpo£) bezeichnet ge- wesen und eine Anmerkung zu dieser Stelle sei an den Schiuss des Gedichtes erschlagen, bieten die drei nicht einmal ganz sicheren Buchstaben ITAA einen a schwachen Anhalt. Die zweite, für mich noch immer entscheidende Glosse ianofi' bezieht Blass unter Ablehnung der Ergänzung yêan6fA[oç\ und gegen ie Stellung auf V. 1 oder 2 des zweiten Gedichtes, ohne eine andere Er- änzung oder Correctur Torzuschlagen und ohne in diesen Versen ein Wort acbzuweisen, welches so erklärt werden könnte. Dass Boras auch Epoden des ipponax gekannt und nachgeahmt hat, war von jeher meine Ueberieugung, ber einen Anhalt, auf sie zu rathen, finde ich in den erhaltenen Trümmern benso wenig, wie einen zwingenden Beweis für die Autorschaft des Archiiochos. 0 bleibt für mich vor der Hand der Charakter der Dichtung entscbeideod].

622 R. REITZENSTEIN

In eioem Nachtrag sei es mir vergönnt , auf den KomOdien- prolog zurQckzukommen, welchen Kaibel soeben in den NachriehteD der Gott. Gesellscb. d. Wissenschaften 1899 S. 549 aus dem Strass- burger Pap. grate. 53 herausgegeben , ergänzt und in seiner Be- deutung gewürdigt hat Es sind zwei Einzelheiten, in welcbes ich Von seiner überzeugenden Herstellung abweichen mochte.

Der Text lautet nach einer nochmaligen Revision des Originak*)

fAaxQoloyog &€[6ç]

Toiç ä\xovov%ac Jiaßf]

y]àQ netQWfAévovç

r]o ngtjxov ov tçoTvov

5 xal to devreçov nà[li]v

taiovde xaï ràç alrlaç xal ràç à7c]odBi^eiÇn i^ avàyxriç yiverai fAvçiâxi]ç àyxwviaa/Liéyoïç ^fjaiv léyeiv ptaxçàv olxkriQOLV, ixôidâaKOvraç aaœwç 10 xaiiTLd^€fÂ]éyovç xa&' ïxaaTOVy dv sv oîS* oti

oid^eïç fAe]fÀà&T]XBv oi&iv^ alla tovâ"* oç^ xaï anêi]aiv. Ifjiaç ô^ 1$ avdyxrjç ßoilofjiai nàv xaxav\ofiaaiy %al &eov ri, yij ^la^ a^iov ève]yx€îv avjoç, all* ovxcoç &€ov* 15 Ttçinei Jiov\vo(fi yâç n niateveiv IfÀoi.

.... iyivovYo Sœa&éyfjç xai ^rjfiéaç' ovT€Ç ô' àô]6lq>ol ôvo nox êig ràç ix^i^ivaç yvvaîx fy]rifiav olxlaç xal yivsTai naîç (nkv a]vTwyy ^vyâtçcov ôè &aTiç(p. 20 efiBit* a7t]oâr]fÀla ziç àfxçozéQOig Sfia

bIç Tfjv 'A]aiav ixel te tzbqI twv orco/ucrraiy xlvdvvo]ç. BlQX&ivTog yàg airwv d^atéçov xal nçoaTaT]r]v axoyvoç xiv aâixov axeçoç eanevôe] xrjv awxrjçiav' ïntid^ 6 fisv 25 q^siyei ÀJa^cJv, o ô' ixeivov ixxlixpac ôoxûv

ôeixai d\ià xovxo, xal yéyovev éxxaiôexa

1) Die Ergänzungen stammen, wo nichts bemerkt ist, von Kaibel.

6 rajovSe wäre denkbar 10 Nach 6 zu Anfang sieht man den efsleu Grundstrich und die obere Hälfte des schrägen Striches von N, das O ist

fast bichiT, ein Participium also wahrscheinlich ini ft]é[Qo]vi K.

12 Tiodi ait£]aiv K. 16 Es fehlt die Ortsangabe, vielleicht die Bezeichnang eines attischen Demos 26 (pavyet S]éà r. K.

AUS DER STRASSBURGER PAPTRUSSAMMLUNG 623

anav] to (â^xoç %^ç aTCOÔTfjfilaç ïrt]. tI ô* ïÔ€i], tlç av q>i}a€i€Vi afiçoréçoiç afia ètiôv] %oaov%iav^ xa2 ri ravaynaiov rjv . . Die EigeDthümlichkeit dieses Prologes ist, dass seine ganse erste Hälfte gegen den Prolog in seiner bisher allgemein üblichen Form polemisirt. Nothwendig führt sie zu einer langen und langweiligen Rede in unendlichen Wiederholungen mit dem einen, unvermeidlichen Erfolg, dass der HOrer doch nichts versteht und keine Theilnahme für das Stück gewinnt. Unser Dichter will es so machen, dass ebenso nothwendig Jeder alles verstehen muss, und mit dieser Kunst etwas Neues, Wichtiges einführen. Denn wenn es auch ein Gott ist, der in seinem Namen spricht, er wolle etwas eines wahren Gottes Würdiges damit bringen, Dionysos, an den Kaibel denkt, scheint es mir nichL Wenn K.V.15 deutet ,denn mir dem Dionysos müsst ihr doch glaubenS so stOrt mich, dass diese Begründung sich nicht auf das Nachstvorhergehende, sondern höchstens auf das vfAag i^ avàyxrjç ßoHofiai nàv 7ia%avofjaai bezieht, und dass gerade dann nginei ti niateveiv hierfür sehr matt ist. Auf die Einführung einer neuen Technik, nicht auf die Wahl des Theatergottes als Prolog muss der Dichter stolz sein und daher^ worauf mich zuerst Bruno Keil aufmerksam machte, niaveveiv hier die Bedeutung ,vertrauen^ haben. Ein Gott, und zwar im Gegensatz zu den wesenlosen ProloggOttern wie ^EXeyxoQ, ^^riQt ^^çhtovqoç, ein wirklicher Gott, etwa Apollon oder Hermes, spricht ; er darf sich auf die Hilfe des Dionysos ver- lassen. Es ist kein kleiner, namenloser Dichter, der in dieser unanstOssigen Form seinen Stolz und seine Zuversicht ausspricht.^) So komme ich endlich zu der Ergänzung von V. 12; als eine Art Parenthese hat K. àkkà toi^ og^ [ngog avve]aiv vorgeschlagen. Aber der Dichter hat ja eben gesagt, nothwendig müssen bei der einen Technik alle nichts verstehen, und will fortfahren, nothwendig müssen bei der anderen alle alles verstehen. Weder zu dem einen noch zu dem anderen will der Zwischensatz ungezwungen passen; der Nachsatz, der in V. 7 mit i^ avdyxtjç ylverat beginnt, muss bis unmittelbar an seinen Gegensatz ifiàç 6^ i^ évàyiir]ç ßovXoiiai heranreichen. Ich erwarte hier: ist solch ein langweiliger Prolog

1) Gewiss würde man eher ifU (die betonte Form ist darch den Gegen- satz zu den gewöhnlichen Prologgöttern gerechtfertigt) für ifioi erwarten. Doch scheint mir auch der Dativ nicht anmöglich.

624 R. REITZENSTEIN

vorbei, so hat keiner irgend etwas begriffen, sondern siebt die dud folgende Handlung ohne Verständniss, ohne Theilnahme. Daisdem die von mir vorgeschlagene Ergänzung nicht voll gerecht wird, empfinde ich freilich und hoffe, dass andere glücklicher sind, SchoD dass ich der Buchstabenzabl halber annehmen muss, der Schreiber habe aus metrischen Gründen geglaubt, hier die Krasis nicht dorch- führen zu brauchen, und dass ansiaiVy wenn es auch hart aa die Bedeutung des Futurums streift, in der Verbindung mit ogq zwar für diese Zeit nicht unmöglich, aber immerhin ungewöhnlich ist, mindert ihre Wahrscheinlichkeit. Die Bedeutung von jovto (das, wovon die Bede ist, das betreffende Stück) ist leichter zu belegeDi') und dass das betonte ,er geht weg* hier heissen kann ,er bleibt nicht, er geht vor dem Schlüsse weg* hoffe ich nicht erst beweiseD zu müssen; aber ein Zweifel bleibt leider auch mir.

Unvermittelt geht der Gott nun zu seiner Hauptaufgabe, der Exposition über, die der angekündigten neuen Technik entsprecheod keine altlai oder ànoàii^Big, keine Unterhaltung mit dem Zu- schauer, vor allem kein Wort zu viel enthalten darf. Auch hier habe ich gegen K.s Ergänzung eine einzige Kleinigkeit einzuweadeo.

Im Ausland ist der eine der beiden Brüder auf falsche Anklage ins Gefôngniss geworfen worden, der andere hat ihn befreit^ ist aber, während jener entkam, selbst ergriffen worden. Wird hier nur seine Flucht oder ein Process erwähnt, so bleibt der Hörer im Unklaren, warum er nun 16 Jahre fort ist.*) Er wird vielmehr ins GefôDgoiss

1) Vgl. Plato Soph. 251 Â noXXoïs ovofiaa xavrov xovro éxa^xorê nço- cayoQ9vofuv. Aristot. Eth. Nik. I 5 Têkuôfêçov Si Xéyoftsr rd xa&* avto dtioxxov xov 8i^ ^reçor xai x6 ftrjdtnoxa 8t aXlo al^exov xèiv (nal) %a^ iavxà xai 8tà xovd"* aiçaxœv. Auf eioe ähnliche Erscheinung im Lateiniscbeo habe ich in dies. Zlschr. XXIX 623 hiDgewiesen. Es sei gestattet einige Bei- spiele aus Varro nachzutragen : de lingua lat, V 13 sed qua eognaUo erit eins verbi (des betreffenden Wortes, dessen, das ich etwa erwähnen werde); de re rust. 1 6, 2 igitur cum tria genera tint a specie simplicia agronm campes tre collinum montanum et ex lis tribus quartum, ut in eo fun do haec duo aut tria sini. Keils Aenderung in uno fundo ist überflüssig. Ferner 1 2, S nemo enim s anus debet velle inpensam ac sumptum faeere in ad- iura, si videt non posse refici, nee, si potest reficere fructu, {fructus Cod.) si videt eos fore ut pestHentia dispereanL Nach dem Zusammenhang kioo eos hier nur die Betreffenden, die Bebauer bezeichnen, fructu ist ebenfalls wegen des Vorhergehenden nöthig.

2) Nur das, dass der Gerettete auch so lange fort ist, kann nach der sichl des Dichters den Hörer befremden.

AUS DER STRASSBURGER PAPYRUSSAMHLUNG 625

geworfen und nun bleibt der durch ihn schon gerettete Bruder, statt heimzukehren, in seiner Nähe, um ihn zu befreien. So sind sie 16 Jahre fort Dass sie gegen Ende des Stückes zurückkehren, ist ebenso selbstverständlich, wie dass ihre Kinder das Liebespaar bilden, das durch ihre Heimkehr glücklich vereinigt wird. Die Schwierigkeiten, die entgegengestanden haben werden, mögen etwa in der Verarmung des einen Hauses gelegen haben. Es war ein Rührstück; auf der Buhne selbst muss die hingebende Liebe und Treue der beiden Brüder beredten Ausdruck gefunden haben, und eben darum mag der Dichter nicht schon sagen, warum auch der schon Befreite fem geblieben ist; er will spannen und wird auf die so natürliche Frage am Schluss des Prologs kaum eine andere Antwort gehabt haben, als ,ihr werdet's hören, sie selbst werden es euch sagend*) Nur weil die Brüder so spät erst auftreten, bat er die Situation der beiden Familien kurz angedeutet. Hit dieser Antwort ist der Prolog zu Ende. Das Stück kann beginnen.

Der Gewinn für die Geschichte der Komödie scheint mir daher etwas grösser. Nicht nur dass für die Echtheit einer Anzahl plau- tinischer Prologe ein sicheres Zeugniss gewonnen ist, das Leos glänzende Ausführungen in diesem Punkte trefflich bestätigt: wir lernen jetzt, dass in der neuen Komödie die weitschweifigen Götter- prologe das Aelteste und Ursprünglichste oder wenigstens in einer frühen Zeit das allgemein Uebliche sind. Sie herrschen derart, dass selbst unser Dichter, der diesen Prolog eigentlich für über- flüssig erklärt, sich selbst noch hinter der Maske eines Gottes ver- stekt und ihm die Auseinandersetzung mit seinen Rivalen und die Rechtfertigung der neuen Technik überträgt Es ist ein einziger kurzer Schritt, der von hier bis zum Auftreten des Dichters, bezw. des Protagonisten an seiner Stelle führt, ebenso wie es weiter ein kurzer Schritt ist, der auch den Rest des Arguments in die ersten Scenen des eigentlichen Dramas verlegt Nicht neben einander, sondern nach einander sind jene verschiedenen Formen des Prologs zu stellen, welche Leo in den Plautin. Forschungen S. 176 0*. ana-

1) Er darf ja keine aixia nennen und nur am Schluss, im Uebergang mit den Zuschauern plaudern. Vgl. Terenz Adelph. 23 Menés qui primi ventent ei partem aperient in agendo partem attendent^ Plautus FiduL 10 credo argumentum velle vos pemoseere, int(elle)getis potius quid agant quando agant. Das Vermeiden des Monologes in der Exposition bei Te- renz hängt offenbar mit dieser dramatischen Theorie eng zusammen.

626 R. REITZENSTEIN, STKASSB. PAPYRUSSAHMLUNG

lysirt«*) Die Prologe des Tereoz erweisen sich dud ali echt griechisch; sie führen uns in das Ende der Bewegung, deren Anfang unser Prolog bietet.

Gern würden wir ihn daher näher datiren; nur ein Aobalt bietet sich: er ist älter als das Original der Vidularia, also wohl die Sxedia des Diphilos. Da der Fund eines einzigen weitereo Blattes eine Entscheidung bringen kann, erwähne sich sum Scblu«, dass unser Fragment durch Vermittlung des Viceconsuls Dr. C Reinhardt von dem Antiquitätenhändler Ali in Gizeh bei Kairo erworben ist, und dass die Hauptmasse seiner Papyrussammlaog unmittelbar danach in englischen oder amerikanischen PrivatbesiU übergegangen sein soll.

Strassburg i. Eis. R. REITZENSTEIN.

1) Für deo lateioiscben Beaii»eiter standen sie freilich neben eioaoder. Bei Naevius finden wir den Rest eines , empfehlenden Prologes* io Fr. 1 AeorUi%omtnoM fabula est prime proba. Aber anch die Tradition» dtss er im Hariolns and Leon den von ihm beleidigten Vornehmen Genngthonog g^ geben habe, ist an sich eben so wenig in bestreiten» wie, dass die bekannten nur von einigen Forschern dem Plantos xugeschriebenen Stflci^e Andeotangea über das Leben ihres Verfassers machten. Ein rein iitterarischer Prolog ist in Rom erst in* einer späteren Generation möglich, ein rein persönlicher tod Anfang an.

DER CULT DER WINDE.

Nach der Erzählung der Odyssee hat Aiolo.s, des Hippotes Sohn, lieb den uDsterblichen Göttern, von Zeus die Macht be- kommen, die Winde zu erregen und zu beschwichtigen (x 21 f.). Doch wird er uns kaum anders denn als ein mächtiger Sterblicher geschilderL Wie Alkinoos bewirthet er Odysseus eine Zeitlang, lässt sich von ihm über den troischen Krieg und die Schicksale der Achaier berichten, und die Gefährten des Helden glauben, er habe ihrem Herrn Gold und Silber als Gastgeschenk mitgegeben (x 43 ff.). Den Zurückkehrenden aber weist er zornig ab, denn er sei offenbar den Göttern verhasst (72 ff.). Auch hat er nicht etwa allein die Herrschaft über die Winde. Athene erregt und beruhigt sie gleich ihm (€ 382, ß 420); Apollon {A 479), ja. auch Kalypso und Kirke senden günstigen Fahrwind (e 268, l 6), Here (0 26) und Po- seidon (€ 293) verderblichen Sturm. Aber W 194 ff. betet Achil- leus zu den beiden Winden Boreas und Zephyros, spendet aus goldenem Becher Wein und verspricht ihnen herrliche Opfer. Doch auch sie werden von den a^dyarpi unterschieden (207), und da sie im fernen Thrakien wohnen, bedarf es der Vermittlung der Iris, damit sie von Achills Begehren erfahren. Wer aber eine Fahrt über das Heer antritt, opfert dem Poseidon {y 178) oder rolat Ceolat (/ 159, £ 306). Von einem Cult der Winde oder eines einzelnen Windgottes kann demnach in homerischer Zeit nicht die Rede sein , denn mit diesem Namen dürfen wir nur eine regel- mässige oder doch eine bei gleichem Anlass immer wiederkehrende Ehrung der Gottheit durch Opferspenden bezeichnen.

Auch nach Homer weiss die Sage nur von Beispielen, wo Seefahrer die feindliche Gewalt der Winde nilfia fiéya -dyri- %olai diaaxidvSai t$ vrjaç vavtaç jb q>&elQovai (Hes. theog. 873) durch das grausamste, aber wirksamste Opfer, das Menschenopfer, zu versöhnen suchen, nicht aber von solchen, wo man durch heitere Speiseopfer ihre Gunst gewinnt, wie die an-

628 P. STENGEL

derer Götter. Henelaos opfert, durch widrige Winde in Aegypten zurückgehalten, zwei Kinder (Herod. II 119), Iphigeneia heisst bei Aischylos Ttavadvef^oç &vala {Ag. 214) und èn(pdoç QQjjtiùiif arjfÄatwv {Ag. 1418), und Vergils (Am. II 118) iongume quaetmä redüus animaque litandum stammt wohl auch aus alter epischer Quelle. Schwerlich ist der Aberglaube unum pro muUü dabüur caput (Verg. Aen. V 815) jemals ganz Überwunden worden, ge- wöhnlich aber begnügte man sich doch bald mit einem stellver- tretenden Opfer. Dem Typhon ziemend heisst das Jungfiraueii- opfer, das vor der Schlacht bei Leuktra von Pelopidas gefordert wird (PluU Pdop. 21), aber Aristoph. ran. 847 hören wir von eioeoi schwarzen Lamm als Opfergabe für Typhos, und Herod. VII 191 und Xen. anab. IV 5, 4 genügen die auch sonst üblichen aq>éyttt. Aber das alles sind durch die Umstände veranlasste Sühnopfer, in der Noth und Angst gebracht, zum Theil in fremdem Land: eioeo Cult kann nur die Polis stiften, und er wird dann in der Regel aufhören rein apotropäischer Natur zu sein, wie die hisher e^ wähnten Fälle sie zeigten.

