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Human, der Lehrer

einer niederen und höheren Bolföfchule in

feinem Weſen und Wirken. Don

Johann Jacob Ewich.

I. Theil, Der Zehrer und vie Zuch.

1829, In Commiſſion bei 3. Bagel in Wefel

Zum VBeften des Wailfenbanfres In Weſel. nen

|THE NEW YORK FUTLICLIBRARY

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Durch Humanität zur Yumanität,

Meiner

inniggeliebten Vaterſtadt WESEL

mit herzliher Danfbarfeit und

hoher Berebrung

gewidmet.

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Du

tbeure Vaterstadt!

Mıs ſchredlich einſt des Schickſals harter Schlag Die Eltern mir ded Gluͤckes Schooß entriß,

Da nahmft Du Did, Du hochgeliebte Stadt, Der Hartbebrängten freundlich, Tiebreich an; Und fonderlich haft Du auf mic, gehäuft

Die thät’ge Lebe, auf den jungen Knaben, Bis er, ein Süngling, feinen theuern Lehrern Entwachſen war, zum Manne vorbereitet,

Zu thun die Werfe deß, der ihn berief

In feinen Weinberg nah und ferner Orte

Biel taufendmal im Stillen fann ich nach, Für Deine mütterliche Lieb’ und Treue, An und erwiefen, würdig Dank zu bringen: Und nimmer fchien mir würdig g’nug der Danf, Nicht würdig g’nug der treuen Sorgfalt, der Dein Pflegefind im reichiten Maaß genoß.

Erft jest, nach drei und zwanzig langen Sahren, Erft jetzo wag' ichs, nochmals Dir zu fagen, Daß da, wo einft zuerft ein Menfchenauge Mir Liebeftrahlend in die Wiege ſchaute; Daß da, wo uns die Treue nicht verließ, Als Vater, ach, und Mutter ihre Habe, Die reichgewohnte, hingefunfen fahn,

Daß ewig Da auch wohnet meine Kiebe: Und das ift meine theure Baterfiadt !

Und habe ich mit jenen Kräften, bie

Mit Sorgfalt Du almählig mir entwickelt,

Dem Vaterland, ber Menfchheit engerm Kreife Getreu gedient, fo hab? ich ‚Deinen Willen; Gehorfam ausgeübt, ein Kind ber thenern Mutter! Und meine fchöne Freude wird es werben,

Ein nicht unwürb’ger Sohn ber Vaterfiabt, Aud in der Fern’ der Menfchheit fort zu Dienen, Denn ewig bleibt bied Herz voll Dank Dir nah.

Was biet ich aber endlich Die zur Weihe? Was bring ih Dir für Deine Muttertreue ?.

Sieh, geiftig if. Dein Sohn ein Vater heut Zum Erftenmal geworben vor ber Welt; Er bringt den Erfigebornen froh Dir dar Auf Baterarmen unter Danfesthränen. | Das Kindlein hebt die Hand empor zum Danf Und Preife Dir; und nicht, ald ob der Vater. An hoher Gabe feltener Vollendung | Die Fülle habe, und das Kind fich blähe Sn eitler Weife; nein ed dankt und preift Für einen Bater, ber Dir Alles dankt, Was Menfchenhufd in Gottes Reich ihm bet. Befcheiden kommt es; alfo trag ichs auch Dir heut entgegen, Dir zum fehuld’gen Opfer !

Es ift ein Säugling erft, wol weiß ich dies; Drum will ich auch die Hand nicht won ihm laſſen, Er werde denn ein ftarfer Süngling einft,

Ein fräft’ger Mann, zu nuͤtzen Welt und Himmel, - Wenn nur von oben mir ber Segen wird Zu längerm Leben und des Wirkens Kraft Und Edler Rath, ven Knaben fortzubilden!

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So nimm ihn auf in feinem jungen Leben, Aus feiner Hand die Weihegabe an, . Dem Bildungsorte danfend hingegeben Wo ich das innre Leben einft empfahn. u Wird einft der Sohn ſich wuͤrdig felbft erheben, Mag er dann felbft fich dienend froh Dir nahn: Huch dazu wird er fernerhin "erzogen, Bleibſt Du mir nur in ftäter Lieb gewogen!

Barmen im Sept. 1829.

Joh. Jac. Ewich.

Beurtheilern dieſer Schrift.

Meine Abſicht geht dahin im Laufe der... Zeit einen Lehrer Darzuftellen, wie er fein foll und fein fann ein zweckmaͤßiges Syſtem ver Schulzudit zu gründen, das in allen feinen Theilen Menfchenadel auöfpricht und durchaus ausgeführt werden fann und eine niedere und höhere Volksſchule einzurichten, wie Diefelben einzeln. und- in. Verbindung mit einans der, wie mit einem Eymnaſio, dem hoͤchſten Ziele würdig zuftreben Fünnen,

Durch gegenwärtige Vorarbeit habe ich nun den Anfang gemacht, babe außer den Humanitätsbriefen von Herder, außer den allenthalben angegebenen we⸗ nigen Stellen Anderer, und außer einigen niederges fohriebenen Bemerkungen meiner frühen Lektüre einiger Theile des Campeſchen Reviſionswerkes, alle paͤdagogiſche Bücher forgfältig bis jet noch entfernt gehalten, um meinen eigenen Erfahrungen im Schulfache, um dem Ideale deſto näher zu bleiben, das fi durch mid) und Andere feit einer Reihe von Jahren in mir ge ftaltet hat,

Sch bin Feinesweged darauf ausgegangen, um Neues zu fuchen wenn glei) manche eigene For; ſchung mwenigftend mir neue Refultate gab fondern ich habe mid, nur bemüht, Nüsliches und Wahres, und zwar Diefes fo verftändlih,, als es mir möglich war, aufzuftellen. Das Neue thut jeßt nicht fo fehr Noth; aber es ıft gewiß an der Zeit, aus der unend- lichen Maſſe des Gedachten und nicht Gedachten das Erprobte hervorzuheben, diefes felbftvenfend für ven naͤchſten Zweck fo einfah, Flar überzeugend und aufs regend ald möglich darzuftellen, und jeden Grund: fag moͤglichſt klar an das zu binden, was berfelbe regeln ſoll. Es ift, deucht mir, hoch an der Zeit, den Lehrer darauf aufmerffam zu machen, daß die Pofaunerei, und das ewige Räfonniren' über alle Unterrichtömittel der Möglichfeit, nicht das Ziel feiner Beftrebungen fei; fondern vielmehr die Anwen: dung der einfachften Mittel wahrhaft reiner Grunds Tate eines erziehenden Unterrichte und die Einuͤbung des beiten Moateriald, Dann aber ift e8 auch hoch an der Zeit zu zeigen, daß ein großer Theil der Anfo- derungen, die man an die Lehrer macht, vielmehr an die Schriftfteller für Schulen gemacht werden müffen, wenn man dem Ziele mit größerm Erfolge zuſchrei⸗ ten will, und daß man, um mit mehr Nachdruck an der Jugend arbeiten zu koͤnnen, das wieder angefan⸗ gene Formen: und Buchftabenmwefen, fo wie in ven Leftionsplanen die Hahnemannerei aufgeben und viel:

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mehr die Gegenftände befimöglichft in ganzen Maffen, demnach in möglichjt vielen Stunden für einen Ge genftand, neben einander ftellen muͤſſe.

Um den verfchievdenen Confeflionen und andern Glaubensſchulen nicht zu nahe zu treten, und ben Wirkungskreis diefer Schrift Dadurch nicht ohne Noth zu verengen, babe ich mich bloß an das allgemein Religioͤſe zu halten gefucht, und habe diefes auch um fo eher gekonnt, weil dieſe Schrift an fih nur eine allgemein paͤdagogiſche fein fol, |

Wenn gleich ich feit Bearbeitung dieſer Särift alle andere paͤdagogiſche Schriften, fo viel mir mögs lich, entfernt gehalten habe, um mir felber treu zu bleiben: fo werde ich bei der Erfcheinung. diefer Schrift wieder damit anfangen unfre größten Meifter, unfre wichtigften paͤdagogiſchen Zeitfchriften noch eins mal und zwar für meinen Zweck durchzugehen, Das Bortreffliche derſelben meinen aufgeftellten Ideen beir zugejellen, over doch nad) ihnen alles Mangelhafte aus⸗ zumerzen. Auf diefe Weife fol aus diefer Vorarbeit eine gedrängte Zufammenftellung des von Andern und mir Gedachten und Erprobten für den naͤchſten Zweck, nämlich befonders für Lehrer und Schule, erwachſen.

Berfauft der Berfaffer Feine fremde Waare für feine eigene, und hat er den Zweck, ohne Beeintraͤch⸗ tigung Anderer, bis ins Kleinfte hinein zu nüßen: fo fommt es nicht darauf an, ob die Schrift nur ſoge⸗ nannte eigene Ideen gibt, over ob ſie auch pruͤ⸗

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fend zuſammenſtellt. Erſteres gibt freilich mehr Ehre, und wäre auch das geſtohlene Gut erbaͤrmlicherweiſe abfihtlih nur mit andern Worten gefagt; letzteres iſt aber da, wo der Berfafler genannt. nur in einigen Ideen auszuͤglich benußt wird, nicht unedel und nicht felten wohlthatiget, foͤrderlicher fuͤr die Menſchheit.

In dem echten Theile, den Lehrer und bie Zucht betreffend, habe ich noch manche Luͤcke gelaſſen, die ich mit der Zeit ſchon ausfüllen werde; . in dem zweiten Theile, ven Lehrplan angehend, habe ich wenigftend den Grunpriß eines Ganzen geliefert, deſſen einzelne Theile aber noch lange nicht fo bearbeitet find, wie mir diefelben im Innerſten meiner Seele vorſchweben. Auch hier werden Zeit und fortgefeßtes Nachdenken, fo wie Andere helfen. Daß aber diefe Schrift nur Ausführbares enthalte, getraue ich mir darthun zu

koͤnnen.

Wenn ich das Sein und Denken des Lehrers bis and Ideale zu ſteigern ſuche, fo geſchieht das abſicht⸗ lich, um den Probirſtein des Wahren zu haben und zu geben. Das Leben in Ideen, das Streben nach einem Ideale iſt, bei der groͤßten Werthſchaͤtzung des Wirklichen, jedem Manne von Bildung, und beſon⸗ ders dem Volkslehrer nothwendig, und darum mag es erſprießlich ſin, dem jungen Manne vom Fach, fuͤr den ich ſchreibe, nur das Edelſte aufzuſtellen, damit er ſich ſelbſt ein wirkliches Ideal ſchaffe.

Bin.

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Moͤchte diefe Vorarbeit Männern vom Fach und hoher Bildung nicht unwuͤrdig erfcheinen, fondern ihnen als ein Beitrag zur Menfchenbildung gelten!

Die Menfhheit muß vorwärts; ob-in irgend einem Theile dur dich, oder Dur mih, oder durch unfer gemeinfhaftliches Streben; das gilt ihr gleich!

Diefer Gedanken hat mid) bei der Arbeit geleitet, geftärkt, gehoben, hat meinem Auge fo manche Thräne entlodt, und meine Bruft fo oft geſchwellt und beengt; diefer laͤßt mich mit Vertrauen dasjenige Öffentlich hins ftellen, was ich in mehr als drei und zwanzigjähris gem Wirken ald Lehrer überhaupt, und in mehr als zwölfiähriger Leitung einer nicht unbedeutenden Lehr; und Erziehungdanftalt in Barmen, erprobt, ſchoͤn, gut und edel gefunden habe; diefer wird mir Muth und Kraft geben, das Aufgeftellte durch eigenes Forſchen und durch Benußung der Hülfe Anderer Niet n wuͤrdi⸗ ger auszupraͤgen.

Wenn ich das Urtheil beſchraͤnkter Selbſtlinge und gemeiner, einſeitiger Brotmenſchen, die nur tadeln, um bei ihrer Armſeligkeit wichtig zu erſcheinen, unbe⸗ achtet laſſen muß; wenn ich kalten Buchſtaͤblern, die da Muͤcken ſeigen und Kameele verſchlucken, nicht beipflichten werde; wenn ich ven übergelahrten For: fhern die fih auf die: Folter fpannen , um Neues zu erfinden, die vor Feinheit der Deduktionen ſich fhier felbft nicht verftehen, in ihrer vermeintlichen

XIV

Tiefe dad Gras machfen hören, und ung alles Pofitive der Paͤdagogik mwegdemonftriren, weil fie nirgends mathematifche Haltbarkeit finden weder verftchen kann, noch verfiehen will; wenn ich endlich fol- hen Pädagogen, die vor Geheimnißfrämeret und Aengftlichfeit faum die Augen auffchlagen, oder ſich doch nicht frei zu drehen und zu menden ver: mögen, weil fie an ihr Gtudirpult, oder ihre Pygmaͤenideen gefeflelt find, nicht Hand und Herz, ın Sachen, wo es die Menfchheit gilt, bieten fann; kurz', wenn ich an dem Heer diefer Anti: Paͤdagogen vorbeifehen werde, um mich nicht irre machen zu laffen: fo werde ich mit wahrbafter Sorg⸗ falt auf jeden Wink einfichtövoller, fehlichter , freier, praftifcher humanen Männer fohauen, und venfelben entweder ganz, oder in mir zweifelhaften Fällen doc als Anmerfung benuten.

Möchten folhe Männer das Fehlerhafte meines erften Verſuches ausmerzen, mit fcharfen Zügen, mit fhlagenden Gründen, mit treffenden Bildern, mit auf: regenden Schilderungen, mit wahrhaft großen Gedan⸗ Ten meine Arbeit bereichern; nicht ich allein viele ftrebende Lehrer würden es ihnen herzlich danken.

Der Berfaffer.

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Bormwort

dem jungen aufftrebenden Lehrer.

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Kr Dich, hochtheurer Süngling! der Du beginnft durch Lehre und Beifpiel eine blühende Jugend für Gott, König und Vaterland zu erziehen; der Du ein warmes, liebendes Herz in der Bruſt trägft, ein hei⸗ ßes Begehren in Dir fühlt, die Jugend würdig zu leiten, und die Mühe nicht feheueft in jeglicher Hin⸗ fiht Dich mehr und mehr mit Kraft zu erheben: haupt: fachlich für Dich habe ich diefes Bild eines würdigen Lehrers, Human, fo rein, ald ich es vermod)te, ge: zeichnet.

Das ftille Sein und Leben der Eltern Humand fol Dir den Endzweck Deiner Wirkfamkeit zeigen, Dir andeuten, aus welhem Samilienfhooße Du Söhne zu Fünftigen Lehrern vorfchlagen Fönnteft; Hunians Vor: bildung zum Lehrer Dir darthun, welchen gerechten Anfoderungen an einen Veredler der jugend Du, in Ruͤckſicht auf Kenntnig und Gewoͤhnung, noch nicht zu entfprechen vermagft.

O, möchte der gütige Gott Humans Weihe zum Menfhen, Chriften und Lehrer auch auf Di aus—

gießen, zu einem Lehrer edelfter. Art, zum mürdigen Nachfolger Jeſu Dich bilden! möcteft Du an Human Dein wahres Verhältnig zu Deinem wichtigen Amte und Deinen Vorgefebten erkennen, feine Grundfäge über Behandlung ber jugend ald richtig und wahr: haft zweckmaͤßig, ald nothwendig erachten; in feinem Geiſte diefelben in allen allen anwenden, um die Jugend für Gott, für König und Baterland zu er: ziehen; Deine Schule nad feiner Weife einrichten, und dann mit Eifer einer höheren Bervollfommnung in dem Gefühle Pauli: „Nicht daß ichs ſchon ergrif- fen habe ac, entgegenftreben ! dann, o dann würde ih die Jahre feguen, in welchen dieſes Bild in mei: ner Seele entftand, und die Stunden zu den glüdlichs ften meined Lebend zählen, ich welchen ich daſſelbe aufzuftellen verfuchte!

Lied denn dies Folgende in einfamen , ruhigen Stunden, beherzige Jedes, komme ver Schwadhheit meiner Zeichnung mit der Wärme Deines jugendlichen Le: bens, mit offnem Herzen und begehrendem Sinne entge; gen, und ziehe mie die Biene aus der Blume nur Honig ſaugt aus dieſer Darſteliung nur das, was fuͤr Dein Werden, und Sein, und Wirken Dir ewig zu nuͤtzen vermag!

Der Verfaſſer.

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Andrae, ©., Buchhändler in keipig . - » Asbeck, P., Kaufmann in Barmen . . « Afchenberg, J., Kaufm. in Barmen . Auffermann, J. D., Kaufm. in Barmen . . Anffermann, 5. H., Kaufm. in Barmen . . B Baesler, Fr., Kaufm. in Elberfeld . Bagel, Buchhaͤndler in Weſel... De Bary, J. J., Kaufm. in Barmen... Banmer, Lehrer in Wa . . . Baͤumer, Lehrer zu Kohlfuhrt b. Gronenberg . Beedmann‘, A., Kaufm. im Elberfeld . - Beedmann, F., Kauf. in Barmen . Becher, ©. C., Smödireftor ber Weſindiſchen Compp...... Behrend, Superintendent in Dieröfort . Behrens, C., Gaftwirth in Barmen . Behrens, W., Kaufın. in Barmen . Bender, L., Rektor und Gand. d. Predigtamts in Yangendrg . .. ER Benninghang , Lehrer in Solingen .

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gießen, zu einem Lehrer edelſter Art, zum würdigen Nachfolger Jeſu Dich bilden! möchtet Du an Human Dein wahres Verhältnig zu Deinem wichtigen Amte und Deinen Borgefebten erfennen, feine Grundfäße über Behandlung der Jugend ald richtig und wahr: haft zwedimäßig, als nothwendig erachten; in feinem Geifte diefelben in allen Fallen anwenden, um bie Jugend für Gott, für König und Baterland zu er: ziehen; Deine Säule nach feiner Weiſe einrichten, und dann mit Eifer einer höheren Bervollfommnung in dem Gefühle Pauli: „Richt daß ichs fchon ergrifs fen babe ıc, entgegenftreben ! dann, o dann würde ih die Jahre fegnen, in welchen diefes Bild in mei ner Seele entfland, und die Stunden zu den glüdlichs ſten meines Lebens zählen, ich welchen ich daſſelbe aufzuftellen verfuchte! —.

Lied denn Dies Kolgende in einſamen, ruhigen Stunden, beherzige Jedes, komme der Schwachheit meiner Zeichnung mit der Waͤrme Deines jugendlichen Le⸗ bens, mit offnem Herzen und begehrendem Sinne entge⸗ gen, und ziehe wie die Biene aus der Blume nur Honig ſauet aus dieſer Darftellung nur dad, was für Dein Werden, und Sein, und Wirken Dir ewig zu nüßen vermag! oo.

Der Berfaffer.

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Andrae, E., Buchhändler in keipig . - . Asbeck, P., Kaufmann in Barmen . . » Afchenberg, 5., Kaufm. in Barmen. . . - Auffermann, J. D., Kaufm. in Barmen . . Anffermann, 5. H., Kaufm. in Barmen . .

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Dr. Baesler, Fr., Kauf. in Elberfeld

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Bagel, Buchhändler in Well. . - . De Bary, J. J., Kaufm. in Barmen . . » Baumer,, Lehrer in Wald . . 2: 2 0.0. Bäumer, Lehrer zu Kohlfuhrt b. Eronenberg .

Beeckmann', A., Kaufm. im Elberfeld . . »-

Beeckmann, F., Kauf. in Barmen. . . » Becher, C. C., Subdirektor der Weltindifchen

Comp. » 2 2 0 2... Behrend, Superintendent in Diersfort . Behrens, C., Gaftwirth in Barmen . Behrens, W., Kaufın. in Barmen . . » Bender, L., Rektor und Cand. d. Preigtamts

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- Diefterweg, Dr., Direct, d. Schullehrer⸗Semin. in Moͤrs.... ... Doͤring, Pfarrer in Elberfeld on .. ⸗Dreisbach, Kaufm. in Elberfeld..... s Drinfmann, Jac., Gymnaſ. Lehrer in Elberfeld . ⸗Duͤnnweg, I. J., Kaufmann in Barmen oo... Fr. Wittwe Diekmann in Barmen 220.

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⸗Feldhoff, Pfarrer in Barmen .. ee Feldhoff, C., Kaufm. in Elberfelb . » « Finfing, P. C., Kaufm. in Barmen . . „Fiſcher, 3. W. Kaufm. in Barmee Fiſcher, Pfarrer in Iſſelburg..... Frilinghaus, Lehrer in Wetter.. Foͤrſtemann, Gymnaſial⸗Lehrer in ei . Frühe, F., Kaufmann in Elberfeld .. Frowein, Lehrer bei Lüttringhaufen .,. + - Fuchs, Lehrer in Elberfeld. 2... ne. Sr. Gallhoff, Lehrer in Soeſt. . . ⸗Gauhe, J., Kaufmann in Barmen . . . + . + Gebhard, F., Kaufmann in Elberfeld... . . . » Gelderblom, Lehrer in Miltrath bei Mettmann . ‚» Gelderblom, Lehrer zu Nümmen. bei Wald... ;s von Goͤrzke, Könige. Preuß. Premier: Lientenant ⸗Greeff, Sunior, Kaufmann in Barmen .... + . .r Greeff, Seminariſt Mid... 2 2a,“ :s Grothaus, F., Kaufmann in. Barmen . . . . ⸗Guerard, Dr. Med., in Elberfeld

2 Hr. Hammader, K., Lehrer zu Hingenberg b. Sotingen 1 "s Herinnterfchnridt Lehrer in Barmen . "007. 1 "Fräulein Hanf, Lehrerin in Erefld . . : cr „1 "Hr: Hankel, Herm. , Kaufmann in Bielefeld - © .: .- 1 1 1 1 1

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Holthaufen, Lehrer in Hingenberg b. Solingen | Horn, Lehrer in Herbie . oe Höfterey, „P., Kaufmann in Barmen . . .“ Huͤlſenbeck, Kaufmann in Schwelm. .'. =. Huͤlsmann, Pfarrer in Elberfeld . 2. u di Hürrthal, LXehrer in Rabe vorm Walde. ı°. Huftadt, H., Lehrer in Elberfeln :. dv .

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rn Erempl; Ar. Klingholz, F., Kaufmann in Barmen . . » » ⸗Klier, F. W., Kaufm. in Elberfld . . . » Knotte, Tr N., Lehrer zu Brühl. 2 2 0 ne = König, Fehrer zu Re . . . - . Korn, W. Gotth., Buchhaͤndler in Breslau . Koͤrner, W., Raufın. in Barmen. . 2 le... Schr. Koft, Kaufleute in Elberfeld -. - 2.2.» Frau Wittwe. Kraushaar in Elberfeld . . 0:0 Hr. Kremling, 8., Kaufm. in Barmen. . . 2... e Krengel, J., Lehrer in Barmen . . 2.2...% s Krieger, J., Th., Lehrer zu Schäller . .. . » ⸗Kuhlmey, 5. F., Buchhdlr. in Lieguik . ..:» ⸗Kuͤller, J. P., Lehrer bei Elberfeld . . .-. s Küfter, Lehrer . an der höheren Bürgerfchule zu . Barmen - ! vr er 0.

nn u “u Hr.-Langenbacdı;, Rektor zu Brederfeld . . . . . '; Langenbef, F., Raufm: in Barmen . x. . :s Langenfispen, Eollaborgtor a. Gymnaſ. zu Elberfelo : Langmann, Lehrer zu Bever bei Hädeswagen . . iz Geb. Lehmbach, Kaufl. in Barmen . - » . s Vehnemann , Lehrer in Volmarftein . . 0. « ⸗von Leslie, E., Maler und Gymnaſ. Zeichenl. in Greuzhath . . Lieth, Borfteher dv Dichterſouie tn"Eiberftid - Lindenberg; S > üchrer Mm Eoerfaht . En Linder, 3.9, , akıfın. in Barmen . nn Loens, 8. Peer] HH Etkel b. Boch. . Lohmeyer, C., Kallfn-ik Barden . . R * *6 Loͤbbecke, u idwetherer ei‘ eben ar Luͤhdorff, J Kan rickserfeld . ' \

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Fräulein Merlin, Lehrerin in Su . : 5 25 Hr.

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. Mad, Buchbinder in Breckerfeld..*. vi

Martin, Lehrer in Kervenheim: 2: il Matthät, Kaufm. in Barmen . "su. Mengerſen, Lehrer in Soeft -. . .. ey

Minding, GytimafialsLchrer in Elberfelb :. Mint, Lehrer a. d. hoͤh. Bürgerfchule in Barmen Molineus, W., Kaufmann in Barmen, . "co Moͤrſchner und Jaspar, Buchhändler in Wien . Mund, L., Chirurg und Geburishelfer ir Elberfeld Müller, Hauptmann im 17. Inf.⸗Reg., Ritter ꝛc. Muͤhlinghaus, P. €, Kaufmann in Barmen. Müller, Rektor in Benmen nee Müller, Seminariſt in Mird . . N 2 2 2. Mumm , Elias, Weinhändler in Sin . . . Müntwann, Lehrer in Barmen . 2: 0 0.

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Hr. Nenny, Gymnaſial⸗Lehrer in Greuznad) we . Fräulein Niggemeyer, Lehrern in Soeſt 0 -.

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Nourney, Pfarrer in Efberfeld . 2... «

Hr. Obrig, Lehrer in Ronsdorf .

Deben, Lehrer in Uedem .. Oehmigke, P., Buch und Muſi te Sndie in n Ren Ruppin 2... . . Ohlinger, Lehrer in rigen bei Sofingen .. Oſiander, C. F., Buchhaͤndlergi in Tübingen, & Oſteroth, W., Kaͤufpgini iu Barmen os:

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Overmann, P. E., Kaufmayu au Barnten nr

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Hr. Peil, P. €. Kaufmann in Elberfeld": ILS, 4 | Pelzer, WE Lehre ee ng s’ Peterfen, Pfarrer und- Schulpfleger a =: ⸗Platzhoff, J., Kaufmann in Elberfeld Be | Meuferi:59, , Kuufmann in Bariien url ⸗Pohlhaus, Lehrer Zu Holy bei Wald - 1: +" Preffler, Lehrer in Muͤhlheim am men Fe: Pusftef, 5 Buihhähbler in Paſſan DEF I 4 1, NEIN UIERENLTIZ Hr. vom Rath, Kaufmann in Eis" ET s Rayermann, Kehrer in Herdicke . IR 7 Rabeneck Fr, Kaufmann in Eiberfeld Rehmann, J. H., kehrer in Elberfeld nn Reinarz, Dechant und Pfarrer in Erefelb: : ? Richter, koͤnigl. preuß. Attikl. —— in —* Ridder, Goldarbeiter in Eiberfelb ne s Nitter, Lehrer in Soeft . in Be Rittershaus, Fr., Kauftnam in Barmen‘ en Rittershalis, A., Kaufmann in Varmen wen, Mäder, Lehrer in Erefeld' . rat Rosbach, ©: B., Kaufmann in Barmen ... s Roß, General ;Superintenbent, Probſt und Ritter d .r. Adl.⸗Ord. in Berlin .. « Rumpeus, ‚Sonrektor in Sof . . . N". Sräufein M. hamna, in Barmen . . 2.0 gr Rüttgers, kehrer bei eüttringhanfen La.

r | 3 E Hr. Suxtvits ,Lehrer in Barmen" el 4 Schäfer, Lehrer in Samen‘ © u x ET.

In I; Scher, Lehrer Tr: Weſel Par R: |

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KEY werd Erempi. Hr. Schifflin, Lehrer an der hoͤhern —— in .Barmene neo euch: Art he s ; Schlieger und Heder, Ranfleute, in. Sibefefi.. ig 1 ⸗Schleheg, Kehren. in: Eidnpeile. . 2... 5 mans 1. ⸗1 Sale, Lebrex in Hilden -, mn ee Pine 1. J . Sähluptoten, * in Elberfeld .. —8R ei Da s. Schoor, Lehrer: in- Dabringhanfen ine a s. Schniewind, H. E., Kaufmann in Elberfeld .. * ⸗Schoͤnian, Buchhaͤndler in Elberfeld . s Schoppmann, W., ‚Lehrer zu Schüttenbelle bei . Remfhed . . .... 0. *. ⸗Schuchard, Pfarrer zu Berchum ' bei giimburg, Schuchard, Jr Kaufm. und Landt.Dep. in Barmen. s. Schumadier, Oberlehrer des Gymnaſf yind i in City ⸗Schricver, Superintendent in Duisburg —8 s. Schiller, S., Kaufmann in Ronsdorf . . ».. . Schürmann, Lehrer in Orfoy a J ⸗Schuͤrmaun, Lohrer in Uedem . . won Seelbach, Gymuaſial⸗Direktor in Ebberfelb ⸗Seidenſtuͤcker, Dr., Rektor. in CT 1 Gichel, Abr., Kaufmann in Barmen .. u. 5 ⸗Simon, Gymnaſial⸗Lehrer in Elberfeld .. + .. s Sombardt, A., Kaufmann in Elberfeld u 1 « Sonberland, S., Dr. Medizin in Barmen un ⸗Simons, Winand, Kaufmann in Elberfeld. st, « Spannagel, Kaufmann in"Boerde . . ., Aare , s Stapelmann, Pfarrer in Limburg . . 0. ⸗ESpypitzbarth, Rektor insferdife-. - 2 0. « Eteined, Pi, Lehrer zu —— bei Selingen . ⸗Studinger, Lehrer in brfle u: ee α. : s Scheide, J. W., Lehrer im: —8 uly uchi- 4

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ia | Erempt. Hr. Streng, J. Pb, Buchhändler in Fronlfurt a, M- h » Gtabf’fche Buchhandlung in Duͤſſ ſeldorf, a | « Erettin’fche Buchhandlnug in Um. -.... 2. =... MM... Ranihe

Hr. Teſchemacher, F. W., Kaufmann in Varmen Ad Fr. Wittwe in Barmen . .. TE

Hr. Trooft, ‚Kaufmann in Barnen . . . . 1 Hr. Uellenderg, P. E., Rentner in Elberfeld... . 1

‘s Unger, Vehrer zu Fingſcheid bei Revigeh,..... + 1 V

Hr. Vogel, Dr., Dir. der hoͤh. Buͤrgerſchule in J |

s Bogelfang, Xehrer in Ereflld . - » . 1

s Bollmann, Vorſteher einer Lehr⸗ und Etzieh. Anſtalt in Solingen. ee. dl

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Hr. Waver, P., Gaftwirth in Elberfld . . . . s Meber, Lehrer in Barmen - » 2 2 2 0 0 s Wemhöner, Kaufmanı in Barmen . . . .

s Wefenfeld, C. L., Apothefer in Barmen

s Weltbaus, Kehrer n Soft - 2: 2: 2 2 0a s Weierftraß, Kehrer in Hamm . . : 2...

s Werniughaus, P. E., Kaufmanı in Barmen

s de Weerth, Rentner in Elberfeld . ⸗Weiſe, Buchhändler in. Ebberfeld . 1er,

s .Wegel, Director d. hoͤh. Bürgerfch. in armen. u ⸗-Wicht, Kaufmann in Elberfeld 1... .1

is Wilckhaus, A., Kaufmann in Barmen 5 1

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-Wilberg, 3. F., Dr., Vorſteher einer Xehrs m Erziehungsanſtalt in Elberfeld . » a. . 1

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Exempl Willich in Unna 1 Wilms, J. R., Kaufmann in Barmen 1 Wuͤlfing, J., Sohn, Rentner in Elberfeld 1 Wuͤlfing, ee in Barmen. 1 Wuͤlfing, J. J. Sohn, Kaufm. in Barmen 1

Willemfen, —e der vaterl. Feuers

Verficherung in Elberfeld .. . . Er Müfter, E., Kaufmann in Barmen. . . Wittwe Wortmann, geb. Siebel in Elberfeld . Wittenftin; W., Kaufmann in Barmen .- .

Wuppermann, Kaufmann in Barmen . Windfuhr, Lehrer in Wetter .. Wintgens, Kaufmann in Moͤrs. ..

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‚Die Zueignung. . . Kr 2 ‚Den Beurtheilern diefer Scrift. on . ER Vorwort, tem jungen ſtrebenden Lehrer. 0. .. „Qumans Eltern , feine erfte Erziehung. . . . .

„Humans Vorbildung zum Lehrer, ober Grundzüge der Einri⸗ „tung eines Schullehrerſeminars. Humans Weihe. Humans Charakter. .. BVon der Zucht im Allgemeinen, insbefonbere bes Menſchen Von ber Zucht, welche die Natur dem Menſchen angedeihen laͤßt. ‚Kon ber Zucht, welche bie Kunft dem jungen Menſchen ange: „„beihen 1 1: V „Begriff von Schulzuht. . . . .. | „Bon ben Prinzipen, auf weldye man eine Schulzucht gebaut hat. „Weitere unzulänglichkeit und Verberbfichkeit diefer Prinzipe. . „‚Quffteltung diefes Prinzips. .. „. Nothwendigge Erforderniß von Seiten des Lehrers, Hauptſtuͤtz⸗ kraft dieſes Prinzips. en unterftügende Kräfte in den Shtlern.. . 2... Noch andere unterftügende Kräfte. rn Die Humanität ehret den Menfchen in dem Schüler. . Die Humanität fucht das Böfe in dem Schuler auszurotten. . Die Humanität wedt fröhliche Thätigkeit. oo. Die Humanität überladet nicht mit Arbeit. . . . . Die Humanität beugt den Uebeln Or. 2: 2020. Die Humanität regiert nach dem Gefeg der Rothwendigkeit. . Die Humanität wirkt mit Kraft und Nachdruuk. . . Ein Wort für Eltern und Schulvorſtaͤde. . Ein Wort dem jungen Lehrer. . . . . . Bon den Strafen. oo. 0.0. . .

4

x Inhaltsverzeichniß des erften "Xheileb:

ee er EN

Die Erziehungsbehoͤrde bes Staates und deren Wirkform. . 112 Die Erziehungsbehörden der Schule und deren Wirkform. . 1 Berbältniß der Schule zu den Erziehungsbehörden bes Stuates,

befonders zur Kirche. .

Regeln und’Sebotefammiung einer yumanen Shut: “18

Aufmerkſamkeit und Fleiß. a Drbnung und Rufe. 0. . Lug und Zrug. . . .

Angehorfam, Eigenfinn, Biberfpenfigkeit,

«

Reinheit des Gemüthes, der inneren und äußeren Sitten. 19

Froͤmmigkeit. eg Gebetbetrachtungen.

Bei Eroͤffnung der Schule nach den Ferien.

Ruͤtzliche Thaͤtigkeit. ee.

Gottesfurcht.

Wahrhaftigkeit. .. . Der goͤttlich Namen. Reinheit der Seele. .. Gott iſt die Liebbe. Elternverehrung agag.. 000. Elternverehrung h.. . Eiternverehrung c.. . ... . Am Geburtstage unfers geliebten Königs.

Am Zage der Freiheit für das erlöfete Deutfchland.,

. 17 0.0.16 0.01% . . 442

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.. 189 . 1170

. 13 . 175 . . 17 . .. 18 2.380 . .. 189 .. 16865 0.038 (7

. 194

Die Schule muß ächte Liebe zu König und Vaterland weden. . 197

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ι 2777

Inhaltsverzeichniß' des’ zweiten Theiles.

Einige Grundzüge von ber Einwirkung des Staates auf das innere Leben des Unterrichtsmefene.” . " . . Nilgemeine Unfoderungen an einen Lehrplan. =

Soll die höhere Bürgerfchule ba, wo fie nicht als Hrogymnaftam

auftritt, in den alten Sprachen unterrihten? . . . Ueber die Trennung ber Gefchlechter in niederen und höheren WVolksſchulen. .. neber den Unterricht in der Mutierſprache. Seite 86, 126, 134,

146, 196, 20%, 210, 304, 10, 950, 352 10te Claſſe. . . . . Befen. Seite 120, 133; 157, 208, 209; 265, 309, 349, 351. Vorleſen. Seite 128, 136, 150, 199. Gedichtlernen. Seite 129, 137, 151, 203, 850.

g9r Claſſe. . ® . " . . Geſang. Seite 141, 154, 20%, 008, 213, 308, 319, 2 351, 353. Ste Claſſe. . een

Bibliſche Gefchichte und Befen re.

Schreiben. Seite 151, 201, 203, 210, 266, 311, 349, 352.

7te Glaffe. . . . . . .

Begriffserklärungen. Seite 160, 203, 350

Ueber den Unterricht in der Mathematik. Seite 163, 262, 303, 316, 325, 327, 328.

Das Kopfrechnen. Seite 190, 206, 350, 353.

6te Claſeee.

Tafelrechnen. Seite 206, 212, 300, 312, 350, 353.

5te Claſſe. . . . . . . . . .

Religionsunterricht. Seite 213, 303, 315, 351, 353,

Sranzöfifche Sprache. Seite 218, 300, 313, 3:10, 326.

Ueber den Unterricht in der Geographic. Seite 221, 307, 316, 326, 330, 354,

Naturbefchreibung. Seite 265, 353,

Seite

202

ste Claſſe . . . . . . . Ueber den Unterricht in der uUniderſaigeſchichte. Seite 267, 317, 321, 327, 342. Mathematifche. und. Pe, ‚Geographie. .r. 3te Glaffe. . . * e Naturlehre. Lateiniſche Syrache. en ey Dte Claſſe, oder untere Fachklafſe.. le. . Engliſche Spradye. Seite 320, 397. . a Buchhalten. Seite 321, 327. Bucjftabenreinen. . _. een Mechanit. Seite 324, 328. | iſte Me sn Cheme.. Zeichnen. .... Ae und 1fte Claſſe der jungen Frauenzimmer. .. Claſſikerleſen.. a .. . 0. Religiöfe Betrachtungen. ee. Clavierſpielenn. en Handarbeiten. . . . . . . eo. Die beiden Fachklaſſen ber niederen Volksſchule. . . . Bemerkungen über die Ueberfihten. - 2 2. Rachwort, dem jungen flerbenben Lehrer. . .. —.

Drudfehler des erften Theiles.

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Druckfehler des zweiten Theiles.

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119 12 von unten Bauern . 295 3 von oben ber den

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Erste Abtheilung.

Der humane Lehrer.

—— iii

Erstes Tapitel.

1) Humans Eltern feine erfte Erziehung.

Hamans Vater, ein Lohgerber, war ein kraͤftiger, ruͤ ſtiger Mann, der von Kindheit an ſeinen Leib, als den Tempel eines heiligen Geiſtes, rein, in jeglicher Hits fiht rein erhalten hatte. Er flammte von gefunden, xechtfchaffenen Eltern ab, hatte das Gluͤck gehabt eine Schule zu befuchen, die, im fchönften Verein mit feinen Eltern, auf die Bereblung feines Weſens nachdruͤcklich gewirkt, und ihm, jedoch ohne Mittheilung anderer als der gemwöähnlichften Kenntniffe und Fertigkeiten, Gottes, furcht und Menfchenliebe eingeprägt, fo wie feinen Ders Rand geweckt hatte,

Als Süngling war er, gewöhnt an firenge Thaͤtig⸗ feit, froh aufgeblüht, hatte jeglichen ſchlechten Umgang gemieden, vielmehr nur folche Menfchen gefucht, die ihn im Guten befeftigen, und für fein Gewerbe tüchtiger machen konnten.

Nachdem er in feinen Wänderjahren viele Städte Deutſchlands, Hollande, Daͤnemarks und der Schweiz gefehen, und in mancher vorzüglichen Werkftatt, mit dem regften Eifer fich bis ins Kleinfte hin zu vervollkommnen, trenlicy gearbeitet hatte, fehrte er, fromm, rein, und in

1 *

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einem hohen Grade tuͤchtig in feinem Gewerbe, nach feiner Vaterſtadt W.... zurüd, wählte eine ber Töchter feines Nachbarn zur Gattin, und Ließ fich, nachdem er zu Aller Zufriedenheit genügende Proben feiner erlangten Geſchick⸗ Tichfeit abgelegt hatte, in der Nähe feiner väterlichen Wohnung ald Lohgerber nieder.

Seine Ehefrau, die Tochter gefunder, braver Eltern, war nicht minder gefund als er, und als Weib rüftig und ſtark. Sie hatte mit ihm biefelbe Schule befucht, und von jeher angehalten zu jeber Hausarbeit, die den Frauen diefed Standes geziemt, fo wie zur Gottesfurht, Mens fchenliebe und Sinnigkeit, befaß fie Eigenfchaften, die einen reinen, tüchtigen, rechtfchaffenen Mann beglüden koͤnnen. Mit Höchfter. Lebensfrifche, vol Nührigfeit und Sinnigkeit begannen Gewerbe und. Haushalt, und Gott fegnete fichtbar beides, dba Verſtand, Thaͤtigkeit, Ord⸗ nung, NReinlichfeit, ein burchaus rechtfchaffenes und from⸗ mes Wefen, ja, die Krone aller fittlichen Eigenfchaften, die Gewiffenhaftigfeit, das Ganze leiteten.

Das junge Ehepaar liebte ſich gegenfeitig mit reiner Liebe, und die gleichgeflimmten, treuen Seelen fchloffen fih, durch die heiligen Bande einer glüdlichen Ehe ums ſchlungen, immer inniger und fefter an einander, fo daß fie nur ein Weſen auszumachen fchienen. Er war, bei feiner Kraft, zärtlich, gütig, nachſichtsvoll und ſchonend; fie aufmerffam auf feinen Willen, feinen Gefchmad, feine Anordnungen, und ſuchte jede Gelegenheit zum Mißver⸗ gnügen aus dem Wege zu räumen; und fo fchlug hausliches Gluͤck, Die Liebe zu allem Guten, Wahren und fittlich Schönen in ihnen immer tiefere, unaustilgbarere Wurzeln. Ganz von aller Lefefucht entfergt,. die Muͤßig⸗ gang und Erfchlaffung des Geiſtes, Verunreinigung ber Einbildungsfraft und Vernacdhläßigung ber vorzuͤglichſten

5

Pflichten in ihrem Gefolge hat, laſen ſie das Krebsbuͤch⸗ lein, den Konrad Kiefer ꝛc. die ihnen ber wuͤrdige Pfarr herr gleich bei ihrer Verheirathung mit den Worten ge lichen hatte: „Leſet, Liebe Leute, diefe Büchlein zur Ber meibung fo vieler Fehler in der Erziehung der Kinder, die Gott euch geben mag; und beeifert euch dann diefelben ganz zu feiner Ehre zu erziehen.

Sie laſen jeden Abend nad) vollendeter Arbeit darang, unterhielten fich verftändig darüber, und vergaßen dennoch ihren Abendfegen nicht.

Dem fchlechten Beiſpiel, das fo viele Leute ihres Standes in ber Liebe zum elenden Modetand und: zu den Modevergnuͤgungen einer Appigen Welt ihnen gaben, folgten fie nit. Im ihrem Haufe war alles, ihrem: Stande gemäß, hoͤchſt einfach. Hausgeraͤthe, und Kleis bung, und Koft waren von ber Art, daß fie damit in den Augen verftändiger Menfchen beftehen konnten; und fie meinten, was denen ald gut erfchiene, fei beffer, ale was benen geftele, die, in den Tag hineinlebend, bald Haus und Gewerbe den Rüden kehren müßten. Mit dem größten Bergnügen fchauten die Berftändbigern bes Ortes auf dieſes Ehepaar hin, und hielten ed für ein gro ßes Gluͤck, wenn Menfhen von fo gefunden, frifchem Leibe, von folcher Reinheit und Frömmigkeit zum Tram altar gingen: „Ja,“ pflegte der würdige Pfarrherr zu fagen, wenn er biefes Paares gedachte, „ans folder Berbindung feimt Heil und Segen für die Gemeine, für Stadt und Land! Ich möchte die Sünglinge alle und Die Jungfranuen, die ich zum Bunde mit Gott führe, hinweiſen, mit Chränen ber herzlichiten Bitte hinweiſen, anf das glädlihe Paar, damit fie in den Wegen biefer Lente wanbelten, und fo wie fie auch einſt die Gemeine beglädten!”

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Gott ſegnete dieſes Ehepaar mit Kindern beiderlei Geſchlechts und mit reichlichem Brote.

Die Kinder wurden geſund, kraͤftig, thaͤtig und fromm. Die Mutter hatte ſie in keuſcher, zarter Liebe empfangen, in liebender Sinnigkeit unter ihrem Herzen getragen, und mit Wohlgefallen ruhete ihr Blick auf die⸗ ſen Gegenſtaͤnden ihrer zarteſten Sorgfalt und froͤhlichſten Hoffnung. Es ſchien, als wenn die Mutterſchaft ihrem Gemuͤthe eine noch reinere Gottergebenheit und dabei eine gewiſſe Hoheit aufgedruͤckt haͤtte; und darum gelang es ihr, ihre Liebe zu Gott und Menſchen, ihr herzliches Wohlwollen ihren Kindern ins Herz zu pflanzen. Vater und Mutter verwahrten die jungen Gemuͤther beſtmoͤg⸗ licht vor aller Verfuchung von Außen, und ihr wahrhaft gutes Beifpiel konnte nicht anders ald wohlthätig wirken.

Die Kleinen waren unter beftändiger Aufficht der Mutter, die Größern wurden zur Schule gehalten, und mußten außer der Schulzeit allerlei Hausarbeiten ver richten, ober im Garten helfen, oder burften im Gaͤrt⸗ chen hinter dem Haufe, oder auf ben Flur fpielen, wenn . nicht nöthige Schularbeiten, deren wenige vorfie len, zu beforgen waren.

. An den Freinachmittagen durften gewöhnlich bie groͤ⸗ Bern Knaben den allgemeinen Spielplag des Stabtviertels befuchen, da hier, auf Koften der Stadt, Käfter (Knaben⸗ führer) die Tugend beaufſichtigten. Diefe gingen wol öfter mit den Knaben auf entlegene Weiden ımb m fche, fuchten Zanf und jede Unart zu verbinden, gaben Lehrern und Eltern von dem Betragen der Beaufſichtigten Nachricht, und fanden in ihrer Wirkfamkeit unter beſon⸗ derer Leitung ber Lehrer und Prediger. _

Des Abends, wann der Väter nad) vollenbeter Ar⸗ beit fein Pfeifchen ranchte, verfammelten fich die Kinder

1

um ihn, entweder im Bärtchen ober auf dem Flur, und jebed Kind mußte Nechenichaft von feinem Betragen zu Haufe und in der Schule ablegen, und ohne alle Cuts fhuldigung die Fehler geftehen. Die Kinder konnten das - bei nichts verhehlen; benn die Mutter und Die woͤchent⸗ liche Schulmarke als Zeugniß fagten am Ende doch ſtren⸗ ge die Wahrheit. Dann wurde zum Guten ermahnt und erummtert, und war nichts Sträfliches vorgefallen, etwas erzählt, was der Bater in fremben Landen gefehen oder erfahren hatte. Während deſſen verzehrten die Kleinern ihr Abenbbrot. Nach dem Abendeffen wurde der Abends fegen gelefen, an welcher Gotteöverehrung Die größeren Kinder und alle erwachſene Hausgenoffen Theil nahmen.

Sonntags früh wurde nad dem gewöhnlichen Mor⸗ gengebete eins der ausgewählten Sonntagslieber gefungen, und ber Vater las dann ein Stüd aus Krummachers Feſtbuͤchlein ıc. ber ganzen Hausgenoffenfchaft vor. In der Kirche mußten bie erwachſenern Soͤhne und Töchter sah Kräften bie Predigt auffchreiben, unb nad dem Gottesdienſte ſprach der Vater einige Worte zur Beherzis gung ber gehörten Lehre, |

Der Nachmittag nach, dem Gottesdienſte war den Raturfrenden oder andern flillen Vergnuͤgungen ber gan⸗ zen Familie gewidmet. An verfchiedenen feftgefehten Tas gen im jeder angenehmen Sahreszeit vergnügte fich bie ganze Familie anf einem nicht entfernt gelegenen Bauer⸗ hofe. Im Haufe fielen einige Familienfefte, nämlich bie Geburtötage der Eltern und einer vor, an bem bie Ges burtstage ſaͤmmtlicher Kinder gefeiert wurden. Auf diefe Bergungungstage freute ſich die ganze Familie ſchon lange im voraus, and lange nachher war noch die Nebe davon. Die chriſtlichen, wie die vaterlänbifchen Feſte wurden Goch gehalten, und an diefen Tagen wurde auch bie

Küche. etwas beffer ald gewöhnlich beftellt. Der. heilige Ehrift und die Dftern brachten in ber Regel die Kleider fürs Jahr. Die Knaben wurden im Winter in Wolle, im Sommer in ungebleichter Leinwanb gefleidet, und in ber fühlern Sahreszeit wurden bie abgetragenften wollenen Kleider untergezogen.

Auf Diefe Art wurde Aufwand vermieden und. Jeg⸗ liches im Haushalte benutzt; jedoch zeigte ſich in Allem die gehoͤrige Reinlichkeit. Durch alles dieſes, wie durch die ganze Erziehung, wurden die Kinder auf jede haͤus⸗ lihe und hriftlihe Tugend in Aufmerkfamfeit erw halten; es wurde dadurch ein enges, gluͤckliches TSamilienleben begründet, an welchem auch zus weilen Berwandbte, und Freunde der Familie Theil nahs men. Die Kinder liebten einander eben darum fo herzs lich, und Eonnten ſich nicht entbehren, und alle waren den Eltern mit ber zärtlichiten Liebe und ber emigſten Verehrung ergeben.

Die beiden aͤlteſten Soͤhne ſtanden dem Vater ſchon thaͤtig in der Werkſtatt bei, die beiden aͤlteſten Toͤchter halfen der Mutter die Wirthſchaft fuͤhren, und beſorgten, was durch weibliche Hand zu beſorgen war.

Unter den juͤngern Geſchwiſtern war ein Sohn, Ras - mens Human, der fih zwar nicht burd befom

‚dere Zalente, aber dod durch Lebhaftigfeit and Sinnigkeit vor den übrigen Gefchwiftern ans zeichnete. Er faßte nicht Segliches ſchnell, aber- er erfaßte das Schöne und Gute mit Imigkeit, und wußte dieſes leicht - anzuwenden. Hauptzüge feines Charakters, bie. fi fchon in dem Knaben unzweideutig zu erkennen gaben, waren Offenheit, Gutmuͤthigkeit und eine hinge⸗ bende Liebe .und. Treue; und dieſe traten auf eine Art hervor, wie ſich ſolche in gefunden, fröhlichen, kraͤftigen

9

und babei fehr gewandten Knaben zu Außern pflegen. Für Menſchen, die ihm lieb und theuer waren, Konnte er Alles hingeben, für fle befchwerliche Handarbeiten übernehmen; einem guten orte folgte er leicht und gern; ber Barfchheit aber, der Lauheit, Verachtung und Kälte in ber Behandlung trat er, fo viel er es ver modte, mit gleicher Münze besahlend entgegen. Er hatte ein feined Gefühl für das Anftändige, ohne ſich deſſelben abfichtlich zu befleißigen. Nichts machte ihm . größere Freude, ald wenn ibm Wunder» und Räubergefchichten erzählt wurden. Dadurd gewann aber feine Phantafle einen bedeutenden Vorſprung vor den übrigen Seelen» kraͤften, und bie mangelhafte Schule erfchien ihm deshalb anfreunblich und troden. Er mochte bereits das vierzehnte Lebensjahr zurüd gelegt haben, und der Bater wollte ihn jetzt der Schule entziehen und einem Gewerbe wids men, bas er erwählen follte Allein ber Knabe hatte ſchon Iängft im Stillen den Wunfch gehegt, ein Lehrer der Jugend zu werden, und mit heißen Thränen bat er um Erfüllung bes fehnlichen Wunfches., Seine Eltern gewährten diefen Wunfch um feiner Innigkeit willen, und ſchickten Human, da berfelbe für das Seminar noch zu jung war, zwei Sahre hindurch in die Schnle bes dortigen Rektors, wo er hauptſaͤchlich mit Erlernung der lateiniſchen und franzoͤſiſchen Sprache ſich befchäftigte. Da dieſe Gegenſtaͤnde ihm ſchwer wurden, und dieſer Leh⸗ rer in der Regel vier bis fuͤnf Claſſen zu beſorgen hatte, fo konnte Human ſich bier nicht weit über bie Anfangs⸗ gränbe biefer Sprachen erheben. Es kam nun die Zeit, daß er ind Schullehrers Seminar aufgenommen werben tonnte. Sein Vater brachte ihn bahin, und übergab ihr mit allem Bertrauen den Lehrern der Anftalt.

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Zweites Gapitel. Humans Borbildung zum Lehrer.

In diefem Seminar, welches mit fürftlicher Milde aus⸗ geftattet worden war, wurben brave aufftrebende Sünglinge, bie nicht ohne Gefühl waren, nad Verlauf ihres beſtan⸗ denen Probejahrs zur Hälfte unentgeltlich bekoͤſtigt, und im Ganzen vier Sahre lang unterrichtet. Es lag in ber Naͤhe einer nicht unbebeutenden Stadt, auf einer großen fürftlihen Domaine: die Hoffnung genannt; und ein Defonom, weldyer ben größten Theil diefer Domaine ger pachtet hatte, mußte jährlich ein Gewiſſes an Feldfruͤchten, Fleiſch, Butter, Holz ıc. an bie Anſtalt liefern. |

Das Seminargebaͤude beftand aus einem Hauptge⸗ baͤude und zwei Flügeln. Sn dem erftern, in welchem ber Direftor wohnte, waren die gewöhnlichen Lehrzimmer , Die PMufiffäle, der Betfaal und der Saal für Bücher und das Zeichnen; in den letztern hatten die übrigen Lehrer der Anftalt ihre geräumigen, gehörig getrennten, aber durch ben obern Stod cin weldhem die Schlaf » unb Studierzimmer der Lehrer und Seminariften waren) mit einander verbundenen Wohnungen. Es wurden hier mehr ald Hundert Seminariften in vier verfchiedenen Claſſen durch acht Lehrer gebildet; und bamit in diefer großen Anftalt ein fo wohlthätiges Familienverhältnig nicht fehlte, hatte jeder Lehrer etwa 14 Seminariften in feiner Woh—⸗ nung, welche bei ihm, wie feine Kinber, aßen, unter feiner ſpeciellen Leitung ftanden, neben feinem Studterzim⸗ mer und unter feiner Aufſicht ihre Privatarbeiten beforgten, in feiner Nähe. fchliefen, und Aber deren fittliche Aufführung zu wachen zu feinen wichtigften Pflichten gehörte.

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Um dem Lehrer die Auffiht in Etwa zu erleid" tern, hatte diefer wo möglich aus jeder Elaffe gleich viel Schüler und ed konnten darım Die Geförberten deu Ungeäbtern wo nöthig beiftehen, und aus den diteften und bravften Seminariften die Senioren gewählt werben, denen die Aufſicht im Einzelnen aufgetragen wurde. Es galten aber auch hier wie im Allgemeinen die Wahlſpruͤche: „Durch Humanität zur Humanität Halte Leib und Seele rein Halte Gott und dein Ziel täglih vor Augen Glaube nie Die Höhe fchon erftiegen zu haben.” sc. Senioren, Lehrer und Direktor waren bei Vernachlaͤßigung biefer Grundfäte, die als die Hauptflüßpunfte der ganzen Ans flalt angefehen wurden, ihren naͤchſten Obern verantwort; ich; Alle aber, Lehrer und Auffeher, ermunterten ſich gegenfeitig zur Xchätigfeit und zum Eifer in Erfüllung ihrer Pflichten. Für den Hausbebarf hatte jeder Lehrer einige Kühe und das dazu erforderliche Land, welches nach den bewährteften Anfichten von dem Oekonomen be arbeitet - werden mußte. Die Anſtalt wurde von einem fehr großen Garten umfchloffen, der nad allen Regeln der Gartenfunft von dem fürftlichen Hofgärtner entwors fen worden war, und von den Seminariften unter Ans Seitung eines geſchickten Gärtnerd ausgeführt und bears beitet wurde. Die Seminariften, von benen jeber nad Anleitung des Gärtnerd mehr ald ein Zehntel Morgen koͤlniſch zu beforgen hatte, hatten demnach die befte Ges legenheit den Gartenbau in feiner ganzen Ausdehnung, den Obfibau und die Anlegung fchöner Gruppen von Baus men und anderer Parthien fennen zu lernen; und was den Geiden » und Feldbau und das Vorzäglichite des Forſt⸗ weſens betraf, fo war ber.Defonom gehalten, auch darin den Seminariiten nadı Kräften zu nuͤtzen. Daß übrigens bei der Anleguug dieſes Gartens jedes Koſtſpielige ver

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mieden wurde, bedarf feiner weitern Erwähnung. An dieſen Garten ſchloß ſich eine große Baumſchnle fuͤr Frucht⸗ und Forſtbaͤume ıc. an. Hier wurden bie Juͤnglinge im Beredlen der Bäume geuͤbt, ernten die Erbarten, welche jeder inländifche Baum liebt, fo wie bie Pflanzung, Wars tung, Pflege und Benutzung deſſelben genau kennen ıc Durch den Verkauf junger Bäume zog bie Anftalt jährlich eine nicht unbedeutende Summe Geldes.

Ein Baumhof der Anftalt, der von den Geminariften auf das zwedmäßigfie angelegt, in Ordnung erhalten wurde, und auf lange Zeit hin vergrößert werden Fonnte, fieferte, fo wie der Garten, über ben eigenen Berbraud; Früchte zum Verkauf, zum Beſten der Anftalt und bie Seminariften mußten fi mit Obftbdrren, mit Bereitung des Apfelweines *) und Obſtkrautes befaflen, zu welchen ‚, Befchäftigungen Zeit überblieb, damit fie nicht wie die Treibpflanzen gezogen und von geiftigen Arbeiten niebers gedruͤckt wurben.

Die Hauptarbeiten diefer Art fielen jedody in ben Tangen Herbftferien vor. Bei der Beforgung der Arbeiten im Garten und Baumhof herrfchte die größte Ordnung und Pünktlichkeit. j

Der wuͤrdige Direktor dieſer Anftalt, der nicht die Abwege feiner Zeit Tiebte, fragte nad; dem, was dem Volle in Mahrheit Noth thue, achtete mit aller Aufmerkſamkeit auf den einfachen geraben Weg zum Ziele, und ftatt Beibringung aller fünftelnden Methoden und andern pädagogifchen Kuͤn⸗ ftefeien erhielt er der Sünglinge Augenmerk ſtets auf fein eigenes, naturgemäßes Verfahren beim Unterrichte gerichtet.

*) Zu biefem Zwecke hatte man eine Sorte großer, herbeſchmeckender Aepfel, aus benen die Bewohner der Normandie ihren vortreff: lichen Apfelwein bereiten.

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Es iſt freilich, ſprach er, eine große beachtenswerthe Runft, die Wahrheit von dem Schüler finden zu laſſen, wenn folche nicht bis zur Spielerei und Pebanterie ges trieben wird; aber die höchite bildende Kraft liegt dennoch im Material, und diefes muß daher mit Auswahl ges geben und finnig verarbeitet werden. Eine Bildung ohne tuͤchtiges Material gleicht einer Pflanze ohne fräftige Wurzel, ber obendrein der gnte Boden fehlt. Da aber, wo bad Wie die Zeit ausfült, kann das Was nicht gebeihen; ber Geift geht über ber Form verloren.

Zwei Strebepunfte, die überall feftgehalten wurden, waren gründliche Kenntniß der Sprache, und Weisheit, Würde und Frömmigkeit der Geffinnung und des Lebens. Mit jener, fagte er, theilen wir jeden Begriff, jede Ems pfindung, theilen wir Geift und Charakter, die hoͤchſten Ideen unfrem Zöglinge mit. Darum fei ihre Uebung Ies benbig an jedem Material, und befchränfe ſich nicht auf die Einlernung dürrer grammatifcher Formen, durch welche nur gelehrte Pebanten und hochmüthige Halbwiffer erzeugt werben. Diefe lettere aber und ihre Tochter,. bie Humas nität, find die Beftimmung der Menfchheit: fie follen den ganzen Menfchen durchweben, alfo find fie auch das letzte Ziel alled Unterrichts und aller Erziehung; wiederum geben fie allein der Wirkfamfeit des Lehrers würdige Ermuntes sung, fräftige Triebfedern und gedeihlihe Kraft. Darum muͤſſen fie vielfeitig in jeder Stunde erwachfen, die ber Bildung Kinftiger Führer der Jugend gewidmet ift fei ed durch den Lehrſtoff, oder Durch ben Geift der Männer, von denen biefe Bildung ausgeht.

Er hielt ed für ein großes Gluͤck, daß der Staat Mittel gefunden habe, um bie jungen Leute vier Sahre fang in ber Anftalt zu laſſen, und diefem Umftande, wie der Bereinigung ber Kräfte mehrerer Seminare zu einem

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vollftändigern Ganzen fchrieb er bie Möglichkeit der zwed« mäßigern und humanen Bilbung der fünftigen Schulleh⸗ rer in der ganzen Provinz zu. |

Leider hatte audy er früher die jungen Leute in moͤg⸗ lichſter Eile nur vollſtopfen und abtreiben mäffen.

O, wie gluͤcklich fühle ich mich, pflegte er zu ſagen, jet ein Bater fo vielen trefflihen Juͤnglingen fein zu fönnen, flatt daß ich fonft nur ihr Treiber fein mußte! Wie gluͤcklich find die Sünglinge nmd wie gluͤcklich wird durch ſie der Staat werden!

Ein junger Lehrer muß von einer gewiſſen Lebens⸗ friſche durchdrungen ſich fuͤhlen, oder er ſinkt bald muth⸗ los zuſammen und verkruͤppelt. Wie koͤnnen aber die Seminariſten jugendliche Lebensfriſche behalten, wenn ihre Freiſtunden nur auf dem Schulplane verzeichnet ſtehen, ſie ſelbſt aber von fruͤh Morgens bis an den Abend ent⸗ weder unterrichtet, oder ans Studierpult gefeſſelt werden, um jedem fodernden Lehrer, der doch etwas zu Stande bringen ſoll, zu genuͤgen, und der ſie treiben muß, wie weiland die Frohnvoͤgte die Kinder Iſrael trieben. Frei⸗

Nlich mag mancher Lehrer es verſtehen, bie Jugend zur Ars

beit zu begeiftern und zu fpornen; mancher treffliche Süngling aber wird erliegen, aufbunfen, von der Bol pfropfung feinen Magen zu Grunde richten: der Mund wird mechanifh Fauen, und bie Eingeweide werben Tom oulftvifch Die alte Thätigfeit dem Scheine nach fortfeßen der junge Mann ift für bie Menfchheit, die er mit jugenblicher Freudigfeit und Kraft erfaſſen, die er erheben fo, verloren, wenn gleich Inſpektion über Jaſpektivn eine Zeitlang ihn noch durch Weckung des Ehrgeized oder der Kurcht ſpannt, und ihn noch einige Känfte machen laͤßt. Und wird ein folches 2008 nicht .gerabe bie feinſten Natusen, bie tief und innig faſſen und empfinden, und

darum fich nicht fo leicht vollitopfen laſſen, am gefaͤhr⸗ lichſten treffen? D, bed leidigen Xreibend williger Jugend! ed macht das muthige Roß zum fänmenden Garl!

Alſo der wuͤrdige Direktor dieſer Anſtalt, und faſt alle ſeine Mitlehrer waren von derſelben Anſicht beſeelt, und wirkten, wie er, dem richtig erkannten Ziele muthig entgegen.

Sn diefe Anftalt wurde Human nach mittelmäßig bes ſtandener Prüfung nun aufgenommen, unb wir wollen un kurz angeben, was er bafelbit gelernt und getriee ben hat. | Im Sommer and Winter ftanden ſaͤmmtliche Semis nariſten, geweckt durch den Pedell, fräh vor fünf Uhr anf, und no vor dem Glockenſchlage waren alle im Betfanle verfammelt. Mit dem Glodenfchlage ertönte die Degel, und es wurden, unter ber Leitung eined Schülers, eines fogenannten Singpräfeften, zwei Berfe eines geiſt⸗ fichen Liedes mehrftimmig gefungen, das zu einer Samms Eung gehörte, in welcher zu jeder Kirchenmelodie ein 10% treffliches Lieb gewählt war.

Nach dem Gefange trat der Direltor auf und hielt eis Morgengebet, nicht etwa aus dem Stegreif, fondern eins von denen, deflen ganze Sammlung, beftehend aus dreißig und einigen, außer dem Morgendanf, den guten Geiſt der Anftalt, das mufterhafte Sein unb Leben des Seminarifken und Fünftigen Lehrers mit hoher Salbung in den fchönften vortrefflichiten Ge Banken und gewaͤhlteſten Ausdruͤcken darſtellt. Er fprach dieſes Gebet jedesmal mit Inbrunft in hoher Gottesfurcht, bie ihm durchaus eigen war, unb der Gegenftand bes Gebetes mußte darım um fo lebendiger, heiliger und ei, beinglicher vor die Seele empfänglicher Juͤnglinge treten.

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Dieſes war denn auch beſonders bei unfrem Human ber Fall. Die natürliche, hohe Würde dieſes Lehrers machte einen unbefchreiblichen Einbrud auf den Tüngling, fo daß das Bild diefes Mannes, wie biefe ſich oft wieder⸗ holenden Gebete, ſich auf immer.feiner Seele einprägten. Dadurch wurde Human vor aller Pebanterie unb vor allem gefühlverläugnenden Klügeln in Religionsſachen zeitlebens bewahrt.

Nach dem Gebete ließen ſich fämmtliche Seminariften an ihren Pulten, die im Halbyoligon amphitheatralifch fanden, nieder, und ergriffen die Feder. Der Direftor hatte aus Engels Philofophen, aus den Stunden ber Andacht ıc. die herzerhebendften und gelungenften Stüde, fo wie aus ben vorzäglichiten Canzelreden, in denen mehr Dogmatifches Element herrſcht, die wichtigften Momente, die Eräftigften und Harften Stellen, in allem etwa brei Bande betragend, ausgewählt, die von der hohen kirch⸗ lichen Behörde als vortrefflich erfannt worden waren. Aus einem dieſer Stüde las er Satz für Sab deutlich vor, die Seminariften fchrieben deutlich nach 9, und nun fagte und fragte er das Noͤthige zur Erklärung in Hin⸗ . fiht anf Begriff, Anfiht und Beherzigung, auf Plan und Sprache. Human mußte in den vier Sahren fi eis nen außerordentlihen Schatz vorzüglicher Gedanken fans meln, die feine ganze Seele ermwärmten und durchdran⸗ gen; und da in diefen Andachten ıc. eine fo edle Sprache,

fo reine Darftelung und überhaupt ein fo hohes religiäfes Gefuͤhl und geiftvolle Beredtfamkeit herrfcht, auf welches alles er fo vielfach aufmerffam gemacht -worben war: fo mußte er fi, zumal da diefer Stil auch˖ in den Gebeten

*) Man verwechfele diefe -Uebung nicht mit den getabelten elenben Diktiruͤbengen.

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und überhaupt in dem Bortrag des Direktors herrfchend . war, ganz diefelben aneignen. In den beiden obern Claffen mußte er monatlid, einmal verfuchen, irgend eine Andacht, oder einen Theil derſelben aus dem Kopfe niederzufchreiben, ‚und er fühlte fi dazu mehr und mehr fähig, Human . meinte, nichtö habe fein Inneres fo edel, fo kraͤftig, nach⸗ drucksvoll ergriffen, nichts habe feinen Stil_fo gebildet, als diefe kunftlofe Hebung, und durch nichts fei ihm mehr der Mund gesffnet worden, um mit Kindern über religiöfe . Gegenftände zu fprechen, als burch dieſe Bearbeitung ber Andachten ıc. , durch diefe Gebete ıc.

Mit dem ſechſten Stundenſchlage ging. Seber in feine Claſſe. Bier diefer Stunden wurden wöchentlich dem Lefen, und zwei den Naturwiffenfchaften gewidmet. Beim Lefeun, terricht hatte jeder Seminarift ein Heft vor fich, in welchem . er. die Bemerkungen des Lehrers über Behandlung ded Buches . x. niederfchrieb. Die Lehrer gingen hierbei von dem Grund» ſatze aus, daß ber kuͤnftige Volkslehrer die Bücher im Seminar felbft Iefen und behandeln lernen muͤſſe, die er . einft in der niederen oder höheren Volksſchnle zu behandeln habe *).

Der Lehrer der unterften Claſſe arbeitete n mit den Ser minariften Tillichs Lefebücher in Hinficht aufs Lefenlernen, . auf Begriff, Sprache, Sadje und Gang mit aller Genauig- Zeit durch. Dann wurden Lieths Kindergedichte, mehrere Kinderfchriften von Lohr und Campe zum Theil durchge⸗ . nommen, nnd die Behandlungsart verfelben mit aller Sorg- falt gezeigt. In der folgenden Claſſe las Human vier eine . Bändchen Briefe, die in einem fehr edlen und leichten Stil

*) Diefe Bücher und ihre Behandlungsart will ich Hier nur im Allgemeinen angeben, da ich in dem zweiten Theile diefer Schrift ein Mehres von denfelben fagen muß.

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‚gefchrieben waren, und Belehrungen über den menfchlichen Körper und Geift, eine Gefundheitslchre, dad Gemein nuͤtzigſte aus der Naturlehre zur Dämpfung bed Aberglaus -bens, fo wie Gelegenheitsbricfe enthielten. Der Lehrer machte vielfach auf die brieflichen Ausdruͤcke und Wendungen, fo wie überhaupt auf die Schönheit des Stils aufmerkſam, and jeder Brief mußte von der Clafie fo lange zuſammen - gelefen werden, bis derſelbe in natürlicher Deklamation gelefen wurde, und die Seminariften fid, im Stanbe. fühl ten, bdenfelben aus dem Kopfe niederzufchreiben. Dann wurden auf biefelbe Art Krummachers Parabeln gelefen und -niedergefchrieben. In der zweiten und -erften Claſſe Iafen Lehrer und Schüler Schillers Abfall der Niederlande und feinen breißigjährigen Krieg, wobei auf jedes Vorzuͤgliche, in Rüdficht auf Urtheil, Ausdruck ıc. aufmerffam gemadıt wurde. Auch blieb in der eriten Claſſe noch Zeit, einige dramatifche Werke Diefes Dichters zu lefen. Human meinte, die Leſung diefer, wie auch der folgenden Schriften, habe ihm eine befondere Gewanbdtheit in der fpätern Behandlung derſelben mitgetheilt; denn alfenthalben feien ihm bie frühe ren Bemerkungen feiner Lehrer wicder eingefallen, die er dann auf das forgfältigite in feinem Wirfungsfreife zu bes nutzen gefucht habe.

Tas die Naturwiffenfchaften angeht, fo Fernte Human in ben eriten anderthalb Jahren Naturgefchichte,. in dem folgenden Jahre mathematifche und phofifche Geographie, und in den lebten anderthalb Jahren Naturlehre. In Diefen Fächern wurden diejenigen Lehrbücher durchgearbeitet, wels che die Seminaniften dann gebrauchen follten, went fie fih dem höheren Bolköfchulunterrichte widmeten. Auch wurden ihnen einige Bücher in die Hände gegeben, die ihnen noch außer dem Unterrichte eine erhabene, religiäfe Anficht von der Natur aneiguen fonnten, wie 3. B. biefe

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Schriften ven Sander. In der Stunde von 7 bie 8 Uhr wurde gefrühftädt, und die jungen Leute konnten fich in freier Zuft bewegen.

Die Stunde von 8 bis 9 Uhr war der Mathematik gewibmet. Der Seminarift wurde in jedem heile auch auf die Behandlungsart derfelben aufmerffam gemacht, fo wie im Entwideln der Lehrſaͤtze geübt.

In der vierten Claſſe wurde mit Human das Kopfs rechenbuch von Tillich und der erſte Theil des Rechenbuches von Diefterweg und Heufer durchgearbeitet; in der dritten Claffe wurde der zweite Theil dieſes Rechenbuches, in ber. zweiten Claſſe die Geometrie nad) Diefterweg beendigt, und in ber erſten Claſſe wurde Buchſtabenrechnen und Algebra getrieben, wo fo viele Aufgaben aus Meier Hirfch aufge Iöfet wurden, als es die Zeit geftattete *).

Bon 9 bis 10 Uhr waren wöchentlich der Geſchichte drei Stunden, ber Geographie zwei Stunden, und dem Unterridyt im Schönfchreiben eine Stunde gewidmet.

Bon der Gefchichte lernte Human in jeber Claſſe etwa brei Baͤndchen von Beckers Werke cherausgegeben von Loebell, und verbeffert von Woltmann und Menzel Fennen, die ber Lehrer mit feinen Anmerkungen begleitete. Jeder Semina- rift merkte fich den Gang der Thatfachen furz an, hob Die wichtigften Zahlen zur gemeinfchaftlichen Einuͤbung aus, und mußte am Schluß einer Periode, einen ihm aufgegebenen Theil derfelben ald Probearbeit fchriftlich darſtellen.

*) Es muß bemerkt werben, daß jeder Seminarift jährlih in ben dad Jahr hindurch erlernten Gegenftänden geprüft wurde, und daß der Direktor hauptſaͤchlich nach diefen vier Zeugniffen dem Ab⸗ gehenden das Hauptzeugniß ſchrieb. Es geſchah diefes, damit ber Züngling zur Zeit feines Haupteramens von Arbeit nicht niederge⸗ drückt werden Tonnte. Hatte ee bann auch manches vergeſſen, ſo konnte er daſſelbe leicht nachholen.

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Bei der Geographie lernte Human nebſt einer allge⸗ meinen Ueberſicht in der vierten Claſſe, Deutſchland, in der dritten, Europa, in der zweiten, Amerika, Afrika und Au⸗ ſtralien, und in der erſten Claſſe, Aſien gleich in feinen eins zelnen Theilen Fennen. Sn der erften Elaffe blieb nun noch

- Zeit, das aus der Geographie Gelernte zu wieberholen.

Der Unterriht im Schönfchreiben wurde nach ben Bors fhriften von. Heinrichs ertheilt; und wer im Schreiben zuruͤck war, mußte in den Freiftunden fich. üben, in welchen Außerſt wenig Privatarbeiten vorfielen, da in der Schule geforgt werden mußte.

Won 10 bis 2 Uhr waren Freiſtunden, in welchen alle bei nicht zu unguͤnſtigem Wetter im Garten arbeiten, oder ſich Doch bewegen mußten es wäre denn, daß einige, für eine Stunde, Unterricht oder Privatäbung in der Muſik gehabt Hätten. Clavikorde für die Privatübung flanden in : mehreren Zimmern jedes Lehrers. Nachmittags von 2 bis 3 Uhr fiel wöchentlich. in 2 - Stunden der Unterricht in der beutfchen Sprache, und in - ben beiden andern Stunden fielen Begriffdentwictelungen vor. In ber vierten &laffe wurde die Grammatik von Bauer - oder Härling, mit Ausnahme ber feinern Regeln durchgear⸗ beitetz in Rüdficht auf Claſſiſikation der Nedetheile, ber Zuſammenſetzung und Deklination der Haupt s und Beiwoͤrter hielt ſich der Lehrer au die bemundernswürbig klare Anficht von Seibdenſtuͤcker.

In der dritten Claffe lernten die Seminariften Die vers ſchiedenen Satz⸗ und Periodenarten, fo wie die Hauptre⸗ geln eines guten Stils Fennen; in der zweiten Claffe wurs den die feiern grammatifchen Regeln nach Bauer ıc., nänts lich die von Vater, GSeidenftüder, Grotefend, Härling, Schmitthenner ve. vorgenommen, unb ber Schüler wurde im Anordnen CDifponiren) verfchiedenartiger Auffäge geübt,

und’ in der erften Claſſe wurden, wöchentlich in A Stunden, Unterhaltungen über pädagogifche Gegenftänbe gepflogen, die dann Material zu Auffäben hergaben. |

Die wichtigern Iogifchen, moralifchen ıc. Begriffe wur⸗ den in Den drei untern Claſſen entwidelt, und die Semi⸗ nariften mußten es verſuchen, fobald fie den Begriff mit Klarheit gefaßt hatten, auf kuͤrzeſtem Wege denfelben durch Schriftliche Aufftelung der nöthigen Kragen zu entwideln. - Diefe gemeinfchaftliche Hebung gab vielen Anlaß zur Auf führung fefter Regeln in der Entwicklungskunſt. In Dies fen Stunden wurde auc das Noͤthige aus ber Logik, wel⸗ ches für bie drei Glaffen vertheilt war, durchgearbeitet.

Bon 3 bis A Uhr wurde, wöchentlich in 3 Stunden, , Unterricht in der Bibel ertheilt, und in einer Stunde wur⸗ den beflamatorifche Uebungen angeftellt.

Beim Unterricht in ber biblifchen Gefchichte, der in den beiden untern Glaffen erteilt wurde , erzählte ber Leh⸗ rer jedes Stuͤck aus dem Anleit von Kohlraufch mit. ftäter- Benutung ber Charafteriftif von Niemeier ıc., malte jeden Gegenfiand mit Iebhaften, edlen, der Sache wärbigen Karben aus, ftellte alfo daffelbe wie ein Gemälde his, und las dann das Stud aus Kohlrauſch erflärend vor.

Monatlich mußten die Seminariften es verſuchen, ein ſolches Stud ſchriftlich nachguerzählen ; einzelne Theile, die dem Lehrer befonders gut barzuftellen gelungen waren, wurden indeß von den Seminariften in ber leßten Hälfte der Stunde ſchriftlich dargeſtellt.

In den beiden obern Elaffen wurde mit Auswahl bie Biber gelefen und erklaͤrt; und damit, der Lehrer in ſchwierigen Källen feinen Anftoß geben mochte, war eine Hermeneutik und ein Erflärungswert von her; geiftlichen Behörde ihm zur Richtſchnur anempfohlen worden. Der forgfältige Uns terricht in den beiben letztern Gegenftänben erzeugte in Hu⸗

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man eine aunßerordentliche Werthſchaͤtzung der heiligen Schrift, umd dieſe erhöhete fih in dem Maaße, als feine Einfichten in diefelbe immer tiefer wurden.

Mas die Deflamationshbungen betraf, fo wurden in der vierten Claſſe viele Kindergebichte von Lieth, und viele: Fabeln aus der Wagnerfchen Sammlung erffärt, gemein Ichaftfich auswendig gelernt, und beflamatorifh, d. h. durchaus natuͤrlich hergefagt.

In der dritten Claſſe wurden außer kleinern Proben dentfcher Beredtfamfeit, wie wir deren in Heinſius und Reinbecks Rhetorik ıc. finden, ferner und befonderd bie leihtern und in der zweiten Glaffe die ſchwerern Stücke and Engels Philofophen, fo wie Lobreden auf Friedrich den Großen von Engel und Bohannes von Muͤller erklaͤrt und auswendig gelernt.

Mittwochs und Sonnabends Morgens von 11 bis 12 Uhr wurde Religionsunterricht nach dem Catechismus von Dräfefe ertheilt, der von der hohen geiftlichen Behörde burchgefehen worden war.

Die Zeit von A Uhr, wann das Veſperbrot verzehrt wurde, bis halb 8 Uhr, war wieder ımter benfelben Bes fhräanfungen, wie in den Mittagsfreifimden, der Gartens arbeit gewidmet. Um halb 8 Hhr. verfammelten ſich fämmtliche Seminariften, um das Theoretifce der Muſik näher fennen, und um unter Anleitung der Mufifichrer eine Motette und den mehrftiimmigen Choral fingen zu lernen, der zur Zeit in den Morgenandachten gefungen werben mußte. Damm wurde von den jurigen: Leiten ein einfaches Abendbrot eingenommen, und um halb 10 Uhr legten ſich alle zur Ruhe. I

Mittwochs und Sonnabends Naikmittags mußten die Hauptarbeiten im Garten beſorgt werden,’ oder die Semi⸗ nariften machten fich mit der Korftfultur- oder mit Dem

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Feldbau bekannt, oder fie machten unter Aufſicht der Leh⸗ ver Wanderungen in die Umgegend, oder fie arbeiteten, befonders bei fehr unguͤnſtigem Better, ihre wenigen fchrifts lichen Auffäte aus, oder beforgten die nöthigen Hausars beiten, oder laſen etwas Ruͤtzliches. In jedem Kalle

mußten fie aber ihre fünf Minuten lange Orgelübung und. ' die Zeichenftunde abwarten, in welcher Ießtern fie befons ders Körper zeichnen und die Regeln der Perfpeftive Tens nen lernten... Diefe Uebungen fielen fir Seben an: jedem Freinachmittage anders, fo daß fie nur zu Zeiten ihm. weitere ‚Entfernung vom Seminar unmdglich machten. Der Muſikunterricht wurde von zwei Lehrern nad) der Logier⸗ fhen Methode ertheilt; nur wurde dabei der Grundſatz befolgt, daß die Seminariften außer der Glavierfchule nichts anderes fpielten, ald was fie in der Zukunft auf der Orgel würdig gebrauchen konnten. Saͤmmtliche mufitalische Uebungen waren in vier Gurfe getheilt, und zwar fo angeordnet, daß der Lehrer zur Noth mit den untern beiden Gurfen ausreicht. Obſchon man beine Ges fang den Grundſatz für den naͤchſten Zweck zu bilden nicht ganz fefthalten Fonnte, fo blieb man bdeimfelben doch fo. viel als möglich treu. Human hatte vorzägliche Neigung zur Muſik, und durch die treuefte Mebung in berfelben brachte er e8 dahin, daß er hierin zu den beften Schülern. der Anftalt gehörte, die mit Fertigkeit und Geſchmack Fur gen von Bach, Kittel ꝛc. ıc. vortragen konnten. Des Sonntage Morgens währte die. Morgenandacht, die dann erft um 6 Uhr anfleng, etwas länger als eine Stunde, da das in der Woche Durchgearbeitete noch einmal, dem Ges müthe eingeprägt und dann zufammengelefen wurde, Gegen 10 Uhr ging es in ordentlichen Zuge unter Beglei⸗ tung einiger Lehrer zur Kirche. Die Seminariften. mußten Die Prebigt auffchreiben, und nach dem Gottesdienſte, wenn

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das Aufgeſchriebene gezeigt wurde, wurden von dem Lehrer noch einige Worte zur Beherzigung geſagt. Rechnet man die erſten und letzten Unterrichtsſtunden jedes Tages, den Muſikunterricht, der ſich groͤßtentheils im Religioͤſen be- wegte, und überhaupt ben ſittlichen und religioͤſen Sinn der Anftalt, der ſich allenthalben, wie in einer wahrhaft hriftlichen Familie, ausſprach, zu diefen Uebungen, und bedenft man, daß man auch in den vortrefflichften Uebun⸗ gen Maaß halten mäffe: fo mag es Far fein, daß Religio⸗ fität in diefer Anftalt mit zarter Sorgfalt gepflegt ward.

Der Sonntag Nachmittag war, außer an den chrifts‘ lichen Fefttagen, wann auch ded Nachmittags Gottesdienft gehalten wurbe, den Wanderungen oder den Bergnägungen: im Garten, oder: auf dem Felde gewidmet. -

Faſt jeden Sonntag Abend war eine -mufikalifche Uns’ terhaltung, oder eine Wiederholung des Gelernten, an wel⸗ cher in der Regel ſaͤmmtliche Familien der Lehrer Theif: nahmen. Zu Zeiten wurben ganze Theile von geiftlichen Dratörien, wie folhe von Haiden, Graun, Schneider ıc. fo wie auch die Bantaten von Glaͤſer, welche leßtern man’ im Manuffript befaß , aufgeführt.

Nehmen wir nun die Freiſtunden des Mittwochs und Sonnabends mit deren Befchränfungen aus, fo blieben den Seminariften an den gewöhnlichen Tagen viertehalb Stun⸗ den Zeit zur Bewegung und Arbeit im Garten übrig, im Fall fie nämlic gar nichts für die Schule zu arbeiten hats ten. Diefe Erholungszeit war ihnen, zumal bei gutem Wetter, gar- wol zu gönnen. In den langen Winterabens den aber, ober bei ftürmifchem- Wetter. befchäftigten fich Die jungen Leute mit verfchiedenen Handarbeiten im Haufe, oder es wurden in den verfchiedenen Claſſen Campes, Hums bolds ꝛc. Reifebefchreibungen, Charaftergemälde der Völker, Geſchichte, Selbfibiographien ausgezeichneter Männer, wie

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die von Franklin, Nettelbeck ꝛc. oder andere leichte Schrif⸗ ten vorgeleſen, die nicht bei ihrem angenehmen Inhalte den Muͤßiggang des Geiſtes befoͤrdern, und Ekel an wiſſen⸗ ſchaftlichem Streben erzeugen. |

Für. folhe Tage ziehen wir nun noch ein Drittel von. der Bewegung oder Arbeit in freier Luft ab, und jeder Ju⸗ gendfremib wird Die übrig bleibende Bewegunggzeit für eis : nen jungen Menfchen, der von 5 Uhr Morgens bis Abends - 9 Uhr thätig ift, nicht übertrieben finden. )

Sp pflegte der. Direftor vorzurechnen, wenn- Andere, - welche: fammtliche Nebenftunden und Nebenbefchäftigungen bes Geiftes nicht mit einrechnen, die Zahl der Freiftunden für zu bedeutend hielten. Es geht folchen Menfchen, pflegte - er zu fagen, in dieſem Stuͤcke, wie es benjenigen Haus⸗ vaͤtern geht, bie nur auf ihre Hauptausgaben rechnen, - und ſich verwundern, daß der Beutel fo früh leer wirb,. Sp geht auch: bei jungen Leuten, die bloß geiftig befchäftigt find, das wahre Geiftesleben verloren, fie verfrippeln den⸗ noch am. Ende.

In diefer Anftalt lebte nun Human vier volle Jahre fehr vergnügt, und ging darauf mit guten Zeugniffen vers fehen, gefegnet von feinen Lehrern, und innig befreundet mit vielen jungen Leuten, in aller Lebensfrifche von bannen, nach einer vereinigten niederen und höheren Volksſchule der nahe gelegenen Stadt. Diefe Anftalt war von dem Semis narbdireftor eingerichtet worden, und wurde von einem bras ven ehemaligen Seminariften geleitet. Hier leiftete Human ſaͤmmtlichen Lehrern. der Anftalt untergeordnete Dienfte als Ordnungsbeamter ꝛc. durfte. bem Unterricht in allen Klafe

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*) In der letztern Zeit wurben die nöthigen Geräthe für Lelbesübung in einer Halle aufgeftellt, damit die Sünglinge bei anhaltend ſchlechtem Wetter dort ſich bewegen Tonnten.

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ſen zuhoͤren und mußte zu Zeiten auch unterrichten. Nach Verlauf eines Jahres wurde ihm eine Stelle als Huͤlfsleh⸗ rer an dieſe Schule angetragen; er nahm dieſelbe an, ob⸗ gleich dieſe Anſtellung ihm nur ein ſehr ſpaͤrliches Unter fommen verfchaffte, arbeitete dort einige Jahre zur befons dern Zufriedenheit des Direftord, und hatte dann das Bergnügen eine ordentliche Xehrerftele auf dem Lande zu erhalten.

Die Schule, in der er freilich allein unterrichten mußte, richtete er nach der allgemeinen Vorſchrift ein, lehrte dort mit dem groͤßten Vergnuͤgen; und die Gemeine, welche das Streben dieſes jungen. Mannes erkannte, ſchaͤtzte ſich gluͤcklich, ihn zu beſitzen. In ſeinen Mußeſtunden bearbei⸗ tete er ſeinen Garten und ſeine Baumſchule, und ſorgte nicht minder für feine geiſtige Vervollfommmung durch eige⸗ ned Nachdenken und Lefen.

An diefem Drte errichtete er auch einen bedeutenden Saͤngerchor, durch welchen er nicht nur den Kirchengefang bald fehr verbeflerte, fondern auch an chriftlichen ꝛc. Feften die Feier des Tages zu heben fuchte.

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Drittes Capitel. Humans Weiße

Hier, entfernt non allem Geraͤuſche der Welt, konnte er aun in der ihm fo nöthigen ſtillen, Befhauung leben. Es fhien, als wenn die empfangene Ausſaat erft jetzt, Da fie Ruhe um fi hatte, feimen und hbervorfprießen fonnte Darum er

fchien ihm nun. fo mancher Umſtand, der erziehend auf: ihn

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gewirkt hatte, von ihm aber bisher mit gleichgültigen Aus gen angefchen worden war, ſo hoͤchſt wichtig, fo ſegens⸗ vol. Wie viele Urfachen fand er nun, feine Eltern und. das Seminar mit innigftem Danke zu verehren! Jetzt erft erfannte er bie Wichtigkeit feines Amtes mit Iebendigem Gefähl, und er beſchloß alles das. zu thun, was ihn als Menfhen, Chriften und Lehrer würdiger machen fonnte.

hm fielen gerade Jetzt Herberd Humanitäte» Briefe im die Hänbe, und mußten auf einen Süngling von reis nem Sinne und mi: Herzen, wie Human war, mädy tig wirfen. Er Surchdadıte jeden Gedanken, und bildete fih Grundſaͤtze nad) driiſelben, die er ohne firenge Ord⸗ nung in ein Buch ſchrieb, finnend mit fich herumtrug, und auf Diefe Art mit feinem Innerſten verfchmelzte,

Möchteft auch Du, o theurer Süngling! dieſe in das Innerſte Deines warmen Herzens aufnehmen, und bort wie ein Kleinod verwahren! Höre denn!

Sch bin ein Menfh! O Gott, daß ichs immer im edelſten Sinne bed Wortes werden möchte! Ein Menſch möchte ich hier auf Erden werden, fein Engel und fein bdfer Damon ein Menfch, das liegt in meiner Be flimmung. Alles fodert mich auf ein Menfc zu werden: alle Kräfte in mir auszubilden, die der allgütige Schöpfer in meine Bruft gelegt hat. Schrift und Natur rufen es mie zu, befonders aber erheifcht es der Kreis meines Wir⸗ Send! Wie kann ich meinen Schülern zum Menſchthum verhelfen, wenn ich mich felbft nicht bemühe ein Menſch zu werden! Daum will ich nad) Erfenntniß der Wahrs heit fireben; die Ehrfurcht vor Gott, allem Heiligen und Guten in meinem Herzen nähren! Zarte Empfindung für

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das Wohl und Weh meines Mitmenſchen, wer er auch ſei, fol in meinem Herzen Raum gewinnen das lehrt mir Chriftus, mein Borbild!.

Es iſt Gottes Abficht, Daß die Menfchheit voranfchreite, - und Menfchen find dazu feine Diener. Auch mich würdigt. er, in feiner Hand ein Werkzeug zu fein! DO, daß ih es. in That und Wahrheit fo- ganz würde! daß ich in dem Ge danken, die Menfchheit an meinem Theile zu heben, Cigen- nutz, Selbftfucht und jede niedrige Leidenfchaft in. mir vers. drängen könnte, um ganz meinem Zwecke zu leben!

Sch weiß, daß Gott die Menfchen hebt durch Freud. und Leid. Darum will. ich beides benugen: bie Freude dankbar und weife genießen, das Leid ohne Murren ertragen, . und mich und Andere in bemfelben tröften und. ermuntern.. Sa, fühle dich ermannt, Human, bei den Unaunehmlichfei- ten, die auch du zur ertragen haben wirft, durch den troſtvol⸗ len Glauben, daß die Menfchheit rings um dich vorans fehreitet. Gaben dir hierin nicht bie Edeliten der Menſch⸗ heit bewundernewürdiges Beifpiel? und nimmft du noch. Anftand das zu thun, was du an den Beften bewunderft?

Oder Iebe ich. wirklich fchon groß, in Wahrheit ein edles Leben? fo daß ich mich über die Unannehmlichkeis ten des Lebens, im Blick auf den Fortfchritt der Menfchheit hinwegzufegen im Stande bin? Lebe ich frei, fo innig mit Gott und Jeſu verbunden, daß ich alle Pflichten aufs Beſte zu erfüllen trachte? Lebt bein Geſetz, o Hoͤchſter, fo ganz in meiner. Bruft, daß ich mir felbft das Geſetz bin?

Ach Gott, dus weißelt es, wie weit der Süngling vom Ziele nody entfernt ift! Hilf mir diefem Ziele entgegenftres ben! Smmer näher, immer näher! Das fei bis in den Tob mein heißeſtes Begehren!

Sch will nicht gleich muthlos werben, wenn ich glaube, die Menſchheit um mich rückwärts gehen zu fehen. Könnte der Rüdfhritt nicht der Menfchheit das wers den, was der rädbiegende Aufak dem Sprin ger ift? Thue das beine mit forgfältiger Weberlegung, Human, und vertraue Gott.

Warum follte ich nicht dahin gelangen Tonnen, daß meine Gedanfen täglich reiner, und übereinftimmend mit des nen der Beten bes Landes werben? Warum nicht? Gott ſteht mir bei, wie ihnen, deß bin ich gewiß! Herr er halte mir das Vertrauen zu deiner Liebe. Schaffe du in mir Gott ein reines Herz, und gib mir einen neuen gewiffen Geiſt!

Habe ich denn in jeglicher Stunde das rege Beſtreben, der Menfchheit nach allen Kräften zu nuͤtzen? Ad} nein, ich bin nicht immer, wie geftern und vorgeftern; oft bin ih lau, oft kalt; oft ftrebe ich Doch weniger dem Ziele entgegen, als ich es wol koͤnnte.

Schweine noch nicht von Herzen, wenn ich einen Tag verloren habe. D, daß ich diefe Gleichgültigkeit fo ganz aus meiner Seele entfernte! daß jede verlorne Stunde, bie ich der Menfchheit hätte widmen follen‘, Trauer in mir ers wedte!

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O, eilt Gottes und der Menſchheit, wede mich freundlich jeden Morgen von meinem La ger,Teite mih an Deiner Hand; und wo ich Dich verlaffen will und ermatten, ba fhaue du mit holdfeligem Auge ermunternd mid an, und zeige mir das hohe Ziel, zu dem du fo gerne mich geleiten möchte. an daß ih daun nie dich betrübte!

Sollte ich meines Gleichen nicht Iieben? Haben: fie nicht gleiche Gebrechlichkeit und gleiches Bebärfniß mit wir ? Muͤſſen wir nicht gemeinfchaftlich zur Befriedigung deſſelben hinarbeiten? Haben wir nicht ein gleiches Loos? Zeigt uns Gott nicht deutlich in Freud und Leid, daß wir bie Menfchen ſuchen mäflen?

Pie geringe ift die Freude, bie ich allein genieße, wie herbe der Schmerz, wenn fein. Bruder: liebreich mich troͤſtet! Sollte Diefe natürliche Zuneigung, die ich zn meinem Mit⸗ menfchen fühle, nicht in jedem Menfchen liegen? Koͤnnen wir wirffich ohne Andere Teben? Nein, geliebte Menſch⸗ heit, ohne dich kann ich nicht leben; in beinem Angeft ichte will ich mich freuen, damit ich dich erheitere, in deinen ‚Bufen weinen, damit du mich troͤſteſt! Herz, präge.es bir ein, bie ganze menfchliche Gefellfchaft ift von dem. Welten⸗ ſchoͤpfer eingerichtet, daß fie Liebe einflöße, Liebe gebe und empfange. Und dieſe Liebe ſoll Unwiſſenheit, Unverſtand, Rohheit, ja ſelbſt Bosheit, einzelner Glieder in meinem Her⸗ zen nicht ſtoͤreu! Stärke mich Urquell ber Liebe!

Iſt die Menſchheit in meinem Kreiſe nicht, wie ich ſie wuͤnſchen ſoll; warum nehme ich Anſtand das Meinige zu

in f

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shun, damit es beiler werde? Wirte, Human, und ver derbe nicht Zeit und Welt durch laͤſſiges Klagen, durch feindliches Zuͤrnen, durch bitteres Berachten. Wurzle Die Borurtheile aus in beinem Kreife, aber bewahre dir und der Sugend den Chriftenglauben, der allen Menſchen, ohne Anterfchted Der Kirdye und des Stanbes wohl will, den Glauben an die Menfchheit; übe den Verſtand deiner Schuͤ⸗ fer, aber lehre fie nicht kluͤgeln uber ihren Glauben und Aber Dinge, die und Menfchen zu hoch find; ſtaͤrke ihren Willen, aber evhalte denfelben Gott und der Obrigkeit ges horfam. Wecke und hebe durch meifen Unterricht and dur eigenes Beifpiel den Sinn für das allgemeine Belte: für Schule und Kirche, für alles, was wahr und nuͤtzlich, gut und ſchoͤn iſt, und ed wirb befler merdes mit der Menfchheit in Deinem Kreiſe. |

erde iches jein meiner Schule zu einem gewiffen Grabe von Bollfommenheit bringen? Das Thun des Menfchen iſt Stuͤckwerk; Bolllommenheit liegt in der ‚ganzen Einrich⸗ tung feines Weſens und Thund hier auf Erden nicht; im⸗ mer werde ich mic) mit dem Streben nach dem Vollkomm⸗ nen begnügen müflen; aber diefes Streben werde mir Be dürfniß, werde mir Leidenfchaft. Wenn ich merfe, daß ich wicht zu Stande bringe, was ich mir vorgenommen habe, fo will ich nicht muthlos werden, und die Hände nicht ſinken laſſen, um mid, nicht felbft des.Erfolges zu berauben. Im Vertrauen auf Gott will ich auch Das Letzte verfuchen.

Penn gleich die Menfchheit nicht auf einmal zur Hu⸗ manität gelangt, fo kommt fie derfelben Doch immer näher. Die Beſſern und Weiſern unſrer Vorfahren haben für. die

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: Hebung der Menfchheit geforgt; wir follen treulich ihnen nachſtreben. Und wenn einft wir aus dem Wirkfreife tres ten, jo werben Andere nad) uns kommen, die das Werk da angreifen, wo unfre Hände erfchäpft abließen.

Wir gleichen den Gewäflern eines Sahres, welche die Höhe als Flüffe fegenfpendend in die Ebene ſeudet; das Waſſer vieler Fahre aber vermag erit den Wohlftand des Landes fichtbar zu heben.

D Gott, möchte der Fluß meines Wirkens ein. fegens- reiches Sahr in diefer Gemeine bereiten, und eine dauernde - Wohlfahrt gründen helfen!

Gott bewahre mich, daß ich der Menfchheit,, und ins befondere den mir anvertrauten Kindern, irgend ein Unrecht zufügen follte. Jedes Boͤſe, das einem einzelnen Menfchen gethan wird, beftraft ſich; Boͤſes aber, das der Menfchheit geſchieht, rächt füch fürchterlich. ‘Die Gefchichte lehrt dieſes vielfaͤltig; und doc, glauben Kurzfichtige, ihr, ber Menfchheit zugefügtes Unrecht würde mit den fchredfichen Folgen verfchont bleiben. Ich will die Menfchheit in : jedem einzelnen Gliede berfelben ehren.

Sollte ih Rachſucht in meiner Seele dulden, wenn ich etwa von den Eltern meiner Schüler oder von meinen Nachbaren ıc. beleidigt würde? O, meine Seele, fieh . Sefum an, wie er noch fierbend für feine Feinde betet! Wohlwollen, reines Wohlwollen muͤſſeſt du athmen gegen jeden Menfchen; Feindfchaft dulde nicht an dir, befchönige fie nicht. Freilich iſt es ſchwer, Die Rachſucht auszurotten; aber halte nicht fuͤr unmoͤglich, das zu thun, was vielen Edlen gelungen iſt. Biſt du nicht. eben. fo, gut Menſch, als

33 fie? Hatten fie etwa einen ſtaͤrkern Gott, der da hilft, einen Tiebreichern Bater, der huldvoll ermuntert? Leitet

nicht derfelbe Gotteögeift mich, wie fie zum Guten, went. ich zu ihm flehe?

Warum follte ich einen Menfchen verachten? Weil er anders denkt, als ih? Kann denn der Menfch in einer andern Lage, von andern Fähigfeiten und Kräften ale ich, immer, oder in allem mit mir gleich denfen und fuͤh⸗ len? Bin ich etwa im Beſitz des Steines der Weifen? Oder fol nur ich allein das Recht haben, irren zu Finnen, Zehler zu machen, ohne verachtet zu werden? Nein, ich will duldfam fein gegen Die Ueberzgeugungen Anderer; amd wenn die mir anvertraute Jugend nicht fo fchnelle Kortfchritte im Guten macht, als ich es wuͤnſche, fo will ich an das langſame Fortfchreiten meines eigenen Wefeng denfen, und es mit dankbarer NRührung erfennen, wie Liebe und Nachficht die Sorgfalt meiner Erzieher in der Hoffnung auf mein Befjerwerden leiteten. Nein, nein, ich will feinen Menfchen darum verachten, daß er in feinem Streben hinter mir zuruͤckzubleiben fcheint! Ach Gott, wie viele meiner Ruͤckſchritte mag die Eigenliebe an mir für Sortfchritte halten! Sollte ich nicht ſchon mich über das nnverftändige Handeln, über die Fehler irgend eined Ne- benmenfchen gefreut haben, um mid; über denfelben ftellen zu Können? Warum machte ich ihm nicht in aller Liebe auf feinen Srrthum aufmerffam? Warum fuchte ich nicht im Stilfen feinen Fehler für die Welt weniger ſchaͤdlich zu machen?

Pfui der Niedertracht! die fchadenfroh da verachtet, wo fie-zurecht führen Eonnte; die einen Menfchen im ben 3

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Koth fallen laͤßt, um uͤber denſelben triumphiren zu koͤnnen.

Gott, du Herzenskuͤndiger! ſtaͤrke mich in der Stunde der Verſuchung, daß ich keinen der Geringſten verachte! Bewahre mich vor aller Liebloſigkeit und Tuͤcke!

Trau, ſchaue wem. Den Verſtaͤndigen achte ich wegen ſeiner Einſicht, den Edelmuͤthigen liebe ich wegen ‚feiner Reinheit; wer aber Verſtand und Edelmuth beſitzt, der iſt human, der hat meine ganze Hochachtung und Liebe, dem gebe ich mit Vertrauen mich hin. Achte ich dieſe Ei⸗ genſchaften aber im Innerſten meiner Seele als die hoͤch⸗ ften; was hält mid, dann ab, felbft verfländig und edel⸗ müthig zu werben? was frage ich dann noch viel nad dem höchften Zweck der Schule?

Bewahre mich, o Gott, vor allem Eigenduͤnkel und aller Selbftzufriedenheit, Selbftgefälligkeit und Selbftfucht, und erhalte mich felbft da befcheiden, wo mein Streben zu fehr oder nicht gehörig gewürdigt wird. Gtets will ich den Ausfpruch Herders in Gedanfen und im Herzen bewahs ren: „Auch Menſchen, die in ber Sugend fehr befcheiben „waren, Eönnen im feinen Neg der Selbftliebe fo weit ges ‚führt werben, daß man in wenigen Jahren über ihre „vermeſſene Demuth erflaunt; und durch nichts wurben fie „ſo weit geführt, ald daß andere ein vermeffenes Zutrauen „auf fie festen, und fie durch dies Zutrauen zuleßt uns „verfchämt machten.” u

‚ie Liebe ſich mittheilt, theilen fich alle Affekten, ‚Anfondberheit der fromme Wahnſinn und die gläubige Phan⸗

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„tafterei mit: man glaubt endlich zu fein, was der andere „lange geglaubt, und uns überredet hat, daß wir wol „fein koͤnnten, und fo wird man mit beftochenem eigenen „Gewiſſen vor Gott und Menfchen ein eitler, fcheinheiliger „Popanz.“

Wie leicht kann ein Volkslehrer, der gefällt, dahin fommen! Wie leicht mag ein Lehrer, der immer. mit Kins dern umgeht, die auf die Worte ihres unfehlbaren Meifters ſchwoͤren muͤſſen, nach und nach auf den blinden Glauben fommen, er fei über alle Mängel erhaben, und aus Mans gel an Welt + und Menfchenfenntniß von feinem Borges fegten , feinem Menfchen mehr Erinnerung annimmt! Gott der Güte, bewahre mich! Dem Stolzen bift du feind, aber dem Demüthigen gibft du Gnade! Holde Befcheidenheit! ‚bu laͤſſeſt in deinen Juͤngern Feine Ueberfchägung des eiges nen Werthes entitehen; denn du Ienfeft den Blick des fire- benden Edeln auf ein Ideal, das immer fich reiner in ihm geftaltet, je fehärfer er fieht; das darum nach und nad) in die Unenblichfeit tritt und des Strebenden Schwäche bes urkundet, indem es die That deſſelben als Stuͤckwerk zurück laßt. Holbe Befcheidenheit, erhalte du meine Augen wader, daß Fein blendender Nebel mir je das wahre Ziel meines Streben und die reine Schönheit des Ideals verhülle! Habe ich dadurch eine immer höhere Regel zur Beurtheilung meiner felbft und meines Wirkens gewonnen, fo werde id - mir auf die bereits erworbenen Vorzüge nichts einbilden, mich nicht für zu vornehm oder zu wichtig halten, Die geringfien Dienfte, die mein Amt mir auflegt, mit aller Pünktlichkeit willig zu leiften, und mit Freuden das Berhältniß zu meinen Bor gefeuten zu ehren, das der Dünfel jo gerne zerreißt und verläugnet. Dann ift der Fortgang meines Strebens

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ind Unendliche verbürgt, indem das Beſte, welches ich Teifte, mich ſtets ein noch Beſſeres wahrnehmen läßt und zu leiften drängt; dann, erft dann nimmt meine wahre Wirkſamkeit ihren Anfang. |

Alfo merfe e8 dir, Human, fo befcheiden du wirk⸗ Tich im Innerſten deiner Seele bijt, fo rein ift dein Ideal, fo fähig bift du ein Hohes und Würdiges zu denfen, und in deinem Wirken barzuftellen.

Schmeichelei ift der Menfchheit verderblich; denn fie erfchlafft das Streben nach dem DBeffern, bringt unreine Triebfedern ind Herz und wiegt den Menfchen in ben Suͤn⸗

denfchlaf. Ein Schmeichler will ich nie werben; will meine ' Beduͤrfniſſe Lieber einfchränfen, damit diefelben mich nicht | verführen, gegen meine Ueberzeugung etwas zu Ioben; aber -

das Verdienft will ich allenthalben ehren, wo, und an wem es fich findet.

Es fümmert mich nicht, wie lange ich hier für das Wohl der Menfchheit wirken werde, das fteht in Gottes Hand; das aber kuͤmmert mich, daß ich Die Zeit benuße, die mir zum Wirken offen ſteht. Dazu erflche ich Stärfe von dem Gott der Stärfe.

Alles, was ich denfe, wünfche, hoffe, will und thne,

muß und foll dem MWohlfein der Menfchheit förderlich, oder

mwenigftend doch nicht hinderlich fein; ich muß und fol meine eigene Glückfeligfeit darin finden, daß ich bie ber Menfchheit firdere. Wäre ein Vortheil, den ich für mid

he: ler: m [nn

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felbft erlangen könnte, noch fo groß und reizend, und er wäre der Menfchheit ſchaͤdlich: fo müßte ich denfelben augfchlas gen, oder meinen Wünfchen fehlte die Redlichkeit, und meinem Wollen und Streben Nachorud und Erfolg „Schoͤn⸗ heit und Adel.

Liebe ich die Menſchen, fo werde ich auch Kuͤnſte und Wiffenfchaften hochachten und aufrichtig ehren; denn auch Diefe bilden die edelſten Kräfte des Meenfchen zu bewunbernswürdiger Höhe und fchaffen ihm Genüffe hoͤhe⸗ rer Art.

Ehren will ich deswegen jeden griindlichen Wiffenfchafts ner und Künftfer, befonders in dem Kalle, wenn er ein guter Menſch if. Ach, wie wenige Fortfchritte habe ich in dem ganzen Reich des Willens und Könnens gemacht! In⸗ deſſen als Lehrer einer Volföfchule brauche ich Das ganze Gebiet der Wiffenfchaften und Künfte nicht durchmeflen zu haben. Das Streben nad) Bielwiffen würde weine Zeit zerfplitteen, meine Kraft durch Theilung fchwächen, würde ganz gewiß mich aufblähen, und die Liebe zu meinem Des rufe möchte in mir erfalten. Dagegen will ich mid; in dem Kenutniffen und Fertigkeiten, deren ich zur Bildung des Volkes bedarf, immer vervollfommmen; ich will vorzüglich dahin fehen, daß ich alle meine Borftellungen befonders für eine fräftige, vernünftige, religisfe Bildung der Jugend zur höchften Deutlichkeit, Beſtimmtheit und Richtigkeit brins ge, und was ich überhaupt zu lehren habe, fo lebendig und Tieblich als möglich vor Die Augen meiner Sugend ftelle. Mufter follen mir hierin, außer der Bibel, die auch in Dies fer Hinfiht von unſchaͤtzbarer Vortrefflichfeit iſt, Diejenigen Schriftſteller unfres Volkes fein, die fi) durch Einfalt, Klarheit und lebendige Darftellung, wie durch Reinheit und

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Gemeinnuͤtzigkeit des Inhaltes auszeichnen. Nur wenige kann ich, aber dieſe will ich mit deſto groͤßerer Sorgfalt leſen; ſie werden den Schatz meiner Erkenntniß vermehren, berichtigen, ordnen, mein Herz fuͤr das, was wahr, gut, recht, wahrhaft ruͤhmlich und nuͤtzlich iſt, erwaͤrmen, und die Art, wie ſie darſtellen, wird mir am beſten den Weg zu dem Verſtande und Herzen meiner Jugend zeigen.

Viele Menfchen ordnen die Religion unter ihren Wil⸗ fen, oder beflimmter gefagt: fie ordnen diefelbe ihrer eitlen, verblendeten, begehrlichen Sinnlichkeit unter, anftatt daß fie der Religion untergeordnet fein follten. Iſt aber das Edelſte, die Religion, einer fremden, niederen Kraft, ber Sinnlichkeit, untergeordnet : fo Tann fie und da, wo Diefe Kraft des Beiftandes bedarf, gerade Da, wo uns die Re ligion von unausfprechlich großem Werthe ift, nichts, ger nichts helfen.

Betrachten wir den wahren Chriften, ſo finden wir, daß berfelbe in einem fo innigen Berbande mit Gott und Jeſu Tebt, daß ſich keinesweges fein Thun und Denfen nach einem fleifchlichen Willen ändern kann, ohne feine höhere geiſtige Gluͤckſeligkeit auſzuopfern. Der Ehrift erfennt ſich feinem ganzen Chriſtenthum untergeordnet, wenn gleich Dies ſes oft Unterwerfung und Ergebung fodert, die mitunter harte Kämpfe mit ſich bringen; er fühlt fich feit mit Gott und Jeſu verbunden. D, daß ich das Bild eines wahren Shriften ſtets in mir trüge, daß mich der Blick auf meinen Herrn und Meiiter ſtets befeligte, mich beſſerte, liebevoller, mneigennägiger, gewilfenhafter, muthiger zu allem Guten, mich gottähnlicher machte! O, daß ich zu einer innigen ‚Gemeinfhaft mit Gott und Jeſu gelangte, daß ich nur in dieſer innigen zarten Verbindung leben, mich gluͤcklich fuͤh⸗

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len Eönnte, und jede Abweichung von dem Wege des Chris fien mir Reue und Quaal verurfachte! Ä

Großer Gottesgeiſt, erfülle Du mein Herz, geleite Du wich auf diefen Weg, erwede und feſtige Du in mir den: zweifellofen Glauben meiner Väter, Tindliche Einfalt und wahre Demuth, und fchaffe aus mir einen Chriften in That. und Wahrheit! Amen! Amen!

Ich muß und ſoll ald Lehrer der Jugend ein wahrhaft: gottesfürdtiger, frommer Menfch, aber ich darf fein Seh tirer fein. Durch erfteres hauche ich der Jugend leben Dige Religiofität ein, das Hoͤchſte, was ich veranlaffen kann; durch leßteres würde ich Wahnwig, geiftlichen Hoch⸗ muth und ein unverftändiges, aberwigiges Klügeln anbil- den, meine Schüler unduldfam, verfchroben und yphari- ſaͤiſch machen.

Die Toleranz (oder die Duldung fremder Glaubensge⸗ noffen) , fo verhaßt diefes Wort unvernünftigen Giferern auch. fein mag, fol ich auf feine Weife in der Schule un tergraben,, fondern diefelbe befördern, zumal da biefes ohne Schwächung des eigenen Glaubens gefchehen kann. So verfchieden die chriftlichen Slaubengfchulen auch fein mögen, fo muͤſſen doch alle in dem Punkte der Humanität zuſam⸗ mentreffen. „Das ift ber Einigungspunft aller Religionen, „Die, wie Herder fagt, „nicht für das Tollhaus erdacht „ſind; denn fein Vernünftiger verwirft die Anfoderung, „saß der Menfch feine Beitimmung als Menſch erreichen, ‚amd daß er gegen Andere fich Tiebevoll betragen muͤſſe „ab Tolle.”

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Mein Baterland enthält denjenigen Theil der Menfch- beit, mit welchem ich durch Sprache, Eitte, Bildung und Religion verbunden bin. Alle Liebe, die ich demnach zu der Menfchheit in meinem Herzen empfinde, verdient auch das Vaterland. Shm gehöre ich zunaͤchſt an, da ich vielleicht nie in den Fall fomme, an irgend einem Menfchen aus einem fremden Volke die Pflichten der Menfchheit erfüllen zu koͤn⸗ nen. Die heilige Schrift, die Stimme Gottes in mir, das - Beifpiel der ebelften Voͤlker, der beften Menfchen, und die Natur der Sache felbft fagen mir deutlich, daß ich dem Baterlande mit zarter Liebe, mit unmwandelbarer Treue anhangen, ihm alfe meine Kräfte widmen, ja, daß ich ſtets bereit mich fühlen müfje, alles, felbft mein Leben, für das⸗ felbe zu wagen. Alles, was nun von der Menfchheit und dem Baterlande gefagt werden kann, gilt von dem Orte, in welchem ich geboren bin, oder in welchem ich Iebe. Des Ortes Befte fol ich demnach nad, allen Kräften fördern. D Gott, flärfe Du meinen Vorſatz, meine Kraft, be- fonders durch meinen Beruf für den Ort wohlthätig zu wirfen.

Der Landesvater ift der Gentralpunft des Landes: fein Wohl fol das Wohl feines Landes, feine Freunde die. Freude des Landes beurfunden. Alle Liebe und Treue dem Landesvater erwiefen, genießet das Land, zu deffen Wohl er Liebe und Treue empfängt. Die Begriffe Menfchheit, Vaterland, König hangen innig zufammen, und nur ein Menfchenverachter kann mit Freuden Trennung und Em⸗ poͤrung verurſachen.

Darum will ich der Jugend ungeheuchelte Liebe, un⸗ wandelbare Treue und aufrichtige Hochachtung vor Koͤnig und Vaterland einzupraͤgen ſtreben, will einen feſten Sinn

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für Ehre und Gerechtigkeit, Pflicht und Weisheit im Nar tionalgeifte zu erfchaffen und zu erhalten tracdhten ‚Yund! das durch die Kraft der Religion; denn auch ihr entftammt der ächte Baterlandöfinn. Kann ich dann dem Ort, Land, König und der Welt ald Vaterlands⸗ und Menfchenfreund feine glänzende Dienfte erweifen: fo wird mein Wirfen Darım nicht weniger wohlthätig fein.

Ad, hielte nur die Kraft mit meinem Willen gleichen Schritt! Doc, treue Hebung fegnet der Höchfte!

Viertes Capitel.

Humans Charakter.

Human beſchreibt in ſeinem beſchaulichen Leben von Neuem den Kreislauf, den er ſchon einmal durchlaufen.

Der Hauptzweck aller Erziehung, die er genoſſen, war zunaͤchſt Ausbildung des edlern Menſchen in ihm, und ſpaͤ⸗ terhin kam erft die Bildung im engern Sinne ald Lehrer hinzu. Zuerft tritt nun der Hauptzwed mit aller Klarheit und Innigkeit in ihm hervor, und blühet einer reichen Frucht entgegen, während deſſen die Ausfaat, im engern

Sinmnmne dem Lehrthum geftreut, im Stillen Teimet und ſproſſet.

Die Zahl der nunmehr von ihm mit Verſtand und Ge⸗ muth klar angeſchauten Grundſaͤtze iſt zwar nicht groß, | zumal, wenn man diefelben fcharf fcheiden, und die Ges

danken, bie fich wiederholen, ausmärzen wollte; aber bie

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meiſten derſelben ſind groß und ehrwuͤrdig; er hat ſie mit den edelſten Geiſtern, welche die Menſchheit geziert und begluͤckt haben, gemein, und fuͤr ihn ſind ſie wichtig, da ſie ſein ganzes Innere ergriffen und geſtaltet haben, und er ſein Handeln, oder noch mehr, ſein inneres und aͤußeres Leben darnach einrichtet. Dieſe Ideale, obgleich nicht von ihm erfunden, aber doch klar von ihm gedacht, beneh⸗ men ihm nicht, ſondern geben ihm erſt die wahre Geiſtes⸗ freiheit. Er nennt Zuͤgelloſigkeit, die keinem Geſetz Got⸗ tes und der Welt ſich willig unterordnet, ſondern nur nach Launen und Geluͤſten handeln will, nicht Freiheit. Der Menſch iſt frei, ſagt Human, wenn das Geſetz in ſei⸗ ner Bruſt, ihn Gott und der Menſchheit naͤher bringt; ohne dieſes Geſetz iſt der Menſch ein Sclave der Suͤnde und Thorheit. Die Muͤhe, welche dieſes Beſtreben nach Wahr⸗ heit und Tugend ihm koſtet, iſt ſeine Freundin. Die Luſt zu dem Hoͤheren ließ ihn die Hand dieſer Freundin mit Innigkeit erfaſſen und feſt halten, und mit dankendem Ge⸗ muͤthe erkennt er ihre Huͤlfe. Und wie das ſauer erwor⸗ bene Brot am beſten ſchmeckt, ſo wurde auch ihm die Frucht der Muͤhe und Anſtrengung die ſuͤßeſte. Da dieſe aber von ihm mit Muͤhe erworben iſt, ſo hat er den Weg kennen gelernt, der zu ihr fuͤhrt; und indem er die Jugend zum koͤſtlichen Baume hinfuͤhrt und Anſtrengung verlangt, weiß er viel zu erzaͤhlen von der Anmuth des Baumes und der Suͤßigkeit der Frucht, belebt dadurch die Hoffnung der Jugend und verdoppelt ihre Schritte, ohne daß ſie es merkt.

Mit raſtloſer Thaͤtigkeit iſt er bemuͤht, jeden fruͤher ehe dargereichten Gedanken aufs Neue fcharf zu überbenfen, amd neue zu ſammeln; und mit warmer Liebe bildet er

dieſe zu Entwürfen für ein beſſeres Sein und Wirken in feiner Seele aus.

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Daher achtet er gelehrte und weiſe Maͤnner ſo hoch; daher ſitzt er zu ihren Fuͤßen, wie einſt Paulus zu Gama⸗ liels Fuͤßen geſeſſen; lebt in großen Geiſtern und Seelen, und kanu nicht begreifen, daß ſolche Schaͤtze der Menſch— beit nicht allgemeiner erfannt und verehrt werden.

Seine Muße, die er nicht für einigefÖrofchen verfauft, erlaubt ihm vwielfache Vefchäftigung; er wendet fie näglich an, für ſich, und darum auch für die Menfchheit. Die Natur ift nebft dem göttlichen Worte feine Lehrerin, und darum ftudiert er fleißig ihre Tiefen. Er fucht die Geſell⸗ ſchaft gebildeter Menfchen auch von niederen Ständen und Bewerben, um in der Welts und Menfchenfenntniß weiter zu fommen, und nicht ein einfeitiger Pedant zu werden, der die Welt nur aus Büchern anfieht und fennt. Erlefene Schriften über fein Fach, Dichter und Gefchichtfchreiber Tieft er mit größtem Vergnügen, und vergleicht das Erfernte mit feiner Einficht und Erfahrung. |

Darum ift er ein Mann von gefunden, hellem Ber;

ftande und fchönem Geifte; darum ift feine Sprache fo rein, fo verſtaͤndlich und natürlich; darım genügt ihm nicht der Blick auf Das Einzelne: er fucht einen ftets höheren Stand- punft zu gewinnen, von wo er das Allgemeine zu gewahs ren vermag, und darum gewinnt fein Geift immer mehr Strebfraft, immer mehr Lebendigkeit, Stärfe und Sicher⸗ beit in Anfichten, die allenthalben fich zeige. Dabei ift feine Phantafie Iebhaft, aber er fucht fie ſtets unter ber Herrſchaft der Bernunft zu halten. Ein heiterer Scherz begleitet feinen unbefangenen Geiftz es ift ihm klar, daß er der Zugend gerade durch dieſe Eigenfchaften recht nüßlich werden könne, indem er burch diefelben zu willi⸗ gem Selbjidenfen aufinuntert, ja auf eine angenehme Art zwingt. Ä

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Er legt einen hohen Werth auf fammtliche Gegenftänbe, durch bie er bilden, unterrichten will; fucht Diefelben immer mehr zu durchfchauen, und Tieblich Cjedoch nicht tändelnd) einfach und klar, nicht ſpitzfindig, vor die Augen zu ftels Ien, oder rührig und finnig mit den Schülern einzuäben. Nichts in feinem Face ift ihm gleichgültig. Mit regfas mem Geiſte faßt er jegliches Beflere auf, und fucht e8 in feinem Kreiſe zu benugen.

Die ganze Welt ift feine Schule, aus der er für die Seinige lernt. Daher fommt es, daß fein Unterricht fo überzeugend, fo vielfeitig bildend ift, daß er Segliches in der Schule fo richtig zu würdigen weiß, daß er, vorzügs lich da mit Ueberlegung zu Werfe geht, wo er gegen Ges wohnheit und Sitte reden und handeln muß. Gein Stres ben geht dahin, ſich ſtets von feinem Verfahren die richtigen Haren Gründe anzugeben, zur rechten Zeit firenge, zur rechten Zeit nachgebend zu fein, damit er nicht als Teibens - fchaftlicher, flürmifcher Mann, oder ald Falter Eonfequen- zenmacher (Vernünftler) erfcheine., Er hat wenig zu flrafen, weil er durch die beiten Einrichtungen den Fehlern vors beugt, durch die forgfältigfte Belehrung einen allgemeinen Widerwillen gegen jede Unart aufregt, und dort mit väter ficher Liebe und hohem männlichen Ernfte zurecht weifet und flraft, wo der Schüler gegen das, was nothwendig gefchehen oder unterlaffen werden mußte, gefehlt hat.

Hat er irgend eine Einrichtung zu machen, fo fucht er den Geift derfelben firenge und ganz aufjufaflen, und in dieſem Geifte, in allen, felbft den kleinſten Theilen zu hans bein, woburd) eine gewiffe Einheit, ohne aͤngſtliche Berech⸗ nung in feinem Handeln erzeugt wird.

Jede feiner Obliegenheiten, die fein untergeorbnetes Verhaͤltniß fodert, erfüllt er mit gewiflenhafter Treue, mit

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willigem Herzen; und gerabe durch diefe Treue und Willigs keit, die jeden Hochmuth zuruͤckweiſet, gibt er den gering. fien feiner Handlungen eine gewiffe Würde.

Diefe Treue und Gewiffenhaftigfeit offenbaret er in allem feinem Thun; aber dennoch urtheilt er nicht lieblos über die fehlerhaften Handlungen Anderer: er geht vielmehr firenge mit fich zu Rathe, ob er in derfelben Lage, in dem⸗ ſelben Verhältniß nicht eben fo fehlerhaft gehandelt haben würde. Wie aber, denkt er, vermag ich mich ganz in bie Lage dieſes oder jenes Menfchen zu feßen, da er anders organiſirt, und vielleicht ſich weniger felbft verſteht, weni⸗ ger zum Guten gewöhnt worden ift, als ich. Fehler aber, welche die Bosheit verübt, Fehler folcher Lehrer, durch welche die um fie aufblühende Jugend, befonders in fittli- cher Hinficht rüdwärts fchreitet zumal wenn ſolche Mens fchen mit Elephantenfüßen die frifchen, aufftrebenden Kräfte eines muthigen Sugendlebeng zerftampfen, die zarte Blume der jugendlichen Gemüther zerknicken, mit groben Fäuften ein Sclavenjoch auflegen, das Muthlofigkeit, Murrfinn, Troß und Empörung in den zarten, jungen Seelen fchafft, und mit ungefchlachten Starrfinn und flegelhafter Grobheit der Sugend den Fuß auf den Naden ſetzt ıc. Fehler der Art mag er nicht entfchuldigen und gut heißen, indem Gleichgältigkeit gegen folches Verfahren, oder ein Dulden deſſelben aus allerlei Nücfichten große Sünde, eine Sünde gegen den heiligen Geift der Menfchheit fein würde. In⸗ defien leitet auch hierbei ihn weder Haß noch Zorn; er will nur unfchäblich machen, wo er nicht beffern Fann. Dabei fchlägt er fein Verdienſt nicht mit bloß befcheidenen Morten (wie bag fo oft gefchieht), fondern in Wahrheit nicht zu hoch anz denn er weiß am beften, wie weit bie MWirklicyleit feines Wirkend von dem Ideale entfernt ift, Das er in treuer Bruft trägt; weiß, wie viel er noch fehlet,

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und wie er beim beſten Willen nicht alle Tage derſelbe iſt; aber ſeinen guten Willen, ſeine Achtung vor Religion, vor Wiſſenſchaft und Kunſt, und vor Menſchen, die hierin über ihm ſtehen, achtet er an ſich ſelbſt.

Ein vortreffliches Herz, ein feines Gemuͤth achtet er an jedem Menſchen mehr als glaͤnzenden Verſtand; doch fteigt feine Hochachtung vor dem bedeutend höher, in wel⸗ chem er beides verpaart fieht, und die Beharrlichfeit, mit welcher er diefe Hochachtung fefthält, wird nicht durch eins zelne Fehler des Verehrten, oder durch ſolche Verhaͤlt⸗ niſſe erſchuͤttert, die den Verehrten an ſich nicht weniger ehrenwerth machen; er erkennt die Vorzuͤge, wie ein Pyrrhus ſelbſt da an, wo es zum eigenen Schaden ge⸗ reichen koͤnnte. | Ein Freund ber Wahrhaftigkeit und bes argloſens Wer ſens, fchmeichelt er Niemandem, hoffet er. das Beſte; ale Menfchenfreund zuͤrnet er feinem Menfchen, duldet Ummwifs fende und vom Wahn Geleitete. Er ift empfindlich über das Unrecht, das er erleidet, aber er kann auch leicht ver zeihen. Wo feine Rechte mit der Billigkeit flreiten, da han⸗ delt er als edler Menſch nachgebend und fanft.

Er kann Gefälligfeiten annehmen, weil er felbit ges fällig ift; aber die Annahme derfelben wird ihn nie zu uns gerechter Behandlung und zum Borziehen einzelner Schüler verleiten.

Er Tiebt König und Vaterland, Freunde und feine ſtrebenden Schüler mit befonderer Innigfeit, fagt Jedem Har, was er will, und läßt dieſes befonders feine Umge⸗ ‚bung nicht erft aͤngſtlich errathen. |

Wohlwollen belebt fein Inneres: er ft ein liebreicher Bater zu Haufe und in der Schule, theilnehmend gegen Menfh und Thier, und lebt glüdlich in dem Gedanken,

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daß auch durch ihn bie Menſchheit in einem Theile vor⸗ anſchreite.

Darum iſt Deſpotismus und Satyre, die doch das Herz nicht beſſert, ſeinem Gemuͤthe fremd, ja demſelben von jeher verabſcheuungswuͤrdig geweſen; darum erkennt er bei ſeinem Erziehen das Geſetz der Vernunft an, und handelt in ſei⸗ nem Wirkungskreiſe beſtmoͤglichſt auf eine Art, wie er wuͤnſcht, daß das ganze Menſchengeſchlecht behandelt wer⸗ den moͤchte; darum iſt ſein Gemuͤth unbefangen und froͤh⸗ lich, ſein Umgang herzlich, ſeine Foderung Billigkeit, Nuͤtz⸗ lichkeit, Gutes, als erſte Pflicht der Vernunft, der Humani⸗ taͤt, der geſellſchaftlichen Rechte; aber auch darum tritt er dem Geiſte der Unduldſamkeit, der Haͤrte und Traͤgheit beherzt entgegen.

Er handelt mit Maͤßigung und Enthaltſamkeit, und nur hoͤchſt ſelten mag ihn ſein lebhaftes Temperament uͤberra⸗ ſchen. Schwer wird es ihm, ſich uͤber abſichtliche Verken⸗ nung ſeines Strebens und uͤber Gemeinheit, welche die em⸗ pfindlichſte Seite ſeines Herzens kraͤnken, das ſich doch nim⸗ mer genug thun kann, hinwegzuſetzen; aber er iſt ſehr bemuͤht, auch darin ſich zu erheben.

O, moͤchteſt du, edle Seele, nicht zu ſehr gekraͤnkt wer⸗ den, damit der Schmelz deiner Empfindungen nicht, wie bei ſo manchen Edlen, abgeſtreift werde von der zarten Blume deines Herzens; damit deine klare offene Stirne der Thron der Heiterkeit und Freude, dein ruhiges, ſanftes Auge die Wohnung des ungeheuchelten Wohlwollens und der Spiegel tiefer, ſchoͤner Gedanken, dein freundlicher Mund, der Ver⸗ kuͤndiger lieblicher Lehren, des Scherzes und der Mannes⸗ beredtſamkeit, deine reine Wange der Sitz der Sittſamkeit und Reinheit, kurz, deine Geberde die Traͤgerin reiner Manneswuͤrde bleibe, und deine ganze Weſenheit ferner Ehrfurcht und Liebe einfloͤße; damit du immer ungeſtoͤrter

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dem hohen Geifte Wohnung in dir bereiten mögeft, der ba ift: heilig, einig, mannigfaltig, fcharf und behende, rein und Far, ernft und frei, wohlthätig, leutfelig, feſt, ge wiß, fiher, ber ba alles vermag, alles fiehet, durch alle Geifter gehet, wie verftändig, lauter und ſcharf fie find *)!

*) Der Berfaffer will nun im Allgemeinen das folgende als Humans Anfichten über Lehrertfum und Schuleinrichtung jedoch mit dem Borfage folgen Laffen, diefe im Laufe der Zeit mit aller Anftrengung und Liebe zur Sache zu reinigen und gu vervollftändigen, bamit diefelben mehr und mehr ald Grundfäge eines humanen Lehrers wuͤr⸗ dig: erfcheinen, |

Zweite Abtbeilung.

Geift der humanen Schulzucht.

Bon dem Geiſte der Schulzucht.

Erftes Bud, Bon der Zucht im Allgemeinen.

Erstes Tapitel.

Bon der Zucht im Allgemeinen, insbefon dere Des Menſchen.

Unter Zucht im weiteften Sinne verftehen wir die pofitive und negative, abfichtliche und nicht abfichtliche Einwirfung aller Berhältniffe auf die innere und dußere Geftaltung eined gefchäffenen Weſens. Das Ergebniß diefer Einwir⸗ fung ift für das Weſen von größter Wichtigkeit. Man laſſe 3. B. einen Menfchen, ein Thier, oder auch eine Pflanze unter andern Berhältniffen, nämlich unter einem andern Elima, in einer andern lebendigen oder Teblofen Umgebung, die direft oder indireft, poſitiv oder negativ, gut oder fchlecht auf Diefelben einwirft, entftehen oder auf: wachen, und dieſes Wefen wird fich in der Regel, aud) anders geftalten. Daraus folgt nicht, daß Menfchen und Thiere unter gleichen dußeren Verhältniffen ganz Diefelben werben ; denn die Macht diefer Einwirkung wird auch von der ihnen von Natur inwohnenden Cigenthümlichfeit des Weſens beſtimmt Cmobificirt), fo daß ein und daflelbe Berhältniß auf verfchiedene Individualitaͤten verſchieden 4 *

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wirkt wie denn uͤberhaupt verſchiedene Faktoren in der Regel auch verſchiedene Produkte geben muͤſſen. Dieſe In⸗ dividualitaͤt tritt bei den Pflanzen weniger, bei den Thie⸗ ren ſchon mehr, bei dem Menſchen aber, als einem freien Weſen, am meiſten und deutlichſten hervor, ſo daß jeder Menſch von Natur ſchon ein anderer iſt. So ungleich der Koͤrperbau der Menſchen iſt, ſo ungleich mag auch die Seele, der Geiſt der Menſchen fein: und wie wir vom . haͤßlichſten Pefcheräh bis zum fchönften Eircaffier eine Stu⸗ fenfolge in der dußern Geftalt gewahren, fo möchten wir auch wol eine eben ſo fanft ſich anfitufende Neihe in den Geiftern vom Gretin bis zu unfren Kanten, Schillfern und Kepplern finden, felbft wenn wir biefelben gleich nach ihrer Entftehung, von allen fernern Außeren Berhältniffen noch unberührt, genau genug betrachten koͤnnten.

Bei der verfchiedenartigften Einwirfung der Verhaͤlt⸗ niffe auf Wefen, und bei deren verfchiedenartigfter Indi⸗ vidualitaͤt, geht aber feines berfelben aus feiner Gattung heraus. Seder Gattung ift von dem Allmächtigen eine eis genthimliche nothwendige Vefchaffenheit gegeben, die durch nichts aufgehoben werden kann. Es ſcheint mir dieſes wich⸗ tige Geſetz ſich in dem Umſtande auszuſprechen, daß Ba⸗ ſtarde ſich nicht fortpflanzen. Hier mag vielleicht das Eigen⸗ thuͤmliche in Gefahr ſtehen aufgehoben zu werden; hier ſtehen vielleicht eutgegengeſetzte Pole zweier Gattungen ſchon zu nackt, zu nahe an einander. Vielleicht darum kann durch alle Einwirkung von Verhaͤltniſſen der Menſch nie ein Thier, aber auch eben fo wenig hier auf Erben ein Engel werben: er wird in jedem Falle ein Menſch bleiben.

Der Menfch gehört der Erbe und dem Himmel an: er ift ein Wefen für finnliche Anfchauungen, Empfindungen und Begriffe gefchaffen, aber auch ein Geift für erhabene Ideen berufen, die im Kreife feiner firmlichen Anfchauung ıc.

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nicht liegen. Ihn nur fuͤr die Erde erziehen heißt den ihm eingehauchten Odem des Allmaͤchtigen nicht beachten; ihn den Kreis ſinnlicher Begriffe und irdiſcher Verhaͤltniſſe uͤberſpringen laſſen, nur durch Ideen fuͤr den Himmel bil⸗ den, und nur Himmelsfrucht von ihm verlangen; heißt ihn nothreifen, ihn gegen Gottes Ordnung uͤber ſeine Sphaͤre erheben, ihn verkruͤppeln. Er kann das werden, was er nach dem Willen Gottes werden ſoll ein Menſch. Daß er dieſes werden koͤnne, dafuͤr hat Gott durch die eigene Geſtaltung des menſchlichen Weſens an ſich, naͤmlich der Beſchaffenheit der Vermoͤgen und Anlagen, und durch Hin⸗ ſtellung von allerlei Verhaͤltniſſen geſorgt, welche letztere theils die Natur, theils die Kunſt darbietet.

Zweites Capitel. Bon der Zucht, welche die Natur dem Men fhen angedeihen laͤßt.

Jede Einwirkung lebendiger Weſen und lebloſer Gegen⸗ ſtaͤnde der Umgebung auf den Menſchen, in ſo fern ſie nicht der Erfolg unſrer eigenen Abſicht und Freiheit iſt, wollen wir Zucht der Natur nennen. Dieſe geht freilich oͤfter . nach dem Gefeß ber Nothmwendigfeit gebietend, fordernd, aber meift nur anbietend zu Werfe, und die Natur bes Menfchen zwingt entweder zur Annahme des Dargebotenen, oder erlaubt diefelbe, oder ftößt Das Dargebotene zurüd. Sie thut demmach der Natur des Menfchen Feinen willfürs lichen Zwang an, und will ihn nicht aus feiner Gattung heraustreiben. Dennoch hat fie den wichtigften Einfluß auf feine äußere und innere Geftaltung. Bilder fich der Menſch

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doch am beſten zum Menſchen, wenn er, als geborner Chriſt, von Jugend auf das Schöne, welches Natur Cin gewoͤhn⸗ licher Bedeutung) und Kunft ihm darbieten, rings um ſich gewahrt; wenn er in feierlichen Augenblicken ben Geift der Glieder der Familie, der Schule, der Gemeinde, welcher er angehört, in Andacht zu dem höchften Weſen fich erhes ben ſieht; wenn er den Ausdruck ſchoͤner Gefühle in fchde ner und beftimmter Sprache hört; wenn Frieden und Eins- tracht bei ihm wohnen; wenn er die Qugend geliebt und das Lafter verabfchent weiß; wenn er rings um fich Thaͤ⸗ tigfeit und Aufmerkſamkeit, Ordnung und Neinlichfeit als etwas Nothwendiges erkennt; wenn er bie Folgen guter und fchlechter Handlungen der Menfchen deutlich wahrnimmt ;- wenn nur Anftändiges um ihn vorgeht, und jedes Gute und Liebliche ihm nahe tritt. Findet das Gegentheil von Diefen Einwirfungen Statt, fo wird bei aller angebornen Freiheit des Menfchen, der Erfahrung gemäß, gewöhnlich das Gegentheil einer wünfchenswerthen Geftaltung erfolgen. Da aber das Gute, Große und Schöne in feiner Vorzuͤg⸗ lichkeit auch durch feine Gegenfäte erfannt wird, fo fchadet das Gemifch von Gutem und Boͤſem, Schönem und Haͤß⸗ Kent, Erhabenem und Gemeinem nicht immer, wenn nur bie Eindruͤcke für das Achtungswerthe fich erſt gefeſtigt Haben. Die Hanptforge des Erziehers ift darum Abwen⸗ dung fehlechter Einwirkungen für das zarte Alter, und Deis tung manches Dunkeln und Näthfelhaften in der Umge⸗ biitg des Kindes, damit die Natur edel erzichend ein» wirken koͤnne.

55 Drittes Capitel.

ı Bon der Zucht, weldhe die Kunft bem jun⸗ gen Menſchen angedeihen laäßt.

Hier iſt abſichtliche Einwirkung anf den jungen Mens ſchen zu feiner Erziehung, hier ift Unterricht. Auch jene Abwendung fchlechter Einwirkungen und jene Deutung des Dunkeln und Räthfelhaften gehört darum hicher. Das Hauptgefchäft des Erzichers ift aber hier, Einwirkungen zu fhaffen, abfichtlich durch eigene Mittel und Vorkehrungen . in dem Zöglinge, einem edlen Zwede gemäße , Berändes rungen hervorzubringen. Wohl ihm und der Sugend! wenn biefelben den natürlichen ähnlich find. Auch hier muß nichts ohne Roth aufgedrungen werden; aber ber Zoͤgling muß auch in biefen Verhältnifien, unter dieſen Einwirkun⸗ gen leben und weben. Hier kann ſich biefe Einwirkung dann um fo leichter edel geftalten, wenn biefed von dem Beftreben wahrhaft weifer dazu erwählten Perfonen abs hängt. Die Kunft in ihrer Vollendung gleicht der Natur. Wuͤnſchenswerth wäre es darum, daß fie in allen Theilen ald eine vollendete aufträtes der junge Menſch würde dann in feinem Wachsthume nicht gehemmt: er ginge auf feinem Wege nur an der Hand ber Natur, undeiner zweiten Ratur, der Kunft fort. Wie die Natur in der Negel Feine übertriebene Anfoderungen an ihn macht, alſo verfahre auch die Kunft: fle ermweitere ſtets bie Sphäre feines Wiſſens, vereble das Sein. : "

Indem aber der Menfch feine Einwirkung gerne zum Syſtem erhebt, weicht er nicht felten ganz von dem Wege der Ratur ab; er will frei, ungebunden fein, femme Ideen ohne Ruͤckſicht verfolgen, und geräth dann ind Ueberfchweng-

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liche, (in Extreme) ins Unnatuͤrliche, und wirkt ſchaͤdlich auf die Jugend, das Produkt der Natur. Der Erzieher muß darum ſtets die natuͤrlichen Verhaͤltniſſe, fo wie die Natur des jungen Menſchen vor Augen haben, und ſeiner Einwirkung muß ein Prinzip zum Grunde liegen, das aus der Natur und Beſtimmung des Menſchen geſchoͤpft iſt, und bei deſſen Anwendung man nie die leitende Hand der Natur vermiſſet. Wenn dieſes Prinzip aus der Natur des ganzen Menſchen und aus ſeiner Beſtimmung geſchoͤpft iſt: ſo muß es fuͤr jeden Menſchen ohne Ruͤckſicht auf Klima, Beſchaf⸗ fenheit des Bodens, auf Lebensart, Stand, Verfaſſung, Religion, Alter und Geſchlecht natuͤrlich, alſo ganz allge⸗ mein guͤltig ſein.

Zweites Bud, | Den dem Princip der Schulzucht.

Brstes Capitel. Begriff von Schulzucht.

In jeder Schule muͤſſen Aufmerkſamkeit und Fleiß, Drbnung, Vertraͤglichkeit und Ruhe herrſchen; Lug und Trug, Ungehorfam und Eigenfinn,, Trog und Widerfpens ftigleit muͤſſen in berfelben als abſcheuliche Laſter gehaßt und geflohen, unb dagegen Reinheit bes, Gemuͤthes, der inneren und dußeren Sitten, Zugend und Froͤmmigkeit ges liebt, und mit Sorgfalt gepflegt werben ıc. Gehören Sehler gegen diefe Anfoderung nur zu den Ausnahmen, fo herrfcht ein guter Geift in der Schule. Die Art und Weiße,

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nach welcher Diefer gute Geiſt in der Schule db. h. in ben Schülern erfhaffen, erhalten und 96 feftigt wird, nenne ich Schulzudt.

Zweites Capitel. Von den Prinzipen, auf welche man eine Sqchulzucht gebaut hat.

Der Geiſt des Zeitalters und der Staatsverfaſſung druͤckt ſein Gepraͤge auch der Schule auf. Als der katego⸗ ng Imperativ der Wilffür im Staate herrfchte, und bei

der Behandlung der Unterthanen das Vernunftgefeß gefans gen Ing, da war auch die Schule eine Defpotie, der Lehr zer ein Deſpot, und der Schuͤler ein gemeiner Knecht, der aur durch Scheltworte und Bafel regiert wurde. Obgleich ber Geift ber Berfaffung manches Staates in feinen edel ſten Pflegern ſchon Iängft der Stimme ber Vernunft ges horchte, und bie Edlen bes Zeitalterd bemüht waren, biefe befiern Anfichten und Gefühle zu verbreiten, fo blieben doc Dad Zeitalter und befonders die Schulen im Allgemeinen noch lange Defpstien, weil eingefogene Borurtheile ſich nicht fo Leicht wegfchaffen Laffen, und weil nicht jeder Lehrer Kopf und Herz genug hatte, fein gewohntes, fichered Prinzip mit einem neuen, unerprobten zu vertaufchen. Sa, bie Schule blieb fogar an vielen Orten hinter ihrem Zeitalter zuruͤck wie. ed denn überhaupt Leichter ift, fich in einem neuen Geifte behandeln zu laſſen, als felbit in demfelben folge, recht und ficher Andere zu behandeln fie gerieth mit dem felben in Zwiefpalt, und mit Ungeftäm wurde ihr ein ans bered und darum ein entgegengefeßtes Prinzip aufgedrungen.

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Die Schule ſollte nun dem Geiſte des Zeitalters vorſchrei⸗ ten, und an die Stelle des Bakels trat eine ſchwaͤchliche Liebe; ein aͤngſtliches Ueberzengen ſollte die Stelle ber Scheltworte vertreten.

Es hielt ſchwer den ſchmalen richtigen Pfad zu wan⸗ deln: die Deſpotie wandelte ſich, beſonders zur Zeit eines allgemeinern republikaniſchen Sinnes der Staatsbuͤrger in gar vielen Schulen auf einmal in eine Republik um. Viele Lehrer folgten dieſer Geſtaltung abſichtlich und willig, weil ſie dieſelbe fuͤr natuͤrlich hielten, machten Schuͤler zu Ar⸗ chonten und Prytanen, und ſetzten einen Areopag ꝛc. Aber die Glieder des Areopag waren nicht weiſer, als die ge⸗ meine freien Schulbuͤrger; dieſe und jene erhielten aber dafuͤr deſto mehr Dreiſtigkeit, Mundwerk und Buchſtaben⸗ weſen und die Ehrfurcht vor dem Lehrer, wie vor allem hoͤhern Geiſtigen ging verloren: der Lehrer war ein Tyrann im edlern Sinne des Wortes, und im beſten Falle ein kleiner, ſehr kleiner Piſiſtratus. |

Mit dem Anfehen des Lehrerd war es aus; er hatte Mühe den frechwerbenden Haufen der mit einem Zaubers ſchlag Bernünftiggewordenen und der eben fo ſchnell erftans denen jungen Menfchenfreunde und freien Republikaner in Zaum zu halten er wurbe überwältigt, und griff in ber Verzweiflung wieder nach dem in Bufch und Bergen wach⸗ fenden Prinzip. Indeſſen war diefes geächtet.

Man geftaltete num bei der allgemeinern Ueberzeugung von der Bortrefflichfeit einer monarchiſchen Regierungsform bie Schule zu einer Monardjie um, und erfannte ald Grund» fraft die Ehre an. Nun fchien das Mittel auf eine deni Zeitalter paſſende Art die Jugend zu baͤndigen und zu lei⸗ ten gefunden zu fein. Die Weifen: wandten es mit Vorſicht an; im Allgemeinen aber ward die Ehre nun der Zauber⸗ ſtab, durch welchen man Woͤlfe und Baͤren in weidende

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Laͤmmlein verwandelte. Aber Die Ordensbaͤnder und Sterne mußte der aufwachfende Bauer, Handwerker ıc. feinem kuͤnf⸗ tigen ®eneral ıc, Üüberlaffen, er mußte aus dem Ritterſtande zurücktreten und ein gemeiner Mann werden. Das warf ihm einen Pfeil ind Herz, Das darum fo fchwer verwundet wurs de, weil ed nur für eitle Ehre zeither gefchlagen hatte.

Drittes Gapitel.

Weitere Unzulänglichleit und Verderblich— keit diefer Principe

Wird der junge Menfch in der Schule befpotifch ber handelt, und erfreut er fich dagegen einer eblern Behand» Iung zu Haufe oder im Leben, fo wird diefer unterbrochene Deſpotismus feinen Raden zwar nicht ficher gänzlic, beu⸗ gen, feinen Willen nicht durchaus brechen, aber die zarte Blume feines Gemäthes doch zerfnicken. Der junge Menfch wirb in feinem Lehrer einen abfchenlichen Defpoten erblis den, er wirb mit Unluft lernen, und die beften Lehren wer⸗ ben feinen Eindrud auf ihn machen. Er wird dem Orte fluchen, an welchem er fich mit abſcheulicher Willfür bes handelt fieht, und wird alles anwenden, wodurch er fi feiner Feſſeln entledigen Tann.

Lebt er dagegen zugleich in einem befpotifchen Staate and im Defpotismus zu Haufe: fo wird entweder des Schuͤ⸗ lers ganze Menſchenwuͤrde vernichtet, oder er wird ber Nothwendigkeit nachgeben, und für die Zukunft wiederum ein Defpot für feine Lintergebenen werden und dann wird die Welt voller Defpoten, denen nur der Zügel los⸗ gelaffen und Gelegenheit gegeben werden muß, um Tyrans nen im üblen Sinne des Wortes zu werben, wie wir biefee

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am Drient und Occident durch Beiſpiele aus der Geſchichte hinlaͤnglich belegt finden. Der Menſch von Humanitaͤt, wie er fein fol und ſein kann, geht demnach aus der Anwen⸗ dung diefes Prinzips nicht hervor.

Daß die Schule gänzlich, einer Republik gleichen folle, iſt wol nie im Ernfte von Vernünftigen folgerecht behaups tet und durchgeführt worden. Wie follte auch ein junger Menfch, ein Knabe, allenthalben willen, was zu feinem Frieden dient? Er wäre dann Fein Schüler mehr; das Lehrgeſchaͤft wäre dann das elendefte und jaͤmmerlichſte der Welt, und die Begriffe, unwuͤrdigſter Menſch und Leh⸗ rer wuͤrden dann, wenigftens im Allgemeinen, gleiche Bes deutung haben. Aber man hat doch in allem Ernſte bar durch ein Aehnliches aufgeftellt, daß man fchmächliche Liebe und vermoralifirende (man erlaube mir den Ausdruck) Les berzeugung, ohne Die gehörigen Stüßen beizugeben, als ein ficheres Prinzip der Schulzucht anerfannte Mag man ims merhin bei zarten Naturen und Schwächlingen mit ben angenehmen Erweifungen ber Liebe, oder mit einem betruͤb⸗ ten Gefichte, oder mit einem ernften Liebesworte ausrei⸗ chen; fo kommt man doc nicht mit einem Haufen frifcher, mus thiger und Fräftiger Knaben dur. Diefe Liebe erfcheint ihnen mit der Zeit in ihrer wahren Geftalt, als weibifche Schwäche; das Magdalenengeficht eines Mannes ift ihnen eine eckelhafte Fratze, und das ernite Wort defielben dann ein matter ober umgelehrt geladener Schuß. Mag ferner das Ueberzeugen immerhin bei gutmüthigen, bedachtfamen und finnigen Naturen feiner Wirfung nicht verfehlen; bei einem Haufen feuriger, unbedachtſamer, thatkräftiger Bu⸗ ben werden bie fo weit entfernt liegenden Folgen nichts helfen; ber Lehrer wird verlacht amd verfpottet werben, und erft das Unglüf mag den jungen Menfchen, und dann denfelben vielleicht zu fpät zur Beſinnung bringen. ‘Dem

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Leichtfinn und dem Muthwillen werden dadurch Thor und Thür geöffnet; denn dem eigentlichen Strafen gehen hun- dert Ermahnungen, Berweife und Drohungen voraus, und der Schüler merkt fi, wann er nachgeben müffe, um bald wieder um fo ungeftrafter fehlen zu dürfen. Der Lehrer - erfcheint ihm als ein Menfch, den man an der Nafe herum führen koͤnne, der fich erft von ihm die Erlaubniß zum . ‚Strafen ausbitten muͤſſe, und der dann ſich wol in Adht . zu nehmen habe, daß er nicht unfänberlich mit bem Kna⸗ ben Abfalon verfahre. In dem Mädchen werden durch diefe Behandlungsart noch nebenbei der fogenannt prätidfe Sinn und auch die Empfindelei ‚tiefe Wurzel fallen, fo baß ber Lehrer biefelbe nicht ohne Nachtheil betruͤbt anfehen . darf. Mit den Eitern feiner Schüler wird ein folcher Leh- rer in befländiger Spannung leben, da er diefe in ben Kindern beleidigt: furz, er wird ein Gegenfland der Ber achtung und bes Bebauerns fein müflen und aus ber Schule wird der frifche Sinn, das thatfräftige Xeben vers ſcheucht bleiben.

Einige werden mir einwerfen: „Iſt der Schliler tugend⸗ haft, religids, fo wird ber Geift der Schule gut fein.” Sa wol, der Schüler tugenphaft, der Schüler religids! Der Schüler fol nad) feſten Grundfägen handeln, foll ein vernünftiger , fefter Mann fein! Halter ihr Tugend und Religiofität für etwas fo Geringes, fo leicht allgemein zu Erfirebendes ? Shr ftüßet euch auf einen Stab, ber noch meilenweit von euch entfernt in guter Ruhe Tiegt:- ihr wollet euch und die Eurigen auf Metalfflumpen über das Meer ſetzen. Schule und Kirche follen den Menfchen dahin veranlaflen ,; daß verfelbe in Religion und Tugend ein fiches res Geleit durchs Leben finde ꝛc. Kann man nun das, was erft erfirebt werben fol, und was bei jo Vielen fi nie ober erſt fpät zeigt, als einziges und ficheres Mittel

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ſchon in der Schule gebrauchen? Richtig ift dagegen ber Sat: Wenn der Geift der Schule gut ift, fo kann der junge Menſch um fo leichter zur Tugend und Religion geleitet werden. Sept man aber Tugend und Seligiofität bei den Schülern voraus, fo erjcheinen ihnen biefelben nicht erftrebungswärdig, erfcheinen ihnen geringe, da fie e8 Dann mit dem Aeußern fchon abgethan zu haben glauben. In Schulen der Art wird ber Pharifäismus gepflegt, aber ber Schüler wird nicht veredelt.

Iſt es dem Lehrer aber nur um Fleiß und Aufmerk famfeit zu thun, fo lobe ich mir, wenigftens in Rüdficht auf feine Zwedimäßigfeit, die Grundfraft der Monarchie, Die Ehre; jedoch muß man bier nicht firenge zwifchen wah⸗ rer und falfcher Ehre unterfcheiden. Das Saamenforn ber Tugend und Neligion wil Weile, will lang anhal⸗ tend forgfame Wartung und Pflege haben; benn es findet im Herzen mitunter Feld, harten Boden, Dornen, Difteln and Duͤrre; aber wenigftens ein Theil der Ehre hat mit jener zarten Pflanze nichtd gemein: fie dringet wie ein Pfeil ind Herz und der fchlechtefte Boden ift ihr gut. Sie kann gar bald die Triebfeder zu allerlei Handlungen, warum nicht auch zu Anfirengungen werben; das kann man an ſo manchen verähtlichen Menfchen deutlich genug fehen. Die wahre Ehre aber, das Kind der Vernunft und des richtigen Gefühle, will, wie jedes edle Saamenkorn Meile haben, und will nicht von einer Laft gedruͤckt fein, bevor fie die gehörige Stärke hat, viefelbe auch tragen zu koͤnnen. Dan braucht doch Feine Reifer ald Säulen eines großen erhabenen Tempels, man nimmt Stämme der him⸗ melanjtrebenden Geber, Granit oder Marmor dazu; Wie will man denn das zarte, wachfende Pflänzchen der wah⸗ ren Ehre, der Zugend und Religioſitaͤt ſchon in der Ju⸗ gend zur leitenden Grundfraft gebrauchen!

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Freilich äußern biefe Grundkraͤfte ſchon in ihrer Zart- heit eine gewifle Kraft; denn fie find und heißen auch in ihrem erfien Wirken fchon Kräfte. Man nehme die jugend; lichen freiwilligen Aeußerungen ihres Weſens mit Zartheit und Dankbarkeit an; aber man frümme und verfrüppele diefelben nicht durch Auflegung zu fchwerer Laſten. Der verftändige Gärtner gibt dem zarten Stämmchen eine Stübe ‚zum Halt, und fchneidet nicht gleich auf Frucht; der ver ſtaͤndige Stallmeifter gibt dem jungen Araber in zarter Sugend nicht die Laſt eines erwachfenen Pferdes; der vers ſtaͤndige Baumeiſter gibt dem Fundament eines Tempels verhältnigmäßige Stärke, und der weife Erzieher follte bie fchönften Grundfräfte bes Menfchen alfo treiben unb vers kraͤppeln, follte den Menfchen im Menſchen auf eine Grille bauen? Nein, keines dieſer zeither aufgeftellten Prinzipe der Schulzucht kann der ficher leitende Grundſatz des Lehr zer fein. Wir wollen ein Prinzip fuchen, das von dem Lehrer aus ſtets edel wirft, an das ber Schüler ſich halten und gewöhnen kann, an dem er ſich empor zu heben vermag, und das nicht zu viel von ihm fodert. Es muß vom ganzen Menfchen ausgehen und den ganzen Menſchen ind Auge faflen; es muß, fobald es richtig und rein aufs gefaßt ift, in allen vorkommenden Fällen ficher leiten. Darum muß ed aus ber Natur bed Menfchen hervorgehen, jeden eblern Menſchen ganz natürlich erfcheinen, unb fo nahe liegen, daß die bloße Nennung deflelben feine Richtigs Seit gleich verbürgt.

64 Viertes Capitel. Aufftellung dieſes Prinzips.

Dieſes Prinzip, oder noch näher: „der regierende Bein der Schulzucht“ ift dem Lehrer demnach ber leitende Stern am päbagogifchen Himmel, ber dem Schiffenden die Grabe feines Ortes angibt. Wohl ihm, wenn bie Magnetnadel feines Innern die nöthige Empfindlichkeit hat, und ihn ſelbſt dann. ficher leitet, wann dichte Wolken den Hortzont bedecken.

Wir wollen dieſes Prinzip nicht weiter in dem Unter fchiede einzelner Grundfräfte fuchen, nach welchen Die ver fchiedenen Staatöverfaffungen verfchieden wirfend auftreten; denn die Schule kümmert fich weniger um eine Staatsver⸗ faffung, ald um den Menfchen. Wir wollen unfer Prinzip aus der Menfchenregierung entnehmen , und wiederum nicht ans der bier und dort beftehenden, fonbern aus der, wie fie fem fol. Wir werben dann nicht bloß das Prinzip der Schulzucht , fondern überhaupt auch das der” ganzen Erziehung, Regierung und Behandlung ded Menfchen finden.

Jedes Ding der Natur fol dad werben, was es nach feiner Natur werden kann; der Menfh folk ein Menſch, im ebelften Sinne des Wortes, ein Menſch werben, und alle Erziehung des Menfchen muß bahin, und nur bahin abzweden, wenn fie nicht zur Unnatur werben fol.