Wann soche Culte der Windgottheiten in Griechenland Eingang fanden, ist uns bezeugt. E^ geschah erst nach den grossen See schlachten im Kriege mit Xerxes. Als die Hederheere heranziebeo, befragen die Delphier ihr Orakel und erhalten den Bescheid avi- fjLOLOL €vx€a&ai, fjiByàXovç yàg rovrovç ïaea&OL jfj ^ElXdèi avfjtfiaxovç. (Aerà de zavxa ol ^elq>oï rolai avéfioiai ßtuiiw T€ àrcéôe^av Iv Qvitj .... xat ^valrjai fÂBti^ïaav. 'Jehpot (àIv âfj naTÙ TO XQV^'^Ç^^^ ^* J^^' ^^^ roiç àvé^ovç Uc- a^ovrac (Herod. VII 178. Cf. Clem. Al. Strom. 753 Pott JtlqiOi ßiüfAov xat &vaiav noirjoavreç toîç avifioiç). Und als ein StufiD einen Theil der feindlichen Flotte vernichtet, ol ^A&rjpaioi içiv . . . Boçéù) lôçvaavTO naçà nora^ov ^Iliaaov (Herod. VII 189). * Die Thatsache, dass dort ein Altar des Boreas stand, überliefert auch Platon {Phaidr. 229), die Zeit der Gründung Pausanias (VIU 27, 9, cf. 1 19, 6); endlich bezeugt Aelian {nat. an. VII 27) 6 toi Neoxléovç 'A^i]vaiov<; àôiôaaxe ^vblv %olç nvevfiaaiv (cf. var, hist. XII 61). Aus demselben Grunde ein Sturm hatte die FloUe des DioDysios zerstört ol Qovçcoi Ttp Boçqç ï&vuov . . . y.ai oïy.iav avxip xa/ x'/.r]cov aTtexlfjcußoav xal xa^*' Mxaatof ïroç iJTtrélovv avT(p (Ael. var. hist. XII 61). Ehenso weibleo die Megalopolilen, die ihre Rettung vor dem Heere des Agis dem

DER CULT DER WINDE 629

Boreas zu verdaDkeo meioteo, ihm ein Téf^evoç, xal &valaç ^v- ?vaiv àvà näv IVoç nai &bwv ovâevoç Bogéav vateçov ayov- Jiv tifA^v (Paus. Vin 36, 4, cf. VIII 27, 4). Id Athen gab es luch einen Altar des Zephyros (Paus. I 37, 1)« in Koroneia auf dem Harkte einen ßtoftog rcJy avefAwv, und die orphischen Hymnen [80) bringen auch-eine Anrufung des Boreas und die Anweisung: 9vfÀiafAa Ußavov. Hier haben wir also überall einen wirklichen Cult der Winde und zwar ganz in der Art, wie ihn die olympischen Sütter geniessen : ein Ugov, ßwfAol, avalai, ein rißevog^) Auch über die Art der Verehrung erfahren wir einiges. Wenn es heisst, dass die Thurier (Ael. var. hist. XII 61) und die Megalopoliten (Paus. VIII 36, 4) den Winden jährlich opferten, so kann dies nur am Jahrestag ihrer Errettung von den Feinden geschehen sein, wie die Athener am 6. Boedromion der Artemis Agrotera das grosse Ziegenopfer zum Gedachtniss des marathonischen Sieges darbrachten. Es sind also Dankopfer, von denen die Festtbeil nehmer geniessen. Id Athen wurde nach einer inschriftlich erhaltenen Opferanweisung aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. (CIA. Ill 77) am 19. Poseideon^ deo Winden ein nonavov und ein i^i^ç^cfÀcoy dargebracht, wie an einem früheren Tage desselben Monates dem Poseidon xotfialC^rikog. Gleiche Opfer erhalten in anderen Monaten die ^«a/, also Demeter und Köre, und Zeus Georgos. Aus der Jahreszeit aber lässt sich scbliessen, dass die Winde dies Opfer nicht desshalb empfingen, weil auch sie für das Gedeihen der Peldfrüchte wichtig waren, sondern weil man die Wuth der Winterstürme fürchtete (vgl. Preller- Robert Griech. Myth. I 474, 2). Kuchenopfer scheint auch Matron bei Athen. IV134E zu bezeugen: x6t(üv KalBogérjç rJQdaaaro neaao- fâevàwv^ s. Kaibel z. d. St. Ob von diesen Kuchen gegessen wurde, wissen wir nicht, möglich ist es wohl, denn eine Nachricht, die uns Hesychios erhalten hat, berichtet von Festen und Opferschmaus, die aus denselben Gründen veranstaltet wurden: BogeaafAol' ^A&tj- vjjaiv ol ayovxBç tip Boçér] éoçràç xal &oivav, iva avcTOi nvéfûocv. iTtakovvTo de B. Was diese Opfer wesentlich von Sühn- opfern, die natürlich ayevatoi sind, unterscheidet, ist, dass sie regelmässig zu bestimmter Zeil gebracht werden, nicht erst, wenn

1) Das i>la<rx«<r^ai Herod. Vil 179 widerspricht dem nicht, dvoirjfft ^thi kurz vorher; das aber bedeutet Speiseopfer, Festschmaus (Herod. VIU 99, Schot. Aisch. Prom, 530). IXâffMaa&cu heisst auch sonst bisweilen einfach: gnädig «timmen (Od. y 419, Herod. 1 67).

Hermes XXXY . 4 1

630 P. STENGEL

man den bereits eiogetretenen Sturm beschwichtigen will. Ueber- baupt nicht zum Zweck der Beschwörung, also auch regelmässig, opfern die Arkader aatçanalç xal ^éHaiç xal ßcortalg in Bathos, wo einer Localsage nach die Gigantomachie stattgefunden hatte (Paus. VIII 29, 2). Dagegen muss unentschieden bleiben, ob das Eselopfer der Tarentiner, von dem wir aus Hesychios erfahren, ein gelegentliches war oder zu bestimmter Zeit stattfand: Hes. u. ttvefiwrag* ovog aq>€TOç U^oç %oîg àvépLOiç ^opiBvog iv Ta- Q€if%ivotg. Die Wahl des Thieres spricht jedenfalls gegen ein Speiseopfer.

Aber auch auf das Klima und den Ackerbau hatten die Winde den grOssten Einfluss

%Q'y^ içarà q>&elçovai xafAaiyBviwv avd^gwnwv, nifAfrlevaai novtog re xaï açyaXéov hoXogvqtov (Hes. theog. 879 f.) und da hier nicht wie bei der Schiffahrt wenige, sondern die ganze Stadt oder Landschaft betroffen wurden, lässt sich von vornherein annehmen, dass schon in viel früher«* Zeit und mit grösserem Eifer die Kunst der Beschwörungen ge- pflegt oder Opferdienste ausgebildet waren, um schädliche Winde zu bannen, gedeihliche herbeizurufen. Das wird uns denn auch vielfach bezeugt (vgl. Welcker Kl. Sehr. Ill 57 ff., Preller- Robert Griech. Myth. 1 456 ff.). Empedokles erhielt den Beinamen xiolva- avéfAag<t weil er es verstanden hatte, Akragas vor einem verderb- lichen Wind zu schützen, und er verhiess auch seinen Schülern Macht Ober die Winde (Clem. Alex. 5/rom. VI 745 Pott., Diog. Laert. VIII 59 f. Stui*z Emped. 5, 399), von Pythagoras, Epimenides u. a. wird ähnliches berichtet (Porph. vit. Pyth. 29. lamblicb v. P. 135 f. Plut. quaest. symp.Wil 8, 1), und im Korinthischen kennt mao Mrjôelaç inqtdag^ die die Kraft haben. Winde zu beschwich- tigen (Paus. II 12, 1). Ja es gab Geschlechter oder Cultgenossen- Schäften, die berufsmässig die Kunst des Windzaubers übten. So in Korinth das yivog der lAvB^oxoitai (Suid. u. Hesych. u. d. W. Eustath. 1645, 41), und eine ähnliche Bedeutung scheinen in Athen die Evddveinoi gehabt zu haben (Hesych. u. d. W., Dion. Hal. de Din. 11 p. 315, 1 Us. Raderm., Arr. anah. HI 16, 8. TOpffer AtU Geneal. 110 ff.).

Doch wir wollten hier von dem Cultus handeln. Dass er sehr eigenthümliche und überall verschiedene Formen zeigt, wird nie- manden wunder nehmen ; wo der Aberglaube und das Zauberwesen

DER CULT DER WINDE 631

so faineiDspielt wie hier, ist das gar nicht anders möglich ; dennoch aber lehnten sich die seltsamsten Brauche an ein schon bestehendes Ritual an und zeigen im Wesentlichen ein Gemeinsames. Isokrates V 117 sagt: ogoi . . . xat twv &€Wv tovg (ihv %(ov ayad^uir a\%lovç fiiAîv owtaç 'OXvi^nlovç Ttçoaayoçevofdévovç , roifç d* èrtl Talc avfAq>ogaîç xal ràîç JêfiWQlaiç jevayfÂévovç ôvoxb-- çearéçaç %àç ifcuvv^laç l^oyToc, xal %wv fjihv xal zovç Mi- iÔTaç xai jàç noleiç xal ysioç xal ßwfxovc lô^vfAivovç, ravç d' ovt' èv raîç evxoïç ovt* iv taîç &valaiç Ti^ta^évovg, aiU* âfconofÀTtàç airuiv ^fiâç noiovfiivovç. Man pflegt kurz das eine als den Cult der Himmlischen, das zweite als den chtbonischen zu bezeichnen. Das ist in der Hauptsache gewiss richtig, nur lässt sieb bei den einzelnen Gottheiten eine Scheidung nicht immer reinlich durchführen. Zeus rswcyog erhält andere Opfer als der himmlische, Demeter X&ovla, Artemis *AyQO%iQa^ Apollon Ka- &àçaioç andere, wenn man sie mit der Unterwelt in Beziehung setzt oder ihnen sühnbedOrftig naht, als an den heiteren Festen, wo unter FlOtenschall geschmückte Rinder an ihre Altäre geführt werden. Solch' eine Doppelnatur haben aber ganz Torzugsweise die Winde.*) Wir fanden von dankbaren Bürgern Altäre gestiftet und an festlichen Tagen frohe Opfer dargebracht, wir fanden das àrvonofiTtàç avtaiv noula&at durch Beschwörungen und Zauber- sprüche versucht, wir finden auch chthonisch-apotropäischen Cultus. Sqv^ , açva fiekava naldeg i^eviyxate, Tvq)wç yàç exßaivßiv naçaaxevà^BTai heisst es bei Aristophanes'); Laeedaemonii in monte Taygeto equum ventis mmolant ibidemque adoknt, ut eorum flatu cinis eins per fines quam latissime difftratur, berichtet eine Ueberlieferung bei Festus p. 181. Dass man sich von der Asche eine wunderbare Befruchtung der Felder versprochen habe, ist nicht anzunehmen, man wird gehofl't haben, schädliche Einflüsse der Winde dadurch fernzuhalten, ähnlich wie abergläubische Leute in Athen Segen für ihre Aecker davon erwarteten, dass sie die verwesten Reste der Ferkel, die man am Thesmophorieofeste dem Eubuleus in die /u^- yaQa gestürzt hatte, in die Saat mischten. Auch das kann nur

1) Vgl. z. B. Verg. Aen. Ill 120 nigram Hiemi pecudem, Zephyris feti- eibus atbam.

2) Ran. 847. Vgl. Verg. Àen. V 772 Tempestatibus agnam eaedere, entsprechend dem griechischen atpayw^c^ai (s. diese Zlschr. XXV 324).

41*

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apotropSlisehe Bedeutung gehabt habeu. Lehrreich ist die Schîi deruDg eines in Hethana bei Korioth geübten Brauches, durch dei«» man die WeinstOcke vor den verheerenden Wirkungen des Lip^ genannten Windes zu schtltzen hofifte. Man reisst einen weiss ge«> flOgellen Hahn in zwei Stücke, und zwei Manner laufen, jeder eine Hälfte tragend, in entgegengesetzter Richtung um die Wein- Pflanzungen herum; am Ausgangspunkt zusammengetroffen ver- graben sie die Stücke (Paus. II 31, 3). Auch dies Verfahren hat Analogien. Ich erinnere nur an den Widder, den in Tanagra ali- jährlich ein schöner Jüngling rings um die Stadt herumtrageo musste, um sie vor Seuchen zu schützen (Paus. IX 22, 2), und an den Ausdruck neçiatlaçxog , den uns die Lexikographen u. xa- &açfÀa und xa^dgacov erklären (Istros bei Phot. neçiéQXovrai Xoiçoq>oçovvT€ç). Umständlicher noch sind die Ceremonien in Ti- tane bei Sikyon: ßw^oc iaziv avéfitDV, iq>* ov roîç dvéftoiç o leçevç fii§ vvxtI dvà näv €toç &v€i. ôç^ ôè xaî Skia ànoç- Qr^xa èç ßo^govc Téaaaçaç ^/€QovfAevoç twv nveviiâtwv %o ayçcov, xaï â^ xal Mrjôelaç kiyovaiv èntpôàç inçâei (Paus. II 12, 1). Die Handlung setzt sich aus drei Theilen zu- sammen, oder wenigstens es werden uns dreierlei Umstände be- richtet: das Opfer am Allar, die geheimnissvoUen Begehungen an den ßo&QOiy das Absingen oder Hersagen von Beschwörungsformeln. Alles dient einem Zweck und kann von einander ebensowenig ge- schieden werden wie die ôçtifteva und Xeyôfi$va bei der Feier der Mysterien. Es kommt darauf an, was wir uns unter dem dgct ànoççrjza vorzustellen haben. Irgend eine alberne Absonderlich- keit kann es nicht gewesen sein, der Ausdruck ist feierlich, im Mysteriendienst und anderen geheimen Cullen (vgl. z. B. Paus. VIII 38, 5) üblich, und man weiss, mit wie ernster Scheu Pausanias von solchen Culten spricht. 1st nun aber die Absicht der ganzen heiligen Handlung fjfiecova&ai tüv nvevftarcav to aygiov^ so stehen diese Worte doch neben dem ànoççrjTa dç^, und wie es klar ist, dass das irtcpôèç intfôeiv die Haupthandlung nur begleitet und ihre Wirkung unterstützen soll, so ist auch nicht zu bezweifeln, dass das Opfer auf dem Altar nur der Anfang, nur Mittel zum Zweck ist. Schon die nächtliche Stunde beweist, dass man sich die Gottheiten, denen es dargebracht wird, in der Nacht, also der Unterwelt wohnend denkt. Auch der Ausdruck fjfiBQOva&ai, das offenbar um des Gegensatzes zu ayçiov willen statt des üblichen

DER CULT DER WINDE 633

iläaxead^ai gewählt ist, lässt Ober ihren Charakter keinen Zweifel. Eine Versöhnung aher oder Beschworung solcher Wesen fordert Blut Nicht der Leib des Thieres ist die Opfergabe,*) die der Dampf zu heiteren Höhen trägt, sondern das Blut, das in die Erde hinab- rieselt. Könnte daran noch ein Zweifel sein, so würde ihn die Erwähnung der Gruben, .die hier den vier Hauptwinden zugeeignet sein werden, heben. Wir finden solche ßod-cot sonst nur im Toten- oder Heroencult (Od. X 36, Luk. Nekyiom. 9, Paus. IX 39, 4), in sie wird das Blut gegossen, eine andere Bestimmung haben sie nie. So kann also auch hier das Opfer am Altar nur dem Zweck ge- dient haben, das Blut zu gewinnen, das die Geister der Tiefe lechzend schlürfen.^ Ich schliesse hier eine Stelle an, wo es sich nicht eigentlich um die Winde, sondern um Abwendung Ton Hagel- schaden handelt, weil sie doch auch Licht auf die hier behandelten Bräuche wirft. In Kleonai in Argolis gab es staatlich angestellte xaXa^oipvXaxeg. Von ihnen erzählt Seneca quaest. tuU. IV 6 : At cum Signum dédissent adesse tarn grandinem . . pro se quisque alius agnum immolabat alius pullum*) ... st quis neque agnum neque puUum habebat . . . digitum suum . graphio pungebat et hoc sanguine litabat.

Uebersehen wir die Merkmale all dieser Opferhandlungen.

Es sind sämmtlich Blutopfer und zwar Holokausta, oder das Thier wird vergraben. Ausser Tbieren, die zu Speiseopfern nicht zu gebrauchen sind, wie Pferd und Esel, finden wir Lämmer 0 und Hähne, wie sie im Kult für die X&ovioi üblich sind (vgl. Rohde Psyche I 242, Deubner de incubatione p. 47); die Farbe ist schwarz oder weiss, wie es sich für SUhnopfer ziemt (vgl. meine Griech.

1) Der wird vcrbraoDt oder sonstwie vernichtet, II. 7 266 f. z. B. ins Meer geworfen.

2) Es ist dies Opfer also nicht zu vergleichen mit Gülten, wie wir sie z. B. Herod. VII 191, Ärr. anab. VI 19 cf. Ind. 20, Fans. II 10, 1, Herod. II 44, Philostr. Her, XIX 741 finden; da liegen die Falle alle wesentlich anders: entweder werden die gleichzeitigen Opfer verschiedenen Gottheiten gebracht, oder die Gottheit ist gleichsam in ein Doppelwesen gespalten, das ganz ver- schiedene Seiten zeigt. Hier trifft keines vom beidem za.

3) Weicker Kl. Sehr. Ill 58 versteht ,Fûllen'. Ich denke puUus wird ,Hahn< bedeuten. Seneca sagt spottend ,ein Hûhochen*. Die xa^aSo9pi.7axtfi in Kleönai erwähnt auch Giern. Alex. 754 Polt.

4) S. auch Hör. Epod. X 23 f. caper et agna, wo es sich allerdings um ein Dankopfer handelt.

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Cullusaltl.' 134), als Opferzeit wird eiamal die Nacht genaDot Erklären sich diese EigeDtliümlichkeiteD sur GeDQge daraus, am die Winde das Gedeihen der FeldfrQchte fördern oder scbUdigen können, ist das der einzige oder auch nur ein ausreichender Gruod für den ganz chthonischen Cult? Es ist nur eine Ausflucht, woUle man sagen: der apotropäische Cult hat einmal die Formen des chthonischen angenommen; dergleichen geschieht nie ohne Grund. Die Unterwelt sandte den gefürchteten Spuk heraur, den der Zauba wieder bannen sollte, aus der Unterwelt rief der Beschwöreade <lie Geister, und ihren Gewalten weihte man bei VerwünscbuDgen den Feind, den man verderben wollte. Sind nun das schwarze Lamm, die nächtlichen BlutgOsse in die ßod'coi, der Hahn, des man vergräbt, Opfergaben, durch die man unheimliche Dämooeo besänftigen oder fernhalten will,*) so müssen die Wesen, denen sie gelten , unter der Erde wohnend gedacht sein die Winde aber hausen doch oben im Luftraum.

Ich habe früher (in dies. Zuchr. XVI 346 ff.) die EigentbQai- lichkeiten des Cultes durch orientalische, speciell phönikische Ein* (lusse erklären wollen, bin aber von dieser Ansicht längst zurück- gekommen. Abgesehen von anderen Unwahrscheinlichkeiten, be gegnen gerade die auffallenden Gebräuche nicht bei Seefahrern, sondern im Innern des Landes. Man muss zwischen den Winden unterscheiden. Schon in der hesiodischen Théogonie (869) sind Notos, Boreas, Zephyros Ix &£Ôq>cv yeverjy die anderen, schlimmen Winde aber Ix Tvq)U}éoç, und noch früher unterscheidet Homer die avBfiOi und die ^velkai (vgl. diese Ztschr. XXVI 157 fr.), fflr aie er auch "AçTwiai setzt (Od. v 63. 66. 77). Ueber das Wesen der Ilarpyien hat namentlich Rohde Psyche I 71fr. und noch ein- gehender Rhein. Mus. 50, 1 IT. gehandelt , und ich muss* hier auf seine überzeugenden Ausführungen verweisen. ,Wie leicht der Uebergang im Winde fahrender Seelen in Windgeister sich voll- ziehen kounteS wie wir in den attischen Trilopatores wirklich noch fZugleich Seelen der Vorfahren und Windgeister^ haben, wie ilekate mil ihrem Geisterheer, des Hades schnellen Hunden (Apoll. Rhod. IV 1666), durch die Lüfte jagt (Psyche II 83, 409), das alles möge man hei ihm nachlesen. Rolide schliesst: ^Keren einer be- sonderen Art, grimmige uud unheilvolle Keren möchten auch die

VS'as niemand bezweifeln wird. Vgl. Rohde Psyche II 79, 1.

DER CULT DER WINDE 635

Harpyien ursprQDglich zu bedeuten habeo. Sie sind bei Homer zu eigeneo Dämooen geworden, nicht anders als die Keren auch, deren Seelennatur sich, deutlicher als die der Harpyien, in einzelnen, uns zufällig erhaltenen Spuren im Cultus und Sprachgebrauch ver- räth* (Rhein. Mus. 50, 5). In derselben Abhandlung (s. namentlich S. 3) aber zeigt Rohde, wie man sich als den Aufenthaltsort der Harpyien die Unterwelt dachte. Sie verlassen sie also nur, wie der zürnende Heros sein Grab verlässt, um bald dahin zurück- zukehren, die wilde Jagd fährt brausend, schreiend durch die ver- düsterte Luft, um andere Seelen zu erhaschen und in die Unter- welt zu entraffen. Hundegebell zerreisst das Ohr,') und der ge- angstigte Sterbliche athmet auf, wenn die Luft wieder ruhig und klar ist. Sind aber die '9'Vêllai und Ztignviai identisch, und wohnen die "Agnvuti in der Unterwelt wie beides ja nicht zu bezweifeln ist so ist auch der Cult der Winde erklärt, und in ihm wiederum «Spuren der SeelennaUir der Harpyien erhalten*. Auch hier ermöglicht uns also wieder der Cultus alte Vorstellungen zu erkennen, die den Menschen, die ihn übten, nicht mehr be- wusst und lebendig waren.

Berlin. PAUL STENGEL.

1 ) Rohde Psyche U 83 f. kommt im Zosammenhaog dieser Dinge auf die sog. Heroenreliefs zu sprechen (vgl. I 242), wo die Bedeutung des Pferdes and Hundes noch immer nicht sicher erklärt ist. Ein Symbol für die eigene Person des Heros können diese Thiere schwerlich sein, der Heros erscheint, wenn überhaupt in anderer Gestalt, als Schlange. Was können sie aber sonst fflr einen Sinn haben? Bin Pferd braucht man, um zu reiten. Doch auf der Erde erscheint der Heros zu Foss, auch im Kampf gegen die Feinde seines Landes (Beispiele Psyche I 195 f.). Aber durch die Luft könnte ihn das Geister- ross tragen. Psychen und Winde sind geflögeU. So stellt die Kunst sie dar, so schildern sie die Dichter, so hat man sie sich also vorgestellt. Die Heroen haben keine Flügel, wollen auch sie sich durch die Luft bewegen, können sie es nur, wenn die Winde sie tragen. Das aber kann ,nach mythologischer Vorstel lungs weise* nicht wohl anders heissen als: Rosse. Die Winde nehmen oft RossgestaU an, und unter dem leichten Fuss der Füllen, die Boreas mit den Stuten des Erichtbonios gezeugt hat, wogen die Getreidefelder, ohne dass die Halme geknickt werden, und die Wellenkämme des Meeres. Daraus folgt noch nicht, dass man sich den Heros im Gefolge Hekates denken muss, wie- wohl auch dies nicht unerhört wäre (S. Dilthey Rhein. Mus. XXV 333); der Hund gehört jedenfalls zu ihr, wie sie ja selbst hundeköpfig oder auch als Hündin vorgestellt wird. Ob er so auch als Begleiter des gespenstisch durch die Luft reitenden Heros gedacht wird?