Wodurch wird aber der Menfch ein Menfh?.-

Der Menfch wird ein Menfch, wenn er, um mich zus erft ganz menfchlich auszudruͤcken, der Eindlichen Froͤmmig⸗ keit Gellertö, der Tugend und dem Scharfblide Kante, der Weisheit des Sokrates, dem Hochfinne und Gefchmade Schillerd, der Feinheit und dem Anmuthe Wielands, der Zartheit Petrarfas, der Kenntniffe Leibniges, der Willens

65 kraft Hannibals, der Koͤnigs⸗ und Vaterlandsliebe Bluͤchers, der Kraft Caͤſars, der’ Staͤrke, Behendigkeit, Ausdauer, Gewandtheit Achills sc. mit Erfolg in Harmonie zuſtrebt, ja, jeden. Einzelnen zu übertreffen fucht; oder höher: wenn er ben Charakter Jeſu nach deſſen Menfchheit in moralifcher. und religidfer Hinficht, verbunden mit demjenigen, was wir an den ebelften Menſchen der Erde, in Hinficht auf Wiffenfchaft, Kunf und Körper, bewundern, in fich zu vereinigen fucht; ober allgemein: wenn er die Ausgebilvetheit des ganzen Menſchen im Menfchen, alfo Humanität im weiteften Sinne des Wortes zu erfireben ſucht. Humanität ift Das Ganze und das Höchite, was der Menſch erftreben kaun; in ihr liegt das Richtmaaß für alles menfchliche Sein und Leben. . Dean verwechfele diefen Begriff, wie ich den⸗ felben bier aufitelle, nicht mit der weniger umfaffenden Idee der Humanität oder des Neinmenfchlichen, aber noch viel weniger mit der ihr entgegengefeßten erbärmlichen Vers drehung, nach; welcher Lafter und Sünden menfchlich ges nanmt werben. Wer die Hoheit dieſes Begriffs und fein Alles Umfafiende nicht ahnet, vielmehr diefen Dem, aus ges meiner Thierheit gefchöpften, Begriff zur Seite ftellt, ber lege mein Buch zur Seite er ift einer höheren Anficht unfähig der will Himmlifches in den Schlamm treten. ' Kinbeft du irgend, mein ebeldenfender Lefer, etwas Bertreffliches, das du in deinem hohen Ideal von Ehrifto und feinen Apofteln nicht geradezu findeft weil dieſe kauptfächlich dir nur das Ideal geiftiges Menſchthums im Hinſicht auf Religion und Zugend fein follen —: fo vers binde dieſes mit demfelben. zu einem umfaſſenden Ideale, das für deinen ganzen Menfchen eine Richtſchnur wird: Nichts darf bir fehlen im Körperlichen und Geifligen, was dich in den Augen. Gottes und der Menfchheit liebenswuͤr⸗ diger und thatträftiger macht, wenn du glauben follteft, 5

6 Viertes Capitel. Aufftellung dieſes Prinzips.

Dieſes Prinzip, oder noch näher: „der regierende Bei der Schulzucht“ ift dem Lehrer demnach ber leitende Stern am päbagogifchen Himmel, der dem Schiffenden die Grade feines Ortes angibt. Wohl ihm, wenn die Magnetnabel ſeines Innern die nöthige Empfindlichkeit hat, und ihn ſelbſt dann. ficher leitet, wann dichte Wolfen den Dora bedecken.

Wir wollen dieſes Prinzip nicht weiter in dem Unter fchiede einzelner Grundfräfte fuchen, nach welchen bie ver fchiedenen Staatöverfaffungen verfchieden wirfend ‚anftreten; denn bie Schule kümmert fich weniger um eine Staatsver⸗ faflung, als um den Menfchen. Wir wollen unſer Prinzip aus der Menfchenregierung entnehmen , und wiederum nicht aus der hier und dort beftehenden, fondern aus der, wie fie ſein fol. Wir werden dann nicht bloß das Prinzip der Schulzucht , fondern überhaupt auch das ber’ ganzen Erziehung, Regierung und Behandlung des Menfchen finden.

Jedes Ding der Natur foll dad werben, was es nach feiner Natur werden kann; der Menſch ſoll ein Menſch, im ebelften Sinne des MWortes, ein Menſch werben, und alle Erziehung des Menfchen muß dahin, und nur dahin abzweden, wenn fie nicht zur Unnatur werben fol.

Wodurch wird aber der Menfch ein Men ht:

Der Menfch wird ein Menſch, wenn er, um mid; ‚zus erft ganz menfchlich auszudruͤcken, ber tinblichen Froͤmmig⸗ feit Gellerts, der Tugend und dem Scharfblide Kants, der Weisheit des Sokrates, dem Hochfinne und Geſchmacke Schillers, der Feinheit und dem Anmuthe Wielands, der Zartheit Petrarfas, der Kenntniffe Leibniges, der Willend«

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kraft Hannibals, der. Koͤnigs⸗ und Vaterlandsliebe Bluͤchers, der Kraft Caͤſars, ber’ Staͤrke, Behendigkeit, Ausdauer, Gewandtheit Achills ıc. mit Erfolg in Harmonie zuftrebt,, ja, jeden Einzelnen zu übertreffen fucht; oder höher: wenn er ben Charakter Jeſu nach deſſen Menfchheit in moralifcher und ‚religidfer Hinficht, verbunden mit bemjenigen, was wir an den ebelften Menfchen ver Erde, in Hinficht auf Wiffenfchaft, Kunft und Körper, bewundern, in ſich zu vereinigen ſucht; ober allgemein: wenn er bie Ausgebildetheit des ganzen Menfchen im Menfchen, alfo Humanität im weiteften Sinne des Wortes zu erfireben ſucht. Humanität ift das Banze und das Hoͤchſte, was der Menfch erfireben kann; in ihr liegt das Richtmaaß für alles menfchliche Seit und Leben. . Dean verwechfele diefen Begriff, wie ich dens felden bier aufitelle, nicht mit ber weniger umfaffenben Idee der Humanität oder des Reinmenſchlichen, aber noch viel weniger mit ber ihr entgegengefetten erbärmlichen Vers drehung, nach welcher Lafter und Sünden menfchlich ges naunt werben. Wer die Hoheit dieſes Begriffs und fein Alles Umfafiende nicht ahnet, vielmehr diefen Dem, ans ges meiner Thierheit gefchöpften, Begriff zur Seite ftellt, der lege mein Buch zur Seite er ift einer höheren Anficht unfähig. der will Hinmlifches in den Schlamm treten. )

Findeſt du irgend, mein edeldenfender Lefer, etwas Bortreffliches, das du in deinem hohen Ideal von Ehrifto und feinen Apoiteln nicht geradezu findeft weil dieſe bauptfächlich dir nur das Ideal geiftiged Menfchthums im Hinſicht auf Religion und Zugend fein follen —: fo vers binde dieſes mit demfelben. zu einem umfaflenden Ideale, das .für deinen ganzen Menfchen eine Richtſchnur wird: Nichts darf bir fehlen im Körperlichen und Geiftigen, was Dich in den Augen. Öottes und der Menfchheit liebenswuͤr⸗ diger und thatkräftiger macht, wenn du glauben follteft,

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ein Menfch im wahren Sinne bes Worted zu fein. Du wirft aber nie ein vollkommner Menfch werben, da du bei allen deinen errungenen Eigenfchaften nicht zur Allbeit ber, felben, und wenn died wäre, nicht zur moͤglichſten Höhe und zur vollkommnen Harmonie ber Wirkung fämmtlicher guten Eigenfchaften des Menfchen gelangen kannſt, inbem diefes fchon zur Idee gehört. Der Stern aber, der bir in diefer Idee aufgeſteckt ift, wird dich allenthalben ficher feiten der Richter in demfelben dich gerecht richten, der Erzieher und Regierer in bemfelben Dich richtig erziehen und gut regieren.

Das Produkt Humanität entwickelt ſich aus allem Gu⸗ ten, Wahren und Schönen ald dem einen, und aus ber Beichaffenheit unfrer Fähigkeiten und Anlagen ıc. als bem andern Faktor; fie ift demnach die Tochter der Religion, der Wiffenfchaft und Kunft und der Uebung fämmtlicher Kräfte: Indem wir alfo zur Humanität erziehen, beabſich⸗ tigen wir warme Religiofität, wahrhafte - Tüchtigfeit in Wiffenfhaft und Kunft, und ein freies und leichtes Ans - fprechen und Wirfen fämmtlicher Kräfte des Menfchen.

Nicht einer diefer einzelnen Zwede kann alleiniger Zwed der Erziehung fein, ohne baß Einfeitigfeit in der Ausbildung erfolgen mäßte. Ein wahrs haft frommer, religidfer Menfch kann fehr ungefchickt und aͤußerſt ungewandt in Ruͤckſicht auf den Gebrauch feiner Abrigen Kräfte, und felbit bei der Ausbildung der letztern, doch in vieler Rüdficht unbrauchbar für die menfchliche Ges fellfchaft fein. Ein Menjch aber ohne Religion, mag er Kants und Nentond Intelligenz, Leibnites Gelehrſamkeit, Rubens und Canovas Kunft befiben, ift ein bewunderns⸗ wuͤrdiger, unglücfeliger Menſch. Dann ift in der Schoͤ⸗ pfung nichts fchlecht, nichts ohne Zweck. Hat der Menfch die Kräfte, fo müffen diefelben in ihm entwidelt, geſtaͤrkt

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und mit Ruͤckſicht auf ſeinen Stand und Beruf, wie auf ſeine ganze Beſtimmung ausgebildet werden, ſo muß er alfo zur Humanität gelangen

Alle Prinzipe der Erziehung, die man zeither aufge ftellt hat, vereinigen fich in biefem Prinzip faft ganz, und ſind mit ihm auf das imnigfte verwandt, wenn gleich nicht alle den ganzen Menfchen umfaffen, ober auch nicht allge: meinverftändlich beftimmt ausgedrückt worden: find. .

Die drei Prinzipe „Bilde den Schäler zur Gott aͤhnlichkeit“ „Erziehe ihn zu Gottes Ehre, d. h. erhebe das Höchite in ihm zum Höchiten, und „Bil de den Schüler für das Ideale,“ find hoch und erhaben; aber beide erftere begreifen nicht das Phnfifche, nicht nothwendig Wiffenfchaft und Kunft als folche, alfo nicht Durchaus den ganzen Menfchen in ſich, wenn gleich eine gefchickte Dialektik diefe vielleicht wol herausfinden möchte in welchem Falle fie dann in foweit mit der Humanität zufammenfielen und alle haben den Fehler, daß der Maaßſtab derfelben nicht ganz von der Art des ges mefjenen Gegenftanbes ift. . Der Maaßftab des Göttlichen und Idealen ift ein Maaßſtab des Unendlichen, mit wel chem man das Enbdliche nicht meflen kann. Was würbe man fagen, wenn ein neuer Profruftes die Länge aller Füße durchs Foltern oder Abfchneiden nach dem vollfoms menften Maaßſtabe dem Parifer Fuß ausgleichen wollte?

Wollte ich meine Schüler als Engel oder Gstter, oder auch ald Kinder des Teufels oder Teufel anfehen und bes bandeln, fo würde. unftreitig die größte Unzufriedenheit in mir mit der Jugend entfichen, und ich würde als zu wiel. fodernder Murrkopf oder ald Menfchenverachter nicht gut. auf meine Schüler ‚wirken. Können wir ferner den Mens fehen nicht hinauf zu Gott, zu dem Idealen ziehen: fo zies ben wir endlich Gott und das Ideal zu dem Menfchen

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nieder, Woher fonft das Anthropomorphifiren? Wie Länge nur durch Länge, Fläche nur durch Fläche und Körper nur durch Körper gemeſſen werben kann, wenn nämlicd, richtige, verftändliche Schätung des Inhaltes entſtehen fol: fo muß auch jedes Weſen mit einem Maaßſtabe gemeflen werden, der mit ihm won einer Art it, Zur Beurtheilung des Mens ſchen an fih, kann ich demnach, ohne ungerecht zu fein, feinen andern, als einen menfchlichen Maaßſtab annehmen. Das Princip aber, das den zu erziehenden Schäler an ſich falfch beurtheilen laͤßt, kann nicht das durchaus richtige Princip fein. Mag diefe dee nicht dem Mährchen vom Prokruſtes, dem Ausdehner und Abkuͤrzer zu Grunde gele gen haben, fo daß Prokruftes von allen die ihm eigene Individualitaͤt forderte? Nur ein bifer Willen wird mir hier andichten, daß ich aus dem Menfchen mit feinen Las ftern und Thorheiten den Maaßſtab entnehmen wolle; ich will denſelben vielmehr bloß 'zu feiner Beurtheilung aus allem an Menfchen ſich findenden höchften Guten annehmen und: wer bas wirklich nicht thut beurtheilt - feine Schüler durdaus falſch. - Sollen aber Gottähnlichs keit, das Hoͤchſte und das Ideale zum Hoͤchſten (oder wie der Mathematifer ſich ausbrücen würde, ‚zum Fontrollirens den) Leitſtern dienen, fo iſt diefer in jedem Falle ber befte, wenn ber Charakter des Menfchthums dabei nicht außer Acht gelaflen wird. Dann aber ift es Humanität die lei⸗ tet, und dann fallen alle brei Principe mit. dem der Hus manität ganz zufammen; denn indem ich diefe und jene Eis genfchaft des Menfchen mit Schärfe und Innigkeit auffafle, komme ich auch zur dee, werbe aber in der Anforberung an vollflommme Erweifung derfelben befcheiden bleiben.

- Die beiden Prinzipe: „Bilde deinen Zoͤgling zu hoͤchſt möglicher Vollfommenheit” und „Entwickele alle dem Mens fchen eigenthuͤmliche Anlagen und Fähigkeiten zu möglicher

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Vollkommenheit,“ fallen, um des Ausdrucks „moͤglicher“ willen, ganz mit dem Prinzip ber Humanität zufammen ; nur ift hier die Vollkommenheit des Menſchen, das nur immer ein Streben nach der abfoluten Bollfommenheit bleibt, nicht genan beftimmt kann aber freilich beftimmt werden.

Die Prinzipe: ‚‚ Bilde den Menſchen zur Tugend‘ und „Bilde das Reinmenfchliche im Menfchen” wenn man unter letzterm ben gewöhnlichen Begriff Hnmanität meint amifaflen wieder nicht den ganzen Menfchen. Die Prinzipe: „vernänftig” „naturgemäß” „zur Freiheit” „zur Würde erziehen,’ mögen, durchaus vollitändig und richtig gebacht, mit meinem Princip wirklich zufammenfallen , und möäflen es, wenn fie erfchöpfend find; es ift aber fürs Allge⸗ meine zu fchwer, diefelben fich in ihrer Ganzheit zu benfen.

Sollte man mit mir nicht Gleiches über dieſe erwähns ten Prinzipe auöfprechen, fo wirb man Doch zugeben, baß alle nichts mehr verlangen koͤnnen, ald den ganzen Mens fchen zur höchfimdglichen Vollkommenheit feines Weſens zu erheben, und das will das an fich jedem Edleren fo ver: flänbfiche Prinzip der Humanität im weiteren Sinne audı. Bon diefer dee ging ganz befonders Schiller in feinen Merten aus, und biefe wurden dadurch das, was jcbes Dichters, ja jedes Schriftftellere Werke fein follten Bol erziehungsfchriften.. So fehr Schiller nad) dem Idealen geſtrebt hat, fo hat er das abfolut Speale ſich doch nur zum Leititern dienen laſſen, daſſelbe aber nicht in einer Perſon als verwirklicht dargeſtellt. Selbit die Sungfran von Orleans, die als Gottbegeifterte dieſem abſoluten Peale ſich am meiſten nähern mußte, bleibt noch immer menfchlich, und man ficht des Dichters Beftreben, auch dieſes Menſchliche deutlich hervortreten zu laſſen. Schiller mußte es ald Dichter doppelt fühlen, daß die reine Ders. wirfiichung des Ideals an dem Menfchen nur einer Ehis

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maire gleicht; denn er hatte bei ſeiner Kenntniß des Men⸗ ſchen auf die Anfoderung an das Natuͤrliche zu ſehen. Dieſe Anfoderung aber zeigt ſchon, daß man die Idee der Hu⸗ manitaͤt in jedem gebildeten Menſchen vorausſetzt. Schiller nahm bei Schilderung edler Charaktere nicht die Wirklich⸗ keit, weil dieſe nur Bruchſtuͤck iſt, ſondern das Ideale, in ſofern ſolches in ſeinen Einzelnheiten ſich wirklich an edlen Menſchen finden kann. Indem er viefes-that, führte er. den edlen Charakter folgerecht durch, und blieb boch natuͤr⸗ lich; denn natürlich heißt nicht bloß das, was man. alfents halben findet, fondern das, was mar in der Natur fin- Det, ober der Ratur nah finden koͤnnte. Bon berfel- ben Idee ging Herber, und ich möchte fagen, gingen alle große Männer mehr oder weniger -ans, je nachdem ihre Anficht von dem Spealen und ihre Menfchentenntniß bes fhaffen war: Der Bollderzieher muß demnach voranfchaus en, aber darf nicht vergeffen, daß. er auf der Erbe ift, wenn ed ihm mit feinen Ideen nicht wie jenem Mops, ber den Mond anfah und dabei in die Grube fiel, mit feinem Beine gehen fol. Kant, der gewiß in ber idealen Welt zn Haufe war, macht in feiner Pädagogik darauf aufmerk⸗ fam, daß man ben moͤglich beffern Zuftand des menſch⸗ lichen Gefchlechtes vor Augen haben müffe, alſo nicht bie ideale Welt allein, fondern die Welt, wie fie möglichers:

weiſe werden kann. Wollte ich das Erziehungsprinzip Hs: manität mit einem andern Worte charakterifiven, fo wuͤrde

ih fagen: Wolle bei der Erziehung nicht das Ideale, nicht.

das MWirkliche, fonbern das Ide alwirkliche erreichen. Um den Begriff Humanität nach meinen Kräften alffeitig hervortreten zu laffen, Habe ich in der vorigen Abtheilung zum voraus die Humanität im der Perſon eines Lehrers: aufgeftellt. Hier foll fie in ihrer Wefenheit noch näher. chas: ratterifirt werden, unb im zweiten Theile werde ich. mich

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zu zeigen bemühen, wie fie allen Unterricht, alle Anfichten in bemfelben. ftetd begleiten, erwärmen und beleben muͤſſe; jedoch wird hier noch viel zu thun übrig bleiben, damit die Humanität in allen ihren Theilen, in ihrer Ganzheit und Reinheit hervortrete. Das Troöftendfte bei der Sadıe ift Das jedem Menſchen inwohnende Gefühl für Analogie, unb auf biefes hoffe denn einftweilen auch ich. Ä

O! möchte der Grundfaß richtig fein! und möchten dann Philofophen denfelben ausführen, und auf alle Zweige ber Menfchenbehandlung anwenden. Läge noch ir gendwo Unbeftimmtes in dieſer Idee, fo mögen diejenigen näher beſtimmen, denen das Ideal von Gott und Jeſu am reinften vorfchwebt, und die zugleich den Menfchen auch in Hinſicht anf Wiffenfchaft, Kunft und Körper am reinften erfaffen. Ganz unbeftimmt und leer kann diefe Idee fchon um beswillen nicht fein, da fie dem edelſten Menſchen immer vor Augen gefchwebt hat, und bei den fchiefiten philofophis fen Syſtemen ſtets der oberfte Leiter, wenn gleich nicht allemal ganz deutlich erkannt, gewefen if. Sie liegt tief im menfchlichen Gemüthe begründet, und, wenigftens ihrem Sanptwefen nach, klar vor dem Verſtande. Sie führet nit von Gott, fondern zu Gott, zu Jeſu, zu allem Hei ligen und Wahren, zu aller Gerechtigkeit und Weisheit.

Obgleich diefe Idee umfaflend ift, fo umfaßt fie doch nichts mehr, als fie nothwendig umfaffen fol, und läßt bei dem jebigen Stand der Religion, der MWiffenfchaft und Kunft auch nicht das Mindefte unerdrtert. Daß inihrnicht ein :Eriterinm "von mathematifcher Gewißheit für jeden ein, zelnen Fall Liegt, Liegt nicht an der Idee felbft, fondern mag an der Eingefchränktheit unfrer. Vernunft Liegen. Phi: loſophen mögen aber auch hier noch viel beftimmen Tonnen; wenn fie biefem Prinzipe ihre Aufmerkffamfeit leihen wol⸗ In. Wir gehen zur Anwendung des Geſagten, auf die

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Schulzucht über. Das zarte Saamenkorn bringt nur un dem von Natur guten ober durch Kunſt forgfältig gepfleg- ten Boden vielfältige gute Frucht. Die Pflanze eines Gefhlehts erwädhft nur ausdem Saamenforu oder dem Stedling feines Geſchlechts. Da nun auch aller Erfahrung nad) in der Regel nichts flärfer wirft, als das Beifpiel, und die Behandlungsart großen Einfluß auf den fich bildenden Charakter des Menfchen Außert: fo.muß der junge Menfh durh Humanität zur Humanität gebildet werden; das Prinzip ber Schulzuht muß alſo auch Humanität fein

. Sa, Humanität ift dad Behandlungsprinzip des Lehr rers, des Erzieher, und des Staates. Es iſt durchaus falſch und verkehrt, wenn man den zu erziehenden, zu be handelnden, zu regierenden Menfchen erft human (wie vor her bemerkt, religioͤs, tugenbhaft) willen, und dann hu⸗ man. behandeln will; denn Beifpiel, Behandlung und Ges ſetz der Humanität muͤſſen bumanifiren, und koͤnnen den frechſten Haufen zaͤhmen, und den größten Boͤſewicht uns fhädlich machen, „wenn man ſich unter Humanität nicht -weibifche Empfindelei und Weichheit , fondern ben Charaks ter eines vollfommmen Mannes denkt. Humanität ift dem⸗ nad fowol in Hinficht auf den hoͤchſten Zwei, ald auf immerwährende Behandlung und Regierung das feite und hoͤchſte Prinzip der Staaten, ihre gemeinfame Grundkraft; und die Kräfte, welche in ber Berfchiebenheit: der Staates verfaflungen liegen, als Furcht, Patriotismus, Fürftenliebe und Ehre, find diefer Grundfraft untergeordnet. Steben diefe. Kräfte aber im. Dienfte der Humanität, fo werben ſie nur ebelwirkend auftreten, :undb werben in bem.. beften

Staate alle neben einander. beftehen koͤnnen und beſtehen müſen. t

13 Fünttes Capitel.

Nothwendiges Erfordernig von Seiten bes Lehrers. Hauptſtuͤtzkraft diefes Prinzips.

Die Schulzucht muß alfo in allen ihren Theilen Hu⸗ manität athmen. Dann muß aber auch. der Lehrer felbft, von dem diefelbe ausgehen muß, ein wahrhaft humaner, d. 5. ein wirklich chriftlicher, frommer Mann fein, dem es nicht an dem nöthigen Wiffen und Können mangelt, und deſſen Kräfte Leicht und fchnell anfprechen und wirken.

Ohne das immigfte Streben nach diefen Eigenfchaften ziehet der Lehrer, fo viel an ihm ift, nur Heuchler und feichte Köpfe, da er bei allen religisfen Floskeln und paͤda⸗ gugifchen Kunftgriffen doch nichts mehr geben Tann, ale wahrhaft in ihm iſt; und darum verfündigt er fich durch feine Bleichgültigkeit in der Vervollkommnung feines Wefens an der Menfchheit auf eine grobe Art.

Das innige Streben aber nah Humanität fchafft dem Lehrer, ohne daß er ſolches merft, einen gewiflen Adel der Mienen und Geberden, gießt eine befondere Klar⸗ beit über fein Antlig, eine fenrige, zarte Liebe in feine Augen, macht feine Rede Tieblich, und öffnet die Herzen zum fröhlichen Empfange des in Weisheit Dargebotenen. Sie prägt ſich dem Schüler noch näher aus in bes Lehrers fromm chriftlihen Wandel, in feiner Hochachtung und Liebe für Wiffenfchaft und Kunft, und yrägt fich ein in das Herz, in die ganze Sndivibnalität des begehrenden, d. h. nach Wahrheit, Kenntniß ‚und Adel ftrebenden Zoͤg⸗ liags. D, nur das lebendige Streben bed Lehrers, Das wirklich zu: werben, was er fein foll, kann diefe edle Frucht erzeugen, und ihm wahre Würde verleihen. Wie auffal-

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lend unterſcheidet ſich dieſe Wuͤrde von dem ekelhaften Ge⸗ ſpennſt, das aus kluger, ehrgeiziger Berechnung, aus Duͤn⸗ kel, Großthuerei, Aefferei und Pedanterie hervorgeht, mit welchem Heuchler, Narren und Unwiſſende ſich bruͤſten, und durch welche ſie die Jugend verkruͤppeln, und die Menſch⸗ heit um ſich entarten! Dagegen wirft die unerkuͤnſtelte, wahre Würde ihre ſanften Strahlen in das. Herz des begeh- renben Zöglings, und weder und treibet dort Ehrfurcht und Liebe, die denfelben dem Höheren: ficher entgegen führen.

Es wird heut zu Tage fo vielfach über Mangel an Ehrfurcht dev Schüler vor ihren Lehrern geflagt. Abge- fehen davon, daß fo manche andere Umſtaͤnde die Ehrfurcht ber Schüler vor ihren Lehrern untergraben, hat man denn Urfache, die Schüler anzuflagen, wenn es bem Lehrer an Diefer Würde fehlt?

Wem die Würde fehlt, ver fchafft durch die Kunft feine Ehrfurcht. Der Nimbus, den ein unwuͤrdiger Lehrer um fich zu zaubern fucht, macht ihm zum Zerrbilde. Der wiürbige Lehrer bebarf weder ber Larve noch des Fünftlichen Heiligenfcheined. Darum weg mit dieſen antipädagogifchen Gaukeleien! Nur die Iebendige Gottesfurdt und Froͤm⸗ migkeit fchaffen Neligiofität; nur Diejenigen Minen, Ges berden und Kehren, die aus reiner Seele und klarem Geifte ftammen, geben in das Herz, in den Kopf des Schälers ficher und kräftig über, um Gutes einzuprägen. Weg bar um mit aller Künftelei! Die reine Natur, die eigene Tu⸗ gend, die eigene Neligiofität, der eigene Scharfblid! des Lehrers in Wiffenfchaft und Kunft, die eigene DBegeifterung für alles Gute, Schöne und Hohe, für König und Bater- land ꝛc. follen den Schüler heraufjicehen. Wenn dann ver edle Lehrer, eben wegen. feiner Unvollfommenheit nicht ide⸗ aliſch erfcheint, fo wird er dadurch dem’ Schäler um fo näher, aber dennoch würbig nahe ftehen.

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Das Idealiſche an einem Menſchen druͤckt gewiſſerma⸗ Ben ; wenigſtens hat ed mich gedruͤckt, wenn einige meiner Lehrer ſo idealiſch thaten: ich konnte kein Zutrauen faſſen, vielleicht weil ich das Erkuͤnſtelte in ihrem Betragen ahnete. Ich habe immer diejenigen am meiſten geliebt, die mir ihren Menſchen mit ſeinen Schwaͤchen zeigen durften. Wenn die Beſcheidenheit mir verbietet, meine lebende wuͤrdigen Lehrer hier zu ruͤhmen, fo mag es mir vergoͤnnt fein, des hoch⸗ wuͤrdigen, gelehrten, begeifterten Doktors Eichelberg, weis land Direltörd des Gymmafiums zu Wefel dankbarlichſt hier zu erwähnen. Dieſer allgemein geliebte Lehrer: prägte wol jedem begehrenden Schüler tiefe Ehrfurcht vor feiner Pers fon, vor Kunft und Wiffenfchaft, vor Tugend und Reli- gion, wie vor allem Wahren und Guten ein, und ganz gewiß bleibt deffen ehemaligen Schülern fein Andenfen- in hohem Segen. Sa, in bem befeligenden Olauben, daß ben Geiftern der höheren Welt ein Umfchweben ber fie Lieben⸗ den auf Erben erlaubt fein möchte, rufe ih aus: DO, Geift meines hochgelichten Eichelbergs, wehe meine: Seele oft, recht oft an mit Deiner Klarheit und Begeifterung, mit der Einfalt Deines Her zens und Deiner feltenen Menfhenfreund lichkeit, mit Deinem fharfen Forſcherblick Deiner hohen Wuͤrde!

Sechstes Capitel. Unterſtuͤtzen de Kräfte in den Schülern. Iſt der Schrer ein wahrhaft humaner Mann, ſo wer⸗

den in dem Schuͤler, wegen der Bildungsfaͤhigkeit deſſelben, eine Menge die Zucht unterſtuͤtzender Kraͤfte ſich aͤußern.

10 .-

Ein Mann wie Human wird den Schülern wuͤrdig ers fcheinen. Er wird ihnen Ehrfurcht vor Gott und Sefus, wie vor allem Heiligen und Guten Ehrfurcht vor ihren Eltern, vor bem Alter, vor Kunſt und Wiffenfchaft und darum auch vor ihm felbft, alfo überhaupt Ehrfurcht ein- flößen. Als wuͤrdiger Mann erfcheint er ihnen liebenswuͤr⸗ dig, und weiß er feinen Anordnungen, Befehlen und Stra- fen Nahdrud zu verſchaffen. Es keimt darum auch Die Ehrfurdt vor ihm in den jungen Gemüthern aus Eindlicher- Liebe, wirklicher Furcht 9 und aus inniger Verehrung und aus dieſen Quellen läßt er die Ehrfurcht vor Allem - hervorgehen. -

Diefe aus Liebe, Furcht und Verehrung er—⸗ wachſene Ehrfurcht iſt die bleibende, mit der die Jugend nicht nach Gefallen wechſeln kann, da ſie in den verſchiedenartigſten Gemuͤthsſtimmungen nicht alle Antriebe zugleich unbeachtet laſſen wird.

Durch den vielſeitigen Unterricht waͤchſt des Schuͤlers Verſtand, erhoͤht ſich ſein Gefuͤhl, in Abſicht auf goͤttliche und menſchliche Dinge. Er ſieht mehr und mehr ein, wie Weisheit, Tugend und Froͤmmigkeit ihm nur Gutes aura⸗ ‚then, wie der Lehrer nur fein Gluͤck befördern will; er fängt felbft an, das Heilige, das Gute, das Nüßliche zu fuchen, und kommt den Anordnungen und Befehlen feines Lehrers immer mehr mit Willigfeit entgegen.

Er freut fich die Zufriedenheit eined würdigen Mannes - burch fein Streben nad) dem Guten zu erwerben, freut fich zu den befferen Schülern zu gehören, ſchaͤmt fich feines

+) Man bebente hier den Ausfpruch jenes Gymnofophiften vor Aleran- der dem Großen: „Derjenige kann ſich bie größte Liebe erwerben, der der Mächtigfte und doch nicht furchtbar iſt,“ und man wird: die Furcht nicht. ganz verbannt wiſſen wollen.

Lehrers unwuͤrdig zu werden, und hofft dem Staate auch einft gute Dienfte leiten zu können: er ftrebt alfo nad wahrer Ehre.

- Die Schule erfcheint ihm ferner ald ein Lieblingsort ; er hält fie hoch, möchte gerne das Seinige zur Erhaltung des guten Geiſtes als des hoͤchſten Gluͤckes derfelben beitras gen; er hält auf Befolgung aller Anordnungen, geht den jüngern Schülern mit gutem Beifpiele in jeder Ruͤckſicht vor, und es waͤchſt jene forgende Liebe zur Schule in ihm auf, die Montesquieu in der Republik die Tugend nennt.

Der Schüler ftrebt im Allgemeinen dem Manne nad), der ihm fo fehr verehrungs » und Tiebenswärbig erfcheint, und firebt dadurd der Humanität entgegen. Auf diefe Art wirken alle Srunbfräfte ber verfchiedenen Staatöverfaffuns gen auch in der Schule auf das Kriedlichfte neben einander.

Sp wenig dem Schüler nun jedes Einzelne an fich eine Stäge fein kann, fo viel werben diefe Kräfte in ihrer Ges fammtheit auf ihn wirken koͤnnen; denn viele ſchwache Stuͤ⸗ Gen, vereinigt und. gehalten durch eine vernünftige Hand, koͤnnen immerhin bedeutenden Wiberftand leiften und räftig mittragen. Gie erleichtern dem Lehrer das. Gefchäft unends fih, und zwar mit ihrem Wachsthum immer mehr, fo daß zulegt dem Süngling in der Fremde ein Brief, ober auch nur das Andenken an den Verehrten den nöthigen Antrieb zum Guten gibt.

Der Knabe fucht in der Regel feine Stüße, fie muß ihm gegeben werben; ber Juͤngling ſucht fie größtentheils noch außer ſich, und dem ftrebenden Manne ift es anfbes halten, feine Stüße in fich felbft. zu finden.

Dadurch aber, daß das Prinzip der Humanität in Hins fidyt auf Zwec und Behandlung in der Schule waltet, wird der ganze- Menfch ftetd ins Ange gefaßt und ber

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Schüler vor Einſeitigkeit in feiner Erhebung: geſichert. So wie der junge Menfch ‚im Gebiete der Sittlichkeit in allen Laftern nur ein Lafter, in allen Tugenden nur eine Tugend erfennt, fo ertennt er in-dem Gebiete des Menfchthume nur eine Menfchheitlichfeit, Humanität.

Siebentes GCapitel. Noch andere unterſtuͤtzen de Kräfte

Noch eine Menge unterftügender Kräfte Tiegen in der guten Einrichtung der Schule, insbefondere in ben weiter anzuwendenden Grundſaͤtzen des Unterrichtes und der Erzie⸗ hung, und in dem humanen Beiltande von Seiten der Res gierung, des Schulvorflandes und der Eltern. Doch fol von diefen Stüßfräften hier nicht weiter gefprochen werben, da dad Folgende ber ganzen Schrift diefelben näher dar⸗ ftellen wird. |

_—_ | Dritted Bud. Allgemeine Folgerungen aud diefem Prinzip,

. Erstes Capitel, Die Humanität ehret den Menfchen in - dem Sbuͤler.

It k Sumanität das leitende Prinzip in der Eculzucht, ſo erkennt der Lehrer in jedem Schuͤler den Menſchen, ja,

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den einft vielleicht wichtigen Menſchen. Weg darım mit alten Beichimpfungen, mit aller Verachtung eines fogenanns ten Dummkopfes oder Boͤſewichtes ꝛc.! Du weißt noch nicht wie ein liebevoller allmächtiger Gott diefen Berachteten em, yor heben kann kannſt nicht fagen, daß aus dieſem, bei befierer Behandlung von Deiner Seite nicht etwas Achtungs⸗ wertheres ſchon jeßt geworden wäre; weißt noch nicht, wie viel er in ber Zukunft beiner vermeintlichen Weisheit und Sorgfalt zu Gute halten muß. Der Stein, den bu vers wirfft,, ftatt ihn mühfam mit Treue zu verarbeiten, kann noch zum Eckſtein werden.

Eben fo wenig verträgt ſich Satyre mit Humanität. Iſt fie, da fie hier Doch yerfönlich werben muß, etwas anderes als Hohn. Ein edles Herz kann aber nicht hoͤh⸗ nen. Der Lehrer, welcher fchimpft und toll drein fchlägt, handelt inhuman; wer aber fatyrifirt, wer höhnt, wirkt anf eine boshafte Weife, der reizet feine Schüler zum Zorn, und wect, wenn er am wenigften fchäblich wirft, tiefe Berachtung gegen fi) in dem jugendlichen Gemuͤthe auf. Durch Hohn darf man nicht beffern wollen; denn man foll nicht Boͤſes thun, daß Gutes daraus werbe.

zweites Gapitel. Die Humanität fuhrt das Böfe in dem Schüler auszurotten,

Die Humanität in der Schulzucht will das Fehlerhafte and Böfe nicht unterbrüden, wie man einen Feuerbrand mit Afche zudeckt; fie firebt es auszurotten, und ruhet nicht eher , bis ihr bafjelbe gelungen ift, oder der Schüler ihrer Einwirkung entzogen wird.

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Biele Lehrer thun fich etwas darauf zu Gute, daß ihr diebifcher, oder betrügerifcher, oder Tügenhafter ıc. Schüler nach der letztern Erecution nicht mehr ftehle, betrüge, Tüge, und halten ihn für gebeflert. Wie aber, wenn er Hug ges nug wäre, dieſe fchlechten Eigenfchaften vor feinem Erzie her um fo forgfältiger zu verbergen? Diefe hätten dann durch ihre oberflächige Behandlung noch obendrein Heuches lei in die junge Seele gepflanzt! Es will viel fagen, eins gewurzelte Fehler ausrotten, und junge Menfchen von uns reiner Natur beflern; aber es. ift auch eine fchöne That, und fchafft ein befeligendes Gefühl, wenn liebevolle vers nünftige Vorftellungen, ein weifes Verhuͤten und Strafen, ein zärtliches Nachgehen in aller Xreue, wie das eines Schutzengels endlich helfen, jo daß Ausrottung des Fehlers wirklich gehofft werdeit Tann. Freilich kann auch die Hus manität nicht immer ind Herz fehen; aber darum laͤßt fie in ihrer Sorgfalt auch nie nach, und glaubt nie beſchraͤnk⸗ terweife fait mehr als genug gethan zu haben. O Lehrer, denke an das verlorne Schäflein im Evangelium, denke an Gellerts Grabfchrift: „Du haft die Seele mir gerettet, du! O Gott! wie muß das Gluͤck erfreun, ber Retter einer Seele fein!” Sollte der Lehrer aber troß aller treuen Bemühung nichts gewinnen, fo muß er dennoch nicht vers zagen, er muß in Geduld fortfahren, muß von ber Zukunft Früchte feiner Liebe und Sorgfalt erwarten, und ſich mit dem Gebanfen beruhigen: Habe ich den ſchlechten Schuͤler nicht gebeffert, fo mag er durch mich doch weniger finfen, als er ohne meine Einwirkung auf ihn vieleicht gefunfen wäre. Darum, o Lehrer, lege wader die Hand an ben Pflug, und fchaue nicht zurück; halte bie Furche im Auge, bie Da das Tagewerf vollendet hafl. So faflet die Humanität den Schüler ganz ind Auge, und fucht Mittel auf, die für die Individualitaͤt beffelben geeignet find. Stimmen biefe nicht

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mit der allgemeinen Behandlungsart der Schüler überein, jo feßt fie den zu DBeflernden, um auch den Schein der Un- gerechtigfeit oder Partheilichfeit zu meiden, fo viel-als nd- thig und thunlich aus dem Berhältniß mit dem Ganzen ber Scyule heraus, gibt ihm einen abgefonberten Plab, und erflärt ihn für einen Schüler, der der allgemeinen Leitung nicht willig folge, dem fie aber befonders behilflich fein wolle, daß er ald braver Mitfchüler möglich bald wieder aufgenommen werben koͤnne.

Drittes Tapitel. Die Humanität wedt fröhlihe Thaͤtigkeit.

Die Humanität verlangt, daß das Mittel zur Beſſe⸗ zung dem Schüler das Gute wirklich angenehm, und das Böfe wirklich. verhaßt mache.

Dem Faulen helfe man außer der Schule liebreich nach und ſuche ihm uͤberhaupt durch freundliche Ermahnung, Vorſtellung ꝛe. Luſt zur Arbeit einzufloͤßen. Sollte man ihn auf dieſe Art nicht beſſern, ſo haͤufe man, jedoch nicht in⸗ human eine Menge Unannehmlichkeiten auf ſein Haupt, und die Huͤlfe wird bald dankbar angenommen werden. Dabei moͤchte der Lehrer zu Zeiten einige Stunden mehr arbeiten muͤſſen; er wird jedoch kein Miethling ſein wollen.

Ueberhaupt muß der Lehrer alles anwenden die Schuͤ⸗ ler frohes Muthes, thaͤtig und frei zu erhalten, und muß darum doch die Neigungen derſelben beherrſchen. Die Noth⸗ wendigkeit dieſer Forderung ſpringt dem braven Manne deut⸗ lich genug in die Augen, wenn er bedenkt, daß er als nicht unwuͤrdiger, freier Mann, im Kal er ſich ſelbſt mit hoch⸗ möäthiger, dummdreiſter Barjchheit behandelt fehen muß,

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nicht ſelten von Muthloſigkeit ergriffen wird, oder daß in ſeinem Gemuͤthe ſich eine Empfindung feſtſetzt, die wie ein giftiger Wurm an feinem Leben, an feinen Berhältniffen und an feiner Wirkfamkeit dauernd nagt. Es ift wahr, Daß hohe Wuͤrde des Geiftes ſolche Zuftände nicht zulaͤßt; aber wie felten wird diefe in dem Grade in dem Menfchen gefunden! Wenn gleich der Knabe nun noch Fein achtunge- -werther Mann ift, fo foll er doch ein folcher werden, und das kann er nicht, wenn Mittel an ihm angewendet werben, welche die Würde aus dem Menſchen treiben. Die Sache ift von großer Wichtigkeit und der forgfältigften Beachtung werth, wenn man zur Humanität erziehen will; benn es liegt ganz in der Erfahrung begründet, daß eine durch Freude erweckte Begierde unter gleichen Umftänden ftärfer wirft, als eine, die aus Traurigfeit entfteht, weswegen es auch rathfam ift, um einen Menfchen auf die Bahn der Tugend zu lei- ten, ihn verftändigerweife die angenehmen Folgen bes Gu⸗ ten empfinden zu laffen.

Menn aber die Humanität verlangt, daß ein fröhlicher Muth in der Schule gebildet und gepflegt werde, fo will fie keinesweges, daß der Schuͤler, in angenehmen Gefühlen

ſchwelgend, der Sinnlichkeit hingegeben werbe. Wenn gleidy der große Leibnit bewiefen hat, daß bie Sinnlichkeit mit den fchönften Gefühlen des Menfchen im innigften Verhaͤlt⸗ niſſe ſtehe, und daß diefelbe deswegen fehr achtungswerth ſei: fo häte fi Doch der Lehrer Das jugendliche Feuer ſei⸗ nen Lauf durch Die Sinne nehmen zu laffen, ober auch diefes, burch fein DBeftreben, ftetS angenehme Gefühle zu “erregen, nur zu veranlaffen. „Predigten eines Pebanten, ſagt Campe, helfen da, wo dieſes gefchehen iſt, nichts; ſie tilgen die Begierde nicht aus dem Herzen, daͤmpfen bie Hitze bed Temperamentes nicht, beffen Anwendung 2er junge Menfch kennt; er entruͤſtet fich vielmehr ‚gegen bie

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Hinderniſſe, die man zu ſeiner vermeinten Gluͤckſeligkeit ihm in den Weg legt; er wird ſich wider uns auflehnen und uns haſſen. Nachſicht iſt da am unrechten Ort, da er in ſein Verderben rennt. Stelle dich ihm vielmehr muthig in den Weg, und erſt dann, wenn er anfaͤngt zu hoͤren, mache ihn auf ſein Verderben aufmerkſam; zeige ihm dann deine Liebe, aber auch deine Kraft und Weisheit.“

Warum wollte man durch ein uͤbertriebenes Beſtreben, der Jugend Freude zu machen, erſt die Sinnlichkeit wecken? Daß dieſe nicht verſaͤumt werde, dafuͤr ſorgen oft die haͤus⸗ lichen Verhaͤltniſſe des Kindes nur gar zu ſehr. Darum muß Die Schule die Sinnlichkeit zwar nicht veraͤchtlich bes handeln, aber dahin trachten dem Geiſtigen bei dem fros ben, frifhen Muthe, der in der Schule herrfchen fol bei weiten bie Oberhand zu verfchaffen.

Viertes Capitel. Die Humanität überladet niht mit Arbeit.

Soll aber diefe jugendliche Friſche, dieſe Froͤhlichkeit des Geiſtes und aus. der Schule entgegen lachen: fo darf die Schulzucht den jungen Menſchen nicht nothreifen, nicht die feltenen Krüchte reifer Tugend, warmer Religiofität und sollendeter Weisheit von demfelben ſchon jebt verlangen; fonbern fie fol neben dem vernünftigen Streben nadı Aus⸗ bildung deffelben für die Gefundheit feines Leibes ſorgen und dem MWachäthum des ‚Geiftes Zeit gönnen. Wie vers traͤgt ſich diefer natürliche Grundſatz mit dem fo allgemei, nen Einpfropfungsſyſtem Bieler, nach welchem die Schüler sicht genug lernen können? wie mit der Arbeitslaft, die Diefe anf fie wälgen? Nach ben Foderungen diefer Leute

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fol ein Knabe, ber täglih, mit Einfchluß feiner Privats ſtunden, 7 bis 8 Stunden angeftrengt in der Schule ar beiten muß, noch täglich 2 bis A Stunden zu Haufe fich ‚plagen, um feinen Lehrern Genüge zu leiften, und das zu lernen, was in der Schule gemeinfchaftlich eingeibt werben ſollte. Wie kann ein junger Menfdy feines Lebens froh werden, wenn er den ganzen Tag arbeiten muß, um feinen ‚Zehrer zu befriedigen, und dabet feine Ferien noch als faule Zeit befchneiben, oder mit Arbeiten anfüllen fieht! Sind das die Tage der Jugend, die mancher Dichter fo glücklich preift® Oder foll der junge Menfch ſchon, wie ein Ers wachfener, feine Freude bloß in der Arbeit finden, und feine Erholungsftunden ald Mittel anfehen, die leidige Hypo⸗ chondrie zu verfcheuchen? Mir bangt, Deutichland wird bald mit jungen Greifen angefült fein, wenn das. Streben zum Bollftopfen fich noch einige Jahrzehende erhält, oder wol gar fleigert; und derjenige, der endlich ein Amt er- langt, wird feine muͤden Glieder ruhen Iaffen, und ſich freuten, endlich einmal aus ber felavifchen Sugend herauss gealtert zu fein. Sind diefe überfpannten Anfoderungen nicht die wirkffamften Mittel die Sugend träge und ver droffen, Frank und hypochondriſch zu machen ?

O, Salzmann! Dein Krebsbüchlein müßte umfaſſen⸗ ber fein, und deine Weisheit von Hohen und Niederen mehr erfannt werden. Ein vortrefflicher Guts⸗Muths, ein ges ſchickter Blaſche ꝛc. füllten die Ruheſtunden bei dir mit Koͤr⸗ peruͤbungen und Fünftlichen Arbeiten zum Vergnügen der Sugend aus. Solcher Männer bedarf Deutfchland mit der Zeit nicht mehr; Die nothwendigen Ruheflunden verfchafft jeßt das Bette, der faft tägliche Zufluchtsort des ermüs Deten Geiftes!

Biele Lehrer und Eltern Magen heut zu Tage: über Un⸗ baͤndigkeit der Jugend. Sollte dieſe Klage. gegruͤndeter als

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ehemals ſein, ſo halte ich dieſelbe fuͤr einen Fieberrauſch, eine Folge ihrer Ueberſpannung. Der jugendliche Muths willen und ber Leichtfinn gefellen fich dann zu dem zu früh geweckten männlichen Weſen, und dieſer unnatärliche Zus kand verzehrt den jungen Menfchen. Oder die Unbändig- feit ift die Kolge der farg zugemeffenen Spielzeit, und wie ein Menſch, der nächtlich mur vier Stunden ruht, um fo fefter fchläft, fo will ein forgenfreier Schüler, in einer Stunde ſich zwei bis drei Stunden bewegen.

Doc überlaffe ich die völlige Entfcheibung diefer Sache menfchenfreundlichen,, pfuchologifchen Aerzten. Ich wänfche nichts fehnlicher,, ald daß nach einer Generation, die. Er⸗ wachſenen unjer Treiben nicht verwänfchen und ihre Trei⸗ ber nicht verachten, fondern ihre Erzieher zu fegnen Urfache haben mögen.

‚Sollte man aber durch fortgefetten Drud bie Jugenb zaͤhmen wollen, und wirklich zu zaͤhmen im Stande ſein: ſo haͤtte man etwas Schreckliches erzielt und erreicht, und ſich ſchwer an der Menſchheit verſuͤndigt; denn man haͤtte die Jugend niedergeſchlagen, furchtſam gemacht, ihr Ge⸗ muͤth eingeſchuͤchtert, ihren Muth und ihre Lebhaftigkeit ge⸗ laͤhmt, ihr ganzes Weſen erſchlafft, und ſie traͤge und ſela⸗ viſch gemacht.

Und dann, glaube ich, haͤtte man ſich doch noch verrech⸗ net, da eine freie lebhafte Jugend unendlich leichter zu re⸗ gieren iſt, als eine trotzige, ſelaviſche, die ein beſſeres Schickſal zu verdienen glaubt.

Hat das Einpfropfungsſyſtem aber in der Kuͤrze der Schulzeit ſeinen Grund: ſo gebe man der Jugend, da dieſe mehr lernen ſoll als ehemals, auch mehr Zeit dazu, oder man ſtehe won ber deutſchen Polyhiſtorei wenigſtens in Etwa ab.

—_ 86 Fiinktes Capitel. Die Humanität beugt den Uebeln vor.

Wie wir nach Jeſu Vorfchrift beten: „und führe uns nicht in Verſuchung, fondern ꝛc.“ fo verlangt die Humani⸗ tät der Schulzucht, daß der Lehrer durch die nöthigen Ans orbnungen, die unter feinen Augen puͤnktlich beobachtet werben muͤſſen, Allem vorbeuge, was der Wirkfamfeit des guten Schulgeiftes hinderlich ift, und daß er mit größter Sorgfalt, bie Jugend für das Gute zu gewinnen und die Fehler auszurotten firebe. Je umfaflender und vollfomms ner feine VBorbeugungsmittel find; je tiefer feine Sorgfalt geht, das Herz feiner Schüler von Fehlern wirklich zu reis nigen; je einfacher, Elarer. und eindringlicher feine liebevol⸗ len Vorftellungen und Ermahnungen find: deſto mehr wird er die Sugend au das Gute gewöhnen, befto mehr wirb dieſe daſſelbe lieben und verehren lernen. In einer Schule, in welcher dieſe Sorgfalt herrfcht, kann das Schlechte nicht allgemein auffommen, und ber Lehrer hat dann Zeit und Gelegenheit, ganz fein Augenmerf auf die Abweichungen zu sichten, und diefe mit Kraft und Nachbrud zu regeln,

Sechstes Capitel.

Die Humanität regiert nad dem Geſetze der Nothwendigkeit.

Sol aber die Schule keine eigenfinnigen Trotzkoͤpfe oder willenlofen Sclaven, und für die Zukunft Feine. Tyran⸗ nen in ihrem einfligen Wirffreife ziehen: fo muß fie den

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Schüler frei erziehen, denſelben frei laſſen, wie des Pla neten Schwung , und demnach nicht nach Willkür, fondern nach Dem Gefeße der Nothwendigfeit, welches Ordnung und Gutes ift, anordnen, befehlen und verbieten. Dem Geſetze der Nothwendigkeit ift der Planet in feiner großen Bahn antergeordnet; ihm muß jeder Menſch, alfo auch der junge Menſch fidy beugen.

Hierburd; Tann er der gehurfamfte und befte Schüler werben; benn dad Geſetz der Nothwendigkeit liegt in allen Geboten Gottes, in allen weifen Anordnungen bes Staates, des Familienlebens und der Schule begründet.

Wo das Gefet der Nothwendigkeit gebietet, da wird Der Lehrer taufend Unannehmlichfeiten von Seiten der Schuͤ⸗ [er und Eltern ausweichen; da lernt der junge Menfch gar bald, was er zu thun und zu laflen habe, weil in dem Ganzen eine unverfennbare Einheit liegt. Ein Zögling ber Nothwendigkeit trägt das Geſetz in fih, wenn ein Sclave Der Willkür fich Angftlich nach den taufend Geboten umfieht. Wozu darım eine Litanei von Schulgefegen? Das Schul gefeß heißt: Du ſollſt dich fo betragen, daß der Zwed ber Schule an Dir und an Andern erreicht werden Tann; bu ſollſt darum den guten Geift der Schule in dich aufnehs men, und der Regierung deflelben in Feiner Hinficht hinder- . ich, in jeder Hinficht aber förderlich fein.

Darum table man andy nicht zu geringfügige Dinge, die mit dem Geifte der Schule nichts gemein haben *: der Schuͤler fieht Feine Rothwenbigfeit davon ein, wird dadurch irre ober gleichgültig, indem er feinen Lehrer als einen

°) (Sin einziged Plauderwort ift 3. B., zumal in gefüllten Glaffen, nicht geringfügig, da volllommene Ruhe nothwendig ift, wenn bie Scqhale mit Erfolg voranfchreiten fo,

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Schulpedanten erkennen lernt, oder er wird eingeſchuͤchtert und eben darum altklug und unnatuͤrlich.

Nach dem Geſetze der Nothwendigkeit kann der Lehrer aber, auch in den Augen des Schuͤlers, mit allem Recht auf Gehorſam dringen, und durch die hohe Kraft, welche in dieſem Geſetze liegt, wird er kraͤftige Maͤnner, ſinnige Frauen und dem Staate die beſten Glieder erziehen.

Siebentes Capitel.

Die Humanität wirket mit Kraft und Nachdruck.

Man wuͤrde ſich von der Humanitaͤt der Schulzucht eine durchaus verkehrte Vorſtellung machen, wenn man glauben wollte, dieſe wirke nur in aller Zartheit empfindſam und weibiſch. Nein, wie Chriſtus auch da die reine Wahr⸗ heit gerade heraus ſagte, wo ſie wehe thun konnte, und mit der Geißel in der Hand, Kaͤufer und Verkaͤufer zum Tempel hinaus trieb, ſo verlangt auch die Humanitaͤt der Schulzucht oͤfter eine aͤhnliche Behandlung des Schuͤlers. Eine gute Schulzucht muß kraͤftig ſein. Der junge Menſch muß einſehen und fuͤhlen lernen, daß Maͤnner ihn erziehen, und daß er kein Mittel in ſeiner Gewalt habe, den Zügel, den eine Träftige Hand führt, zu fhlaffen, oder wol gar zu gen» reißen.

Der Lehrer muß ald vernünftiger Mann den Schulzweck und bie Mittel kennen, durch welche berfelbe am ficherften | erreicht wird. Wäre e8 nun in feiner. .Art nicht eben fo verberblich und erbärmlih, den Einfällen des Schülers zu

folgen, als wenn ein Kutfcher dahin fahren wollte, wohin es den Pferden beliebte?

Eine fefte, fträftige, humane Behandlungsart macht den Schäler nicht felavifch, fondern vernünftig gehorfam , macht den Knaben in der Zukunft männlich, und fichert dag Mädchen vor Empfindfamkeit und Eigenfinn. Wer vernünfs tigen Gehorfan gelernt hat, ift einft aud; zum vernünftigen: Befehlen geſchickt.

Fehlte denn auch der Lehrer in einzelnen Fällen in dies fem Streben (und wer ift frei von folchen Fehlern), fo wirb er barım den Schüler nicht verderben, wenn nur von Seiten der Eltern oder anderer Erwachfenen, dem Schüler fein Borfchub geleiftet, und dem Lehrer das Zus trauen und die Achtung nicht benommen wird. Gefchieht dieſes unvernünftiger Weife, fo fehe fich der Lehrer wol vor, daß ſolche Schüler nicht den ganzen Geift der Schule berunterftiimmen, und feße fich Lieber anderweitigen Unannehms lichkeiten aus, als daß er den Grund zum Ruin feiner Wirk ſamkeit lege. Hat er gefehlt, fo mögen immerhin unvers fländige Eltern, die von ihm Vollkommenheit verlangen, ihn Unannehmlichkeiten dafür empfinden laſſen; aber er muß nicht ans Schwäche, um des fogenannten lieben Fries dens willen von feinem vernünftig gewählten Wege weichen, muß fich lieber von einzelnen, ſich weife dünfenden, ſtolzen Selbſtlingen verwerfen laſſen. St irgend einem Manne Feftigkeit noͤthig, fo bedarf fie der Lehrer, der oft in dem⸗ felben Maaße, daß ſeine Sorgfalt waͤchſt, mit der An⸗ maßung ſtolzer und ſich weiſe duͤnkender Eltern zu kaͤmpfen hat, die ihre Anfoderungen bis ins Unmoͤgliche ſteigern. Mancher Vater, feine eigene Kurzſichtigkeit und Fehlerhaf⸗ tigkeit nicht bedenkend, will einen großen Mann aus ſeinem beſchraͤnkten Sohne gemacht haben, oder verlangt in den ſchwierigſten Faͤllen die ſchaͤrfſte aber unmoͤgliche Abwaͤgung

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der Behandlung. Nachdem er tagelang den einzelnen Fall einſeitig angeſchaut, ſein Mißtrauen, oder ſein gekraͤnkter Stolz noch ein mehreres dazu geſellt hat, und ein feſtes Urtheil gewonnen zu haben glaubt, haͤlt er den Lehrer, der im Drange der Geſchaͤfte und oft in groͤßter Eile den Fehler ruͤgen mußte, fuͤr einen leidenſchaftlichen Ignoranten, der der Achtung ſeines Sohnes nicht ferner wuͤrdig ſei. Hier weiß ich einem Lehrer nichts anderes zu ſagen, als: Gehe getroſt deines Weges fort, ſuche ſtets weiſer, ſtets beſſer zu werden, und laß dich nicht, wie ein Rohr durch jedes Menſchen Unzufriedenheit hin und her bewegen.

Mancher Lehrer, uͤberzeugt von der Wahrheit des Satzes, daß reine Kraft nur durch reine Kraft erzeugt werde, hat dieſen Weg eingeſchlagen; aber die Unannehmlichkeiten, die er zuweilen auch von Solchen erfahren mußte, die doch durch⸗ gaͤngig als vernuͤnftige Eltern angeſehen wurden, brachten ihn zu einer Behandlungsart, der er als Mann ſich ſchaͤ⸗ men ſollte zu jenem weibiſchen Unding von Erziehungs⸗ maxim, nach welchem Eltern und Lehrer ſchier vor Kindern ſich fuͤrchten, und dieſelben wegen des ewigen Moraliſirens, (man erlaube mir den Ausdruck:) vermoraliſiren: zu jenem feigen Weſen, das um die Gunſt des Zoͤglings buhlt, ſtatt daß ber brave Lehrer als Vater, Meiſter und Herr, mit eine Säule daftehen foll, an welche das junge Baͤumleis ſich hält, oder an der das zarte Epheu empor ranft.

eg mit diefem Leib und Seele verberbenden Geſpenſt! das die Kinder zu eigenfinnigen, verweichelten, alttfugen Menfchen macht; es ift Die Geburt der empfinbeinden Schaͤ⸗ ferwelt, und kann fürber nicht beitehen, wenn Männer uud tüchtige Krauen erzogen werben follen. Ich .rebe hier keines⸗ weges jener barbarifchen Erziehung bad Wort, beun ich mag der Jugend ohne .Roth feine Freude verkuͤmmern; aber dem weibifchen, laffen Weſen bin ich von ganzer Seele

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gram, und habe dabei die tüchtigften, deufendften und hu⸗ manften Erzieher auf meiner Seite: Männer, die ihr Sys. ſtem nidht hinter den weidenden Schäflen, oder auf ver Studierftube,, fondern in thatträftiger Hebung gebaut haben. Lefen wir nicht im Sirach: „Blaͤue ihm den Rüden, beuge ihm den Nacken,“ und Klagl. Ser. 3, „Es ift dem Mens ſchen ein Töftlichh Ding, daß er das Soc in ber Jugend trage ?“ Und bier follte Gottes Wort irren, weil es mit unfren überfeinerten Anfichten nicht übereinftimmt ?

Es ift aber Teinesmeges meine Meinung, ben Lehrer

zum allgemeinen Rüdenbläuer zu machen. Da mag jeder SDansvater bei feinem Heerde forgen, idy meine die ftrens gere Zuͤchtigung hauptfächlich felber übernehmen. Damit er aber forge, weiß ich ein anderes Mittel, ald das ewige vergebliche Bitten an fo manche Eltern um Eräftigere Eins wirfung Wil ein Schüler fih, troß aller Mühe von Seiten des Lehrers nicht beffern, ſo moͤgen die Eltern Die Umannehmlichteit erleiden, daß ihr Sohn vor den Vors Rand gezogen, und bei Öfterer Wiederholung diefes Mittels ans der Schule gewiefen werde, im Fall er für biefelbe verderblich ift.

Diefer Borftand mag, um Partheilichfeit und Schwäche auszuweichen, wenigitens aus fieben, und zwar rechtlichen verfländigen Männern beftehen, die in einem unabhängigen Berhältnifie Ieben.

Nach diefer Anficht, nach welder Feine empfindfamen Schwaͤrmer und laſſen Schattenbilder, fondern fräftige Menſchen, ſtark an Geift und Leib erzogen werden follen, befehle ber Lehrer moͤglichſt nach dem Geſetz der Nothwens Bigkeit,, d. h. nicht nach Willkür, und der Schüler gehorche vhne Widerſpruch. Wo der Schäler ungehorfam erfcheint, ud fich nicht auf eine fanfte Art zurück führen läßt, laſſe der Lehrer ihn den Zwang fühlen, und häufe bie unanges

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nehmen Folgen der verachteten Nothwendigkeit auf ſein Haupt, ſtehe ihm aber liebreich und vaͤterlich bei, wo dieſe fuͤr denſelben verderblich werden koͤnnen. Darum walte wahre, reine Liebe in des Lehrers Bruſt, und den Schuͤler betrachte er als ſeinen Sohn, ganz als ſeinen Sohn. Fehlt dieſe Liebe dem Lehrer, dann wird er gar leicht ein Tyrann, den feine Schüler verfluchen, oder er wird denfelben bei weniger Einwir fung, ein Gegenftand ber Sleidhgältigfeit.

Wie unvernänftig, wie lieblod wäre es, Kinder koͤr⸗ perlich zu zuͤchtigen, bei denen ein liebendes Wort, eine ruhige Zurechtweiſung, ein ernſter Tadel, eine weiſe Ermun⸗ terung zum Beſſern, oder ein anderes gelindes Strafmittel helfen koͤnnte. Das Kind wuͤrde dadurch an ſeiner Liebe ge⸗ kraͤnkt, muͤrriſch und trotzig ſeinen Zuchtmeiſter fliehen und haſſen lernen, und ſo wuͤrde vielleicht eine Seele verderbt, "die für alles Hohe und Schöne fo ſehr empfaͤnglich war. Sirach kann demnach nicht der Meinung gewefen fein, daß der Bater ıc. nur toll drein fchlagen ſolle.

Es fann dem einen Kinde etwas eine empfinbfiche Strafe fein, worüber das andere leichtfinnig hinwegvenft. Warum wollte man beide denn auf die nämliche Art empfindlich ſtrafen? |

Oft wird ein Kind von unvernünftigen Erziehern über begangene Fehler beftraft, wo es flatt der Strafe Troft und Beruhigung verdiente; Fälle, die hauptſaͤchlich dann eintreffen, wenn das Kind feine Fehler anhaltend bitter bes rent. Diefe Beruhigung Tann dann unter dem Namen der Berzeihung gegeben werden; denn Fehler muß Fehler. bleis ben, widrigenfalld das Kind in feinen Begriffen von recht und unrecht, von guf und böfe irrig werben. würde. Wie empfindlich, und auf welche Art.man ftrafen müfle, kann einem vernünftigen Erzieher nicht entgehen, wenn diefer nur

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darauf achtet, ob das Kind ſich durch dieſe Strafe beſſere, und ob dieſelbe uͤberhaupt fuͤr eine ſolche Individualitaͤt paſſe. Da aber der Lehrer, wie ſchon geſagt, ſo oft mitten im Drange der Geſchaͤfte, und mit Schnelligkeit die Strafe an einem fehlenden Schuͤler vollziehen muß, er dabei nicht immer aͤngſtlich auf eine gewiſſe Individualitaͤt Ruͤckſicht nehmen kann: ſo muß er Strafen erſinnen, die fuͤr keine Individualitaͤt verderblich ſein koͤnnen, und deren Empfind⸗ lichkeit doch in dem Maaße ſteigt, als des Schuͤlers Leicht⸗ ſinn und Unart ſich erhebt; ſo muͤſſen aber auch die Eltern den Lehrer, der ihnen gefehlt zu haben ſcheint, nur deſto ſchonender beurtheilen. Bevor ich dieſe Strafen angebe, muß ich mich noch einmal uͤber den ſchon beruͤhrten Gegenſtand ausſchließlich an Eltern und Schulvorſtaͤnde wenden.

Achtes Capitel. Ein Wort fuͤr Eltern und Schulvorſtaͤnde.

Es iſt in den meiſten Faͤllen unvernuͤnftig von Eltern gehandelt, wenn ſie die Klage der Kinder uͤber Unrecht, das denſelben in einer guten Schule angethan ſein ſoll, von den Kindern anzuhoͤren ſcheinen, oder ihnen gar beiſtehen; denn dadurch beſtaͤrken ſie die Kinder in ihrer Unart, ma⸗ chen dieſelben trotzig, und bringen den Lehrer um alle Ach⸗ tung und Liebe, alſo die Schule um ihre Wirkſamkeit, und ſomit den Schuͤler um ſeine Veredlung, um ſein wahres Beſte.

Jeder Lehrer, der den innern Menſchen ſeiner Schuͤler mit trenem Fleiße bearbeitet, wird die Erfahrung machen,

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daß die Ehrfurcht der heilige leitende Engel der Jugend aus der Seele ‚dedjenigen Kindes weicht, bas in der Schule, wenn gleich nur im Stillen, auf feine Eltern tro- gen kann. Und wenn biefe Ehrfurcht nun aus dem Kinde ‚getrieben ift was bleibt dann den Eltern ſelbſt Äbrig, um ihre Kinder wärbig zu erziehen? Diefe Sache ift des Nachdenkens werth, fle ift von der größten Wichtigkeit, ich wenigftend kenne nichts Wichtigered in dem ganzen Er ziehungsſyſtem, ald Erregung und Erhaltung der Ehrfurcht in der Seele des Kindes; und jeder Erzieher, der den fitt- Tichen Menfchen in feinen Schuͤlern zu heben fucht, wird meiner Meinung fein.

Wie viele Eltern gibt es, welche meinen, dieſer Vor⸗ wurf treffe ſie nicht, da ſie zwar die Klagen entweder ſelbſt, oder nur durch eine Mittelsperſon, die oft klatſch⸗ haft, oder den Kindern treuer als den Eltern iſt, den Leh⸗ rer bitter tadeln. O, Eltern! haltet einen ſolchen Tadel doch unter euch geheim, und wendet euch mit euern Klagen an den rechten Mann.

Bei vielen Eltern geht dieſer Tadel aus unzeitigem Mitleid, aus Stolz und Affenliebe hervor, und dieſe ver⸗ ſchlucken uͤber dem Muͤckenſeigen die Kameele. Denen trete die Schule kraͤftig entgegen, und biete maͤnnlich die Spitze. Und angenommen, der Lehrer haͤtte einem Kinde wirklich Unrecht gethan: ſo muß man das dem Lehrer aus obigem Grunde nicht ſo hoch anrechnen, und uͤberhaupt die Kinder nicht daran gewoͤhnen, daß ihnen Jegliches mit der Gold⸗ wage zugewaͤgt werde. Ein Kind, das ſo aͤngſtlich erzo⸗ gen wird, wird in der Zukunft mit der Menſchheit, die es uͤberhaupt nicht genau nimmt, ſtets in Unfrieden leben. Darum ſoll der junge Menſch wenigſtens da Unrecht ſchwei⸗ gend ertragen lernen, wo ihm daſſelbe gegen Wiſſen und Willen, und zwar von fülchen Menfchen zugefügt wirb,

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die feine wahre Wohlfahrt gründen wollen und gründen. Uebrigens weiß ich aus vielfacher Erfahrung, daß foldhe Klagen der Eltern über die Lehrer, welche durch das Be⸗ Hagen der Kinder erzeugt werben, felten guten Grund ha- ben. In fchlinmern Fällen ftieß ich bei Unterſuchung ber- felben gewöhnlich auf die Wahrheit: Auch ein Lehrer, zu- mal ein junger Mann, kann ſich irren und übereilen, und empfindlich und wieberholt von ſolchen Schülern geſtoͤrt, die ihn zu flören pflegen, feine Erinnerungen nicht beachten, und ihn gleichgültig anhören, hat er die Unart höher aufs genommen, als Dies bei ruhiger Befonnenheit gefchehen wäre. Diejenigen Väter, und diejenigen Mütter, welche frei von ſolchen Fehlern find, mögen den erften Stein auf ven Lehrer werfen, ber ihnen dieſes Fehlers wegen fo ftrafs bar erfcheint. Und was wäre denn am Ende mit diefer aͤngſtlichen, yphlegmatifchen Befonnenheit ausge richtet?

Ich rede hier keinesweges dem Leichtfinn und der Lei⸗ denfchaftlichkeit plumper Lehrer, oder dem Murrfinne milz füchtiger Starrkoͤpfe das Wort; ſolche Menfchen follte man aus Pflicht gegen die Menfchheit ihres Amtes entfegen, und ihnen einen Drefchflegel in die Hand geben; ich fpreche son Lehrern, Die zur Humanität aufftreben, von folchen, die Achtung und Vertrauen verdienen. Manche Eltern aber haben fein Vertrauen, und darum koͤnnen fie auch dem Leh⸗ rer und Wohlthäter ihrer Kinder nicht vertrauen, und ver: achten alle Beweife Anderer. Glücdlich ift ber brave Leh⸗ ver , ber ſich des reinen Bertrauend der meiften Eltern erfreut: er bat nicht nöthig jeden Meenfchen immer und ewig aufs Neue bei jeder etwas räthjelhaften Gelegenheit von feinem ernften Streben nad) dem Beffern zu überzeugen ; feine Wirkfamkfeit wird nicht auf das Spiel geſetzt, das Zarte feiner Seele nicht zerrüttet, und erfelbft nicht endlich

ein abgeſtumpfter Murrfopf!l Wohl ihm! er Tann bie Kin -der zur Humanität, zum fröhlichen Denfen und Wirken : erziehen.

Wenn ich eben fagte, die Strafmittel der Schule müß- :ten für feine Sndividualität verberblich fein, fo verftehe ich Darunter Feine ſchuͤchterne Zärtelei, eben weil dieſe fir jebe individualität verderblich ift. Viele Eltern und Lehrer hals ten aber ein folches weibifches Weſen für human, und ‚glauben zugleich darin das Mittel zu finden, um den gegen- :feitigen Unannehmlichfeiten ausbiegen zu koͤnnen. Abgefehen von ber Verderblichkeit dieſes Mittels, erreichen fie auch den gewünfchten Zweck nicht. Mir ift es durch hinlängliche "Erfahrung, wie ſchon an fi klar, daß mit jener Angftlie chen, zärtelnden VBorficht des Lehrers, die Anfoderungen der Schüler und Eltern an feine Abwägung jeder Kleinige feit in gleichem BVerhältniffe fleigen, fo daß es endlich dem Lehrer nicht mehr erlaubt bleibt, fein Mißfallen. über Unarten an den Tag zu legen, indem er fürchten muß, feine Schüler und deren Eltern zu beleidigen. In der -That, wenn der Lehrer denn nun wirklich einen unvernuͤnf⸗ tigen. Weg einfchlagen foll, fo rathe ich .eher zu dem alten, auf welchem er ohne Unterſchied eine ganze Claſſe, aus ‚welcher Einige gefehlt haben, ohne Barmherzigkeit durch⸗ ‚prügelt, denn da empört er die Schüler nur gegen ſich; nad) dem Abwägungsfyften aber verberbt er die Sugenb für die Welt. Mögen wir das Gute aus dem Alten mit Dankbarkeit anerfennen. Darum muß der alte, Fräftige, vertrauende Sinn wieber in die Eltern zurücdfehren, nad welchem fie dem fich beflagenden Kinde antworteten: „Es ift dir recht gefchehen ; du follft dir die Zufriedenheit deines Lehrers erwerben; fehle nicht fo wiederholt, dann wirft bu auch in zweifelhaften Fällen nicht mißverflanden werben; die Beftrafung, fehen wir, hat feinen Eindrud auf did

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gemacht” ıc. und dann mit diefen Worten ben Stock ergriffen, um ben Geift der Fehlerbemäntlung auszutreis ben, das Berfäumte nachzuholen, und der Schulftrafe Ein: druck zu verfchaffen. Auf diefe Art, oder Doch in dieſem Geifte gehandelt, würde man dem Kinde wahrhaft nuͤtzlich werden.

Oder haͤttet ihr Eltern gern, daß eure Kinder ſich über euch beim Lehrer beklagten, (ein Kal, der gar nicht zu den unerhörten gehört), und daß die Lehrer fi dann anf Seiten der Kinder ftellten, und ench um Liebe, Achtung und Vertrauen brächten? Shr ftuget, daß ich eine folche Trage euch ftelle? Zerglievert das VBerhältniß zwifchen El⸗ teen umd Kindern, und zwifchen Lehrern und Kindern, wier derholt dann die Frage noch Öfter, und ihr werdet, wenn ihe das Gluͤck gehabt habt, von würdigen Lehrern unters richtet zu werden, die euern innern Menfchen erzogen, Dies ſelbe nicht unnatuͤrlich finden. Die vernünftige Erziehung muß aber den Eltern anrathen, in dieſem Stüde durchaus feinen Unterfchied zu machen. Darum tabelt Die Lehrer nicht in Gegenwart eurer Kinder, deren Gefreundten oder anverftändiger Menfchen, weil diefelben auch euch auf biefe Art nicht tadeln dürfen. Der Knabe fol ven Mann nicht richten,

Zur Zurechtweifung der Lehrer Laffen fich Mittel genug finden, wenn übrigens biefelben zurecht zu weifen find. Da indeſſen der Lehrer gar zu leicht einfeitig beurtheilt wird, and dem braven Lehrer Mißtrauen, oder eine fchroffe Beur⸗ theifung feiner Handlungsweife befonders von folchen Eltern fehr empfindlic, fein muß, deren Kinder ihm ohnehin eine unendliche Laſt machen *): fo wäre ed Doch nicht mehr als

*) Die Eltern ungezogener Kinder find in der Regel mit dem Lehrer nicht zufrieden, follten es aber, in der Regel wenigſtens, mit ſich

ſelbſt nicht ſein.

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billig, wenn die Eltern, vor Aeußerungen ihrer Unzufrie denheit gegen Andere, ein Mehreres bedächten.

Sind denn die Klagen, die ihr Eltern vorbringen wol Iet, wirflich gegründet? Kennet ihr alle Verhältniffe? Habt ihr bedacht, daß euer Kind vielleicht durch feine oft wieder holten Unarten dem Lehrer fchon vor der euch zu hart fcheis nenden Beftrafung in einem fehr nachtheiligen Lichte erſchie⸗ nen ift, und baß die Beſtrafung vielleicht deswegen härter ausfiel, als ber letztere Kal ed verdiente? Oder gehört euer Kind vielleicht gerade durch eure Schuld, zu denen, Die den guten Geift der Schule verfcheuchen, und hat dieſes vielleicht des Lehrers Mißtrauen erwedt, und ihn vieleicht, ohne Wiffen und Willen partbeiifch gemacht? Oder hat der Lehrer dieſesmal vieleicht nicht Gewalt genug über fich gehabt, um das unangenehme Verhältniß, in welchem ihr früher fehon mit ihm geftanden habt, an euern Kindern zu verleugnen? Habt ihr die Miene, die Geberde eurer Kin- der, in denen vielleicht Trotz, oder gar euer feindliches Verhältniß zu dem Lehrer lag, fo wie den Augenblick bes dacht, in welchem ber Lehrer die Unart eures Kindes ber Rrafte? Wie, wenn ber Lehrer gerabe in dem fchönften Augenblick geftört wurde, in welchem er fein Herz in das der Kinder überzutragen bemüht war? Ihr koͤnnt da einen Mann leicht Fränfen, bloß durch eure Empfinblichfeit, Die ihr ihn merken laßt 9; aber in der Zukunft wirb er fi vielleicht hüten, fo warm, fo treu aus ber Seele zu Ichren, damit eben dieſe ftille Begeifterung ihm nicht werführe, ſich im Geringften zu übereilen.

*) Daß treue Lehrer ſich oft nur zu leicht gekraͤnkt fühlen, mag das her kommen, daß fie fafi den. ganzen Tag hinduxch ihr Herz in Anfprud nehmen müflen, wodurch biefeg ſehr zart geflimmt wird,

Pas ift natürlicher, ald daß ber Lehrer gerade die Unart eines Kindes höher anrechnet, bie ihm für die Sum de, ja vielleicht für mehrere Tage die Weihe genommen hat? Wollt ihr nun ihm dieſe Weihe durch unverdiente Kraͤnkungen auf Jahre, oder vielleicht für fein ganzes Leben uchmen? Freilich fol der Lehrer nicht weibifch eine überfeine Behandlung verlangen; er fol ein Mann, ein fräftiget, weifer Mann fein; aber mit der Weihe ift es ein fonderbares Ding, und an Unannehmlichkeiten überhaupt werben wenige Lehrer eines ganzen Landes Mangel haben. Lebt ferner der Lehrer eurer Kinder im Drud, und häts tet ihre durch einige Aufmerkſamkeit gegen ihn benfelben heben koͤnnen?

O, wie oft haben brave Lehrer mir im Stillen ge | Magt, daß fie nicht die Früchte ihrer Werke äßen, daß man, vielleicht ohne Arg, ihrer zu wenig gebächte!

In der That, nähme der Lehrer nicht daher Beruhigung unb Ermunterung, wo die Welt diefelben nicht zu fuchen pflegt: fein Eifer wuͤrde nur gar zu früh erfalten! Wie Bieles ließe fich hier noch erwägen! Ginget ihr Eltern vor enern Anlagen auf diefe Art mit euch fragenb und uͤber⸗ Legend zu Werke: ihr würbet vielleicht einen Mann lieben, den ihr num verachtet; ihr wuͤrdet vielleicht, ungeachtet eis mes won ihm gemachten Fehlers, feine Wirkſamkeit preifer, Die ihr jetzt für fo elenb haltet. Eltern, bebenfet biefes um Das zarte Verhältniß unter euch, Lehrern und Kindern sicht fo ohne Noth zu zerreißen; bedenfet, daß ihre ben Lehrer dadurch wol mafchienenmäßiger, und darum abger meſſener, aber nicht würdiger und wirkffamer für die Seele enrer Kinder macht! Suchet vielmehr in ihm Die Freudigfeit zu erhalten, bie euern eigenen Kindern fo nothwenbig iſt, auf daß er mit SSreuben arbeite und nicht mit Geufzen, und

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feine Haare nicht vor der Zeit ergranen. Wahrlich, ein treuer Lehrer verdient mehr, als ihr ihm je vergelten koͤnnt!