WEITERES ZU ARISTOTELES A0HNAIÛN nOAITEIA X.

(Vgl. dies. Ztschr. XXVII 530—60).

1. ZumText. inolrjoe oh xa} ara^iÂà nçoç to vofiiafia T[Q]eîç xaî é^xovta fÀvâç to Takavtov ayovaaç xai Iniài- eveimj&tjaav [al T]Qelç fival OTarf^Qi xal toîç SXloiç ata&fioîç. Die wichtige LesuDg [al T]Qeîç fivaîj an deren Fest- stelluDg ich mitgewirkt habe,') hat folgende GmodlageD. ßlasg^ erkaDDte als Erster Spuren zwischeD imdievefiij&tiaav [aï] uod fÄval, und ergänzte [al y]' ^^^^t. Bei eigener Untersuchung der Stelle im Original (Januar 1894) fand ich, dass Blass* Ergänzung für den vorhandenen Raum nicht ausreichte und bemerkte Spuren mehrerer Buchstaben, die ich möglichst genau copirte. Diels, dem

^<wtwJ^j:^:»ji^

ich die Copie in Berlin vorlegte, theilte mir mit, dass er eben diese Spuren bei seiner vorgängigen Collation gleichfalls gesehen und den Eindruck gehabt habe, dass sie Reste von Tçeîç seien. In der That war dies (s. sogleich unter 2), wenn Blass' Vorschlag verlassen werden musste, dem Inhalte nach die einzig denkbare Lesung. Hr. Kenyon, der bereits in London meinen Befund als richtig anerkannt hatte, hatte dann die Gote, bald darauf im An- schluss an meine Copie das folgende möglichst genaue Facsimile auf meine Bitte herstellen zu lassen und gleichzeitig die Ergänzung der Spuren zum »vollständigen Worte seinerseits hinzuzufügen.*)

-»cyNiJT^^'Chl^

1) S. Blass in der zweiten und dritten Auflage zu der Stelle.

2) Fleckeisens Jahrbücher 145/146 1892, S. 572.

3) Die Lesung ist desshalb besonders schwierig, weil die Zeile auf dem Papyrus in der Längsrichtung zerrissen ist.

WEITERES ZU ARISTOTELES A0HN. nOAIT. 637

IVilcken, dessen Collation ebenfalls tgelç als zweifellos ergab,') lat das ihm Yon mir nebst Kenyons Ergänzungen Qbersandte Fac- simile am Original nachgeprOft und mir bestflligt, dass alles aufs Beste stimmt.

2. Das Gewichtstalent zu 63 solonischen Minen. Was dergestalt palaograpbisch sicher gestellt ist, musste gefolgert werden, sobald Oberhaupt nur die Möglichkeit vorlag, zwischen [al] und fxval irgend etwas zu ergänzen. Ich habe daher, un- mittelbar, nachdem diese Ergänzungsmöglichkeit durch Blass festgestellt war, seiner Ergänzung, ihrem Sinne nach, beigepflichtet und darauf hingewiesen,*) dass dadurch nicht nur das von mir (in dies. Z)schr. XXVII 531) fälschlich angefochtene rçelç xal ^|i}- xovta seine Sicherung erhielte,') sondern auch für die vergleichende Metrologie ein sehr wichtiges Ergebniss gewonnen werde. ,Dass das Bestehen einer erhöhten Norm neben der gemeinen Norm, wie in Babylonien und sonst im vorderen Orient, so auch in den ab- geleiteten Systemen des Alterthumes überall in Betracht zu ziehen sei, halte ich längst lediglich aus dem Befund der antiken Münzen und Gewichte geschlossen. Als ursprünglichen und häuugeren Betrag dieser Erhöhung hatte ich ^24 des betreffenden Gewichtes gemeiner Norm ermittelt, aber bereits als wahrscheinlich hingestellt, dass daneben auch eine Form hergegangen sei, in welcher diese Erhöhung 1/20 (5^/o) betrug/^) Dieser Schluss erhält durch Ari- stoteles* Zeugniss eine schlagende Bestätigung.")

1) Wilcken brieflich. Kaibel und ^'ilamowitz im Text der dritten Auflage. Blass > zu der Stelle.

2) VerhandlungeD der Berliner anthropologischen Gesellschaft [YBAG]. Sitzung vom 17. December 1892 S. 582. Dies ist vcfn Hill NvmUmaHc Chro- nicle XVII (1897) p. 397, der selbständig das Richtige gefunden hat, über- sehen worden.

3) Schon damit erledigen sich also Pernices Einwendungen, («Griechische Gewichte* 1894 S. 29) gegen das ^ganz neue System*, das ich auf Grund dieser Stelle ,fOr Athen* halte ,er8chUe8sen* wollen.

4) VBAG 1889 S. 274 ff.: diese Ztschr. XXVIl S. 546 f. A. 1; S. 531 A. 1, vgl. S. 558 A. 3.

5) Der Gedanke , dass sich das t^U xai éSiJHOPra fivuQ xo raXarrav ayavaas in dieser Weise erkläre, war mir bereits bei meinen ersten in dies. Ztschr. XXVII veröffentlichten Untersuchungen über das Gapitel aufgestiegen. Aber eben weil einerseits eine derartige Bestätigung meiner Ermittlungen nur doch gar zu willkommen erscheinen musste, andererseits von der Möglichkeit einer weiteren Ergänzung zwischen [ai] und /ivai nichts verlautete, liess ich

638 C. F. LEHMANN

Damit ist freilich die EiofOhruDg dieses erhöhten Talentes durch SoloD fOr Athen noch nicht erklflrL Solon war Kaufmann/) und als solchem waren ihm die Grössen und die ZahlenTerhältnisse des denWelthandel beherrschenden babylonischen Systèmes') geläufig.

deo GedaokeD fallen und gelangte so zu der irrigen Atbetese resp. UmsteUaDg des T^als xcU (in dies. Ztschr. XXVII S. 531) statt, wie es gerade mir ob- gelegen bitte, scbon damals den wabren Sacbverbalt betreffs des Textes darch Anfrage bei Mr. Kenyon su erkunden. Da ich vielfach der Aascbaanng zn begegnen habe, als seien meine mir selbst sehr aberrascbenden Ermitüangen auf metrologischem Gebiet Ergebnisse zu weit gebender GombinatioDen^ so lege ich Werth darauf, zu betonen, wie ich hier durch übergrosse Vorsicht und Bedenklichkeit vom richtigen Wege abgelenkt worden bin.

1) Der an sich wohl nicht neue Gesichtspunkt, dass Solons Bedeutung und Persönlichkeit nur richtig gewürdigt werden kann, wenn man in ihm den Poli- tiker mit dem weitgereisten und weitblickenden Grosskaufmann vereinigt sieht, ▼erdient m. E. schärfer betont zn werden als üblich. Auf dem Wege des Handels wollte Selon Athen zur Grösse führen, indem er es von dem iginiischen Einfluss loslöste. Seine Gesetze waren daher, das möchte ich als Zweites hervorgehoben haben, auf das von ihm angebahnte und erhofile Wachsthum des athenischen Staatswesens zugeschnitten. Anerkennung und Deutung eines als solooisch angesprochenen Gesetzes dürfen nicht von der Frage abhingig gemacht werden, ob das Gesetz zur Anwendung gekommen ist oder nicht: die Dinge haben sich im letzteren Falle eben anders entwickelt, als der Gesetzgeber voraussah. In einer gesonderten Untersuchung ,das Mindesteinkommen der Zeogiten und die solonischen Timemata* denke ich vorstehende beide Gesichtspunkte zur Anwendung zu bringen. Sie zielt ab auf den Nachweis, dass das Mindest- einkommen der Zeugiten ursprünglich 150 Drachmen betragen hat, wie deut- lich aus dem bei Demosthenes nçoç Maxaçratov § 54 wiedergegebeoen Gesetz hervorgeht Letzleres soll offenbar besagen: für eine thetische Erb- tochter bat der zur Ausstattung Verpflichtete einmal das jährliche gesetzlich« Mindesteinkommen seiner Classe zu erlegen. Die bei Aristoteles (A&. icaÂ. c. VII) angegebenen 200 sind erst das Ergebniss einer späteren Aendemng. Böckbs auf die 150 gegründete Auffassung der solonischen Steuerdasseo und des Census glaube ich für die ursprüngliche solonische Classenordnang durch neue, unter den ersten der vorstehenden Gesichtspunkte entfallende Argumente stützen zu können. Die Erhebung der (ausserordentlichen) Steuer, mag, so wie sie Solou vor Augen hatte, niemals zur Anwendung gekommen sein, und war spätestens mit der Erhöhung des Mindesteinkommens der Zeagitenclasse antiquirt. Dass Solon alle Elemente des den Weltverkehr beherrschenden babylonischen Systèmes der Zeit- und Raummessung, denn mit einem solchen haben wir es zu thun, in sich aufgenommen hatte, zeigen übrigens auch seine Reformen auf dem Gebiete der Zeitrechnung; Plutarch Sol. 25.

2) Hultsch (Die Gewichte des Alterthumes nach ihrem Zasamaaenhange dargestellt Abh. Kgl. Sachs. Ges. d. Wiss. XVIII n. U 1S98) sacht aenerdings aus dem von mir geführten Nachweis, dass das ägyptische Loth (Kite) zu den

WEITERES ZU ARISTOTELES A0HN. nOAIT. 639

in Fleisch und Blut übergegaDgeo. Ao solche Verhältoisse lehnte er sich bei der EinfOhruDg des Zuschlages zum Marktgewicht an.*) Seinem Grund und Wesen nach aber sollte dieser Zuschlag, wie Allen voran Wilamowitz, unter Heranziehung auch der im Volks- beschluss CIA. II 496 vorgeschriebenen VergrOsserung des Hohl- maasses , betont hat, eine volksfreundliche Maassregel sein : ,der Athener bekam wirklich mehr als eine Metze Feigen oder ein Pfund Salz.* *) Von dem Solonischen Marktgewicht erhöhter Norm ist die

Einheiten des babylonischen Gewi chtssy sternes gemeiner Norm in glatten Ver- hältnissen steht, die Theorie ägyptischen Ursprunges der antiken Gewichte her- zuleiten, ohne zwingende Grunde und mit unhaltbaren Gonsequenzen. Hultsch, der in seinen Schriften stets bisher den babylonischen Ursprung vertreten hatte, lässt befremdlicher Weise diese Erkenntniss in dem Augenblicke fallen, wo sie durch die Auffindung der ,gemeinen* Norm des babylonischen Gewichtes, zu deren Einheiten die wichtigsten Einheiten des classlschen Alterthumes, so die solonische Mine (436,67 g), das römische Pfund (327,45 g) in diesen ihren, durch die classische Alterthumsforschung festgestellten und von mir nicht angetasteten Normal betragen in glatten Verhältnissen stehen, thatsächlich ihre stirliste Stütze erhälL Vgl. VBAG 1894 S. 189, ferner un- ten S. 644 sowie meine Recension von Hultsch' Schrift im Litterarischen Gentralblatt und im allgemeinen auch Hill Handbook of Greek and Roman Coins, Introduction, Das von mir ermittelte durchgehende Nebeneinander- bestehen von gemeiner und erhöhter königlicher Norm ist inzwischen Gemein- gut der Metrologie geworden. Auch Hultsch a. a. 0. stimmt darin mit mir über ein. Das besprochene Gewicht bildet die erhöhte Norm des solonischen Systèmes: von einem ganz neuen System zu sprechen (Pernice vgl. S. 637 A. 3) wäre irreführend.

1) »Jedenfalls ist nicht abzusehen, was Solon veranlassen konnte, diese für den Verkehr höchst verwirrende Anordnung zu treffen. Es hält nicht schwer, unter den vielen Gewichtstûcken solche zu finden, die genau so schwer sind, als es die erhöhte Norm veriangt. Aber lässt man sie bestehen, so ist die geniale handelspolitische Maassregel, die Solon mit der Eiufuhrung des euböischen Systèmes traf, und die natûriich ebenso für die Gewichte als für die Münzen gilt, zur Hälfte wieder aufgehoben'. So äusserte Pernice Grie- chische Gewichte S. 30 in Bekämt^fung meiner ersten Ausführungen (VBAG 1892 Anm.) über das Talent von 63 solonischen Minen. Wieder ein Beleg dafür, dass auf metrologischem Gebiet in nachdrücklicher Skepsis nicht immer das fördernde Princip zu erblicken ist. Die Gewichtsstücke, die der um V>o erhöhten Norm (leichte Mine 458,6 g, schwere 917 g) entsprechen (z. B. Pernice n. 8, 9; 248 01), werden als gesonderte Beibe auszuscheiden sein. Dass sich die um ^u erhöhte Norm (454,9 g), die sich im englischen A voir-dupoids- Pfund (453,49 g) fortsetzt, verschiedentlich in den dem euböisch- attischen System angehörigen Prägungen findet, habe ich schon mehrfach betont.

2) Aristoteles und Athen I 43.

640 C. F. LEHMANN

alle /avâ ifinoçixi^ des genannteo Volksbeschlusaes im Betrage von 600,2 g wob] zu UDterscheiden.^) Sie ist die eigentiiche Einheit des pheidooischen , auch iu Aegiua gültigen Gewichtssystemes.*) Sie selbst und die zugehörige erhöhte Norm kamen nicht föUig ausser Gebrauch, wie jener Volksbescbluss und erhaltene Gewichte zeigen.*) Ein Anstoss liegt darin nicht/) Es ist nur ein Fall der allgemeinen, auch uns heule noch nahe tretenden Erscheioung, dass bei einem Systemwechsel auf metrischem Gebiet das AltCt Nominale wie Bezeichnungen, sich mit grosser Zähigkeit erbalt.

Pernice*) findet es befremdlich, dass in Athen eine Aozahl verschiedener Gewichtssysteme im Handel Verwendung gefundeo haben sollten. Man müsse sich ,immer wieder daran erinnern, dass die antiken Gewichtsstücke lediglich für den Kleinhandel in Athen und auf dem Lande bestimmt gewesen sind. Und sollen wir glauben^ dass der athenische Bürger, wenn er sich seinen Haus* vorrath einkaufte, stets genau wusste, wie schwer die phönikiscbe, wie schwer die leichte babylonische Mine') war? Er brauchte daxu ein eigenes Rechenbüchlein, und es wäre gewiss schwer geweseo, sich darin zurecht zu finden. Pflegen wir die Feigen okaweise einzukaufen, weil wir sie aus Griechenland beziehen, oder kaufen wir Waaren, die aus den englichen Kolonien kommen, nach eng- lischem Gewicht? Der Verkäufer vollends musste, wenn er nur einigermaassen gut assortirt war, stets einige Dutzend von Gewichten mit sich schleppen, um die nach verschiedeneu Normen rechnenden Kunden genügend zu bedienend

Der Fehler liegt hier in der zu starken Betonung des Klein-

1) ]d dies. Ztschr. XXVII ÔÔ5 A. 1.

2) lieber den Unterschied von pheidont8cb(-äginii8chem) Gewicht ood igiiiâischem MQnzgewicht, s. diese Ztschr. XXVII 557 ff.

dies. Ztschr, XXVII &39. Pernice § 14. Dies im Hinblick auT WitamowiU' Gedanken a. a. 0. 5) 'îrîechiftcht! Gewichte S. 2b*

1' TîrhTifï Cï^^^o Pernice S. 24 f.) UuUsch eine Anzahl attischer

w^* lif^r bsbylonigchfn Gewictibnjine zugewiesen. Sie stellen meist

I dar (seil wer H'^'lA, z* B. Pernice n. 200 ff., leicht [«» 'fralis^

fifà] 4HU2, t. B. Pernice n. 3:)â, 351 ff.), ^/mo der haby*

^er«n Gewlchttmln« (nicht etwa einer Silbermine) gemdaer

tr Norm lèM^^m^ ^. US^S ^ stellen singularer Weise aacfc

Glücke dcr^^^^^im W^^i dar, wie schon VBÂG 1889 tob

WEITERES ZU ARISTOTELES A0HN. HOAIT. 641

handels und in VorslellungeD , die der Haauigfaltigkeit und Viel- seitigkeit des Verkehres in einem grossen Seehafen und der durch sie bedingten Arbeitstheilung nicht gerecht werden. Athen, das nimmt ja auch Pernice an, war «wahrend seiner Blüthezeit eine der bedeutendsten Handelsstädte der alten Welt^ Dass bestimmte Waaren nach besonderem, zum Theil den an ihrem Ursprungsort tlblichen Gewichten und Haassen gehandelt wurden, ist durchaus nicht überraschend. Nicht alle Kaufleute und Händler, sondern nur eben diejenigen, die mit diesen Waaren zu thun hatten, waren mit den nOthigen Sondermaassen und -Gewichten bekannt und ▼ersehen, die sie natQrlich nicht mit sich herumzutragen brauchten. Wir haben vielfach, eventuell auch bei gleicher Form und gleichen Abzeichen der Gewichte,*) mehr Normen zu unterscheiden als bisher angenommen, und dem entsprechend vermindern sich die bisher vorausgesetzten übermässigen Abweichungen von der Norm.*) In Hamburg wurde bis vor Kurzem das aus Russland eingeführte Ge- treide nach englischem Maasse (per Quarter) neu vermessen und gebandelt. Fände man nun nach 3000 Jahren bei Neubauten oder Ausgrabungen in Hamburg ein Hohlmaass, das ein oder mehrere Quarter darstellt, so würden zukünftige Hetrologen, nach deren Anschauung in einer grossen Handelsstadt nur einheitliches Maass und Gewicht denkbar wären, Anstrengungen machen, dieses eng- lische Hohlmaass als einem deutschen zugehörig hinzustellen. Und wenn sie dabei nach dem in der heuligen Metrologie vielfach üb- lichen Verfahren, das Pernice und ich in gleicher Weise, wenn auch zum Theil unter verschiedenen Gesichtspunkten, bekämpfen, die nOthigen grösseren oder kleineren Abweichungen von der Norm (willkürliche Erhöhungen, Erniedrigungen) zugestehen, so würde ihnen das auch gelingen.')

1) Dies mit Bezug auf Pernices Forderung S. 5, 32; vgl. bei Pernice selbst S. 57.

2) Vgl. dazu Pernice S. 13.

3) Auch in der Form der Gewichtsstücke zeigt sich im Alterthum, besonders auf orientalischem Gebiet eine grosse MannigfaUigkeit. Besonders biafig begegnen Thiergestalt, eingegrabene Thierdarstellung und gewisse stereometrische Körper. Die Beobachtung dieser von den Gewichten mit No« mtnalbezeiehDung bekannten Formen kann uns zur Erkenntniss der grossen Aiisahl von unbezeichneten Gewichten verhelfen. Gewichte in Thiergestalt oboe ersichtliche Nominalbezeichnung zeigt die bekannte, auch im Berliner M oseom nichgebildete ägyptische Darstellung der Wägung von Goldringen. Von

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3. Der , S ta ter/ xal iniduvBfiij&tiaav [al t]^€îç fÂval vtp oraTTJQi xtX. Warum %fp axarriQit Hier liegt ein Bedenkeo, dessen man sich bisher nicht bewusst geworden ist. Ein solo- nisches Didrachmon wiegt 8*73 g. Eine Erhöhung um game 0,4 g ist nicht bedeutend genug, um gerade diese Einheit als Beispiel für die Yon der Erhobung betroffenen Gewichte zu nennen. Auch bewegt sich doch der Harktverkehr mehr in Pfunden und Centnern als in Loth und Quentchen. Die Losung der Schwierigkeit bietet

solcheo Beobachtuogeo aosgeheod habe ich (VBAG 1891 S. 515 ff.) mich be* mQht, etliche Merkmale der «Gewichlsverdichtigkeit* xnsamnieDzostelleDy wo- bei ich freilich, wie Pernice Griechische Gewichte § 2 zuzogeben ist, ia einiger Hinsicht zu weit gegangen bin. Namentlich, wenn mehrere solcher Merk- male für ein Stück zusammentreffen, erscheint der Gewichtsverdacht begrfindeL Tii£Et es sich dann, dass ein solches Stack mit einer der bekannten Einheiten der verschiedenen Gewichtssysteme genau harmonirt, so wird regelmässig der Verdacht als znr Gewissheit erhoben, die Gewichtsqualitit als erwiesen gelten können. Wenn also Pernice a. a. 0. sagt: ,es wird zwar (von Lehmann) ausdrücklich bemerkt, dass diese Gegenstände nur ,gewichtsverdâchtig* sind, aber nichts destoweniger werden sie den verschiedensten Systemen ein- geordnetS so wird damit, wie man sieht, der Thatbestand verschoben. Es galt die Beantwortung einer, muthmaassliche Gewichtsstücke betreffenden ar- chäologischen Untersuchung, bei der erst in allerletzter Linie die Metrologie zur Hülfe genommen wurde. Als Basis für metrologische Schlüsse, als Be- lege für etwaige neue Gewichtsnormen kommen diese Stücke in keiner Weise in Betracht und um Versuche, das metrologische Material in ,nnzul&ssiger* Weise zu ,bereichern' (Pernice S. 5), handelt es sich durchaus nicht Vielmehr habe ich mich auch hier durch falsche Bedenken hemmen lassen. Die Ber- liner vorderasiatische Sammlung enthält ein Stück ans weissem Gestein, das ich aus verschiedenen Gründen als Gewicht ansprach. Die Wigung, nach der es einer Drittelroine gleichkam, schien das zu bestätigen. Als man mir einwandte, das Stück sei offenbar ein durch die Brüste deutlich gekenn- zeichneter weiblicher Oberkörper, liess ich den Gedanken fallen. Pernices Uebersicht zeigt nun mehrfach Gewichte mit Darstellung weiblicher Brüste (s. B. n. 27S, 279, 284, 291). Diese Form gehört also zu denen, die mit den Normen aus dem Orient übernommen sind. Für die Goldgefässe der Schliemannschen Sammlung, die ihrem Gewichte nach wohlbekannte Minen- einheilen repräsentiren, verweise ich gegenüber Pernice S. 4, wiederholt (vgl. VBAG 18S9 S. 266) auf die in Neukarthago erbeuteten Goldschalen (Livios 26, 47, 7, vgl. dazu jeUt Hultsch Gewichte S. 51 A. 1) nnd auf meine Be- merkungen VBAG 18S9 S. 248 unten und 1893 S. 25ff. Dem Goldschmidt wurde das kostbare Material sugewogen. Er musste es, eventuell abzüglich eines Bruchtheiles als Arbeitslohnes, vollwichtig verarbeiten. Dass man bei der Hingabe möglichst eine Einheit oder deren organischen Theil wählte, ist keines- wegs verwunderlich.