Verſetzet euch einmal auf einen Augenblid in die Lage manches braven ergranten Lehrers. Er hat feit vielen Sahren, wenn gleich nicht vollfommen, aber nadı feinen Kräften treu gewirft, euch feine ſchoͤnſte Sugendfraft fo willig in Begeifterung geopfert, und hat viel gethan, mehr gethan, als ihr wiffen und fühlen koͤnnt, da euch die größs ten Befchwerden dieſes Faches unbekannt find, naͤmlich Be- “fchwerden, die nur treue Lehrer empfinden. Er hat manche Nacht aus Sorge für euch und eure Kinder durchwacht, fo oft im Stillen getrauert, und Gott um Aufrechthaltung feines Eifers gebeten, wenn fein in aller Liebe dargebotenes Herz fo verächtlich mit Füßen getreten wurde, ober hat fich in ſchwachen Stunden muthlos wie verzweifelt in feinem Bette gewälzt; er hat fo viel tauſendmal feine Begeifterung für das Gute und Edle in die Herzen der Jugend ausgegoffen, ſich fo glüdlich, fo belohnt. gefühlt, und die fchönften Hoff- nungen für die Zukunft gefchöpft, wenn er feine Bemühuns gen gejegnet ſah; er hat fo anhaltend nach Klarheit. in Wifs fenfhaft und Kunft geftrebt, und fich täglich fo viele Stuns den bemüht, diefe Klarheit in eure Kinder überzutragen. Er hofft endlich die Früchte feiner. Werke zu effen, und wird am Ende durch fein Alter laͤſtig, oder in Bergeffenheit begraben, weil er dem Orte nicht ganz das mehr. ift, was er gewefen! Saget nicht, folche Lehrer feien. felten. Ders gleichen gibt es viele;. es find nur Leute, nicht, bie fich rühmlich ausgezeichnet, nein,: die tren ihre Pflicht nach ihren Kräften zu erfüllen gefucht haben und Pflichtreue iſt in ben Augen Vieler eine fo gemeine Eigenfchaft, daß man ihrer felten mit Wärme erwähnt. Wollen wir" aber nur den wirklich großen Mann verehren: fo werben. wir

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undanfbar an dem treuen Willen handlen, der oft mehr Gutes für die Welt hervor bringt, ald Größe bes Geiſtes.

Neuntes Capitel. Ein Wort dem jungen Lehrer.

D junger, aufwaͤrtsſtrebender Lehrer! laß dieſes trau⸗ rige Bild dich nicht niederdruͤcken. Schaue aufwaͤrts, und erflehe dir Kraft, einen hohen Standpunkt zu erſteigen! Dann wird das Streben nach einem hohen Ziele dich uͤber manche Erbaͤrmlichkeit des Lebens erheben, und das Be⸗ wußtſein in treuer Bruſt, fuͤr das Wohlſein der Menſchheit gelebt zu haben, wird dann da dich beſeligen, wo du des Dankes, der Anerkennung der Menſchen ermangelſt! Sage, freueſt du dich etwa in dieſem Augenblicke ſo ſehr uͤber das Sinnliche, das du zeither genoſſen haſt? Fuͤhlſt du dich darum gluͤcklich? Und doch haftet die Freude laͤnger in der Seele, als das Leid. Wirſt du einſt an dem Graͤnzſtein deines Lebensweges dich fragen, was dich ſtets wahrhaft beglüdt hat und dich noch begluͤckt; was bir Das ſchwere Sterbeftündlein unendlich viel erleichtert, dich zur näheren Gemeinfchaft mit den edelften Geiftern der unbekannten Welt erhebt, deinen Namen hier in fegensreichem Andenken zuruͤck⸗ laͤßt, ja dich vielleicht zur Unſterblichkeit auch hier auf Erden kroͤnt: ſo wirſt du mit tauſenden alternden Weiſen and der innigſten Ueberzeugung antworten: Es iſt das innige Streben das zu werden, mas ich werben fonnte, ein Menſch ein bumaner Lehrer! Schwinge did denn unter Gottes Beiftand zu der Stufe von Seelenabel empor, baß Wohlleben, Ehre und Dank nicht die Trieb

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federn deiner Wirkſamkeit fen müffen. O, möchte der guͤ⸗ tige Gott dich dazu flärfen, unb dein eifriges Streben in jeglicher Hinficht dann feguen! Sei aber auch gerecht gegen deine Mitmenfchen bei Ertragung dir zugefügter Uns annehmlichkeiten, und bedenke, daß du diefelben nicht felten Dir zugezogen habeft, und daß bu die Zahl derſelben durch etwas mehr Vorficht, Klugheit und edle Gefchmeibigfeit um ein Bedeutendes hätteft verringern Finnen. Bedenke, daß ber verdienſtvollſte Mann an feinem Werthe verliert, wenn ihm diefe Eigenfchaften fehlen. Sei ftrenge gegen dich felbft, und beurtheile deinen Nebenmenfchen fehonend; es werben dann auch umnverfchuldete Leiden dich beflern, warnen, dich erheben, alfo dich im Guten feftigen, dich achtungs⸗ und Fiebenswärbiger machen. Bedenke, daß Stolz; und Eigendüntel fic Leichter und empfindlicher gekraͤnkt fühlen, als wahres Verdienſt, denn Iehteres hat Weisheit, Mens fchenfiebe und Gerechtigkeit in feinem Gefolge.

zeuntes Capitel. Von den Strafen.

Nach dieſen Eroͤrterungen ſchreite ich nun zur allge meinen Beantwortung der Frage: Woher entlehnen wir die Strafmittel, und welche von dieſen eignen ſich fuͤr eine Schnule am beften?

Die beiten Strafen find die natürlichen Folgen eines Bers gehend, Diefe Folgen, Die der Menſch jederzeit ertragen muß, fließen unmittelbar aus ber meufchlichen Naturund den menſchli⸗ chen 2erhältniffen; und darum Finnen: fie nicht verberblich für irgend eine menfchliche Sndivibualität fein wie es denn nicht

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als verberblich für eine Individualität angefehen werben kann, daß das Feuer brennt, das Waſſer näßt, die ftrenge Arbeit ermübet, die Unart Unzufriedenheit erregt. Der Menſch muß vielmehr feine Individualität diefen Folgen umterorbnen, und Das muß der junge Menfch lernen.

Gebietet das Geſetz der Nothwendigfeit, und nicht die Willkuͤr, fo wird es an folchen Strafmitteln nicht fehlen; fie ergeben fich dann von felbit.

Die natürliche Folge irgend eines begangenen Fehlers von Seiten des Schälers, ift die Unzufriedenheit des Leh- rers. Diefe merke der Lehrer mit aller Conſequenz puͤnkt⸗ lich uud unpartheilfch, im Stillen oder oͤffentlich, mit oder ohne Ermahnung durch einen Strich an. Er habe zu dem Eube eine Tabelle, in welcher ſaͤmmtliche Namen der Schuͤ⸗ ler feiner Elafje verzeichnet, und bie Eigenfchaften des gu- ten Geiſtes der Schule rubricirt find, und bie danıı für ein Vierteljahr ausreicht. Im diefer Tabelle merfe er m jedes, felbft den geringften Fehler, mit aller Sorgfalt an. Je forgfältiger er hierin zu Werte geht, deſto weniger Feh⸗ ler wird er anzumerfen haben; onfequenz und Sorgfalt than hier weit mehr, als Größe der Strafe. Die geringfle Nachlaͤßigkeit hierin, durch welche dem Kinde zuweilen Fehler durchgehen, laͤßt daſſelbe verſuchen durchzuſchluͤpfen, macht es nicht ſelten leichtſinnig und gleichguͤltig, hebt alſo die Wirkſamkeit des Mittels auf. Dabei ſieht ſich der Schuͤler dann nicht mehr nach dem Geſetz der Nothwendig⸗ keit, das ſtrenge Ruhe, Ordnung, Aufmerkſamleit ıc. vers langt, ſondern nach Willkuͤr behandelt, und faͤngt an, in⸗ dem er ſich mit durchgeſchluͤpften Schuͤlern vergleicht, ſich zu beklagen, und dem Lehrer zu trotzen. Hat ber Schuͤ⸗ ler am Ende der Woche feinen, ober höchftens einen Strich von geringer Bedeutung, fo wird ihm alddann das Zeugniß Nr. 1, das der Zufriedenheit, ertheilt; bat er

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zwei, drei oder vier Striche wegen gewöhnlicher , jugenbli- cher Fehler, fo erhält er das Zeugniß Nr.2, welches Mans gel an Zufriedenheit mit feinem Betragen bezeichnet; hat er fünf oder mehr Striche, oder ſich grober Fehler zu Schulden fommen laſſen, fo erhält er das Zeugniß Nr. 3, das Zeichen befonderer Unzufriedenheit mit ihm, wobei dann feine begangenen Fehler mit wenig Worten angege- ben werden.

Zur Ausftellung dieſer wöchentlichen Zeugniffe verfam- meln ſich alle Freitag Nachmittag ſaͤmmtliche Lehrer der Anſtalt, auf eine Stunde unter Vorſitz des Direktors. Je⸗ der Lehrer, mit Ausnahme des Direftord, ber im Namen fammtlicher Xehrer unterfchreibt, nimmt eins ber vorliegen- den Zeugnißbücher der Schüler, fragt die übrigen Lehrer nach den gemachten Fehlern: des Schülers, und merkt diefe an, aus welchen Dann die Nummer bed Zeugnifles fich ers gibt. Jede Claſſe kann auch ihr gemeinfchaftliches Fehlers buch haben, das dann zugleich als Notizbuch für das Aufs gegebene dienen kann, und nad; welchem einer der Lehrer die gemachten Fehler der Schüler den fchreibenden Lehrern. angibt. Der Direktor hat dabei Gelegenheit, die Schul zucht ıc. jedes Lehrers näher Tennen zu lernen, ! und. fan. auf denfelben im Stillen wirken, und fämmtliche Lehrer haben bie befte Gelegenheit, uͤber die einzelnen Schüler zur. fprechen. Des andern Morgens werben im Beifein fammt licher Lehrer gleich nach ber Morgenandacht bie Zeugniffe den Schilern einzeln mit den nöthigen. Bemerkungen ges geben *).

Um mit dem..Direftor der Anftalt bei der Erziehung der Kinder Hand in Hand zu gehen,s geben auch die Eltern

*) In niederen gefüllten Voiteſchulen 4 kann eine Marke die Stelle der Zeugniſſe vertreten.

wöchentlich ihre Zeugniß über das häusliche Betragen ıc. ihres Kindes in beftimmten oder unbeftimmten Ausdruͤcken ab, und diejenigen, welche ein ſchlechtes Zeugniß von Hauſe haben, kommen einzeln in einem beſondern Zimmer vor ben Direktor, der fie ermahntıc. zu Haufe ſich gut zu betragen. Sch habe diefe Einrichtung, auch nad dem Zeugnifle fehr vieler Eltern, als fehr heilfam, in meiner Anftalt bewährt befunden.

Zu Ende des Halbjahres werden Hauptzeugniffe aus, getheilt, bei Deren Anfertigung befonders auf die Fortfchritte der Schüler gemerkt wird. Die Schüler fommen dann in fech8 verfchiedenen Haufen nach ihren erhaltenen Nummern Mr. 1a, 1b, 2a, 2b, 3a, 3b vor die Lehrerfonferenz, wer den dort zum Guten, zum Streben ermahnt ıc., und nad dieſen Zeugniffen wird ihnen die Stelle, bie fie in der Schule einzunehmen haben, angewiefen. Auf biejenigen Schüler, welche fchlechte Hauptzeugniffe oder oͤfter fchlechte Wochenzeugnifle erhalten, richten die Lehrer ihr befonderes Augenmerk, ermahnen biefelben, befonderd in der Lehrer Wohnung, zum Beflern, machen ihnen dort vernünftige Bors ftellungen, helfen ihnen Tiebevoll nach, und ſuchen diefelben durch anderweitige Strafen, die ſpaͤter angegeben werben ſollen, zurecht zu führen. Hilft die Einwirfung der Claſſen⸗ Ichrer nicht, fo tritt der Direktor mit Borftellungen und gefhärften Strafen auf. Hilft diefes nicht, fo wird ber Schuͤler vor die Lehrerfonferenz, und endlich vor den Schuls vorftand geladen, wo das Nähere über denfelben befchloffen wird. Sit der Schüler für die Claſſe verderblih, oder . wirfen die Eltern der Wirkfamteit diefer Mittel entgegen, fo wird der Schüler endlich aus der Schule entfernt.

Zu biefen Einwirkungen gefellt ſich noch Die bei dem Kachunterricht vortreffliche im Preußiſchen allgemein an ben

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höheren Anſtalten eingeführte Einrichtung, daß ein Haupt⸗ claffenlehrer die befondere Sorge für eine Claſſe übernimmt, und daß dieſer mit befonderm Eifer dahin fireben muß, feine Claſſe hinter Feiner der übrigen, vornehmlich in Hins fiht auf das Betragen zurüchzulaffen. Diefer Lehrer wird demnach mit allem Eifer dahin ftreben, jeden fehlenden Schüler zu befiern. Da ein fo oftmaliged Vornehmen und Strafen des Claſſenlehrers, des Direktors, der Lehrerkonfe⸗ renz unb des Schulvorflandes ven Eltern des Schülers ans gezeigt wirb: fo läßt ſich auf Gleichgältigfeit der Eltern ſchließen, wenn dieſe nicht thätig bei jedem fchlechten Zeug- niffe, bei jeder Schulftrafe nachhelfen, und fie müffen dann leider die bittere Frucht ihrer Nachläßigfeit Arnten, daß ihr Kind aus der Schule verwiefen wird. Nach obis gem Grundfate werde ferner der Zänfer und Plauberer an einen einfamen Ort gewiefen, oder in die Nähe des Lehrers gefebt; dem Lügner traue man nicht, er belege jes desmal die Wahrheit feiner Ausfage; der Kaule entbehre Effen und Vergnügen, da dieſe natürliche Folgen des Fleis Bes find; er hole gezwungen das Verfäumte nad. Auf dem Anbringer höre man nicht, fuche aber geflifientlich feine Zehler auf; der Eigenfinnige werbe gezwungen das ihm Unangenehme um fo anhaltender zu thun, oder dem Anges nehmen zu entfagen, nach der Anficht, daß der Menſch feine Pflicht erfüllen müfle, und zwar aus Zwang, wenn er biefelbe aus Eigenfinn vernachlaͤßigt. Den freche ents ferne man auf der Stelle als einen Unwuͤrdigen, unb bem MWiderfpenftigen febe man Körperftrafe entgegen. 0. Das Gute belohnt fich durch füch felbft, und, ohne jeg⸗

liche Lobeserhebung, durch die Zufriedenheit des Lehrers. Außer jenen, der Natur gleichſam abgelichenen, Strafs und Reizmitteln müflen nun auch einige, wie gefagt, aus der Furcht, dem mächtigen Beweggrunde, gefchöpft wer

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den, nach welchem koͤrperliche Strafen, Entbehrungen und Beſchaͤmungen ıc, anzuwenden find.

Zwingt und Cbefonders uns Eltern) das Kind zu Fürs perlicher Züchtigung,, fo wollen wir vernünftiger Weife darauf ſehen, daß wir auch hierbei nicht leidenfchaftlich erfcheinen, und wir in feiner Hinficht ung rächen, fondern beſſern wol len; daß wir dem Körper nicht fchaden, als durch Ohrs feigen ıc., und daß wir und der erlaubten Strafmittel nur ald Ausnahmen bedienen muͤſſen. Um aber die Züchtigung sicht fo oft wiederholen zu müffen, folge man dem Sirach, und züchtige empfindlich, um zu erfchättern. Dabei muͤſſen wir forgfältig auf die Wirkung diefer Strafart merfen, und uns nicht durch eigene Empfindlichkeit abfchreden laſſen, eine orbentliche Seelentur, durch oͤftere koͤrperliche Züchtis gung uadjeinander, bis der Fehler weicht, anzuwenden. Das geht, ich weiß ed aus Erfahrung, oft hart an bie Seele; aber barum foll auch der Vater koͤrperlich zuͤchti⸗ gen, und biefes nicht ber Mutter überlaffen, die dadurch ans der Sphäre der Weiblichkeit treten muß. Die Muts ter verwalte überhaupt mehr das Amt der Polizei und der Kirche, der Vater hauptfächlich,, wenigitens bei den firens gern Witten, dad Amt eineö vernünftigen, gerechten Rich⸗ terd. Nehme ic; boͤſen Zroß und Widerfeglichkeit aus, in’ weichen Fällen ein vernünftiges Durcheinanderrätteln, ober auch eine Tracht Schläge mit dem Hinausführen aus der Gaſſe verbunden werben kann: fo halte ich die Körperliche . Züchtigung nicht zwedmäßig, da Ddiefe zu leicht einreißt,. und hier die Individualitaͤt der Lehrer und Eltern befonders viele Colliſionen herbei führen kann, die auf Lehrer und Schäler ſehr nachtheilig wirken Können; indeß muß der Leh⸗ rer hierin nicht ſclaviſch befchränft werben.

Bei dem Gebrauch der Befchämungsmittel, die neben Den Strihen, da wo noͤthig angewendet werden koͤnnen,

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muß der Lehrer eine gewilfe Stufenfolge beobachten; muß, furz gefagt, nicht gleich alle Munition verfchießen, und zarten Gemuͤthern zeigen, daß er denfelben gerne eine Be- fhämung größerer Art erfpare. Ein warnender Blick, ein Öeradeaufftellen in der Bank, um beffer beobachtet werden zu fönnen, ein Austretenlaffen aus der Bank, um andere nicht mehr zu fiören, ein Entfernen in den Winkel, um den ftörenden Schuͤ⸗ Ier für den Theil der Stunde von den Uebrigen gänzlich zu trennen, und deffen Unmwürdigfeit an ber Theilnahme des Unterrichts auch Außerlich zu zeigen, ein Heraustretenlaffen aus ber Claſſe ıc. mögen eine fiufenweife Reihe von Beſchaͤ⸗ mungsmitteln geringerer Art abgeben. Bei vorſetzlichem Un⸗ gehorfam und nicht zu auffallendem Troße koͤnnte der Schuͤ⸗ er, für den Tag aus der Klaffe entfernt, und des an- bern Morgens, nach der gewöhnlichen Morgenandacht, Öffentlich vor der Schule von dem Direftor, dem der Vor⸗ fall mitgetheilt worden, oder von dem gefränften Lehrer felbft vorgenommen, und den Tag über im Arreft gehalten werden. Kurz, wer oͤffentlich auf eine grobe Art fehlt, werde Öffentlich mit Kraft und Strenge, jedoch nie inhu⸗ man, beſtraft.

Anhaltende boͤſe Gewohnheiten, als Luͤgen, Plaudern ꝛc. mögen wo noͤthig durch abgeſondertes Sitzen, wozu mehrere Baͤnke in der Naͤhe des Lehrpultes angebracht ſein muͤſſen, noch naͤher nach dem Grundſatze beſtraft werden, daß derjenige, der den guten Geiſt der Schule verſcheuchen, oder Andere verleiten wolle, feine Gemeinſchaft mit‘ ben Uebrigen haben dürfe. Wer zu lange dort fißen bleibt, und zu viele fchlechte Zeugniffe erhält, wird nicht mehr mit Strichen und fchlechten Zeugniffen, fondern für jeden Fehler mit Arreft, ober mit einer Strafe, die für feine Ins dividualität fich beffer eignet, zurecht gewiefen, und die Eltern werden dann mit Förperlichen Züchtigungen, ꝛc. ohne

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Annahnre von Entfchuldigungen, im Bertrauen auf die Aus⸗ fagen der Lehrer firenge nachhelfen, wenn fie anders den groͤ⸗

Bern vorher erwähnten Unannehmlichkeiten ausbiegen wollen. Für die unfchuldigften Reizmittel zur Lenkung der Willenskraft halt man in ber Regel diejenigen, welche aus der Hoffnung gefchöpft werben, nämlich Lob, Auszeichnung, Belohnung ıc.; aber. Diefe find im Durchfchnitt die verderb⸗ lichſten. Es ift erbärmlich, daß noch immer Lehrer auf eine fo verderbliche Grundlage ein Syftem der Schulzucht bauen! Was ift gerechter und unfchuldiger, als über ein gutes Betragen ohne weiteres Lob feine Zufriedenheit zu ers fennen zu geben; aber was lächerlicher und. bedenflicher, ald die Handlungsweife, Kindern Eigenfchaften und Wär den beizulegen, nach welchen der Erwachfene erſt ftreben fol. Kinder fommen dadurch leicht auf den Gedanken, fie feien in vieler Hinficht ſchon vollkommen, ja hätten einen Veberfluß an guten Werken, Andern zum Nu und From⸗ men, und duͤnken fich weifer, denn die fieben Weifen. Lehr rer, die einer folchen Schulzucht huldigen können, und ihre Kinder zu. Polizeibeamten, Juͤris und Richtern machen, fönnen feine reine Begriffe von den Eigenfchaften humaner Menſchen haben; fie haben ein jämmerliches Scheinideal vor Augen, und freilich mag es ihnen leicht werden, ihre Kinder zu diefem Idol zu erheben, d. h. dieſelben zu vers derben. Solchen Menfchen ift das Befenntniß des Sokrates, „ex wife nun, daß er nichts wifle,” und das des Paulus: „Richt , Daß ichs fchon ergriffen habe ıc.” eine leere For⸗ mel, oder wol gar ein Ausdruck ftolger Demuth, Mir fommt e8 vor, daß das Ideal in eben dem Maaße fidh son und entferne, als wir dafjelbe reiner erfennen. Se gemeiner unfre Anficht von einem deal ift, deſto näher fieht es und. Fangen wir an, daffelbe mit Ernft und. reiner, ebler . vorzuftellen: ſo mögen: .unfere Werke Teicht zuruͤck

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bleiben; endlich mögen wir gewahren, daß baflelbe wie eine Progreffion einer unendlichen Größe fortfchreitet, und ung in dem Anfange der Endlichkeit zuruͤcklaͤßt.

Das mochten Paulus und Sokrates Iebendig an fich erfennen,, wenn fie in Demuth das ewige Borfchreiten bes Ideals, und ihre Schwäche bemfelben nachzukommen mit einander vergleichen. Darum bringe man die Kinder, bei ver häuslichen Erziehung auch nicht in die Gefellfchaften ver Erwachſenen, um diefelben dort zu loben, aufmerk⸗ fam auf fie zu machen, ober fie wol gar glänzen zu laffen. Ein zarted Gemüth wird fich auch deffen fohämen, denn es ift natuͤrlich, und darum nothwendig, ein Kind, bie in das Alter des Ssünglings oder ber Jungfrau, in feiner befcheis denen Stille leben zu laſſen, durch welche die Ehrfurcht gegen Erwachſenen ec. um fo leichter gebeihet; hoͤchſt unna⸗ türlich aber, Kinder zu Viſiten, Eonzerten, Bällen, Schau⸗ fpielen, und zu den fo abgefchmadten Kinderviftten zu zies hen. Die Humanität muß eine folche Erziehungsmeife vers achten, da fie jegliches Frühreifen für die Menfchheit vers derblich findet. Was iſt auch efelhafter, als ein folcher Bas ftardzuftand ? |

Man kann in der Erziehung nicht forgfältig genug jebe Aufregung von Eitelfeit und Ehrgeiz vermeiden.

Die Eitelleit ift eine gefährliche Eigenfchaft, ba fie des Menſchen Blick zu fehr auf das Kleinliche und Leere zieht, und da fie dem Menfchen nicht gewöhnlich, ſondern immer co, das ift erfchätternd!) immer bleiben, unter allen Um⸗ ftänden mit ihm begraben werben fol. Der Ehrgeiz aber, fo Großes er immerhin in der Welt hervorgebracht hat, ıf eine unlautere Triebfeder, die jene edleren Motive gar bald ganz unterdrädt. Eine vernünftige Ehrliebe ik. ſchoͤn menfchlich, aber Ehrgeiz, Eitelfeit und Eigennutz, bie durch Belohnung angeregt werben, find Eigenfchaften, bie ben

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Menſchen von Gott und Tugend abwenden. Ein vernuͤnf⸗ tiger Lehrer wird aber auch hierin fein Muͤckenſeiger fein, und ein unfchuldiged, aufregendes Gertiren, das bloß für eine Stunde gilt, ein ſparſam ausgefprochenes ‚, Brav! Schön!” ıc. ein Haͤndedruck, kurz ein Snanfpruchnehmen der Ehrliebe nicht ald Ehrgeiz erregend anfehen. Derjenige Schüler, der hierdurch ehrgeizig wird, ift bet der forgfäls tigften Behandlung für die reine Tugend wie verloren; feine Ehrliebe muß auf einem andern Wege ald auf bem einer vernünftigen Schulzucht verborben fein.

Ss empfehlungswerth, ja fo nothwendig Vorficht im Erziehen ift, fo jämmerlich ift die Aengftlichfeit, Durch welche der Lehrer zum fchenen Reh, oder zum Lächerlichen Pedan⸗ ten, alfo nicht zum Erzieher wird.

Wenn gleich Eltern und Lehrer fich bemühen müffen, oft auf weiten Wege und von verfchiebenen Seiten her eis nen vernünftigen Standpunkt zu gewinnen, von welchem fie beſtmoͤglichſt alle VBerhäftniffe, in welche fie mit den Kindern kommen, überfehen, und für Diefelben wohlthätig benuten innen: fo muß doch ihre Einwirkung auf diefelben von möglichit wenigen Principen geleitet werden, ba fonft im Drange der Gefchäfte nur zu leicht etwas fehr Heilfames vergeflen und vernachläßigt werben kann, und um fo Teich ter Inkonſequenzen entſtehen muͤſſen.

Ich bin hier wenigſtens bemuͤht geweſen, die Schul⸗ zus von einem einfachen und verſtaͤndlichen Prinzip, ven bem der Humanität, ausgehen zu laſſen; und ich hoffe, daß Die anfgeftellten Auſichten Aber bie einzelnen Einwir⸗ Iungen and ber Hauptfache natürlich abgeleitet fein werben. Wenn gleich dann auch die Sache hier nicht ala erſchoͤpfend dargeſtellt ift: fo wird der Lehrer, im Falle er nad, diefem Grundſatze die Humanität in feiner Perfon der Sugenb vor Angen zu ſtellen ſucht, Diefer ein gutes Beifpiel geben, in

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ihr den Menfchen achten, das Boͤſe aus berfelben auszu⸗ rotten ftreben, fie anregen, aber "nicht abtreiben, fie an das Gute gewöhnen, und es fie lieben lehren. Er wird nach dem Geſetze der Nothwendigkeit befehlen und verbie- ten, mit Strenge auf die Erfüllung der Pflichten achten, mit Nachdruck und Baterliebe ftrafen, und Ehrfurcht vor dem Baterhaufe und der Schule, vor allem Guten und Heiligen einflößen, und dadurch der Jugend auf .einem zwedmäßigen und fichern Wege nüßlich werden.

Bierte8 Bud.

Berhältnig der Schulzucht zur Staatszucht Wirfform der Schulzudt,

Erstes Capitel.

Die Erziehungsbehörden des Staates, und deren Wirkform.

Der Staat bezwedt die hoͤchſt mögliche Außere und innere Wohlfahrt feiner Glieder, fucht diefelben mit Sorg⸗ falt zu allem Guten, Wahren, Nüslichen und Schönen zu lenken, alfo das Wohl jedes Einzelnen zu gründen, und, indem er biefen für Die allgemeinen und befondern Zwede emyfänglich und. willig macht, dem großen Ganzen Hals tung und Stoß zu geben.

Der Staat ift demnach eine Erziehungsanftalt. Zur Zucht oder Lenkung. feiner Glieder. benußt- er. drei Erzies hungsbehörden: das Richtamt, die. Polizei. und die Kirche:

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Die eritere Behörde foll den Menfchen dahin bringen, daß berfelbe dem heiligen Zwed des Staates nicht entger gen zu handeln, nichts Boͤſes zu thun wage; die andere, daß derfelbe nichts Boͤſes thun koͤnne; und die dritte, daß derſelbe nichts Boͤſes thun wolle *).

Im beſten Einklange und mit gehoͤrigem Erfolg koͤnnen dieſe Behoͤrden nur dann wirken, wenn ihnen feſte Graͤnzen abgeſteckt ſind. Deswegen verhuͤte der Richter nie, noch belehre er; der unvernuͤnftige Bruder moͤchte des Richters Arm als gelaͤhmt anſehen: weiſe und gerechtigkeitsliebend ſei er, wie ein Minos, Aeakus und Rhadamantus, und Milde ihm ein ungekanntes Wort. Der Verhuͤter (die Po⸗ lizei) ſtrafe nie; er ſchiebe dem Boͤſen Riegel vor, betrachte den Menſchen als einen leichtſinnigen Bruder, als ein un⸗ vernuͤnftiges Kind, dem man die Scheere nehmen muͤſſe, damit es ſich nicht ſchneide. Die Kirche aber umfaſſe das Innere des Menſchen; ſie lehre ihn eigene und allgemeine Wohlfahrt ſchaͤtzen und lieben, und warm und wirkſam er⸗ ſtreben; ſie heilige ſeinen Willen und befrömmige feinen Sinn.

Mit Beredtheit gewinne fie ihn für alles Heilige, Wahre, Gute, Edle, Heilfame, was ben Einzelnen wie das Ganze ficher und dauerhaft erfreut; mit treuen Farben male fie ihm das Unwuͤrdige und Schäbliche der Unwiſſen⸗ heit und Thorheit, der Sünde und des Lafters, Die Vaters fiebe und Gerechtigkeit Gottes und helfe ihm nadı Kraͤf⸗ ten auf die Bahn einer erleuchteten und tugendhaften Froͤm⸗ migkeit; den Abtruͤnnigen aber,“ den Widerſpenſtigen kann ſie nicht beſtrafen, ſie kann ihn nur beweinen.

*) Eine Idee meines verſtorbenen, mir ewig unvergeßlichen Freundes Dr. Seidenſtuͤcker. Siehe Gutsmuths Bibliothek 1814. 8

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Obgleich das Streben jeder dieſer Behoͤrden dahin ges richtet fein muß, ohne Beihülfe der übrigen Die Glieder des Staates zu Ienfen, da der Fall hier und dort eintreten tann, daß die beiden andern Behörden nicht thätig oder nicht weife wirfen: fo wähne dennoch Feine Diefer Erzies hungsbehoͤrden, eine ihrer Mitwirkerinnen für überfläffig.

Der Kirche gelingt ed felten, dem Bruder Die Unver⸗ nunft und das Laſter, Die Widerfeglichkeit gegen Die eigene und allgemeine Wohlfahrt gänzlich abzuftreifen, fo daß diefer ftets, ohne Verhätung und Strafe, allen Verführuns gen audgefegt, bloß der fanften Leitung der Religiofität und der Vernunft folgen follte; ver Polizei möchte es uns möglich werden, den Handlungen des irreligisfen Bruders hinlängliche Hinderniffe in den Weg zu legen: und im Ge- fühl ihres Kraftmangels mochte fie endlich inhuman, eine unedle Dienerin der rächenden Gewalt werden, wie wir dieſes an dem niederträchtigen Laufchamte in den Sahren des Drudes fattfam erfannt haben; und das Richtamt endlich möchte feine erhabene Stellung als göttliche Nemeſis, vers laffen von den andern Behsrden, in die der rächenden Fu: rien verwandelt fehen. Die Berfchiedenheit des Charak- terd der Menfchen verlangt auch Berfchiebenheit in der Bes handlung. Ginge dieſe nur von einer diefer Behsrden aus, fo würbe bald eine gewiſſe Einfeitigfeit derfelben eintreten, die für manche Individualität nicht wirffam, ober body nicht wohlthätig fein möchte. Man benfe nur an jene fchredliche Zeit Frankreichs, in welcher. ber Kirche und Polizei ihre Wirffamteit genommen war.

In der Abgefondertheit dieſer verfchiebenen Behörden, und in dem Beftreben jeder einzelnen‘, ihr Gewicht in der Wagſchaale des Staates nicht abnehmen zu fehen, liegt die Wahrfcheinlichteit, daß der allen gemeinfchaftliche Zweck ſtets und moͤglichſt volftändig erreicht werde; bie eine wird

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um fo thätiger werben, wenn Die andere unwirkſamer wird, und Druf und Gegendrud werden dad große Ganze bes ſonders dann in der Schwebe halten, wenn Ein Mann an der Spite ber allen diefen Behdrden angehört, ohne deren Einfeitigfeit zu theilen, die ein untergeorbneter Stand mit fich bringe von den höchften allgemeinen Anfichten geleitet, einem Staatöverderblichen Berluft des Gleichse⸗ wichts mit kraͤftiger Hand begegnet.

Zweites Capitel.

Die Erziehungsbehorden der Schule und deren Wirkform.

Die Schule nun arbeitet für denfelben Zweck, wie ber Staat: die höchfimdgliche äußere und innere Wohlfahrt feiner Fünftigen Glieder. Indem fie zu Diefem Ende auf ber einen Seite ihre Zoͤglinge mit den Dazu erfoderlichen Kenntniffen und Einfichten ausftattet, ftrebt fie auf der ans dern dahin, diefelben für den erwähnten Zwed zu beftim- men, und Da fie hierzu den jungen Menfchen von allen Seiten erfafien muß , fo fann man die Schule einen Staat im Kleinen, ober der Kleinen, und einen Borbereitungsftaat für den großen nennen. Auch fie Abt darum durch die Pers fon der Lehrer ein Richtamt, ein Verhätungsamt und ein Amt ber Kirche.

Als Richter muß der Lehrer, wie im Staate, mit Uns erbittlichleit die.Strafe folgen Laffen, da gerade in der Uns abwendbarfeit, felbit der geringen Strafen, das Mittel zur Beflerung liegt; als Verhuͤter Polized- beauffichtige er die Sugend, und lafle diefelbe nicht in zu ſchwere Berfuchung gerathen; und als Kirche wirfe er durch Ueberzengung :mit

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Berebtheit. Wie dieſen Staatderziehungsbehörden fefte Graͤnzen abgefteckt fein muͤſſen, fo muß auc der Lehrer mit fchneller Befonnenheit jedesmal erwägen, in welcher Eigens fchaft er in einem beftimmten Falle zu wirken habe. Bon einem erlangten feinen Takt im Unterfcheiden dieſer Wirk form muß nothwendig viel, fehr viel abhangen, da Die Natur ded Menfchen bald dieſe, bald jene Einwirkung auf denfelben erheifcht, und insbefondere der Lehrer ſich da nicht felten als Verhuͤter und Ermahner laͤcherlich oder verächts lich machen würde, wo er als firenger Richter handeln, und da als Richter fich den Haß zuziehen muß, wo er ale Kirche oder Berhäter wirken follte,

Die Lehrer ein und derfelben Schule haben aber dieſe Aemter nur in der Idee zur genauern Ueberficht ihrer vers fchiedenartigen Einwirkungen, nicht aber dergeftalt zu trens nen, baß einer das Amt der Polizei, der andere das Amt der Kirche, und ein dritter das Amt des Richters uͤbernaͤh⸗ ‚me, wie biefed im Staate gefchehen muß. Der Schüler kann, wegen ber Stätigfeit, mit welcher er durchaus ganz erfaßt werden muß, nur dann ficher für das Gefeb der Wohlfahrt gewonnen werden, wenn er daflelbe in der Per⸗ fon ein und befjelben Lehrers, ber es zu vertreten hat, zu gleicher Zeit fürchten und lieben lernt. Sind dieſe Aemter getrennt, fo wird er ben Richter, ber ihn ſtraft, haſſen, die Polizei, die ihn befchräntt, Kiftig zu umgehen fuchen, und die Kirche, bie nur ermahnt, warnt und: bittet, in'ber Pegel nur verachten. Das Kind ift nicht gereift genug, dieſe drei Autoritäten zufammen als ein Ganzes zu betradh- ten. Da übrigens ber junge Menich faſt in jebem Augen⸗ blicke der Einwirkung ſaͤmmtlicher Behörden bedarf, fo fragte ſichs ſonſt, wie diefe andy bei einer Trennung berfelben moͤglich wäre? Sol ber Lehrer darum als Erzieher auf den Zögling mit Erfolg wirken, und nicht wie eine Mafchis

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ne-bloß Ichren: fo muß er diefe Drei Aemter in ſich vereis nen. Er muß aber im Geifte jener drei Erziehungsbehdrs- den verfahren, und dem Staate Bürger zu liefern ſtreben, die Ehrfurcht und Lenkſamkeit gegen feine Aemter beweifen, und an denen dieſer feine Zwede erreichen kann.

Drittes Gapitel.

Verhältniß der Schule zu den Erziehungs behörden des Staates, befonders zur Kirche.

Die Schule fol nämlich den jungen Menfchen durch ihr eigenes Beifpiel Die erhabene Nemefis in Ehrfurcht lies ben und vertrauen Ichrenz fie fol denfelben auf einen Stand» punkt zu ſtellen ſuchen, von wannen ihm alles das, was zum Wohlfein des Staates gehört, als unbebingte Noths wenbigfeit erſcheint; fol ihm jeder Staatseinrichtung, als von ber Nothwendigfeit einer guten Ordnung und der Men- ſchenveredlung erfchaffen, ſich beugen lehren, wie der Menſch ſich dem Schieffal beugen muß: fol ihm alfo Ehrfurcht ges gen das Geſetz, und willigen Gehorfam einzuflößen ſuchen. Die Schule ſoll der Polizei durch die Gewoͤhnung der Ju⸗ genb auf ben Weg des Rechtes, ber Ehrbarfeit, der bürs gerlichen Ordnung ıc. vorarbeiten, damit jene Behörde um fo leichter und freudiger ihr hohes Ziel erftreben könne. Die Schule fol an der zarten Hand der treuen Kirche die Jugend zu befrömmigen trachten; ihr tiefe Ehrfurcht vor Gott und Jeſu, wie vor allem Heiligen einprägen, fie mit den Erweifungen der Tugend und Gottfeligkeit gleich ſam umlagern, und fo diefelbe durch das eigene Beifpiel und die Beifpiele edler Männer der Bor » und Mitwelt

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für alles Gute und Edle, für wahres Chriſtenthum zu ge winnen trachten. .

Kurz die Schule pflege die zarte Pflanze, entwickele die göttlichen Keime, übe die Anlagen, erhöhe die Kräfte; fie umfaffe den ganzen jungen Menfchen und ziehe im her⸗ auf. Bielfeitig bilde fie ihn für Gott, für die Welt, für König und Staat, für die Gemeine, für ihn felbft. Wohl: gehbt und gewöhnt für die Schule des Lebens, ausgeruͤ⸗ ftet mit den Erforberniffen zu feinem Fache, und vorzüglich mit demjenigen, was ihm als Menfc und Chrift nicht feh- len darf, übergibt er feinen Zoͤgling an die treue irdifche Geleiterin auf der Lebensbahn, an die Kirche, damit Diefe das reine Herz erhalte, die Religionskenntniß erweitere, die Liebe zu Gott.und Sefu zu wahrer, lebendiger. Froͤmmig⸗ keit feigere und erhalte; damit ihm biefe gewähre Troft und Rath, fo viel fie vermag; übergibt denfelbn dem Ber- huͤtungs⸗ und Richtamte, damit Diefe das Werk volführen, was er in ihrem Geifte fo fchdn begonnen hat. Wer fieht bier nicht, daß die Schule mit ſaͤmmtlichen Staatserzie⸗ hungsbehörben , befonders aber mit der Kirche in dem ſchoͤn⸗ ften, fegensreichiten Berhältniffe ftehtz; und. welder Men- ſchenfreund follte nicht innigit wuͤnſchen, baß befonders dieſe beiden mehr und mehr in Freundfchaft und Liebe zuſammen⸗ treten! Pfarrer und Schullehrer im ſchoͤnen Verein koͤnnen unendlich viel wirken! Welch einen ſegensreichen Erfolg haben die Bemuͤhungen der Pfarrer um die niederen Schu⸗ len von Baſedows Schulſchrift an bis auf die Peſtalozzi⸗ ſchen Maaßs und Zahlenverhältniffe gehabt! Fuͤhrte jene ſchoͤne Zeit nicht taufende Pfarrer in diefe Schulen? Raͤum⸗ ten fie nicht in benfelben und in ben Köpfen ber Lehrer ihrer Gemeindefchulen auf? Unterftügten fie die Lehrer nicht mit ihrem birtlichen Anfehen, und haben wir. ihnen sicht die Verbeſſerung von taufenden Lehrerſtellen zu vers

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banfen? Haben fie nicht für das Anfehen der Lehrer ges firitten, und fich biefelben in Liebe zur Seite gefett?. Sit durch fie nicht auf fo vielen Dörfern der Kuͤſter zu einem Bildner der Tugend umgefchaffen? Das Alles muß der Schuliehrer mit innigem Dante erfennen, und ich halte es für ſchaͤndlich, wenn Lehrer, die von dem geiftlichen Stande ſolches Gute genoſſen haben, jenes Danfgefühl deswegen unferdräcden, weil ihr Anfehen an Das der Geiſtlichkeit ge⸗ knuͤpft bleiben ſoll.

Betrachten wir beide als Volkslehrer, was ſie doch ſind, hat dann der Pfarrer gleichſam nicht die obere, und ber Schullehrer nicht die untere Claſſe? Wem kaͤme nun, wenn Subordination ftatt finden foll, der Charakter eines Direktors zu? Oder wollte man lieber auch an nieberen Schulen hier ein koordinirtes Berhältniß? Lehrt uns denn nicht die Erfahrung, daß ein koordinirtes Verhaͤltniß, in ber Regel die nothwendige Einheit dem Ganzen raubet? Einer im Orte muß an ber Spike der Bolföbildung fiehen, und hierzu eignet fich fchon wegen feines höheren Grades von Bildung der. Pfarrer, und dort, wo mehrere niebere Schulen, find, berjenige Pfarrer, ber am meilten Pädagoge und vielfeitig gebilbeter,, humaner Menfch ift. An höheren Schulen, wo die Wiſſenſchaft fchun als Wiſſenſchaft auftritt, mag der Neligionsunterricht von dem Superintendenten bed Kreiſes beaufſichtigt werden. Jene Suborbination muß aber. eine Unterorbuung im eblern Sinne des Wortes fein; der Pfars rer muß nicht das Recht haben den Schullehrer zu beftras fen, oder ihn vor den Augen der Kinder und der Gemeinde herabzufegen; er muß feine wohlbegründeten Klagen über den Lehrer, dem Schulinfpeftor vorbringen, und von biefem gerechte Unterfuchung und Abftellung des Uebels erwarten; denn in diefem Berhältniffe fteht jeder Schuldireftor zu fer nen Mitlehrern. Eine firengere Subordination müßte, bei

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dem Limgange, den Pfarrer und Lehrer miteinander haben follten, nothwendig auf die Wefenheit des Lehrers nachthei- fig wirken. Um nun dem Lehrer nicht ohne Noth zu viel Obern zu feßen, müßte der Superintendent ald Kircheninfpeltor ſich nur um den Religiondunterricht der Schule zu bekuͤmmern haben, und die etwaigen Mängel durc den Schulinfpeftor und Pfarrer abftellen laffen. Daß auch hier eine Inſpek⸗ tion von zwei verfchiedenen Behörden für Die Schule nach⸗ theilig fein müfle, ift leicht einzufehen, da der Schulinſpek⸗ tor nach feiner Eigenfchaft ſaͤmmtliche Zwede, der Super⸗ intendent aber nach feiner Eigenfchaft hauptfächlich nur das Religioͤſe ind Auge fallen würde; und es würde dann bei der doppelten oft ſich entgegenftchenden Aufficht, entweder der Pfarrer mit Dem Superintendenten, oder der Lehrer mit Dem Schulinfpettor in ein unangenehmes Verhältniß gefeßt werben. Sehen wir auf das Verhaͤltniß der Schule zu fämmts lichen Erziehungsbehörden des Staates, fo leuchtet es von felöft ein, daß eine Schule, die irgend einer StaatssErzie- hungsbehoͤrde entgegenarbeitet, nicht beſtehen koͤnne und duͤrfe, da foldye Schulen den Staat in Berwirrung brins gen, und die Sugend aus ihrer Sphäre. drängen würbe, und da Verbeflerungen des Staatsſyſtems von Staatsmaͤn⸗ nern und von den Behörden der Staatszucht, nicht aber von den Schulen ausgehen müffen. DBielmehr muß jebe Schule fich den einzelnen Behörden in fo weit anfchließen, als es eine weife Einwirkung auf den jungen Menfchen geflattet. Nachdem wir nun ben Geift und die Form der Einwir- fung auf den jungen Menfchen aufgeftellt;, und Das Ber haͤltniß der Schule zu den Erziehungsbehörden des Staated angegeben haben, wollen wir zur näheren Anwendung der . aufgeſtellten Anfichten übergehen.

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Dritte Abtheilung,

Körper der Schulzudt,

Vin, 79

Regeln und Gebotefammlung einer humanen Schulzudt.

Sau die Regel: und Gebotefammlung einer Schule nur Richtiges, Zweckmaͤßiges und Gutes enthalten: fo mäffen die Geſetze und deren Prinzip, aus welchen bie Gebote und Regeln hergeleitet find, richtig und Har fein. Es komme bier demnach alles darauf an, ob die fämmtlichen Einwirs ungen auf den Schüler nad; der dreifachen Beamtung ei- ned Lehrers ald Berhüter, Kirche und Richter, die Lenkung der Willenskraft erfchöpfen, ob Humanität ber Zweck alles Erziehens ift, ob dieſelbe durch Humanität bes Erzichers erreicht werben kann, ob die ausgefprochenen Anfichten über die Wirkart der Humanität, Diefelbe wirklich charakte⸗ rifiren, ganz im Geifte der Humanität auftreten, und ob, was ic, jehr zu bezweifeln Urfache habe, jede einwir fende, erziehende Seite der Humanität klar darge fielt worden ift.

Alle leitenden Anfichten, die wir ung nicht als Grund⸗ ſaͤtze der edelſten Glieder der Menfchheit denken koͤnnen, müffen anusgemärzt werben, bamit die Einzelnen Einwir⸗ fungen nicht auf fchlechten Baſen ruhen, wodurch, fie felbft fchlecht fein wuͤrden; es darf Feine nothwendige Anficht fehs Ien, damit der junge Menſch allfeitig erfaßt werde, und es müffen endlich alle Gebote und Regeln richtig und na⸗ türlich aus den einzelnen Anfichten abgeleitet werden und in feinem Stüde fich wiberfprechen oder entgegenmirken.

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Wenn gleich ich glaube noch eine Menge leitender Anfidy ten, und um fo mehr Regeln und Gebote, auffinden zu Können , wenn die aufgeftellten nur erft einmal gepräft fein werben; fo lebe ich Doch der Ueberzeugung, daß nicht fämmtliche Anfichten und Regeln ald allgemeine Norm für Andere aus Dem Geifte eines einzelnen Menfchen hervorgehen Dürfen, da die Sndividualitäten verfchieden find. Indeſſen gibt es hier doc einen Einigungspunft im Allgemeinen: dies fes ift die Humanität und muß es fein. An ihrer zarten Hand geleitet mag Jeder Anfichten und Regeln folgerecht anfftellen, Diefe der Prüfung und Sichtung ber denkendſten und humanften Menfchen unterwerfen, und auf: diefe Art mag ein Schulgeſetzbuch und eine Sammlung von. Geboten und. Regeln entftehen,, die ich fammeln, oder auch nur vers anlaffen möchte. Ein folched Buch koͤnnte dann durch bie yereinte Kraft, feiner Vollkommenheit immer näher geführt werden, und im Allgemeinen eine Norm für die Behand Yumg.der Schüler abgeben. Wie Vieles ift uns dazu nicht fchon gegeben! Diefes werde ich fpäterhin forgfältig. zu benugen fuchen.

Diefes Buch fol nun ſaͤmmtliche einzelne Einwirkungen des Lehrers auf den Schüler zur Wedung, Feſtigung und Erhaltung des guten Geifles der Schule angeben. Es ges hört demnach jede gute und fchlechte Eigenfchaft des Schuͤ⸗ Ierö, welche ſich für das edle Schulleben förderlich oder hinderlich Außert, in feine Sphäre.

Man tadele ed nicht, daß ich nur das Schulleben hier zu beabfichtigen fcheine, und glaube: nicht, daß ich darum den. Schüler nur für die Schule ergiehen wolle. Ich denke darin nach Haug, „wie Hudibras der Reiter; der bat nur eisen Sporn und ſprach: Bring id) nur erft die eine Seite weiter , fo folgt von felbft die andre nad.”

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Wird der Schüler zuerft in demjenigen gut gewöhnt und gezogen, worin er Iebt und webt, fo wird er, bei forgfältigem Unterricht in der Religion, in Wiffenfchaft und Kunſt auch den Chriften, den Wiffenfchaftner und Kuͤnſt⸗ ler , den Menfchen in fich zu heben veranlaßt, und um fo fiherer ein guter Staatsbürger werben. |

Sol der Schulzwed erreicht werben, fo ift Fleiß und Aufmerkfamfeit des Schülers nothwendige Bedingung; und damit diefe Eigenfchaften erregt und feftgehalten werden koͤnnen, ift Drdnung und Ruhe erforderlich.

Dabei muß der Lehrer zu obigem Zwed auf die Sitt⸗ lichkeit der Kinder achten, und zu dem Ende Lug und Trug, Ungehorfam, Eigenfinn und Widerfpenftigfeit, Neid und Duͤnkel, Leichtfinn und Muthwillen ıc. aus der Schule ents fernen; aber Reinheit des Gemüthed und Des Leibes, Schamhaftigfeit, Lebensfrifche und Fröhlichfeit, Ehrfurcht und Liebe zu Gott, König und Baterland, wie zu allem, was gut und edel ift, zu erfchaffen, und in ben Schülern | su erhalten ftreben.

Hierbei wirft nun der Lehrer ald Verhuͤter, Kirche und Richter. Als Verhüter fol er, wie gefagt, jede Veranlaſ⸗ fung wegräumen, die einen übeln Geiſt herbeiführen koͤnnte; fol den Schüler ſcharf beobachten, und folche Einrichtungen treffen, die ihn das Gute Tiebgewinnen laffen. Er foll den Schüler an das Gute gewöhnen, da gerade von der Ges wohnheit unendlich viel abhängt. Als Kirche fol er ihm Ehrfurcht vor Gott und allem Heiligen einzuflößen ftreben, auf feinen Sinn fürd Gute wirken; foll er den Willen des jurngen Menſchen durch Liebreiche und ernfte Ermahnungen und Borftellungen Ienfen, dem Schüler, wie ein warnender Schutzengel zur. Seite bleiben, die Bemühung mag Früchte . zu tragen fcheinen oder nicht; und als Richter fol er das Schlechte ftrafen, und unabläffig auf wahre Befferung

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dringen. In dem Folgenden werden wir felten, nur in befondern Fällen, von der Wirkſamkeit des Lehrers ale Kirche und Richter fprechen, da biefe der in ben Teitenden Anfichten audgefprochenen Form mehr folgen, ald das Ver⸗ huͤtungsamt.

Ich laſſe abſichtlich Aufmerkſamkeit und Fleiß ꝛc. den ſittlichen Eigenſchaften vorangehen, da ich der Ueberzeugung lebe, daß fleißige und aufmerkſame ꝛc. Schuͤler leichter fuͤr reine Sittlichkeit gewonnen werden, als träge und unanf- merffame. |

Aufmerffamfeit und Fleiß.

Wir Menfchen find zum Arbeiten beitimmt, und müf- fen ung, in jedem thätigen Stande, oft wider Willen ein- ſpannen. Das muß die jugend lernen, wenn ſich Diefelbe in der Zukunft eben wegen des Arbeitens nicht unglüdlich fühlen foll.

Fehlt es einer ganzen Claſſe an Aufmerkſamkeit und Fleiß, fo ift nothwendig der Lehrer hiervon die Hauptur⸗ fache; ja in den meiiten Fällen möchte felbft bei einzelnen Schülern die Urfache hiervon mehr in Lehrern und Eltern, als in ben Rindern zu fuchen fein. -Die Eltern müflen zu Haufe darauf fehen, bag ihre Kinder das Nothwendige für die Schule arbeiten, und die Klagen ber Lehrer über Un⸗ aufmerkſamkeit und Faulheit ihrer Kinder nicht gleichgültig anhören. Eltern, denen Diefe Erweifung von Sorgfalt zu befchwerlich ift, verdienen keine Kinder zu haben. Xräge Kinder follten fie zu Hofe zu anftrengenden Törperlichen

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Arbeiten anhalten, bis das träge Blut rafcher. wird. Der Lehrer hat unter andern hierbei nun etwa Folgendes zu beobachten: -

1) Der junge Menſch muß von Kind an zur geifligen Thätigfeit angehalten'werbden. Das Kind muß an konkre⸗ ten Gegenftänden benfen Iernen, und allmählig zu abſtrak⸗ tern Begriffen über geführt werden. Der Lehrer gehe darum auch fpäterhin bei Entwidelung abftrafter Begriffe fo viel als möglic, vom Eonfreten, von der Anfchauung aus. Mit diefem allgemein anerkannten Grundfaße fteht die erbärms- The Meinung Vieler, man muͤſſe mit Kindern alles mechas nifch treiben, und fpäterhin das Material. in ihnen aufs helfen, gerade zu im Widerſpruch. Es iſt inhuman den Menfchen in dem Kinde zu verläugnen, und unfinnig das Kind durch einen todten Mechanismus erft einzufchläfern, um es fpäterhin zu wecken. Ein vernünftig gewecktes Kind macht dem Lehrer nicht halb ſo viel Arbeit, als das, in welchem ein traͤger Mechanismus eingeroſtet iſt.

V Findet der Lehrer, daß feine Claſſe in irgend einem Gegenftande noch zuräd ift, fo muß er, nach Abſteckung eines ftufenweife gehenden Eurfus, auf dem Punkte anfan- gen, auf welchem er fämmtliche Schüler feftftehend findet, und dann mit Sicherheit und Sorgfalt voranfchreiten.

3) Er muß fid beim Fortfchreiten hauptfächlich nach denjenigen richten, denen das fcharfe Auffaffen die meifte Scwierigfeit macht, und die nicht fo ſchnell zu einer nds thigen Geübtheit, Kertigkeit gelangen. Um für bie Schwäs dern Zeit zu gewinnen, muß er ben Geförderten anders weitige Fragen zur Ausarbeitung vorlegen, und während deſſen den Ungeuͤbtern nachhelfen, oder, wenn biefed nicht thunlich iſt, indem er Die Gefoͤrdertern vernachläßigen wuͤr⸗ de, die Ungeuͤbtern um eine Claſſe zuruͤckſetzen. Scheidet der Lehrer hier nicht forgfältig, oder .befchäftigt er die Ges .

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forderten nicht gehörig: fo kann der. eine Theil ihm nicht folgen, weil es demfelben an Begriff und Uebung fehlt, und der andere Theil findet Feine angenehme Nahrung; beis de Theile werben dann unaufmerffam und faul.

4) Derehrer muß bei feinem Unterrichte bei ber Sache bleiben, weder felbft auf Nebendinge kommen, nocd ſich durch neugierige Frager, die ohnehin nicht denfen, von der Sache ablenken laſſen. Steht die Hauptfache erft feft, fo mögen auch die erforderlichen Nebenfachen erörtert werben.

.5) Soll etwas Spyftematifches gelehrt werben, fo gebe der Lehrer gleich anfangs ein fcharfes, gebrängtes Ganze, oder einen nicht zu Fleinen Abfchnitt deſſelben, und zerftreue oder zerfplittere Den Geift des Schülers nicht durch einen Wuſt von Beifpielen. Will man 3.3. einen Hauptabfchnitt der dbeutfchen Srammatif, oder die Lehre vom Stil, oder die ber Gleichungen ıc. mit einer dazu geeigneten Claffe durcharbeiten, : fo ftelle man jede Negel bed Ganzen, mit möglichit wenig Beifpielen fharf hin, entwidle jeden Be⸗ griff mit Sorgfalt, und übe dann fämmtliche Regeln mit der ganzen Claſſe fo lange ein, bis jeder Schüler im Stande ift, das Ganze Har herzuzählen, und baffelbe mit Beritand wieberzugeben. Auf diefe Weife wirb der Geift, der bag Ganze durchdringen fol, zufammengehalten, umfichtig, frei, und wird dann fpäterhin die nöthigen DBeifpiele mit großer Leichtigfeit fuchen, oder auflöfen koͤnnen. Was das Sehuens wert und Knochengebäude dem menfchlichen Leibe, was ein Berg in ber Ebene, dem Ueberſchauer derfelben, was ein Brennglas den Sommenftrahlen if, das ift, eine, fcharfe, gebrängte Zufammenftellung eined SHaupttheiled im einer Miffenfchaft. Zu viele Beifpiele ein und deſſelben Falles fchläfern ben Geiſt ein, und machen felbft da mechanifch, wo diefelben aufgefucht werden.

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Wo aber mechanifche Fertigkeit nöthig it, da darf es an Beifpielen nicht fehlen, wie 3. B. im Ziffern. und Bucyftabenrechnen; jedoch muͤſſen auch dort die einzelnen Fälle einer oder mehrer Kegeln Durcheinander geworfen wers den. Befonders gilt diefes auch bei Erlernung. fremder Sprachen.

6) Der Schuͤler muß ſelbſtthaͤtig voranſchreiten: muß die noͤthigen Fragen mit Klarheit beantworten alſo die Sache einſehen, nicht das Gehoͤrte bloß nachſpre⸗ chen. Iſt Uebung noͤthig, ſo muß ſie zur gehoͤrigen Zeit, aber hauptſaͤchlich in Gegenwart, und unter Beihuͤlfe des Lehrers angeſtellt werden. Laͤßt er zweckmaͤßig z. B. unter ſeiner Aufſicht das Schwerere ſchriftlich uͤberfetzen, ſo hat er oft Gelegenheit uͤber die Anwendung jeder Regel zu ſpre⸗ chen, und ſieht dann um ſo eher, welche Woͤrter und Re⸗ geln er mit den Schuͤlern noch einuͤben muß. Viele Lehrer verſchwenden die Zeit in der Schule durch allerlei den Schuͤ⸗ lern zu gelehrte Anmerkungen, und fodern, daß der Schuͤ⸗ ler das zu Hauſe thue, was dieſer unter vernuͤnftiger Bei⸗ huͤlfe des Lehrers in der Schule thun ſollte. Ein Schuͤler arbeitet in der Regel nur das zu Haufe gern, was ihm leicht wird. Beachtet ein Lehrer diefen Umſtand nicht, fo macht er den Schüler zum Lernen unluſtig; und muß er Dann durch Strafe treiben, fo hat fih die Trägheit ſchon entwidelt. Ein vernänftiger Stallmeifter hält. die Kraft eines edlen Roſſes zufammen, übt diefelbe in Anftrengung, aber nicht bis zur Erſchoͤpfung; ein unvernünftiger. Reiter aber erfchöpft die Kraft diefes Thieres, treibt dann burdh Sporn und Peitfihe, und möchte demfelben wol endlich eis nen Strick um ben Hals Iegen, um bafjelbe voran zu ziehen. Ein vernünftiger Lehrer ftärkt des Schuͤlers Kraft, und veranlaßt ihn zur eigenen Hebung; ein unvernänftiger möchte Mafchinen erfinnen und ben Schüler in die Höhe

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winden. Wie foll der Schuler dort oben fich halten, wenn frembe Kraft ihn in den Gipfel geſetzt hat? Viele Lehrer ehilofophiren und Tritiffren lieber, ftatt daß fie Regeln und Woͤrier ıc. einüben ſollten, drängen die Jugend aus ihrer Sphäre, und wollen höhere Schulen oder . Liniverfitäten fchier überbieten. Man. frage doch nur die Erfahrung nadı den Früchten dev Krühreife.

Der Lehrer muß finnig vworanfchreiten, und ben Schuͤler in: feiner Ruͤckſicht, bei feinem einzelnen Begriff ıc. übereilen,, weil dieſer fonft höchitene nur das Mechaniſche zu leiften gedenkt, um oberflächtg beftehen zu können. So wie Das. Saamenkorn nur in ruhiger Erbe feimt, und über- haupt der junge Menſch nur im feiner befcheibenen Stille gebeils, fo will auch die geiftige Kraft nicht. viel gerüttelt und geſchuͤttelt fein; ber Lehrer muß diefelbe nicht. mit Schreien und Drängen, fondern. leife, rubig anfprechen und ihr Zeit Iaffen, um fich zn fammeln, und mnß fo von Begriff zu Begriff vorfichtig voranfchreiten. Um deſto ſiche⸗ zer zu Werde zu gehen, prüfe er die Schwächern der Claſſe, folge er deren Faſſungskraft, und er wird Unaufmerkſam⸗ keit allgemein verhäten.

8) Der Lehrer muß die Sache zwar mit Eruſt, nach der Wuͤrde des Gegenſtandes, aber auch mit Freundlichkeit, und zwar recht anziehend mit den Schülern durcharbeiten. Er muß mit ernften Dingen nicht fpielen, diefelben dadurch nicht entwärbigen und ihrer höchften bildenden Kraft nicht aber er muß doch die Luft zu der Sache zu weis

ten ſuchen durch Einfachheit, Deutlichleit des Unterrich⸗ tes, durch weiſes Zögern und durch eigene rRuhrigkeit des Geiſtes.

M Er muß den Schwaͤchem nicht durch Ungeduld und Beſchaͤmung verzagt machen, ſondern gerade dieſen muthig zu erhalten ſuchen, und vorzugsweiſe dieſen zu dem folgen⸗

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den forgfältig überleiten. Geht der Lehrer mit einem fol hen Schüler nicht ganz fufenweife und ficher: fo wirb derfelbe unaufmerffam, und nicht felten. der Lehrer, ber ‚alles fo meifterhaft ausgeführt zu haben glaubt, verbrießs lich. Dort, dort fcheitert die Beionnenheit vieler Lehrer! Diefe wollen, nachdem fie doch den Punkt nicht gefunden haben, wo des Schülers Geift erfaßt werben mußte, ihre Kunft und ihre Geduld von ben übrigen Schuͤlern bewuns dert fehen, ‚die freilich alle Fragen ihres Lehrers fehr vers Kändlich gefunden haben, ba fie den ganzen Satz vorher fchon verſtanden, oder die Fragen für fie fich eigneten, und der Zurüdbleibende ‚fühlt fich, feiner vermeintlichen Dummheit wegen, recht befchämt, und dabei zu verwirrt, als daß er nun noch das Geringſte verftchen koͤmte. Am Ende wird ein folcher Schüler muthlos und verdroffen, als fo auch unaufmerkffam und faul. Man denfe dabei nur an ſolche Schüler, denen bei der geringften Verlegenheit das Blut zu Kopfe fteigt. Solche muß man beruhigen. Ein „arte nur, ich will bir Die Sache von einigen andern Seiten vorſtellen,“ hilft da zur Ruhe und zum finnigen Nachdenken. Köpfe der Art faflen oft fehr ſchwer, ſelbſt bei vielem Talent, halten aber das Erlernte auch um ſo mehr feft, und verarbeiten es um fo beffer in ſich.

10) Der Lehrer muß bei feinem Unterrichte den einfach ften und natürlichften Weg einzufchlagen bemüht fein. In Diefer NRüdfiht muß ich Tillichs und Seidenftäders Ele mentarbuͤcher, Löhrs und Campes Kinderfchriften, Diefters wegs und Heuferd, fo wie Tillichs Arithmetit, & G. Fi⸗ fchers und Diefterwegs Geometrie, Eulers Algebra ıc. bes wundern.

11) Der Lehrer muß dem Gegenftande feines Unter⸗ richtes gewachfen fein, fonft kann er denfelben nicht zweck⸗ mäßig zergliedert in der beiten Reihenfolge des Einzelnen

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vor die geiftige Anfchauung bes. Schülers bringen. Er muß mit den Schülern gemeinfchaftlich die Wahrheiten aufs zufuchen fcheinen. Der Unterricht muß eine Unterhaltung fein, in welcher nicht allein ber Lehrer fragt, foudern in welcher auch die Schüler Fragen ftellen. Sol aber ver Schäler ſelbſt mit Offenheit fragen, fo darf feine einfältig fcheinende oder wirklich einfältige Frage auf Feine Weiſe :nerlacht ober belächelt werben; denn fo lange noch Fragen der Art geftellt werden, hat der Schäler die Sache nicht Mar begriffen. In einer Schule, in welcher Lehrer oder Schüler fich Über Fragen der Schüler unartig aufhalten Können, und gefchähe folches auch nur verftohlen durch Mienen, da Tann die Offenheit und das allgemeine Beſtre⸗ den mit Klarheit zu denken, nicht auflommen,

1D Der Lehrer muß eine anftändige Munterfeit und Sröhlichfeit in der Schule zu erhalten fuchen, damit ber Geiſt der Schüler rührig werde. Mit Sinnigfeit und Fe fligfeit fange ber Lehrer bei Entwidelung eines Begriffe, einer Wahrheit, bei Ersrterung einer Sache, auf einem allgemein klaren, feften Punkt an, gehe finnig mit Sorgfalt und Fefligfeit weiter, und ruhe nicht eher, bis der Gegen; fand allgemein Far angefchaut wird. Auf diefe Art trägt der Lehrer die Regſamkeit feines Geiſtes, feinen fchar- fen Bli und feinen frifchen Muth auf feine Schüler über. Nach beendeter Sache mag er immerhin, ohne ben Anefdo- tenfrämer oder Wigling abzugeben, da wo es fich ſchickt, etwas vorbringen, Das bie gute Laune erhält, und bie jungen Gemüther willig macht, einen folgenden Begriff ıc. zu erforfchen. | 13) Der Lehrer fehe Die fchriftlichen Arbeiten fo viel als mögficd nach, damit Fein Schüler glaube, unbemerkt unaufmerffam, nachlaͤßig und faul fein zu koͤnnen.

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14) Der Lehrer muthe den Kindern keinesweges mehr Arbeit zu, als diefe bei mäßiger Anftrengung leiſten koͤnnen. Er helfe, wo noͤthig, einem fchwachen Schüler auch außer der Schule nah, da diefes gewöhnlich, im Fall er denſel⸗ ben nicht vernachläßigt,, oder zu früh herauf. gezogen: hat, in wenig Minuten gefchehen Tann. Werden dem Schüler: zu fchwere Arbeiten aufgebürdet, fo wirb er verbroflen; find die Arbeiten aber zu leicht für ihn, fo wird er. nach⸗ laͤßig, faul und unaufmerffam.

15) Nach dem Spruͤchworte: „Des Herrn. Augen mas: chen die Pferde fett‘ habe der Lehrer wadere Augen, und frage fleißig beſonders diejenigen, Denen das Aufmerten ſchwer faͤllt.

16) Fuͤhlt er, daß ein nicht unbedeutender Theil der- Elaffe in der Aufmerkſamkeit nachläffet; fo fuche er der Sade eine andere Wendung zu geben, werde einfacher, deutlicher, finniger, anziehender, auffallender,. ſuche ben. feften Punkt wieder , von welchem aus er fämmtliche Schüler ficher weiter führen fanır,. oder verwechfele, wenn es bloß eine Stunde betrifft, den Unterricht mit einer mehr mechas' nifchen Uebung.

17) Der Unterricht in ein und demfelben Gegenſtande, ſo wie hauptſaͤchlich die Form des Unterrichtes muß nicht zu lange anhalten. Jeder Lehrer kann hier, bei einiger Aufmerkſamkeit, ſehr leicht die Dauer deſſelben beſtimmen.

18) Der Stundenwechſel in den Gegenſtaͤnden erhaͤlt die Aufmerkſamkeit beſonders dann, wenn bie letztern Stun⸗ den weniger Anſtrengung des Geiſtes verlangen. Jedoch kommt hierbei vieles auf den Lehrer an. |

19) Fallen drei oder vier Unterrichtöftundben nach eitts ander, fo mögen: die Schäler in ber. Zwifchenzeit einmal herunter gehen, um ihre Nothdurft zu. verrichten, frifche Luft zu fchöpfen und fi zu bewegen. Die Jugend nimmt

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dann mit deſto größerer Lebengfrifche an bem folgenden Lin; terrichte Theil, und lernt die Schule um fo mehr lieben.

20) Während des Linterrichtes müflen Die Schüler, groß und Flein, wo ed angeht, die Hände gefalten auf das Pult legen, den Lehrer. anfehen, und dürfen überhaupt nichts Störendes vor ſich haben.

21) Am Ende der Stunde muß jeder Schüler etwas angeben, oder auch befier das Behaltene aufichreiben.

22) Die Schüler dürfen nicht zu nahe zufammen fiten, und der Lehrer darf richt die geringfte Störung dulden.

23) Sind mehrere Abtheilungen in einer Clafie, fo muͤſſen bie Schuͤler, bie für den Augenblid nicht unterrich⸗ tet werben, zweckmaͤßig befchäftigt fein, db. h. Uebungen machen, bie ihren Kräften durchaus angemeffen find.

24) Diejenigen, denen der Lehrer die wenigſte Aufs merkſamkeit zutraut, feße er dahin, wo er ihnen am leich⸗ teften beilommen faun,

25) Dad Lehrpult muß fo hoch geftellt fein, und Die Pulte der Schüler muͤſſen eine folche Stellung haben, daß der Lehrer alles uͤberſehen kann, was auf denſelben Liegt; auch müffen diefe Pulte nicht fo nahe aneinanderftehen, daß

ein Schüler fich gegen. die Ruͤckwand des. hinter ihm: ftehen- den Pultes fitend anlehnen tannz denn dieſes erzeugt Ber quemlichkeit.

20) Gewauͤhren die; genſter eine ſtorende Auaficht auf eine belebte Swraße ſo muß viefe, derq Blenden gewehrt werben.

27) Bon dem hanlichen gieiße fodere der Lehrer in der Regel nur Ausarbeitung des freien Aufſatzes, leichte ſchriftliche Ueberſetzungen ıc. und vollkommneres Einuͤben manches in der Schule im Allgemeinen ſchon Eingeuͤbten.

28) Iſt ein Schäler wirklich unanfmerkſam und faul, fo muß er bei der gewoͤhnlichen Strafe und dem abgeſon⸗

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dberten Sigen dad Berfänmte nach ber Schule unter den Augen des Lehrers, der ihm liebreich beigufteheu Sucht, nach⸗ holen. Da er den Unterricht nicht benutzt, fo lege man ihm Privatſtunden zu, in benen das Verſaͤumte nachzuholen ges ſucht wird, und biefes fo lange, bis er den Schulunterricht gehörig benugt. Nach dem Spruͤchwort: „Wer nit ars beitet,, fol auch nicht efien,‘ fege man ihn auf fchmale Koft; und da er beim linterricht ruhet, fo flelle man ihn. nach. demfelben an befchwerliche Handarbeiten. Er macht Andern Feine Freude; Darum muß fie auch ihm entzogen werben, damit er fühlen lerne, wie unentbehrlich diefe der Menfchheit ſei. Wenn feine ganze Umgebung zu Haufe ihn unfreundlich behandelt, und ihn täglich bei jeder Ge Tegenbheit feine Trägheit ꝛc. vorräcdt, er dort Allen nadıs gefegt und mit Kälte behandelt wird: fo nehme fich der Lehrer feiner befonders an, werbe im fo verſtaͤndlich als möglich, und mache ihm die Arbeit lieb. Da nun übeyall fein Herz zurädgeftoßen wirb, nur nicht da, wo er feine Befleinng beweifen muß, fo wirb er dem. Lehrer fein ‚Herz: zumenben, ımb ben zu :befriedigen ſuchen. Dieſe unfreund⸗ liche Behandlung zu Haufe muß in Der Regel erit baus aufhören, wann der Lehrer ihn für aufmerffam und fleißig erflärt. Dann mag er feierlich in: den Familienfreis aufs genommen werden; nur huͤte man fi, ihn durch Heberhäus fung von finnlichen Vergnuͤgungen zu fehr zu zexſtrenen. Während ber Sur. ſuche ber Lehrer ıc. die wahre Ur⸗ fache der Faulheit und Unaufmerffamteit auf, und ſuche dieſelbe beſtmoͤglichſt aus dem Wege zu raͤumen. Durch bloßes Strafen, durch Murren und Knurren und Ungeduld des Lehrers wird ſelten ein Fauler gebeſſert; das Uebel muß an der Wurzel angefaßt werden. Liegt die Urſache jenes Fehlers in der Conſtitution des Schülers, fo mögen Eltern und Lehrer mit einem vernünftigen Arzte Raths pflegen;

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liegt fie in der Schwächung feines Körpers durch Onanie, fo muß die größte Sorgfalt ihn leiten; liegt fie in der Ar- beitsfchen, in der Bequemlichkeitsliebe, oder im Leichtfinn des Schülers: fo wird bas Nacharbeiten in aller Eonfequenz, fo wird ſchmale Koft, Zwang zu förperlichen Arbeiten, jene unfreundliche Behandlung und die gewöhnliche Schulftrafe, oder es werben andere der vorgefchlagenen Mittel helfen. Liegt die Urfache aber in Geringfchäbung des Gegenftandes ober bes Lehrers: fo mögen Eltern und Lehrer vernünftiger . handeln, und das einem jungen Menfchen nicht zur Laſt le⸗ gen, was fie felbft verfchulden.

Ordnung und Ruhe.

Sof die fo nothwendige Ordnung und Ruhe, zumal in einer gefüllten Claſſe, Statt finden, fo darf ſich der Leh⸗ rer nicht mit Halbheiten begnügen; d.h. es muß dann nicht erlaubt fein, baß ein Schüler in etwa von feinem P aberüde, ober zu einem andern Schhler ja oder nein fage. Muß ein Schüler aber fprechen, fo mag .er fih an den Lehrer wenden.

Sp wie in einem Staate, in welchem Ordnung und Ruhe fehlen, bas Gluͤck der Unterthanen nicht ‘gefördert wers den kann; wie dort die Erziehungsbehörden, von unfrucht⸗ barer Arbeit niebergedrädt, muthlos und dann leicht inhus man werden: fo. kann auch der Zweck der Schule ohne Ord⸗ nung und Ruhe unmöglich erreicht werden; fo wird auch dort die Willkuͤr herrfchen und Muthlofigkeit ıc. in Lehrern und Schülern erzeugen. .

Beide Eigenfchaften der Schule . bangen . lediglich vom Lehrer ab. Er beobachte zu. dem Ende Folgendes:

1) Der Lehrer erfcheine felbft eine. Viertelftunde vor Anfang der Schule in derfelben, und fehe ſtrenge darauf,

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daß jeder Schüler Diefen Ort mit Anftand betrete, fich ruhig auf feinen beftimmten Platz feße, und fein Wort fpreche. Auf Diefe Art wedt er eine gewifle Ehrfurcht vor der Schule im des Schülers Seele.

Darum mögen auch Aber dem Eingange die Worte fies ben: „Die Schule fol ein Tempel fein’ „Gedenke des Zieleg. ıc,

Diefed erwähnte doppelte Biertelftündchen mag der Leh—

rer zum Federſchneiden ıc. anwenden, und in höheren Schu⸗ Ien mag der Famulus dieſes gehörig beſorgen; wenigſtens kann Diefes des Morgens von bemfelben gefchehen, da dann alle Claſſen in dem Betfaale, oder in ber größten Claſſe ſich verfammeln. Beiläufig hier erwähnt, wird jeder gutbenfende Lehrer, der für feine Schule nicht wie ein Miethling lebt, Diefes die ganze Schule zum Guten ſtimmende, höchft nöthige und würdige Gefchäft bes Betens felbft gerne übernehmen.

2) Zu ein und derfelben Dinute, nadı einer beftimmten Thurmuhr fange der Xehrer mit dem Morgengebete an, und finge mit den Kindern einen Vers oder mehre, Wer wähs rend der Gottesverehrung das Schulgebäude betritt, muß fi) auf dem Hausflur fo Tange ftille verhalten, bis ſaͤmmt⸗ liche Schüler in ihre verſchiedene Claſſen gehen.

Wer bei der Morgenandacht fehlt, wird angemerft wer noch fpäter fommt, muß, um nicht zu fiören, ander Thür in der Claffe, wenn ed der Lehrgegenftand erlaubt, ftehen bleiben, und wird ald unorbentlich angemerkt. Wer fpäter zu kom⸗ men pflegt, muß die Doppelte Zeit der Berfäunmiß in der Schule nachbleiben, und dann mit Abfchreiben ıc. beſchaͤftigt werden.

3) Die Schüler muͤſſen nicht gedraͤngt ſitzen, und- der Lehrer follte in Feinem Falle mehr Schüler aufzunehmen gezwungen werben, als er orbentlich überfehen, und als fein Lokal faſſen fan.

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4) Sobald die Schäler ruhig anf ihrem Platze fiben, werden ihre Namen verlefen. Zu dem Ende hat ber Lehrer eine große Lifte, in welcher jeder Schüler eine Zeile einnimmt, und bie für ſtark ein Bierteljahr ausreicht. Die Colonne für die nicht anmefenden Schüler wird ohne Zei: chen gelaflen, ihre Gegenwart bezeichnet ein Strich und ihr fpäteres Kommen ein Punkt. Bei Berfpätung von vers fchiedenen Zeitabfchnitten kann man verfchiebene Zeichen an⸗ wenden. Hierin mag ein größerer braver Schüler dem Lehs rer beifteben. Eine folche Lifte laͤßt fich leicht fo einrichten, Daß zwei gegenüberliegende Seiten fehr großes Papiers für die Zeit von einem Hauptzeugniß zum andern ausreichen, and daß am Ende die verfäumte Zeit angemerft werben kann. Auch laſſen fich immerhin nach einige Rubriken für Schuls Feder s Dintengeld ıc. anbringen.

Uebrigens nimmt bie Führung diefer Lifte dein Lehrer, bei gehöriger Geuͤbtheit, jedesmal kaum einige Minuten, felöft in fehr gefuͤllten Elaſſen, weg.

Ich babe mich ſelbſt oft in einer Schule von 150 180 Schülern, nämlich in der meines’ snniggefiebten Freundes, bes forgfältigen , treuen, braven katholiſchen Lehrers, Heren Herlitfchfa in Weſel, der jetzt zu Rheinberg als Lehner fteht, son der Wahrheit des Gefagten in diefer feiner Einrich⸗ tung, wie von vielem andern Vortrefflichen Dort überzeugt. ..- 5) Außerdem kann der Lehrer eine Hauptlifte führen, in welches ber Namen jedes Schülers, wann derfelbe eintritt, mit Bemerkung feines Alters ıc. eingetragen wird. In biefe Liſten werden ferner: Die Nummern feiner Hauptzeugniſſe, und Die Vorladungen vor die Lehrerfonferenz oder den Schul⸗ vorftand, fo wie bei feiner Entlaffang deſſen Aufführung im Durchfchnitt angemerkt. Diefe Lifte möchte ben Lehrer zur vichtigern Benrtheilung der ſpaͤter zu unterrichtenden Kinder fehr förderlich fein.

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Iſt dieſe Lifte fehr breit, fo reichen einige Zeilen für jeden Schüler vollfommen hin. Diefe, wie auch jene vor⸗ her angeführte Liſte follten Eigenthum ber Schule fein, und beide follten jaͤhrlich, etwa vor ber Prüfung, dem Schul- vorſtande vorgelegt werden.