WEITERES ZU ARISTOTELES A0HN. HOAIT. 643

der fOD PerDice') an den attischen Gewichten geführte Nachweis, dass die Doppelmine als Einheit des ^schweren Systèmes^ solonischer Norm') regelmässig als Stater bezeichnet wurde. Dieser Stater erfuhr die, eine Erwähnung lohnende Erhöhung um 43t6 g. Aristo- teles bestätigt also Pernices Ermittelung.

4. Beziehungen zwischen der aeiaäx'9'eia una àer Aenderung des Hüuzfussses? Im Anschluss an Köhler habe ich in dies. Ztschr. XXVII 553 ausgeführt, dass die OBiaax&Bia ▼on der Aenderung des Münzfusses zu trennen, jene eine sociale, diese eine handelspolitische Haassregel sei. Die Seisacbthie bedeutet ▼oUkommene Aufhebung der Schulden zum Zweck der Beseitigung der Schuldknechtschaft. Dem fügte ich hinzu: ,dabei ist nicht ausgeschlossen, dass die Münzänderung in einzelnen Fällen und in der Yon den tivhç wv xeri idvdgoTlwy angedeuteten Weise durch private Abkommen zu einer Ermässigung der ,(Darlehns-}^Schuld benutzt worden ist; so dass wir nicht durchaus gezwungen sind, diese Ansicht als eine gelehrte Erklärung der Münzreform, deren wahren Grund man nicht mehr kannte, zu betrachten.'

In der von mir ausgesprochenen Form ist der Gedanke nicht haUbar, denn es gab ja keine (Darlehns-}Schuld mehr, die ermässigt werden konnte. Und doch möchte ich glauben, dass in den Worten bei Plutarch') etwas Richtiges ausgesprochen, ein mit Missver^ stflndnissen umkleideter wahrer Kern enthalten ist.^) In Betracht kommen könnten von älteren Verbindlichkeiten nur solche aus an-* deren als Darlehnsverträgen. Wie nun, wenn Solon ein Einführungs* gesetz mit Uebergangsbestimmungen erlassen hätte, dahin lautend,

1) Griechische Gewichte S. 48 f.

2) Das NebeneioaDderbestehen eines schweren und eines leichten Systè- mes, deren Haupteinheiten im YerhSltniss 2 : 1 stehen, ist, wie bekannt, eine durch die gesammte antike Metrologie verbreitete Eigeathfimlichkeit gerade des babylonischen Systems. So auch Pernice Zeitschrift für Numismatik XX 1896, 228 und Hultsch Gewichte S. 174. Die Ursachen dieser Erschei- ■oog sind wie die Grundlagen des gesammten babylonischen Systèmes der Zeit- and Raommessung in der Himmelsbeobachtung, der technischen Chrono- logie za soeben; s. zuletzt meine Bemerkungen Zeitschrift für Assyriologie XIV 1900, S. 367 ff.

8) TgL dies. ZUchr. XXVII 554 A. t.

4) Die Frage weiter zu verfolgen bin ich namentlich veranlasst worden briefliche Bemerkung, ihm scheine mit meinen ihm grösstentheiis AosfQhrungen die Erklärung der uêuiàx^êia und der Münz- •fdmuig niekl erschöpft.

644 C. F. LEHMANN

dass bis zu einem gewigseo TermiD Zahlungen an die SiaatekasseD, namentlich auf Grund solcher Verbindlichkeiten aus Älterer Zeit, statt in alten Drachmen in neuen Drachmen erfolgen konnten? Das hatte mehrere Vortheile. Der Uebergang Tom alten zum neuen Gelde wurde beschleunigt ^ der stets sehr starke Widerwille gegen EinfOhrung einer neuen HOnze, noch dazu einer mit geriogwer- thigerer Einheit wurde Oberwunden, und thatsAcblich eine weitere Aufbesserung der wirthschaftlichen Verhältnisse herbeigeführt. Weoo der Staat diese Bestimmung garantirte, so konnte sich auch der PrivatYerkehr dieselbe zu Nutze machen. In solchen Fällen traf, der Hauptsache nach, zu : (cSar'} (ig)eleîa&ai fièv %ovç èuLtlvowtaç IJLByàXay ^rjôèv ôk ßXdTctea&ai tovç xofÀiÇofiévovç (Plutarch Solon 15). Dagegen ist natürlich der Vordersatz (Sar' aQi&fntfi fiiv laov, ovvafiei d* skatTov ànoôiàoirnav nur auf den Grund- irrthum betreffs der alten und neuen Drachmen zurOckzufOhreo. 5. Entstehung des euboischen Gewichtes. Das tod Solon eingeführte Gewicht war das euböiscbe. Mit der EinfOhruDg der euboischen Wahrung brachte Solon^ wie Köhler') gezeigt bat, den Anschluss an das chalkidisch- korinthische Handelsgebiet zu Wege und lOste Athen Ton den Beziehungen zu dem Qbermachtigen Aegina, um ihm Concurrenz und UeberOlügelung zu ermOglicheD.*) Die Entstehung des euboischen Gewichtes habe ich') fermuthuogs- weise erklärt als Folge einer Veränderung des Werthverhältnisses ▼on Silber zu Kupfer 96 : 1 statt 120 : 1 und eine Bestätigung io der Thalsache erblickt, dass 96 Obolen auf einen Stater gehen. Hierin hat mir inzwischen HilM) beigepflichtet.

1) MiUh. des arch. Inst, zu A^hen X S. 151 ff.

2) S. diese ZUchr. XXVII 553.

3) S. diese ZUclir. XXVII 549 A. 1.

4) Handbook p. 36. Nähme man an , Solon hätte gleichieitig mit EId- fûhrung der euboischen Währung im Anschluss an frühere, eventuell vm Theil noch gültige euböische Verhäitnisse zeitweilig einen Zwangskan für Kupfer vorgeschrieben, der diesem einen um V^ höheren Werth verlieh, fo hätten wiederum ,die* in Kupfer ^zahlenden einen Vortheil^ die, die den Ans- tausch gegen Silber bewerkstelligten, im letzten Grunde die Staatskasse ,keinen Nachtheil* gehabt. Vielleicht konnte auch eine solche Maassrefd weiter noch mit der Neuordnung der Münze in Verbindung gesetzt werden, indem verordnet wurde, dass für die Uebergangsfrist etwaige alte, grössere Kupfereinlieiten den neueren, kleineren gleich gesetzt wurden, umsomehr als es sich hier thatsächlich oder nahezu um Scheidemünze handelte , bei der es

f die genauen Beträge weniger ankam.

WEITERES IV ARISTOTELES A0HN. HOAIT. 645

Hultsch') nimmt an, dass eine, der eubOischen entsprechende GewichUnorm in einer schweren und einer leichten Form bereits in viel allerer Zeit in Aegyplen nachweisbar sei und sieht darin eine «Beseitigung* meiner Anschauung über deren Entstehung. Mit Unrecht. Angenommen die Thatsache wäre richtig, was mir durch Hultschs Belege und Ausführungen S. 39 ff. noch nicht gesichert erscheint, so hätte meine Erklärung für deren Entstehung doch Bestand. Man hätte nur die Wahl zwischen der Annahme, dass das in Aegypten in Folge einer Veränderung des Verhältnisses vom Kupfer zum Silber entstandene Gewicht in EubOa eingeführt sei, oder aber dass analoge Umstände zur Neubildung des früher an anderem Orte entstandenen Gewichtes geführt hätten.*)

Theilt man die eubOisch-solonische Mine in Sechzigstel, so ergiebt sich der Betrag des schweren und leichten phOnikischen Schekels gemeiner Norm (14,55 bezw. 7,28 g). Aber ihrer Ent-

1) Die Gewichte des Alterlhumes S. 66 A. 4.

2) Das römische Pfund von normal 327,45 g ist m. E. entstanden durch eine noch stärkere Reduction jenes Werthverhältnisses, 72:1 stall 120:1. Diese Annahme halte ich aufrecht (s. Sitzungsberichte der Archäologischen Gesell- schaft, Archäologischer Anzeiger XII 1897 S. 168), wenn ich mich auch nicht mehr auf die Waage von Ghiusi dafür berufen kann (s. Pernice Archäologisches Jahrbuch Bd. XIII 1898 S. 79). Schon viel früher aber wird einmal die gleiche Reduction mehr im Osten der antiken Gulturwelt eingetreten sein. Ihr verdanken möglicherweise die Mine von 654,9 g (Mine der ältesten ä^inätschen Silberwährung) und die von 672 g {fiva ayoQala in dies. Ztschr. XXVII 558; Pernice Griechische Gewichte § 13) ihre Entstehung, die sich zur babylonischen schweren Silbermine genau verhalten (3 : 5) wie das römische Pfund zur ba- bylonischen leichten Silbermine. Das Gewicht von 654,9 g gehört der ge- meinen Norm an, das von 672 nimmt die entsprechende Stelle im ,königlichen System reducirter Form* ein. Rein rechnerisch ist das römische Pfund die Hälfte dieser äginäischen Mine gemeiner Norm, ebenso wie es 7^ d^r baby- lonischen schweren (982,4 g) */s ^^r babylonischen leichten (491,2 g) Gewichts- mine gemeiner Norm ist. Wenn die Römer zu Beginn des ersten punischen Krieges zur Silberwährung übergingen und damit im Znsammenhang eine Aenderung ihres Gewichtes eintrat, so ist die Schlussfolgerung, dass sie einen Zwangskurs für Kupfer einführten, um Silber möglichst billig einzukaufen, von vornherein gegeben und gerechtfertigt. Die Stellung des römischen Pfundes im System der Währungsgewichte giebt uns nun den mathematischen Aof- schluss über den Betrag dieser Reduction, immer vorausgesetzt, dass zwischen Silber und Kupfer ursprünglich das Verhältniss von 120: 1 obwaltete tvgl. jetzt aochRultsch «Gewichte* S. 136), was ja freilich noch vielfach bestritten wird und worauf ich bei anderer Gelegenheit, unter Betonung namentlich auch der sici- Jischen Verhältnisse, zurückzukommen hoffe. Vgl. diese Ztschr. XXVII 546 f. Anm.

Herme« XXXV. 42

646 C. F. LEHMANN

stehuDg fiach ist die nirgends secbzigfach getheilt auftretende euboische Mine keinenfalls die ,Sechzigeroiine* dieses phOnikischeD Schekels, wie Hultsch a. a. 0. will. Wenn wir höhere Einheiten entstanden sein lassen aus kleineren, die jenen niemals als deren Bestandttheile zugeordnet erscheinen, so yerlieren wir völlig den Boden unter den Fassen. Ist es schon irreführend, die Betrachtung überwiegend an die kleineren Einheiten (Schekel, Loth, Drachme) anzuknüpfen, so lauft Hultschs Aufstellung, aus jeder solchen klei- neren Einheit habe eine «Fünfziger- und eine Sechzigennine* ge- bildet werden können, direct der metrologischen Entwicklung zu- wider. Das einheimische babylonische Sexagesimalsystem ist bei der Eintheilung der ,Wflhrungsminen^ zu Gunsten des in Aegypten und Syrien u. s. w. herrschenden Decimalsystemes aufgegeben und nie wieder aufgenommen worden. Schon in dies. Ztschr. XXVII 549 A. 1 schrieb ich ,mit solcher rechnungsmassigen und folglich mehr mechanischen Feststellung darf sich die metrologische For- schung nicht begnügen, sondern muss überall die Gründe f&r die Aenderung der Normen festzustellen suchen, die bei den Gewichten in überwiegendem Maasse merkantiler und handelspolitischer Natur sind'. Meinen Einspruch gegen die rein rechnerische Betrachtungs- weise, die in Hultsch' neuer Darstellung gerade auf Grund der ge- nannten Aufsteilung bedenklich hervortritt, möchte ich hier, wie an anderer Stelle, nachdrücklich wiederholen.

6. Die Oeidojveia ^évça. in ixelvov yàç iyéveto xal fiérça fÀil^w jwv Oeidwveiiov xai t^ /ivâ nçoteçof ^x[o]vaa [a]ta&fÀOV sßdofAi^xovva dçaxf^àç âvefcXrjQoivh] taîç éxazov. Hultsch batte aus diesem Satze gefolgert, dass entgegen allen Nachrichten in Athen vor Solon ein kleineres Gewicht als das euboische in Anwendung gewesen sei und schloss auf das babylonisch-persische Gewicht. Nachdem Wilamowitz und ich unab- hängig von einander dies als unzulässig erwiesen hatten,*) bat Hultsch diesen Irrthum zurückgenommen. Neuerdings folgert er aus dieser Stelle, dass die vorsolonischen Hohlmaasse in Athen kleiner gewesen seien als die solonischen.*) Hultsch beruft sich darauf, dass die Aenderung /aelw statt ^el^œ sich nicht bewährt

1) Aristoteles und Athen I 43. 44 A. 1. Diese Ztschr. XXVII 534 ff. - Anch Ed. Meyer Geschichte des Alterthumes II, und Andere haben mir zo- ■Mmmt.

'-^hle des Alterthumes S. 60 A. 2.

WEITERES ZU ARISTOTELES A0HN. HOAIT. 647

habe. Die ist freilich langst aufgegeben. Aber sicher ist, dass der auf dem Gebiet der Gewichte nachweisbare Grundirrthum irrige Vorstellungen belrefls der übrigen Maasskategorien mit Noth- wendigkeit bedingte. Wie ich (in dies. Ztschr. XXVII 533) bemerkt habe, war es offenbar Aristoteles ganz wohl bekannt, dass in einem geschlossenen System die Grundeinheiten der verschiedenen Kate- gorien als von einander abhängig betrachtet werden. Für Ueber- vorsichtige, die das nicht zugestehen mögen, ist übrigens auch diese Annahme entbehrlich: es brauchen nur in einer der älteren Quellen altes und neues Maass in derselben Weise verglichen gewesen zu sein wie alte und neue Drachmen (35 alte ». 48 neue Choiniken ca.), so ist auch der gleiche Fehler in der Auflassung erklärt. Ich selbst halte freilich letztere Annahme aus verschiedenen Gründen für weniger wahr^heinlich. Hultsch betrachtet den vorsolonischen Metretes als dem einfachen Cubus des vorsolonischen (pheido- nischen) Fusses entsprechend, während bekanntlich im solonischen System der Metretes das 1 ^2 fache vom Cubus des solonischen Fusses ist.*) Zu solcher Annahme möchte ich mich in diesem Zusammen- hang auf Aristoteles' alleinige Autorität hin nicht verstehen. Wir wissen, dass Pheidon den Peloponnesiern ein geschlossenes Maass- system gegeben hat, in welchem die Längeneinheit, der babylonisch- persisch-pheidonische Fuss von rund 330 (genauer 330,78 mm, ^I'a des (jiéTQioç nfixvg)^) vereinigt war mit praeexistenten, im baby- lonischen System wurzelnden Einheiten der anderen Kategorien, die sich zu dem Fusse fügten, als wären sie auf ihm aufgebaut, aus ihm berechnet.*) Wir wissen, dass in Athen in älterer Zeit ein grösserer, eben dieser Fuss von rund 330 mm im Gebrauch war, der um ein Neuntel grösser war als der solonische Fuss. Wir kennen peloponnesisches (spartanisches) Maass und Gewicht.^) Wir finden, dass das vorsolonische Gewicht und somit das ganze vor- solonische System von dem gesondert zu betrachtenden ägi-

1) In dies. Ztschr. XXVII 541 war natürlich zu lesen: ^dass auch der solo- nische Metretes, das 1 72 fache des Maasses, welches Flüssigkeit vom Gewicht des Talentes fasst (60. 436»67 cdm sind 26,20 1), kleiner ist als der vorsolonische Metretes, der ^/s von (60. 600 cdm =^) 6001 bildet.*

2) Diese Ztschr. XXVII 540 unter 2.

3) Dies der Sachverhalt bei abgeleiteten geschlossenen Systemen, s. diese Ztschr. XXVII 533 f. Acten des Stockholmer Grien talistencongresses, Section Sémitique S. 226 unter b) und sonst.

4) S. besonders Hultsch Metrologie ^ § 46, 5 S. 300.

42*

648 ' C. F. LEHMANN

Dflischen Müozsystem abgeseheD*) mit diesem in Einklang steht und sind somit nicht überrascht durch Aristoteles zu erfahren, dass das Yorsolonische Maass das pheidonische war. Die Bildung des Irrthums betreffs der Hohlmaasse mag dadurch mit befördert sein, dass Solon fOr den Harktverkehr in gewissen Fallen, wie spater der Volksbeschluss CIA. II 496 , der vielfach nur früher Angeord- netes neu eingeschärft haben wird, statt gestrichenen gehäuftes Maass Yorgeschrieben hat, worauf die inav^aig bei Plutarch zu deuten scheint. Aber an der Annahme eines Irrthums*) wird bis auf Weiteres festzuhalten sein.

7. Zeit des Pheidon. Meine früher gegebenen Anschau- ungen über Pheidons chronologische Zuweisung') sind durch seit- her geführte eingehende Untersuchungen nur befestigt worden. Gedankengang und Ergebnisse dieser Untersuchungen, die ich dem- nächst in extenso zu verOffenllichen hoffe, deute ich hier kurz an. Die Nachrichten (Her. VI 27, Paus. XXH 6,2), dass Pheidon der Machtigste, Stolzeste der Peloponnesier gewesen sei (Her.: vß^i- aavtog ^éyiOta ô^ ^Ekki^vwv ànav%(av , Paus.: %ov ly'EA- Iriai laaliara ißgloavtaY) und ihnen Maass und Gewichte ge- geben habe, führen, wie ich mit Köhler annehme, in die Zeit vor Entwicklung der spartanischen Hegemonie, als vor die messenischen Kriege. Den so gewonnenen allgemeinen Ansatz bestätigen die beiden einzigen Daten, die ernstlich in Betracht kommen. Theo- pomps Ansatz (nach ihm Marmor Parium) beruht, wie allseitig anerkannt, auf künstlicher schematischer Berechnung. Herodots chronologisch ganz sinnlose Angabe erklart sich sehr einfach da- durch, dass das Thalsachliche über Pheidon, die Worte (Deldiorog ôè bis Totrov ôk naig, ein Einscbub ist, den Herodot aus einer schriftlichen Quelle^) eingefügt hat in die rein novellistische, auf

1) S. diese Ztsclir. XXVII 557 ff.

2) Vgl. Wilamowilz, Aristoteles und Athen I 43, der dies mit der gleichen Beslimmtheit ausspricht wie ich, diese Ztschr. XXVII 534 und 541.

3) S. diese Zischr. XXVII 559 f.

4) Eduard Meyers Uebersetzung G A II: ,der den Griechen den grössten Schimpf angelhan hat', (indem er den Eleern den Vorsitz bei den olympischen Spielen entriss), lässt sich doch wohl nicht vertreten: da müsste vßpl^eir mit eU oder dem blossen Accusativ conslruirt werden.

5) Und zwar derselben Quelle, welcher Pausanias, der hier der Haupt- sache nach nicht auf Herodot fusst, durch verschiedene Mitlelquelleo folgt, m. E. Hekataios.

WEITERES Zu ARISTOTELES A0HN. HOAIT. 649

mODdiicher Tradition beruhende Mär von der Werbung um Agariste und den dadurch begründeten Ruhm der AikmeonidenJ) Die Ein- fügung ist deutlich erkennbar an dem zweimaligen dé: Oeldwvog ôè Tov TOT laivca xtA. . . . tovtov de naîç. Bleiben Ephoros und Pausanias. Pausanias' Angaben sind um so werthvoller, als sie gar nicht die chronologische Bestimmung des Pheidon im Auge haben, sondern seiner nur mehr zufällig bei einer Erörterung der Anolympiaden*) gedenkt. Zu Pausanias' 8. Olympiade (748) stimmt Ephoros Ansatz dixarog ano Te^ivov genauer, als man ge- wöhnlich annimmt. Denn Ephoros' Angabe, nach welcher die do- rische Wanderung 735 Jahre vor Alexanders' Uebergang nach Asien fallt, lässt mit Sicherheit auf Generationen zu 35 Jahren schliessen: 735 21. 35. Von 1069 resp. 1068 9 mal 35 »» 315 Jahre abrechnend kommen wir für die ax^ri des Pheidon auf 754 V. Chr. Ich glaube, dass bereits Hekataios, dessen Be- nutzung durch Ephoros namentlich aus Pseudo-Skymnos ersichtlich ist, mit Generationen zu 35 (nicht zu 40) Jahren gerechnet hat, und meine ferner, dass die Nachrichten über Pheidons Anschlag auf Korinth, der die Gründung von Syrakus (757 Marmor Parium, 734 Eusebius) mit bedingte, nicht durchweg legendarisch sind. Aus der mhtelbar über den 'Peloponnes hinausgreifenden Macht- stellung Pheidons, die ihrerseits wieder nur für das 8. Jahrhundert begreiflich ist, erklärt sich auch die Geltung seiner Maassordnung ausserhalb des Peloponnes. Man wird also nicht mit Wilamowitz*) bei Aristoteles in der Bezeichnung des alten Maasses als des ,phei- donischen* einen Irrthum in Betracht zu ziehen brauchen.^ Berlin. C. F. LEHMANN^

1) Vgl. Her. VI 125 Anfang mit VI 131 Anfang: nal ovrm liXMjnêovièai ißfOü&rfüav àvà rr;v *Ella8a,

2) lieber die Differenzen in den Angaben betreffs der Fehlolympiaden and ihre Herkunft Näheres s. Z. in der ausführlichen Darlegung.

3) Aristoteles und Athen S. 44 A. 1.

4) Wie man sieht, stehen meine Ergebnisse (hier wie an manchen anderen Stellen) in einigem Gegensatz zu den beiden übrigens einander wohl zum Theil bedingenden Anschauungen, dass die historische Tradition in Griechen- land nirgends über das 7. Jahrhundert hinausreiche (Ed. Meyer, GA II § 228, vgl. § 4) und dass bei Herodot (und anderen Autoren) wohl eine Kenatniss, nicht aber eine litterarische Benutzung des Hekataios und anderer älterer Quellen nachweisbar oder anzunehmen sei (Ed. Meyer Forschungen zur alten Geschichte 1 183, II 233 GA II § 7 A. 2).

ARCHÄOLOGISCHE NACHLESE.

(Vgl. diese Ztschr. XXIX 417 ff.).

XL EIN iDEALPORTRAT DES HESioD: Arodt uDd AmeluDg biiDgeD ÎD ihreo so verdienslTollen uod dem archaologischeo Forscher wie dem archaologischeo Lehrer gleich UDCDlbehrlicheD ,EiDzel- aufnahmeo^ UDter d. 530 die Photographie eioer Reliefplatte des Neapler Museums/) die sich sofort als die Schmalseite eines Sarko- phages zu erkeoneD giebt uod als solche auch schon längst dem Sarkophagapparat in einer Zeichnung Eichlers einverleibt ist. Auch welcher Classe der Sarkophag, von dem diese Platte abgetrennt worden ist, angehört hat, lässl sich mit Sicherheit bestimmen. Es war, wie bereits Arndt in den Nachträgen S. 51 vermuthet hat, ein Musensarkophag; denn nur bei solchen pflegen, bald auf den Schmalseiten für sich allein, bald auf der Vorderseite mitten unter den Musen und häufig im Gespräch mit ihnen, Männer mit Büchern in den Händen oder mit Bücherkästen zu ihren Füssen angebracht zu werden. In diesen haben wir bald den Verstorbenen selbst mit seinen gebildeten Freunden, bald aber auch berühmte Schriftsteller der Vergangenheit, vor allem Dichter zu erkennen. Das letzlere ist bei der Neapler Platte der Fall. Der hochgewachsene Mann mit breiter Brust und mächtig wallendem langem Vollbart, der auf einem Felsen sitzend die Rechte docirend erhebt und in der Linken einen langen Stab hält» soll ohne Zweifel eine litterarische Berühmtheit darstellen, bei deren Bestimmung neben der allge- meinen Charakteristik das zu seinen Füssen stehende Schaf und das neben ihm angebrachte Scrinium, auf dem ein Bündel von Bücher- rollen liegt, zu berücksichtigen sein werden. Mit seinem feinen und geschulten Auge hat Friedrich Hauser erkannt, dass ein Kopf des Capitolinischen Museums, der jetzt in Arndts Griechischen und römischen Porträts Taf. 325. 326 vortrefllich reproducirt ist,*) mit

1) Kurz erwähnt bei Gerhard Neapels Antike Bildwerke S. 133 Nr. 502.

2) V^l. auch Helbi^ Führer^ I 319 Xr. 4TS.

ARCHÄOLOGISCHE NACHLESE 651

dem Kopf der Relieffigur so frappant ObereÎDstimmt , dass an der Ideotität der dargestellten Persönlichkeit nicht gezweifelt werden kann. Wenn er aber diese in dem Philosophen Diogenes gefunden zu haben glaubt, indem er diese traditonelle schon bei Bottari Mus. Capitol. I p. 20 zu lesende Deutung des Capitolinischen Kopfes acceptirt und sie auf das Neapler Relief überträgt, so unterliegt diese Taufe schweren Bedenken.') Nicht nur, dass die Aehnlichkeit mit der Albanischen Statuette,') die doch für die Richtigkeit der Benennung allein den Prüfstein abgeben kann, äusserst gering oder vielmehr, wenn wir aufrichtig sein wollen, überhaupt nicht vorhanden ist (man vergleiche nur Schädel und Hals), auch die ganze Erscheinung der Relieffigur und der Charakter des Capito- linischen Kopfes stimmen absolut nicht zu dem Bilde, das wir uns auch ohne die Albanische Statuette von Diogenes machen würden. Diese imponirende Gestalt sollte der kleine buckelige Cy- niker sein? Diese Züge, die von tiefen seelischen Leiden, von schwerem Ringen mit den tiefsten Problemen, von einer ruhigen geläuterten vornehmen Lebensauffassung erzählen und nicht, wie Arndt sagt. Grämlichkeit, sondern höchstens eine schon über- wundene Bitterkeit und stolze Menschenverachtung zeigen, sollen dem Philosophen der Gasse angehören? Und nun die Attribute. Hauser bemerkt sehr richtig, dass man statt des Schafes einen Hund erwarten sollte, bricht aber damit selbst über seine Deutung den Stab. Das Rollenbündel könnte man vielleicht durch den Hin- weis auf die apokryphen Schriften des Diogenes zu rechtfertigen versuchen in Wahrheit hat er bekanntlich keine Zeile geschrieben. Aber was soll der lange, knorrige, fast scepterartige Stab, der von dem Stecken des Cynikers sehr weit verschieden ist? Und der, wenn auch nicht mit übertriebener Eleganz, so doch immer mit dem Grade von Sorgfalt, den die gute Sitte erheischt, drapirte Mantel? Und der docirende Gestus? Und der Felssitz?

So schlecht dies alles zu der Benennung Diogenes stimmt, so Torzdglich passt es für Hesiod. Felssitz, Schaf und Stab erinnern das Proömium des Théogonie, wo die Musen den Dichter finden "IÇ noifialvov&' ^Ehnwyog vno ^a&éoio und ihm als axi}- ferleihen daq)vrjç iQi&rjkioç o^ov OQéxpaaai ^ririxov. Die

-^ Six Rom. Mitth. XIII 1898 S. 65 bezweifelt die Deutung, glaubt i^er Weise einen Blinden dargestellt. \ Porträts Taf. 321. 322.

652 C. ROBERT

RolleD Deben ihm sind natOrlich seioe Gedichte. Dass vod allen Dichtern des Alterthumes keiner ein grosseres Anrecht auf einen Ehrenplatz an einem Musensarkophag hat als Hesiod, brauche ich nicht erst zu beweisen. Ebenso wenig, wie vortrefflich gerade fOr ihn der docirende Gestus passl. Und nun die Büste. Lässt sich eine treffendere Verbildlichung des Sängers der '^çya denken ? Die Leiden, die ihm der Rechtsstreit mit seinem Bruder bescheert hat, kommen darin ebenso zum Ausdruck, wie die Erfahrung eines langen Lebens und Denkens und die milde Weisheit Das ist wirklich der Prophet unter den griechischen Dichtern, als welchen Wila- mowitz kOrzlich den Hesiod so schOn gezeichnet hat; co Iléçafj^ av 6^ axove dixrjç^ firjô^ vßQiv oq>€U.€ würde das passendste Motto für diesen Kopf sein , den man , nachdem seine eigentliche Bedeutung erkannt, unter den Idealbildnissen unmittelbar neben das des Homers wird stellen dürfen.

Mit dem einzigen bis jetzt bekannten Idealportrat') des Hesiod, der inschriftlich gesicherten Büste auf dem Mosaik des Mon nus,*) hat der Capitolinische Kopf kaum etwas gemein. Höchstens konnte man in dem wallenden Vollbart eine Spur von Aehnlichkeit ent- decken. Aber die Auffassung ist eine grundverschiedene. Zunächst hinsichtlich des Lebensalters. Auf dem Mosaik erscheint Hesiod nicht als kahlkOpflger Greis, sondern als Mann auf der Hohe des Lehens mit langem vollen Haar. Noch mehr aber hinsichtlich des Charakters. Das Mosaikbild hat nichts von der Energie und der packenden Grossartigkeit des Capitolinischen Kopfes, vielmehr etwas Sinnendes und Schwermüthiges, was zwar auch für den Dichter der '^gya recht gut passt, aber doch nicht seine ganze Persönlich- keit so erschöpfend zum Ausdruck bringt, wie es bei dem Marmor^ köpf der Fall ist. Das Mosaikbild geht also auf ein anderes Ori- ginal zurück wie die Büste und das Relief. Ueberraschen kann das nicht Von der gewiss noch kaum individualisirten Hesiod- Statue im grossen Weihgeschenk des Smik3fthos an (Paus. V 26, 2) wird es viele Bildsäulen und Büsten des Hesiod gegeben haben, obgleich wir aus litterarischen Quellen nur noch die Erzstatue auf dem Helikon kennen (Paus. IX 27, 5). Aehnlich brauchen sie einander so wenig gewesen zu ^ein, wie die HomerkOpfe, von

1) Die ùbrigeD «of Hesiod bezogenen Bildweike lasse ich als ta oosicher liier giDi ans dem Spiel.

S. ADtike Denkmäler I Tif. 49.

ARCHÄOLOGISCHE NACHLESE 653

deDeo 68 bekanot ist, dass der mit Recht gepriesene io mehreren leichten Varianten erhaltene Typus weder mit den Münzen ?on los, Smyrna und Amastris') noch mit den sonstigen Darstellungen des Homer auf dem Relief des Archelaos, der Berliner homerischen Tafel,*) dem pompejanischen Bild') und dem pompejanischen Silber- becher ^) übereinstimmt, um von den problematischen übrigen Dar- stellungen ganz zu schweigen.

An diese oft hervorgehobene Thalsache erlaube ich mir eine Bemerkung zu knüpfen. Wer von Idealporträts und insbesondere von denen des Homer spricht, der pflegt nicht zu unterlassen, die berühmten Worte des Plinius aus dem ProOmium des 35. Buches zu ciliren : (9) quin imtno etiatn guae non sunt finguntur, pariunt- que dtsideria non tradiios vuUus, sicut in Bomero evenit. Aber der Zusammenhang, in dem diese Stelle steht, pflegt selten erwogen zu werden. Plinius klagt zunächst, dass die Porträtmalerei ausgestorben sei; aus kostbarem Material werden jetzt die Porträts hergestellt aerii dipei, argenteae faciès, wie sie uns der Silberfund von Bosco reale kennen gelehrt hat.^) Die Ahnenbilder aus Wachs und die gemalten Stammbäume verschwinden. Nachdem er dann von dem Einschmuggeln fremder nicht aber etwa fingirter Porträts in die Ahneureihe gesprochen und sich dafür auf zwei Reden des Messala berufen hat, fährt er fort: non est praetereundutn et novieium in- ventum, siquidem ieones^) ex aura argentove aut certe ex aere in bibliotheeis dieantur Ulis quorum itntnortales animae in locis isdem locuntur, quin imtno etiam quae non sunt finguntur, pariuntque de- sideria non traditos vuüus, sicut in Homero evenit. quo maius, ut equidem arhitror, nullum est felieitatis specimen quam semper omnes scire cupere, qualis fuerit aliquis. Dann berichtet er, dass dieses novieium inventum in Rom von Asinius Pollio eingeführt worden sei. Ob dieser etwa hierin an den Plolemaeern und Attaliden Vor- gänger gehabt habe, bekennt der Schriftsteller nicht zu wissen.

1) Imhoof- Blâmer Porträtköpfe auf Münzen hellenischer und hellenisti- scher Völker Taf. VIII 25, vgl. auch Heibig Führer^ I 329 Nr. 503.

2) 0. Jahn Bilderchroniken G (Titelvignelte) u. S. 6.

3) Mon. d. Inst, X 35.

4) Millingen Ancuned. Monum, II 13, darnach Wiener Vorlegebl. Ser. VIII Taf. X 1.

5) S. MonumenU Piot V pL 2 und p. 46.

6) So Detlefsen, vortrefllich; non Hdschr.

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NiemaDd wird bezweifeln, das» dieser gaoze AbachDltt des Plinius geistiges Eigenthum und Dicht etwa eioem anderen Autor entnommen ist Aber selbst wenn dies der Fall w8re, so mQsste dieser Autor ein ROmer und jünger als Asinius Pollio gewesen sein ; für das, was ich beweisen will, würde das auf dasselbe hioauB- laufen. Plinius bezeichnet also hier die Aufstellung von Porträt* büsten berühmter Schriftsteller in den Bibliotheksraumen als eine Neuerung und bringt mit dieser neu aufgekommenen Sitte die Ent- stehung der Idealporträts in Zusammenhang. Auch diese sind also in seinen Augen ein novicium invmtum. Selbstverständlich im er hierin; schon das 5. Jahrhundert hat bekanntlich Idealportritts geschaffen, wie die des Homer und Hesiod, die natürlich für jene Zeit mit dem zu derselben Gruppe gehörigen Orpheus durchaus auf derselben Stufe standen.') Aber wer dem Plinius einen solchen Irr- thum nicht zutrauen will, der überschätzt die Monumentenkenntniss und den kunsthistorischen Sinn dieses Schriftstellers ganz gewaltig. Wie kalt er innerlich den grossen Schöpfungen der älteren grie- chischen Kunst gegenüber stand, wie er in dieser Beziehung noch ganz Römer war, das verräth er gerade in diesem Abschnitt, wenn er über seine Zeitgenossen klagt: et inter haec pinocothecas veteri- bus tabulis consuunt alienasgue effigies colunt. Als Beispiel der nach seiner Ansicht erst kürzlich aufgekommenen Idealporträts führt er nun den Homer an. Damit bezeugt er doch klipp und klar, dass zu seiner Zeit oder nicht allzulange vorher ein Bildhauer ein be- rühmtes Idealporträt des Homer geschaffen habe. Nun gebe ich folgendes zu bedenken: alle älteren Homerdarslellungen, die ich obeo aufgezählt habe, zeigen mit dem berühmten Typus des blinden

1) Paus. V 26, 2—4. Das älteste erhaltene Beispiel ist wohl der Ana- kreon, der trotz allem, was man dagegen gesagt hat, schon wegen der Haar- und Barttracht ein Idealporträt sein muss. Denn der historische Anakreoo trug natürlich Krobylos und Spitzbart, wie ihn auch die bekannte MemooD- vase darstellt (bei 0. Jahn Dichter auf Vasen in den Abh. d. sächs. Ges. VUl (III) 1861 Taf. III). Der Gedanke, dass Perikles, sei es aus eigener Kindheits- erinnerung sei es aus den Erzählungen seines Vaters Xanthippos, eine Vor- stellung von den Zügen des Dichters gehabt und diese dem ausfûhrendeo Künstler suggerirt hätte, imputirt dem 5. Jahrhundert eine Neigung tur lodi- vidualisirung, die ihm gänzlich ferne lag. Und dann zwar die Züge geoao wiedergeben, aber die Haar- und Baritracht ändern, das wäre ja ganz das- selbe, wie wenn ein Künstler des 18. Jahrhunderts Molière mit einem Zopf hätte darstellen wollen.

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Homer nicht die geringste Aehnlichkeit; man vergleiche nameotlich den Homer auf dem pompejanischen Bild aus Casa délit epigram- mate uod deo auf dem Silberbecher. So verschieden sie auch uoter sich sein mOgen, so haben sie doch mit einander immer noch grössere Verwandtschaft als mit deu Marmorbüsten. Vor allem stellt ja auch keine von ihnen den Homer als Blinden dar. Wäre nun der Typus des blinden Homer in der Blüthezeit der grie- chischen Kunst oder zur Zeit der hellenistischen Nachblülhe ge- schaffen, ginge er gar, wie Six auf Grund einer wirklich recht oberflächlichen und wenig beweisenden Aehnlichkeit in der Be- handlung des Nackenhaares mit GreisenkOpfen auf Vasen des Eu- phronios und seiner Zeitgenossen annimmt,^) in letzter Linie auf die von Smiky thos in . Olympia geweihte Statue des Dionysios zurück, so müsste man annehmen, dass diese wundervolle Schöpfung Jahrhundertelang unbeachtet geblieben und erst in der Kaiser- zeit plötzlich Mode geworden sei; mit welcher schon an sich höchst unwahrscheinlichen Annahme sich aber wiederum nicht ver- trägt, dass der Typus einmal in nachlysippische Formen um- gesetzt worden sein müsste. Andererseits giebt es unter allen an- tiken Köpfen, die uns erhalten sind, keinen, der dem Homer so nahe stünde, wie der des Laokoon. Nicht allein in der Formengebung und der Technik, sondern auch in der ganzen Auffassung, nament- lich in der starken Betonung des Pathologischen, wie sie für den Homerkopf Hugo Magnus sehr schön dargelegt hat.') Die Ueber- einstimmung ist so gross, dass beide Werke nicht nur derselben Zeit, sondern auch derselben Kunstrichtung angehören müssen, also auch der Homer der rhodischen Bilderhauerschule zuzuweisen ist. Wer nun mit mir die Ueberzeugung theilt, dass der Laokoon aus oft entwickelten und hier nicht zu wiederholenden Gründen nur unter den Flaviern entstanden sein kann,') der wird es ganz natür- lich finden, dass ein Homerporträt aus der Zeit des Plinius gerade mit dem Laokoon die grösste Verwandtschaft zeigt. Wer anderer Meinung ist, der unterzieht vielleicht von diesem neuen Gesichts- punkte aus die Laokoonfrage noch einmal einer unbefangenen Prüfung. Damit man mir aber nicht Schuld gebe, dass ich die

1) Rom. Mittb. a. 0. S. 61 ff.

2) Die antiken Büsten des Homer S. 27 f.

3) Zuletzt in meinem Artikel ,Athenodoros* in Wissowas Real-Ency- klopädie II 2 S. 2047.

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DaliruDg des blindeD Homer auf eine nicht allgemeÎD gebilligte Hypothese aufhaue, so bitte ich sich folgeode Thatsaeheo lu ver- gegeowartigeu. Noch zur Zeit Caesars denn in diese, die des von Mau so geDauoteo Architekturstils, gebort das Bild aus Ctua delle epigramnuUe stellt eio pompejanischer Maler, noch zur Zeit des Augustus denn in diese gehört nach Ausweis der Schwäne und des Rankenwerkes der Becher, nach Ausweis der Inschrift und nach der Monumentengattung die Berliner tabula stellen ein Toreut und ein Marmorarbeiter den Homer in gänzlich anderem Typus dar, als er uns Yon den Basten des blinden Homer her ge- läufig ist. Aus der Kaiserzeit besitzen wir eine stattliche Anzahl von Büsten des blinden Homer. Plinius sagt, dass zu seiner Zeit oder kurz vorher ein Idealbild des Homer geschaffen worden sei. Kann man da ernstlich bezweifeln, dass wir in den BOslen des blinden Homer eben jenes Idealporträt besitzen, das Plinios ge- meint hat?

Und doch war jener unbekannte rhodische Künstler nicht der erste, der den Homer blind gebildet bat. Die auf dem Apollon- hymnos basirende, nattlrlich vor allem in Chios gepfiegte Legende von der Blindheit Homers hat schon einen Künstler des 4. Jahr- hunderts, vielleicht Silanion, zu der bedeutenden Schöpfung an- geregt, die uns in den sogenannten Epimenidesköpfen vorliegt.') Ich halte nämlich diese Entdeckung F. Winters') fOr ebenso schön wie schlagend. Freilich hat es ihr nicht an Widerspruch gefehlt*) Am schwerwiegendsten sind wohl die Bedenken, die Magnus vom medizinischen Standpunkt aus erhoben hat, indem er die gesunde Wölbung der Augäpfel und die Stellung der Lider für unverträg- lich mit der Annahme der Erblindung erklärte. Indessen ent- scheidend sind auch sie nicht; sie stellen Ansprtlche an die medizinische Beobachtung des 4. Jahrhunderts, die erst für eine weit spätere Periode berechtigt sein würden, und sie werden auf- gewogen durch die Erwägung, dass einen Schlafenden, sei es als Statue, sei es als BOste, mit aufrechter Kopfhaltung darzustellen eine Unnatttrlichkeit und Geschmacklosigkeit sein würde, der gegenüber

n Arodl Porträts Tif. 421-424.