- 6) Diejenigen Bücher, welche in ber Schule benutzt werden, ſollten Eigenthum der Schule ſein, und muͤſſen nebſt den Schreibheften, Tafeln ıc. der Kinder von dem Lehrer in Gemahrfam genommen werben, der biefelben von ordentlichen Schülern umtheilen und einfammeln Täßt.

7) Für Federn und Dinte müßte der Schreiblehrer oder der Famulus der Schule forgen, und bei diefem müßten die Kinder Papier, Hefte ıc. für die gewöhnlichen Preife kaufen koͤnnen. Um diefen jedoch eines unangenehmen Rech⸗ nungführens zu überheben, müßten die verlangten Gegens ftände gleich baar bezahlt werben.

8 Sobald der Lehrer nicht Ruhe und Ordnung in feiner Claſſe hat, mag er auf das angeſtrengteſte aufmerken, und eine zeitlang mehr auf Herſtellung dieſer Eigenſchaften, als auf beſondere Fortſchritte ſeiner Schuͤler ſehen. Hier iſt uͤberhaupt ein ſcharfes Auge, ein geuͤbtes Ohr, und vor allem Conſequenz in Humanitaͤt noͤthig. Achtet der Lehrer auf geringe Stoͤrung und Abweichung, ſo wird er uͤber auffallende Vergehungen ſeiner Schuͤler nie, oder ſelten zu Hagen haben.

9) Der Lehrer gewoͤhne ſich zwar baran recht rein, deutlich und vernehmlich zu fprechen, und fodere dies and von jedem Schüler; aber er häte ſich vor allem Schreien oder überlauten Sprechen; er zeigt ſonſt nur zn deutlich, Daß er den gewohnten. Lärm durch feine Stimme uͤberwaͤl⸗ tigen wolle. Uebrigend will ber Geiſt des Menſchen auch nicht angefchrieen, fondern in Sinnigfeit angefprochen fein.

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10 Die geftellten Kragen muß der Lehrer nicht von der ganzen Schule, fondern von einem aufgefoderten Schr Ver beantworten laſſen. Bei gemeinfchaftlicher Einuͤbung muß freilich die ganze Schule uud zwar nicht fingend und nicht ſyllabiſch, fondern im edlen, natürlichen Tone fprechen.

11) Wer dem Lehrer etwas zu fagen hat,. muß vorher den Finger aufheben, oder ſich fonft nicht ſtoͤrend demſelben bemerkbar machen. Nothſachen find natürlich auszunehmen..

1D Die Federn müffen außer der Schulzeit gefchnitten, und die Dintenfäfler ebenfalls außer dieſer Zeit gereinigt und gefüllt werben.

13) Haben die Hände während bes LUnterrichtes Feine Beſchaͤftigung, fo müffen fie gefalten auf dem Pulte liegen, damit jede Stoͤrung durch biefelbe fortfalle.

14) Beim Rechenunterricht mögen die Schüler abwech⸗ felnd das Facit der ausgerechneten Aufgaben ihrer Mitſchuͤ⸗ Ver nachfehen. Der nachſehende Schüler geht zu demjenigen bin, welcher ſteht; dieſer fagt leife das Facit des bezeich- neten Exempels, und ber Nachſeher hat nur „Ja ober Nein’ zu winken. Der Lehrer befchäftigt fih dann nur mit dem Erflären; und da jeder Schüler oͤfter aufgefodert wird, ausgerechnete Erempel zu erklären: fo werben auch felten Unterfchleife ungeahndet gemacht werben koͤnnen.

Veberhaupt kommt es hier wieder darauf an, Daß bes Schuͤlers Luft zum Lernen geweckt fei.

Hat der Kehrer nur eine oder zwei Rechentlaffen, fo mag er auch Feicht das Nachfehen des Refultates übers . nehmen. ' 15) Wird frifche Luft gefchöpft, fo duͤrfen die. Schhler zwar feine Spiele wild treiben, Lärm aber kann dabei nicht wohl vermieden werben; denn Lärm ift Die Folge ber rende Bieler. Wer nicht unpäßlich iſt, barf bei gutem Wetter nicht in ber Schule bleiben.

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16) Nehmen Knaben und Maͤdchen an dem Unterrichte Theil, ſo werden dieſe abgeſondert geſetzt, und beim Schluſſe der Schulſtunden moͤgen dieſe einige Minuten fruͤher ent⸗ laſſen werden.

17) Bei Beendigung der Schule wird den Schuͤlern vorher eine Minute Zeit gegeben, um ihre Bücher ıc. zur fammenzubinden, werben bann einzeln entlaflen, und bir, fen auf der Straße fein Geräufch erregen.

18) Wer die Schule nicht anftändig betritt oder vers laͤßt, muß zuruͤckkehren und dann geziemend eins ober abe treten.

19) Wer von feinen Eltern eine fchriftliche Beſcheini⸗ gung feiner Unfchuld an der Verfpätung mitbringt, wirb nicht geftraft. Kommen aber folche Befcheinigungen zu oft, fo wird der Vorſtand den Eltern Vorftellungen machen,

20) Fallen Unordnungen auf der Straße vor, fo muͤſ⸗ fen auch bier die Strafen als natürliche Folgen ausfallen. Ein Beleidigter muß um Berzeihung gebeten werden. Hat der Schüler etwas befchädigt, fo muß er dazu den Schas den erfegen,, und der Kläger wird dann an die Eltern des Beichädigerd gewieſen. Folgt feine Befferung, fo weife der Lehrer den Kläger an die Lehrerfonferenz, und fpäter an den Schulvorftand.

Iſt ein Schäler bei der Polizei angeflagt worden, fo. darf er, bevor die Sache wieder in Ordnung ift, als ein dem Staatögefeß Anheimgefallener, die Schule nidyt eher wieder betreten, big er eine Befcheinigung von ber Polizei mit in Die Schule bringt, daß er der Schule wieber ger geben fei.

21) Wer die Ehrerbietung bei einer religidfen Hand fung aus den Augen fest, muß ſich außer der Ahndung feines Fehlers , eine Zeitlang beim Beten und Singen ıc. in

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die Naͤhe des Lehrers ſtellen, und wuͤrdig wird der Lehrer dort auch als Kirche eingreifen.

20) Auffallend anhaltende Schulverfaͤumniſſe wird ber Borftand durch Erinnerungen, an den Eltern ahnden.

23) Nimmt Unordnung und Unruhe in einer Claſſe überhand, fo erhält diefelbe zur Schande in der Perfon bes Famulus einen Polizeiauffeher während des Uinterrichtes, der jede der geringften Bergehungen auffchreibt. In diefem Falle wird Claffenarreft ıc. vielfach gegeben. Aus dieſem Zuftande fommt die Claſſe nicht eher heraus, bis fämmtliche Lehrer ‚biefelbe für gebefjert halten. Eine folche Staffe könnte mit den übrigen Claſſen fo viel als möglich außer Verbindung gebracht werben. Kurz, dann muß ber Lehrer nichts anges Vegentlicher betreiben, als die Verbannung dieſes verberbli- chen Geiftes.

24) Mitleiden mit folchen Schülern, die nur mit Einem Worte gefehlt haben, it überhaupt in gefüllten Claſſen ganz am unrechten Ort; denn gibt man dort Ein Wort zu, fo ift der Plauderei Thor und Thuͤr geöffnet.

Lug und Trug.

Diefe Handlungsweife ver Schüler findet man in fol chen Schulen allgemein, deren Lehrer zu nachlaͤßig find, auf die Sittlichfeit der Schüler gehörig zu achten, und welche glauben hierin genug gethan zu haben, wenn fie oberflächlich nach dem Gefehlten fragen, und fid) dann mit jeder Antwort begnügen.

Der brave Lehrer kamn hier viel wirfen.

1) Der Lehrer fehe felbft, was vorgeht. Ohne die ges heime Polizei zu machen, und durch Kniffe zu agiren

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eine Handlungsweife, die. dem Manne von Würde nicht anfteht kann er doch vieles bemerfen und in fich weife den Ausfagen eines Schülerd mißtrauen, den er noch nicht kennt, ohne jedody demfelben fein Mißtrauen gerade zu an den Tag zu legen, indem er dadurch den Unſchuldigen nicht allein fchmerzen, fondern auch empoͤren koͤnnte.

2) Er fuche feine Schüler da fennen zu lernen, wo er den Hergang ber Sache genau weiß, und wo biefe feine. Kenntniß von der Sache nicht vermuthen. Er fahre dann nicht gleich heraus , fondern frage einigemal daffelbe, laſſe ahnen, daß er vielleicht etwas wiſſe. Beffer, die Schliler geſtehen auf dieſe Art, ohne zu wiffen, baß der Lehrer mit dem ganzen Hergang der Sache befannt fei, als daß fie Durch Beweife gegen fie nberführt werden; denn fie werben alsdann fpäterhin da, wo der Lehrer nichts weiß, zu leug⸗ nen ſcheuen, und zarter bleiben.

3) Entehre der Lehrer aber keinesweges ſeine Lehrer⸗ wuͤrde durch Kniffe und durch Verſprechungen, die er zu halten nicht Willens iſt. Ja, es iſt mir aͤußerſt empfind⸗ lich zu hoͤren, daß die Staatspolizei oͤfter einen Verbrecher treuherzig mache, um das Geſtaͤndniß deſſelben herauszu⸗ locken. Wenn gleich mein Verſtand dieſe Sache in Etwa entſchuldigen moͤchte, ſo empoͤrt ſich mein Gemuͤth dagegen. Bei dem Schuͤler glaube ich aber in dieſem Falle meinem Gemuͤthe mehr, als dem zweifelnden Verſtande folgen zu muͤſſen, da ich denſelben durch ein edles Verfahren noch beſſern kann. Habe ich aber ſein Vertrauen mißbraucht, ſo wird er mich verachten, und ſi ch nicht durch mich beſſern laſſen.

4) Der Lehrer huͤte ſich beſtmoͤglichſt vor allen Unterſu⸗ chungen, bei welchen er im Voraus einſehen kann, daß dieſe zu keinem ſichern Reſultate fuͤhren koͤnnen; denn der Schuͤler ſoll zu der Ueberzeugung gelangen, nicht, daß der

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Lehrer fo Hug und allwiffend fei, fondern daß es ſchwer halte, einen Mann, der fo fcharf ind Gewiflen fragt, zu befügen; ja, daß es faft unmdglich fei, vor einem folchen Manne von Würbe zu leugnen.

5) Man gewöhne die Kinder daran, daß der Schul: dige auf die Frage bed Lehrers, wer dieſes oder jened ge than habe, gleich auftrete und fich. als ſchuldig anzeige, eine Foderung, die keinesweges chimärifch ift. Der Lehrer muß nur die Borficht beobachten, im Anfang nur nach Din- gen zu fragen, bie er leicht herausbringen kann, oder Die er wol gar ſchon weiß.

Liegt diefe Offenheit, die dann. auch von dem Lehrer nicht mißbraucht werben muß, einmal in dem Geifte der Schule: fo wagt ed nicht Teicht ein Schuͤler zu ſchweigen, und wollte er ſchweigen, fo würden die Mitwiffer dieſes nicht zugeben, oder doch durch ihre Aengftlichkeit den Schuls digen verrathen. Wird dieſes Mittel mit Vorficht und Um⸗ ficht angewendet : fo fann gerade dadurch das Gewiflen in feiner Zartheit erhalten werden, wodurch bie moralifche Bildung um fo mehr erleichtert wird, Diefe Gewoͤhnung feßt dem frechen Leugnen einen feiten Damm entgegen.

6) Da der Lehrer beffern will, fo mag er wol auf eine wuͤrdige Art die Mitwiffer der Schuld irgend eines Leugners auffodern,, zu deſſen Helle die Wahrheit, frei und ohne Hehl, auszufagen. Dabei hat fich ein Xehrer aber wol zu hüten, ein gewiffes Nachegefühl oder Uebelwollen manches Schülerö, gegen einen Angeklagten, außer Acht zu laffen. Diefes Mißtrauen darf aber nicht ohne hinrei⸗ chenden Grund geäußert werden.

7 Der Lehrer muß die goldene Mittelftraße zwifchen blindem Vertrauen und Mißtrauen zu gehen fuchen. Jenes laͤßt Gefahr laufen, Lügner und Betrüger zu’ bilden; Diefes zieht Troß und Haß in dem Menfchen-auf. Denken wir

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nur an und felbft, wie verächtlich ung die Menfchen ers fcheinen, die unfre Ausfagen mit Mißtrauen anhören. Der Lehrer fol deswegen felten mit den Worten heraus⸗ fahren: „Du lügft,” er müßte denn ganz überzeugt fein, daß er fich unmöglich felbft irre. Lieber beobachte man Re- gel 2. In der That, der Lehrer muß darin Borficht bes obachten, denn er kann fich felbft verhoͤrt und verſehen has benz; er kann felbft da irren, wo er biefes Öfter für un- möglich hält. In folchen zweifelhaften Fällen rathe ich Deswegen, das Befte anzunehmen. Iſt der Schiler dann ein Lügner oder Betrüger, fo wird fich, bei Aufmerffamfeit des Lehrers, bald eine Gelegenheit finden, ihn als einen ſolchen zu überführen, und auf feine Beflerung zu wirken.

8) Den vermeintlichen Dieb und Lügner bringe man vielfach in Verfuchung, und Tafle ihn kurz nad) einander mehrmale ftehlen und lügen. Dann nehme man denfelben in der Stille vor, und ruhe nicht eher, bis man feinem vorigen Vergehen auf die Spur gefommen if. Seine Be fenntniffe mögen dem Lehrer ald Polizei neue Verhuͤtungs⸗ regeln lehren.

9) Kein Schüler darf Sachen in der Schule laſen, die ein anderer zu ſtehlen verleitet werden koͤnnte. Deswe⸗ gen möchten Papiertafeln, Rechenbuͤcher, Schreibhefte ıc. am beſten vom Lehrer in Verwahrſam genommen werden.

10) Alles Spielen um Geld muß ſtrenge unterſagt werden, ſo wie alle Spiele um Knicker (Spielſteine) Knoͤ⸗ pfe ıc., da dieſes zum Stehlen veranlaſſen kann, und den Eigennutz naͤhrt. Sollen Lug und Trug aber verhuͤtet werden, ſo muß der Eigennutz, als die Quelle jener kaſter, keine Nahrung finden.

11) Jeder Tauſchhandel muß unterſagt werden; ſelbſt Sefchente dürfen ohne Eraubniß von Seiten der Eltern nicht vorfallen.

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1D Wer Sachen von Werth, oder fonft auffallende Dinge, die zum Tauſchen verführen könnten, mit in Die Schule bringt, muß diefe dem Lehrer zur Beforgung an die Eltern abgeben. Ein Kind darf überhaupt nichts mit brin- gen, was die Lüfternheit anderer rege macht. Vernuͤnftige Eltern, die ihre Kinder in allen Stüden einfach halten, werben Kindern feine koſtbare Sachen, und am wenigften mit in Die Schule geben, ba auch die fo fehr gefährliche Eitelkeit dadurch geweckt werden fann.

13) Willſt du hierbei ald Kirche wirken, fo fei feldft ohne Zug und Trug. Iſt der Lehrer felbit ein uneigennüßis ger Mann: und nur dDiefer vollendete Edle kann ohne Lug und Trug fein fo wird dieſe Eigenfchaft, der er durch fein Streben doch näher gefommen ift, ihn begeiftern, Alles, Alles zu thun, um Die Keime dieſes Lafters in der jungen Bruft zu ertöbten, und die Pflanze der Wahrhaftig- Seit und der firengen Ehrlichkeit in berfelben groß zu ziehen. Sein signed Leben, ohne Pfiff und Kniff, einfach, ohne Düntel und Falſchheit, wie das eines Nathanael gibt täg- lich ein gutes Beifpiel. Die Leberzeugung von der Wich⸗ tigkeit der Sache veranlaßt ihn ſtets die Religion und Ge- fhichte, ja jeden Umftand wo möglich zur Einprägung biefer Handlungweife natürlich zu benutzen. Sie läßt ihn gar leiblich und wuͤrdevoll von einer Tugend reden, Die leider fo viele Menfchen nicht in ihrer Ganzheit beobachten; und feine Fräftige Ermunterung ftets ein Freund der Wahr haftigfeit und der Ehrlichkeit zu fein, wird ge Bielen ein tiefes Gepräge in ber Geele zurüdfaffen.

Lehrer, hier gilt es zu wirken; bie Reime, die Du ausrotten willft, Liegen in dem Innerſten des. menfchlichen Herzend. Die Liebe oͤffnet Dir Diefes Herz, dein gefchärftes Auge zeiget deiner Freundeshand die fchlechten Keime, und bein begeiftertes Wort wecket den guten Keim auf, der nun

nicht mehr erbrücdt wird. Ermuͤde nicht, denn du haft viel zu weden, aber noch mehr auszurotten, wenn du eine gute Erndte einft hoffen willft!

14) Wie ein warnender Engel, wie ein zweites Ges wiſſen, das fich nicht verftoden läßt, ftehe Der Lehrer dem Schlenden zur Seite. Ein ermunterndes Wort zu rechter Zeit, eine reine Thräne im Auge, ein Hänbebrud, der dag Herz mitgibt, wirken oft Wunder.

725) Wer ſich Lug oder Trug zu Schulden kommen laͤßt, verdient auf lange Zeit Mißtrauen, und barf, damit diefe Sottlofigkeit nicht anftede, nicht bei den übrigen Schuͤ⸗ fern fißen ıc.

Wer Hoffnung auf Beflerung gibt, und fi zu dem Ende bis dahin nichts Schlechtes hat zu Schulden kommen laſſen, mag erft nach drei ober vier Wochen feinen P lag wieder einnehmen; aber dad Mißtrauen wird feinen Aus fagen noch lange begegnen. Ob er dieſes zu verfcheuchen vermag, hängt von feinem Streben ab.

46) ‚Bei abermaligem Lügen ober Beträgen wirb - ber Scüler vor die Lehrerfonferenz, bei Wieberholung biefes - Lafters vor den Borftand gezogen, der, wie Die Lehrerkon⸗ ferenz, ihn erſt im Stillen, dann oͤffentlich vornimmt, ‚and über ihn entfcheibet.

17) Dieberei fängt bei erwachfenern Schülern gleich mit der vorlegten Inſtanz an. Bei Kleinern muß man langmuͤthiger verfahren und zuͤchtigen.

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Ungehorfam, Eigenfinn Biden ſpenſtigkeit.

So zart die ganze Schulzucht fein muß, ſo kraͤftig muß ſie dennoch gegen den ungehorſamen, eigenſinnigen oder widerſpenſtigen Schuͤler auftreten. Ein ſolcher Schuͤ⸗ ler will der Kraft, die ihn leiten, die ihn regieren ſoll, widerſtreben; und wie ein Reiter dieſes an ſeinem Pferde gefaͤhrlich findet, eben ſo gefaͤhrlich iſt dieſe unzeitige Kraft⸗ aͤußerung, die alle Schranken durchbrechen und in Zuͤgel⸗ loſigkeit ausarten wuͤrde, an dem jungen Menſchen. Wie in Staaten aus dieſen Eigenſchaften die ſchrecklichſten Revo⸗ lutionen entſtanden ſind, die tanſendfach das Anfangs uner⸗ traͤglich ſcheinende Uebel vergroͤßerten, und eine Welt von Verwirrung brachten: ſo muͤſſen dieſelben auch in der Schule verderblich ſein.

Der Kraft muß alſo hier eine uͤberwiegende Kraft ent⸗ gegengeſetzt werden, damit dem Ungehorſamen ꝛc. der Muth entfalle, etwas Weiteres zu verſuchen. Iſt die Kraft ge⸗ beugt, fo kann ſpaͤterhin die Liebe ihr Amt verwalten, und gu befiern trachten, . Erſt muß das Rothwendige. gefchehen , damit der junge Dienfch fich nicht aufreibe, und. dann muß dafür geforgt werden, daß er im Guten. wacfe. Wie aber ein Pferd, das einmal durchgegangen tft, feine rohe Kraft kennen gelernt bat und in vielen Fällen gefährlich bleibt: alfo hält es auch fchwer, ben vormals widerfpenftigen Schüler zu beffern. Der Schüler muß demnach vor Diefem Fehler bewahrt bleiben, und ber Lehrer hat Deswegen haupt- fächlich hier ald Polizei zu wirten. -

1) Das Geſetz der Nothwendigfeit muß gebieten, nicht die Willkuͤr. Wie koͤnnte es einem jungen Menfchen ein: fallen, fich der Nothwendigkeit zu widerfegen, der der Er:

19 wachjene in Demuth fich beugen muß. An ben Geſetzen

" ber Nothwendigfeit fol der junge Menſch gehorchen Iernen,

und er wird alsdann auch bloß dem Worte, dem Befehle‘ eines vernünftigen Obern willig folgen, felbft wenn er feine andere Rothwenbigfeit einfieht, als bie in feinem Ver⸗ haͤltniß zu dem Befehlenden liegt.

2) Nach dieſem Geſetze befehle ber gchrer unbebingt mit mildem Ernfte, und beftehe dann auf pünktliche Vefol. gung des Befohlenen.

3) Er bitte ſich, durch vieles Vordemonſtriren, von ſeinem Schuͤler nicht erſt die Erlaubniß zum Befehlen aus; ſetze ſich vielmehr bei dem jungen Menſchen in einen ſolchen Grad von Achtung, daß dieſer ihm weder Unvernunft noch Eigenſinn zutrauen kann. Der Schuͤler mag oͤfter das Ver⸗ nuͤnftige und Nothwendige jenes Befehles erſt ſpaͤter durch Huͤlfe ſeines Lehrers einſehen. Selten muß dieſes der Leh⸗ rer zu ſeiner Rechtfertigung thun; er muß den jungen Menſchen nur dahin leiten, daß dieſer in aͤhnlichen Faͤllen ſelbſt ſo handeln lerne.

4) Der Lehrer befehle darum nicht zu: viel; der Schuͤ⸗ fer mag fchon wiffen, was er in vielen Fällen zu thun habe, und mag fchon feine Freude an dem Handeln aus eigenen vernünftigen Antrieben finden. Fehlt er hier in uns wichtigeren Fällen, fo muß er nur auf das Fehlerhafte ſeiner Handlung aufmerkſam gemacht werden. |

5) Der Schüler muß wiffen, daß es bem vehrer nicht an Kraft und Mitteln fehle, denſelben da zu zwingen, wo er Ungehorfam oder Eigenfinn zeigen follte; und darum iſt es verderblich, ben Lehrer zu fehr einzufchränfen, und ihm eine Härte, die er in der Aufwallung fich erlaubt hat, vor: den Augen des Schülers zu verübeln.

Ein vernünftiger Vater follte eine folche Unbill nicht einmal in Gegenwart feiner ſchwachen Gattin rügen,

da diefe nun durch gutgemeinte, aber unverfländige Tro- flungen. den unartigen Sohn in feinem Fehler, vielleicht anf die unfchuldigfte Art beftärfen möchte. Der Bater mag bei wirklichen Unbillen der Art an ſich felbft denfen, und von dem Lehrer nichts Sdeelles verlangen, wenn gleich dies fer nach dem Speellen ftreben muß.

6) Mit diefer Macht vereine der Lehrer wahre Men⸗ fchen » und Lehrerwürbe, denn die bloße Kraft laͤßt Murs ren, Eigenfinn und Trotz im Stillen auffeimen; Die wahre Würde aber unterbrüdt dieſe böfen Keime.

7) Eben deswegen lege fich der Lehrer nicht aufs Kla⸗ gen und Sammern über die Fehler der Kinder; fondern er denke im Stillen nach, wie er ven Ungezogenheiten wirffam entgegenarbeiten koͤnne. Wie erbärmlich erfcheint es in den meiſten Fällen, einen Lehrer fagen zu hören: Kinder, ich werde trank, befonme eine Blutftärzung ꝛc. wenn ihr fo ungezogen- feid. Ach, wer aus Mangel an Würde an das Mitleiden rüftiger Knaben appelliren muß, der ift in ber Regel verloren! Tritt dem Unartigen ald Mann friſch gegen, und beine Schüler werben in bie fein fchwaches Weib erbliden, das ſich hätfcheln laͤßt endlich aber, wenn dad Maaß vol, ift, wie eine Furie aufflisst, und dann in Erfchlaffung dahin finkt.

8) Der Lehrer Liebe und achte in feinen Schuͤlern ben Menfchen, und zwar von ganzer Seele. Sein Wohlwollen muß in allen Stücken hervorleuchten, fa daß der Schüler ihn wieder lieben und achten muß. Daun wird; diefer um fo eher das Gute und Edle Lieben lernen, und ein. erlittes nes ‚Unrecht um fo leichter ertragen. Es kann fein, mag er bei guter Gelegenheit zu feinen Schauͤlern fprechen, daß Eltern, Lehrer und andere Vorgeſetzte, die alle euer Gluͤck gründen wollen und gründen, euch einmal Unrecht thun; fie find Menfchen, und darum nicht volllommen; ihr aber

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ſollt alsdann ohne Murren dieſes ertragen, weil ihr es lernen müßt, in einer unvollfommenen Welt zufrieden zu leben; nur der Thor verlangt Volllommenheit von Unvoll⸗ kommnen. Wuͤrdet ihr felbft eine angenehme Stunde haben, wenn Eltern und Lehrer von euch VBollfommenheit vers langten?

Der Lehrer mache feine Schüler vielfach auf das Gefek ber Nothwendigfeit aufmerffam, und zeige ihnen, wie Die weifeften und beiten Menfchen fich dieſem Geſetze fo willig unterworfen haben, wie. aber die felavifche Natur, ber ver dorbene und niederträchtige Menfch, auch biefem Öefeße zu troßen fucht.

9) Der Ungehorfame, Eigenfinnige werde gezwungen, wo es angeht, Das Doppelt zu leiften, dem er fich ent ziehen wollte.

10). Er nehme einen abgefonderten: Map ein, Damit er, durch fein Murren in der Stille, nicht verfuͤhre.

11) Er ſtehe unter firenger Aufficht ſaͤmmtlicher Lehrer, felöft bei denen, bie dieſen Fehler an ihm noch nicht ge- merft haben. Der allgemeine Unwillen gegen ihn fuche iht zu erſchuͤttern.

12) Bei Widerſetzlichkeit helfe ſich der Lehrer durch aus genblickliche koͤrperliche Zuͤchtigung, freilich mit Vernunft, wie dieſes einem wuͤrdigen Lehrer anſteht; und dazu moͤchte ich beſonders eine Reitpeitſche anempfehlen, wenn dieſe zu holen Zeit und Umſtand erlauben. Der zuͤgelloſen Kraft muß eine ſtaͤrkere Kraft entgegengeſetzt werden, und da, wo die geiſtige Kraft nicht ausreicht, muß Die Körperfraft aushelfen.

13) Iſt der Schüler erwachfen, fo bringe man ihn ohne weiteres vor bie letzte Inſtanz, und ber Lehrer weife ihn vorher gleich aus der Schule, damit derfelbe nicht weiteres. Aergerniß gebe. Der Borftand entfcheide dann Aber den⸗

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felben, und zwar in Verbindung mit ben Tchrern, damit erfterer Diefen nicht zu nahe trete. In folchen Fällen muß der Schuͤler in der Regel die Schule verlaffen.

Reinheit des Gemüthes, der inneren und Außeren Gitten.

Die Reinheit offenbaret fi in Mienen, Geberden, Morten und Werfen, und ift ein heiliger Schußengel des Menfchen. Darum muß der Lehrer alle Sorgfalt anwen- den, diefelbe in den jungen Gemüthern zu erfchaffen und zu erhalten. Er beobachte unter andern Folgendes :

1) Er überlaffe die Sugend nicht fich felbft,, fondern beauf- fichtige diefelbe pflichtmäßig, fo daß es unreinen Kindern nicht wohl möglich wird, die Schule mit ihrem Gifte anzufteden.

DD Diejenigen, welche ſich Unanftändigfeiten zu erlau- ben pflegen, muͤſſen von den Uebrigen abgefondert werden, amit auf jene um fo mehr gewirkt werben Fünne.

3) Selbſt in dem Glaffenarreft müfjen die Schüler une ter Aufſicht ftehen, und.es muß dort immerwährende Thätigs feit von ihnen verlangt werben.

4) An höheren Schulen muß der Famulus gehalten fein, den Lehrern jede vorgefallene Unanftändigfeit eines Schülers, von welcher er Zenge war, treu anzuzeigen. Beiler iftö, der Lehrer nimmt den Arreflanten mit auf fein Zimmer, |

5) Die Schüler müflen auch aus dieſem Grunde nicht gedrängt fißen, die Bänke dürfen Feine fcharfe Kanten ha ben, die Hände müffen, wenn fie micht thätig fein ſollen, gefalten auf das Pult gelegt werden, und die Pulte felbft, die nicht zu dicht aneinander ſtehen dürfen, müflen vorne

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offen fein, damit hinter denfelben Feine Unanftändigfeiten ungefehen verübt werden koͤnnen; das Lehrpult muß fo. hoch geftellt, und die Pulte der Schüler müffen fo flach angelegt werden, daß der Lehrer die Hände jedes Schülers gut bemerken, und im Durchfchnitt auch unter die Pulte durchfehen koͤnne. Zu dem Ende möchte es zweckmaͤßig fein, die hintern Reihen Pulte etwas höher anzulegen.

6) Sind Mädchen und Knaben in einer Schule, fo wäre beiden Gefchlechtern befondere geheime Gemächer zum Berrichten ihrer Naturbedürfniffe anzuweiſen, die nicht ver⸗ fchloffen, ſondern vielmehr noch mit einer Fleinen Deffnung in ber Thüre verfehen fein müßten. Am beften gefchähe diefe Befriedigung, wenn Alle auf dem Hofe fich erholen, und alles Herausgehen aus der Claffe müßte als Unord⸗ nung möglichft, aber vernünftig eingefchränft werben.

Die geheimen Gemächer müßten in keinem Winfel vers ſteckt Tiegen. |

DD Der Lehrer muß nie leiden, daß die Knaben Die Hände in den Hofen haben, eine Unanftändigfeit, die durch einen zwecmäßigen Schnitt der Hofen, und durch den Ab⸗ gang der Tafchen in denfelben, verhütet wird; und bei den Mädchen muß er hauptfächlich darauf fehen, daß diefe nicht unruhig auf der Banf, nicht auf den Eden und Kanten, fondern auf der ganzen Fläche ihres Platzes figen.

8) Alles Branteweintrinken und Tabakrauchen, fo wie. das Befuchen der Wirthshäufer, der Schaufpiele*), ber Bälle rc, muß fchlechterdings unterfagt werden, und jeder hierin fehlende Schuͤler müßte ohne weiteres vor die Leh⸗ rerfonferenz gezogen werden.

+) Sreilich koͤnnte man hierin bei Stüden ganz reiner Art, und in denen nichts von Liebelei vorfommt, einige Ausnahmen machen.

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9) Das ungeftüme Zufammenrotten auf Öffentlicher Straße, fo wie jede Störung der Bürger muß nicht Statt finden bürfen.

10) Der Schäler muß beim Kommen und Gehen den Lehrer höflich grüßen, ihm ehrerbietig begegnen , und übers haupt zur Artigkeit gegen jeben Menfchen, und zur Chrers bietung gegen das Alter angehalten werden.

11) Beim Schluffe der Schule koͤnnen auch um diefer Urfache willen Die Mädchen einige Minuten eher entlaffen werben, als die Knaben.

12) Der Lehrer ftrebe felbft mit allem Ernite dahin ein reined Gemuͤth zu haben, und beobachte natürlichen Ans ftand in feinem Aeußern.

13) Er gewinne den Schüler von Kind an für alles Gute, und umgebe denfelben mit Beifpielen des Reinen, Guten und Schönen.

14) Er warne den Fehlenden, und fuche durch Vor⸗ ftelungen auf ihn zu wirfen. Hier wirfe die Würde des treuen liebreichen Lehrers, daß Fein unanfländiger Gedan⸗ fen in der Seele ded Kindes Raum gewinne,

15) Ganz befonderd nehme er fich der abgefonderten Schüler mit aller Liebe und Sorgſamkeit an, Wenigſtens wöchentlich eine Unterrebung mit jedem biefer Strafichüler möchte erfoderlich fein, um einige Ermunterung zu geben.

16) Um das fchredliche Lafter der Selbſtbefleckung ver- häten nud baffelbe heilen zu fernen, Iefe der Lehrer Die ges frönte Preisfchrift von Deft, und befolge beffen Rathfchläge.

17) Man nehme Fehler gegen bie Reinheit des Ges müthes hoch auf. Wo es bie Schamhaftigfeit gebietet,, ar- beite man im Stillen an dem Schuͤler.

18) Groͤbere Vergehungen, die nicht leßterer Art, und Öffentlich vorgefallen find, muͤſſen oͤffentlich, und zwar vor fänımtlichen Lehrern und Schülern beftraft werben.

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19) Fehlt ein Schuͤler öfter, fo muß er abgefondert werden, und barf dann gar nicht mit andern als ben bes ften und fefteiten Schülern umgehen, bie dann beſſernd auf ihn mitzuwirken ſuchen. VBernünftige Eltern werden als dann gewiß thätig mitzuwirken ſuchen. Hier hilft Fein Geduld haben; in kurzer Zeit muß er von Suftanz zu. Sukang- ges führt werden. |

Froͤmmigkeit.

Eine chriſtliche Schule, in welcher nicht hohe Ehrfurcht vor Gott und Jeſu, vor allem Heiligen und Guten herrſcht, iſt ſchlecht, und wenn ſie in Hinſicht auf Wiſſenſchaft und Kunſt auch noch ſo viel leiſtete. Ein frommer Sinn gibt unfren ſittlichen Beſtrebungen einen mächtigen: Halt, zieht und wit Macht nach oben, heiligt unfer Thun, ift ums fer beiter Troͤſter im Unglüd, und unfer Friedensengel an der Pforte der Ewigkeit.

Ein frommer Sinn iſt das kindlich Schoͤnſte, das Be⸗ ſeligendſte im Leben, und darum muß er in dem jungen Menſchen mit hoͤchſter Sorgfalt gewert, und mit Weisheit genährt werden. |

Es laſſen ſich bier nur. wenige Regeln geben, aber dDiefelben find um ſo wichtiger.

1) Entheifige nie das Heilige durch Frevel, unnuͤtzen Zweifel oder Vernuͤnftelei.

2) Schaffe Ehrfurcht ins kindliche Gemuͤth.

3) Suche ſelbſt ein wahrhaft kindlich frommer. Menfch zu werben.

4) Schene dich nicht Diefen Sinn allenthafben, wo «8 ſich fchicft, vor den Augen und Ohren deiner Schüler zu offenbaren.

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5) Gib. ihnen einen guten Unterricht im Chriſtenthum. Siehe den 2ten Theil in allen Claſſen.

6) Bete inbrünflig mit deinen Kindern, und ſinge mit ihnen erhebende, geiftliche Lieder.

D Made diefes alles zum Element deiner Schule, in weldyem alles Uebrige lebt unb webt, und von welchem Dafjelbe Durchdrungen wird *).

*) Mit inniger Rührung gedenke ich noch eines Umſtandes, ber im Jahr 1810 In meiner Schule zu Nieder: Bubberg ſich ereignete, Saͤmmtliche Schüler waren auf dem Spielplage, und ich allein in

der Schule, wo ich in dem Augenblick etwas zu beſorgen hatte. Auf einmal ſtroͤmte die Schuͤlerzahl tumultuariſch herein, wie von einem wüthenden Hunde getrieben. Auf allen Geſichtern ſah ic Verftörung, (noch fehe ich im Geifte das verftörte Geficht eines "Weinen, wie mir beucht, ganz podennarbigen Scnaben) und mit aͤngſtlicher Geberde und erſchrockenem Tone fließen fie bie Worte - aus, indem fie auf. einen zuruͤckgebliebenen Knaben zeigten: N, hat _ geflucht! Das Ganze überrafchte mich es war mir zu Muthe ‚als ‚gehörte ich zur heiligen Vehme. Ich holte den erfchrodinen Knaben herein, der wie ein armer Sünder im Angefichte Aller nun baftand als Gegenftand des Abfcheues, Ich wandelte das Gefühl zum Mit: leiden, und bald barauf führte ich jeben Schüler an dem Reuevollen vorbei, um biefem die Hand ber Verföhnung zu bieten. Was ich geſagt, weiß ich nicht mehr: nur diefe Momente find mir in Erin- nerung geblieben, und werben es bleiben; und find mir zeither der Probierftein des fittlih frommen. Lebens ber Schule geweſen; und darum erzähl ichs nun dir, o theurer Lehrer! Leicht iſts in jeglichen Claffen, niebrer und höherer Schulen, ein folches Gefühl zu erfchaffen, wenn nur die Lehrer in Eintracht dem Ziele entgegen fie führen. Noch einmal fag ichs mit Salz: mann: das Herz bes Kind's iſt wie Wachs, wie fehe auch ber . Grübler dies haßt.

Vierte Abtheilung.

Audführlihere Erdrterungen einzel: ner Moaterien.

Wahrhaftige Liebe om Gott und dem Menfdhen,

| n

König und Vaterland, zur

Wiffenfhaft und Kunft

prägt die Schulzucht zur höchften Reinheit aus.

Gebetbetrahtungen.

Wenn nun aber der Geift der Schulzucht auch in dem Schüler in möglichfter Reinheit auftreten fol: fo muß bies felbe von ihm in Beziehung auf Gott, alfo ald Haupttheil feiner Religion aufgefaßt werben. Jeder Theil der Schuls zucht wird dann mit Ehrfurcht aufgenommen, erfcheint dem Schüler in feiner Nothwenbigfeit, und jeder Fehler gegen diefelbe als fündlih. Er faßt dann mit dem Innerſten feis ner Seele jedes Einzelne, wie das Ganze, ald etwas Heis liges auf, das er nicht verleßen darf, ohne der Forderung feiner Sthücfeligfeit in ven Weg zn treten. Um aber dieſen Theil feiner Religion in deſſen hoͤchſter Würbe und Noth⸗ swendigfeit ihm erfcheinen zu Laffen, muß berfelbe als Ges genfland des Gebetes auftreten. Diefes Gebet erfcheint aber als wefentlic, verfchieden von dem Gebete eines eins zelnen Menfchen, welches aus bem felbftgefühlten Bebürfs niß hervorgeht. Ein inbrünftiges Beten febt bei biefem ab lemal eine gewiffe Gemüthöverfaffung voraus. Der Anrıs fende hat etwas zu bitten, nach welchem er fehnlichit vers langt; ber Danffagende ift burchbrungen von der Güte und Gnade des Urhebers alles Guten; der Xobpreifende findet an Gott etwas mit ganzer Seele zu bewundern; ber Aus betende erfenut in Demuth feine Schwäche und feine Sins den, und die Erhabenheit und Vollkommenheit bes himmlis ſchen Baters. Iſt diefe Ueberzeugung und diefes Gefühl nicht vorhanden, fo fehlt es dem Gebete an Innigkeit und

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Wahrheit. Diefes laͤßt fi) bei Schülern aber nur felten voraußfegenz; denn ihnen fehlt noch zu fehr lebendige Er⸗ fahrung, und darum das Leben in Gott, nämlich Alles, Alles im Leben auf Gott den Bater und Negierer, und anf Chriftus den DVerfühner auf das innigfte zu beziehen. Das Gebet des Lehrers in der Schule muß demnach fo ein- gerichtet werben, daß fih in dem Schüler zugleich Webers zeugung und Bedürfniß findet. Wenn das Gebet des er- ftern ganz einfach ift, indem diefer nur Worte wählt, bie ungefähr fein Gefühl bezeichnen, und dadurch nur fich felbft ein Genüge thut, indem der Herzendfündiger ohnehin bas Gefühl deſſelben für feine Worte nimmt: fo fann bag Ges bet des Lehrers durchaus nicht immer von Diefer Art fein; benn nur hauptfächlich durch feine Worte kann er dieſes Gefühl übertragen. In vielen Schulgebeten.ift demnach ver Lehrer auf feine Schüler thätig, und hierbei hat er, wenn nicht eine Betrachtung vorhergegangen ift, die fowol ihn als auch feine Schüler in die rechte Gemuͤthsverfaſſung ge- feßt hat, oder wenn ber Gegenſtand des Gebetes überhaupt noch nicht mit Weberzeugung und mit Innigkeit allgemein aufgefaßt worden ift, zu viel zu beobachten, als daß er nur im wirklicher Gebetsform und zugleich frei vorbeten koͤnnte. Er muß nämlich das einzig richtige Wort für fein Gefühl nehmen, und der Schüler. muß beides, Wort. und Gefühl kennen; denn font fucht die Seele des Schuͤlers vergeblich das .Gemeinte, oder das verftandene Wort laͤßt ihn doch kalt. Diefes Wort muß aber auch behaltlich fein, and das wird es befonders dadurch, Daß die Phantafie mit einwirft. Das Wort muß. darım ein Bild geben ,. durch welches es in. feiner .Ganzbeit und mit Innigkeit erfaßt "werden. kann: ed muß darum, wie wir Tagen, ein.fehönes Wort fein. Nun muß aber auch der. Gedanken noch eindring- Kich für Verſtand und Herz. gemacht werden, und das ge

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fchieht, wenn gleich durch kurze, Doch durch nähere Betrach⸗ tung des Gegenftandes, und biefed wiederum durch glücklich gewählte Ausdrüde, welche die Nothwendigfeit und Hoheit des erregten Gedankens baritellen, demnach beruhigend übers zeugen und anfpornend empfinden laſſen.

Auf diefe Art bleibt es aber nicht ein gewoͤhnliches eins faches Gebet, es wirb eine Betrachtung und zugleich ein Produkt hoher pſychologiſcher Redekunſt, das Verſtand und Herz bed Mitbetenden weife nad; einem Punkte hinleiter. Es tritt hier nicht mehr bloß das Verhältniß des Betenden zu Gott, fondern auch zum Erkennen und Fühlen des Ger genftandes auf, welches Teßtere beim GSelbftbetenden fchon voransgegangen tft.

Da aber zugleich der Gegenftand durch Anrede und auch ohne dieſelbe beftmäglichit noch näher als bei einer bloßen Betrachtung auf Gott bezogen wirb, fo bleibt es auch feine bloß fromme Betrachtung an fih: es wird eine Gebetbetrachtung, d. h. ein Gebet und eine Betrachtung in eins verbunden, fo viel diefes angeht. Diefe nun halte ich für fehr zweckmaͤßig in Schulen, wenn nicht, wie ge fagt, die Betrachtung vorhergegangen, oder der Schiller von der Wichtigkeit des Gegenſtandes fchon vorher durch⸗ Drungen if. Wollte man aber allem Beten jedesmal eine Betrachtung oder ein Seelenftimmen vorhergehen laffen, fo würde oft Unnoͤthiges und Unzweckmaͤßiges vorfallen, wenn Diefe Betrachtung nicht vorher mit aller Vorficht und Um⸗ ſicht ausgearbeitet wäre, undfekbft dann möchten beide vielleicht noch weniger als in diefer innigen Verbindung wirken: Man muß übrigens den. Umſtand nicht unbeach⸗ tet laſſen, daB das bloß Betrachtende und Erläuternde in dem Maaße mehr und mehr zurädtritt, als das Gefühl des Schülers für. den Gegenftand ſchon innig und bie Leber

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zengung von. ber Wahrheit beffelben ſchon lebhaft erfolgt it. Darum wird er felbft in ber Zukunft fchon anders beten. Ä

Freilich kann ich mich in dieſer Anficht viele Jahre lang getäufcht haben; deun fehr lange habe ich, jedoch nur bun- kel, derfelben praftifch gehuldigt; aber ich meine doch, in Ruͤckſicht auf die Sache, nicht unnatuͤrlich gehandelt, und auch gute Früchte von biefem Beginnen erfahren zu haben ; und haben die Gebete von Witfchel, Spieker, Eckarts⸗ haufen u. m. a. nicht eine ähnliche Tendenz? Ohne nun Jemandem meine Anficht aufbringen zu wollen, will id) meine Ueberzeugung von der Beichaffenheit folcher Gebetbe⸗ trachtungen in aller Kürze näher folgen laſſen, und zugleich einige Gebetbetrachtungen, wie ic; ſelbſt diefelben gebraucht habe, beigeben. Man nehme dann vorurtheilsfrei das Gute aus denfelben hin, und märze bie Mängel, welche fich in ihnen finden, and.

1) Diefe Gehetbetrachtungen muͤſſen in edler Sprache abgefaßt fein, um bie Empfindungen ver Schüler defto Ieb- hafter anzufprechen, den hohen Wahrheiten feibft durch Die Dhantafie in der Seele mehr Leben, und durch bie Weckung des Gefuͤhls mehr Kraft und angenehme Haltpunkte zu geben, und überhaupt dadurch die Augend in mehr als ei- ner Rücficht zu heben. Mandje Menfchen haffen mit Spars tanifcheme Borurtheil jedes neue ſchoͤne Wort, ich möchte faft fagen, um ‚feiner Schönheit willen. Diefe möchte ich fragen: Enthält denn das Gebet bes Herrn nicht eine Menge der gewichtigften und ſchoͤnſten Ansbrüde, die durch die Phantafie in ihrer hoͤchſten Schönheit erfcheinen? Maren diefe. Ausdrücke denn immer ale? Einfach iſt, bänfermir;, jeder Ausdruck, ber durch fein Vernommenwerden das Ges fühl und den Begriff; welche er bezeichnet, ‚in ſeinet Ganz⸗ beit hervorruft. Wortſchwall dagegen verdunkelt Das Be

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zeichnete, und iſt jedem Menfchen von Geſchmack ‚zuwider. Dabei mhflen die Gebete einer Woche fo lange erlärt wer den, bis dieſe den Schälern in allen Punkten verftändfich und eindringlich geworden find. Dann aber ſchadet auch Die Menge von Gedanken nicht, die oft in eine, jedoch ver ſtaͤndliche Periode, der Kürze halben, zufammen ge drängt find. |

2) Sämmtliche Gebetbetrachtungen muͤſſen eine Menge vorzüglicher,, ausgeſuchter, ja wo möglich großer Gedanken enthalten, die denjenigen Geift ganz und barım ausführlich genug barftellen, der den Schüler als Schüler beleben, und überhaupt die Schule regieren fol. In dieſen großen Gedanken fol der Schüler Leben und weben; fle follen fich mit feinem Sinn verfchmelzen, und darum müffen fie ihm ganz eingebürgert, eingewähnt werden. Da- fie: göttliches Urfprunges find, und zu Gott führen, fo mag man fie wol in näherem Verhältniffe mit Gott ausfprechen. - Die Ehr⸗ furdt, mit weldyer dann diefe Gedanfen ausgeſprochen und erfaßt werben, gibt benfelben im Gemuͤthe des jungen Menſchen einen unverrüdbaren Halt, fo daß ihm diefelben fpäterhin als ficher leitende Grundfäße zur Seite fliehen.

3) Sämmtliche Gedanken einer Gebetbetrachtung müffen behaltlich fein, und darum auch neben dem Bilde Wahres unb Wichtiges in einer gewiffen in fich abgerundeten Eins heit, demnach den Stoff in natärlihem Zufammenhange enthalten, und mit Beftimmtheit und Klarheit rein und ganz ausgefprochen werden.

Man muß demnach auch alles Parabore, zu fehr Ab⸗ firafte und das Myſtiſche vermeiden, wenn man den Schuͤ⸗ Ier nicht verwirren, einfchläfern und verfchrauben will.

4 Man darf’ nach meiner Meinung nicht viel mehr Gebetbetrachtungen, als etwa für einen Monat, und nes benbei für die Borfeter der. chriftfichen, für bie Zeier ber

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vaterländifchen Feite und für andere befondere Gelegenheis ten haben, da fonft die wichtigen Gebanfen ſich nicht genng oder nur immer in anderer Form wieberholen; denn bie Erfahrung hat mir gelehrt, daß gerabe durch Beibehaltung der Form die Summe der wichtigen und fchönen Gebanfen ſich um fo eher dem Geifte und Gemüthe des Schülers eins verleibt, indem da Gedanken, Bild und Folge unzertrenns lich immer ein und baffelbe Gefühl, wenn gleich in allerlei Graden und Schattirungen, hervorrufen und das gerade darum in der Seele des jungen Menfchen ſich fo ganz feſt⸗ ftelt und mit ber Zeit als leitender Schutzengel fich bewährt.

Mag ein folched Verfahren Mechanismus nennen, wer da will; ich halte viel auf Stätigfeit der Einwir fung überhaupt, und insbefondere auch bei Srregung und Feftigung der Gefühle In dreißig und einigen Gebetbetrachtungen,, in denen die größte Ehrs furcht vor Gott und Jeſu, wie vor allem Goͤttlichen herrfcht, und in denen das Leben des Schülers und bad Hauptleben des Ehriften würdig ausgefprochen wird, Tann ein großer Schaß der vortrefflichiten Gedanfen niedergelegt fein; und wenn diefe monatlich von dem Lehrer felbft auf eine wir; dige, ja feierliche Art dem Geifte und Gemüthe des Schuͤ⸗ lers, Sahre hindurch vorgeführt werben: fo müffen Diefe auf ihn die befte Wirkung haben. Man fürchte nicht Er- weckung des Ueberdruſſes; denn follte es in dem Schuler Ueberdruß erweden, wenn er monatlich einmal bas Ges bet des Herrn beten muͤßte? Kann man diefes nicht ſelbſt täglich ohne Weberdruß beten? Angenommen, ber Schüler lernte dieſe Gebetbetrachtungen mit ber Zeit auswendig, wie das Gebet ded Herrn; (das auch in ber Schule gebetet werben muß,) follte das schaden? Wird er daflelbe aber ganz auswendig lernen, -wenn. er monatlich ‚es nur einmal hört? Daß aber befannte Gedanken und Gefühle in

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der Seele oft wiederholt wärdig angefprochen, erwärmend vergegenwärtigt werben, ift der Zweck diefer Gebetbetrady tungen, wie überhaupt alles Vorbetens. Und kann denn wirklich bas Gefühl bei einer Maffe aufeinanderfolgender Gedanken mit einer gewiſſen Stätigfeit thätig fein, wenn

der Berftand ſtets prüfend Neues aufnimmt? |

Bildet denn nur das Neue, und immer das Neue? Sch daͤchte Neues von Reflektionen in Gebet und Poeſie ftörte darum anfänglich wenigftens denjenigen, deffen Ver⸗ flandesfraft zur bloßen Auffaffung deſſelben noch zu thätig fein muß, oder berührte nur, wie eine Tangente. Es muß aber dahin kommen, daß jeder Gedanfen zum Gefühl wird, daß er feine erwärmenden GStralen nad) dem Innerſten fendet, und das erlaubt nicht viel Rüttelnd und Schüttelng, fondern erfodert ftäte Einwirfung in Sinnigkeit. Die gros Ben oder doch ſchoͤnen, vortrefflichen Gedanken fpannen Ans fangs nur Denkkraft und Phantafie: da wirken fie wie Tangentenz fie follen aber, wenn fie einmal verftanden find, und das Bild Mar vorliegt, ruhig und auf eine höchft angenehme Art ind Gemüth übergehen, und dort fid) ewige Wohnung bereiten.

5) Um jedoch das Gebet im eigentlichen Sinne des Wortes anch zur Belebung bes guten Schulgeiftes zu bes nugen, mag immer an.bem nämlichen Tage, oder des Tages nachher der Hauptgebanfen ber zuletzt gebeteten Betrachtung in einem eigentlichen Gebete mit wahrer Ins brunft und hoher Salbung ausgefprochen werden,

6) Damit wir zu ber nöthigen Zahl von Schulgebeten und Gebetbetrachtungen kommen, bitte ich Lehrer, Pfarrer und anbere Schulfreunde, biefe aufgeftellten Grundſaͤtze fharf aber vorurtheilsfrei zu prüfen, dabei aber mehr an den zu erreichenden Zweck, als an die Aechtheit einer ges wöhnlichen Gebetöform zu denken, indem dieſe doch nur

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Mittel und nicht Zweck ift; in dieſem Geifte die Anficht zu reinigen und zu vervollfommnen, und banı an dem anges fangenen Werte des Beiſpielſammelns fortzufahren. Es ift sad, in Rüdficht auf Die Sache nichts daran gelegen zu wiffen, von wem die großen, ſchoͤnen Gebanfen, Die fal- bungsvollen Ausdruͤcke herrühren; Das mag ung gleich fein, wenn fie.nur wirfen, in dem Junerſten der Seele des Schuͤ⸗ lers feſte Haltpunfte zuruͤcklaſſen und mit Danf wollen wir Bortreffliches annehmen, wenn gleich es nur gefammelt fein mag, denn hier gilt es den Nuten und nicht die Ehre. Diefe Anficht hat mich bei Hingabe der folgenden Gebetbe- trachtungen geleitet. Sin der Weberzeugung, daß ich den außgefprochenen wichtigen Anfoderungen felten Genüge leis ften konnte, habe ich das Wenigfte derfelben aus mir ge- ſchoͤpft, und abſichtlich bei den meiften vorzügliche Gedan⸗ fen fehr beredter Männer benugt, fo wie einige faft wort: lich abgefchrieben.

Wichtig aber muß es uns bleiben, bei diefen Gebeten und Gebetbetrachtungen, nicht zu fehr aus dem Schulleben herauszutreten das bleibe ber Religionslehre indbefondere mit den dahin gehörigen Gebeten überlaffen. In diefen Bes trachtungen handelt es fich, wie gefagt, um bas Sein, um das Leben und Weben bes Schülers, um den ganzen Geift, ber, im engern Sinne des Wortes in der Schule herrfchen fol. Durch diefe Gebete und Gebetbetracdhtungen follen alle Anfoderungen der Schule an den Schuͤler ihm immer body heiliger und nothwendiger erfcheinen.

Und iſt es nicht beffer, fchon in der Schule mit einem veredelten Sein anzufangen, ald nur Alles auf ein kuͤnfti⸗ ged Werben :zu beziehen ? Das Ganze wird ohnehin gehd- rig ind Auge gefaßt.

7) Haken. mir endlich: die nöthige Zahl von Gebeten und Gehetbetrachtungen , fo mögen die vorhandenen verbef-

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fert werden, wobei man dann, alles Vortreffliche ehrend, jeden matten, Äberfihffigen, unllaren Gedanken ausmaͤrzt, und mit befieren vertauſcht oder zur Auswahl nene Mu⸗ ſter hinzugibt. Auf diefe Art möchten wir endlich zu a beten Haflifcher Art Tommen.

8) Um der allgemeinen Aufnahme folder Gebete ıc. jedes Hinderniß in Frieden aus dem Wege zu räumen, möchte ich, wenn biefelden nicht hoͤhere Sanktion erhalten. haben , jebem Lehrer anrathen, dieſe in Ruͤckſicht ber darin ausgefprochenen religisfen Anfichten mit feinem Pfarrer ober Supyerintendenten der Schule zuerſt durchgugehen, um das Noͤthige umzuaͤndern. Ein foldyed Berfahren it um fo wünfchenswerther, da diefe Gebete bei allem Beſtreben dies felben allgemein zu halten, nicht allen Glaubensſchulen zus gleich genügen koͤnnen, und jede Gemeindefchule doch im Geifte ihrer Kirche wirfen muß.

9) Sollten Manche dieſen Gebetbetrachtungen ıc. freie Herzendergießungen vorziehen, fo gebe ich Diefen zu beden⸗ fen, daß es wenige denkende Lehrer geben möchte, wen fie anders befcheiden dabei find, welche nicht in Diefen ihrem Ergießungen große Mängel erfennen werben; daß aber Pie fogenannten Meifter in dieſer Kunft gewoͤhnlich fih nur um einzelne Lieblingsgedanten herumdrehen , und dabei nicht felten viel Wafler, ja oft recht trübes Waſſer and dem Herzen gießen, und daß dieſe Gebete ze. ftetd von ein und demfelben Lehrer vorgetragen, der fich am beiten dazu eignet, durch die innige Bekanntſchaft dieſes Lehrers mit denfelben, allen Wirkungen freier trefflichen Herzensergie- Bungen zum mindeften in ihrer Wirkſamkeit auf die Schäler gleich kommen.

11) Wenn nun Lehrer, Pfarrer und andere Schulfreunde und ans ihrem oder fremdem Schate mit folchen Gebetbe⸗ trachtungen und Gebeten bereicherten, die entweder den ats

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gegebenen Foderungen möglichit Genüge thun, ober noch nach richtigerer pſychologiſch begründeten Anficht verfaßt find: fo wäre zu wünfchen, daß recht viele Lehrer, bei An; erfennung der Bortrefflichfeit. dieſer Gebete ꝛc. nur. Die Wirkſamkeit verfelben ins Auge faffend, fich Aber die eitle Ehre, Verfaſſer ihrer Gebete ıc. fein zu müflen, erhöben, und von dem vorhandenen Beſten willig ‚ja von Herzen gern Gebrauch machten.

Solche aber, denen aus Duntel nichts gut iR was fie nicht felbft gefchaffen haben, oder was nicht, wie fie fagen, aus ihrer Sndivibualität hervorgegangen iſt als wäre dieſe die befte, und als gäbe es feine hoͤchſte Indivi⸗ dualität, die fie anbilden follten und die e8 daher unter ihrer Würde halten, Fremdes zum affgemeinen Beften zu benugen: ſolche mögen fich immerhin hochmüthig auf ihren Kothurnen herumdrehen; wir wollen ihnen nichts aufs dringen, und verlangen nichts von ihnen, wollen an ihnen vorbei fehen, und die vereinte Kraft Solcher benutzen, die des mücdenfeigenden Streitend um Nicht müde find, und gerne das Shrige zum Aufbau eines wirklichen Gebäudes beitragen, bad dem Zwede ded Ganzen zu entfprechen vers mag. Diejenigen nun, welche nur Einzelnes Tiefern und nicht fammeln wollen, mögen mir diefes zur Öffentlichen Mittheilung zufommen laffen.

Shulgebete.

1) Bei Eröffnung ver Schule nah den Ferien.

Herr Gott! nad langer Unterbrechung haben wir ung an dieſem Morgen bier in unfrem Sugendtempel wieder

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verfammelt, um Dich zu preifen, Dir zu danfen, von Dir unfer Heil zu erflehen und Dir ähnlicher zu werden.

Deine Güte und Liebe, die alle Morgen nen ift, bat uns die Tage unfrer Erholung zur Belebung unfres Geiftes und zur Stärkfung unfres Leibes dienen laffen. O! möchte ung Allen diefe Erholungszeit auch dazu gedient haben, mit richtendem Blicke die vorige Zeit unfres Lebens zu durchlaus fen; möchten wir bei Gemwahrung unfrer Zehler reuevoll gute Borfübe gefaßt haben, deren Ausführung und biefer Schule würdiger und deinem heiligen Auge angenehmer mas hen. Senfe Du, 9 Herr, in und Deinen Geift, damit wir Lehrer und unfre Schüler mehr und mehr den Zwed erreichen, den Du unfrer Schule vorgefteckt haft: die Erbes bung des ganzen Menfchen im Menfchen zu Deiner Ehre. Sende Du, o Heiliger, darum den Geift ber Reinheit in unfre Schule, der unfre Gedanfen heiliget, ber vor boͤſer Geberbe, vor boͤſem Wort, vor bifer That uns behütet.

Laß und Dein heiliges Auge in Allem erfennen, auf Daß es unfer Auge Iäutere, alles Unedle von uns verfcheuche, auf daß wir reined Herzens werden vor Dir, dem Reinen und Heiligen. Laß uns dem Geifte der Wahrhaftigfeit dies nen, ber vor Lug und Trug und jeglicher Bemäntelung der Fehler und fihert. Wie kann Lug und Trug vor Dir dem Heiligen beftehen! wie koͤnnte unfer Suneres bei folchem Thun Dir näher geführt werden!

Sende in unfre Schule den Geift wahrer nüßlicher Ruͤhrigkeit und Sinnigfeit, daß jede Lehre, ſcheine fie noch fo geringe, mit denfendem Geifte in Liebe ausgefprochen, mit denkendem Geifte in Gegenliebe 'aufgefaßt, und mit Treue beherzigt werde.

Diefer Geift fcheuche Trägheit und Bequemlichkeit, die da Leib und Seele verderben, aus unfrer Mitte; er fchaffe Ruhe, Ordnung und Pünktlichkeit in unfrem Verein. Gieße

Du den Geift der Weisheit und Liebe über une Lehrer, und den Geift der Kolgfamkeit und des willigen Gehorſams über jeden unfrer Schüler aus. Lege Du jeden Schüler an die Bruft feiner wohlwollenden Lehrer; Laß diefelben Die zu erfreuen ftreben, die da mit Sorgſamkeit ſich mähen, bie Tugend zu veredlen, Die näher gu bringen. Senfe Du, o Herr, den Geift lebendiger Frömmigkeit in unfer Imeres: den Geift der innigften Liebe zu Dir und Deinem Sohne, den Geift der Zuverficht, nach beffen Willen wir uns Dir fo ganz ergeben; den Geiſt der Demuth, nach welchem wir Deine Größe und Herrlichkeit und unfre Niedrigfeit vor Dir, und unfres Wiſſens Stuͤckwerk erfennen.

D Herr, wenn dein Geift auch unfre Schule beleben und regieren wird : fo find wir getroft, vol fröhlicher Hoffs nung! D dann wirb Reinheit des Herzens uns abdeln, Wahrhaftigkeit und beglaubigen, Aufmerkfamleit und Fleiß und verftändiger machen, Fröhlichkeit und Rührigkeit uns ftärfen, Verträglichkeit und Gehorfam uns zieren, und Frömmigkeit und befeligen!

Das verleihe und Allen nad) Deiner Gnade und um Deines Sohnes Jeſu willen, Amen, Amen!

nennen

2) Nüplihe Thaͤtigkeit. (Gebet am Montag.)

Mir danken Dir, Allgütiger! daß Du uns neugeftärtt hier wieder zufammentreten Läffeft, am unfrem Ziele näher zu fommen. Hilf Du, o ©ott, ung Kehren, daß ed und gelinge, unfre Jugend zur ftrengen Aufmerkſamkeit und zu

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fröblichens Zleiße zu führen. Laß das Beifpiel von der uns rings umgebenden Thätigfeit auch auf unfre Jugend anfpors nend wirken, und laß fie dann die. Heiterfeit der Ruhe empfinden, die auf angeftrengte Thätigfeit folgt. Du Läffer fietö, ach Herr! wir erfennen es, das Blut Durch unfre Adern reifen; das Herz raftet und ruhet erfi im Grabe; ja jedes Gefäß, jede Faſer an und verrichten unanfhörlich ihre Dienſte; die Welten fchweben in ihren Kreifen, uns aufhoͤrlich wechfeln Tag und Nacht, Regen und Sonnen ſchein; der Ader veicht dankbar Korn und Wein und wir Menfchen , mit deinem Odem begabt, wir follten in Traͤg⸗ heit (Laßheit) verfinten? Sollte die rafilofe Biene, bie bes hende, emfige Ameife, der tummelnde Vogel uns befchämen? D nein, fo darf, fo kann der Menfch, den Du fo hoch bear gabt haft, feine Kräfte nicht verfchergen. WIN unfre Schule ermatten, fo fchaue fie hin auf den Landmann, der, von der Sonne gebräunt, der drüdenden Hiße nicht achtend, fein Tagewerk vollendet, auf den Haudwerksmann, deſſen Hammer den Tag durch ertönt, und deffen Weberfchiff von der Frühe des Morgend bis zur daͤmmernden Feierflunde rauſchet, auf den einfamen Denker, den Gelehrten, den obrigkeitlichen Beamten, den Künftler, wie fte alle mit Sors gen ihres Berufes für die Wohlfahrt, Sicherheit, Belehrung ihrer Mitmenſchen befchäftigt find. Wie follten wir da ale müßige Zufchauer am Wege ftehen! Sollten die Läffigen unter und nicht umwillführlic; von einem geheimen Scham⸗ gefühl ergriffen werden? D, daß fein Müßiggänger unter ung wäre, daß Keiner e8 bliebe, daß jede That, jeder Blick des Fleißigen ihn befchämte, ihn zu verachten ſchiene! Wie könnten wir auch, o Gott, ald träge ober gefchäftige Muͤßiggaͤnger welche die hohen. Kräfte, die du ung zu großen Zwecken gegeben haft, fo fündlicdy gering fchäten aufbliden zu Dir, dem ſtets wohlthuenden Gott, der

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Du eine raftlofe Thätigkeit ringe um und in die ganze Natur gelegt haft!

Wecke Du, o Herr, den Unaufmerffamen und Kaufen, daß er nicht länger das Pfund, welches deine Güte ihm zur Förderung feines und Anderer Wohlſeyns verlieh, fo fündlich undanfbar vergrabe, und laß der Lchrer Worte Eingang in feinen fehlafenden Geift finden. Laß ihn beherzis gen, daß nuͤtzliche Thärigkeit ihn vor der Quelle des Mißs muths und fo vieler Suͤnde, vor der verberblichen Lange⸗ weile verwahre; daß nüßliche Chätigfeit fo vielfach vor fhädlichen Zerftreuungen, gefährlichen Ergoͤtzungen, vor verführerifchen Gefellfchaften, vor thörichten Beichäftiguns gen, vor Armuth und Noth, und Ergreifung nieberträchtis ger Mittel ſchuͤtzen koͤnne.

Laß ihn beherzigen,, daß Aufmerffamfeit und Fleiß die Kräfte der Seele ftärfen und vermehren, baß fie Ruhe und Zufriedenheit feined Gewiffens befördern; daß er durch fie fein Gluͤck gründen müfle, daß er ohne fie fich nicht Deines Beifalls und der Achtung und Liebe feiner Mitmenfchen, fich feines ruhigen und ehrenvollen Alters erfreuen koͤnne.

O, möchte das Alles die hier anmwefende Jugend beden⸗ fen, möchte fie es beherzigen; möchte fie hier vor Deinen Augen, o Allgegenwärtiger, den Vorſatz faſſen, diefe neue Woche mit neuem Muthe. zu nüßlicher Thaͤtigkeit anzufans gen, und mit Beharrlichfeit nach deinem heiligen Willen zu beenden; damit unfre ganze Schule eine Schule des Fleißes werde, nach deinem Wohlgefallen. Amen.

173 3) Gottesfurcht.

Gott, Du bift groß, und Dein Name ift groß! Wenn ich zurüdfchaue auf Die große Vergangenheit der Zeiten hins ter mir, auf die Ewigfeiten, ald noch fein Erbball war, und feine Sonne fchien, Fein Mondftrahl in unfre Nacht fiel, fo rufe ich aus: LUnbegreiflicher, Du bift groß! Blide ich auf die feit Sahrtaufenden nicht mehr vorhandenen. Reiche und Voͤlker, und fehe ich, wie diefe Erde gleichſam ein uns geheures Grab alles Gebornen ift, und wie ber Staub, der einen Fuß umweht, der Staub der Verweſung einer lebendigen Vorwelt ift, fo rufe ich: Unveraͤnderlicher, gros fer Gott, wie vergänglih, wie geringe bin ich vor Dir! Dente ich an meine Vorfahren, von denen mir noch bie Gefchichten meiner Heimath erzählen; und dann, daß Dies Alles war und gefchah, und daß ich nicht war, und frage: wo war ich? was war ich? wie fonnte ich werben aus dem Nichts und Deine Welt fehen? dann ftehe ich fchaudernd vor dem Raͤthſel meined Daſeyns; dann möchte ich empor zu Dir meinem Schöpfer beten, der mich rief, Aber meine Zunge wagt faum alfo zu ftammeln vor der Majeftät Dei⸗ ner unendlichen Allmacht: Herr, wie foll ich mich nnters winden, mit Div zu reden, da ich Staub und Afche bin! Richte ich meinen Blick abwärts auf den Gränzftein meines Lebens, auf die lette meiner Stunden, wo liebende Vers wandte um mich weinen, wie ich geweint habe um die früs her Heimgegangenen; denke ich, wie der Leib, den ich heute noch gegen alles Ungemach ſchuͤtze, von Erbe verſchuͤttet, ſich in Erde aufloͤſet, verweſend aus einander gehet, und wie meine Seele dann, durch deine Macht geleitet, neue Welten, neue Verhaͤltniſſe, neue Bruͤdergeiſter finden ſoll; ſo bin ich voll banges Entſetzens; das alles iſt mehr, als

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ich begreifen kann! Sch flarre in die Gefilde des Todes hinab , in die Nacht der Ewigfeiten über und Gott, Du lebſt über den Gefilden bed Todes, und der Thron deiner Herrlichkeit ftehet aufgerichtet in der Nacht der Ewigkeit !

Sch möchte zu Dir mich wenden, denn ich fühle mich einfam. Ich möchte zu Dir mich wenden, denn du bift Bas ter meines Lebens und meiner Ewigkeit. Aber ich erbebe in Gedanken vor Dir, dem Hohen, Ewigen, Berborgenen, und im kindlichen Verlangen der Liebe nach Dir fühlt meine Seele fih in Furcht und Grauen vergangen. |

Heilig, heilig, heilig bift Du, o Gott, der Herr Ze⸗ baoth! Licht, Bollfommenheiten und Bollendung Du! Ad, und wir, zu den Emwigfeiten Berufene, zur Kindfchaft des Allerheifigften Auserkohrne; wir find voller Fehler und Sünden, und find fanın wärbig, daß du unfrer gedenfeft. Aber Du bift Die ewige Liebe und das ewige Erbarmen. Durch Sefum Chriftum wurdeſt du unfer gnadenvoller Bas ter; durch ihn vetteteft Du ung vom Untergange, und willft uns nicht verftoßen. Wir dürfen auf Dich hoffen, wir duͤr⸗ fen zu Dir beten. Du bift unfer Gott im Tobe, unfer Gott jenfeit des Grabes, unſer gnädiger Richter, Wir wollen zu Div dem Richter beten; aber bie Verborbenheit unfres Herzend, die Menge unfrer Sünden tritt zwifchen ung und Did. Doch Tefus lebt, die ewige Liebe lebt! Wir dürfen zu Dir dem Richter empor blicken in den Thrä- nen ber Reue; wir find nicht verloren, Du liebeft und noch. Herr, Herr! wir wollen auch lieben und fürchten von nun an bis in Ewigfeit! Herr Gott, hilf uns day! "Amen! Amen!

175 4) Wahrhaftigkeit.

Hier ſtehen wir wiederum verſammelt durch Deine Guͤ⸗ te; Du warf unſer Schutz und Schirm in dieſer Nacht. Habe Dank, o Allgütiger, für Deine väterliche Obhut! Ach, wenn wir nur reiner und wahrhaftiger Dir dankten!

O, tämen wir endlich dahin, daß unfer Sein, unfer Thun mit unferm frommen Wort fo ganz übereinflimmte! Dazn Herr, fördere die Wahrhaftigkeit in uns, damit Lug und Trug gänzlich aus umfrer Seele weiche, und das durch eine fo ftarfe Quelle unzähliger Lafter und Sünden auf immer in und verfiege. D Gott, laß und wahrhaftig werben in Gebanfen, Wort und jeglicher That. Ad, daß wir alle es einfähen, wie wir unfre fünblichen Gedanfen fo gern entfchuldigen, wie wir dieſelben für beffer halten, als fie wirffich find, und wie wir dadurch dem Gemeinen und Niedrigen in und Nahrung geben, und unfrer wahren Vers eblung dadurch Thor und Thür verfchließen.

Erwede Du Herr Verachtung gegen ſolch' thörichtes Beginnen in und; gib, daß wir uns deſſen vor uns felbft und vor Dir, dem Reinen und Wahrhaftigen, in Wahrs heit fchämen.

Wenn glei wir aus Schonung gegen Andere oft nicht alles fagen dürfen, was wir benfen: o, fo bewahre ung, daß nie ein Wort über unfre Zunge gleite, das unfrem Herzen fremd if; damit Herz und Mund ſtets einig feien, Damit wir den Glauben bei Andern uns erhalten, und wir in, Unfhuld zu bie, dem Heiligen und Gerechten empor blicken Können.

Präge Du ed andy unfrer Tugend ind Herz, daß fie nie, um einer Unannehmlichleit zu entgehen, ihr Herz durch

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eine Lüge beflecke; ſchaffe Du in ihr Verachtung gegen jegs liches Bemaͤnteln der Kehler; denn bu weißelt ed, wie al unfer Mühen um ihre Veredlung vergeblich ift, fo lange fie Knechte der Lüge find, Laß fie ſtets bedenken, baß der Tenfel der Vater ber Füge ift, und daß wir nach dem Aus; fpruche deines Sohnes nicht ihm und Dir dienen Tonnen! O Herr, laß uns das fein, was wir fcheinen; bemwahre uns vor dem unfaubern, höllifchen Geifte der Heuchelei, laß und wahr fein in Geberde, Wort und That; wahr fein da, wo ed gegen den Bortheil geht. - Laß und bebenfen, wenn die Wahrhaftigkeit uns um ein Gut: bringt, daß wir dann ein unendlich größeres erhalten: ein unbefledttes Ge⸗ wiffen vor dir dem Herzenskuͤndiger; baß die Wahrhaftig- teit uns ftarf, und offen, und frei, und edel, und deinem heiligen Auge angenehm mache.

Hilf du und darum, daß wir nur Gutes denken, wol⸗ Ten und wuͤnſchen; Hilf und allen Leichtfint aus unfrer Seele rotten, da diefer und leider nur zu leicht in den Fall bringen, in welchem wir verfucht werben, der Wahrheit nicht die Ehre zu geben. Huf du unfre falfchen Begriffe von Ehre entfernen, daß wir beherzigen, bas nur bringe wahrhaftige Ehre, woburd wir felbft in Wahrheit beffer, und unfren Mitmenſchen nüglicher werden. Hilf, daß wir alfe fündlichen Begierden nach irdifchen Vortheilen: Eigenr nutz, Habſucht und Geiz an uns verabfchenen und bedens fen, daß diefe Later nicht mit dem Streben nach Wahrhaf: tigfeit beftehen koͤnnen. Gib ung Kraft und Muth, daß wir und erheben zu Dir dem Allgegenwärtigen und Wahr: haftigen, erheben‘ über alle Anfechtungen niedriger Lafter und Sünden. Herr Gott, feße die Wahrhaftigfeit wie eine Säule neben und, an ber wir und aufrichten, fefthäften, empor heben. Die Opferflamme ihres Hauptes zeige und den Weg zu Dir dem Reinen und Wahrhaftigen. Herr

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Bott! wir möchten die Wahrhaftigkeit. lieben von ganzer Seele, von ganzem Gemüthe und aus allen Kräften! Hilf und dazu in Gnaden. Amen!

5) Der göttlihe Namen,

Mer ift größer, herrlicher, wunderbarer und ‚gnädiger, als Du, o Ewiger, vor dem Die Mächte der Erde verfchwins den, wie einNichts, und die Pracht der Sterblichen Staub it! Kann der Gewaltigfte hienieden einen Grashalm bauen, oder einen Regentropfen vom Gewoͤlk des Himmels ziehen? Kann der Furchtbarſte auf Erden feinem Leben einen Aus genblick zulegen, wenn dad Maaß feiner Stunden voll ift?

Warım rühmen fich die Thoren ihrer Groͤße, von bes nen man nad; wenigen Sahren nichts mehr weiß? Warum dünfen fie ſich allgewaltig? Weil fie ihres Gleichen, Menfchen aus Staub gefchaffen, unterbrüden innen? Kies len nicht die Gewaltigften unter den Streichen ihrer Feinde, oder mit dem aͤrmſten Bewohner ber Erde ind gleiche Grab?

Nur Einer ift groß und allgewaltig: das bift Du, und vor Deinem Namen demüthigen ſich die Völker!

Warum erftaunen wir über Die Kunft des menfchlichen Geiſtes? Was find feine Werfe, auch die Eöftlichften ? Er hängt Staub mit Staub zufammen, um fi Hütten zu bauen, Gemwänder zu weben, ober von ben Werfen der Natur, dem äußern Scheine nach, Ebenbilder zu machen. Bauet nicht auch der thierifche Verftand finnreich feine Woh⸗ nung, wie ber Menfch, und oft zwedmäßiger, als er? Biene und Ameife muͤſſen wir auch bewundern, bewundern, wie die Vögel des Himmeld ihre Nefter wählen und aufs richten , oder ihre Reifen von Welttheil zu Welttheil.

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eine Lüge beflede; ſchaffe Du in ihr Verachtung gegen jeg⸗ liches Bemänteln ber Fehler; denn bu weißelt e8, wie all unfer Mühen um ihre Veredlung vergeblich ift, fo lange fie Knechte der Lüge find. Laß fie ſtets bedenken, baß ber Teufel der Vater der Lüge ift, und daß wir nach dem Aus- fpruche deines Sohnes nicht ihm und dir dienen koͤnnen! O Herr, laß uns das fein, was wir fcheinen; bewahre uns vor dem unfaubern, hoͤlliſchen Geifte der Heuchelei, laß und wahr fein in Geberde, Wort und That; wahr fein da, wo es gegen den Vortheil geht. - Laß und bebenfen, wenn die Wahrhaftigfeit ung um ein Gut bringt, daß wir dann ein unendlich größeres erhalten: ein unbeflecktes Ge⸗ wiffen vor bir dem SHerzensfündiger; daß die Wahrhaftigs teit uns ſtark, und offen, und frei, und edel, und deinem heiligen Auge angenehm mache.

Hilf du uns darum, daß wir nur Gutes denten, wol⸗ len und wuͤnſchen; hilf uns allen Leichtſinn aus unſrer Seele rotten, da dieſer uns leider nur zu leicht in den Fall bringen, in welchem wir verſucht werden, der Wahrheit nicht die Ehre zu geben. Hilf du unſre falſchen Begriffe von Ehre entfernen, daß wir beherzigen, das nur bringe wahrhaftige Ehre, wodurch wir ſelbſt in Wahrheit beſſer, und unſren Mitmenſchen nuͤtzlicher werden. Hilf, daß wir alle ſuͤndlichen Begierden nach irdiſchen Vortheilen: Eigen⸗ nutz, Habſucht und Geiz an uns verabſcheuen und beden⸗ fen, daß dieſe Laſter nicht mit dem Streben nach Wahrhaf- tigfeit beftehen Finnen. Gib und Kraft und Muth, daß wir und erheben zu Dir dem Allgegenwärtigen und Wahrs haftigen, erheben‘ über alle Anfechtungen niedriger Lafter und Sünden. Herr Gott, fege die Wahrhaftigfeit wie eine Säule neben und, an ber wir und aufrichten,' fefthäften, empor heben. Die Opferflamme ihres Hauptes zeige und den Weg zu Dir dem Reinen und Wahrhaftigen. Herr

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Bott! wir möchten die Wahrhaftigkeit. lieben von ganzer Seele, von ganzem Gemüthe und aus allen Kräften! Hilf ‚und dazu in Gnaden. Amen!

5) Der göttlihe Namen.

Mer ift größer, herrlicher, wunderbarer und ‚gnädiger, als Du, o Ewiger, vor dem Die Mächte der Erde verfchwins den., wie ein Nichts, und die Pracht der Sterblichen Staub ist! Kann der Gewaltigfte bienieben einen Grashalm bauen, ober .einen Regentropfen vom Gewoͤlk des Himmels ziehen? Kann der Furchtbarfte auf Erden feinem Leben einen Aus genblict zulegen, wenn das Maaß feiner Stunden voll it?