2) Arch. Jahrb. V 1S90 S. 163.

3) BruDD Siti. Ber. d. Mûocfa. Acad. 1S92 S. 669. HeU>ig Fâtirei* I 177 Nr. 2S3. MigDQs a. 0. S. 14. Bemoolli Arch. Jahrb. XI 1S96 S. 169. Auch Arndt zu den bclreffcodco Tafeln des Portritnetkcs.

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die von Magous gerOgteo Fehler zu nichts zusammenschrumpfen. Wenn aher nicht ein Schlafender, so kann nur ein Blinder gemeint sein. Dass die Darstellung des Blinden mit geschlossenen Augen wenigstens dem 5. Jahrhundert ganz gelflufig war, hat mittlerweile auch Six unter Hinweis auf die bekannten Phineusdarstelfungen ausgesprochen.*) Dass im 4. Jahrhundert mit dieser Tradition ge- brochen worden sei, würde man doch nur dann behaupten können, wenn wir aus dieser Epoche die Darstellung eines Blinden mit ge- öffneten Augenlidern besässen, was meines Wissens nicht der Fall ist« Entscheidend aber würde auch das noch nicht sein, da Si- lanion ganz gut an der älteren conventionellen Darstellungsweise festhalten konnte. Giebt man aber die Blindheit zu, so hat aller- dings die Benennung Homer die grösste Wahrscheinlichkeit für sich, weit grössere jedenfalls als die von Six beispielsweise vorgeschla- gene: Stesichoros; denn dieser wird sich gerade im 4. Jahrhundert kaum besonderer Popularität erfreut haben.

Welch ein Gegensatz zwischen diesem Kopf mit dem Ausdruck stillen Friedens und einer nur ganz leisen Andeutung des Leidens und dem Homer der Kaiserzeit, in dessen Zügen eine lange Leidens- geschichte ausgeprägt ist und der auch in der Ruhe etwas Auf- geregtes hat. Wie zu diesem rhodischen Homer der des Silanion, so mag sich zu dem Hesiod des Capitols jenes Hesiodideal verhalten haben, von dem uns auf dem Mosaik des Monnus eine verblasste Nachbildung vorliegt; denn auch den capitolinischen Hesiod wird man nach seinem ganzen Charakter derselben Zeit zuschreiben müssen wie den Laokoon und jene Homerköpfe, wenn auch wegen mancher formeller Verschiedenheiten vielleicht einer anderen Kunst- schule.

XU. DIE ALDOBRAisDiMscHE HOCHZEIT. Dicscs vielgenannte Wand- gemälde gehört zu den Bildwerken, an den man heutiges Tages meist mit einer respectvoUen Verbeugung vorbeizugehen pflegt. Nicht einmal die Deutung hat in den 300 Jahren, seit denen das Bild dem Tageslicht wieder geschenkt ist, einen wesentlichen Fort- schritt gemacht. Selbst in Helbigs ausgezeichnetem Führer U' 169 ff. D. 1002 begegnen wir noch derselben Auffassung des Vorganges und derselben Deutung der einzelnen Figuren, wie sie schon in den Unterschriften zu Bartolis Stich in den Admiranda Taf. 58.

1) Rom. Mitth. a. 0. S. 66.

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59 ausgesprocbeo ist. Danach spielt die Hittelscene im Braot- gemach, wo Aphrodite der Braut ermuthigeod zuredet, wahrend Charis aus eioem kleinen Alabastron ParfOm in eine Muschel giesst; an der Schwelle des Thalamos sitzt, der Erlaubniss zum Eintrill harredd, der Bräutigam. Die linke Eckscene stellt die BereitoDg des Brautbades, die rechte die Freundinnen der Braut, die dai Epithalamium anstimmen, dar.

Gegen diese Interpretation hege ich seit langem schwere Be- denken. Nach griechischer Sitte und Ober den griechischeo Ursprung der Composition ist man sicti ja allgemein einig nimmt die Braut das Bad in ihrem Elternhaus. Dass die Braut den Tha- lamos allein betritt und dem Bräutigam erst später Einlass gewahrt, wäre ein Brauch, fdr den ich vergeblich nach einem Beleg gesucht habe. Wenn die Braut von ihrer Schwiegermutter mit Fackeln Id den Thalamos geleitet wird (Schol. Eur. Phoen. 344), so schliesst das die Anwesenheit des Bräutigams nicht aus, was zum Ueberfluss durch die Berliner Hochzeitsschale') bestätigt wird, wo gerade in diesem Moment der Bräutigam -die Braut an der Hand führt. Am meisten aber befremdet die Erscheinung des angeblichen Bräutigams. Während die Braut und alle Obrigen menschlichen Figuren des Bildes geoio in der Gewandung des täglichen Lebens gebildet sind, und bei der Braut die Tracht der Hochzeiterin sogar mit einer Genauigkeit dar- gestellt ist, wie kaum auf einem anderen antiken Bildwerk, soll allein der Bräutigam in heroischer Nacktheit, nur mit einem nach- lässig über die Oberschenkel geworfenen Gewand dargestellt seio? Diese Erscheinungsweise ist für einen Bräutigam ebenso unmöglich wie die Situation, in der er dargestellt ist.

Nur die falsche Voraussetzung, dass auf dem Bild neben der Braut der Bräutigam nicht fehlen dürfe, bat die augenscheinliche Thatsache verkennen lassen, dass dieser nackte gebräunte Jüngliog, der dem Knabenalter noch sehr nahe steht, zu demselben Kren göltlicber rigurcn gehOrl wie Aphrodite uud Cliaris. leb bflDCte es kaum auszusprecbe^gllasi Uyait^najoa*) ist, für den auch der

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Kranz aus Epheu uod Blumen besonders passt. Er harrt an der Schwelle des Gemaches auf die noch zögernde Braut.

Durch diese Erkenntniss verschiebt sich mit einem Mal sowohl die Oertlichkeit als der Zeitpunkt des Vorganges. Nicht der Tha- lamos ist es, in dem wir . die Braut von aller menschlichen Gesell- schaft verlassen, dafür aber von freundlichen Göttern umgeben er- blicken, sondern ihr Mädchenzimmer, ihr Parthenon. Der Vorgang spielt in ihrem Elternhaus, nicht in dem ihres jungen Gatten. Sie harrt des Momentes, in dem sie zum Hochzeitszuge abgeholt werden soU, träumerisch sinnend, da sie von ihrer Kindheit Abschied nehmen muss. latn véniel virgo, iam dieetur hymenaeus. Allerdings scheint ja nach Lucian conviv. 8 die Braut am Hochzeitsmahl theilgenommen zu haben; aber allgemein war diese Sitte nicht, wie die eben ci- tirte SapphoObersetzung des CatuU lehrt. Nach dieser sind zwar die Brautfohrerinnen beim Mahle zugegen, die Braut aber zeigt sich erst, wenn der Abendstern am Himmel steht. Wenn also in der ^^va%aXvnto(jiévri des Komikers Euangelos (Athen. XIV 644 D) der Brautvater vier Tische für die Frauen herrichten lässt, so ist hieraus die Theilnahme der Braut am Hochzeitsmahl keineswegs mit Sicher- heil zu erschliessen. Sollte sie aber wirklich in Athen allgemeine Sitte gewesen sein, was ich stark bezweifele, so würde auch das gegen die vorgeschlagene Deutung nicht das Geringste beweisen, da es ja gar nicht gesagt ist, dass das Original der Aldobran- dinischen Hochzeit gerade für Athen bestimmt gewesen sei und die attischen Hochzeitsbräuche wiedergebe.

Die rechte Seitenscene zeigt die Vorbereitung zum Hochzeits- zug. Die Citherspielerin ist mit nichten eine Freundin der Braut, sondern wie der Mangel des Mantels, der Aermelchiton , wie er dem professionellen Musiker als Tracht seines Standes zukommt, und der etwas kecke Gesichtsausdruck erkennen lassen , eine ge- miethete Musikantin, die den Hochzeitszug begleiten soll. Eine gaos entsprechende Figur finden wir auch auf der Berliner Hoch- leitssebale. Auch das Mädchen, das von dem Broncebecken doeh wohl einem ^(luxrriQiov den Deckel abhebt, ist, obwohl

fcbiliel, wofjkr die Endymion- und Hochzeitssarkophagen zahlreiche Belege bleteo, i. Sarkophagrel. Ill Taf. XYIII ff. und dazu S. 90. Aber auf dem des Aetion scheint Hymenaios ähnlich ausgesehen zu haben wie ' AMohiBiidinischen Hochzeit, da ihn Lucian {üerod. 5) ein ftte^dxtor ^eSm^ nennt, vgl. auch das pompejanische Bild Heibig Nr. 855.

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seine Tracht, Peplos mit Ueberschlag und befranztes MäotelcheD, vorDehmer ist als die der Citherspielerin, als eine Dieneria auf- zufassen. Dagegen ist die majestätische Gestalt in violetteoi Mantel und Blatterkronc , die zwischen der Sclavin und der Monkantin mit der Miene der Ordnerin in der Mitte steht, ganz gewi» die Nympheutria.

Schwieriger ist es Ober die linke Seitenscene ins Uare zu kommen. Zwar, dass der Vorgang im Innern des Hasses spielt und dass die Frau mit Blaltßlcher und schleierartig Ober des &opf gezogenem weissem Mantel die Brautmutter ist, lehrt schoa der erste Blick. Aber ganz unklar ist ihre Handlung. Man sagt, das» sie mit ihrer Hand die Temperatur des in einem Becken rmr ihr stehenden, zum Brautbad bestimmten Wassers prflfe, aber das Braut- bad muss ja langst vorüber sein. Ob es sich nicht eher ■■ ein Bespritzen mit Weihwasser handelt? Dass man ein Badebeckeo auf einen säulenförmigen Untersatz stellt, ist jedenfalls nngewOhsücfa; aber das Perirrhanterion auf Polygnots Uiupersis, das Fassiaias X 26, 9 als vnoaxavfjç tb Xi&ov xai lavTTjçiov irri w^ rno- axtttf] x<>^xot}y beschreibt, muss ganz ähnlich ausgesehen Inbeo. Dass die Braut Tor dem Verlassen ihres Mädchengcancbcs siit Weihwasser besprengt worden sei, wäre ja sehr wohl denkbar; bezeugt ist es freilich nicht, wie wir ja Oberhaupt Ober die Hocb- zeitsgebräuche ausserordentlich mangelhaft unterrichtet sind. Ob von den beiden Dienerinnen, die der Hausfrau assistiren, die eise wirklich Wasser in das Becken nachgiesst, ist mir anck moch zweifelhaft.

Die Art, wie wir auf diesem Bilde vom Vorraum in das Midcbet- gemach und von diesem in das Innerste des Hauses geführt w«rde&. also gewissermaassen von der Strasse aus die Wohnung der Irast durchschreiten, erinnert noch ganz an das ähnliche VerfiAnvn, das Polygnot bei seinen grossen Wandgemälden befolgt haL*) >tfartich aber war das Origiual der Aldobrandinischen Hochzeit hetifciiithdi jünger. Die Stellung der Charis hat offenbar den Sauroktnaw Praxiteles ziu* Voraussetzung. Auf die vielfachen BerOfamnMi nut Terrakoiieu haben Reinach Nécropole de Myrina zu pl. 3lL j». 446"« und F. Winter Archäol. Auzeig. 1S95 S. 121 aufmerksam xreaDaclii.

li S. Iiiuper>i# S. 45.

2) Die Richtigkeit der Beaeooaog der tfeb«D der Bnat ss^ttaam F-^c

ihrodiie hätte Keinach uicht bezweifeln sollen.

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Der Qbliche Ansatz um die Zeit Alexanders des Grossen wird wohl das richtige treffen. Damals scheint das liegende Rechteck ein für Tafelbilder besonders beliebtes Format gewesen zu sein. Wir finden es auch bei dem auf ein Gemälde des Philozenos von Eretria zurück- gehenden Alexandermosaik, und von den Rildern des Apelles müssen mindestens drei, die Verläumdung, die pompa des Megabyzos und der durch Herondas (IV 60) bekannt gewordene Opferzug im Asklepieion von Kos dasselbe Format gehabt haben. Die Aldobrandinische Hochzeit stammt also aus derselben Zeit, wie das Gemälde des Aetion, das Plinius 35, 78 als anus lampadas praeferens et nova nupta vereeundia nobilis bezeichnet. Sie ist zwar nicht^ wie ge- legentlich behauptet worden ist, mit ihm identisch, aber sie bildet inhaltlich zu ihm das denkbar passendste Gegenstück. Dort der Eintritt der Rraut in ihr neues Haus,') hier die letzten Augenblicke der Rraut in ihrer Madchenkammer.

XIII. ZUR MBiDiAsvASB. Für die Deutung des Schulterstreifens der Meidiasvase hat sich die Grundlage verschoben, seit der treff- liche Cecil Smith den Namen des sitzenden Königs, den ich zu Ititlag ergänzen wollte,*) mit absoluter Sicherheit als l^xafiaç gelesen hat.') Daraus ergiebt sich, dass die dargestellten Helden nicht, wie ich früher annahm, als Argonauten zu denken sind, und das Fehlen des lason macht keine Schwierigkeit mehr. Wenn aber nun C. Smith zwei getrennte Scenen statuiren will, von denen die eine Herakles im Hesperidengarten , die andere eine Auswahl athenischer Phylenheroen darstellen soll, so widerstreitet eine solche Auffassung den Gesetzen der attischen Vasenmalerei, die niemals zeitlich auseinanderliegende oder gar ganzlich disparate Vorgänge im Rahmen desselben Rildes zusammenstellt, am wenigsten auf einem Schulterfries. Sie widerstreiter aber auch dem Augenschein; denn wie lolaos, den Smith zur ersten Scene zählt, sich zum Fortgehen wendet, um hinter den von Smith zur zweiten Scene gerechneten Heroinnen her auf Akamas zuzuschreiten, so correspondirt der Gestus des Oineus aus der angeblich zweiten Scene mit dem des Klytios aus der angeblich ersten. Er und der hinter ihm

1) Vgl. R. Förster in der Arch. Zeit. XXXU 1874 S. 89.

2) Bild und Lied S. 40 A. 50.

3) laum, of heU. stud. XllI 119, CataL of the Fasei in the Brit Mus. ill 176 (E 224).

Hermes XXXV. 43

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stehende Klymeoos, der in Haltung und Bewegung das genaue Gegenstock zu lolaos bildet, wollen sich an der Gruppe von De- mophon und Chrysis vorüber zu dem Baume begeben, also aus der zweiten von Smith supponirten Scene in die erste hineinschreiten» Der Maler hat also sein Möglichstes gethan, um dem Beschauer^ die Einheitlichkeit der Composition zum Bewussisein zu bringen. Auch die attischen Heroen, Akamas, Demophon, Hippothoon, Oineus und Antiochos, zu denen Philoktet, Klymenos und Kljtios gesell/ sind, haben wir uns mithin als im Hesperidengarten anwesend zu denken. Wie ist das zu erklären? Offenbar nicht so, dass sie etwa auf irgend einem abenteuerlichen Zug wie der Argofahrt, dortbio gelangt sind, sondern so, dass er ihr dauernder Aufenthalt ist, den sie als verklärte Heroen bewohnen, eine Vorstellung, die ja der ursprOnglichen Idee des Hesperidengartens durchaus entspricht, lo dieser Beziehung ist also diese Scene der Meidiasvase nur die zeit- gemässe Umbildung des Kyrenaeischen Schalenbildes,') auf dem ge- flügelte Seelen männlichen und weiblichen Geschlechts einen von der Nymphe Kyrene gehaltenen Zweig des Hesperidenbaumes um- schweben. Man nennt diese Flügelwesen jetzt meist nach M. Mayen Vorgang unter Berufung auf Akusilaos (bei Philodem n. eia. 43 Gomp.). Harpyien,') was im Grunde auf dasselbe hinauskommt, da die Seelennatur der Harpyien durch E. Rohde erwiesen ist') Um die mythische Chronologie hat sich natürlich Meidias nicht im geringsten gekümmert; er mag sich ruhig gedacht haben, dass Philoktet schon unter den Heroen weih, während Herakles noch auf Erden wandelt, obgleich es allerdings nicht ganz ausgeschlosseo wäre, sich den Philoktet wie den lolaos als Begleiter des Herakles bei seinem Zuge zu den Hesperiden vorzustellen. Neben den Heroen

1) Flinders Pétrie jNaukratU pl. 8. 9; genauer bei Stndniczka Kyrene S. 18 Fig. 10.

2) Diese Bezeichnung kann auch den bärtigen unter diesen Gestalten ge- geben werden, da die j4nn, d. Inst 1882 iav. d^agg, 0 publicirte Jattasche Vase lehrt, dass es auch Harpyien männlichen Geschlechts gab^ also a^jtvês^ wie nach Hesych s. v. die Âeoler den Eros nannten, vgl. auch Parthenios im EU Magn, 148, 33. Keinesfalls ist die Bezeichnung Boreaden aufrecht zu erhalten. Arn einfachsten aber wird man die Flugelwesen der Kyrenäischen Vase yv^oi nennen, zumal sie hier nicht als Hüter des Baumes erscheinen, welches be- sondere Amt Akusilaos den Harpyien zuschreibt.

3) Rhein. Mus. L 1895 S. Iff.; namentlich S. 3 A. 1; vgl. auch Stengel iben S. 634 f.

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finden wir die verklärten Heroinnen, die anderweitig nicht bekannten Arniope und Chrysis, Elera, die man gewöhnlich und Tieüeicht mit Recht als die Lenkippide Hilaeira zu betrachten pflegt^ und vor allem Medeia, deren Einführung zu der irrthOmlichen Vorstel- lung Anlass gegeben bat, als ob der Vorgang zu dem Argonauten- zug in Beziehung stünde. Wenn nun Medeia mit ihrem Zauber- kasten und mit bedeutsam erhobener rechten Hand dargestellt ist, so muss sie in irgend einer Handlung gedacht sein» Und damit hellt sich der einzige Punkt auf, der bisher in der Darstellung des Vorganges am Hesperidenbaum noch dunkel geblieben war. Während nämlich auf der Assteasvase und anderen verwandten Bilderwerken') eine Hesperide dem Drachen in einer Schale den Zaubertrunk reicht, damit ihre Schwestern die Aepfel pfiflcken können, erscheint auf der Meidiasvase der Drache bereits eingeschläfert mit herabhängendem Haupt, ohne dass in der Hand einer der Hesperiden eine Schale zu bemerken wäre. Hier ist es also die vom Baum wegschreitende Medeia, die das Wunder vollfahrt hat, nicht als eine der Hesperiden, aber doch als ein diesen nunmehr gleichstehendes Wesen, das mit ihnen zusammen die Gärten der Seligen bewohnt. So übt sie jetzt als Gottin dieselben Künste, wie früher als Sterbliche, indem sie den Ladon mittelst ihres Zauberkastens in Schlaf versenkt, wie einst auf Erden den kolchischen Drachen.

XIV. DER KAMBO DB LA SAINTB CHAPELLE. Nachdem FuFtwäugler in seinem nach jeder Hinsicht musterhaften Werk über die antiken Gemmen für das Studium dieser Monumentenclasse zum ersten Mal eine solide wissenschaftliche Basis geschaffen hat, wird auch der Pariser Stein mit der Aussendung des Germanicus, von dem Taf. LX des genannten Werkes eine neue vorzügliche Reproduction *) bringt, sich wieder grosserer Aufmerksamkeit erfreuen, als ihm in den letzten Jahren zu Theil geworden ist. Ich mochte daher nicht unterlassen auf einen alten Interpretationsfehler hinzuweisen, den auch Furtwängler in seiner im übrigen vortrefflichen Be- sprechung H 268 wiederholt:') Der orientalisch gekleidete, bart-

1) S. die ZusaiDmenstellang bei Gerhard Akademische Abbandlnngen Taf. XIX-XXI.

2) Von früheren Abbildungen ist die beste die bei Bernoulli Rom. Iko- nogr. 11 1 Taf. XXX, die verbreitetste Müller- Wieseier 1 69, 378.