Warım rühmen ſich die. Thoren ihrer Größe, von bes nen man nach. wenigen Ssahren nichts mehr weiß? Warum dünken fie ſich allgewaltig? Weil fie ihres Gleichen, Menfchen aus Staub gefchaffen, unterbrüden innen? Fie⸗ len. nicht :die Gewaltigften unter den Streichen ihrer Feinde, oder mit dem Armiten Bewohner der Erde ins gleiche Grab?

Nur Einer ift groß und allgewaltig: das bift Du, und vor Deinem Namen demüthigen ſich bie Voͤlker! E

Warum erftaunen wir über die Kunft des menfchlichen Geiſtes? Was find feine Werke, auch die Eöftlichften ? Er hängt Staub mit Staub zufammen, um fi Hütten zu bauen, Gemwänder zu weben, oder von den Werfen ber Natur, dem Außern Scheine nad, Ehbenbilder zu machen. Bauet nicht auch der thierifche Verſtand finnreich feine Woh⸗ nung, wie der Menfch, unb oft zwedinäßiger, als er? Biene und Ameife muͤſſen wir auch bewundern, bewundern, wie Die Bögel des Himmels ihre Nefter wählen und aufs richten, oder ihre Reifen von Welttheil zu Welttheil.

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Kein, wie erkennen ed, mir Du bift unendlich weife, anbegreiflicy wunderbar in Deinen Werfen. Da fügft nicht Staub zu Staube, wie das Thier, oder der Züuftliche Menfch, fondern Du durchdringeft den Staub mit verborges nen Kräften und Seelen, daß Alles lebt in Deiner wunder baren Schöpfung! Was preifen wir, das nicht Dein Werk wäre? Was lieben wir, bas Du nicht gebildet? Was entzüct uns hienieden, das nicht eine Wundergabe Deiner Huld wäre? Was fürchten. wir das nicht Deinem Scepter unteribänig wäre? Was haffen wir, das nicht Du allein verleihen Bunte Je Finger wie Dich im Deinen uner⸗ meßlichen, Schoͤpfengen beiuadgten, uber im Wechfel Des Lichts. und ber. Finſterniß unſrer Schickſale: deſto tiefere Ehrfurcht empfindet unſen gauzes Weſen vor Dir dem Gro⸗ Ben, dem. Unnennbar⸗Erhabenen, dem Heiligen! Wir ru⸗ fen anbetend wie. Paulus: „„D: welch eine Tiefe des Reich⸗ thums, beibed,. der Weisheit: und Erkenutniß Gottes! Wie ‚gar. unbegreiflich find. Deine Gerichte und unexforſchlich Deine. Wege! Denn wer hef. Deinen Sim erkannt, ober wer iſt Dein Rathgeber geweſen? Oder wer hat Dir etmas zuvorgegeben, das Dir werde wieder vergolten ? Denn von Dir, und durch Dich, und in Dir ſind alle Dinge; Dir ſei Ehre in Ewigkeit! Amen!

6) Reinheit der Seele, (Gebet am Kreitag.)

Heute an. Deinem Leibendtage., theuver Heiland, tveten wis im Geiſte an Dein Kreuz, und rufen und eine Deiner göttlichen Lehren ind Gedaͤchtniß zuruͤck. D möchte das Herz dieſelbe warm. erfaflen und treulich bewahren.

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„Selig find, bie reines Herzens find, denn fle werben Gott ſchanen,“ ſprach einſt Dein göttficher Mund, und Dein Leben, ja Dein bitteres Leiden bewahrheitete Deine Lehte. Reines Herzens ſollen wir ſein, um des hoͤchſten Gutes theilhaftig zu werden. Nun kennen wir das hoͤchfte Gut der Seelen, nach weichen unſre Seele ſich ſehnen foll: Gott ſchauen. Sind wir reines Herzens, wie Du unfer Heiland? Haben wir unſer Herz und unfrem Willen gerei⸗ nigt von Allen fünbfichen Vorfäten und Entſchluͤſſen ? Has ben wir alle Keindfchaften, ale Mißhelligkeiten, allen Netb and uns entfemt? Haben wir unfre fündlihen Begierben, anfre Fafterhaften Wuͤnſche, unfre beleidigenden, ung ſelbſt entehrenden Gewohnheiten andgerottet? Stehen wir wie nengeſchaffene, beffere Menfchen da? : Cheurer Heiland, wir wollen in die Einfamfeit gehen, wollen dort unſer Herz prüfen, wollen unterfuchen, welche Fehler uns verunreinis gen, welche Begierden, ‚welche Leidenſchaften uns von bir Erlangung bes höchfter Gutes trennen; wollen prüfer, an welcher Tugend ed uns noch gebricht, bie uns bei Gott und Menfchen Tiebenswärdiger machen könnte; pruͤfen, ob wir die Tugend wirflich Äben, die wir preifen; ob alfe unſre Bemühungen dahin gerichtet find, in unfrem Wirk freife wahre Wohlthäter zw fein. Wir wollen uns jeden Abend fragen, ob wir irgend einem Menfchen am Tage einen Dienft geleiftet, -eine Freude gemacht haben, wäre es auch von unfrer Seite mit Aufopferung gefchehen. D dann werben wir täglich mehr Herzensreinheit erlangen; dann werben wir Dir unfrem erhabenen Borbilde ähnlicher, und mit Div werben wir dann den ewigen Bater fchauen, mit unfrem ganzen Wefen Gott fühlen. Das Bewußtfein der Reinheit wird und dann, gleich Dir, einen Himmel in die Bruft ſenken, der durch gewoͤhnliches Ungemach ded Lebens nicht getrübt wird, : Wir werben dann in Deinen Fuß

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fiapfen. vor. Gott wandeln, in ihm leben und weben, in allen .wunbernollen. Erfcheinungen Seines Weltalls nur Ihn fehen; Ihn fchauen,. wo Finfterniß das Auge ber Sterbli- hen umhuͤllt, in allen Scidfalen, (ſeltſamen VBerwideluns gen). unfres Lebens; Seine Liebe und Güte ſchauen in allen angenehmen und unangenehmen. Begegnifien. Bereinigt mit Ihm durch Dich wird unfre Seele dem Allgegenwärtis gen überall begeguen. Er wird Sid, unfrem Gemüthe of fenbaren, wenn wir im Gebet voller Inbrunſt vor Ihm nie⸗ berfinten, ober wenn wir hingehen, einen unglädfeligen Bruder: zu erretten. So. haft. Du, theurer Heiland, ihn ger ſchaut, als Du in Gethfemane weinteft, ald Du am Kreuze noch fierbend für. das Heil ber Welt beteteft, und. als Du, ein Sieger Aber Tob und Grab, wieber der erfiaunten Welt

Und wenn einft unfer gebrochenes Auge im Tode die Melt nicht mehr erfennen mag, und bas Göttliche in ung ganz: entbunden fein wird, indem das Menfchliche zum todten Staub zufsmmenfinft: dann wirb bie. fchönere Ges burtsftunde fchlagen, bie.auf Erden Tod, im Himmel aber Erwaden heißt, und die Reinen werden dann mit unend- licher Wonne Gott ſchauen, wie Du. D Du reiner Heis land, mache Du unfer Herz rein! Amen!

7) Gott iſt die Liebe.

O Gott, durch Deinen eingebornen Sohn erkennen wir Dich, als die reinſte Liebe; erkennen, daß kein Boͤſes in Dir denkbar iſt, und keine menſchliche Schwachheit, als: Zorn und Rache, Haß: und. Neue; erkennen, daß im gan⸗ zen Weltall nichts Boͤſes iſt, als die Suͤnde, das Werk

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mißbrauchter Freiheit des Menfchen. Schmerz dient zur Beflerung und Belehrung, dient zu Deinen Orbnungen, o Altweifer, und gehört fowol den Geſetzen der todten Natur, als auch der Iebendigen in nnd an. Wir erkennen es, daß wir die Urheber unfrer meiften Leiden find, indem wie in der Leidenfchaft, gleich Blinden; gegen die cherne, ewige Verfaffung der Schöpfung handeln, gleich dem Kinde, das mit der Hand ind Feuer greift. Das aber find Deine weis fen Ordnungen auf Erden, daß wir weifer, daß wir taͤg⸗ lich einſichtsvoller, daß wir tugenbhafter und Dir ergebener werben follen. Roth und Schmerz find unfre Lehrer und Wegweiſer zum Vollkommnen; das lehrt und felbft die ſtum⸗ me Natur. Ja, ach präge ed unfrem fchwachen Herzen tief ein: Du bift der Gott der reinften Liebe, auch in: den zerftörendften, furchtbarften Werfen der Natur. Du ware delft ja nur den Staub um, den Leib des Menfchen, Du zerftdreft ja nicht den Menfchen ſelbſt, ben ewigen Geift. Wer will aber das Ende alles irdifchen Uebels ein Uebel nennen? In Noth und Tod laß und beten: „Herr, wenn ich nur Dich habe, was frage ich viel nady Simmel und Erde!” Wie ſollten wir thöricht genug fein, Deine reine Liebe zu verfennen, weil Du Menfchen, auf und unange nehmen Wegen, dem Ziele ihrer Bellimmung entgegen führeft! O Herr, laß und Deine Liebe nicht hinwegzwei⸗ fein; denn fonft ftehen wir verlaflen in der Welt da, und troſtlos, und Alles ift uns ein finfteres Räthfel. Du ſchu⸗ feft Liebe für das Schöne, Wahre, Gute, Heilige, Bolls fommene im ganzen Geiſterreiche; Deine liebende Weiss heit verfündigt fich in allen Wundern der Erde und des Himmels. Du bift, o Gott, die hoͤchſte Liebe! Du gabft ung diefes heilige Gefühl nicht vergebend. Auch diefed Ges fühl, welches Seelen an Seelen innig kettet, und lebende an Berflärte fchließt,, auch dies ift einer von den Strahlen

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Deiner unbegrängten Bollfommenheit, bie fich treu im In⸗ nern des menfchlishen Geiſtes abſpiegelt. Du bift die reinſte Lehe! Sagt es nicht Deine ganze Schöpfung, ein Tag dem auberen, eine Radıt der anderen? Sagt es nicht unfer ganzer Lebenslauf, fagt 23 nicht Jeſus Chriſtus, Der goͤtt⸗ liche Heilaud ber Menichheit ?

Du bift Die ewige. Riebe! Du treunefl nie, was Du unter guten Seiftern verbandeſt; Du trenneft, Bater, uns Deine Kinder, wicht wieder non Dir, Du ſandteſt Je⸗ fu, daß er uns eridiete, uns gu Dir führe. Du trenneft, Bater, wicht wieder die Liebenden Geiſter, welche Du auf Erden sufaummenführtefl, wenn eigene Unwuͤrdigkeit nicht dieſe ſelbt ſcheidet. Sie bleiben einander verbunden, wie im Staube, fo über deu Stanbe; fie finden fh einan⸗ der wieder in Der, Du Bitte aller Seligkeit und «alles Geiſtigen!

O, eutzuͤckender Gebanken, begeiſternde Ausſicht! Du biſt die Liebe, und was in der Liebe wohnt, kann nicht eſend fein, kann nicht vergehen.

Darnm Herr, hilf, daß auch wir in Deiner Bicbe blei⸗ Gen. Wecke Du in und reine Liche gu Dir, zu Deines Menſchen, unſren Bröpeen, auf Daß wir Dein Augeſicht fushen, and. täglich unfren Mitmenſchen ungeheucheltes Wohlwollen exweiſen, fie zu erfreuen fireben, Herr, Jaß uns eifrig Geben ales Gute, und Wahre, uud Schöne. Laß Deinen Geik per Liebe aus durchdringen, Daß er im Gedanken, Wort' und jeglicher That uns heilige. Amen!

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8) Elternverehrung a, u

Gerechter Gott, durch deſſen Guͤte wir wiederum nen geſtaͤrkt hier verſammelt find, Du geboteſt einſt dem Men⸗

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fchen für ewige Zeiten feinen Eltern Liebe und Ehrfurcht zu erweifen, ihnen ſtill und froh zu gehorchen, usb ver hießeſt den Elternliebenden Kindern dauerndes Wohlergehen, Doch, wie kaun der Menſch Deine Gebote halten, wet Du Selbft ihm nicht beifieheftl Gieße Du darum in das Kinderherz mehr und mehr reine Liebe, gib Du. ben Trieb zum freubigfien Gehorſam, und fei Du bemfelben mahe in den Eltern.

Laß Du die hier verſammelte Jugend einfehen, def Pr uf Erben Leim feſteres, innigered Band gibt, als jenes heilige, welches das Herz ber Kinder, au bas Herz derer feſſelt, denen fie naͤchſt Dir ihr Daſein, ihr Gluͤck ſchuldig ſind. Haben wir ſelbſt fuͤr Dich, erhabener Schoͤpfer des Weltalls! einen ſuͤßeren Namen erfinden koͤnnen, ber mus frem Herzen wohlthuenber wäre, ald ber. Rawien „Bater”’? Der Batersund Mutternamen war das erfte, was wir. auf Erden kammeln lernten; Dad weite, was mus Haminbigen einft Freude unb Troft gab. Laß fie alte es einsehen, daß es fein fefteres , kein innigeres Band auf Erben gibt, : als jenes Heilige, durch welches Die Hand ber Natur, Dame Baterhand, das Herz ded Kindes an das Herz der Eltern bindet. Ja, o möchten fie es erkennen, ſchoͤn find auf Er⸗ den bie Verbindungen der Freundſchaft und Liebe; ſuͤß iſt ed dem Freunde feine Freuden mit einem Freunde zu thei⸗ len, ber innig vertrauten Seele feine Klagen eroͤffnen gu. Können; aber Sabre, Umſtaͤnde, Sitten, Ungleichheit ber Scidfale unb Meinungen haben unterm. Monde fchen. fo manchen Freundfchaftsbund gebrochen! Nur bie Neigung und Ehrfurcht bes Kindes zu ben Eltern, die haſt Du, ghtiger Schöpfer, fo tief in ber Seele Imnerſtes gelegt; darum laͤßt diefe fich nie ganz brechen. Und wenn der Ers wachfene bie Gefpielen feiner Jugendtage, die Genoflen feiner männlichen Leiden, in den Zerfireuungen und fremden

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Berhältnifien vergeffen mag: feiner Eltern kann doch auch das ungerathenfte der Kinder nie vergeflen. Es muß nad Deiner Einrichtung ihrer gebenten, fei es mit zärtlichem Entzüden, mit liebender Wehmuth, oder mit der Bangig- keit eines zitternden Gewiſſens. O, wie oft ift auf Erden das fchönfte Band der Freundfchaft und Liebe zerriffen; aber das Herz des Kindes fcheidet Feine Leidenfchaft,, Fein Veberdruß, fein Mißtrauen, keine fpätere Zeit vom Hers zen ber Eltern. Auch das lingerathenfte der Kinder ficht mit bem Schmerz eines vorwurfoollen Bewußtfeind auf die Tage ber Sugend zuräd, da es harmlos. im Arm bed Bas ters ruhen, . und ſich der unveränderlichen Muttertreue ers freuen fonnte, und erröthet, wenn es fich von denen ents fernt und derer fich unwuͤrdig gemacht hat, welchen es nebft Dir, o Gott, fein Dafein, feine Erziehung, die erite - Grundlage feines Wohlfeine fchuldig ifl.

Manche Tugend ift untergegangen, mandhe ſchoͤne Em⸗ pfindung ſtarb unter dem Gifthauch der Verfuͤhrung; aber die Elternverehrung kann, auch in dem vollendetſten Boͤſe⸗ wicht, nicht ganz vertilgt werden. Noch heute, wie in dem grauen Alterthum der Menſchheit ſprichſt Du in jedem menſchlichen Gefuͤhle: „Ein Auge, das den Vater verſpot⸗ tet, und verachtet der Mutter zu gehorchen, das muͤſſen die Naben am Bache aushacken, und die jungen Adler freſ⸗ fen. O, möchten wir alle es erkennen: bie Ehrfurcht vor den Eltern ift unter allen Tugenden bed Menfchen bie erſte, welde er empfindet, kennen lernt und übt. Gie treibt ihre Wurzel am früheften in bie Tiefe bes- findlichen Semüthes hinab, und daher ift fie nie ganz auszurotten. Sie ift ver heilige und ewige Funken, ber in unſrer Bruſt glimmt, wenn fcdhon andere Gefühle des Wahren, des Edlen und bes Rechts in uns ausgeftorben fein mögen, und an welchem fich fchon oft wieber andere Tugenden ents

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zänbet haben, wenn diefe laͤngſt verlofchen gewefen find. D Gott, Laß diefed die hier verfammelte Jugend ganz ers fennen, damit die Eiternliebe mehr und mehr klar hervor⸗ trete in ihren Gedanken, Worten und Thaten! Amen! %

9) Elternverehrung b.

Ehre Vater und Mutter, ſpricht Dein heiliges Gebot, und Deine Güte und Liebe prägte biefelbe jedem Menfchens herzen: fo tief ein. Aber, wenn mn bie Eiternverehrung nie ganz verfchwinden kann, Tann fie in uns doch vermin⸗ dert werden? Sollte dann doch in Einem unter uns biefe von Dir angezündete Flamme zum ſchwach glimmenden Zunten werden innen? Wehe dem Menfchen, in welchem diefes möglich ift! Wehe dem Ungeheuer, das die Mutter vergeffen, an deren Bruft es Leben fog, das ben Vater verfchmähen kann, ber ihm Nahrung, und Freude, und Schutz gab, oft mit feines eigenen Lebens Gefahr, oft mit dem Opfer feiner Ruhe und feines eigenen Friedens! Wehe dem Ungehjener; denn für feine Undankbarkeit hat felbft Die menſch⸗ liche Zunge noch feinen Namen erfunden; feine Abſcheulich⸗ keit fpricht nur der Mund der Hölle aus! O Herr, bewahre jeden unter ums vor: Undank gegen Vater und Mutter!

9 Dieſe Gebete a, b, e, enthalten zu viele Darſtelung, das fühle ich ſehr wohl, Die Rothwendigkeit und Natürlichkeit der Giteruliche werden aber um fo ehrfurchtsvoller von bem Herzen ber Jugend erfaßt, wenn biefelben in. der Form eines Gebetes dargeftellt wers den. Man Tann biefe Darftellung aber auch anderwärts, als in einem Gebete gebrauchen, ober Tann bie Zorm ändern. Ich wollte diefe Liebe als eine Saupteigenfchaft der Schulzucht nur nicht über: gehen, und auch über diefen Gegenſtand nicht zu viele Gebete liefern.

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Laß Keinen von uns fo undankbar fein, daß er, durch Gluͤck und Zufall emporgehoben, fich feiner geringeren Her⸗ kunft fchämte, und vor dem Kamen feiner Eltern erröthen möchte. Laß Keinen unter und fo unbantbar fein, der bem betagten Vater, der alten kraͤnklichen Mutter nur mit Un- willen und Härte das lebte Brot reichen, und mit Berlans gen auf deren Tod warten follte! Bewahre in Gnaben Jeden unter und vor der Gewiffenlofigfeit, die da Fein Bes denken trägt, die gutmüthigen, ach oft zu fchwachen Eitern um das wohlerworbene Ihrige zu betrügen! Bewahre Se ben unter uns vor der Unempfindlichkeit, Die da gleichgültig {ft bei der Mutter Leiden, die doch fo manche Schmerzens⸗ nadıt für ihn am Krankenbette gewacht hat; Die da gleich gültig ift bei ded Vaters Noch, der ehemals nicht Sorge, nicht Mühe, nicht Froſt, nicht Hitze fcheute, um ihm ein ehrenvolles Auskommen zu erwerben! Bewahre in Gnaben Jeden von und, Daß er fh den Kaftern fich ergebend: ber Wolluft, der Spielfucht, ber Verſchwendung, der Traͤg⸗ heit froͤhnend in Schimpf und Schande ftürzen Sollte, uneingebenf der heißen Mutterthraͤnen, gleichgältig gegen des Vaters gerechten Zorn, ober feine Seufzer; gleichgültig ob auch unter Schmerz und getäufchten Hoffnungen das Haar der Ehrwärdigen ergraut; gleichgültig, ob auch ber Kummer fie ind Grab drüdt. O, mit welchem Gefühl wollte diefer Elende zu Dir, dem ewigen Vater im Himmel beten, da er bed Baterd und der Mutter nicht achtet, bie auf Erden Deine, der Gottheit Stelle, vertreten!

Wie mag der Elende Jeſum Chriſtum lieben, und fid) bes durch Ihn erworbenen Heild erfreuen, da er nicht die⸗ jenigen mit Ehrfurcht und Innigkeit Tiebet, die zuerfl in fein Herz das Gefühl der Religion zu fenken ftrebten, und ihn mit Liebe umfingen, ehe er fie kannte? Mit welchem Blick fchauet Diefer Elende zum Himmel empor, auf zur

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Ewigfeit, wo biejenigen feine erften Anfläger fein mäffen, bie feine erſten Fürfprecher fein follten? mo diejenigen einft ſtehen, die nicht zu Dir, dem Weltenrichter, ſprechen koͤn⸗ sen: Herr, hiee find fie wieder, bie Du und gegeben! D, guäbiger Bott, bewahre eben, baß er nidyt mit verkehr⸗ tem, gefühllofen Herzen bie heilige Liebe und Ehrfurcht vers Käugue, die er den Schöpfern feiner Tage, den Erhalten, Deu Erziehern feiner Tugend ſchuldig if; auf daß er nicht ein Batermörder, in Muttermoͤrder werde, und mit Hart Berzigfeit bie mit Undank Belohnten ins Grab ftoße.

Besyahre in Gnaden, Jeden unter und, daß er bes Segens feiner Eltern uicht fpotte, und nit ungehorfam ihren Lehren, dahin eile, mit Laſtern befledt, ſich in Ver⸗ geben und Schulden flürze, mit Schande und Schmach Dornentronen für das graue Haupt bed Vaters und ber Mutter Hechte, und es nicht ſein Werk fei, daß Vater und Mutter wit Leid in bie Grube fahren. Amen!

10) Elternverehrung c.

Deu Wort, o fter! Ichrt uns: „Ihr Kinder feid gehorſam euern Eltern in dem Herrn, denn das ift billig; es lehrt uns: „Ehre Bater und Mutter; das ift das erfle Gebot, das Verbeißung hat, auf baß dirs wohlgehe, und bu Iange lebeſt auf Erden.” Präge Du biefe Deine Worte tief ig das Innerſte auch unſrer Jugend, damit Seder unter uns feine Eltern verehre und ihnen ſtill gehorche, als ſolchen, die bei ihm fliehen an Gottes Statt, Bedaͤchte doch jebes Kind, Daß: es feinen Eltern naͤchſt Dir, Leben, Nabe zung und Freude ſchon zu einer Zeit verdanfte, in welcher es ihnen noch nichts geben konnte, ale Sorge und Angſt;

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daß fie damals ſchon für fein zeitfiches Wohl, fär feine Gefundheit, für feine Ehre wachten; daß fie ftets für bie Bildimg feines Herzens forgten, und es fchon für die Ewig⸗ feit erzogen, als es noch kaum das irbifche Leben recht kannte. Ach ja, in unfrer Liebe zu Bater und Mutter: Abet und entwidelt ſich auch unfre Liebe zu Dir, o großer Schöpfer! Die Liebe zu ben Eltern ift ja die erfte Religion des Kindes. Aus diefer Liebe quellen, ober mit ihr vers Binden fich nachher alle Äbrigen Tugenden des Menfchen. Wer feinen Vater von Herzen ehrt, wer feine Mutter von Herzen liebt, der ift zu allem Guten und Großen fähig. Diefe Ehrfurcht ift der ftarfe Schutzengel der kindlichen Un⸗ ſchuld, und ber eiferne Stab, an welchem ſich auch ber Gefallene wieder aufrichte. Laß das unfre Ingend mit Klarheit ertennen!

Gib, daß Jeder Vater und Mutter gehorche mit freu⸗ diger Seele und ohne Murrenz; denn was ihm zum Beſten dDienet, das willen fie am beiten. Ihre Erfahrung ift ihm zur Weisheit. Sie mögen ihn kuͤſſen oder ftrafen, immer ifts ihre Liebe, die ihn belohnt, ihre Liebe, die ihn ftraft.

Dein Willen, o Allerhoͤchſter! ift es, Vater und Mutter nicht nur durch die Unterwärftgfeit des Willens fo lange das Kind unmändig und ihrer Fürforge überlaffen ift, ſon⸗ dern auch Durch Außerliches Betragen, durch liebevolle Ehrer⸗ bietung in Worten, Geberden und Handlungen auch dann zu ehren, wenn ed nicht mehr unter ihrer unmittelbaren Obhut fiehet. Du fprichft durch die Stimme bed Gemüthes zu und: Ehre deine Eltern, auch wenn‘ du nicht mehr ihrer Leitung unterworfen bift, und vergiß nie, nie, was fie dir Gutes gethan haben. Ehre ben Bater, der um beinetwillen manche forgenvolle Nacht durchmachte, wenn du kummerlos einfchliefeft; der fir dich zum Höchiten betete, wenn du freudig deinen Spielen nachjagteft; der bir manche Freude

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verfagte, um bir diejelbe aufzufparen; ber manchen Tropfen Scweißed vergoß, um dir in der Welt ein angenehmes Loos zu verfchaffen. Ach, er hat fo lange, und nur für Dich gelebt, o Süngling, 9 Tochter, lebe nun dankbar auch für ihn, Ehre die Mutter, bie fchon über deiner Wiege Thraͤnen der Liebe und des Kummer weint. Ach, womit willſt du dieſe Liebe, biefe Thränen vergelten, wenn nicht mit ber zärtlichiten Aufmerkfamfeit für ihre fpätern Tage? Wenn wir einen froben Säugling an feiner Mutter Buſen erblicken, fo wollen wir denken: fo lag auch ich einft huͤlflos an der Bruft der meinigen, und von Niemandem fo heiß geliebt, ald von ihr. Wenn wir eine Mutter voll Ents zuͤckens mit ihrem Kinde tänbeln, ober fie mit bleichgehärns ter Wange am Kranfenlager ihres Lieblings fehen, fo wol len wir denfen: fo empfand auch beine Mutter für Dich das gleiche Entzäden, den gleichen Schmerz. Ach, wie koͤnnte ich aufhören, die zu lieben, bie aus Liebe für mich fo - gern oft in den Tod gegangen wäre? Wie Eönnte ich ihr die zärtlichfle Ehrerbietung verweigern, welcher, unter allen Menſchen auf Erben, ich das Hoͤchſte fchulbig bin! Wem nicht Vater, nicht Mutter ehrwuͤrdig find, dem ift unter dem Himmel nichts ehrwuͤrdig, ber hat ein Herz zu allen Verbrechen reif! Darum, o Gott, gib Elternliebe ins Herz diefer Tugend, und ein heißes Beſtreben, bereinft ber Pfleger, Verforger und Beichüger ber alten Eltern zu wers den! Hilf ung, o Gott, daß wir diefelben durch ein ruͤhm⸗ liches Leben felbit nad) ihrem Tode noch ehren! Ad, wir waren auf ihrem Sterbebette vielleicht ihre letzte Sorge, ihr legter Kummer, ihre legte Freube, ihr Iebted Gebet! So fei ihr Grab uns noch ein Heiligtum! So fei ihr Namen und bie Erinnerung an ihr Liebevolles Leben noch unſer Stolz, unfre Freude! So fei der Blick auf fie, auf bie Ewigkeit, wo tiefer Frieden wohnt, noch unfre Hoffnung.

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D, daß Geber von und dann ſprechen Tinte: Vater! Mut⸗ ter! Verflärte! Ihr nun höhere Weſen. Sehnſucht und Wehmuth beffemmen mein Herz. Shr ftarbet mit der Liebe für mic im Herzen, nachdem Ihr wie Engel Gottes um mich wanbeltet, und für mich wachtet. Einft an meinem neuen Lebensmorgen werbe ich hermfehren zu Euch, Dort wo ihr mein harret, und wo Eure umfterbliche Liebe ſchoͤner für mich blüht, als anf Erben.

Gott, Gott, gib mir Kraft, daß ich auf Erben würs dig wandle, um Die Heißgeliebten dort wieber zu finden; daß ich ihr Andenfen durch Feine fchlechte That entweihe; daß ich in der Heiligkeit und Tugend meines Erldferd vol Iende, in welcher fie vollendeten! Und wenn bie Sünde ſich fchmeichelnd meinem Herzen naht, wenn die Verführung ihre Nee wider mich ausfpannt; wenn ich ſchwach werbe, und am Rande eines lafterhaften Entfchluffes wanfe; wenn ich von wilden Wünfchen und Begierben faft übermannt, meiner felbft unwürdig zu werben in Gefahr fchwebe: o Gott, gib, daß dann VBatertreue, dann Mutterliebe, dann Elternehre, dem Wankenden ald Schußgeifter feiner Seele erfcheinen! Wie ihre Hand mich einft zum Bunde mit dir, o Sott, geführt, fo führe mich die Erinnerung an fie wies ber in die Arme der Tugend und Religion, zu Dir dem höchften Gut! Sa, ja, wir wollen Vater und Mutter ehren, fo lange wir leben! Dazu verhelfe und allen all mächtiger Gott! Amen!

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11) Am Geburtstage unfres geliebten Könige.

(Am 3 Auguſt.)

Großer Gott! Urquell der Gnade und Weisheit! wir Danfen Dir aus dem Sinnerften bed Herzens, daß Du uns Diefen feierlichen Morgen, an welchem wir wiebernm das Geburtsfeſt unfres theuren Königs begehen, in Gefundheit haft erleben laſſen; daß Du ihn, unſren geliebten Lanbeös vater, und zum Heile und zur Freude, im beften Wohlſein erhalten haft, Du, gnadenreicher Gott, haft ihn, den une hochtheuren Mann, ach jet erfennen wir ed, ganz mit hoͤchſter Liebe und Weisheit von dem Augenblicke an .geleis set, wo er das freundliche Licht des Erdentages begrüßte, bis in die Sahre der Reife, bis an dieſen Tag, deſſen Cfreunblicyer) Morgen die Zahl feiner Getreuen jnbelnd bes grüßt. Als er noch ſchwach und zart, ein hinfälliges Kind, von taufend Gefahren umgeben war, die er nicht kannte, nicht ahnete, Pa führtefi Da ihn an Deiner Hand, und Ieiteteft ihn nad) Deinem Rath. Als er in den Jahren re fer Jugend taufendfachen Zauber der Verführung Preis gegeben war, ba haft Du ihn vor verberblicher Berirrung behätet, vor Stunde bewahrt. Als er zum Manne herauf geblühet war, führteft Du eine eble, zarte Gattin an feine Seite, unſres Landes Muſter der Weiblichkeit und des Gottvertrauens, und machteſt ihn zum hochbegluͤckten Vater. Du gabſt ihm das Scepter in die Hand, darauf ihm die Worte bald lesbar wurden: „in Leid und rend ein Bater, ein Hort dem treuen, zartliebenden Wolfe. Bald lag er, ja, wir vergeffen ed nie, in ſchweren, be denklichen Leiden, gebrüdt von der eifernen Zeit, darnieder, ohne Hoffnung auf baldige Rettung, dag Herz vol Trau⸗

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rigfeit und. Wehmuth, und feine getreuen Unterthanen jam⸗ merten und zagten.

Da flärkteft Du, Allgütiger! fein und feines Bolfes erfchöpfte Kraft; da erheiterteft Du das trübe Auge, und gofleft einen neuen Lebensquell in den ermatteten Körper. Du gabft ihm trene Raͤthe, und Tießeft feinen Geift und fein Herz in Erkenntniß und Zugend wachen; ja Du, Du führteft ihn zum Quell der Weisheit, und lehrteſt ihn mit ämmer: größerer Reinheit das Gute kennen und lieben. Je größer die Noth, deſto näher Du und, o Gott! Da fam Hie Zeit der Mühen und Sorgen, des Kampfes und jeglicher Anftrengung noch näher und näher; Du aber, o Herr, gabft ihm, unfrem Schiem und Hort, männliche Beharrlichkeit, hobeft ihn uͤber ruͤchhaltende Sorgen hinweg, bepanzerteft ihn mit hohem Muthe, und gürteteft ihm das Schwert der Gerech⸗ tigkeit um feine Lenden; Du ließeft Die Treue feines Volkes iebend um ihn fiehen und madhteft ihn herrlich und groß! ihn und fein Volk!

‚Aber der wahren Ruhe des Innern fchritten noch ſchmerz⸗ hafte Erfahrungen voraus: da follte der Drud in Zügello- figleit, dumpfes Schweigen, in uͤbermuͤthigen Tadel aus⸗ arten, bad Uebermaaß von Kraft fuchte nicht immer weife den Ableiter; Biele wollten Erfab für die erlittenen Ver⸗ Eufte, DBelohmung für geleiftete Dienfte, und Keiner follte dennoch verlieren. Da wollte fo mancher nach eigener An⸗ fiht rathen und helfen, da doch nur Einheit am beiten ra- thet und hilft. Da mochte oft ber, dem Du das Stepter vertraut, rathlos baftehen und huͤlflos, und in die Zukunft fchauen mit einem Herzen voll banger Beforgniß; aber Du, o Höchfter, ſtandeſt ihm hülfreich zur Seite, und führteft durch ihn alles herrlich hinaus,

Geläutert durch Trübfal, befeftigt im Buten, weifer durch vielfache Erfahrungen, : voll Vertrauen und. Muth

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begrüßt gewiß: unfer Vater bes Landes ben ‚heutigen Mor⸗ gen. Freundlich kommen mit ihren - herzlichen -Wünfchen die Großen des Reiches, und aufrichtig bringen heute Tau⸗ fende Dir, Gott der Güte, den Dank des warmen Herzens. Auch wir Fonnen nicht zuruͤckbleiben, Urquell der Gnade Wie aber follen wir Dir danfen, o Gott! für fo viel Se gen? Wie follen wir Deine Güte würdiglich preiſen? Herr, Gott! wir wollen: fireben,. des Vaters wuͤrdig zu wers den, den Deine Gnade und gegeben; wir wollen im haͤus⸗ lichen Kreife und in unfrem Berufe Gluͤck und Wohlſein nach Kraͤften verbreiten, wie unſer Koͤnig, geſtaͤrkt durch Dich, und fernerhin vorgehen mag! Wir wollen wie er, treu und gewiffenhaft fein in Erfüllung der Pflichten; wol - len wie er Thraͤnen trodnen, Wunden heilen, unſer fluͤch⸗ tiges Leben mit guten Thaten bezeichnen, auf. daß auch un⸗ fer Leben, wie das unfres theuern Königs „nicht ſpurlos umntergehe, und unfer Gebächtniß lange nach uns im Segen verbleibe. O Herr, ftärfe Du dieſen Entfchluß in - uns; ‚gib und dazu die Kraft, daß wird vermögen, bie Beharrs lichkeit, daß wirs durchführen unfer Lebenlang; auch diefe gute Gabe kommt ja von Dir dem Bater des Lichte und der Stärfe!

Erhalte audy in unfrem geliebten Rönige das Streben nach dem Hoͤchſten und Beften, und fegne-ihn mit Deinem beften Segen! Erhalte uns ihn und die Seinen noch Lang? im ungeträbteften Wohlfein, und laß ihn: ein heiteres Alter erreichen, nach fo viel Sorge und Kummer! Laß ihm mehr und mehr; an allen "Enden feines ' Reiches die Herzen feiner Unterthanen entgegenfchlagen; führe Du die Sugend unſres Landes, und befonders dieſer Schule fchon früh an fein Vaterherz, damit ihm immer mehr Eine ungehenchelte Liebe, immer mehr treue Anhänglichfeit in den Herzen feiner Uns terthanen für die Zukunft ſich gruͤnde; bamit immer enger

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Asd dichter die Lieb? ihn umringe, je Eofer bad Band wird, das an die Erde ihn bindet, und endlich in aller Herzen mur Lin Herz ihm nachichauet, in Wehmuth und Danf ‚nach dem Lande vollendeter Edlen! Amen!

19) am Tage der Freiheit für das erläfete Deutfhland.

Du Mlmäctiger haft und aus Noth und Trübfal ge- pettet, und unſrem Lande ift großes Heil wiederfahren durch MDeine Gnade. Du haft uns erhoben von ber Knechtſchaft ‚gur Zreibeit, von der Schmach zur Ehre, von der Trau⸗ rigkeit zur Freude, und wir athmen freudig und wohlge- ‚muth in der Heitern Luft der Freiheit, und Leben ficher unter dem Schuge weifer Gefege und eines frommen Koͤ⸗ nigs. Ach, wie war unfer Vaterland von dem lieber- muͤthigen und Stolzen fo tief gebemüthigt! wie waren feine ‚heiten Kräfte fo gelähmt, und feine Wohlfahrt fo grauſam vernichtet! Bis zu einer furchtbaren entfeßlichen Höhe war :Der Gewaltige geftiegen, und mit ehernem Herzen leitete er das Schiffal der Völker nach feinem Gefüften. Das Recht bengte fich unser feiner Gewalt, und Die Geſetze der Tu⸗ gend wurhen mit Füßen getreten. Schon gedachte er in feinem Herzen: ‚Ach will in den Himmel fleigen, unb mei gen Stuhl Aber die Sterne Bottgd erhöhen!” Schon meinte ꝓx, was er redete, müßte vom Himmel- herab gerebet ſein, ud was er fagte, das ‚müffe gelten auf Erden. So trieb er, als wolle ex bes: Himmel ſtuͤrmen, . eine unabfehbere HSchaar non Streitern in ihr umabfehbares, granfenvolles Seichenfeld, wo. Au, 9 Gott! vor ihm aufſtandeſt als Ruͤ⸗

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cher des Boͤſen, als der mächtige Beſchuͤtzer der Bedraͤng⸗ ten, als der Netter der unterdruͤckten Unſchuld. Da bradhft Die Bahn der Freiheit, vertilgteft die Uebelthaͤter, und of- fenbarteft die große Macht und GStärfe vor aller Welt. Hell, wie Moskaus Brand, und der Fenerfchlünde: Zorn ‚bei Leipzig und Schönbund erfchien Deine Gnabe, und fenfte heilige Begeifterung in die deutfche Seele, Much in deutfche Adern, und Kraft in ben beutfchen Arm; Deine Gnade gab dem Deutfchen die Waffen der Gerechtigkeit in die Hand, damit er, feit entfchloffen, für der Menfchheit erhabene Güter, ven Blick nach oben, mit freubigem Muthe einfete das Leben. Und Du haft geholfen, o Herr, durch die Macht Deiner Stärfe. Du ließeft Dein Antlitz gnädig uber und leuchten, und gabft uns Freiheit und Frieden. Du warfeft den Stolzen in den Staub, und gabit den Des müthigen Gnade. Bon Dir fam Sieg auf Sieg, ein Wun⸗ der vor unfren Augen!

Daß das Baterland gerettet ift aus drohenben Gefah⸗ ren; daß wir frei und froͤhlich athmen die reine, erquicken⸗ de Himmelsluft; daß der Thron unſrer alten, theuren Fuͤr⸗ ſten wieder aufgerichtet und feſtbegruͤndet daſteht; daß Ge⸗ rechtigkeit, Freiheit, Frieden und die heilige Sitte des Rechts im Vaterlande waltet das dauken wir Deiner Güte, Allmächtiger! Erhalte denn auch in unfrem Volke die her Lige Liebe für König und Vaterland, und den tapfer. muͤnn lichen Sinn, den Diefe große Zeit entwidelt hat. Laß wies in Frömmigfeit und Tugend, in Lauterfeit unb Einfalt ber Sitten, in Wahrheit und Aufrichtigfeit vor Deinen Augen wandeln. Wir Dentfche waren in ber Zeit des Friedens und des. äußern Gluͤcks herabgefunfen zur Schlaffheit und Weichlichkeit, hatten uns au die Genüffe eines behaglichen Lebens gewöhnt, und unfre Seele erfüllt mit mancher Thors heit und viel eitlem Tande. Die fteigende Herrfchaft der

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Sinnlichkeit. erftichte die Keime großer Tugenden, und in allen Bezirken des Lebens zeigte fich eine furchtbare Leerheit des Gemäthe. Der Glauben an Dich, und Dein Gefeß, ‚und an den Menfchen war erfchüttert; an die Stelle eines edlen Gemeingeifted war eine fchnöbe Seldftfucht getreten, and jeder fuchte mır feine eigene armfelige Habe zu retten aus dem Schiffbruche der Zeit.

Aber Du haſt und durch bie Tage der Trübfal und Noth geläutert, und im Gebiet bes Glaubens ift ein neues fehönes Leben erwacht. DO, baß wir das verwüftete Land des Herzens wieber aufrichteten und das verftörte Erbe bes Glaubens unfrer Väter wieder einnähmen! baß wir flarf ‚bleiben möchten durch feite Eintracht, durch treue Anhaͤng⸗ lichkeit an König und Vaterland, durch einen ſtarken Eifer für Gerechtigfeit und Freiheit! Laß es alle und erfennen, baß wir nur dadurch die theuer erworbenen Güter bewahren und ſchuͤtzen, und jede drohende Gefahr von den Gränzen ded Baterlandes abwehren Tonnen.

Vater im Himmel! fieh gnaͤdig herab auch auf unfre Schule, und gib, baß wir alle von Herzen gern in unfrem Verein das Bild der alten Einfalt der Sitten, der frommen Zucht und Ehrbarfeit, und des Fleißes barftellen; daß wir alle nach allen Kräften Ordnung und Treue befördern, Unſchuld und Tugend verehren, Recht und Gerechtigkeit bes wahren. Laß in unfrer Schule das Schlechte und Eigens natzige nicht auffommen; laß und das Gemeine und Falfche in den Staub treten, dem Boͤſen ung muthig in ben Weg ftellen, und das freimüthige Wort, und die entichloffene That nicht fchenen. Dann wirb ein reicher Segen aus unfs rer Schule Über Stadt und Land fich ergießen, der da uns wärbiger macht bed vergoffenen Blutes unfrer Brüder, und Deiner errettenden Gnade und Liebe. Amen!

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Die Schule muß Adte Liebe zu Koͤnig und Vaterland weden.

Seße dich ber zu mir, mein theurer Süngling, für den ich dies Alles gefchrieben ; fee dich her zu mir, wenn bu es wuͤnſcheſt mit mir unfrem gemeinfchaftlichen Ziele entges genzuftreben; wenn bein Herz mir entgegenfchlägt und meine Liebe zu bir erwiebert; gib mir beine Rechte und fchaue mich an: ich habe dir zwei Wortezu fagen, die muͤſſen won Herzen zn Herzen gehen, wenn fie nicht fpurlos enteilen, sicht wirkungslos verhallen follen. Nein, fie werben es nicht, dein warmer Händebrud verheißt mir Vertrauen, Dein Auge voll Liebe, und Keuer, und Reinheit begeiſtert mich würdig zu reden. Höre denn, prüfe und fühle! -

Nicht wahr? Du erkennft die Erregung, ber Liebe und Ehrfurcht in dem Findlichen Gemüthe als einen wichtigen Ger genftand bei der Ausbildung des Gefühles an. Je reiner dieſe erfte Liebe und Ehrfurcht des Kindes ift, deſto ‚wirt famer wird fie auf die Vereblung des Kindes fein. Um. nun gleih aus dem Keime die edelite, reinſte Liebe und Ehrfurcht hervortreten zu laffen, die, von hoher Würbe umgeben, vor ben Einfläffen gemeiner. Einwirkungen ger fichert bleiben, werde das Kind, nachdem das Innere. def felben durch Freundlichkeit, Sorgfalt und vernünftige Zärts lichkeit feiner Eltern, und feiner ganzen Umgebung vorbe⸗ reitet worben, alfo die Liebe, und befonders die Eiternliche, Wurzel gefchlagen hat, durch die zarte unkünftliche Mutter über Gott und Sefus unterrichtet. Dahin firebe die Mut⸗ ter, und fpäterhin auch Water und Lehrer, die Idee von einem Gott, ber groß und erhaben, aber auch unfer .gätis ger Vater, von feinem Sohn, der unfer göttlicheg Porbild, unfer liebevoller Erlöfer it, in dem Innerſten der Seele

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recht erwärmend, ja die ganze Seele erfüllend, auftreten zu laſſen. Iſt des Kindes Gefühl für Wohlwollen durch Wohlwollen mit Sorgfalt vorbereitet; find die fchädlichen Einfluffe, die das Boͤſe im Menfchen aufregen, moͤglichſt entfernt gehalten, und die vorfommenden Unarten auf eine natürliche Art, ohne Schredung durch Popanzen, ohne Bitterkeit, alfo würdig vaͤterlich verſcheucht: fo bildet ſich, durch den erwähnten Unterricht der große wichtige Anfanges punkt in dem Sinnerften des Kindes von dem, der der An⸗ fang und das Ende aller Dinge ift. Sein Gott ift dann gleichfam in dem Kinde, und erfüllet fein Herz. Alle Ems yfindungen, welche bie Liebe feiner Eltern, das herzliche Wohlwollen ſeiner Lehrer, ja feiner Umgebung in dem Kinde ertegen, knuͤpfen fich an Diefen Punkt, und geben deſſen Keime ein fröhliches Gedeihen. Darum muͤſſen Eftern und Lehrer die Erweifüngen der Liebe und Dankbarkeit des Kin- ded, wo natuͤrlich, auf diefen Punkt abzuleiten ſuchen; das mit die Pflanze der Gottesfurcht und fomit die reinfte Liebe und Ehrfurcht Fräftig Wurzel falle, in dem Innerſten bes Herzend. Da heißt ed denn: Gott und Jeſu, ben Urhebern deines Glüc gehören deine Hauptdankopfer; in deren Hand find wir Die Mittel, wir aber freuen und auserfehen zu fein, um dich begluͤcken zu helfen. Jene Wurzel werde nun fortwährend durch Ynterweifung und Uebung im Chris ftenthum genährt und geftärkt, fo daß diefelbe den ganzen jungen Menfchen durchwebe, und als Pflanze überall ſchoͤn hervortrete in die Außenwelt, wo fie Nahrung empfangen und geben muß ©.

*) Die Eigenfchaften bes Lehrers, durch welche ex wahres Ghriften- thum in feinen Schülern weden und nähren Tann, find bereits ans gegeben; von dem Material aber, und ber vielfeitigen Erfaſſung

des jungen Menfchen zur Religion wird der nachfolgende Schulplan

in jeber Claſſe umftändlich handeln.

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So geht dann auch bei der Weckung ber Liebe und. Ehrfurdyt aus dem Mifrofosmus der Makrokosmus hervar. Denn das Kind fühlt dann, wenn gleichfam Fein Raum. mehr in feinem Innern iſt, dafelbft ein Drängen nach Aus Ben; es kann fich nicht mehr mit den Gefühlen der Dank: barfeit, Liebe und Ehrfurcht begnügen; es will diefelbe in That übergehen laſſen: es will wiedergeben, wo es empfati«- gen. hat, und je nachdem fein Gefichtöfreis fich erwei⸗ tert, und es die taufenden von Einrichtungen und Veran⸗ ftaltungen gewahrt, die zur Beförderung. feines Gluͤcks und feiner Glüidfeligfeit getroffen find: je nachdem fuͤhlt es gegen: Das Baterhaus, gegen feine Umgebung, gegen. ben: Wohnort und endlich gegen König und Vaterland herzliche Dankbar⸗ teit, zarte Liebe, und das Beftreben in ſich aufmachen. Beweiſe feiner Gefühle an den Tag zu legen -..

Ueber dieſe Liebe, die ein erweiterter Geſichtskreis in dem Herzen des jungen Menſchen entſtehen laͤßt, uͤber die Liebe zu Koͤnig und Vaterland til ich denn meine Anſich⸗ ten folgen laſſen.

Zu dem Ende ſtelle ich die Behauptung auf, daß die Schule aͤchte Liebe zu Koͤnig und Vaterland wecken und naͤhren muͤſſe. Hoͤre und pruͤfe denn die Auseinanderſetzung dieſer Liebe und die eingeflochtene Begruͤndung meiner An⸗ ſicht, und traue mir kein Wort zu, das aus gemeiner Ab⸗ ſicht geſagt waͤre. Meine Umgebung, meine Bekannten und Freunde moͤgen da uͤber mich richten.

Zwar fuͤhle ich lebendig die Schwierigkeiten einer cie⸗ fern allgemeinen Begruͤndung dieſer Anſicht; aber die Rich⸗ tigkeit und Natuͤrlichkeit derſelben wird mich uͤberzeugend ſprechen laſſen.

„Die Liebe zu Koͤnig und Vaterland iſt die dankbare, „herzliche Zuneigung des Staatsbuͤrgers zu dieſen Objelten,

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„und das ernftliche, unabläffige Beftreben, burch Foͤrderung „zer Wohlfahrt des Staates, oder des Könige, das Wohl⸗ ‚sein des Einzelnen herbeizuführen.”

Diefe- Liebe. fteht nach dem Vorigen ber Liebe zu Gott nicht entgegen, wie irdiſcher und himmlifcher Sinn; fie haben: beide gleiche Wurzel; und je ftärfer jene Gotteswurs. zel in dem Innerſten des Menfchen ift, defto. Eräftiger koͤn⸗ nen auch ihre Schößlinge nad Außen ſich dehnen. Die Liebe zu König und Land ift wegen Erreichung der Hars monie ber Menfchenträfte erforderlich; denn. Diefe Liebe fhüget vor Verzärtlung: fie ftärket das Mark, gießet Kraft in den Muöfelbau, erwecket den Muth, treibet zur Abhärs- tung, entwicdelt die Mannkraft, und Iäffet den Bürger das: Beſitzthum behaupten, das Gott ihm zum Wohnplatz anges wiefen hat. Wenn gleich biefe Liebe nicht das einzige Mite tel zur Erreichung biefer Zwecke ift, fo ift fie doch eins ber bewährteften, wie ſolches die Bölfergefchichte genugfam und lehret. Entſtammt der Patriotismus aber ber fanften Keligion Sefu, ober der Liebe und Ehrfurcht: fo wird fie um fo mehr allenthalben chriftlich edel aufblühen, und lo⸗ benswerthe Frucht bringen; fo wird felbft der MWehrhaftige in Schlacht und Feldlager vor Barbarei gefichert, und es nicht wagen, ſich freventlich über die Religion hinwegzus feßen.

Eine fofche Frucht foll min bie Schule zu erzielen ſtreben.

Der junge Menſch ſoll die Scholle lieben lernen, auf der Gottes Sonne ihm zuerſt ſchien, und deſſen ſuͤße Him⸗ melsluft er athmete; damit er um ſo treuer das Land be⸗ ſchuͤtze, das Gott ihm zum Eigenthum angewieſen hat, und damit er daſſelbe nicht ohne Grund verlaſſe, um nur frem⸗ den Sitten und fremden Goͤttern anzuhangen.

Und bildet ſich dieſe Liebe nicht ſo natuͤrlich in einem kiebenden Gemuͤthe? Sage hat der Ort nicht etwas

DI

Süßes fir ung, wo das erſte Menfchenauge fich liebend über unfre Wiege neigte; wo der zarte Arm uns an Vaters. und Mutterbruft drüdte, wo Lieb und Sorgfalt ung auf: den Händen trug, und wir die erften Töne der Liebe hörs ten und lernten? der Ort, wo wir ale Kinder mit Ges: fchwiftern und Nachbars⸗Kindern hier unter einem Apfel⸗ baum, dort auf grünem Raſenplan fpielten; wo ber Mies’ fen Pracht unfer Herz erweiterte, und wir am Bache Biolen md Bergißmeinnicht pflädten, ber Mutter zum Strauß, oder dem Bater zum Kranz? der Ort, wo der Wechfel‘ der gleich fchönen Sahreszeiten und in Florend Gebiet, oder an den Fifchteich, in den Iabenden Schatten, ober den ers quidenden Fluß, in den mit Segen beladenen Baumhof, oder zum emfigen Bienenhand, in den blendenden Schnee, oder aufs glatte Eis rief! '

Liegt nicht wie ein Zauberbilb die Gegenb vor unfrer Seele, wo der Fabelmund fich allenthalben fo Tieblich ung öffnete, und unfre Seele mit hoher Ahnung erfüllte; die Gegend, in ber wir die jungen Glieder bei Wanderungen durch Saatfeld und Haide, durch Bufch und Feldmark, von Hof zu Hof, von Dorf zu Dorf ftärkten? |

O, wie viele tanfend füße Erinnerungen fchafft dort’ ſich der Knabe für eine herbe Zukunft, wenn dann ſchon Kiebe und Dankbarkeit in feinem Herzen tiefe Wurzel ge fchlagen haben!

Sage follte er dem Lande nicht mit banfbarer höhe rer Liebe anhangen;, in deffen Sprache ihm, von Liebenden‘ Eltern und wohlwollenden. Lehrern die Lehren der Weisheit ins Herz gegraben : wurden? bas fo treulich ihn pflegte, in. welchem er Kunft und Wiffenfchaft lieben und achten gelernt hat?

Nein, das Land, das folche Vorzüge ihm darbot, das in der Weife der Väter ihn Ieben Lehrte, welche die Freis

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heit und das Recht mit ihrem Blute befiegelt, in deſſen heiligem Schooße feine Vorfahren ruhen, zu denen audı er mit feinen Kreunden einft geſammelt zu werden erwar- tet das kann ein fühlender Menfch, ein Kind des Vater landes, nicht vergeffen, das muß er mit Liebe, mit zarter Liebe umfangen. Ad, wie Mancher, den fein Schidfal vom Baterlande trennte, mag auch wie jene troftlofe Koͤ⸗ nigin ſeufzen: „Eilende Wolfen! Segler der Lüfte! Wer mit euch wanderte, mit euch ſchiffte! Gruͤßet mir freundlich mein Jugendland!“

Noch höherer Art wird diefe Liebe werben, wenn ber junge Menfch die vortrefflichen Einrichtungen ded Staates, in welchem er lebt, und fein Verhaͤltniß zu denſelben näher fennen und ſchaͤtzen lernt.

Sieht er, wie der Staat auf bie beite Art gegen in- nere und äußere Feinde ficher geftellt, ehrenmerth in die Reihe der geachtetiten Staaten tritt; wie Gerechtigkeit im Lande thront, das Eigenthum , felbft des Geringſten geady tet wird; wie Känfte und Wiffenfchaften ſich immermehr einer vollen Blüthe nähern, wie die allgemeine Beredlung immer weiter fchreitet 5 wie perfönliche und GewiſſenscFrei⸗ heit des forgfältigften Schußes ſich erfreuen; wie die Foͤr⸗ derung des Wohlftandes ſo ficheres Schrittes geht, wie taus fendfache Einrichtungen zum Nuten und zur Annehmlichkeit des Lebens entitehens kurz, wie alles dahin firebt den Eins zelnen, wie das Ganze zu begläden; und wie fein Gluͤck von Bater, Mutter, Bruder, Freund durch den Staat, ja durch den Staat bedingt, d. h. möglich gemacht und er halten wird: fo kann er feinem Vaterlande eine Liebe nicht verfagen, die auf Dankbarkeit und Hochachtung, ja auf Bewunderung gegründet ift, und mit edlem Gelbitgefühle wird er ſich ganz feinem Staate ergeben, wirb er die Vor⸗

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ſehung preifen, die ihn in einem fo thenern Lande geboren werben ließ! "

Wird ein fo denkender und fühlender junger Menfch, wenn von Andern fpäterhin Einrichtungen bes Staates als Mängel und Gebredyen angefehen werden, fich nicht bemuͤ⸗ hen, den Standpunkt zu erfteigen, von wo er das Nöthige zur Beurtheilung bes Getadelten überfehen kann? Wird er in jegliches Klagelied derer einftimmen, die da Vollkommen⸗ heit und Befriedigung aller Anfoderungen verlangen? Wirb er nicht vielmehr auf die Durchfreugung ber Wünfche vers fchiedener Provinzen, Stände und ber Einzelnen, auf die daraus folgende Unmöglichkeit einer gänzlichen Zufriedens ftellung des Ganzen aufmerkffam mahen? Wird er nicht da, wo er felbft im Zweifel ift, auf die Ermangelung einer his. heren Anficht, oder auf die Unvollkommenheit jeder menſch⸗ Iichen Einrichtung hinweifen, und auf diefe Art jeden Keim - zur Unzufiedenheit zu erſticken ftreben ?

Diefe höhere Vaterlandsliebe, welche anf Dankbarkeit, Hochachtung und Einficht gegründet ift, wird den jungen Menfchen antreiben, einft feinem Lande Ehre zu machen, und den Wohlftand defielben auf jede rechtliche Art in der Zukunft zu befördern. Ä

Wie der brave Mann für die Ehre feiner Perfon und feiner Kamilie forgt, fo wird er fich bemühen auch die Ehre. feiner Baterftadt, ja feines Landes zu erhalten und zu ers hoͤhen; und dieſes muß ihm an feinem Theile gelingen, wenn er ein wahrer Chrift, ein tüchtiger Mann für fein Fach zu fein ftrebt, wenn er eben fo weit von Auslänberei, als von Einfeitigkeit gegen fremde Voͤlker fich entfernt hält und bie eigenthämlichen Vorzuͤge feines Vaterlandes kennen gelernt bat. Er wird alsdann auf der einen Seite nicht gegen Fremde über feine eigene Nation fpstteln, fondern bie etwaigen Mängel feines Volkes und feines Staates mit

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Wehmuth erkennen, und denfelben im Stillen absuhelfen trachten, und auf der andern Seite wird feine Ungefaͤllig⸗ feit und Gewaltthatliebe, Tein dummer Stolz und eitler Hochmuth gegen fremde Voͤlker in feiner Perfon fich aus⸗ prägen.

Gluͤcklich ſind wir Deutfhe, daß es uns nicht ſchwer fallen kann, die Ehre unſrer Nation zu erhalten.

Hat es je ein großes Land in der Welt gegeben, in welchem eine tüchtige allgemeine und befonvere Bildung fo lange und Eräftig vorherrfchend war: fo ift es das Unfrige! Iſt in irgend einem Lande der Erbe die ganze Maffe von Gelehrſamkeit und Kunft hochgeftiegen und vielfeitig in aufs firebender Bruft verwahrt worden: fo gebührt unferm Lande die Ehre! Steht irgend ein Staat der Erde allfeitig mit Kraft und Weisheit befhügt, in bewunderungswärbiger Mannkraft da: fo iſt's der Unfrige! Gibt es vigle Stans ten, in denen Recht und Gerechtigfeit gehandhabt+werben: fo gefchieht diefes auch in dem Lande, beflen Ruhn von jeher Treu' und Redlichkeit war!

Nein, wir haben uns unſres Volkes und unſres Staa⸗ tes nicht zu ſchaͤmen; wir koͤnnen mit edlem Stolze uns Deutſche und Preußen nennen; nur muͤſſen wir dabei nicht mäßig auf unſren Lorbeeren ruhen, ſondern mit Gottes Huͤlfe, mit feſtem Vertrauen auf den, der da das Voll⸗ bringen gibt, weiter ſtreben, damit Stadt und Land nach ſeinem Wohlgefallen ſich ferner erhebe. Waͤchſt der junge Menſch in jener religioͤſen Liebe, und in dieſer Anerkennung der wirklichen Segnungen ſeines Vaterlandes auf: ſo wird er einſt als obrigkeitliche Perſon, mit angeſtrengter Kraft fuͤr das Beſte des Ganzen, als Volkslehrer fuͤr die Unter⸗ weiſung und Belehrung ſeiner Bruͤder, als Buͤrger uͤber⸗ haupt fuͤr die Vertheidigung ſeines Vaterlandes, und fuͤr

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die Befriedigung gemeinnuͤtziger Bebärfniffe zu forgen ber muͤht fein.

Wie gluͤcklich ift aber ein Land, das fo viele taufend Glieder zählt, die mit Sinnigfeit und Eifer ihres Landes Beſte in ihrem Kreife zu fördern trachten! Diefe Sorge wird fchon dem jungen Menfchen ganz natürlich erſcheinen; Denn wie ein Familienglied vorzugsweife für den Wohlſtand feiner Familte forgen muß: eben fo billig, recht und noths wendig ift das Beftreben des Stantsbürgers, für die Erhe⸗ bung feines Staates zu forgen, da der Genuß aller Güter und Vorzüge durch ben Staat, wie durch die Familie ber Dingt ift. Unrecht kann diefe vorzugsweife Sorgfalt nicht fein, da dadurch das Geſetz ber. allgemeinen Rädhitenliebe nicht aufgehoben wird. Wie koͤnnte auch die Baterlandsliebe folche Früchte bringen, wenn fie Liebe zu Gott, ein wahs red Ehriftenthum zur Wurzel hat? Und eben fo wenig, als es einem Bater erlaubt ift, zu betrügen, zu ftehlen, zu rauben, um dadurch den Wohlftand feiner Kinder zu grüns den, eben fo wenig darf die Baterlandsliebe eines Bürgers anf Koften anderer Staaten das Gluͤck ded eigenen zu gründen trachten.

Der junge Menfch, in welchem eine fo begründete Bas terlandsliebe wohnt, wird nie in falfchem Eifer für die ges meine Wohlfahrt in der Zukunft fo weit gehen, baß er Mißtrauen gegen die Regierung des Landes unter feinen Mitbürgern erwecken, daß er diefe gegen die Obrigkeit follte aufwiegeln, Aufruhr und Empsrung zu erregen fuchen.

Sollte er nicht wiederum erfennen, daß er felbft nicht auf dem hoͤchſten Standpunkte fich befinde, von wo ihm die Staatseinrichtungen alle in gehdrigem Lichte ers feheinen, und daß er, falls er das Ganze Har überfehen follte, vielleicht eine bewunderungswürbige Harmonie ges wahren, mandyes Uebel ald unvermeidlich, ja als not

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wendig erfennen, und daß das Ganze, durch kurzſichtige, einfeitige Eiferer in Unordnung gebracht, unendlich mehr leiden würde, ald wenn der Staat in feinen Mängeln der Ruhe fich. erfreute? Muß er als Ehrift ein Beftreben durch Empoͤrung gegen feine rechtmäßige Obrigkeit nicht durchaus ‚für unerlaubt, ja für findlich halten, und vor ſolchem - Gedanken nicht zurüdichaudern.?

Die Schule fol nämlich nicht bloß aus paͤdagogiſchem Grunde, und wegen der Natürlichkeit diefer Liebe, den jun- gen Menfchen zu veranlaffen fuchen, baß berfelbe nach al. len Kräften, in ftillem Fleiße feines Landes Befte zu fürs dern tradhte, und vorzugsweiſe Gottes Segen auf baflelbe -erflehe; fle foll es auch, und hauptfächlich darum thun, -weil die Erweiſung der Vaterlands⸗ und Koͤnigsliebe eine heilige und fchöne Pflicht if. Daß der Chrift zu Diefer Liebe verpflichtet fei, geht aus dem göttlichen Befehl, ven König zu ehren, der Obrigfeit als von Gott gefeßet zu ge horchen, den Nächten zu lieben und aus dem Beifpiel uns fre8 Heilandes deutlich hervor. Will die Schule demnach eine. chriftliche fein, fo darf fie dieſes Gebot keinesweges außer Acht Laffen, und zwar aus dem triftigen Grunde, daß eben in dem jungen Menfchen dieſe Liebe aufwachien muß, wenn er dereinſt dieſes Gottesgebot tren und aus reinem Antriebe erfüllen fol.

Willſt du das Zeugniß großer Männer hören? „Eine „Semeinheit ohne Gemeingeift, fagt Leibnig, kranket und „erſtirbt; ein Vaterland, ohne Einwohner, die es lieben, „wird zur Wüfle, und ein Haus, an Meeres Ufer, auf „Sand gebauet: als ein Plabregen fiel und ein Gewäfler „kam, und ‚weheten die Winde und fließen an das Haug, „da fiel es und that einen großen Fall, fagt Ehrifius.’’ı..

Herder fagt: „Woher fam ed, daß: manche einft hoch „verehrte Stände allmählig in Verachtung, in Schmach

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„verſanken und noch verfinten? Weil keiner berfelben fich „der gemeinen Sache annahm, weil jeder als ein beguͤn⸗ „ſtigter Eigenthums⸗ oder Ehrenftand Iebte; fie fchliefen „im Ungewitter ruhig wie Sonas, und das Loos traf fie „wie Jonas. D, daß die Menfchen bei fehenden Augen „on Teine Nemefis glauben! An jeder verlegten ober „sernachläßigten Pflicht hängt nicht eben eine willtührliche, „ſondern die nothwendige Strafe, die fich von Gefchlecht „zu Geſchlecht haͤufet. St die Sache des Baterlandes heilig und ewig: fo büßet fich feiner Ratur nad) jedes „Verſaͤumniß derfelben, und häufet die Rache mit jedem „verdorbeneren Gefchäft oder Gefchlecht. Nicht zu grübeln „haft bu Über dein Vaterland: denn du wareſt nicht fein „Schöpfer; aber mithelfen mußt du ihm, wo und wie du „kannſt, ermuntern, retten, beſſern, und wenn du die Gans „des Capitoliums waͤreſt.“

Sage muß das Vaterland in dieſer Liebe ſeiner Buͤrger nicht ſeine ſtaͤrkſte Schutzwehr gegen innere und aͤußere Feinde, muß es in ihr nicht das wirkſamſte Mittel zur Erhebung jedes Dorfes, jeder Stadt, ja des großen Ganzen finden? und iſt nicht Leben, Beſitzthum, Freiheit, Ehre, Bildung, ja ſelbſt großentheils Religion der Buͤrger durch den Staat bedingt?

Und ſollte der Menſch Schutz, Freiheit, Bildung und alle die tauſend Annehmlichkeiten des Lebens in einem Lande genießen, ohne dieſes dankbar anzuerkennen, ohne das Beftreben zu haben, bes Landes Wohlfahrt nach allen Kräften zu fördern, und in der Noth demfelben mit Gut und Blut beizuftchen? Rein, das muß die emporftrebenbe Sugend als fchwarzen Undank erfennen. Die Gefchichte lehrt ihr ein anderes: in ihr findet fie bei den edelften Voͤlkern dieſe Liebe, zur Zeit ihrer lieblichſten Blüthe am innigſten und zarteſten.

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„Griechen und Römern , fagt Herder, war dad Wort „Vaterland ein ehrwärdig füßer Namen. Wen find nicht „Stellen ans ihren Dichtern und Nebnern bekannt, in denen „Söhne des Baterlandes ihm ald einer Mutter kindliche „ziebe und Dankbarkeit, Lobpreifungen, Wünfche und „Seufzer leihen? Der Entfernte fehnte fich darnach zuruͤck, „hoffnungsvoll oder Hagend fchauet er zur Gegend hin, „empfängt bie Lüfte, die baher wehen, als Boten feiner „Geliebten. Wiebergegeben dem Vaterlande, umfängt er „es, und ftäflet feinen Boden mit Thränen. Der in ber „Entfernung Sterbende vermacht ihm feine Aſche; anch nur „ein Ieeres Grabmahl des Andenkens wünfchet er fich bei „den Seinen. Fürs Vaterland zu Ieben hieß ihnen der „hoͤchſte Ruhm; fürs Vaterland zu fterben ber fAßefte Tod. „Wer mit Rath und That dem Vaterlande aushalf, wer „es rettete und mit Kraͤnzen des Ruhms ſchmuͤckte, erwarb „ſich einen Sit unter den Göttern; Himmels s und Erden ‚„uniterblichleit war ihm gewiß. Dagegen, wer das Baters „land beleidigte, es durch feine Thaten entehrte, wer es „verrieth ober befriegte; in den Bufen feiner Mutter hatte „er das Schwert geftoßenz er war ein Vaters, ein Kinder, „ein Sreundess und Brudermörber.’

Werfen wir nur einen Blick auf eble Menſchen, wir ſinden allenthalben dieſe Liebe. Die Vaterlandsliebe ver⸗ kleidete einen Codrus als Bauer, ſchuf in dem Miltiabes die feurige, ermuthigende Rede; fle ließ den Leonidas und feine Getreuen den Helbentod zur Ehre des Baterlandes fuchen; fie vollbrachte in einem Pelopidas und Epaminondas die Befreiung ber Baterfiadt von fremdem Joche, ließ einen Ariftides die herzlichſten Wuͤnſche für eine Stadt: ausſpre⸗ hen, bie ihn fo fehr verfannt, die ihn verbannt hatte; ffe erhob das Haupt ber Griechen und ‚Römer und Äbergoß deren Antlig mit männlihem Adel; fie half dem König

David fein Reich auf ben Blüthenpunkt erheben, machte ihn und die Makabaͤer zu Herven, begeifterte - einen Hora⸗ tind und Mutius zu unglaublichen Thaten, erhob. einen Hannibal zum König, der Schlachten, fiempelte einen Fa⸗ bins zum Zauberer, einen Fabricius zur Öerechtigfeit, und veranlaßte einen Negulus ſich der qualooliiten Marter bloß⸗ zuftellen; fie ließ den Winkelried die Hellebarde in feine Bruft rennen, und diefelbe mit Wolluſt umfangen; fie gab dem Schwerin. die Fahne in die Hand und bem Kleift Das Schwert in den Mund; fie lehrte den. Luͤtzow, den Fürften ber Wahlſtadt, einen Herzog von Braunfchweig dad Schladys tengewähl fuchen, ließ unfrem ritterlichen Könige nur die Wahl, fih unter den Trümmern des Reiches zu begraben, oder Deutfchland unter dem göttlichen Beiftande zu retten; fie weckte Boruffia, wedte eigen Scharnhorft, Gueiſe⸗ nau, Stein, und begeifterte liebbrennende Sänger zu Lies bern, die Fünftige, ferne Gefchlechter mit Hochgefühl, wie Hermanns⸗Lieder anftimmen werden! Kaben aber diefe und noch viel Taufende der edelften Männer, Deren Ramen die Sefchichte mit dankbarer Anerfennung, wenigſtens in Diefer Ruͤckſicht zu Muftern für kommende Geſchlechter aufftellt, ihr Vaterland geliebt, fo daß fie gern alle ihre Kräfte demfelben dahin gaben: fo kann der fühlenden Sugend bie Baterlandsliebe ſchon um des willen nicht als ein Phantom erfcheinen, fondern fie wird ſich gezwungen fühlen, dem Adel diefer Wohlthäter nachzuſtreben; fchon das muß fie als Sünglinge und einft ald Männer begeiftern, der Vaters ftadt, dem Baterlande mit ganzer Seele ſich zuzumenden! Hat die Kraft der Wahrheit, o theurer Juͤngling! deinen Geiſt überzeugt und bein Herz getroffen, ‚wie bein Ange und deine Wange mir zeugen: fo fiehe auf mit. mir, lege Die Linke anf dein Herz und hebe deine Rechte dem Allwif- fenden entgegen, und ſprich vereint mit mix; Sei du, o Gott, 14 |

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mein Zeuge, daß ich mein: Vaterland: lieben will als Chrift, bis. in den Tod! Gib mix Weisheit und Kraft, daß ich der mir aupertrauten Jugend innige zarte, chriſtliche Das terlandsliebe einhauche! Auwiſender! Du biſt Pets Zeuge meiner That!

Nun wohl! Höre denn num mein n pweites Wort mit gleicher Aufmerkfamleit an: yrüfe unb wähle. Derjenige, der feinem - Baterlande. mit: zarter Liebe zugethan if, muß ſich beglädt fühlen, wenn daflelbe von Außen und Innen gegen feindliche Angriffe befimöglichit fücher geftellt iſt, da⸗ wit die koſtbare Frucht des Friedens gebeihen koͤnne; muß fi, freuen, wenn die noͤthige Ordnung und Regelmäßigkeit is allen Zweigen ber Berwaltung erihaffen und feitgehal- ten wirb; wenn. Künfte, Wilfenfchaften und Gewerbe in ihrer Bluͤthe fich mehr und mehr entfalten, Diefe begluͤ⸗ ckenden Früchte der gefellichaftlichen Verbindung zu Staaten finden wir, nach den Ausſpruͤchen der denkendſten Staats männer, am cheften unb zugleich gefichertfien in. einer Mo⸗ narchie, und zwar in-einer folchen, in welcher der Bater des Landes nicht durch zu viele Obfervanzen und andere befchränfenden Hinderniffe zur freien Förderung bes Gans ‚zen beengt ift. Der Staatsbürger felbft aber, und vorzuͤg⸗ Tich der, der nicht denkender Staatsmann ift, Tann das große Ganze des Staates nicht überfehen, und fein Urtheil wird fchon Deswegen einfeitig fein, ‚weil er irgend einem Stande angehört, den er am meiften gehoben wünfcht, ober weil er Lieblingsideen nachjagt.

Ah, was wollten wir antworten, wenn ber Staat und folgende Fragen von Engel zu beantworten gäbe: „Bas für innere Volllommenheiten jeder Art, (ſollen erfchafs „fen werden?) und in welchen Grade find diefelben in uns „ſrem Staate möglich? auf welchen Wegen? welche nadı „den Umftänden die wichtigften.? wie ‚jede andere nach ihnen

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„abzumeſſen, daß keine zum Ruin des Ganzen übertrieben „werde, und doch auch Feine ermangle? wie Jedes burch „Jedes unterflügen, bie zahllofen Räder der großen Mafchine „in einander eingreifen zu laffen? wie die Gefeßgebung, „die Difeiplin, die Staatsoͤkonomie, jedes für ſich and jebes „in der Verbindung, auf die höchfte Vollkommenheit hins „sichten? wie das größte fremde Intereſſe, mit weldjer Bor „ficht in das eigene zu verweben? wie bei Bündniffen ımb „Freundſchaften das Anſehen mit ber Nothwendigfeit, bie Klugheit mit der Redlichkeit zu verbruͤdern I

Ah, wir würden in Demuth erkennen: wir wiſſen nicht, was zu thun! Da helfe Einer and, der fein Le⸗ ben der Löfung folcher Kragen gewidmet hat, dem tan fende der beften Köpfe auf den erfien Wink zu Gebote fles ben, der mit feiner Geburt die bewährteften Regeln, von den denkendſten und beiten Borfahren gefchaffen, erbt und in ihnen fich empor bildet. ‚Nur Einer‘ würden wir bei klarer Anficht mit Johannes von Müller fagen, ‚wenn er auch über die Gebühr hinandginge‘ ; nur Einer, ber allent⸗ halben mit Rath und That unterſtuͤtzt wird und unterſtuͤtzt, aber nicht ohne Roth befchräntt wird, inbem baburd; wies der neue Schwierigkeiten erwachfen.

Wollte nun jeder Vaterlandsfreund feine Wünfche für das allgemeine Befte zu verwirklichen fuchen: fo würbe ums fehlbar ein Produft fich ergeben, das gewöhnlich die Aus geburt vieler durcheinander rathender Köpfe ift, die Diagos nale von tanfenderlei Kräften, bie größte Schlaffheit und PM lanlofigfeit, oder die fchredlichite Unordnung und Unruhe; und da, wo Eintracht und Liebe fich kuͤſſen follten, wärs den Neid, Stolz, Herrfchfucht, Eigenfinn und Unmuth über gefränfte Xiebe und Treue das Ganze aufreiben, Wie ber Maler, Baumeifter und Bildhauer das Urtheil bed denken⸗ den Laien wol beachten, aber daſſelbe nicht als vollgältig

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anſehen kann, ja oͤfter mitleidig belaͤcheln wird: fo muß auch der erfahrene Staatsmann das Urtheil der Staats⸗ buͤrger anſehen, unter denen es ſo viele gibt, die alle ſich durchkreuzenden Intereſſen der verſchiedenen Staͤnde und Provinzen, bei etwas mehr Einſicht, mit einem Male alle Bedenklichkeiten, zu heben ſich getrauen.

Um nun nicht uͤber Staatskunſt, wie jener große Alex⸗ ‚ander in der Werfitätte des Apelles, über Malerei zu urs theilen; um deſto ficherer bag Wohl des Staated gefördert zu fehen, nnd Zwietracht und Eigennuß derer am Ruder, fo wie Unzufriedenheit und hartes Urtheil der Regierten entfernt zu halten, muß der Unterthan vertrauungsvoll das Schickſal des Stänted in bie Hand feines Landesvaters legen, an defien Ehre und Ruhm, die Ehre und der Ruhm feines Landes, an befien aͤußeres Gluͤck, das Gluͤck des Landes, an beffen inneres Wohlfein, das innere Wohlfein des Landes geknuͤpft iſt. Ä

In der That, ein: eben fo erhabener, als nothwendi⸗ ger Staudpunkt! Die Blicke von Millionen auf ſich zu ziehen, den Beruf zu haben, die gerechten Wuͤnſche von Millionen zu erfuͤllen, Millionen zu begluͤcken! Welch ein Haushalt! welch eine Schwindel erregende Höhe! Wahr⸗ Th, wenn den Mann dort oben nicht Vertrauen, Liebe und Ehrfurcht halten: dann mag er wanfen; bann mag fein Sinn verdüftert werden, daß er das Wahre nicht erfpäher!

Diefe Ehrfurcht find wir ihm aber als Chriften fchuls big, und wenn das Chriftenthum und gebietet den König zu ehren , fo ftellt es und bie Verpflichtung zu biefem Er⸗ weife von Ehrfurcht nicht etwa mit dem Bebing auf, daß wir jedoch von ber perfönlichen Vortrefflichkeit dieſes Mans ned überzeugt fein müßten.

Lautete demnach das Gebot: „Ehret den guten Rs nig“: ſo wäre es eben fo überfläflig als das, „liebet Den

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Freund” fein würde. Der Unterthan wuͤrde alsdann . den’ König ehren, wenn dieſes gerade feiner Neigung zufagte, unb bei jeder Gelegenheit glauben, wo ber Staat dem In⸗ terefie oder dem Wunfche veffelben nicht gemäß handelte, diefer nothwendigen Pflicht entbunden zu fein. Ä

Da außerben ein. Untertban nie auf dem richtigen Standpunkte fteht, feinen König in allen ben fehwierigen Lagen beurtheilen zu koͤnnen; won Diefer Verehrung aber gros Bentheild der innere Frieden. bes Landes abhängt: fo mußte das Chriftenthum diefe Korderung unbedingt aufſtellen.

Die Liebe zum. Baterlande ſtellt ſich auch am ficherfien and gebeihlichften in der Liebe zum Könige bar; denn indem der Unterthan dem Könige, ald dem Centralpunkt des gan⸗ zen Staates, Liebe, Ehrfurcht und Vertrauen erweiſet, ftört er die Ordnung nice, und biefe Bafid bed ganzen wird er zertrüämmern, wenn er mit Feder Hand, und wie natürlich ohne weife Wahl in die Zügel des Staates grei⸗ fen wollte, die wie die Radien aus dem. Mittelpunfte nach allen Punkten der Peripherie gehen, und Die Kreiöläche in den meiften Punkten berühren. -

Die Sorge für dad Vaterland erfobert tanfenbe der feinften Eombinationen von dem höchiten Standpunkte aus: die Sorge für den König ift ein Gedanken, ein lebhaftes Gefühl. Nur der Eigendänfel. eines Unterthanen glaubt bei jener feinen Berechnung fo ficher, als bei diefem Iebhaften Gefühle zu Werke zu gehen, das er. doch nur zu befolgen und > nicht ängftlich zu berechnen bracht.