3) Dass der Kameo Hawkins (Wieseler Gölt. Nachr. 1882 S. 709 ff., auch bei Bernoulli Rom. Ikonogr. 11 1 S. 277) eine plumpe Fälschung sei, ist auch

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lose HaDD, der in dem oberen Abschnitt einem auf einem FlQgelross reitenden Prinzen des iulisch-claudiscben Hauses die Weltkugel entgegentrilgt, als ob er sie ihm zu Füssen legen wolle, wird ziemlich allgemein fQr einen der mythischen Stammyater der lulier gehalten, meist für Aeneas, von Furtwflngler, nach dem Vorgang von Peiresc dem übrigens auch schon Ch. Lenormant zugestinunl hatte, für Ascanius-Julus. Die Benennung Aeneas ist ganz un- möglich, nicht nur wegen der für ihn nicht passenden Unbartig- keit, sondern weil Aeneas nach einem offenbar ganz feststehenden Princip niemals in phrygischer Tracht dargestellt wird. Das gilt ebenso für die römische Kunst, wie für die griechische. Besonders lehrreich sind dafür die in einer früheren Nachlese (in dies. Ztschr. XXil 454) besprochenen Sibyllenbilder, auf denen zwar Ancbises und Ascanius in asiatischer Gewandung dargestellt sind, Aeneas aber nackt bis auf die Chlamys, also ganz griechisch erscheint. For Ascanius also würde, wie wir eben gesehen haben, die phrygiscbe Tracht allerdings passen. Aber wie sollte dieser, den die Sage schon als Knaben sterben Iflsst, als Erwachsener und, wie mir wenigstens scheint, mit ältlichen Zügen dargestellt werden können? Wie passt es ferner, dass ein solcher Vertreter der mythischen Vorzeit einem seiner späteren Enkel die Weltkugel zu Füssen legen will? Dass er vollends, wie Furtwangler annimmt, den Divus Au- gustus auf dem Rücken trage, scheint mir durch die ganze Stellung dieser Figur, vor allem durch das hochgezogene rechte Knie aus- geschlossen. Man vergleiche, um sich des Unterschieds recht be- wusst zu werden, den vom Adler getragenen Homer auf dem oben S. 653 A. 4 erwähnten pompejanischen Silberbecher oder die von der Morgenwolke') getragene Aurora auf dem Panzer der Augustus-

stets meine Ueberzeuguog gewesen. Uebrigens wird der Fälscher schwerlich das Original oder einen Gipsabguss, sondern lediglich eine Abbildung Tor sich gehabt haben, wie ich vermuthe den Vostermanschen Stich nach der Rabeos- Bchen Zeichnung, wiederholt bei Montfaucon Ânl, Y pi. 127. Auch den Text des Montfaucon scheint der Fälscher gekannt und unter seinem Eiofloss den (Aeneas' in eine deutliche Roma (Peirescs von M. bekämpfte Deutung), deo Augustus in eine Venus (M.s eigene Deutung) verwandelt zu haben. Köstlich ist, wie er aus dem Panzer, den der jüngere Drusus als Tropaion sb daer Lanze tragt, eine Victoria gemacht hat. Uebrigens ist das Stuck für archäo- logische Uebungen vorzüglich geeignet, und Benndorf sollte nicht versiumen, es einmal in den Wiener Vorlegeblältern zu bringen.

1) So, nicht als Morgentiiau wie Jahn wollte and auch noch Heibig '^ I 6 Nr. 5 annimmt, scheint mir die Figur mit dem Wassergefäss so

ARCHÄOLOGISCHE NACHLESE 665

Statue Yon Prima Porta. Der Divus Augustus ist vielmehr als Zu- schauer im Hiotergrund sitzeod gedacht.

Asiatisch gekleidete Figuren finden wir nun auch im mittleren und unteren Streifen des Kameo; hier neben den vonGermanicus besiegten Germanen auch trauernde Orientalen, dort am Throne des Tiberius und der Livia, und zwar die^^r zunächst und deutlich als Schutzflehenden charakterisirt , den PartherkOoig Vonones. Diese Benennung scheint mir evident.*) Bedeutet doch die Vertreibung dieses in Rom aufgewachsenen und von Augustus zum KOnig ein- gesetzten Prinzen den Anfang der Verwicklungen, die zu lösen Germanicus ausgesendet wird. Nach künstlerischem Sprachgebrauch stellt der Steinschneider denVonones als einen persönlich am Kaiser- thron Hilfe Suchenden dar, obgleich er nach seiner Vertreibung nicht in Rom war, sondern zunächst in Armenien, dann in Syrien. Jedenfalls ist es mir ganz unmöglich diese Figur mit A. Rubens, Le Roy und Furtwäogler für weiblich zu halten Und in ihr die trauernde Armenia oder Parthia zu sehen, zumal Personificationen sonst auf diesem Kameo ganzlich fehlen. Da nun die Gewandung dieses Vonones mit der des angeblichen Aeneas entschiedene Aebn- lithkeit zeigt, scheint es mir einfach methodisch geboten, auch in diesem einen Parther zu sehen. Die demüthige Geberde, mit der er dem kaiserlichen Prinzen entgegenschwebt, kann diese Auf- fassung nur bestätigen. Natürlich muss es sich um einen Verstor- benen und einen König handeln.

Um nun die symbolische Ueberreichung der Wellkugel zu ver- stehen, müssen wir uns in die Athmosphäre der kaiserlichen Hof- kunst ersetzen, die ihre Ausdrucksweise seit dem Tod des Augustus noch gewaltig gesteigert hat. Eine wirkliche Unterwerfung des Partherreiches würde ja in der That für Rom die Herrschaft über die Oikumene bedeutet haben; dies Hess sich also durchaus correct so darstellen, dass der Herrscher des einzigen bisher noch nicht römischen Grossstaats dem Vertreter Roms die Erdkugel zu Füssen legt. Die höfische Hyperbel liegt nur darin, dass das freundliche

beoenneD zu sein. Es genügt wohl an die Nepbelai zu erinnern^ die aof der Pythonvase und Ihrer Replik den Scheiterhaufen der Alkmene ausgiessen {Jnn, d. Intt 1872 tav, d*agg, A, vgl. Engelmann Alkmene, Berlin 1882 Progr. d. Friedrichsgyron.; ders. Archäologische Studien zu den Tragikern 52 0'.).

1) An einen arsacidischen Prinzen halte sthon E. Q. Visconti gedacht, dem Bernoulli u. A. beistimmen.

666 C. ROBERT

VerhäUoiss mit dem Partberreich, das uoter Augustus eioe ZeidaDg bestand, als directe Unterwerfung aufgefasst wird.

Welcher bisloriscbe Act hier in die höheren Sphären projicirt dargestellt ist, kann kaum zweifelhaft sein. Da Yon dem im mitt- leren Streifen angebrachten, noch lebenden Vonones natürlich ab* zusehen ist, kommt als der Jetzte PartherkOnig, mit dem Rom leid- liche Beziehungen hatte, nur Phraatakes in Betracht. Und das hier symbolisch angedeutete oder besser sich im Jenseits wiederholende Ereigniss ist sein Zusammentreffen mit Gajus Caesar, durch das die politischen Verwicklungen gelost wurden.*) Gedacht ist die Hand- lung so, dass der früher verstorbene Phraatakes dem Gajus Caesar bei seinem Eintritt in das Jenseits entgegcnschwebt, wie der Vasall seinem Herren. Und auch im Himmel spielt sich dieser Vorgang, wie einst auf Erden die Zusammenkunft am Euphrat, unter den Auspicien des Augustus ab. Der junge Mann auf dem Flttgelpferd ist also Gajus Caesar, und hier treffe ich insofern mit FurtwSngler zusammen, als dieser in dem Gesicht dieses Reiters den rein iu- lischen Typus, nicht den der Claudier, erkennt. Er selbst deutet ihn aber nach Peirescs Vorgang als Harcellus. Indessen scheint mir die Aehnlichkeit mit diesem, dessen Züge wir ja jetzt dureb Haus schone Entdeckung') genau kennen, nicht so gross wie mit dem allerdings bis jetzt nur von Münzen her bekannten Kopf des Gajus Caesar.')

Es leuchtet ein, wie bei dieser Auffassung der obere Abschnitt zu dem mittleren in weit engere Beziehung tritt als bisher. Nicht einzelne hervorragende Hitglieder des iulischen Hauses sind hier zusammengestellt, sondern wir haben eine völlige Parallelscene zo dem Vorgang auf Erden vor uns, die symbolische Verherrlichung einer früheren Expedition gegen die Parther, die gleichfalls von einem kaiserlichen Prinzen unternommen war. Der Gedanke, der dieser Zusammenstellung und überhaupt dem ganzen Stein zu Grunde liegt, ist : mOge Germanicus im Orient denselben politischen Erfolg

1) S. Dio Gassius LV 10 a und namentlich Velleius 11 101, der diese Zusammenkunft ein spectaculum perquam darum et memorabiie nennt. Vgl. Mommsen Rom. Gesch. V 374, Res gestae divi Augusti 143.

2) Statua di Marcello in den Alti delta R. Aceademia di NapoU XV 1890, vgl. dazu Rom. Mittli. VI 1891 S. 268.

Bernoulli Rom. Ikonogr. II 1 Taf. 32, 16; Tgl. auch die Gemmen bei r Taf. XLVII 51 und dazu Tcxlband II 227.

ARCHÄOLOGISCHE NACHLESE 667

haben, wie einst Gajus Caesar. Dass sie daniit den Prinzen zugleich ein bOses Omen mit auf den Weg gaben, daran dachten der Künstler und sein höfischer Auftraggeber oder Berather natOrlich nicht Noch weniger konnten sie sich träumen lassen, dass es sich erfOUen sollte. Und so entbehrt dieser Act höfischer Schmeichelei auch nicht einer gewissen Tragik.

In dem schwebenden Krieger, der an der linken Seite das Pendant zu Gajus Caesar bildet, habe ich eine Zeitlang dessen Bruder Lucius vermuthet. Die Entsprechung mit dem mittleren Streifen würde dadurch noch grösser werden, dass oben die beiden ehe- maligen, unten die beiden gegenwärtigen Kronprinzen, Germanicus und der jüngere Drusus, einander gegenübergestellt wären. loh muss aber Furtwängler zugeben, dass der Kopf ausgesprochen den claudischen Typus hat, und so wird die übliche Deutung auf den älteren Drusus, der als Vater des ausziehenden Feldherrn hier min- destens so gut am Platz ist, wie Lucius Caesar, wohl das Richtige treffen.

Zugegeben muss werden, dass mit der Chronologie sehr ver- wegen gespielt wird. Der Tod des Gajus Caesar fällt lange vor den Orientzug des Germanicus und doch sind beide hier in einen Moment zusammengedrängt; der Beschauer soll sie sich als gleich- zeitig denken. Das ist eine Freiheit des Künstlers, die man nur constatiren kann und eben hinnehmen muss. Als rein künstle- risches Motiv, wie Furtwängler will, kann man dies Heransprengen und die Grussbewegung des Gajus Caesar schwerlich verstehen. Das FlOgelross, das ihn der Künstler reiten lässt, hat ihn doch offenbar erst eben zu den Seligen emporgetragen, wie der Adler den Homer auf dem Silberbecher und der Genius den Antoninus Pius und seine Gemahlin auf der Basis des Giardino délia Pigna.*) Hätte das Ross nicht diese bestimmte Function, [sondern bezeich- nete allgemein den Verklärten, wie käme es dann, dass nicht auch Augustus und der ältere Drusus beritten erscheinen?

Vielleicht darf bei dieser Gelegenheit auch eine Vermuthung geäussert werden, die ein sehr verwandtes Monument, das Braun- schweiger Onyxgefäss, betrifft. Auch dieses hat Furtwängler HI 338 f. besprochen und sehr mit Recht in den beiden als Triptolemos und Ceres gebildeten Persönlichkeiten ein kaiserliches oder prinzliches

1) BraoD-BruckmanD Taf. 210.

668 C. ROBERT, ARCHÄOLOGISCHE NACHLESE

Paar vermuthet. Hit der AnDahme, das« dieses in die eleusinischen Mysterien eingeweiht gewesen sei, ist indessen der Inhalt der Dar^ Stellung schwerlich erschöpft. Erinnern wir uns, dass auch Ger^ manicus auf der Silberschale von Aquileja als neuer Triptolemos dargestellt ist, gewiss nicht weil er in die eleusinischen Mysterien eingeweiht war, sondern weil seine Expedition nach dem Orient als Cultunnission aufgefasst und als solche zu dem Zug des Trip- tolemos in Parallele geseilt wurde, so darf vielleicht der Gedanke laut werden, dass es sich auch hier um einen nach dem Orient liehenden Prinzen handelt, und da die Ztlge dieser Figur, soweit die stQmperhafte Ausführung ein Urtheil gestattet, den Typus der lulier zeigen, liegt der. Gedanke an Gaius Caesar wirklich sehr nahe. In diesem Falle wSre das Braunschweiger Onyxgefte das directe Pendant zu dem Camée de la Sainte Chofdle. Allerdings verweist es FurtwSngler in die Zeit des Claudius; aber es fragt sich, ob die, wie Furtwängler selbst sagt, «sehr geringe, ungeschickte, unsichere, man mochte sagen stotternde' Arbeit eine so bestimmte Datirung nach rein stilistischen Kriterien gestattet.

Halle. C. ROBERT.

MISCELLEN.

NENNOS.

In der Abhandlung neçl Svwïxwv havviwfiàviov 2 (p. 1033 e R.) theilt Plutarch die Aufschrift eines Standbildes mit, das Aristo- kreon seinem Oheim, dem Philosophen Chrysippos, gesetzt hatte. Das Distichon lautet nach den Handschriften und Ausgaben folgen- dermaassen:

%6v6b viov Xçvamnov 'AQiatoxQéwv ave&rjxB %wv *Aiiadrjf4€ïxwv*) a%QayyaXl6wv xonlöa. Wieso Chrysippos véoç heisst, ist unerfindlich; jeder Versuch der Erklärung führt auf Widersinn. Von einem ,neuen* Chrysippos wie etwa Spätlinge von einem neuen Homer u. s. w. kann ge- rade sein Neffe nicht reden, zumal es sich um den ersten und ein- zigen berühmten Träger des Namens handelt. Für Th. Preger ist fdieser Chrysippos ,neu* ak Standbild; diese merkwürdige Auffassung setzt sein nachdrücklicher Verweis {Imcr. gr* metr. 160) auf den Vers (Kaibel JSjpt^. gr, 311) vlg â' fj h jfj arrikk]] eixwv vbo- revxTog vnaQxei augenscheinlich voraus. Auch als gung* kann der Philosoph weder an sich noch Aristokreon gegenüber be- zeichnet sein. Selten genug berechtigt ein besonderes Altersver- hältniss einen Neffen die Jugend seines Oheimes zu betonen. Aber so wie es überliefert ist, bringt das Epigramm die verwandtschaft- liche Beziehung zwischen Chrysippos und Aristokreon überhaupt nicht zum Ausdruck, und der Neffe war jünger ak sein Onkel, und der Onkel, als er das Standbild erhielt, nicht mehr jung. Ein Beschluss der Athener, den ich in dem nächsten Hefte der '£çpi}- fÀSQtç aQXCtioXoyi^xri veröffentliche, zeigt, dass Aristokreon aus Seleukeia in Pierien, seiner Vaterstadt, und Antiocheia kurz vor dem Jahre des Arcbon Charikles, vielleicht 239/8 v. Chr., zu Studien {kni axoXriv) nach Athen gekommen war. Damals stand

1) So T. Wilamowitz Coniectanea (ind, led. Gott. 1884) 15

670 MISCELLEN

Chrysippos, zwischen 281 uod 277 geboren, im Alter von ungefähr 40 Jahren; so konnte ihn sein sicher jQngerer Neffe doch nicht wohl véoç nennen. Auch verbürgt nichts, dass sich Aristokreon so beeilt hat, dem Oheim eine Bildsaule zu setzen. Sehr wohl kann er diese Chrysippos erst in höherem Alter gewidmet haben; lebte er doch, wie der Beschluss CIA. IV 2, 407 e (Dittenberger Sylh* 481) lehrt, durch den ihm die Athener nach froheren Be- krflnzungen die Proxenie verleihen, auch in spateren Jahren, um die Zeit der Befreiung von der makedonischen Herrschaft (229 v. Chr.) und vermuthlich auch forthin in Athen. Wie immer véoç aufgefasst werden mag, es bleibt unverständlich. Wohl mancher Leser hat Anstoss genommen, aber die Heilung ist noch nicht ge- funden. Denn Reiskes Einfall %6vô* heov XQvaucnov thun die Herausgeber zu viel Ehre an, wenn sie ihn in ihren Bemerkungen erwähnen; was soll der ,8tumme* Chrysippos? Ist ein Eigenschafts- wort an der Stelle überhaupt zu erwarten? Dem Sinne nach einzig richtig ist v. Wilamowitz' Vermuthung %ov &eîov; sie hat nur das Wort nicht getroffen. Ich bin tiberzeugt, dass %6v A6N60N aus tov Ne N NON enUtellt ist:

Tov vivvov Xçvamnov 'AQiaroxQiwv avéd^xB. Wie üblich kennzeichnet die Verwandtschaftsbezeichnung den Anlass der Stiftung. 'Ot'^ç fÀTjTQoç àÔBXq>bç d-uogiQ ^ri%Qadi,hf>oç i] fÂijrçwç fj vévvoç giebt Pollux 111 22 an; und Aristokreon war tbatsächlich der Schwestersohn des Philosophen : nezaTtBfÂtpà" jnevoç %ovç Ttjç àâ€lq>rjç vUîç l/iQiatoxQéovra xal 0û.oxçtt%fjv avv€XQo%rjae berichtet Diogenes Laertios in dem Leben des Chry- sippos VU 185. Das Wort kehrt wieder in der Inschrift eines rohen späten Todtenmahles unbekannter Herkunft (ähnlich den kürz- lich von Hiller von Gärtringen Thera I 178 besprochenen), die ich demnächst ebenfalls in der 'Eçrjfieçlç veröffentliche.

Der vertrauliche Lallname für Oheim, zu den Zusammen- stellungen, die P. Kretschmer in seiner Einleitung in die Geschichte der griechischen Sprache 341 ff. 354 gegeben hat, nachzutragen,*) entspricht dem Tone des Gedichtes. Aehnlich beginnt das Epigramm Anthol Palat. \ll 456: ^17^ %lT&rjv "Uqwv SsiXrjvlâa.

Athen. ADOLF WILHELM.

1) tJeber lat. und romaD. nonntu, neagr. vavwos a. 8. w. (Pate), Doaer ,NoDne* 8. G. Meyer Neugriechische Studien III (Wiener Sitzungsberichte ph. h. Gl. Bd. 132 III) 48,

HISCELLEN 671

EIN FRAGMENT DES KOMIKERS PHILIPPIDES.

Id der Lebeosbeschreibuog des Demetrios erwähnt Plutarch mehrfach (vgl. c. 11. 12. 24, 3. 26, 2) den Redner Stratokies, der gegen Ende des 4. Jahrhunderts in der Politik Athens eine fahrende Rolle spielte und sich durch Kriecherei gegen Antigonos und De- metrios Poliorketes hervorthat. Im c. 12 heisst es daselbst: ^y ôi xal taXla nacatoXfiog 6 StQaToxXrjg xal ߀ßi(ox(Ac èaelywç xaï t^ %ov TtaXaiov Kkitovog ànofiifiBîad'ai ôoxwv ßwfioXoxlff xal ßOBXvQlcc tfjv nçoç %6v ôfjfiov BvxéçBiav. Îoxb dk ttjv étal" çav OvXàxiov àveiXrjqxoç * xal tcotb airvfp nçoç ôeînvov i^ àyo- çSç TtQiafiévTjç lyxBqxxXovg xal VQaxf}Xovg, rtartal, bItcb^ voiavrà y' fitljwvrjxag olg oq>aiQiÇo/iÂBV ol noXiXBvàfABvoi. Die Worte

nanal,

Toiavra y^ wil^civrixag olg aq>aiQl^of€v entstammen offenbar einer KomOdie und lassen sich auch mit ziem- licher Gewissheit einem bestimmten Dichter zuweisen, dem Philip- pides, den Plutarch in derselben Schrift c. 12, 3 einen Freund des Königs Lysimachus nennt und als Muster von Rechtschaflfenbeit dem Stratokies gegenüberstellL Dass Philippides in seinen Komödien den Stratokies scharf angriff, berichtet Plutarch c. 26 und 12 (vgl. Kock III p. 308 fr. 25), und dass er ihn auch selbst auf die Bühne brachte, zeigt die Stelle in den Moral. 750 f., wo es heisst: tov- %ov yèiQ ovôév iativ èçwTixwtêQog o iayi dià xéçdog ail' àtpço» dialwv ïvexa xal avvovalag vno^évwv yvvaîxa fiox&riQàv xal aatOQyov âansQ StQaTOxXëî %(p ^rjfOQi OiXinrtlôrjg 6 xoi- fiixog ineyyeXùiv èftolrjoev (Kock fr. 31)

anooTQeçofÀévrjg %^v xoqvç>^v q>iXeîg jnôXig. Die Dame, die danach die Zärtlichkeiten des Stratokles mit Wider- willen aufgenommen zu haben scheint, ist wohl jene Phylakion, von der Plutarch in der angeführten Stelle spricht. Auf sie bezieht sich wohl auch die Angabe des Atbenaeus XIll 596 f.; vgl. dazu die Bemerkung von Kaibel. Und demselben Stück wie dieser Vers gehört wahrscheinlich auch das Bruchstück:

nanal,

TOiavTa y wtpwvrjxag olg acpaiqit^oiABv an, das einem Dialog zwischen Stratokies und Phylakion ent- nommen ist.

Strassburg i. Eis. WILHELM FRANTZ.

REGISTER.

Âchier, tod den OlyropieD aasgeschlos- seD 173. Acb. Bond, Geschichte UDd Verfassung 54 ff. Strategen 64 f.

Acies, römische 241 ff.

Adaios, Dynast in Thraltiéti 69 ff.

Aegypten, Bevôtkerungszahl 545.

Aeneas, sein Typus in d. alt. Kunst 664.

Agis, spartanische Könige dieses Na- mens 259 ff.

Aiolos in der Odyssee 627.

Akusilaos, Olympionike 171.