* Darum lerne ber junge Menfch in Ehrfurcht und Wera trauen auf den Sentralpuntt feines Vaterlandes, auf feinen Koͤnig ſehen: /Der Zuftand- feines Königs fei ihm der Grad» meffer des Landeswohles. ‚Seinen Koͤnig'liebe er, denn er liebt dadurch Fein vand; feinen König erfrese-er, er erfrent dadurch das Land; feinem Könige: fei er mit Tinblicem Ge⸗

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horſam ergeben, denn er begluͤckt dadurch das Land; feinem Könige zum Schutz bringe:er Gut und Blut, er opfert es. dem Lande! Kurz feines Königs Sache fei feine Sache, denn fie ift die Sache des Vaterlandes; und fo fchmilzt in dem verteawenben Gemüthe Vaterland und. König in eins zuſammen, und jene zarte, füße Liebe, jene vernuͤnftige Begeifterung für das Land vereinigt fih in der Perſon fei⸗ nes Landesvaters!

Heil dem Volke, das in fo innigem zarten Verhaͤlt⸗ nife mit feinem Könige: fteht! ©. Wie ganz anders werden dann feitte Einrichtungen aufs genommen und erfannt werben; wie ſehr wird diefer Zur fand die Zufriedenheit und ftille Weisheit im Lande näh- zen! . Die Königsliebe verbindet das ganze Volk auf das innigſte mit feinem Landesvater; macht ed einträchtig, ſtark, ja unuͤberwindlich, daß beide zum Schutz und Trutz gegen Außere Feinde beharrenz fie Läffet den König mit Freuden Die Sorge um das Ganze, und das Bolt boͤſe und brü- dende Zeiten ohne Murren tragen; fie fchaffet Wohlwollen, Liebe, Vertrauen, Freiheit, Zufriedenheit, und verhindert Unordnung und Unruhe im ganzen Lande; fie einet Aller Streben nadı Erhebung bed Landeswohles in einen Punkt, and bringt Harmonie in die taufendfachen individuellen Ans fihten und Wänfche ber verfchiedenen Provinzen unb ber einjelnen linterthanen.

Wie ſchoͤn ift Diefe Liebe zum Landesfürften, wenn wir in dem beutfchen Volke jene Treue bewahren ſehen, die un⸗ fre Vorfahren ihrem Herzog bewiefen; wenn das Bolt um feinen König ſich ſammelt, wie liebende Kinder um den gütigen Vater; wenn ber Unwillen jedes Einzeinen Aber Staatsbeträgereien und andere- Schlechtigfeit auf eble Art die Stelle einer geheimen Polizei vertritt; wenn bei mißs verftandener oder wirklich ungwechmäßiger Anordnung von

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oben, Fein freien: Murrkopf noch viel weniger. ein Fremd⸗ fing die Anordnung hoͤhnen detadeln ‘Darf; vhne den Zorn, den geſchaͤndere Treue erregt‘, auf ſich zu laden; wie ſchoͤn jene reine Ehrerbietung, Die dem’ Vater des Landes as feierlich: entbloͤßte Haupt, und daB hingebende Luge zeigt, and. in ihm ben liebenden Vater in Ehrfurcht jauchzend an⸗ erfennt ; wie fhön bie Sorge um ihn und die Vorſicht jedes Einzelnen, der in feiner Bruft eine fchhgende: Aegide für feinen König. trägt; wie ſchoͤn der eble Stolz, der aus dem Glauben an feinen Landesfürften hervorgeht! : -.-

Und dieſes fchöne, zarte, begluͤckende Verhaͤltniß geht wahrlich nicht allein von dem Fuͤrſten aus: Hein haupt⸗ fächlich in dem Volke muß es begründet Liegen und fo maͤch⸗ tig wirken, daß felbft ein nicht wohlwollender Fuͤrſt, durch die Liebe und Treue: feiner Unterthanen befiegt, fein Herz dem Volke zuwendet; denn Mangel an Ehrfurcht und offen, bare Gleichgältigfeit des Unterthanen gegen ben Kürten werben des Landes Beſte in Feinem Kalle fördern, und die Natur des menfchlichen Herzens, fo wie die Bibel verlans gen Hochachtung, ‚Ehrfurcht des Volkes vor dem Fürften.

. Steht babei der Unterthan zu feinem Landesvater nicht in demfelben Verhaͤltniß, wie der junge Menſch zu feinen Eltern? Haben nicht beide Die Foͤrderung ihres Lebens⸗ gluͤckes, nächft Gott, von diefem Vorgeſetzten zu erwarten ? Man werfe mir nicht ein, daß der Unterthan fein Gluͤck im Staate ſelbſt zu. fördern trachten muͤſſe, und ſich nicht bloß auf feinen König , oder was baffelbe fagen will; auf fein: Land. verlaffen duͤrfe. Darf dein ein Rind ſich ſtets auf feine Eltern verlaſſen, ohne. thärtg für ſich zu form ? Und Finnen denn die Eltern ohne den Staat wirklich etwas barbieten? Da BR rennen

Run: nehme man aus biefem Werhalimiſſe die Ehrfurcht hinweg; wie ganz ‚andere wird da fi das menſchliche Herz

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geſtalten! DO, wir Alagen:-fchon heut zu Tage über. das menfchliche Treiben; dann aber, wenn allgemein biefer lei⸗ tende Engel aus den Hauptverhaͤltniſſen des Meunſchen vers wieſen wuͤrde, dann wuͤrden alle Bande, die zarteſten und heiligfien, zerreißen⸗ und der Renſch wuͤrde ein Ungeheuer werben. : vn”

Nein, Ehefars und Glauben, dieſe Rinder bed Sims mei, muͤſſen unter und. mehr and mehr f ch Wahnnugt be⸗ reiten. in Aber mit dem Glauben an ben randesfürſten ir ei in den letztern vierzig Jahren felbit in Deutfchland vielfach fo ergangen, wie mit dem Glauben au das Höchfte und Hei⸗ ligſte. Der Verſtand hat angefangen unehrerbietig. zu. klau⸗ ben, das Geheimſte in des Menſchen Herzen, als ganz entraͤthſelt darzuſtellen, und hat leider, wenigſtens fuͤr das Allgemeine, zu wenig den Schillerſchen Wink: „Doch eine Wuͤrde, eine Hoͤhe, entfernte die Vertraulichkeit“ gar nicht, oder Doch zu wenig benutzt. Das Geheimſte ſollte in Jedem zur klarſten Einſicht ſich geſtalten; der Kern ſollte von Allen ohne Schaale erkannt werden; aber die Einſicht iſt in jedem Menſchen anders, wenn gleich in Allen Ein Glauben, Eine Ehrfurcht und Eine Liebe eher moͤglich iſt. Was nun vollends die kalte, freche Verſtandesaufklaͤrung betrifft, ſo ſtieß fie alles Heilige um, trieb alle ‚Ehrfurcht aus, und zerfnickte Das menfchlidhe Gemuͤth. Sie wollte den Allmächs tigen vom Himmeldthrone ftoßen und die Unzucht auf den, felben erheben; fie wollte dem Mienfchen feinen einzigen Troſt im Leben und Sterben rauben, und bot ihm prahlend bafür thierifches Leben; fie verachtete Die Leitende Hand der Vorſicht, und glaubte ohne Diefelbe durch eigene Kraft. fich jeden Weg eröffnen zu Tonnen. Darum wuchſen Selbfifucht mit allen ihren Lafer in .biefen Talten: Berriünftlern. auf, und die. Menfchenliche,, . die Humauitaͤt waren ihnen ein

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laͤcherliches Hirngeſpinnſt; darum galt ihnen Klugheit mehr als Treue und: Glanben, und thieriſche Luſt mehr ald Rein⸗ heit ber Seele. Das edle, liebende Verhuͤtungsamt war ein niedertraͤchtiges haſſendes Schleichamt, die heilige Ne⸗ meſis nur ein racheſchnaubendes Ungeheuer ; die Kirche ein Haus ber Schande, der Seelenhirt ihnen ein beträgerifcher Schaman geworben. Sie hatten mit kerker Hand bie Zügel des Reichs zerriffen und ſtuͤrzten fich in namenlofes Elendf Muß ſelbſt ſchon darum zur Forderung der nöthigen Ha monie des Ganzen, nicht: der Glauben an Gott, König und Baterland auch in den Deutfchen wieder zuräckfehren!

In unfrer Befreiungszeit leitete und biefe Idee, die fich- in den Worten: ‚Mit Gott, fir König und Vaterland”, rein ausfpradh.

Diefed Lofungswort erwärmte dad gen bed Deutfchen wieber mehr für Gott, König und Vaterland, verfchmelzte dieſe Tdeen in eine vielnmfaffende Empfindung, die zu eis nem Auffchwung drängte, dem Deutſchland fein erneuertes politifches und religisfes Leben zu danken hat.

Ein ſolches Loſungswort aber, das in Zeit der Angft und Noth unter dem göttlichen Beiftande ung half, bie Feuerprobe beftand, dürfen wir auch in Feiner feiner Eins zelheiten vergeffen; ed muß uns fort und fort beleben, und uns und unfere Nachlommen zur Erhebung einer ehren werthen Nationalität veranlaffen.

Sin diefer Verbindung bed Staated mit dem Himmli⸗ fchen liegt der wahre Standpunkt zur Erhebung und Bes nrtheilung des Menfchen; in ihr liegt ein Damm, der Menfchen gegen politifche Frivolität ımd gegen den Strom unvernuͤuftiger Begeiſterung und Zärtelei zu: fichern.

: „Darum muß es auch: bei unfrer Tugend dahin kommen, daß fie. mit unerfchütterlichem Glauben auch demjenigen ber Religion anhange, was der Verftand nicht würdig genug

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Allgemein Klar: barlegen, und wo bexfekbe: nicht 'eben ſo wirkſam innere reine Motive geben kann, wemnn gleich klare Einſicht in dad, was dem Heiligſten unbeſchadet klar aufge⸗ faßt uud eroͤrtert werden darf, vor aberglaͤubiſcher Dunwf⸗ beit und Berisvung ſchuͤren muß. Ä

Eben fo. muß. :ed.:abee auch dahin kommen daß ein Greiffich- patritifcher Sim in. unfrer Jugend fich feſtige; daß fie at den Bater bed Landes ungezweifelt glaube, ihm ihr ganzes Vertrauen fchente, und mit ihm in einem Ver⸗ bande ſtehe, der des Volkes Sache als die feinige, feine Sache als. die des Volkes betrachtet!

Kühlen wir und nun als Vaterlandsfreunde und Chris flen verpflichtet, den Koͤnig zu ehren, und ihm bie in den Tod treu zu fein: fo werben wir Diefes um fo bereitwilliger thun, wenn wir und von feiner perfönlichen Vortrefflichkeit Überzeugen; ja wir werben ihm alsdann mitfindlicher, zärte Ticher Liebe und Treue bis in ben Tod anhangen.

Folge mir nun noch wenige Augenblicke mit Aufmerk⸗ ſamkeit, und Du wirſt inne werden, wie viele Urſachen wir zu dieſer Liebe und Treue gegen ſeine Perſon haben.

Den Charakter unſres verehrten Koͤnigs in feinen Eins zelheiten zu entwickeln, ift mir auf meinem niedrigen Stand» punkte, iſt dem Maaße meiner -Geifteöfräfte eben fo un⸗ möglich, ald ed anmaßend unb ungeziemend von mir fein würde, folches zu verfuchen; aber Dich, fo. viel in meinen Kräften. ſteht, von. der Bortrefflichfeit eines Mannes zu übers zeugen, ber von ſo viel Tanfenden auf bas innigfte ver⸗ ehrt. wird: das halte ich in meinem Verhaͤltniß zu Dir für Pflicht; denn wie koͤnnteſt Du Deiner Jugend Lieberzu ber Perſon Deines Königs einhauchen, wenn Dir nähere Kennt» niß von den Vortrefflichteit Seiner Perſon abginge f. vore denn!

Als unfer. König nach Jenem traurigen ‚Zriebensfchluß zu Tilſit die Hälfte Seined Königreichs verloren: hatte, und Sein Reich entkraͤftet darwieber :Iag, ſuchte Er ‚baffelde durch.Erfparniß, wie jeber gute König: thun wuͤrde, wieber anfzurichten. Als aber Seine getreuen Unterthanen fahen, daß ihr geliehter. Fuͤrſt fait allem aͤußern Glanze entfagte, daß. er, welcher königlich, ich fage koͤniglich zu leben berech⸗ tigt war.,. fich felbft auf das Aeußerſte einfchräufte, und wie ein Privatmann lebte, ja fogar, um Seine Untertha⸗ nen nicht zu drüden, von Seinem koſtbaren Geräthe ver⸗ pfändete; da brach ihnen das. Herz, da konnte Docdy.-auc die Gleichgültigfeit und die Kälte an der Liebe des Monare chen zu Seinen Unterthanen nicht zweifeln! ba gründete fich der Glauben an Seine Liebe vollkommen; und allgemein und feit fteht er, und unerfchätterlich in den Herzen biefer Unterthanen. Wo hätten wir in der Gefchichte ein Beifpiel, das dieſen Beweis von Liebe des Fürften zu feinem Volke überträfe?.. Eine Großthat, in augenbliclicher Begeifterung gethban, fteht einem jahrelangen Leben in ungewohnter Eins gezogenheit, unter Entbehrungen aller Art, bei weitem nach. Stellen wir felbft und nur in eine Rage, in der wir Sahres lang, um Andern nicht befchwerlicher fallen zu müffen, ung täglich befondere, gewohnte Annehmlichkeiten verfagten, bie wir. mit vollem Recht und aller Billigfeit fordern duͤrften, und fragen und dann, ob Jene, für die wir das thaten, an unſrer Liebe zu: ihnen zweifeln koͤnnten? Ä

In wahrhafter Jugendfuͤlle, an der Hand eines hodhedr len Beifen, eines tiefen, zarten Engel, unter den Augen ber denkendſten und edelften Männer zum Manne heraugereift, bes gluͤckte Ihn die gütige Borficht mit einer Gemahlin von engels xeiner. Ratur, von hoher Kraft, hellem Verſtande, erbabener Tugend und warmer-Religiofttät. War irgendein Weſen Dazu gefhaffen, in dem .Fräftigen Geifte zarte Meenfchenliebe zu

entwickeln und zu feſtigen: ſo war es biefe eble Kran. Sie erheiterte Seine träben Stunden, Sie floͤßte dem Maͤnner⸗ herzen Zartheit ein, und ſchuf eine Harmonie: in Seiner kächften Umgebung , die Ihn zu einem der gluͤcklichſten Gat⸗ ten machte. Die Hauptfiadt ferdmte von jeher von Lobes⸗ erhebungen uͤber Bein VBerhältniß als eines edlen Gatten und Vaters uͤber. Wo finden wir nach Aller Ansfage in einer Familie des Landes mehr gegenfeitige Liebe, als in unfrer Rönigds Familiel O, glüdliches Koͤnigshaus! o glüdliches Land ; das folche Fürften befitt! -

Nur der Unverftand achtet auf dieſes Verhältniß bes Königs nicht. - Sol Zartheit in dem Herzen eines Fräftigen Mannes keimen und bleiben: fo muß er ber Liebe entſtam⸗ men, fo muß Liebe ihn erziehen, Liebe ihn umgeben, fo muß Liebe feine Nahrung fein. In der Liebe wird ber Menſch erſt Menſch. Sie erhebt ihn über die Erbaͤrmlich⸗ feiten des Lebens, und führt ihn dem höheren Ziele ficher entgegen. Daher Sein Gottvertrauen in ben bifen Tagen; vielleicht daher Seine ungeheuchelte Liebe zu feinen Unter⸗ thanen; daher Seine feite Tugend, in welcher Er jedem Seiner Unterthanen mit dem beften Beifpiele vorangeht, und großentheild daher Sein fefter Entſchluß, Deutich- land wieder zu befreien, oder Sich unter den Trümmern Seines Reiches zu begraben; Sa, wenn nadı Sahrhunderten unfrer großen Zeit gedacht wird, wie wir der Zeit bes Hermann gedenfen; dann wird man vielleicht allgemeiner wiflen und anerfennen, wie er Ssahrelang vorher Sich und den Seinen die Mittel zur Befreiung abgebarbt; wie Er Bol Gottvertrauens einer beflern Zeit entgegengefehen; wie Er mit kluger Vorficht die Erſten Seined Landes, jedoch ohne alle Unredlichkeit, für Seinen edlen Zwed gewann; wie Er- im Stillen: ſeine Unterthanen wehrhaft:machte, Seine Magazine, feine Zeughäufer füllte; wie Er die Eiche für

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die Befreiung Deutichlauds aufachte, und wie Er endlich mit einer Entfchiedenheit und Feſtigkeit in- dew.-Ziille maͤnn⸗ licher Kraft auftrat, DaB ganz Europa ben Fühnen, ritterli⸗ chen König und Sein Träftiges,. begeifterteö, treue Volk bewundern mußte!

Mer mit folcher Entfagung , mit ſolcher Borficht, unit folcher Kraft und mit einem fo innigen-Gottvertrauen ein ent⸗ fräftetes Reich, mitten unter den Beftrebungen ber ſtaͤrkſten Feinde, bie e8 ganz zu erbrüden ſuchten, gleich einem Phoͤ⸗ nir ans der Afche mächtig hervor fleigen läßt, was Jahres Yang vorher berechnet war: wahrlich, der verdient es zu beherrfchen,, der verdient Bewunderung; anf einen folchen Schirmherr und Helden kann der Unterthan ſich zuverſicht⸗ lich verlaſſen; feine Habe, feine Freiheit und feine Ehre bleiben geſichert!

Mir wollen aus ben vielen wichtigen Einrichtungen, die unfer theurer Landesvater mitten in den Sahren trüber Zeit gemacht hat, nur einige anführen, und ed wird hin⸗ länglich fein, Dich und jeden Borurtheilöfreien von der aus Berordentlichen Sorgfalt und von ber Weisheit unſres ge⸗ liebten Koͤnigs zu uͤberzeugen.

Der Unverſtaͤndige und der Traͤge ſteigern ihre Forde rungen an einen Koͤnig bis ins Unmoͤgliche; ſie moͤchten ſelbſt die nothwendigen, natürlichen Folgen ihrer Mängel durch denfelben abgewendet wifjen, und verlangen Aufhes bung folcher Webel von ihm, ‚die nur durch ein ‚allgemeines, Streben der Staatsbürger fortgefchafft werden koͤnnen. Der verftändige Unterthan fieht dagegen in dem vortrefflichiten Regenten doch immer noch den Menfchen. Er erfeunt, wie wenig er oft dba, wo er für das allgemeine Beſte wirken fol, bei der redlichiten Abficht und treuſten Auſtrengung z zu Stande bringt. an.

Muß der Staat gegen alle Anfeinbungen von Außen fo ſicher geftellt werben, daß er männlich zum Schub und Tentz da ſteht; iſt es weiſe, die Kraft des Volkes in An⸗ ſpruch zu nehmen, dieſelbe thaͤtig zu uͤben, ohne den Buͤr⸗ ger zu druͤcken, und ohne daß die Hab⸗ und Ruhmſucht bie Unterthanen zu Geißeln anderer Länder macht; iſt es meife, die Liebe zum Vaterlande unb zu deſſen Central⸗ pꝓunkte, dem Könige, zu werden und zu erhalten, allgemeine Srjiehungsmittel der jängern Unterthanen zum Gehorfam, zur Reinlichleit und einem anftändigen Betragen in Auwen⸗ bung zu bringen: fo ift: mie fein Mittel denkbar, das leich⸗ ter und durchgreifender alle dieſe Zwede und auf humanere Art erreichen koͤnnte, als die Einrichtung der Landwehr. Sa, mit der vollſten Uebergeugung preife ich dieſe Einrich- tung, welche dem Preußifchen Staate Millionen erfpart, bie ein flehendes Heer, eine zweifelhafte Sicherung des Bes ſitzthums, erfordern möchte. Wer möchte es wagen, Preus Ben anzugreifen, das faft in jedem räftigen Bürger einen gefchichten Vertheibiger feines Heerdes befigt! Eben dieſe Einrichtung fichert den Staat aber auch, wie leicht zu ers meffen, vor den innern Feinden: Unruhe, Ueberfeinerung, Laßheit und Gleichgültigkeit.

Nach der völligen Sicherheit von Außen amd Innen erfennen wir bie Beförderung der Bildung des Bolfs als das Borzüglichfte, und da haben wir wiederum alle Urſache die. andgezeichnetften Maßregeln unfred Landesvaters anzu erkennen. Es gibt wol fein Land der Welt, in welchem von Seiten ber Regierung in allen Zweigen ber Gefchäfte tuͤchtigere Männer verlangt werben, als im beutfchen Lande, und befonders noch im-preußifchen Staates; es werden die Forderungen an einen Menfchen in Hinficht auffeine Kenntniffe und feine moraliſche Aufführung Bis zu einem gewiſſen Grade von Vollkommenheit für jeden einzelnen auch noch fo

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geringfügigen Zweig gefteigert. Dadurch. zwingt/ der Btaat den Unterthanen, die. Vorbereitungszeit auf das befte zu benuben, wenn es ihm anders in. ber Zukunft ehe an Ehre und Brot. fehlen foll, : we rn

- Sf es denfhar, daß feldft in’ bebrängter geit mehr Mittel herbeigefchafft werden konnten, daß dieſen Foberuns gen von Seiten ber Unterthanen Genuͤge geleitet werde? Haben wir nicht unter unfren Augen zwei Univerfttäten ent⸗ ſtehen und ganz Königlich ansftatten fehen? find wicht ſeit Kurzem eine Menge Gymnaſlen entflanden, und 'befeelt nicht die meiften ber alten ein newer, Träftiger Geift? ift die alte Schlaffheit im Ganzen nicht verfcheucht und eine bewundernswuͤrdige Regſamkeit an ihre Stelle getreten?

Sind in andern Städten feit der Preußifchen Regierung nicht eine Menge höherer Stadt» und Gewerbichulen ent⸗ ftanden ?

Daß die Regierung hauptſaͤchlich die ‚eigene Anftrengung ber Städte benußte, liegt wol in ihrer weifen Sparfamfeit; welche Anzahl Millionen möchte die Einrichtung fammtlicher Anftalten im Staate erfordern, wenn nur der Staat hier helfen follte!

Es ift ferner. ein ganz Außerordentliches fuͤr den Volks⸗ unterricht dadurch geſchehen, daß die Zahl der Seminarien ſich unter dieſem Koͤnige verdoppelt hat, und daß fuͤr Schul⸗ gebäude und Lehrerbeſoldung beſtmoͤglichſt von oben geſorgt wird. Wenn die gewöhnlichen Mittel in diefer Gegend ben fchlechter befoldeten Lehrern. großentheild nur eine Annehm⸗ lichkeit verfchaffen: fo retten Diefelben in Preußen, Pom⸗— mern, Brandenburg ıc. eine Menge Lehrer aus dem Schlamm der Erbärmlichfeit, und geben ihnen das Gefühl von Men⸗ fchen = und Lehrerwuͤrde, ohne welches ber. star ein. tönen des Erz und eine. klingende Schelle iſt.

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.In druͤckenden Zeiten, nach ſchweren Kriegen, in wels ‚hen fo mancher Theil bes Stantsgebäudes aus feinen Fugen geriſſen und das Land erfchöpft ift, thut der Staat ſchon ein Großes, wenn er bad Gebäude nur vor dem Falle fichert: die Zundamente befiert und Stügen anbringt; eine beffere .Zeit kann dann an Verſchoͤneruug und Ausſchmuͤckung denken.

J Erſcheinen dir aber hier und dort Mängel im Staate ſo magſt du bedenken, daß kein Staat frei von denſelben iſt —; und wenn gleich der Unterthan in der jetzigen Zeit mehr über Staatsverhäftnifle nachzudenken gewohnt iſt, als ſonſt: ſo iſt ex darum doch noch kein weiſer, ruhiger Staats⸗ mann, den man ſeiner Vortrefflichkeit wegen auf den Hoͤchſt, punkt des Staates ſtellt, und dem man die Gruͤnde und Gegengruͤnde fuͤr das, was er ſiehet, auseinander geſetzt vor Augen legt. Nein, nein; da wo unſre Einſicht auf: hört, muß unfer Vertrauen ſich bewähren, wenn wirklich Vertrauen, Dankbarkeit und Liebe in unfren Herzen für ben Landesvater glüht. Darum laß und in ber Liebe zu Ihm nie wanken, wenn und Mängel in ber Staatseinrich- fung erfcheinen. Unfer König kann die Mittel zur Abhülfe fo vieles Elendes, zur Hebung fo vieles Guten nicht aus leerer. Hand nehmen. Wir wuͤnſchen Hülfe, geben aber nicht gern; Er fieht auf endliche Abhülfe des Schädlichen, wir münfchen augenblidliches Er denkt an diefe Zeit und an ein folgendes Sahrhundert, an die Menfchheit, wir in ber Megel am die.wenigen Sahre, die wir nod) zu leben has ben, an und; Ex. fieht auf ein allgemeines anftändiges Aus⸗ kommen feiner. Unterthanen, wir fireben nach Reichthum; Er: wünfcht eine regfame Thätigkeit des Einzelnen, wir wuͤn⸗ schen nicht felten auf eine bequeme Art zu Ehre und Brot zu fommen; Er wänfcht, daß das große Ganze in einer gewiffen Harmonie füch bewege, „wir wünfchen Bewegung

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nach eigenem Triebe, wollen ſelbſt gern ein Mittelpunft ſich bewegender Kraͤfte ſein; Er ſieht große, allgemein gefuhite Beduͤrfniſſe, wir wollen nicht ſelten gerne nur unſrem per⸗ ſoͤnlichen Beduͤrfniß abgeholfen ſehen, das wir durch An⸗ ſtrengung vielleicht ſelbſt hätten beftiedigen koͤnnen. Greife da in den eigenen Buſen, und ſuche dieſer Gegenſaͤtze noch mehre auf, ſo wirſt du Grund genug finden, Dich und die Jugend zu überzeugen, daß ein großer Theil der Unzu⸗ friedenheit irgend eines Unterthanen aus feinen feldftifcher Wünfchen hervorgeht. Welcher brave Bürger mag aber. nun ohne Bedenken das feinen Landesvater entgelten laſſen, was er vielleicht felbft, oder was die Zeit verſchuldet hat!

Werfen wir nun noch einen Blick auf einige Einzelhei⸗ ten, fo finden wir auch hier allenthalben Segensreiches, das unfer König ins Leben gerufen hat. Hat er micht für ein großes Tandwirthfchaftliches Inſtitut zu Moͤgelin geforgt? Wird die Seiden s und Obſtkultur nicht auf die zweckmaͤ⸗ Bigite Art allgemeiner gemacht? Iſt eine Art Fendalwefen nicht felbft an den Föniglichen Domainen aufgehoben und dadurch dem Bauer der sftlichen "Provinzen zum Gefühl feiner Menfchenwärde und zum frohen Erwerb geholfen ? Sind die rundftenern nicht regelmäßiger felbft auf die ades figen und fürftlichen Guͤter geſchlagen? Verdankt ber ges meine Soldat Ihm nicht die humanfte Behandlung von Seiten feiner Obern? Kann nicht auch der talentvolle Buͤr⸗ ger zu den höchften Stantsämtern gelangen? Iſt Er den verlaffenen Wittwen, bie ihr MWittwengehalt aus Pohlen bezogen, und unter ber fremden Regierung dieſes Landes fchmachteten,, nicht als ein -rettender Engel erfchienen, und hat er ihnen nicht mehr gethan, als diefe winfchen konn⸗ ten? Sind nicht im Staate eine Menge Knnſt⸗ und Ges werbfchufen angelegt, vortreffliche Wege gemacht; ‘die bes ften Poſten eingerichtet? Foͤrdert Die Regierung nicht: jebe

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nuͤtzliche Erfindung zum Wohl des Landes, und ſteht nicht jede Maſchine bes Laudes dem Wißbegierigen zur Anſicht bereit? Hat Preußen nicht die möglichen Repreſſalien gegen die Beichränfung des Welthandels ergriffen, und fleht denn wirklich mehr in feiner Macht? Hat unfer König nicht eine Menge der Anftalten wieder ind Leben gerufen, bie in pen Jahren bed Druded ganz ober. zum Theil au Grunde geaangen waren? Herrſcht nicht Die größte Ordnung in allen Zweigen der Verwaltung? Sit unfer Gefegbuch nicht um eine Menge der weifelten Gefeße vermehrt worden? ja, wird nicht gerabe jegt ein neues Geſetzbuch für das ganze Land .qugefertigt? Erwarten wir nicht jetzt eine neue Gtädtes ordnung, nad) welcher. bie Bürger ihre Bürgermeifter und Vorſteher ſelbſt waͤhlen ſollen, und ſelber anordnen helfen, was der Stadt und dem Umfyeife dienlich iſt? Werden die Wünfche her verfchiebenen Provinzen nicht angehört, und bürfen wir nicht ſo viel auf. hie Erfüllung derſelben vers trauen, als es fich im Intexeffe bes großen Ganzen als förderlich darſtellt? O gewiß! Laß uns dankhar dasjenige erkennen, was für unfer Wehl geſchehen iſt, und im Ver⸗ trauen ein Mehres von Dem erwarten, Dex bisher unter Got⸗ tes Beiſtande dieſts und noch unendlich mehr für und that, als wir auf unſrem niedrigen Standyunkte erfeugen koͤnnen! Faſſen wir nun kurz dasjenige, was ich uͤber bie Pers ſoͤnlichkeit unſres theuren Koͤniges geſagt habe, kurz zuſaur⸗ men: fo erſcheint ung derſelbe als: zaͤrtlich liebender Vater Seines Volls und Seiner Familie, als Menſchenfreund, als heldenmuͤthiger und kraͤftiger Beſchuͤtzer und. als weifer Regent, Dem wir Die wichtigſten Einrichtungen verdanken, und Der in allen Zweigen eize hewunderungswuͤrdige Reg⸗ famfeit zu erihaffen und zu. erhalten, weiß.

Vereinigen wir. nun. biefe glorreichen Eigenſchaften mit ben an Ihm allgemein. erfannten: mit Seiner firengen Tu⸗

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gend und Seiner ungeheuchelten Religiofitdt, mit Seiner Gerechtigkeit, mit Seiner Liebe zu Känften unb Wiſſenſchaf⸗ ten, mit Seiner ſtrengen Mäßigfeit, Ordnungsliebe und Sparfamteit: fo kann ich, im Gefuͤhl meiner eigenen Schwäche; nicht anders, als diefen vortrefflichen Kandesvater bewun⸗ bern, und ung, bie wir unter Seinem milden Scepter ſte⸗ hen, hochbegluͤckt preiſen!

O, theurer Juͤngling! in der lebhafteſten Ueberzeugung bete ich mit aufgehobenen Haͤnden zu dem Allguͤtigen: Herr Gott, ich danke Dir, daß du und dieſen König gegeben; ich preiſe Dich, daß. Du und ihn bis jekt fo gnaͤdig behuͤ⸗ tef, und ihn an Deiner Hand fo väterlic, geleitet haft! ich bitte Dih, Du wolleft Deine fegnende und fihätende Va⸗ terhand auf ihm ruhen laſſen, wolleft fein edfed Haupt mit reinem Silberhaar zieren, fein Tiebended Auge mehr und mehr erheitern, feine feguenden Hände unterftüßen, fein edles Baterherz fo ganz den Danf feiner ihm danfbar treu ergebenen, ihn zärtlich liebenden Unterthanen empfinden laſſen! Herr fegne ihn, fo begluͤckeſt Du mich und alle, fo ihn lieben! ihn Tieben bis in den Tod! Amen! Amen!

Wir wollen aber diefen hochtheuern Mann nicht allein Lieben und verchren; wir wollen Ihm nachftreben, wollen die Herzen unfrer Jugend Ihm darbringen, und Unterthas' nen Ihm ziehen, die Seiner werth find. Willſt Du das, fo ftreben wir vereint einem Ziele entgegen! Durch unfer reines Wohlwollen Taf ung Wohlwollen in der Sugend erzeugen; durch unfre reine Liebe zu allem Guten, durch unfre ungeheuchelte Ehrfurcht vor Gott, Koͤnig und Vaterland laß und der Tugend diefe Schönen Eigenfchaften einpflanzen; durch Wanderungen in Umgegend und Kerne, durch vaterländifche Gefchichte und Beibehaltung vaterländifcher Feſte laß und der jungen Bruſt warme Liebe und treue Anhaͤnglichkeit an Koͤnig und Vater⸗ land einpraͤgen. "Durch ſinniges Unterhälten über weiſe

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Einrichtungen in Stadt und Land, inſofern dieſe fuͤr die Sphaͤre der Jugend ſich eignen, laß uns dieſelbe beſtmoͤg⸗ lichſt in die große Angelegenheit dergeſtalt hineinfuͤhren, daß ſie in Beſcheidenheit und Ehrfurcht daruͤber urtheilen lerne. König und Vaterland müffe in ihnen ein und derfelbe Gegenſtand ihrer Liebe und Treue fein!

Dieſes wird fie gefchickt machen, ſtets fegensreich im engern Kreife zu wirfen, und dem Keinde, der und Land and Freiheit rauben will, im innigſten Dereine mit dem Zandesvater, die muthige Bruft entgegen zu ftellen. Dann werden unfere Schüler um fo mehr treue Preußen, Achte Dentfche, humane Menfchen werben!

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3 17. Are" . © .

Gedrudt bei Sam. Lucas in Elberfeld.

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Der Lehrer einer niederen und höheren : Volksſchule in

ſeinem Weſen und Wirken. Bon

Sodann Sacob Ewich.

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Il, Theil. Der Lehrplan.

een. 1829. Sa Sommilfion bei J. I Bageh In Deſel.

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ASTOR, LENOX AND TILDEN FOUNBATIONG,

Auf Türzeftem Wege zum würdigen Biele,

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Einige Grundzüge von der Einwirfung des Staates auf Das innere Leben des Unterrichtsweſens.

Pepe Einrichtung im Dienfte der Staatszucht muß mit diefer beſtmoͤglichſt von gleichen Anfichten ausgehen, und Dies fer gemäß wirken, damit fie Feine Verwirrung im großen Ganzen errege, ſondern vielmehr als getreue Dienerüt in einem Geiſte mit dem Staatsregimente, dem gemeinfamen, erhabenen Ziele, nämlich ‚‚Beförberung der Humanität‘ zuftrebe. |

Der Erfolg diefes Zuftrebens von Seiten des Staates hängt natürlich von der Vervollfommmung diefer ald Mits tel zu gebrauchenden Einrichtungen ab. Der Dienftfreis dieſes Meitteld darf aber, wenn dafjelbe geiftiger Art ift, nicht bloß auf Erreichung einzelner Staatszwede befchränft werden, da er font einen andern Mittelpunft erhalten koͤnnte, als in der Natur deſſelben liegt; und es Eönnte dann dieſes Mittel, das als geiftige Einrichtung feinen eis genen Zwed hat, fich nicht in feinem eigenen Geifle vers vollfommnen. Diefe Einrichtungen müffen vielmehr eben fo- gut, als der Staat die Beförderung der Humanität zum Zwed haben, müflen darum frei fid) bewegen können, und der Staat hat nur darauf zu fehen, daß Diefes Ziel wirklich erreicht, und nicht aus den Augen geriidt werde. Indem die Einrichtung dann ihren. eigenen Zwei zu erreichen

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ſtrebt, hilft ſie dem Staate das gemeinſame Ziel erſtreben. Je geiſtiger die Natur einer ſolchen Einrichtung iſt, deſto mehr Freiheit erfodert ſie in ihrer Ausbildung. Will der Staat dabei nicht laͤhmend zu Werke gehen, ſo muß er die freie Ausbildung derſelben zu befoͤrdern ſuchen, und dennoch ſich dieſelbe gehorſam erhalten.

Ich will hier einige Grundzuͤge zu einer ſolchen Einrich— tung, naͤmlich dem Unterrichtsweſen, aufſtellen, wie mir die⸗ ſelbe als muſterhaft erſcheint. Dabei ſehe ich aber von der Wirklichkeit eines Beſtehenden ganz ab; denn mir iſt keine ſolche Einrichtung in irgend einem Staate in ſoweit bekannt, daß ich Darüber auch nur etwas Zuſammenhangendes ſagen koͤnnte. Vergleicht ber Kenner dann meine Idee mit ber Wirklichkeit, und findet jene in ihrer Berwirklichungsfähigs feit hinter dieſer zurück: fo werde ich um fo mehr Urfache zu Freude und Dank haben, als ein Staat in der Einrichs tung des Unterrichtsweſens uͤber meine Idee fegensvoll zum Wohl der Menfchheit ſchon weggefchritten iſt; und mit ber Srößten Bereitwilligfeit werde ich dann meine Idee gegen eine beffere vertaufchen, um alsdann befto ficherer den juͤn⸗ geren Lehrer auf einen höheren Standpunkt erheben zu koͤn⸗ nen, von wo er bie Staatseinrichtungen im Unterrichtsfache anfehen muß. Eine folche, wenn gleich nur in ber dee beftehende, Anficht ift aber dem Lehrer nöthig, wenn er den Anordnungen des Staates mit aller Willigfeit und mit voͤl⸗ ligem Bertrauen folgen fol. Dean feße mir da nicht den Zwang entgegen; Aeußeres läßt fich erzwingen, aber hier wahrlich nicht Inneres; das hängt von ber Reinheit der Erfenntniß und dem guten Willen der Lehrer ab.

Da das Unterrichtöwefen Yon oben herab und von unten hinauf in Gang geſetzt und erhalten werben muß, wie ſich weiter unten von felbft ergeben wird: fo muß auch ih in der Darftellung diefer Einrichtung diefen doppelten

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Weg gehen; und ich muß darum den Leſer bitten, ſein Urtheil über das Ganze bis zum Schluffe dieſer Darſtellung zurücdzuhalten.

Zunächft unter dem Landesfürften ber auf dem hoͤchſten Standpunkt des Staates ſteht, und von dort aus alle Vorſchlaͤge und Einrichtungen als mit den höchften, geheimen oder offenbar ausgefprochenen Ssntereffen des Stans tes vereinbar, oder denfelben zuwider, als annehmbar oter. verwerflich erfennt ſteht der Eultusminifter, in welchem wir, für unfren Zweck betrachtet, einen Mann verehren, der die Menfchheit ehrt und liebt, und der tiefe Einficht in. das Gefchäft der Menfchenbildung hat. Er braucht darum. nicht Lehrer gewefen zu fein; denn dieſe hohen Anfichten gehen nicht fowol aus dem Lehrthum, als vielmehr aus: dem Menfchthum hervor, und finden hier ihre Begründung. Ga, gehört diefem Manne gewiffermaßen die höchfte Ent fheidung von Seiten des Staated an, fo koͤnnte es offen, bar fchädlich erfcheinen, wenn er dem Stande felbit anges hörte, über den er nach höchften allgemeinen Anſich— ten richten ſollte. Sede andere Stellung abwärts, ber Die Entfcheidung über das Berhältniß des Lehrfaches zu andern. Fächern nicht kennt, trifft dieſe Beforgniß nicht, fondern: fchafft vielmehr die entgegengefegte Befürchtung, da jede. Einrichtung der Staatszucht in fich felbjt, in ihrem Geifte, ſich entwiceln und fortfchreiten muß. Es muß aber einen Punkt geben, in welchem diefes Fortfchreiten der einen Eins richtung mit dem Fortfchreiten anderer Einrichtungen gehoͤ⸗ rig abgemeffen werden fann, Damit die nöthige Harmonie der Strebfräfte erhalten werde, und eine die andere nicht zerftöre. Diefer Punkt liegt nun freilich in dem Meinifterio, nämlich, in dem Ansgleichen der Anfichten und Beftrebungen. der einzelnen Glieder deſſelben; aber es wuͤrde hier zu große Berfchiedenheit in den Anfichten ſtatt finden, wenn Seder

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mit ganzer Seele nur ſeiner einen Einrichtung angehoͤrte, und nicht am meiſten von den allgemeinen und hoͤchſten Anſichten ausginge; und der allerhoͤchſten Entſcheidung, dem Landesfuͤrſten wuͤrden die Vorſchlaͤge nicht von allen Bei⸗ miſchungen weniger hohen Anſichten gereinigt dargelegt, und dieſem im Durchſchnitt zu viel zugemuthet werden, in⸗ dem dieſer erſt reinigen muͤßte, bevor er feinen Maaßſtab anlegen, alfo fein eigentliches Gefchäft verrichten dürfte. Diefem Gultusminifter Täge demnach unter anderem Die Sorge für Univerfitäten, Akademien, Gymnaſien, Semi⸗ nare und für höhere und niedere Volksſchulen, ober für Gelehrten⸗ Künftlers und Bolfsbildung ob.

Da aber diefe Fürforge ohne Die genauefte Kenntniß diefer Einzelheiten und ohne lebendiges Intereſſe für dieſel⸗ ben der ficheren Leitung entbehrt: fo muß diefer Staats mann von Männern unterftüßt werben, welche dieſe Ans ftalten auf das genauefte kennen, auf das innigfte lieben, und tüchtige praktifche Kehrer in demjenigen Theile des Uns terrichtsfaches gewefen find, welchem fie vorſtehen folleı. Es kann demnach biefe Stelle nicht eine einzelne Berfon ausfüllen, zumal da für drei, doch immer fehr verfchiedene Fächer fi in einem Menfchen faft nicht gleich tiefe Kennt: niß bis in das geringfte Einzelne, nicht gleiches Intereſſe und gleich innige Liebe denken laͤßt.

Um aber dieſes Perſonale nicht ohne Noth zu haͤufen, faͤnde ſich wol ein vorzuͤglicher Univerſitaͤtslehrer, der vor⸗ her einem Gymnaſio vorgeſtanden, ein Akademiſt, der viel⸗ ſeitige tieſe Kenntniß in der Kunſt und die innigſte Vereh⸗ rung vor derſelben in ſich vereinigte, und ein tuͤchtiger Se⸗ minardirektor, der vorher niederer und höherer Volkslehrer geweſen waͤre. Dieſe drei Maͤnner ſichteten nun die von unten auf gemachten Vorſchlaͤge, erſt Jeder fuͤr ſich, dann im gemeinſchaftlichen Rath, und endlich unter Vorſitz des

71 Cultusminiſters, durch den fie Die Wirbigung® hir hberer Anfichten fennen lernten.

In dieſem Rathe, den ich den Oberfchulcath nennen will, ‚vereinigte fich nun das Hoͤchſte und Niedrigfte, das Allgemeinfte und Einzelne, und hier wäre demnach, wie fich weiter unten .ergeben wird, das Refultat aller Vor⸗ ſchlaͤge, Unterfuchungen ıc., die im Staate ind Leben tres ten follten, zu finden. Was. Diefe Männer nun im Inte⸗ reffe des. Staates als wortheilhaft und erfprießlich- fanden, das koͤnnte dem Druck übergeben werden, Jeder dieſer Männer würde nun wieder burch andere unterftüßt. Der Gelehrten » Oberrath.. fände mit den . vorzüglichften Unis verfitätslchrern der verfchiedenen Fakultäten und mit ben tüchtigften Direktoren der Gymnaſien des Landes, der Künfts - ler⸗Oberrath mit den tächtigften Lehrern ...der. verfchiedenen Akademien, und der BolköfchulsOberrath. mit.den tüchtigften Lehrern von Seminaren und höheren und niederen Volks⸗ fchulen in mündlicher und befonders in ſchriftlicher Ver⸗ bindung. Alle drei Oberräthe aber würden in. ihrer ‚Ges fammtheit son den Provimzial: Schulräthen unterftüßt.

Jeder Provinzial-Schulrath beftande aus brei Mitglies dern. Zu dieſen Hemtern müßte man einen Gymnaſiendi⸗ reftor für den Gymnafialunterricht, einen Direktor einer höheren Volksſchule und einen Seminarbireftor für den hoͤ⸗ heren und niederen Bolfsunterricht wählen. Diefen Mäns nern, welche zu den tüchtigften Lehrern des Landes. gehoͤren müßten, läge, außer den natirfich auch im Oberrath vors tommenden Gefchäftsfachen, beſonders die Einrichtung Der Lehrerfonferenzen und die Beauffichtigung und oberfte Lei⸗ tung ber Schulen ob. Der Gymnoſienrath ftände num wit ben vorzüglichften Gymnaſiallehrern, und die beiden Volk

*) Beffer: über höhere,

s

ſchulraͤthe ſtaͤnden mit den Seminarlehrern, mit den tuͤch⸗ tigſten Volksſchullehrern und den Predigern; der Rath in ſeiner Geſammtheit aber mit dem Generalſuperintendenten, den Schulvorſtaͤnden, den Direktoren der Gymnaſien, Se⸗ minare, der hoͤheren Volksſchulen und mit den Schulpfle⸗ gern der niederen Volksſchulen in Verbindung.

Was nun den beſondern geiſtigen Impuls betrifft, der den Lehrern der Provinz durch dieſen Schulrath gegeben werden ſoll, ſo beſteht dieſer zunaͤchſt in Einrichtung der Lehrerkon⸗ ferenzen fuͤr Lehrer der niederen Volksſchulen.

So lange es vielen dieſer Lehrer noch an Kenntniß in den einzelnen Theilen ihres Faches mangelt, koͤnnte man folgenden Weg einſchlagen. In jeder Provinz moͤchten ſich immerhin einige Maͤnner von tiefer Kenntniß in ein⸗ zelnen Schulgegenſtaͤnden finden, die zugleich in denſelben geſchickt zu. unterrichten verſtaͤnden. Dieſe Männer müßten zur Mittheilung ihrer Anfichten. ıc. über die Gegenftände ermuntert werben; und fände der Schulrath dieſe Anfichten ꝛc. mufterhaft, fo möchte ‚jeder diefer Männer fich wol dazu verfichen, in einem Gegenfiande zwei ber in dieſem Fache faͤhigſten Lehrer jeder Lehrers Conferenz der Provinz, einen Monat lang in den Langen Hexbftferien zu unterrichten, und . ihnen jede Uebung ꝛc. fchriftlich mitzutheilen. Die auf Diefe Art Unterrichteten würden nun in biefem Gegenſtande die Lehrer ihrer Conferenz, andere zwei Lehrer wiederum in einem andern Gegenflande u. f. w. Auf diefe.Art und das durch, daß mehrere Glieder die Grundfäße des Cerziehenden) Unterrichtes kennten, ftellte Die Gonferenz in der Gefammts heit ihrer Glieder den Fenntuißreichen tüchtigen Lehrer dar. Ferner möchte fich® ein von ber Lehrerkonferenz dazu ers wählter Prediger wol gefallen laffen, am Gonferenztage eine Stunde lang fich mit Erklärung und Behandlung ber Bibel zu befaflen, und einer der gewandteften Lehrer möchte

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dann auch muͤndlich und ſchriftlich einen Begriff entwickeln und eine bibliſche Erzaͤhlung auf die Art vortragen, wie dieſelbe vorgetragen werden muß. (Siehe Claſſe 8) Die uͤbrige Zeit koͤnnte mit Vorleſen, Erklaͤren und Beſprechen der vom Rath oder Oberrath zum Druck veranlaßten Ab⸗ handlungen, oder mit Unterredungen uͤber andere paͤdago⸗ giſche Gegenſtaͤnde ausgefuͤllt werden. Eine ſolche Confe⸗ renz muͤßte jedem Lehrer nuͤtzlich ſein; denn er wuͤrde da⸗ durch mit den Fortſchritten in ſeinem Fache bekannt, haͤtte Gelegenheit viel Nuͤtzliches zu lernen, oder ſeinem ſchwaͤchern Amtsbruder, ſei es durch wirklichen Unterricht, oder auch nur durch Verdeutlichung des Einzelnen, beizuſtehen. Der Schulpfleger koͤnnte dabei die Ordnung des Tages lei⸗ ten, damit der Zweck der Unterhaltung erfuͤllt wuͤrde, und koͤnnte Einzelne, die in einer Sache wichtiges leiſten, zur ſchriftlichen Mittheilung für. Conferenz und Rath er⸗ muntern. Solche Conferenzen koͤnnten im Winter jeden Mo⸗ nat, und im Sommer alle vierzehn Tage auf einen ganzen Tag Statt finden. Sobald eine praktiſche Betreibung der Gegenſtaͤnde weniger Noth thun ſollte, koͤnnte man ſich um ſo mehr um das Fortſchreiten der paͤdagogiſchen Literatur bekuͤmmern, ja daſſelbe zu beſchleunigen ſuchen.

Fuͤr Lehrer an Gymnaſien, hoͤheren Volksſchulen und fuͤr die tuͤchtigſten Lehrer der niederen Volksſchulen moͤchte folgendes Geiſtaufregungsmittel, welches ich hier nur als Idee aufſtellen will, nicht ſo ganz als unzweckmaͤhig erſcheinen.

Beſonders ſeit den lettvergangenen fünfzig Jahren iſt; wie bekannt, außerordentlich viel Gutes und Schlechtes Aber den Unterricht gefchrieben worden; und es wäre wol an ber Zeit, endlich einmal eine paͤdagogiſche Aehrenlefe zu veran⸗ ftalten, um dadurch das ausgefuchtefte- Material für Fünfs

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tige Nebeneinanderftellung zu erlangen. Man Fönnte dazu etwa folgenden: Weg einſchlagen. |

: 4) der Provinzialrath koͤnnte neben einem Ermunte⸗ rüngsfchreiben zu Diefem Ideenaustauſch eine Bibliographie ber befjern paͤdagogiſchen Schriften unter ben Gliedern des Bereines zirkuliren lafien, Damit Jeder von ihnen fich zum treueften Durchſtudiren einer diefer Schriften, oder auch wur eines Theiles derfelben verpflichtete. Werke von befonderer Wichtigkeit koͤnnten jedoch Doppelt bis dreifach beſetzt wer⸗ den. Es iſt bier aber Feineäweges bloß von neuen und beutjchen , fondern auch von alten und fremdfprachigen paͤda⸗ gogijchen Schriften die Rede; nur verdient bemerkt zu wer: ven, daß zur allgemeinen Verftändlichung alle Anführungen aus Büchern fremder Voͤlker in forgfältiger Ueberfeßung gegeben werben müßten.

2) Seder einzelne Bezirk der Provinz koͤnnte nun für jede Schulart einen, alfo im Ganzen drei Männer zu einem Ausſchuß wählen, der für die Ordnung des Einzelnen forgte ıc. Diefer Ausſchuß müßte keinesweges eine befchrän- tende Kraft haben, fjondern nur dag Organ des Heinern Ganzen fein; dabei aber auf Erfüllung ber allgemeinen Verpflichtungen halten. Die Glieder der Bezirksausſchuͤſſe der Provinz wählten unter ſich einen Provinzials Ausfchuß, und die Glieder der fänmtlichen Provinzials Ausfchäffe wählten einen Landesaugfchuß, Der mit einem von bem Dberrath gewählten befondern Landesausſchuß in faft gleis chem Verhaͤltniſſe ſtaͤnde. Zu Mitgliedern dieſer Ausſchuͤſſe muͤßte man denkende Maͤnner vom Fach zu waͤhlen ſuchen, die da wiſſen, was ſie wollen, und das Poſitive des Unter⸗ eichtsweſens nicht in ſubtilen Deduktionen verlieren: Maͤn⸗ ner, welche auch mit den Forſchungen eines Salzmann, Campe, Reſewitz ⁊c. bekannt find, und die nicht den paͤda⸗ gogiſchen Schwulſt lieben, um nur ihren Scharfſinn zeigen,

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und einen Nimbus um fich fehaffen zu. koͤnnen, fonbern bie mit nüchternem Sinne und warmem Herzen Die zerſtreuten Goldkoͤrner ber Altern und neuern Zeit zufammen fuchten, um für Menfchenbildung wahrhaft Nübliches zu geben. Alle drei Jahre könnte man eine neue Wahl der Glieder dieſer AYusfchüfle treffen, bei welcher jedoch die bewährteften Maͤn⸗ ner vielleicht im Ausfchuffe bleiben koͤnnten. Sämmtliche Ausſchuͤſſe müßten nun das Vorhandene prüfen und zuſam⸗ menſtellen oder zuſammenſtellen laſſen.

3) Von den Mitgliedern jedes Bezirks wuͤrden nun die Bedingungen und Grundſaͤtze angegeben, nach welchen dieſe Buͤcher benutzt werden ſollten, und wie ſich jedes Mitglied bei Darlegung fremder oder eigener Anſichten, bei Bekaͤm⸗ pfung entgegengefebter Meinungen verhalten müßte Der Ausſchuß hätte Diesmal nun die ausgefprochenen Anſichten in gebrängter Kürze neben einander zu flellen, und biefe Darftellung an den Provinzial s Ausfchuß zu fenden, damit diefer das Gemeinfame ordnete; und der Landes s Ausfhuß müßte endlich die Anftchten aus den verfchiedenen Provinzen prüfend zufammenftellen, und das Refultat dem Oberrathe vorlegen. Diefer Ichtere müßte dann mit feinem Ausfchuffe die Sache beratben, dasjenige, was darin dem Staatsinte⸗ seffe zuwider wäre, ausmärzen, und dieſe Gefeße der Ges fellfchaft dem Druck übergeben. Jedes Mitglied der Geſell⸗ fchaft erhielte nun gegen eine fehr geringe Vergütung zur Beftreitung der Drudkoften ein Exemplar diefer Geſetze. Diefe Geſetze könnten jedoch mit der Zeit mehr und mehr vervollkommnet werden.

Als nothwendige Bedingungen berühre ich bier nur fols gende: Wer an dieſem Berrine Theil nehmen will, muß fidh moͤglichſt kurz, edel, beftimmt und allgemein verftändlich ausdräden, allen übergelehrten Schwulft vermeiden, fich nicht in ſubtile Deduktionen verlieren, vielmehr beſtmoͤglichſt

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andy alles an ber Erfahrung nachweifen, darf nicht ftreiten um Recht zu behalten, muß jeberzeit mit Befcheidenheit aufs treten, bie ausgefprochenen Anfichten, fo gut er kann, zu be gründen oder zu reinigen, aber nicht zu verwideln fuchen, and muß in feiner übernommenen Schrift allenthalben zu Hauſe ſein.

4) Um bie Theorie auf das innigfte mit der Praris zu verbinden und leeren Spekulationen auszuweichen, mögen zuerſt Die einzelnen Gegenftänbe bes Unterrichts‘, und zwar vielleicht am beften auf die Art vorgenommen werden, baß man ſich jedesmal zuerft.über den ganzen Zweck, bann über die allgemeine Fefkitelung der Methode, dann Aber den Uns terrichtsgang für alle Claſſen aller Schularten, dann Tiber die einzelnen Uebungen des Gegenftandes, und endlich über die Einrichtung und fpecielle Bearbeitung der dazu nöthigen Schul⸗ und Lehrbücher -verftändigt.

Angenommen, es fühlten ſich in jeder Provinz num Mehrere berufen, über den Zweck einiger Unterrichtögegens ftände zu fchreiben, fo müßten fie diefe ihre Abhandlung, durchaus deutlich gefchrieben, dem. nächften Ausſchuſſe zur Anficht vorlegen. Diefer fände diefelbe entweder brauchbar oder nicht. Im letztern Falle ſchickte er dDiefelbe an ihren Verfaſſer zuruͤck; im erftern Falle ließe er dieſelbe zirkuliren, und machte im Amtsblatte die Mitglieder feines Bezirks auf das zu Empfangende aufmerffam. Nun fähe jebes Mits glied nach, was in feiner übernommenen Schrift über dieſen Gegenitand ſelbſt, oder über allgemeine Grundfäße, die hier ihre Anwendung finden, enthalten wäre, und läfe vielleicht noch anderwaͤrts etwas dazu. Erhielte er nun die Abhands fung, fo fügte er, wenn die Anfichten feines Schriftſtellers fehlten, biefe al8 Anmerkungen bei, und theilte dann -feine eigenen Anfichten über den Gegenftand,- unter Nennung feis ned Namens, mit. Auf: diefe Art erhielte der Ausſchuß

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diefe Abhandlung mit ſehr vielen Anſichten ber Mitglieder, und alter und neuer Schriftſteller bereichert zuruͤk. Dieſer pruͤfte vielleicht das Vorhandene nochmals, und ließe es dem Verfaſſer zur naͤheren Bearbeitung des nun Vorhandenen zukommen. Der Verfaſſer faͤnde nun dort Vieles für. und gegen ſeine ausgeſprochenen Anſichten, ſuchte alles zur Vervollſtaͤndigung, tiefern Begruͤndung, eindringlichern Darſtellung ſeines abgehandelten Gegen ſtandes zu benutzen, ſtellte diejenigen Anſichten, welche er ſeiner Arbeit nicht unmittelbar einverleiben wollte, mit Gegengruͤnden verſehen, zur Seite, und ſchickte dieſelbe wiederum an den Ausſchuß. Enthielte die Abhandlung Vor⸗ treſſliches, fo wuͤrde fie dem Rathe zur Anſicht vorgelegt, und wenn biefer in derſelben nichts Anſtoͤßiges fände: ſo würde die Erlaubniß zum Druck ertheilt. Sobald Diefe Uns terfuchungen ein Heft füllten, würde gegen Verguͤtung der Drudfoften ein Eremplar an jebes Provinzial» Mitglied und eins an den Ausfchuß jedes Bezirks der Provinzen zum Zirkulirenlaffen gefendet, und ed begäanne nun eine allgemeine Pruͤfung, Begründung und Feftitellung des Abgehanbelten, Entweber bearbeitete nun der erftere Verfaſſer, deſſen Ras men bis jet noch nicht befannt zu fein, brauchte, die Ab⸗ handlung aufs Neue, oder ein Anderer uͤbernaͤhme diefe nun fchwierigere Arbeit ganz oder zum Theil, und führte. dabei die Namen der Berfafier wichtiger Anmerkungen ꝛc. in einer Note an. Bon bem letztern Berfaffer gelangte bie Arbeit an den LandesAusfchuß, von diefem an den Obex« . rath; und fände dieſer nichts in ihr, was dem Jutereſſe des Staates zuwider wäre: fo wuͤrde fie dem Ausſchuſſe des Oberrathes zugefenbet, der diefe dann für ben ganzen: Staat zum Beten ber einzelnen Berfafler drufen ließe, nnb . vielleicht noch mit feinen Anmerfungen bereicheste. Ueber Bertheilung bed Honorars an den Hanpts und bie Neben⸗

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verfafſer koͤnnten die nöthigen Beſtimmungen feſtgeſetzt wer; den. Jedes Mitglied der großen Verbindung erhielte nun ein: Exemplar gegen Verguͤtung, und koͤnnte ſelbſt das Re⸗ ſultat allgemeiner Unterſuchungen noch zu vervollkommnen ſtreben. Der Oberrath aber benutzte ſolche Unterſuchungen zu ſeinen Anordnungen in dem Unterrichtsweſen. Arbeiten, welche fuͤr dieſen Zweck zu ausfuͤhrlich waͤren, muͤßte der Schriftſteller ſelbſt drucken laſſen, und ſich dann mit Recen⸗ firen einzelner Glieder bed Vereins ıc. begnuͤgen. Auf dieſelbe oder anf vorige Art koͤnnten auch. die Schulprogramme bes- wust werden. Es wäre nicht nothwendig, Daß einer ber Mitglieder, der Berfafler einer zu prüfenden Abhandlung wäre, bad wäre ganz gleichgältig, und wäre diefelbe aus dinen: Werte eines längft verftorbenen Schriftſtellers woͤrt⸗ fich abgefchricben; denn der Zweck des Bereind geht nur babin, Altes und Neues prüfend zufammenzuftellen und das durch, wie auch burch eigene Forſchung, den Unterricht zu verbeſſern, und wo uröglich jeden Gegenftand der Vollkom⸗ menheit näher zu bringen.

Die Einwirkung von Seiten ber Regierung wäre hier fa ohne ale Mühe und nur negativ; fie hälfe war den Berein bilden, ihn durch das ganze Land ausdehnen, dem⸗ felben Halt und Würde geben, und beichränfte . feine Kors fihung auf irgend cine Weife. Daß fie aber dasjenige nicht öffentlich gut heißen bürfe, was dem Staatsintereſſe zuwider üt, verfteht fich von felbft. Uebrigens müßte es jedem Mit⸗ gliede frei fichen, felbit allgemein. getadelte und von den Ausſchuͤſſen verworfene Sdeen näher auszuarbeiten, und auf aigene Hand druden zu laſſen. n

: Sobald dad Refultat ſaͤmmtlicher Unterſuchungen aufs Rene anfgelegt werden müßte, Binute wiemal das fortwähs rend Gereinigtere die Stelle des Vorigen einnehmen, and auf diefe Art. gelangte man endlich zu Anfichten ıc. vom

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Unterrichtsweſen, bie. in alfen Theilen von ſaͤmmtlichen Paͤ⸗ dagogen eined Staates aufgeftellt oder doch gepräft worden wären. Daß die verfchiedenen Meinungen ſich zum heit einander fchroff entgegenftellen wärben, koͤnnte dem Ganzen sticht : fehäblich fein. Wenn Jeder verpflichtet wäre, allgemein verftändlich zu fchreiben, bie Richtigkeit ſeiner Aufſtellungen und Entgegnungen. auch in ber Erfahrung nachzuweiſen, und überhaupt fich al& einen Mann zu zeigen, der wicht mi Recht zu. erhalten, fondern zum allgemeinen Beten befcheis den auftreten müßte, und der, als Eigenfinniger, ale Grübler oder Klaffer und Schreier erkannt, feine Stimme verlöre: fo wärbe ‚die Zahl ber entgegenftehenden Anſich⸗ ten doch dadurch um vieles geringer werben; - Bo: Dies felben fich aber dennoch vorfänden, ba müßten auch ent⸗ gegengejeßte Anfichten mit allen ihren Begrünbungen fo fange friedfich neben einander ftehen, bis nach dem allgemeinen Urtheile die eine Anficht als grundlos und falfch,. und. Pie andere um fo vielfeitiger begründet, ald wahr und richtig erfdjiene. Um der Sache noch mehr Eurfachheit zu geben; fönnten fich auch die Mitglieder eines Bezirks zu verſchiede⸗ nen Zeiten bes Jahres, und bie abgeordneten Glieder ſaͤmmt⸗ licher Bezirke einer Provinz jährlich einmal zur Berathung in fchwierigen Punkten verfammeln,, und die Refnitate. der Berathung den übrigen Provinzen mittheilen. ni

Der vielleicht außerordentlich vwerfchiedene Grad von Gelehrſamkeit der ‚einzelnen Glieder diefes Vereins wird dem Ganzen firderlich fein, ba gerade daburd für alle Theile uud. Stufen Des Gegenſtandes, fo wie für alle Slaifen, im weichen derfelbe von feinen:erftien Anfängen bis zur hoͤchſten Hoͤhe gelehrt wird, bis. ind Kleinfte hinein geforgt werden fann, wodurch denn @infeitigfeiten, bie ſich felbR tm tan Werken berühmtefter Männer finden, verhätet werden! De: nebenbei, wie fich in der Felge ergeben wird, alle. weyfcgies:

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denen Schulanftalten in ihrer Gefammtheit nur. ald Eine An⸗ ftalt erfcheinen follen, jeder Lehrer des. Staates demnach als Elaffenlehrer ein und derfelben Schule erfcheint, und ihm die Reinigung des von ihm zu verarbeitenden Materials ıc. allermeift am Herzen liegt: fo wird nur durch gemeinfchafts liche Bearbeitung eines Gegenftandes berfelbe in feiner Ganz» heit dargefiellt und dieſe bringt Einheit und Heinheit in Anficht und Darftellung.

Durch diefe ganze Einrichtung tönnte der Staat ſeine denkendſten .ıc. Lehrer kennen lernen; und indem er bei Be⸗ forderungen befonderd auf dieſe Nückficht nähme, Preisfra- gen-ftellete, tüchtigen Maͤnnern Ehrenbezeugungen ertheilte ꝛc. fönnte er dem Ganzen um fo mehr Antrieb und Halt geben. Sollte diefe Idee ihrem Wefentlicdyen nach ausführbar fein, fo koͤnnte fie ſich über ganz Deutfchland, ja über Die ganze gebildete Welt erſtrecken. Sollte fie aber in ihrer Ausbehmung nicht als ausführbar erfcheinen: fo mag fie e8 für einen Ober s und Provinzialrath, ober unter der Beichränkung auf eine Provinz oder auf folche Mitglieder fein, die in ihrer Darftellungsweife, in ihren Anfichten und geiftigen Beftrebungen Bieleö gemein haben. Uebrigens muß ich hier erinnern, daß ich nur. eine Idee von einer Verbindung an⸗ geben wollte, deren erſtes Gefchäft die Organifation ihrer Wirkform wäre, und daß ich darum das Speelle weniger aus den Augen zu verlieren hatte.

Was nun die Snfpektion ber Schulen betrifft, fo vers fpricht man ſich dort von ihr, wo man felbit in ber Praxis eine fcharfe Gränzlinie zwifchen Erziehung und Unterricht zieht, und wo fie ein Zreibers und Herrenwerk iſt, ‘bei weis tem mehr als fie leiften fann.. Dan fcheibet hoffentlich Erziehung und Unterricht nicht ange mehr auf eine fo ſchaͤd⸗ liche Art, wie man bis hierher gethan. Erziehung und Un⸗ terricht. Saffen ſich in ber Praxis durchaus nicht trennen,

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wenn beide richtig gebacht und in ihrer Ganzheit aufgefaßt werden. Was nübt und ein Trennen von Begriffen, wo die Trennung für bie Praris fchädlich ift, wo fie auf Abs wege leitet, ein ſchoͤnes Ganze zerreißt und Irrthuͤmer her⸗ beiführt! Beide, Erziehung und Unterricht beabfüchtigen eine vernünftige Einwirkung auf den jungen Menfchen, und in⸗ fonderheit auf den jugendlichen Geiſt; man will durch beide denfelben der Humanität zuführen. Dazu gebrauchen beide ein. Material. Diefed Material: liegt eben ſowol in eis nem „Pfui! ſchaͤme Dich!’ in ber Ruthe, in der negativ fcheinenden Lenkung, in der Gewinnung für alles Gute und Schöne, ald in der Sprache, der Mathematik, den Natur⸗ wiſſenſchaften, der Gefchichte und Religionslehre; denn im Grunde wird. vernünftigerweife Doch nicht der todte Buchs ftaben des Wortes, fondern die Reinigung‘ des Urtheild, die Lenkung des Willens und überhaupt die Entwidelung der Kräfte beabfichtigt. Durch beide laſſe ich das Unanftändige; Boͤſe, Gefährliche, Nothwenbdige erfennen, durch beide wecke ich Liebe zum Anftändigen, Guten, Wahren, Schönen, Nuͤtz⸗ lichen, wecke id; Verehrung vor Göttlichem und Menfchlis chem. Ob ich nun diefe inneren Anfchauungen, biefe Empfin⸗ dungen in der Seele des jungen Menfchen zu Haufe, oder. in der Schule, durch einen Lehrſatz der Mathematik, der Nee ligiondlehre xc. oder durch meine Mienen, Geberben, meinen feften Willen, meine Liebe zum Guten, meinen Abfchen ges gen das Boͤſe und Gemeine in der Seele des jungen Mens fchen zu wecken und feftzuftellen fuche; ob ich bazu Linien; oder Das in der Natur und Menfchenmelt Beſtehende, oben Das abftraft räfonnirende. Wort ,.oder bloß man Ich ges brauche, das mag vollig gleich ſein; ich will Durch alled, wie es fommt, anf die Lenkung, Hebung und Fefligung. ber jugenb« lichen Seele einwirken ,.umb dann muß ich zugleich unterrichten und erziehen. Seitdem man angefangen hat, Unterricht und b

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Erziehung als zwei verfchiebene Dinge auch nur in dem Gefühl zu trennen, feitdem ift dem Unterricht größtentheilg die Weihe genommen, ſeitdem haben ſich lockende, überres bende, überzeugende, alfo erziehende moralifche Borlefuns gen eined Altern Gellert in kalt räfonnirende, unters ſuchende Vorträge ber neueren Lehrer verwandelt. Py⸗ thagoras unterrichtete und erzog. Seitdem man vollends den Begriff mit fcholaftifchem Secirmeffer fpaltete, feitbem ift der Lehrer ein Doppelmenfch geworben, der bald diefen, bald jenen Körper vorfehrt, nicht aber ein einiges Herz oͤffnen, ein einiges Antliß zeigen, einen einigen Geift offenbaren, und darum nicht Einheit fchaffen, nicht Einheit lieben und biefelbe verehren lehren kann.

In der Trennung des Unterrichts. und ber Erziehung hat die Verwirrung der Snfpeftion ihren Grund.

Bon der finnigen, nicht übergelehrten Zeit ber hat man den goldenen Spruch allgemein wenigftend noch im Munde, „der Lehrer muͤſſe feinen Schülern ein Vater fein‘; fehr Viele wollen aber etwas ganz anderes. |

Man müßte im Sinne diefer Lehrer fagen: „Der Leh⸗ rer ift ein Künftler, ein Wiflenfchaftner, er fteht nur als Mittheiler feiner Künfte und Wiffenfchaften da.’ Das Bas terverhaͤltniß ift Durch die Haubenden Scholaftifer aus vies fen Schulen vertrieben, und ein herzlofes Meittheilen, ein Stundengeben und Künftenachen hat die Stelle des Erzies hend eingenommen. Man ficht im Allgemeinen jett mehr daranf, wie viel ein junger Menſch weiß, ald was er ift, und beobachtet es nicht genug, baß alles Willen nur das Sein begränden, mit:ihm eins fein folle. Wan befördert das Willen, und erwartet bas edle Sein. Gene Trennung hat großes. Unheil gebracht; ſie kaͤßt den Schüles vom Leh⸗ rer los, wie der Böfe von Gott los if. Oder herrfcht dieſes innige Verhaͤltniß allgemein, beſonders in hoͤheren

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Schulen? Rebe ich die Unmwahrheit, fo firafe man mid Lügen; rede ich aber die Wahrheit, fo gehe man von die fem Wege ab, und bemäntle das Srrige und Berderbliche sicht durch Herzählung folcher Schulen,. in deren Lehrer Hand jened Secirmefler nicht gekommen ift.

Man Iefe Campes Robinfon, feine Entdedung von Amerika, feinen Theophron, Loſſius Gumal und Lina, feine Bilderbibel, Auacharſis Reifen, Kinderfchriften unfres ehrs würdigen Salzmann, unfres trefflichen Loͤhr ıc. Bücher, in denen Erziehung und Unterricht nicht getrennt worden find; man denke ſich die Religion, die Gefchichte, die Naturs wiffenfchaft, die Sprachen, die Mathematik, die Kunft in Einer Perfon ald Humanität von erhabener Geftalt und als Lehrer, denfe ſich den Schüler beffelben, wie diefer fich einem folchen Lehrer mit einer Innigkeit an⸗ ſchließt, welche die Aufnahme des dargebotenen Geiſtigen in ſeiner Ganzheit verbuͤrgt, wie dieſer den Adel der Seele in ſeiner jugendlichen Schoͤne darſtellt gehe dann in unſre Schulen, und man wird in ſehr vielen kaum eine leiſe Ahnung von dieſem ſchoͤnen Geiſte finden.

O, du arme Jugend! wie herzlos wirſt du an man⸗ chen Orten jetzt vollgeſtopft! Der Unterricht iſt in ſo man⸗ chen ſogenannt guten Schulen nur eine Kunſt, die Weisheit ein kalter Verſtand, der Verſtand ein Erdenwurm, und die Vernunft ein myſtiſches Irrlicht geworden!

So ſpaltet, ſo ſecirt man, bis alle Kraͤfte, die in der wohlthaͤtigen Verbindung liegen, erkranken, oder, beleidigt im Zorn uͤber das Ungethuͤm, entgegenwirken! Darum ſjeht ſo mancher Schuͤler feinen ehemaligen Lehrer über die Achſeln an; darum findet ſich auch in ſolchen Schulen fo viel Muthwillen und Troß, fo viel Zwieſpalt und d Egois⸗ mus! (Selbſtthum?) 7

b * |

18 Erziehung als zwei verfchiedene Dinge auch nur in dem Gefühl zu trennen, feitdem ift dem Unterricht größtentheils die Weihe genommen, feitdem haben fich lockende, überres bende, überzeugende, alfo erziehende moralifche Vorlefuns gen eined Altern Gellert in kalt raͤſonnirende, unters fuchende Vorträge ber neueren Lehrer verwandelt. Py⸗ thagoras unterrichtete und erzog. Seitdem man vollends den Begriff mit fcholaftifchem Secirmeſſer fpaltete, feitdem ift der Lehrer ein Doppelmenfch geworben, der bald diefen, bald jenen Körper vorfehrt, nicht aber ein einiges Herz oͤffnen, ein einiges Antliß zeigen, einen einigen Geift offenbaren, und darum nicht Einheit fchaffen, nicht Einheit Lieben und diefelbe verehren lehren kann.

Sn ber Trennung bed Unterrichts: und ber Erziehung hat die Verwirrung der Inſpektion ihren Grund.

Bon der finnigen, nicht Üübergelehrten Zeit her hat man den goldenen Sprud) allgemein wenigftend noch im Munde, „der Lehrer müfje feinen Schhlern ein Bater fein‘; fehr Biele wollen aber etwas ganz anderes. |

Man müßte im Sinne Diefer Lehrer fagen: „Der Leh⸗ rer ift ein Künftler, ein Wiflenfchaftner, er fteht nur als Mittheiler feiner Künfte und Wiffenfchaften da.’ Das Bas terverhaͤltniß ift durch die Haubenden Scholaftifer aus vies fen Schulen vertrieben, und ein herzlofes Meittheilen, ein Stundengeben und Künftemachen hat die Stelle des Erzie- hend eingenommen. Man ficht im Allgemeinen jet mehr daranf, wie viel ein junger Menfch weiß, ald was er ift, und beobachtet es nicht genug, daß alles Wiflen nur das Sein begränden, mit:ihm eins fein ſolle. Wan befördert das Willen, und erwartet bas edle Sein. Jene Treumung hat großes Unheil gebracht; fie-kaßt den Schüles vom Leh⸗ rer los, wie ber Boͤſe von Gott los ift. Oder herrſcht dieſes innige Verhaͤltniß allgemein, beſonders in hoͤheren

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Schulen? Rede ich die Unwahrheit, fo flrafe man mid Lügen; rede ich aber die Wahrheit, fo gehe man von die fem Wege ab, und bemäntle das Srrige und Verderbliche sicht Durch Herzählung folcher Schulen, . in deren Lehrer Hand jened Secirmefjer nicht gekommen ift.

Man Iefe Campes Robinfon, feine Entdeckung von Amerika, feinen Theophron, Loſſius Gumal und Lina, feine Bilderbibel, Auacharfis Reifen, Kinderfchriften unfres ehrs würdigen Salzmann, unfres trefflichen Loͤhr ıc. Bücher, in denen Erziehung und Unterricht nicht getrennt worden find: man denfe ſich die Religion, die Gefchichte, die Naturs wiffenfchaft, die Sprachen, die Mathematif, die Kunft in Einer Perfon ald Humanität von erhabener Geſtalt und als Lehrer, denke ſich den Schuͤler deſſelben, wie dieſer ſich einem ſolchen Lehrer mit einer Innigkeit an⸗ ſchließt, welche die Aufnahme des dargebotenen Geiſtigen in ſeiner Ganzheit verbuͤrgt, wie dieſer den Adel der Seele in ſeiner jugendlichen Schoͤne darſtellt gehe dann in unſre Schulen, und man wird in ſehr vielen kaum eine leiſe Ahnung von dieſem ſchoͤnen Geiſte finden.

O, du arme Jugend! wie herzlos wirſt du an man⸗ chen Orten jetzt vollgeſtopft! Der Unterricht iſt in ſo man⸗ chen ſogenannt guten Schulen nur eine Kunſt, die Weisheit ein kalter Verſtand, der Verſtand ein Erdenwurm, und die Vernunft ein myſtiſches Irrlicht geworden!

So ſpaltet, ſo ſecirt man, bis alle Kraͤfte, die in der wohlthaͤtigen Verbindung liegen, erkranken, oder, beleidigt im Zorn über das Ungethuͤm, entgegenwirken! Darum fjeht ſo mancher Schüler feinen ehemaligen Lehrer über die Achſeln an; darum findet ſich auch in ſolchen Schuten fo viel Muthwillen und. Trotz, ro viel Zwieſpalt und d Egoie⸗ mus! (Selbſtthum?)

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Diefe Hindeutungen mögen hinreichend. fein, um das Irrthuͤmliche dieſer Trennung darzuthun.

Ich ſage nun aus voller Ueberzeugung: der Lehrer muß ſeinen Schuͤlern ein Vater ſein; er muß denſelben in jeder Ruͤckſicht als eine verehrungswuͤrdige Perſon erſchei⸗ nen, und kein Fremdling darf es wagen, dieſes Verhaͤltniß zu beleidigen, das kein Koͤnig der Erden erzwingen kann, das vielmehr aus einem Vatergemuͤth frei hervorgehen muß. Der Seelenadel, die Menſchenliebe, die Verehrung vor Kunſt und Wiſſenſchaft muͤſſen das in dem Lehrer hervor⸗ bringen, was die Natur in dem Vater ſchafft. Das kann geſchehen; die Erfahrung ſagt uns, daß das Kind von dem humanen Lehrer oft edler und beſſer behandelt wird, als von dem eigenen Vater, das bedarf keines ſpekulativen Er⸗ weiſes.