Aldobrandinische Hochzeit 657.

Alkainetos, Olympionike 170.

Alkidamas {Odyss. 17) 534. (21. 24) 535.

Ameinias, Pytbagoreer 197.

amiUere 138.

Ammonios, Scholien zu Ilias 0(162) 566.

Anakreon, Porträt 654 A. 1.

Anaxandros, Olympionike, Zeit 176.

Anon. n. v%vavç, Zeit 49 A. 2.

Anthropos, Eigenname 170.

Antigonos Dosoo, sein Tod 61 f.

Antiochos IV. Epiphanes, ägyptische Feldzüge 502; sein Philhellenismus 296 f. 483; sein Tod 270. 286. 303. 474 f. 488 f. 497 f. VU. Sideles, Parlherfeldzug und Tod 286 f.

Antonius, der Triumvir 210 ff.

Apelleas, Sohn des Kallikles s. Kallikles.

Apollodoros der Rhetor, s. Pergamon; der Mythogr. {bibl. ep. 9) 535 A. 1.

Apollonios Argon, Ueberlieferung 606 f. (in 145—161. 173—191) 605 ff. (IV 790) 75 ff.

Appian (Syr, 50) 546.

Apuleius Metam. (XI 5. 10. 24. 29)202ff.

Arat, Strateg des achäischen Bundes 67.

Ara tcommen tare (p. 318, 15 M) 200.

Archidamos, spartanische Könige dieses Namens 265 ff.

Archilochos, Sirassb. Fragm. 621 A. 2.

Archonten, attische, ihre Gompetenz 548.

Aristeus, Sohn des Cheimon, Olympio- nike 179.

Aristeides, als Redoer 11.

Aristion ▼. Epidaaros, Olympionike 171. Aristokreon, Neffe des Gbrysipp 669. Aristoteles [pol, IV 3 p. 1289 b 36) 331,

(A&. noL 10) 636 ff. (13, 4) 547. Aristophanes, Deberlieferang 604; {nub,

1371^1391. 1407^1428) 602 01 Aristoxenos, über Thesis a. Arsis 316

A. 1. 318 ff. Arkadischer Bund 260 ff. Arrian {taet. 12, 6 Herch.) 222 A. 1. 223. Arsis and Thesis 316 ff. 334. Artemidorosy d. Aristopbaneer 543 ff. Asianismus Iff. 536 ff.; As. ond Atti-

cismas, Sprache 38 ff. Asien, Provinz, ihr Kalender 332 ff. L. Asinias, Gons. 81 n. Chr. 443. Asklepiades n. oXvov 96üe»Q 359 ff. Asklepiodotos, {taet V 1) 222 A. 1. 5. Aspasia 551 f. Asteropaios 566.

Astylos von Kroton, Olympionike 163. Athenaeus, medicinische Quellen 350.

(XIV 643 f.) 566. (XV 665 a) 565. Atticismus, Ursprung 29, ff. 41 ff., s.

Asianismus. auxilla 207.

Baetica^ Alter des Namens 215. ßaitfj, Bedeutung 540 A. 2. ßoQßaCfioi 629. brevia Soldatenverzeicbnisse 443 ff.

Caesar, Kolonien 210 ff. Gaios G.,

der Enkel des Augustus, auf dem

Pariser Kameo 666. Catull, Epithal, Pelei, Quelle 85 ff. xaXaufia, takt Terminus 243 ff. Cheimon, Olympionike 179. XPovot avm u. «eaTitf 343. Chrysippos v. Knidos 371 ; verschieden

vom Lehrer des Erasislratos 371 ff. Chrysippos von Soloi, Statue 669. Cicero {ad Att, 1 14) 131. (de leg, I 23,

61) 136. (U 26, 66) 135. (Orot. 230.

31) 2 ff {de orat. 3,43) 1 A. 2.

REGISTER

673

Clemens Alexander, Komikercitate340 ff. (Paed. II c. 2 s. 28) 342. (lU c. 3 8. 20) 341. (c. 5 8. 32. c. 6 s. 34) 342. (c. 1 1 8. 15. 8.69) 341. (c. 12 8.92. 93) 340 f. [Protr. X 105) 340.

CoUatio legum Motaiearmn et Roma- narum^ dem Hieronymus zageachrie- beo 345; Abfas8ung8zeit 346.

Colonia geneiiva luUa 205 ff.

Daidalos, v. Sikyon Büdbaoer 191 ff. Damoxenos (IV 529 Mein.) 69. Dandis, Olympionike 164 f. Declamationen des Herodes, Polemon

o. a.; Sammlung 11. Demetrios I. a. II v. Syrien 284 ff. Denar und Drachme 449 f. Btetlafeßwuv für vnohiftßavuv 298

A.4. Dialectik bei Piaton 406 ff. duiaraciç, ^iàcxfifia^ tikt. Termini

243 ff. 246. Didymosscholien zu Ilias 612. 619 ff. /Êêoxalxffi, Eigenname 197. Diogenes Laert. (IX 21) 196. Dionysios v. Olynth, Homeriker 129. Dionysosfest auf Naxos 339 f. DiosKorides von Tarsos, Grammatiker

542. Dioskorinthios, syrischer JMonat(?) 482 f.

Eigennamen, griech., 326 ff. Enation, Olympionike 170. Enkomion, Alter der Litteraturgattong

533. Epameinondas, Apophtbegma 608 ff. Ephippoe T. Olynth 127. Epigramm auf d. Sieg am Eurymedon

117 ff. Epikles T. Kreta, Arzt 383 f. Epitimiadas (?), Olympionike 168. Erasistratos, Zeit 380. Eretria, Personennamen von 326 ff. Ergoteles, Olympionike 173. Ernte in Griechenland 573 ff. Eubôisches Gewicht 644 ff. Eophantos v. Olynth 128. Euphrosynos v. Mantinea 537 ff. Euripides, über die aofia der Frauen

549. {Med. 410 ff.) 549 f (/r.899) 565. Eurymenes v. Samos 166. Eurypontiden 254 ff.; Stammbaum 255.

265. Eusebius, syrische Königsliste 491 ff.

faenaria ,6ettung* 451. Favorinus, neues Bruchstück 609 f.

Florilegium in einem Strassburger Pa-

pyros 608 ff. Fraoenemancipation in Athen 548 f. Fo88, Polybianischer 220 A. 2.

Galen (XVII 1, 22 Kühn) 333. Gellius (N. A. I 9, 3) 137. (IV U, 14)

139. (XVII 15, 5) 137. (XIX 10, 6)

138. (XX 1, 28) 139. Gemüse, Lehre der Mediciner 365. Gewicht, attisches 636 ff.; euböisches

644 ff.; Gewichtsrednction 645 A. 2. Gliederabstand in d. makedon. Phalanx

219; in d. röm. Acies 249 ff. Gregorius Nazianz. Carm. mor, 1. 2 (III

522 M) 91 f.

Handschriften: Cod. Laur. 73, 1 (Kata- log von Aerzten) 367 ff.; Cod. Ven. der MakkabSerböcber 484 f. 521 ; Cod. Mediceus des Tacitus 530 ff. ; 8. auch Papyri. -

Harypien 634 f. 662.

Hegesias, Rhythmik 36.

Hegesippos ▼. Mekyberna 129.

Herakleides von Tarent, ^finaüiov, Quelle des Athenaeos 349 ff. 363 ff.

Herodotos (VIII 131) 254.

Herodotos t. Olophyxos 129.

Heroenreliefs 635 A. 1.

Hesiod, Hochzeit d. Pelens 79 ff. ("E^a 383) 579; Büste und Relief 650 f.

Hesperidengarten 661 f.

ficvxitl BS ipthüfo^ia 198.

Hiatus 34.

Hieronymos, Schrift ad iurit eonsuUos coli. hg. Mo*, et Rom) 344 f.

Hippokrates, Gitate bei Athenaeus 349 ff.

Hippolochos, Thessaler 533 f.

În7i0£ in erelrischen Eigennamen 326 ff.

Hochzeitolitteratur 90 ff., Bildwerke 657.

Homer (//. 1275 ff.) 561 ;SchoUen 611ff.; Glossen zu ^ 151— 365: 611 ff.; Por- trät 652 ff.

Hund auf Hcroenreliefs 635 A. 1.

Hymenaios 658.

Hyrkanos, Johannes, Hohepriester 287.

lason von Kyrene 269. 299 ff.

Ictus, metrischer 315 ff.; durch Punkte bezeichnet 342 f.

Ikkos ▼. Tarent, Olympionike 165.

Inschriften, griechische: attische (CIA. IV 179 A) 579 ff.; Olympia (147. 148) 181. (150) 168. (152) 181. (154) 181. (155) 180. (162. 115) 181. (169) 187; Tegea, Phylarchinschrift (Bitten- berger SylL P 106) 260 ; Mantinea

674

REGISTER

(BGH. XX 124) 536 ff.; Larisa (A&rfw VII 449) 557; Eretria (Ef. a^x> 1895, 131) 326 ff.; Delos (BGH. IV 325) 542 ff.; Naxos (BGH. XXI 20, 2) 339; PrieDe (Âth. Mitth. XXIV 275) 332 f. 537 ; Ephesos {Gr, inter. Brii. âtus, 481) 334.

lateinische : Osana (Brooceiafel GIL. II Suppl. 5439) 205 ff.; Alexan- dria (GIL. 111 Soppl. 14137) 528; me- trische Grabschriften {Carm. ep, Buecb. 877) 572. (970. 971) 568 ff. (982) 568. (991) 567.

lohannes Ghrysostomus, Ps.-, Osterrede 335 ff.; Dalirung 338.

losephus, Benutzung von Makk. I o. II: 293 ff; {belL /tid. II 385) 545.

Isokrates, Sophistenrede, Zeit 390 ff.; Euagoras 533; (noos JijfioréMov Ab) 607 ff.

lodas Makkabaeus 268. 306. 456. 466; Krieg roitÂntiochos Epiphanes466ff.; von Nikanor besiegt 498 fif.; Bûndniss mit Rom 501 f. anderer Judas 283.

xmtéirjlos s. irjlaç,

Kalender der Provinz Asien 332 ff.

Kallias, Olympische Wagensiege 177.

Kalliasfriede 111.

Kallikles v. JMegara, Bildhauer 194 f.

Kallimachos {ep. 26 in röm. Grabschrif- ten nachgeahmt) 567. der Hero- phileer, Zeit 382.

Kallisthenes, Hellenika 106 ff.

o xaXX^aroiy x^naros^ <piXiaroSy Pre- dicate <ier Olympioniken 142.

Kameo, Pariser 663 ff.

Katalog griechischer Aerzte (Cod. Laur. 73, 1) 367 ff.

Kimons Persersiege 112 ff.

Kinyras 535.

Kleombrotos , Vater des Erasistratos 380 f.

Kleophantos, Bruder de8Erasistratos382.

Knossos, Volksbeschlnss 542 ff.

xdXov 33 A. 3.

Komikerfragmente: Menander 340 ff.; Philippides 671; Strassburger Prolog 622 ff.

Königslisten, syrische 491 ff.

6 xocLTtaroi s. xâ)J.i<TTOS.

Krison v. Himera, Olympionike 171.

Kronion, Monat auf Naxos 340.

Kykladen, Begriff bei Thukydides 556 A. 1.

Kyniskos v. iMantineia, Olympionike, Zeil 174.

Kypria, von Apolionios benutzt 76.

Laidas, Olympionike 165. Xaoyga^ia 545.

Laotychidas, spart, Könige dieses Na- mens 254 ff. Leontiskos, Olympionike 169. LivÜ, Gnit in Mantlnea 537. Longaens Rnfns, ptvef« praet 529. Longinos Gasaias, ober Aristeides 11. Avytov, Spitzname 326 A. 1. Lykinos ▼. Sparta, Olympionike 172. Lykos, d. Thessaler, (Olympionike 171. Lykos, Sohn des Pelops, Anatom 383. Lykos ▼. Neapel, Zeit 383 ff. Lykurg Leoer. (72) 111. 115. Lysias (32, 5. 7. 20) 536.

Macellnm in Manfineia 537.

Makkabäer B. I n. II Titel 268; Ten- denz 271 ff.; Abfassnngszeit 276; Vergleichang 27 t ff. 465. 468. B. I, Gomposition 453 ff.; Quellen 463. 506; Ghronologie 468 ff. 506 ff.; Stil 460 ff. (c. 14,25) 463 f. B. II, Charakteristik 294; Proômiom277ff.; SUl 298 ff.; Echtheit und Text der Urkunden 297 f. 476 ff.; Godex Ve- netus 484 f. 521; Textkritik 521 ff. ~ B. Ill und IV 293.

Matris V. Theben 13 A. 4.

Mantineia, Schlachtbei, nach 250:2590. 264 f.; in der Kaiserzeit 539 f.

Mattathias (Makkab. 1 2) Abkunft und Söhne 270. 456 ff.

Medeia auf der Meidiasvase 663.

Megabyzos 31 A. 2.

Meidiasvase 661.

JMenandros, neue Fragmente 341. (fr.786 und 993) 340 ff.

Messenische Kriege 254 ff.

Metrik, antike 308 ff.

Metrologisches 220 A. 2. 636 ff.

fiiptjaiQ 29 ff.

Mine, attische 637 ff.

Mnaseas, Olympionike 170.

Morgenwolke, personificirt 664.

Münzen, arkadische 260.

Myrinos aus Amisos, Dichter 542.

Myron, Zeit 184.

fAvaaqxn^ 296.

Naukydes, Bruder des älteren Polyklet

190. Nemeen, Zeit 63. rêvvos 669.

Nikanor, Feldherr des Antiochos 498 f. Nikomedes v. Akanthos 130.

Oibotas d. Achäer, Olympionike 173. Oinopion 535.

REGISTER

675

Olympia, Kampfarteo und ihre Reiben- folge 143 ff. t47ff. 160 ff.; SpielUge 155 f. 161.

Olympioniken 141 ff.

Opfer für die Winde 627 ff.

Otiriaea veêti* 202.

Osterfest, Lage am Ende des 4. Jabr- hnnderla 336 ff.

oihU 340.

Pampbilos, Quelle des Atbenaeus 350.

Panatbenäen, Spielordnung 152.

Pantias V. Ghioa, Bildhauer 170. 103.

Papyri: London (Olympioniken) 141 ff.; Genf (Nicole-Morel Areh. miUt 1000) 443 ff.; Straasborg (Heslod) 79 ff.; (Ârcbilochos) 621 A.; (Aristopbanea) 602 ff.; (Prolog einer att. Komödie) 622 ff. ; (ApoUooioa Arg.) 605 ff. ; (rhetor. Scbolgedichte) 103 f.; (Iso- krates) 607 ff.; (FaTorinos) 608 ff.; (Florilegium) 609 ff.; (Iliasgloaaen) 61 Iff. s. auch Volum. Hercul.

Paris in Delphi 534.

Parmenides, Biographiacbea 196 ff.

Pausanias, Olympionikenliste 147. (Ill 7, 6) 254. (V 9, 3) 155 ff. (VI 13, 1) 163. (VIII 10, 5) 259 ff

Pelens u. Thetis, Hochzeit in der Ilias (^ 57) 76; bei Hesiod 78 ff.; in den Kyprien 73 ff. s. Gatull.

Peloponnesiscber Krieg , Chronologie 573 ff.

Pentameter, elegischer 309 ff.

Perennis, praef. praet. 528 f.

Pergamoo, rhetorische Schule 48 ff.

Periode, rhetorische 32 f.

Pferd auf Heroenreliefs 635 A. 1.

Phaidas, Arzt 565 f.

Phalanx, makedonische 218 ff.

Pheidon v. Argos, Zeit 648; Maass n. Gewicht 646 f.

Philippides, Komiker, neues Fragment

6 fihaxoç s. xaXhaTOQ,

Philodem (Rhet. I 150. 151. 157. 164.

165) 30 A. 4. Philonides v. Meky berna 129. Philolimos ▼. Aigina, Bildbauer 180. Phlegoo, Olympionikenliste 144 ff. (fr.

12) 143. Phraatakes, PartherkÖnig, auf d. Pariser

Kameo 666. <Poiyia^ Ort in Attika 557 A. 4. Pindar {Olymp. IV. V) 149. 182. (XIV)

183. {JSem. IV 57) 75. (V 22 f.) 82.

{Isthm. VII) 183. (Vm28ff.) 74 f. Piaton, Dialectik 406 ff.; Chronologie

des Phaidroa 386 01; Verbältniaa za Isokratea' Sophistenrede 390 ff.; zum Theaetet 412 ff.; Zeit des Gorgiaa 401 f.; Menexenoa unecht 112. 115. 124; sein Anaatz des meaaeniacben Aofatandea 257; (Sopk. 221a) 544.

Plinius, nat. hisl., Werthangaben 585 f. (XXXV 9) 653. (XXXVU 30) 558 A. 1. (XXXVU 204) 586.

Plutarch (Sol. 15) 643 f. {Demetr. 12) 671. iqu, symp. II 5) 150 f. {flpo- phth. Lac. 224) 255 ff. de Stoie. re- pugn, 2) 669.

Podares, aus Mantineia, Strateg 265.

Polybios, achäische ZeitUfel 53 ff. aber Takük (XVIII 29. 30) 218 ff. 243 ff. Stil 38 A. 2.

Polyklet, Zeit und Kunst 185 ff; der Jüngere 186L 193.

praetorium 437 ff.

Prokop {epüL 116) 12 A.

Prolog einer attischen Komödie 622 ff.

Prosa, ihre ëtdtj and Stiiarten 26.

Proserpina auf Ortygia 203.

Ptolemaioa Pindarion negl *Aa%9(^ naiov 566.

Ptolichos V. Aigina, Bildbauer 193.

Punkte zur Beziebong des metr. Ictus 342 ff.

nvKPwciS, takt. Terminus 233 f.

Pythagoras v. Rhegion, Zeit 184.

Rhetorik und Philosophie 16 ff. Rhianos über die messenischen Kriege

256. Rhythmus, rhetorischer 32 ff. 540 ff. Rom, Sitz des Classicismus 45. Rottenabstand in der makedon. Phalanx

232 ff.; in d. röm. Acies 246 ff.

Sappho, Hocbzeitslieder, ihre Nach- ahmer 95 ff.

Sarissa, ihre Länge 222 ff.

ca^ßfi& cgißavaUX 269.

satumaiicium katlrente 452.

Schollen: Arist. Av. (1041) 107. Homer (//. A 151-365) 611 ff. Pindar {OL IX hypoth,) 167. {Ol, XII hyp.) 173.

JSaßaorrj, erster Monatstag 333 f.

Seisachtheia 643.

Sellasia, Schlacht bei, Zeit 60 ff.

M.' Sergius, Gesandter bei Antiochos Epipbanes 486.

Sold der Legionare 443 f. 448 ff.

Solon 638 ff.

Sophistik, zweite 9 ff.; Name 14.

SostratoB ?. Pallene, Olympionike 173.

676

REGISTER

Sostratos, Vater des Pantiaa t. Pantias. SparUDJsche Könige 254 ff. Sudtrecht von Ureo 205 ff. ^rétfiOj polit Körperschaft 557 A. 6. SUter, DoppeimiDe 642 f. Stomios T. Elis, Olympionike 169. Strattis t. Olynth 127.

rojiroff, taxo^ 330 A. 1.

Taktik, griechische 216 ff.; römische 241 ff.

Talent, attisches 637 ff.

T)fx*yt^^ Eigenname 330 A. 1.

rê(fafimv 544.

&aKO&aXndç 348.

Theognetos von Aigina, Olympionike 165 f.

Theon Rhetor, Person and Zeit 6 A. 2. {progymn. p. 93) ebend. (p. 162) 108 A. 4.

Theon Grammatiker, Sohn des Artemi- doros 543 f.

Theophrast 9f. iU'$<a»c 27; n. vBaroç 355 f. 358.

Theopomp, ^PiXtnnMÛ^ Zeit der Pu- blication 109 f.

Thesis s. Arsis.

Thrasybnlos, elischer Seher 264.

Thok^dides, Zeitrechnung 576; Com- position und Abfassungsieit Ton II

6—25: 553 ff. - (H 6, 2) 553 A. 1.

(II 10, 3) 556 A. 2. (II 19, 1) 573 ff.

(II 25) 558. aV 52) 577. (LS 117, t)

576. (V 20. VIII 44, 4) 577. Timaios, ardiiologische Stadien 199 f. Timodemos t. Acharnai, Olymp. Sieg

183. Tryphon n, xQ6no»v 43 A. 1. Tyrtaios, Zeit 257 ff. (/>*. 3) 254 01

Urso, sudtrecht 205 ff.

Varro {Memjjtp fr. 445 B) 362. Versacoent 814 ff. vita iKeronymi 344. Volum. Hercul. II (VIII 105) 73 f. Vonones, Partherkönig, auf der Pariser Kameo 665.

Wasser, Lehre der Mediciner 351 Sl Wein, Lehre der Medianer 360 ff. Winde, ihr Gült 627 ff.

Savd-utoSy Monat 332 (L Xenophon {HeUen, VII 4, 29) 159 f.

S^Aofi 28.

Zopyros t. Klazomenai, Rhetor 13.

Irruck von J. B. Hirse hTe Id ia Leipxig.

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DATE DUE

IIJO JUL 17 1985

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STANFORD, CALIFORNIA 94305