Kann dieſes Verhaͤltniß aber in der Schule obwalten, ſo muß der Lehrer in der Schule eben ſo geehrt und behan⸗ delt werden, als der Vater in der Familie. Worin koͤnnte man nun, o theurer Pfleger der Schulen! Antriebe zur Erfchaffung und Erhaltung diefes BVerhältniffes finden ? Worin hauptfächlicher, als in der Verehrung dieſes Ber: hältniffes von Seiten fämmtlicher Obern? In ber Furcht liegt Diefer Antrieb nicht; nein, biefe treibet hier, da der Lehrer gar leicht fein untergeorbnetes Verhaͤltniß zu feinen Borgefetten Tennen Iernt, die Liebe aus, Kiebe aber erzeugt Liebe, Helfen erzeugt Können, Rathen erzeugt Nachdenken, Ehre, Anerfennung erzeugen Streben, Hus manität erzeugt Humanität. Alfo trete die Inſpektion lies bend, und helfend, und rathend, und ehrend in aller Hus manität auf. Sie behanble dagegen bie- Lehrer nicht ‚wie eme faule, träge, wiberfpenftige Brut, der man den Stachel ins Fleifch ftoßen muͤſſe, umt fie jagen zu ‚können. Man kann den Lehrer wol in Rüdficht auf fein Rechenfchaftges

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ben, aber nicht im klaren Erweis ſeiner Leiſtungen mit ei⸗ nem Beamten vergleichen, deſſen Ordnung und Treue auf ben eriten Augenblid in Buch und Kaffe fichtbar find. Ein Lehrer kann wenig zu leiften ſcheinen, und babei mehr wirs fen, als ein anderer, ber zehnmal fo viel zu Teiften fcheint. Welcher Lehrer möchte nicht gern von feinen Schülern geliebt und geachtet, und von der Gemeine und feinen Dbern ‚geehrt und gefchäbt werden? Wer möchte dazu nicht Die. beften Mittel ergreifen, wenn er biefelben nur kennete und anzuwenden wüßte? Wo bu biefes Verlangen nicht vorausſetzen kannſt, da hilft auch die ſtrengſte Snfpels tion nicht, da ift Nieberträchtigfeit oder voͤlliges Unvermds gen. Fehlt e8 dem Lehrer an Kenntniß, fo zeige ihm einen richtigen Weg, den er aber auch zu gehen im Stanbe ift, um das Fehlende ſich zu erwerben; fei ihm dazu durch bie That, nicht bloß Durch Deinen frommen Wunfch behüfflich. Fehlt e8 an Eifer, fo firche die Urfachen feiner Erfaltung auf. Liegen biefe in feinem Unvermoͤgen; warum bat man ihm auf einen höheren Standpunkt geftellt, als er es vers diente? Hilf da, fo viel e8 gefchehen kann, aber brücde nicht nieders denn dadurch förderft du nichts. als Unheil. Liegt ed an einer Schwäche, fo rathe, hiff in Geduld und ermunteresz liegt e8 am guten Willen, fo fuche die Urfachen näher auf. Vielleicht erfcheinen ihm Deine Anordnungen unvers ftändig, ſchaͤdlich ꝛc. Suche ihn dann eined Beſſern zu überzeugen; halte dich bei bem größeren Maaße von Vers ftandesfraft nicht für unfehlbar, und bedenfe den Sinn bes fchönen Spruches: ‚Was oft der Berftand der Verſtaͤnd'⸗ gen nicht fieht, Erblicket in Einfalt ein kindlich Gemuͤth.“ Berachtet er aber gegen beffere Ueberzeugung das Bes fte , fo feße ihn-ab! Wie fchlecht müßte jedoch ein Menfch fein, wenn diefer FaH eintreten ſollte! und, wie ‚oft mag er wol in- deinen Augen eintreten?! Unverftändiges

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Eifern ſchadet oft fuͤrchterlich! Liebſt du den Lehrſtand, ſo ſiehe, wo es mangelt, und hilf. Hilf, daß der nicht verhungere, der taͤglich ſo viele ſaͤttigen muß; raͤume ihm die Unannehmlichkeiten hinweg, ſo viel du immerhin ver⸗ magſt. Mache ihn begierig nach dem Guten, welches er noch nicht kennt, zeige ihm daſſelbe von ſeiner ſchoͤnen, nuͤtzlichen Seite; gib ihm Gelegenheit, daß er ſich daſſelbe erwerben koͤnne, ohne daß ſeine Achtung dadurch in den Augen ſelbſt unvernuͤnftiger Menſchen und ſeiner Schuͤler auch nur das Geringſte verliert; raͤume ihm die Hinderniſſe hinweg, und ermuntere ihn. Laß ihn nicht ahnen, daß du an ſeinem guten Willen zweifeln koͤnnteſt, denn du belei⸗ digſt dadurch das Innerſte feiner Seele. Gott bewahre dich, daß du bei deiner Arbeit an irgend einem Lehrer, ob deiner Ungefchicklichkeit im Menſchenbehandeln, oder ob ber Menge von Schwächen, die du allenthalben finveft, nicht menfchenfeindlich, Ichrerverachtend werdeſt. Mir has ben fo oft Schulinfpeltoren aber die Erbärmlichfeit der Leh⸗ rer, über deren Mangel an gutem Willen ıc. geflagt; ich aber habe darin nur gar zu oft Unempfindlichkeit derfelben gegen die Menfchen oder ihre Ungeſchicklichkeit im Menfchens behandeln erfannt. Solche glauben am Ende nicht viele Umftände mehr machen zu müffen, ihren Pfleglingen den Vorgefebten ohne alle Schonung zeigen zu Dürfen, und follten über fich, ftatt über bie Lehrer feufzen und klagen. Rathe, wo Rath Noth thut. Aber du mußt als Pfles ger der Schule auch Rath in dir haben, mußt bie Sache fennen, durch und durch kennen; mußt nicht einen Theil für das Ganze halten, wie dieſes nur zu oft gefchieht mußt nicht alles verwerfen, wo ein Wefentliches fehlt. Mancher Lehrer, der wenig weiß, und in vielen Gegenftäts den fchlecht unterrichtet, wirft oft fehr viel durch fein Find- liches Gemuͤth, Durch feinen freudigen Ölauben, durch feine

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Menſchenliebe, ſeine Offenheit, ſeine ſtrenge Tugend, ſeine Sinnigkeit, durch irgend einen Gegenſtand, den er dir mit⸗ telmaͤßig zu betreiben ſcheint ꝛc. Rathe da in ſeinem Geiſte und hilf, das iſt deines Amts. Durch ein herriſches We⸗ ſen, durch Grobheit und Verachten wuͤrdeſt du alles Gute, das in ihm iſt, unterdruͤcken, wuͤrdeſt du ihm und der gan⸗ zen Gemeine ein Deſpot werden, der ſchonungslos alles unter die Fuͤße tritt. O, ein armer Lehrer iſt leicht zu zertreten, und das um ſo leichter, je zarter er iſt, jemehr er Seele iſt, je heilbringender er auf die jungen Menſchen wirkt. Fehlt es dir an Humanitaͤt, ſo glaube ich nicht, daß du bei aller deiner Geſchicklichkeit auf den jugendlichen Geiſt mehr wirken moͤchteſt, als mancher dieſer von dir verachteten Lehrer; denn du laͤſſeſt alddann den Hauptzweck alles (erziehenden) Unterrichtes aus den Augen.

Ehre ferner, was Ehre verdient. Der brave Lehrer verdient Ehre, denn er hat Verdienſt um den Staat, oft mehr als ein Schriftfteler, Schulinfpeftor und ein hoher beehrter Beamte. Möchte ihm diefelbe nad dem Maaße feines Berdienftes, und nicht nach der Groͤße feiner Befoldung und der äußeren Stel lung feines Standes zu Theil. werden!

Suche an jedem deiner. Pfleglinge gute Seiten auf, bebe diefe hervor, ermuntere ihn, und knuͤpfe das naͤchſt⸗ liegende Mangelhafte an dafjelbe, damit das eine von dem andern in die Höhe gezogen werde, Zeige das Gute, das du findeft, Iffentlich, ftelle e& zur Nachahmung auf. Bilde dir ein Ideal aus der Geſammtheit der guten Eigenfchaften deiner Dfleglinge, weife den Einen auf alle Andere, und fchaffe ein Streben, in welchen Jeder das des Andern. zu befigen verlangt. Befdrdere Die Strebenden, fo viel bu fannft; nur fordere nicht Hochmuth und Eigendänfel. Gei deinen. Pfleglingen cin Bater, ein Freund, fo treten fie

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durch dich nicht ansnihrem ſchoͤnen· Verhaͤltniß. D, es iſt viel beſeligender ein Vater, ein Freund, als ein Herr, ein gefuͤrchteter Deſpot zu ſein! Auch der geiſtesarme Lehrer komme dir freumblich entgegen, ſchaue vertrauungsvoll bir ins milde Auge, ſetze ſich begierig zu deinen Fuͤßen, klage dir ſein Leid, wie man es dem theilnehmenden Freunde kla⸗ get, und erwarte Huͤlfe von dir. Zeige ihm dein Freundes⸗ herz, reiche ihm deine Rechte. Seine Schuͤler muͤſſen in dir nicht ſeinen Herrn, nein, ſeinen und ihren Freund er⸗ kennen, der nur aus Liebe und Achtung die Schule beſucht. Wer dieſer Freundſchaft durchaus unwerth iſt, den ſetze ab! Du verlangſt Humanitaͤt in den Schulen deiner Pfleg⸗ linge? Durch deine Humanitaͤt foͤrderſt du dieſelbe. Das iſt dein Amt: Schulrath, Schulpfleger, Prediger der Ge⸗ meine! Du-mußt lieben, helfen, rathen, ehren und wo diefes alles in.der That nicht hilft, da mußt du auf Abs fegung dringen, ſchonungslos Mann, Weib und Kinder am Ehre, und Anfehn, und Brot bringen. Ein foldher Menſch muß fallen, ald Opfer für die Deenfchheit!

Aber. die Menfchheit fodert nicht unmenfchliches Opfern. Zertrümmere mit deiner Rechten fein Wirken, nm ihn uns ſchaͤdlich zu machen; aber mit ber Einen, die an bein Herz gränzt, hilf, daß er ald Glied der menfchlichen Gefellfchaft nicht untergehe, nicht gänzlich verderbe! Der Lehrer in ihm muß fallen ber Menſch in ihm muß auf den Armen der. Liebe getragen werben! Iſt er ald Lehrer unbrauchbar und verberblih er ift es darum noch nicht als Menſch!

Die Schande muß der Abſetzung nicht vorgehen bie Achtung von Seiten der Kinder muß durch dich nicht eher fallen, :ald feine Beamtung. Bringft bu ihn früher durch ein herriſches Weſen, durch Auhsren faules Gefchwäßes , Dusch ungerechte Behandlung um feine Lehrerwuͤrde: fo ‚Las ſten Mangel und Schaude von Mann, Weib und. Kindern

45 * deiner Seele, unb wo du: der Menſchheit glaubeſt ge dient zu haben, da haft du als unfinniger Eiferer beine: Seele belaftet,

Nach diefen Anbeutungen über das Weſen der Schul⸗ Inſpektion kehre ich zum Schulrathe zuruͤck.

Von dem Schulrathe gehen der Lektions⸗ und Lehrplan, die Lehrs und andere Schulbücher aus. Alles ift bis aufs Kleinfte für jede Schulart, und jedesmal nad, ber Zahl der Claſſen, Lehrer und Schüler genau vorgefchrieben. Alle diefe Einrichtungen werben ald Norm fo lange feft gehalten, bis ein Mangel in ber Einrichtung entdecft wird. Was die Bibel und die fanonifchen Bücher dem Theologen find, das find dem Lehrer die ans der allgemeinen Prüfung, Unter fuchung und Bearbeitung hervorgegangenen Grundſaͤtze, Eins richtungen und Lehrbuͤcher ıc., jedoch mit dem Unterfchiebe, daß diefe nicht als heilig angefehen werben, und für ewige Zeiten bindend find, fondern Gegenftänbe freier Unterfns chungen bleiben, und als einer immerwährenden Vervolls fommnung bensthigt erfcheinen muͤſſen; benn des Menfchen Thun und Denken ift und bleibet Stüdwerf, und trägt nicht das Gepräge ber Bollfommenheit an ſich. Jede Zeit fuche darum zu beffern ; aber jede Zeit arbeite auch wader an der Yusführung des ald gut und richtig Erfannten. Soll aber jede Verbefferung bis ins Kleinfte hinein felbft in jede der geringften niederen Volksſchulen dringen und in derfeiben wohlthätig wirken, fo muß auf Befolgung bed Vorgeſchriebenen von allen Seiten genau und feſt gehalten werden.

Der Gymnaſien⸗ und Hoͤher⸗Volksſchulrath haben we⸗ gen geringerer "Anzahl ihrer Schulen weniger mit dem Schulbeſuch zu thun, und mäffen darum deſto mehr fchrifts liche Beforgung der Gefchäfte übernehmen, ald ber Nieder⸗ volksſchulrath, wenn ‚glei der Rath mur in feiner Boll

46 ſtaͤndigkeit Beſchluͤſſe faſſen, und dieſelben entweder von dem Oberrath begutachten laſſen, oder in ſeiner Provinz zur Ausuͤbung bringen will.

Jeder der Raͤthe beſuche nun zu beſtimmten Zeiten ſeine Schulen und Bezirksausſchuͤſſe, ſo wie der Nieder⸗ Volksſchulrath auch die Schulpfleger und Prediger. In Perbindung mit dem Schulpfleger des Bezirks und mit dem Prediger des Ortes werde die Schule beſucht, und zwar nicht auf einen Augenblick, ſondern wenigſtens auf einige Stunden, in welchen der Lehrer eine kleine Pruͤfung vor⸗ nimmt. Dann gehen dieſe drei Maͤnner zu Rathe, wie dem Lehrer und der Schule noch weiter geholfen werden koͤnne, und endlich nehme auch der Lehrer ſelbſt an dieſer Bera⸗ thung Theil. In dieſer muß er allemal, wenn es ihm nicht an gutem Willen gebricht, Ermunterung finden. Bevor ber Schulrath den Ort verläßt, befuche er ſowol den Lehrer als den Prediger, um mit jedem diefer Männer im Ber trauen fprechen zu koͤnnen, und die etwaigen gegenfeitigen Klagen anzuhören. Zu Schyulpflegern des Bezirks werden Diejenigen Prediger, Schul» und Seminardireftoren oder anderweitige Schulfreunde gewählt, die ſich durch Huma⸗ nität und Kenntniffe im Schulfach vor Andern ruͤhmlich auszeichnen. Sie flehen den Lehrern fchon näher, als der Sculrath, uud find gehalten wenigftend vier mal jährlich in Verbindung mit dem Ortsprediger die Schule zu befuchen, beu Lehrer unterrichten und eine Feine Prüfung anftellen zu hören. Es möchte nicht unzweckmaͤßig fein, wenn diefe Pruͤ⸗ fungen regelmäßig vorfielen.

- Nach der Prüfung müßten ſich Schulpfleger, Prediger und Lehrer berathen, wie dem Ganzen noch mehr aufzus helfen .wäre, und zuleßt müßte der Schulpfleger , wie vors ber der Schulrath , fich ſowol mit dem Lehrer ald auch mir

1 dem Prebiger allein unterhalten. An der allgemeinen Be rathung müßte audy der Orts⸗Schulrath Theil‘ nehmen.

Der Schulpfleger wäre nun ber wahre Vater der Schule, der Mann, der mit dem Prediger und Lehrer in Verbindung: für das Aeußere und Innere der Schule forgen müßte, der alle Vorfchläge zur Verbeflerung an den Rath brächte, und bie etwa entftandenen Mißhelligfeiten zwifchen Lehrer, Pres Diger und Gemeine, wie der Schulrath zu befeitigen fuchen: müßte. 1

Der Ortöprebiger hätte auch darauf zu fehen, daß ber Lehrer den Berordnungen der Regierung in allen Stüden Kolge leiftete, und daß ber Neligionsunterricht im Geifte ber Kirche ertheilt wärde. Wäre der Lehrer in irgend eis nem Gegenftande zuruͤck, und. der Prediger könnte ihm felbft helfen oder auf anderm Wege Hülfe verfchaffen: fo wäre es Pflicht des Predigers, diefes nach Kräften zu thun, und dem Schulpfleger darin dag Amt zu erleichtern. Webers haupt müßte der Prediger für feinen Gemeinelehrer in fo vieler Ruͤckſicht ſorgen, als es ihm nur immerhin möglid) wäre. Der Schulpfleger, der wie der Schulrath mit dem Gemeine» und DOrtsfchulrath, mit dem Prediger und Lehrer in Verbindung ftände, könnte uͤber diefes Verhältniß höheres Ortes berichten, und dadurch viel Gutes ftiften. Der Pres Diger nun, der wöchentlich die Schule als Pfleger und ale Schulfreuud befuchte, würde, was das Acußere der Schule betrifft, durch den Gemeine sund Orts⸗Schulrath unterftüßt, und hätte demnach die befte Gelegenheit für das Beſte der Schule zu wirken. Was den Religionsunterricht insbefons dere betrifft, fo hätte der Prediger, im Fall feiner Unzus friedenheit mit dem Lehrer, nad) vergeblichen Erinnerungen ſich an den Schulpfleger, und wenn diefed nichts fruchten follte, fi an den Superintendenten zu wenden, der bie Klage durdy den Generalfuperintendenten an den Rath

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braͤchte. Ueber das Verhaͤltniß zwiſchen Predigern und Leh⸗ rern iſt im erſten Theile noch naͤher geſprochen.

Bei den Gymnaſien und hoͤheren Buͤrgerſchulen haͤtte neben dem Schulrath der Superintendent auf die gute Be⸗ handlung des Religionsunterrichtes zu ſehen, und daruͤber feine Anfichten dem General⸗Superintendenten mitzutheilen.

Die Lehr» und Schulbücher für ſaͤmmtliche Schulen müßten zum moͤglichſt billigen Preiſe den Schulen erlaffen werben; jedoch müßten diejenigen Schriftſteller, welche dieſe Bücher verbefferten, für ihre Mühe ein anfehnliche® Honorar beziehen.

Auf diefe Art fände das innere Unterrichtsweſen eines Staates in Harmonie, und, wie mir deucht, würde dadurch son Seiten des Staates auf das innere Leben bed Inter richtsweſens zweckmaͤßig eingewirkt.

Allgemeine Anfoderungen an einen Lehrplan. |

Nachdem wir nun das Lnterrichtswefen eines Landes in ‚feiner . Außeren Einheit betrachtet haben, fommen wir auf die innere Einrichtung der Schulen, auf ben Lehrplan. Hter drängen ſich und zuerft allgemeine Anfoberungen auf, denen ein Genüge gefchehen muß, wenn auch das innere ber Schule ſich dem hohen Zwecke gemäß geftalten und eine gewiſſe Einheit ausfprechen fol. Bon dieſen Anfoderungen ſoll nun hier die Rede ſein. >. 4) Jede Schule, Die niedere, wie die höhere, beabſich⸗ tigt die Erhebung des Menſchen zur Humanitaͤt, oder die Ausbildung des ganzen Menfchen im Menſchen. Dazu ges

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braucht ‚fie einen Theil dee Maſſe des menfchlichen Wiſſens und Koͤnnens, nach Maaßgabe der Nothwenpdigfeit deffelben für das innere und Äußere Leben des Menfchen. Areilich wird fich der Bilbungszuftand des Schälerd nach ber Art und Menge des dargereichten Stoffes jedesmal anders ge ftalten (modificiren); aber die Bildung zur Humanität muß nothwendig dennoch in der ſchlechtſtbeſuchten Bauern⸗ und zeitbeſchnittenſten Fabrikſchule, wenigſtens nach ihrer hoͤch⸗ ſten Bedentung als Religioſitaͤt und Angeregtheit ſaͤmmt⸗ licher Kräfte erfolgen, wo dann nur diejenigen Gegenftänbe betrieben werden, die ben ganzen Menfchen erfaffen, und auf Fürzeftem Wege der Humanität näher führen: Sprache und Chriftenthum. Je weniger Zeit einer Schule zu Gebote fteht, defto fichtbarer, unummundener muß biefer Hauptzwed fein, fo daß im aͤußerſten Kalle felbft bie Sprahbildung nur im Dienfte des Ghriftenthums auftreten muß. Co lange man bei den zeitbefchnittenften Fabrikſchu⸗ fen diefe Einfchränfungen nicht macht, wird man feinen Zwed, am wenigften den Hauptzwec erreichen. Ob aber eine religidfe Bildung, die den ganzen Menfchen fo viel als möglich bearbeitet, durch einige wochentlihe Stunden erzielt werben könne, mag ber nachfolgende Lehrplan dem aufmerffamen Leſer näher barthun. Da das Chriftenthum den größten Antheil an der Bildung zur Humanität hat, ja, Humanität ohne wahrhafte Verfittlichung des Menfchen gar nicht gedacht werben kann: fo darf in einer Schule, Die, gegen eine andere verglichen, nur ben vierten Theil ber Lerngeit darbietet, nicht etwa auch nur der vierte Theil von religidfer Bildung gegeben werden, indem halb’ ober vierteßrefigidg nicht befrdmmigen und. humanifiren Tank: Dagegen muß dennoch in: einer. Schule son großem Eyflus die Religiofität um fo vielfeitiger eingemöhnt und behruͤm⸗ det werden, damit der wachſende Geifb: nicht etwa eine Jtei⸗

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heit fuche, in.welcher bie NReligiofität ihm als Feſſel, oder nur ald wichtige Rebenfache oder wol gar ald unnöthig erfcheine.

„Die Bildung zur Religiofität muß darum für jede Schule moͤglichſt vollftändig fein; fie foll den Schüler zu einem Menſchen edler Art, zu einem wahrbaften Chriften zu erheben fu hen, und zwar auf eine Weife, bie.mit der übris gen Öeiftesbildung deffelben in wahrhaft rich tigem Verhaͤltniſſe ſteht.“

MSetzen wir für den kuͤnftigen Gelehrten einen vier⸗ jährigen Unterricht in der niederen, eben fo lange Zeit in der höheren Volksſchule, einen vierjährigen Unterricht im Gymnaſium, und eine eben fo lange Zeit auf der Uni verfität feit: fo fol er, wenn er auch wirffich vier vers fchiedene Anſtalten befucht hätte, in jeder das Nöthige und ihn für die höhere Anftalt VBorbereitende gefunden haben, ohne daß er auch nur etwas Ueberfluͤſſiges fich bätte aneignen müflen: fämmtliche Schulen follten und koͤnnten in ihrer Verbindung ein völlig in ſich abgerunbetes Ganze bilden, damit der Studierende nicht aufgehalten, und in der Menfchenbildung eine gewiffe Einheit erzielt würde. Auf diefelbe Art aber foll derjenige, welcher vom Gymna⸗ fium , oder von der höheren und niederen Volksſchule aus ins bürgerliche Leben tritt, ein völlig in fich abgerundetes Ganze mit hinübernehmen, wenn gleich diefes Ganze von immer nieberer Art if. .

Letzteres koͤnnte nun nid ‚erfolgen, wenn nur jene ſechszehn Bildengjahre erft ein Ganzed ausmachten; denn ed wäre aledann die Gymnaſialbildung etwa nur Drei Bierw tel, die Bildung der höheren Volksſchale nur ein Halb, und die der niederen Volksſchule ſogar wur ein. Viertel der ganzen Bildung, und es gäbe dam, wenn Bildung ben

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Menſchen macht, auch Dreiviertels Halbs und Viertelmen⸗ ſchen. So ſehr dieſes nun auch in der Erfahrung begruͤn⸗ det fein mag, fo fol eine Schuleinrichtung doch dieſen bes jammernswerthen Zuftand nicht bezwecken wollen; fie kann fih alfo für ihren Gefammtzwed nicht mit demjenigen ber gnuͤgen, was fie einer höheren Anftalt leiften foll ober, die Wirkſamkeit einer ‚niederen Volksſchule kam nicht mit Beendigung des vierten, die der höheren Volksſchule nicht mit Beendigung des achten, und die des Gymnaſiums, wenn Ießteres nicht bloß als Vorbereitungsanftalt für die Univer⸗ fität angefehen wird, nicht mit Beendigung des zwölften Jahres auf den ins biirgerliche "Leben Hbertretenden Schüs fer aufhören. Jede diefer Anftalten muß zur Erfüllung ihres Geſammtzweckes ein in fid) abgerundetes Ganze fchafs fen, und zu dem Ende ald befonderes Wirken das Noths wendige in Hinficht auf Neligiofität ıc. und Beruf hinzufüs gen, fo daß wahre Humanitätsbildung erfolgen könne. Dies fes kann fehr wohl gefchehen, da die Bildung zur Humas nität nicht fowol in der großen Mafle des Willens und Koͤnnens, ald vielmehr in der reinen, klaren Auffaffung des allgemein Nothwendigen, in der harmonifchen Ausbildung fämmtlicher Anlagen, und in der Beherzigung des Guten, Edlen und Wahren liegt, und da nicht jeder Stand und Beruf gleich viel geiftige Vorbereitung erfordert, um frei: und Leicht in demfelben. wirken zu fünnen. -

Jede Schulart hat demnach eine oder mehre Slaffen ansfchließlich für fi, und zwar die oberften, welche wir die Seitenflaffen nemen wollen, und in welchen: das noch Uebrige im Rüdficht anf Mienfchenbildung und. auf d den künftigen Stand vorkommt.

„Der Lehrceyklus einer Säule muß barım „in Hinficht auf daß große Gange. und die Bw „rufsbildung aufgeſtellt werden, Sn ıhm.wich

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seann kein Gegenſtand vorkommen, ben die „folgende Anftalt ausſchließlich zu bearber sten hat, damit der ſteigende Schüler dort „michts Meberfläffiges finde Sn ibm wird „dann ebenfalls fein vorbereitender Gegen stand: fehlen, und jeder Schüler wird für fer „en künftigen Beruf reihlide Ausſtattung „finden.“

9 „Sämmtlihe Gegenftände muͤſſen der „geſtalt mit einander wirfen und aufeinander „folgen, daß eine harmonifhe Bildung zur „Humanitätmöglichft vielfeitig und tät vor fidh „sehe, und daß der eine Öegenfandpberan „dern vorbereite, und, wo möglid, unterftüße.

H „Auch die Eurfe mäffen im Hinblid auf „das große Ganze und auf die Berufsbildung „abgeftedt, und es muß eine zwedmäßige Be „handlung jedes Gegenftandesim Lehrplane „angegeben werden.’

Man halte das Letztere nicht etwa deswegen für unnd- thig, daß ohnehin jeder Lehrer eine für feine Individuali⸗ tät paffende Methode auswählen würde,

Die Behandlungsweife eines Gegenftandes hängt nicht fowol von ber Individualität des Lehrerd, als vielmehr von der Wefenheit des Gegenſtandes ab, und es kann für jeden Gegenftand, wenigftens in Nückficht auf ein und ben; felben Zwed nur Eine durchaus. richtige Methode geben. Statt des Beitrebens fo fehr viele, Methoden jur befiebigen Auswahl anzugeben, folte man ſich allgemein bemühen, bie einzig wahre, die befte Methode für jeden Gegenftanb anufzufinden, und auf Anwendung derjelben halten. Die Auffindung der richtigen Methode fcheint mir nicht fo fehr fhwierig, wenn man die Weſenheit, die Wurde des Gegens

ſtandes, den naͤchſten und den allgemeinen hohen Zweck deſſelben im Auge behaͤlt, dabei; nur den allgemeinſten, unbezweifelſten Grundſaͤtzen über Einwirkung auf den jur gendlichen Geiſt folgt und ſich dann vor allen Ertremen zu bewahren ſucht. 63

Der Menſch kann ſich cher bequemen, als einenmähfan zuſammengeſetzte und zart ‘gegliederte Sache, : bie nur ben lebendig macht, der mit Ehrfurcht ihre Gaben empfängt, und mit. Siunigfeit. dieſelben gebraucht.

Es zeigt überhaupt wenig Achtung vor Befenfihaft und Kunft, wenn man die Behandlung berfelben allen. Ss bividualitäten unterordnnen will, wenn man durch Hunderte von. Uebungen nur an der Schaale Faubt, und. felbit. ba von wiffenfchaftlicher Bildung ſpricht, wo nur Brocken, wie die Brofaamen, die von. des reichen Mannes Tiſche fallen, zur beliebigen Anfchauung vorgefeßt werden. *

Abgeſehen von dem hohen Namen „wiſſenſch af tlich“ koͤnnen übrigens: wahrhaft ausgeſuchte Brocken .fehr wohlſchmeckend und naͤhrend ſein, und Achtung vor Koch und Keller, ſo wie Dankbarkeit gegen den Geber einfloͤßen; und dieſe Brocken ſind dann oͤfter bei weitem beſſer und empfehlungswuͤrdiger, als der trockene Teig in ſhhoner (ſyſtematiſcher) Form.

5) „Der Lehrplan muß ferner auf. die Art „angelegt werden, daß, wo möglich, jeder „Schüler zur Roth für jeden Hauptgegenftand „feine Slaffe finden kann.” Diefes kann nur dann geſchehen, wenn biefe Gegenftände zu- ein. and berfelben Stunde durch die ganze Anftalt gelehrt werden ,- ober: wenn nach Beendung eines Gegenſtandes in .einer- Elaſſe, ein ans derer Gegenſtand in der nächfifolgenden Elaſſe auftritt,, Der füch dem beendeten natürlich anſchließt. Dieſes muß wenigſtens in denjenigen Slaffen, der Fall fein „. die dem großen: Ganzen

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angehören, ba gerade unter biefen. Schülern die meifte Berfchiedenheit der Bildung obwalten kann.

Kann ber Lehrer einer oberen Elaffe in irgend einem. Gegenitande dafelbft nicht unterrichten, oder wünfcht der Lehrer einer niederen Claſſe diefen Gegenftand in jener Elaffe zu übernehmen: fo kann ber Wunfch des Lebtern erfüllt werden, wenn der Eritere um dieſe Zeit in dem Gegenftande eine untere. Claffe übernimmt. Das Claſſenſyſtem hat in Hinficht auf die Schulzucht gar zu viel für fih, und das Fachſyſtem mag wol nur an den obern Elaffen der Gymna⸗ fien, an Univerfiäten und fonft noch in einigen befondern Fällen vorzuziehen fein. Da aber, wo srtliche Hinderniffe der Einführung des Glaffenfpftems entgegentreten, muß jeder Eurfus fo angelegt werden, daß ein Schüler nur . fehr felten in einem Gegenftande zurücbleiben kann.

9 „Sp nachdruͤcklich Der Lehrplan eine tücdy „tige Leiſtung verlangen muß, fo Darf derſelbe „doch weder Lehrer noch Schüler überla „den; er muß vielmehr beiden Theilen die „Arbeit möglihft leiht und angenehm mas „Ken, und dennoch würdig und fiher zumziele „binweifen.”

Die Anfoderung an gelbte Lehrer, daß diefelben ſich auf jede Lektion ftundenlang vorbereiten, iſt, in der Regel genommen, nicht zwedmäßig. Der Lehrer muß fo viel als nöthig feiner Gegenfiände und deren Bes handlung Herr fein; eine jedesmalige Angitliche Vor⸗ bereitung fest ihn der Gefahr aus, Vieles zu lehren, was nicht in die Sphäre feiner Schäler gehört, und was nicht behaltlich und bildensfähig ift. Man denfe nur an bie feine Gritifen, die heut zu Tage fchon einem 13jährigen Knaben vorgefeßt werben. Verlangt man nebenbei zu viel, jo wird nichts ordentlich geleiftet.

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Ich will hier keinesweges dem Fortſtudiren geuͤbter Lehrer und dem treuen Eifer junger Maͤnner, jeden Gegen⸗ ſtand mit Klarheit und Beſtimmtheit vorzubringen und zu behandeln, in den Weg treten. Das fei ferne; ich möchte nur das Vollſtopfen und Klauben verhüten,. bad. nur gar zu leicht bei Angftlichen Borbereitungen -auf jede einzelne Stunde erfolgt. Gibt man dasjenige, was man bei treu⸗ em Studium einer Wiffenfchaft gut behält, fo gibt man, bei nicht vorherrfchender Gedaͤchtnißkraft, das Behaltliche und gerade in diefem liegt das wahrhaft Bildende,

Hier fol nun der Lehrplan einer verbundenen niederen und höheren Volksſchule aufgeftellt werben. Um jedoch auch hier zwei Gange neben einander zu ftellen, follen zum Schluß des Ganzen die beiden Seitenflaffen der niederen Volksſchule angehängt werden. Nach Unterfuchung des Dargelegten und Ausmärzung der Mängel deffelben werde ich; ben Lektions⸗ plan in feinen Abänderungen nach Maaßgabe ber Zahl der Slaffen, der Lehrer und Schüler jeder niederen Bolfsfchnle beigeben.

Der Zweck einer höheren Volksſchule geht bei der Er⸗ hebung zur Humanitaͤt, und bei der Vorbereitung zum Gym⸗ naſium auf die Berufs» und Vorbildung des einſtigen Kauf mannes , Buraliften, Meß- und Baufünftlers, Mechanifers Chemikers, Mufifers, Zeichners, Malers ıc. und auf bie Bildung der Mädchen höherer Stände; und die Schule muß darum bemüht fein, allen diefen Zwecken moͤglichſt nahe zu kommen, ohne irgend einem Schiller etwas Ueber⸗ flüffiges aufzubringen. .

Wenn in diefem. Plane für die zehn verfchiedenen 'BiL densjahre zehn ſich aufftufende Glaffen angeorbnet, find: fo ift doch Die Zahl diefer Claͤſſen, mei die Menge der Shi fer nicht zu bedeutend ift, nicht nothwendig, da jede Claſſe ihre Schüler zwei bis drei Jahre behalten kanmn.

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Um aber Verwirrung zu verhäten, darf die Aufnahme von kleinern Schülern alle Sahr nur einmal Statt finden; die unterfte Claſſe muß doppelt oder breifach beftehen, wenn die Schüler zwei oder drei Sahre in einer Claſſe bleiben follen, und der Namen jeder Elaffe muß bei jedem Wechfel fih um ein oder zwei Sahre ändern, d. h. es wird nicht immer baffelbe in ein und derfelben Glaffe gelehrt, ein Um⸗ fand, der den Schülern ganz gleichgültig, ben Claſſenleh⸗ rern aber angenehm fein fann, indem dieſe ihren Eyflus dadurch öfter in Etwa verändert fehen. Cine allgemeine Borfchule thut hingegen hier auch in Etwa gute Dienfte; benn ein Uebelſtand bleibt e8 allemal, wenn der Schhler nicht mit jedem Sahre in eine höhere Glaffe ruͤcken kann.

Senen Anforderungen habe ich nun im folgenden Lehr⸗ plane zu genügen gefucht.

Bevor ich aber nun zur Aufitellung dieſes Lehrplanes übergehe, muß ich noch einige Unterfuchungen von Wichtigs keit vorbergehen laſſen.

Soll die hoͤhere Buͤrgerſchule da, wo ſie nicht als Progymnaſium auftritt, in den alten Sprachen unterrichten?

Bei der Erziehung eines Schuͤlers beabſichtigen wir feine Menſchen⸗ und Standesbildung ). Sobald der Schuͤ⸗ ler fuͤr einen Stand erzogen werben ſoll, hat er einen Zwed vor Augen, den nicht Jeder eines andern Standes mit ihm gemein hat. Diefer Zweck ift mit einem Haupt⸗ produkt, und die aͤußern Mittel, welche zur Erreichung

*) Siehe vorläufig: Ueber den unterricht in der Mathematik.

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dieſes Zweckes anzuwenden find, find mit Faktoren dieſes Produktes zu vergleichen. Das Hauptprodukt iſt als ſol⸗ ches die Summe mehrerer Produkte. Dieſe integrirenden Produkte koͤnnen dem Hauptprodukte entweder ausſchließlich angehoͤren, oder ſie koͤnnen auch zugleich integrirende Theile eines andern Hauptproduktes ſein, wo ſie dann fuͤr beide Hauptzwecke gemeinſchaftlich ſind. Gleiche Produkte koͤnnen gleiche Faktoren haben; Ba aber, wo die Produkte ungleich find, muß wenigftens ein Faktor von anderer Art fein. Je mehr das zweite Produft aber von dem erften verfchieben fein ſoll, befto mehr muß fich dieſer eine Faktor ändern. Diefelbe Bewandtniß hat e8 mit dem Parallefogramm der Kräfte. Bringen nämlicd, fchon mehrere Kräfte, die Divers girend wirken, ben fich beivegenden Körper auf ben Weg einer gewiffen Diagonale: fo muß die folgende Kraft von einem gegebenen Standpunfte aus verbältnißmäßig ſtark wirfen, wenn der Weg, ben ein Körper befchreiben foll, ein von diefem Wege fehr verfchiedener fein muß. Im Alle gemeinen geht daraus hervor, daß nicht jedes Mittel, nicht jeder Faktor, nicht jede Stoßfraft, und diefe nicht nad) wills fürlihem Maße angewendet werden dürfen, um irgend eis nen Zwec zu erreichen. Daraus geht ferner hervor, daß man nicht folcye Produfte zu erzieleu trachten dürfe, die nicht eigentlich integrirende Theile des Hauptprodufteg find, indem biefe von dem Zwede eher abs als demfelben zufühs ren. Dente ih mir nun auc, der Menfchenbildung bie Standesbildung untergeordnet: fo ftehen beide fih doch nies mals entgegen, ba die letztere tmmer ein Material für die Menfchenbildung geben muß. Sobald diefes Material für die, nach Maßgabe der Bildenszeit zu erreichen mögliche, allgemeine Menſchenbildung nicht ausreicht, wird die Stans desbildung zu früh, oder doch zu ftarf ind Auge gefaßt. Da, wo aber Menfchenbildung und Standesbildung gleich zweck⸗

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maͤßige Mittel darbieten, ſind dieſe beſondern natuͤrlich den allgemeinern vorzuziehen, wenn man die Jugendzeit weiſe benutzen will. Es iſt nicht genug, daß irgend ein Weg auch zum Ziele fuͤhre, ſondern er muß auf kuͤrzeſtem, aber dennoch gutem, Wege zum wuͤrdigen Ziele fuͤhren, und das um ſo mehr, da dieſes Ziel in einer beſtimmten Zeit erreicht werden muß. Wer lange ausſchließlich einem allgemeinen Ziele entgegengeht, und dann, wann das Ende ſeiner ab⸗ gemeſſenen Zeit bald da iſt, erſt an ſein beſonderes Ziel denkt, und dieſes nun in ſtuͤchtiger Eile zu erreichen ſtreben muß, handelt nicht ſo verſtaͤndig, als derjenige, der das allgemeine und das beſondere Ziel unverruͤckt vor Augen haͤlt, und beide moͤglichſt vereint zu erreichen trachtet. Kaͤme es bloß auf Erreichung eines allgemeinen Zweckes an, und laͤge nicht in jedem Punkte des Weges dahin ein Theil eines zu erreichenden beſondern Zweckes: ſo moͤchte es gleich ſein, auf welchem Wege man zu dieſem allgemeinen Zwecke ge⸗ langte. In dem Schuͤler ſoll aber nicht bloß der Menſch gebildet werden; er ſoll auch zugleich eine gewiſſe Tuͤchtig⸗ keit zum Eintreten in einen gewiſſen Stand beſitzen, und zwar eine ſolche, die man ſich beſonders in der Jugend an⸗ eignen muß, um dann als hoffnungsvoller Anfaͤnger in ei⸗ nem Fache ꝛc. dazuſtehen. Dieſe Tuͤchtigkeit hilft fuͤr das ganze Leben: ſie laͤßt die naͤchſten Zwecke mit Leichtigkeit erreichen; und der Blick auf ein Hoͤheres und Allgemeineres wird gerade dadurch freier, daß das Zunaͤchſtliegende nicht zu aͤngſtlich beſchaͤftigt. |

Wir mollen annehmen, ber Weg zur Gelehrfamteit führe allen Zielen des menfchlichen Strebens und Thuns entgegen, fo daß aus einem Gelehrten alles werden koͤnne, was die menfchliche Gefelfchaft nur immerhin von dem Menfchen fodern kann: fo ift der Weg bis zu diefer wirfs lichen Gelehrſamkeit, und zu biefer Biegſamkeit, nach wels

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cher ber Menſch fich in alle Formen fchmiegen Könnte, doch fehr weit und Eoftfpielig, und wir würden durchgängig nur ältere und wohlhabendere Leute in jedem Fache anftellen Sonnen, Ob dieſes rathfam und zu winfchen wäre, wollen wir ganz übergehen; denn wir fehen fchon, daß biefes Thun im Allgemeinen für jetzt noch unausfuͤhrbar ift. Darf man diefen Weg nun nicht immer verfolgen, fo muß man Doc; irgendwo von demfelben abgehen, und zwar natürlis cherweife bort, wo zu beiden Zielen, ‚dem allgemeinern und befondern nicht mehr gleiche Wege binführen, wo bie Wege anfangen zu divergiren. Diefe divergiren aber nicht immer; denn auf beiden. Wegen muß ber Schüler feine Mutterfprache, die Verhältniffe von Maaß und Zahl, ein edleres Menfchthum, fein Verhältniß zu Gott ıc. kennen lernen; auf beiden Wegen müffen feine menfchlichen Anlagen geweckt, feine Menfchenkräfte geuͤbt werben ıc.

Kerner widmet der Spradgelehrte fein ganzes. Leben ben Sprachen; der Kaufmann, Buralift und Künftler hört etwa, mit feinem vollendeten 16ten Sahre, oder Doc, dann mit feiner Spracherlernung auf, wann er für feinen Ge brauch ein NHinreichendes gefammelt hat. Die Sprade fann ihm fpäterhin nicht Zweck, fie muß ihm ein Mittef zu feinem Fortfommen fein. Das ift fie dem Sprachge⸗ lehrten zwar auch, nur mit dem Unterfchiebe, daß diefem bie Feinheiten der Grammatif, der Rhetorik und Poetik, die Kenntniß des Charakters eines fremden Volkes c., jenem aber die Gewandtheit im Verkehr mit Nationen Ehre, Ver⸗ gnuͤgen und aͤußeres Wohlfein bringen. Freilich fehen wir auch junge Leute diefer letztern Art um der innern Schdn« heit dieſer Sprachen willen ein Mehres thun; aber dieſe find hier, wie in andern wiffenfchaftlichen Segenftänden nr Ausnahmen, worauf fich Feine alfgemeine Regel bauen läßt. Selbft diefe jungen Leute behalten dieſes Streben

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ſehr felten lange, da es ihrem täglichen Gefdjäfte zu fremd⸗ artig iſt; und faft nie möchte ich fagen, findet man unter ihnen wirkliche Korfcher , die fich einer Sprache mit Unters ziehung fonderlicher Meühfeligfeiten hingeben. Diefe Aufs opferung kann man billigerweife nur von Denen erwarten, die ihr Leben einem folchen Zweige des menſchlichen Wifs ſens hauptfächlich widmen.

- Diefe allgemeinen Säge bitte ich nun bei dem Folgens den ftetö im Auge zu behalten, und gehe denn nun zur Unterfuchung ber Sache felbft über.

Es ift eine anerkannte Wahrheit, daß fih der Geift und Charakter eines Bolfes am reinften und unzweideutig⸗ fen in feiner Sprache darftcht; und wer darum ein Bolt bis in die tiefften Falten feines geiftigen Seins kennen fernen will, muß auch Die Sprache beilelben genau Fennen lernen, und dann die Stufe geiftiger Bildung dieſes Volkes erftiegen haben, weil ihm fonft noch immer Begriffe und Ideen deſſelben fremd bleiben würden. Ein Mann, ber nun die Bildung eines ganzen fremden Volkes in fich trüge, und dennoch, mas nicht allein wünfchenswerth, fondern nothwendig wäre, feinem eigenen Volke um deswillen nicht weniger angehörte, demnach 3. B. als Deutfcher bei feinem Griechen⸗ und Roͤmerthum dennoch ein Achter Deutfcher wäre, befäße eine fo hohe Bildung, daß man von ihm mit Recht fagen könnte, er ftände Griechen und Römern auf den Schultern. Berftände diefer Mann nun den Ariftoteles und Plato, wie den Kant und Sacobi, den Pythagoras und Archimedes, wie den Wolf und Keppler, den Tucydides und Tacitus, wie den Luden, Heeren und Joh. von Müller, den Demofthened und Cicero, wie den Engel und Reinhard, den Homer, Sophöfles und NHoraz, wie Schiller, Goͤthe und Klopftoc sc.: ſo müßte ein ſolcher Mann eine Welt von Ideen und Gefühlen: feiner Seele tragen; und bächte er

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dabei in der Sprache feiner Nation: fo müßte gerade dieſer Mann am fähigiten dazu fein, der Sprache feines Volkes das zugeben, was ihr mangelte, um die vorzuͤglichſte Spras che zu werden. Da, wo bie deutfchen Geifter ihm zu arm an Ssdeen und Gefühlen erfchienen, würbe er das Plus bee Geiſtigen der Alten in feine Sprache bringen, und das fremde Wort für dieſes Mangelnde übertragen, dazu viels leicht nur deutfchendig machen, oder ein neues deutſches Wort dafür bilden, und dieſes der Sprache. zugegebene Wort fo umftändlich befchreiben, bis daſſelbe dem Lefer feines Volkes Har und rein vor der Geele ftände. Demod möchte immerhin ihm Manches eigen bleiben, was er nicht auszudrücden im Stande wäre. Diefes aber würde num entweder ganz individuell ihm bleiben, oder er koͤnnte eg, in fo fern es feine Seele erfüllte, und feinem Handeln und Darftellen gewiffe Schattirungen gäbe, in feinen Wirkun⸗ gen ahnen laſſen, und auf dieſe Art zum Erftreben dieſes Vorzugs ermuntern. Ein beutfcher Dichter, oder Philofoph, oder Mathematiker ıc. wird ſich wenigftens felten über die Armuth feiner fonft fchon reichen Sprache beflagen; er wirb vielmehr feinen Vorgängern folgen, und da, wo er ein zeit ber nie empfundenes Gefühl, oder eine fremde Idee ent deckt, die er ausdrüden will, dafür ein Wort bilden, und fich feiner Entvedung und Schöpfung freuen. Dabei wird er das Bezeichnende doch nicht fo hoch, ald das Bezeichnete ftellen; denn ift diefes da, ;fo wird jenes leicht gefunden, und follte er das Zeichen bloß nach dem Gefühle aus der Luft greifen müffen. Wer würde mein aus der Luft ges griffenes „Boi“ verachten, wenn ich mit demfelben ihm ein noch nie empfundenes Gefühl, oder eine zeither ihm noch ganz unbefannte Idee mittheilte? Hätte ich dieſes Gefühl, diefe Idee zuerft, und darım gewiß lebhaft und fcharf, fo wuͤrde ich auch einen möglichft bezeichnenden Ausdrud wählen; und

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wäre diefer Ausdrud ein Stammwort, fo wärbe auch in dem einfachen Worte fchon dieſes Gefühl oder diefe. Idee anflingen. Hätte ich aber dieſes Gefühl ıc. aus einer an⸗ dern Sprache gefchöpft, und ließe fich daffelbe nicht ges woͤhnlich deutſch ausdruͤcken, fo würbe ic; das baffelbe bezeichnende Wort auch aus dieſer Sprache Übertragen. Sich finde auch dieſes nicht mangelhaft, fondern finde die Achnlich feit der Sprachen untereinander vielmehr wahrhaft ſchoͤn und zweckmaͤßig. Wenn die Menfchen doch alle zur Humanität beftimmt find, und dieſe bei aller Mopifticirung nad) Clima, Boden und andern Berhältniffen doch auch einen eigenen Charakter hat: fo erfcheint ed mir fonderbar, warum bie Sprachen der verfchiedenften Voͤlker nicht wenigſtens auf einer. höheren Eulturftufe auch viel Gleiches oder Aehnliches haben koͤnnten. Es gibt demnach Wege genug, dasjenige feinem Volke mitzutheilen, was ein ausgezeichneter Kopf ſelbſt klar denkt, und was ein feines Gemüth rein fühlt, und gefchähe diefes auch auf bedeutenden Lmmegen. Haben diefes unter andern nicht auch Kant und Schelling gethan ? Die Behauptung Vieler, daß Ueberfeßungen immer Stuͤm⸗ pereien bleiben, wie wir folches nicht an den Ueberſetzun⸗ gen von Garve und Schiller fehen, mag demnach wol zu gewagt fein, ba die Anfoderung an die Wortlichkeit einer Ueberfeßung unnatürlich fein mag. Wenn die deutlichen Gedanken und Empfindungen eines vorzüglichen Originals möglichft deutlich wiedergegeben werben: fo hat die Ueber⸗ feßung ſchon Werth; und wenn dabei die Außere Form edel, und der Schönheit und dem Geifte der Sprache anges meflen erfcheint, fo gehört fie ſchon nicht zu den fchlecdhten Produften. Man macht im Allgemeinen fo große Lobeser⸗ hebungen von ben Borzägen alter Sprachen in Ruͤckſicht auf den Lant der Wörter und auf die Gonftruftion der Perioden; und wenn nun ein Johannes von Müller den

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Tacitus, und ein Boß den Homer nachahmt, und dieſe hohen Borzüge verfelben auch unfrer Sprache anbiegen wollen, fo fpricht man von gerabebrechtem Deutfch, von Vernachlaͤßi⸗ gung gewohnter Regeln. Auf biefe Art werden die größten Männer, die den Alten und Neuen auf den Schultern tes hen, freilich wenig Luft haben, fich dem hoͤchſt undanfbaren mühfeligen Gefchäft zu unterziehen, um unfre Sprache zu vervollkommnen, ihnen Die Vorzüge ber Alten weiterhin mehr und mehr anzueignen, und ein eblered Griechens und Roͤmerthum mit dem edlern Deutfchthbum zur hoͤchſten Hus manität zu vereinen. Die deutfchen Philologen erheben im Allgemeinen die vofalreihern alten Sprachen wegen ihrer Bolltönigfeit, Zartheit und Feinheit bis zum Speal, und vielen derfelben erfcheint unfre Sprache als ein Webers bleibfel der Barbarei. Abgefehen davon, daß man mit unfrer Sprache auch unfre Sndivibnalität verachtet, muß ich doch fragen, worin denn ein wirkliches Griterium Des Sates liege, daß eine volfalreichere Sprache ſchoͤner ift, ald eine foldye, die mehr Confonanten gebraudht? Das Barbarifche unfrer Eonfonanten finde ich wirflid; weder in Schiller, Wieland, Goͤthe und Tiedge, nod in Engel, Garve, Lefling und vielen andern Deutfchen. er ents fcheidet, ob ein gebildetes Volk eines künftigen Sahrtaufende, unfre Sprache, denen der Alten auch dem Laute nach nadys feßen wird? Sollten die ſchoͤnen und großen Gedanken, bie erhabenen Gefühle von Hoheit, Gemwandtheit und Kraft ıc. die ein gelehrter Philologe doch hauptſaͤchlich an unſrer Quelle in den alten Sprachen fucht, nicht auch in Hinficht auf den Laut um Bieles beſtechen und beftochen haben? Und wenn wir ed zugeben, daß eine vofalreichere Sprache vielleicht eine höhere Stufe von Humanität verräth; warum nehmen unfre Dichter, Philofophen und Künftler Anftand, unfrer Sprache da Flangreichere , volalreichere Grundwoͤrter

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zu. geben, wo und noch Ideen und Empfindungen gebilbeter Bölfer, oder die eines höheren Zuftandes ber Cultur fehlen? Warum greift: denn der Schwindel, jedes wahrhaft fchöne, volltönende und -oofalreichere fremde Wort aus unfrer Sprache zu verbannen, immer noch fo fehr um ſich? Warum fprechen da nicht Männer von hohem geiftigen Anfehen duch? Stehen denn die Säulen der Eultur eined Volkes da, um fich nur felbft zu tragen? Sollen Diejenigen Mäns ner, die das edlere Griechensund Roͤmerland nad) Deutfch- land verfegen könnten, in Deutfchland .nur über bie Abwes fenheit des fremden Elimas Hagen und ſeufzen, ober vors nehm höhnen, da fie mit den Fittigen des Fregatten bald dieſem, bald jenem Lande, zueilen koͤnnen, um in allen Cli⸗ maten die fchönften Tage zu genießen? Dover follen fie bes müht fein, auch hier ein fchöneres Clima zu erfchaffen, Damit Andere mit immer größerer Leichtigkeit auch dieſes empfinden koͤnnen? So lange ed noc heißt: Komme mit nad; Rom und Athen, um dort zu genießen, ich will dir nach und nach dazu Flügel größerer Art fchaffen, fo fange Tann der Genuß nur bei Einzelnen ftatt finden, und zwar hauptfächlich nur bei Solchen, die ihr Leben dem An⸗ bilden folcher Flügel widmen; und indem ihnen einzelne Neugierige und Wißbegierige Mühe und Zeitverfaumniß vergüten, haben fie felbft Gelegenheit in jenen Glimaten zu fchwelgen. Bringt und das Clima her, und ihr nüßt Jedem im Volke, und ſchaffet dadurch ets was Bleibenderes, das und nicht Durch eine einmal eintretende unwiffenfhaftlidhe Zeit genommen werden fann. Was einmal in unf rer Sprache liegt, rottet ein barbarifches Sahr: tauſend niht gänzlih aus; was aber jedem Einzelnenfremdesangebildetwerdenmuß, fann für das. Allgemeine in einigen Benerationen

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ausgehen! Griechenland und Rom bauten ihre Spra⸗ chen fuͤr die Ewigkeit, und wenn ihnen das weſtliche Europa und Aſien Vieles verdankt, ſo waren ſie gewiß weiſe genug, auch von dieſen Laͤndern Manches anzunehmen, was ſich jetzt nicht mehr nachweiſen laͤßt; denn ein Weiſer gibt nicht nur, ſondern ſammelt auch, wo er kann, zu neuen Gaben. Der aͤchte Stamm mag immer den alten Namen behalten, damit man das Land wiſſen und ehren koͤnne, wo derſelbe heimiſch war; ein anderes Clima wird denſelben in Etwa veraͤndern; und pfropft man dieſen, um ihn mit andern edlen heimiſchen Fruchtarten zu verfchwiftern, fo mag das immerhin geſchehen; ein ſolcher Nachkommen wird um ſo leichter dem ganzen Charakter des Climas ſich anſchließen. Trotz aller Behauptung Vieler, man koͤnne den Geiſt eines Claſſikers in einer Ueberſetzung, die doch ſtets jaͤmmerlich bliebe, nicht in eine andere Sprache uͤbertragen, hat unſer Volk den Griechen und Roͤmern gewiß unendlich viel zu verdanken. Mag es immerhin ſein, daß gewiſſe Toͤne, Silben, grammatiſche Regeln ıc. nicht geradezu in unfre Sprache übergetragen werben fünnen; aber die reineren, höheren Anfichten, die fchönen, fchärfer begränzten Ideen, die jugendliche Frifche, infofern ſolche ausgefprochen und deutlich nachempfunden werden Tann, dieſes und noch mans ches andere kann der geiftoolle Ueberfeßer wiedergeben, und den höchiten Zweck der Sprache, die Humanität befördern.

So lange wir nun noch fortwährend für. das Allgemeine aus dem alten edlen Griechen» und Roͤmerthum zu fchöpfen haben, fo lange müffen auch immerhin noch Sünglinge zu dieſem Born geführt werden, damit diefe ald vielleicht ausgezeich⸗ nete Männer einſt unfer Land mit unbefanntem Schönen bereichern: Wie foll aber diefed mit fchnellem Erfolge bes werfftelligt werden,. wenn nur einer engen Kafte das Bors recht zugeftanden, und uur ihr Gelegenheit gegeben werden

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jollte, an! diefen Born zu treten. Ausgezeichnete Talente find allenthalben zerſtreut, und diefe laſſen fich nicht immer mit Sicherheit auswählen. Es muß auch diefem Talente Gele genheit und Wirkſamkeit gegeben werben, um dieſem For⸗ fen obzuliegen; und da nun auch biefes Hinführen zu dem Born ſchon außerordentlich bildend für Seben fein muß, fo darf der Unterricht in den alten Sprachen nicht zu fehr be fchräntt werden, wenn man den angegebenen hohen Zweck, der anf feine andere Art zu erreichen ift, nicht fiindlichers weife aufgeben will..

Bei folchen Menfchen aber, die fich von vorne herein zur Erlernung eines Gefchäfts beftimmen, das aller Erfahrung nach feine weitere Gultur der alten Sprachen in dem Individuum geftattet, und dieſe nicht zu dem Geifte der Sprache zuläffet, wäre ed unzweckmaͤßig zu verlangen, daß auch diefe ſich mit Erlernung der alten Sprachen befaffen follten. Hier find meine näheren Gründe,

Wie bereits erwähnt, hat der Gefchäftsmann bei der Sprachenerlernung einen ganz andern Zweck, ald ber Sprachgelehrte. Sener beabfichtigt nur, ſich Nationen vers ftändfich machen zu können, und wenn er zugleich Gefühl für die innere Schönheit einer Sprache hat, fo fucht er ſich richtig, beftimmt und mit Anftand in derfelben auszudruͤcken. Dabei ift ihm der Ban der Sprache an fi, die Feinheit ihrer Grammatif, die geiftige und törperliche Berwandfchaft mit andern Sprachen ıc., alfo ihre innere Schönheit in ber Regel mehr gleichgültig. Wenn er es nur fo weit bringt, daß man in dem heimigen oder fremden Volke ihn für eis nen gebildeten Mann diefes Volkes halten Tann, fo hat er feinen ganzen Zwed erreicht; er will nicht mehr, ‘weil er nicht mehr nöthig hat, um fich.auf. eine angenehme Art: vers ftändlich zu machen. Diefes ift, an fich betrachtet, auch durchaus nicht zu tadeln, denn nicht jeder Menfih Tann

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und fol den Zweck beö eigentlichen Sprachgelehrten haben, Wie könnte es nun einem folchen Menfchen auch nur auf das Entferntefte einfallen, eine ſolche Sprache zu lernen, die er in ber Zukunft nicht gebrauchen kann; und wie fehr wird er fpäterhin die Zeit bebauern, bie er zur Erlernung derfelben, verwenden mußte. Findet man dieſes unbillig und gemein, fo tadelt man ben angeführten Zwed, den man aber durch alle philofophifchen Erclamationen nicht ändern wird, eben weil er ein natürlicher if; man würde. dann etwas Natürliche unbillig und gemein nennen, und Demnach in eine lingereimtheit verfallen. Der Gefchäftsmann wird es demnach vorziehen, ftatt der alten, lieber neue Sprachen zu lernen, und wir wollen unterfuchen, ob er darin aud), in Ruͤckſicht auf die zu erzielende Menfchenbildung, unrecht hat.

Betrachten wir die Hebel: des Geiftes, welche in der Erlernung einer Sprache liegen, und vergleichen wir diefe der alten und neuen Sprachen miteinander: fo werden wir darüber ein fhärferes Urtheil zu fällen im Stande fein, ale wenn wir die ganzen Maffen gegen einander halten. Die vorzüglichften Hebel des Geiftes liegen in dem Woͤrter⸗ fhaß der Sprachen, in den grammatifchen Regeln, in dem Aefthetifchen, das fich fchon in diefem anbietet, und in dem Material, in dem Inhalte felbfl. Diefer Inhalt ift wies derum ein befonderer, der dem Volke eigenthuͤmlich ift, oder er ift ein allgemeiner, den jedes Volk fich aneignen kann, ohne feine geiftige Selbftftändigfeit zu verlieren. Betrachten wir nun zunächft den Wörterfchab der alten und ber neuen Sprachen mit einander, fo bieten fich zunächft in beiden Laut, Bildung und Bedeutung derfelben unfrem Blicke dar. Bei diefer Vergleihung wird man mir doch ohne Weiteres den Erfahrungsfag zugeftehen, daß man vier neue Sprachen in der Zeit lernen koͤnne, in welcher man die beiden alten

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lernt. Man rühmt an den alten Sprachen die Schönheit des Vokalreichthums und die wunderfame Stellung der Sons fonanten ihrer Woͤrter. Hat denn etwa die fpanifche und ttalifche Sprache weniger Vokale; und klingt die erftere, wie mir deucht nach Arndts Verficherung, nicht eben fo fchän oder noch fchöner, als das Lateinifche und Griehifche? Wenn Schmitthenner fagt, er möchte in der griechifchen Sprache philofophiren, in der lateinifchen reden und in der fpanifchen beten: fo findet er offenbar in den Lauten, um die es fich hier doch hauptfächlich handelt muß, mehr Erhabenes und Inniges, als in den alten Sprachen. Das Erhabene und Imnige bildet natürlich am meiften, weil «8 mehr ergreift, und dann wären die Laute der fpanifchen Sprache noch bil- dender, zumal da man mit 16jährigen Knaben nody nicht viel philofophiren kann. MUebrigens kann der Sinn für Schönheit der Laute in jeder Sprache geweckt und genährt _ werden, und wir wärben felbft in unfrer Sprache neben den fogenannt häßlichen Zifchlauten eine große Menge der volltönendften Worter finden, wenn wir diefelben nur mit ber Begeifterung, wie in den alten Sprachen fuchten. Selbft in der Zufammenftellung diefer Wörter gibt es zahlfofe Bei- fpiele, die man dem Boffifchen Ausdrud: „Hurtig, mit Dons nergepolter entrolfte der tücdifche Marmor‘ nicht unwuͤrdig zur Seite ftellen koͤnnte. Die Bildung der Wörter, nämlich die Auffindung der Wortfamilie durd; Ableitung und Zus fammenjeßung, fo wie der Synonimen finden wir in der griehifchen Sprache nach dem Urtheile der gründlichften Kenner bis zum Bewundern fchönz aber fteht denn etwa bie deutfche Sprache hierin nach? und ift es denn wirklich zur Bildung des Geiftes nothwendig, dieſe allenthalben in dem Maaße zu finden? Ich denke, fchon eine Sprache, weldje diefe bewundernswuͤrdige Eigenfchaft im hohen Grade 'hat, Tann mehr Material zur Bildung diefes Gefühle und biefer

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Idee geben, ald man nöthig hat, um biefelbe mit aller Fälle des Gemuͤthes und. des Verſtandes aufzufaflen ; und wenn wir diefe Eigenfchaft nicht allenthalben in ben neuern Spracen finden, fo finden wir ſie doch hier und bort, und finden zugleich andere Mittel, wodurch diefer Mangel wes nigftens in Ruͤckſicht auf Bildung des Geiſtes gewiſſermaßen erſetzt wird.

Die Bedeutung der Woͤrter bietet in jeder Sprade eine fo große Maffe von Material dar, daß man gewiß nicht bei 16jährigen Schülern in Berlegenheit geräth, um Bedentung der Wörter und ihre Unterfchiede auffuchen zu Jaffen, wenn man nur immer fohwerere. Bücher auswählt. Wo für die Bildung des Scharffinnes unfre Maſſe von Synonimen ‚nicht ausreichen follte, da koͤnnen die Franzoſen, Engländer, Spanier ıc. noch nachhelfen! Sch glaube der Lehrer wird fich über den Mangel diefes Materials nie zu beflagen Urſache haben; und wenn jedes Wort als vorzügs lich doch nur eine beftimmte Empfindung, oder Idee, ober einen beflimmten Begriff bezeichnen darf, fo fehe ich ‚wies derum nicht ein, warum berfelbe Begriff ıc. in den alten Sprachen bildender, als in den neuern fein fol. . Was nun übrigens noch die Bildung des Gedächtniffes, der Phantas fie, des Gefühle und des ſchon berührten Scharffinnes ans geht: fo muß Jeder ohne Widerrede mir beipflichten, daß hier fein Unterfchied obwalten inne, weil alte und neue Sprachen darin eine fo große Mafle von Material aufbies ten, daß folches mit dem Schüler unmoͤglich verarbeitet werden fan. Nehmen wir die ärmfte Sprache einer Fultis virten Nation, fo würde ein: denfender, für diefe Sprache begeifterter, Kopf Mittel ‚genug in Händen haben, einen Schüler bis zum vollendeten fechszehnten Jahre zur Bildung dieſer Geiftesfräfte Nahrung genug zu geben. Wir braudyen überhaupt bei.der Maffe von. Material wirklich. nicht. um

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Gelegenheit zur formellen Bildung. des Geiſtes beſorgt zu fein, wenn nur jeberzeit das Dorzügliche dazn benfend bes nubt wird,

Wir kommen mim zur Vergleichung der Grammatik alter und neuer Sprachen. Dieſe theilen wir zunaͤchſt in die allgemeine und beſondere. Was die allgemeine Gram⸗ matik betrifft, fo liegt dieſe ſowol den neuen, als ben after Sprachen zum Grunde; und alle Borzäge, welche diefelbe Barbieter,, kontmen demnach auch der Erlerummg jeder Spra⸗ we zu Gunſten. Die beſondere Grammatik ift wiederum gewiſſermaßen philoſophiſch: es find Negeln aus dent Geifte der Sprache, oder file find nur nady der Analogie des Koͤr⸗ perlichen: es ſind Außere Regeln des Sprachkoͤrpers. Was die philoſophiſchen Regeln betrifft, fo leiſtet umfre Gram⸗ matik hierin ſchon ein Ueberſchwengliches, und für fechszehn⸗ jaͤhrige Knaben wird ſich nebenbei ti den andern zu erler⸗ nenden Sprachen ſchon Mittel gemig finden, diefe anf das vollkommenſte zu uͤberfaͤttigen. Die Regeln des Sprachkoͤr⸗ pers aber ſind nur fuͤr das Gedaͤchtniß, und koͤnnen keine Vorzuͤge darbieten, indem wir doch erſt dann eine Regel ats beſonderes Bildungsmittel ſchaͤtzen kͤnnen, went fie in dern Sprachgeiſte ihre Begruͤndung findet. Es iſt demnach über die Vorzuͤge der Grammatik alter und neuer Sprachen in Ruͤckſicht auf Bildung naͤmlich, nicht zu ſtreiten, wenn gleich dieſes wol der Fall fein koͤnnte, wenn man Den alten Sprachen bloß die franzoͤſiſche oder hollaͤndiſche entgegen⸗ ſtellen wollte. Die deutfche Sprache aber in Verbindung mit einer anderen der neueren, oder mit zweien derſelben, laͤßt den Vergleich, wenigſtens .in Benutzung derſelben für 15 bis 16jaͤhrige Schuͤler, ſchon aushalten.

Daß die Grammatik der alten Sprachen abgeſchloſſen iſt, wird man hoffentlich nicht fuͤr einen Vorzug erklaͤren wollen, wie freilich Viele ſolches thun; aber der groͤßte

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Vorzug einer Grammatik beſteht im feiner Sprachphiloſophie, und dieſe laͤßt ſich nicht abſchließen. Freilich haben dieſes bie Franzoſen verſucht; aber, was haben fie dadurch ges wonten? Eleln und die Regeln der. franzsfifchen: Sprache nicht im Durchfchnitt an. Verhält ſich ber befondere gramm matiſche Theil der Franzoſen zu ber unfrigen nicht etwa wie der Gruß, den. Kod, und Keller bereiten, zu Dem, ber uns der Gemeinfchaft mit geiſtigen Herden hervorgeht? Pollen die Franzofen eine geiftigere Grammatik haben, fo muͤſſen fie ihre Sprach⸗Akademie verabſchieden, ober bie Glieder derfelben muͤſſen ald Sprachphiloſophen auftreten. Es iſt freilich fchwer, mit Beſtimmtheit zu fagen, was aus den alten Sprachen geworben wäre, wenn beide noch Ichten, ba die Fortbildung ꝛc. einer Sprache von zu. vielen Um⸗ ftänden abhängt, um anf biefelbe von andern. Sprachen analog fihließen zu koͤnnen. Dft kann ein einziger Mamn, der Auf Irrthuͤmer in der Weiterbildung aufmerffam macht, wieled Ueble verhindern und viel Gutes fördern. Uber es laͤßt füch doch benten, daß vortreffliche Köpfe, .wie foiche, die die zeither mit Feinheit und Schärfe aufgeftellten Regel gefunden haben, beim Fortfchreiten ber Sprache noch ide dergleichen aufgefunden hätten, und daß die Grammatik ungleich viel gewonnen haben könnte, wenn die Alten nämlich nicht auch eime Academie francaise anfgefteht haben moͤch⸗ ten. Uns Deutfcyen thäte es aber mit ber Zeit fchier Roth eine fihtende Akademie aufzuftellen, um zu. Athem zu fommen, und ben Spreu yon dem Waizen zu fondern. Wäre es doch beſſer, man flritte ſich einmal über die Principe; nad) welchen eine Sprache wirklich verbefiert wisd, als baß Jeder nach eigengewählten Principen gleich Regeln aufs ſtellt. Freilich gehen unſre Sprachforſcher feit Vater und Seidenſtuͤcker phitofophifcher zu Werke, als vor dem Auf⸗ tritt dieſer Seilter, wo man 3. B. das o.in Kopf aus d *

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ſprechen wollte wie in Hof, wo der Laut ſogar dem Buch⸗ ſtaben untergeordnet ſein ſollte.

Was weiter das (Aeſthetiſche) Schöne, Edle und Er⸗ habene in Anſicht und Darſtellung der Alten und Neuen angeht, ſo gebe ich gern zu, daß in den alten Sprachen ſich eine beſondere Friſche des jugendlichen Geiſtes, ein An⸗ tikes ausſpricht, welches keine neue Sprache zu geben im Stande ſein mag; aber man wird doch auch nicht ungerecht gegen die Claſſiker der Deutſchen, Englaͤnder, Spanier, Italiener und Franzoſen ſein wollen. Dieſen in ihrer Ge⸗ ſammtheit das Schoͤne, Edle und Erhabene abſprechen, wuͤrde ungereimt ſein. Da die meiſten dieſer Claſſiker, wenn nicht alle, ſich an Rom und Athen gebildet haben, ſo muß man doch ſchon von vorne herein glauben, daß ſie viel Vorzuͤgliches von dem Geiſte der Alten in ihre Sprache uͤbertragen mußten. Wenn nun noch die Erfahrung genug⸗ ſam lehrt, daß die Gelehrten, die ſich einem buͤrgerlichen Fache widmen, ſchon ſeltener von den ausſchließlichen Vor⸗ zuͤgen der Alten angeweht werden, und ſpaͤterhin, der an⸗ derwaͤrtigen Geſchaͤfte wegen nicht weiter ſtreben: ſo mag es leicht abzunehmen ſein, daß fuͤr Erſtrebung dieſes Hohen von ſolchen Schuͤlern noch weniger gewonnen wird, die ſchon mit dem 15. bis 16. Jahre die alten Sprachen ganz bei Seite legen wuͤrden. Der Knabe faßt den Geiſt und Charakter eines Volkes noch nicht in ſeinen Feinheiten auf: ihm muß noch zu viel von dem verſchwiegen werden, was einem Menſchen, der noch nicht fuͤr eine moraliſch, religioͤs ideale Welt lebt, Antrieb zu Handlungen wird; ein Knabe weiß noch nicht, was ſich alles in eines Mannes Bruſt bewegt; er faßt den Menſchen in dieſen Feinheiten nur noch theilweiſe auf, und das Feinſte deſſelben muß ihm entgehen, da es ihm dazu.noc- an Gemuͤth fehlt. Dieſe hohe Eigenfchaft der Seele entwickelt fich in einem gefunden,

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fräftigen Menfchen am Tangfamften , zeigt fich erft in bem Juͤngling, und erft in dem Manne geht fie ihrer Bollendung entgegen, wenigſtens follte fie ed. Wir achten den Mann von Berftand, wir verehren den, ber in ber Welt ber Ideen mit Erfolg und Sicherheit Daherfchreitet; aber es geſellt fich Diefer guten Meinung unfre Liebe bei, menn wir finden, daß er auch zugleich ein zarted, feines Gemuͤth hat, das von der Manneskraft gehalten wird. In dem Knaben fchlummern diefe Kräfte: der gute Unterricht wecket ihm den Berftand und gibt ihm eine Ahnung von der Ideen⸗ und Gemuͤthswelt; bei dem Juͤngling ift der Berftand- this tig, die Vernunft erwacht, und die Ahnung von einer Ges müthswelt tritt näher; bei dem jungen Manne find beide erftere Kräfte in voller Thätigfeit, und das Gemuͤth tritt wie eine erwärmende Sonne hervor, die ihre milben Gtrabs fen allenthalben umherſendet und fo nähert ſich der reifende Mann feiner Bollendung. Dem Weibe wird das Gemüth fhon in der Jugend ein Leitſtern, wie eine zweite Vernunft. Nur derjenige vermag ein Volk in feiner Ganzheit aufzus faffen, in welchem Berftand, Vernunft, Phantafie und Ges müth einen hoben Grad von Ausbildung erlangt haben, und das ift bei dem Knaben von 15 Sahren noch nicht zu erwarten. Freilich gibt es hier Ausnahmen; aber auf Aud« nahmen kann und darf man feine Regel bauen.

Sehen wir nun noch das Material an, Das und in den Haffifchen Schriften, befonders in Ruͤckſicht auf Philos fophie,. Theologie, auf Wiſſenſchaft und Kunft, Furz auf Humanität dargeboten wird: fo ift Doch wicht zu leugnen, daß die. Welt in diefen Stüden den Alten 'größtentheils auf den Schultern fteht, und daß um deswillen Fein allgemeines Studium der alten Sprachen verlangt werden Tann, wes nigftend nicht non folchen, Die‘ doch nur im ben Anfängen derfelben ftehen bleiben müßten.

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Die lateiniſche Sprache iſt ferner die allgemeine Ge⸗ lehrtenſprache, und darum für jeden Gelehrten von großer Withtigfeitz denn fie umſchliugt Bas ganze gelehrte Europa und Amerika zu einer großen geiftigen Gemeinfchaft. Zu biefer Gemeinfchaft kann fih aber der Kaufmann als ein folcher nicht erheben: und eben fo wenig, als ein deutſcher Kaufmann um feiner Sprache 'wilfen in die Gemeinfchaft Beuticher Gelehrten aufgenommen wird, eben fo wenig würbe bie Kenntniß ber Gelehrtenſprache ihn sum Gelehrten ſtempeln. Der Kaufmann will dem Raufmanne und dem Bolfe uͤberhaupt verftändfich fein, und dazu kann ihm die lateiniſche Sprache nichts helfen. Freilich ift Die Tateinifche Sprache Die Mutter der franzöflfchen, italiänifchen, fpanifchen ned zum Theil auch der englifchen, und wer es auf Die Erlernung diefer vier Sprachen abgeſehen hätte,. würbe jene zum Grunde legen koͤnnen; aber dann möchte es auch mehr auf die Exlermung der allgememern Grammatik und befonder® auf die Maſſe yon gemeimbrauchliden Woͤrtern, als auf die Eigenheiten der lateiniſchen Sprache in Hinſicht auf Fonſtruktion, Feinheit ber beſondern Regeln un Wendungen, und den Geiſt und Charakter des roͤmiſchen Molkes ankommen. | >88 märe ſehr zu wänfchen, daß dasjenige Element ber deutfchen und lateiniſchen Sprache ala Wentterfprachen in aller Kürze im Woͤrterbuch : und “allgemeinen Grammatik zuſammengeſtellt würbe, welches die Erlernung ber neuern Sprachen erleichterte. ‚In. aller Kürze, fage ich, da Diefe Bufammenftellung nichts weiter, als rin Huͤlfsmittel zu eis gem zu erftrebenden Ganzen werden foll. Alles, was ber Iateinifchen und dentſchen Sprache ausfchließlich gehörte, kaͤme hier nicht in Betracht, und wäre es noch fo ſchoͤn und bildend; denn Dann traten fie nicht mehr als bloße Mittel auf, und über der Schönheit des Weges wärbe

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dann wieder das Ziel vergeſſen. Dieſes Sprachelement koͤnnte dann in der unterften Claſſe unſrer hoͤheren· Schulen, ſowohl von denjenigen, die ſich den alten, als die ſich den neuem Sprachen in ‚ber Zukunft widmen wallten, wit Deut noͤthigen Aufwande von Zeit zweckmaͤßig seingeubt werden, und es wuͤrde gewiß beiden ſehr nuͤtzlich ſein. Mer aber nur Eine fremde neue Sprache oder hoͤchſtens zwei erlernen :wullte, wuͤrde thöricht Handeln, wenn er ‚einen großen Theil feiner Schulzeit zur Erlernung der lateiniſchen und griechiſchen Sprache gebraudıte, um fnäterhin Sprachen zu lernen, die er in. dieſer Zeit fich ſchon hätte ‚aneignen koͤnnen. Ein Knabe muß, wenigftend im Allgemeinen, 5.6 Ssahr gegen 6 Stunben wöchentlich ſich der Iateinifchen Sprache widmen, wenn .er nur. etwas Mittelmaͤßiges .in derfelben zu Stande bringen mil. In dieſer Zeit kann er es ‚aber in zwei neuen Sprachen fihon fo weit bringen, Daß er ſich ſelbſt zu helfen im Stande it. Manche, die gleicher Meinung mit mir gewefen find, haben, wie fie jagen, den Unterricht in alten Sprachen für eine höhere. Bürgerfchule ‚ausgefchlofs fen, und verfichern ,. fie :hätten. nach .angeitellter Probe Mar eingefehben, daß fie. die ‚gewöhnliche Schulzeit ‚nicht hätten ausfüllen Finnen, oder, daß bie an den alten Sprachen nicht theilnehmenden Schüler, in: den andern Gegenftänden nicht ‚weiter :gefammen wären, als diejenigen, welche zus gleich ‚griechisch und. Latein gelernt hätten. Wie wenig man fich auf ein ſo obesflächiges Erproben verlaſſen dürfe, ‚geht Heim erſten Blicke auf die ‚mit Ehre beſtandenen Philantro⸗ pine hervor. Man:hat zwar die Abneigung dieſer Schulen wor den alten Sprachen. aus dem Grunde anit Recht geta⸗ Det, daß dieſe die alten Elafliter von den neuem ſchon zrreicht glaubten; aber fein. vielſeitiger Phdagoge: wird Ihnen den Vorwurf machen, daß fie die Jugendzeit Dr Schäfer wertaͤndelt hätten. Dabei hat der. wiffenfihaftliche Unterricht

ſeit Entftehung ber Philanthropine außerordentlich gewonnen, und ich..begreife nicht, wie ein denkender Pädagoge, ohne zu erröthen, allen übrigen Gegenftänden des wöchentlichen Uns terrichts in ihrer Geſammtheit nicht 3bis A, oder auch 10 12 Stunden zutheilen könnte, ohne im mindeften auf den Gedanken an Zeitverfchwendung zu gerathen. Wer von allen wiflenfchaftlichen Gegenftänden nur einen Ueberblick geben wollte, wuͤrde freilich für diefelben fehr wenig Zeit gebrauchen; ber aber zähle fi) doch den Pädagogen nicht bei. Ein anderer Grund der Falichheit dieſer Probe mag darin Siegen, daß jene Erprober entweder feine neue Sprachen an die Stelle der alten treten ließen, oder baß fie Diejenigen Schits Ser, welche nicht Latein und Griechifch Ternten, nur für diefe Zeit befchäftigten, und daß dieſe alfo in der Zeit falt nichts thaten, in welcher Die übrigen Mitfchüler die alten Sprachen lernten. Eine Einrichtung der letztern Art aber ift an ſich verderblih, und macht feine vernünftige Probe and. Auf folche Art wird fich nie etwas Gutes erproben. Können. denn fammtliche Schüler nicht in Alts und Neu⸗ ſprachſchuͤler getheilt, und zu ein und derfelben Zeit nicht in ihren Sprachen unterrichtet werben? Wenn die Lateinifche Spracde ein fo außerordentliches Huͤlfsmittel zur Erlernung mancher neuern ift: fo muß es dem Altfprachfchäler nicht fchwer fallen, eine folche neuere Sprache, wie etwa die franzöfifche, fpäterhin. zu Iernen. Und koͤnnte man zur Noth die franzsfifche Sprache nicht gemeinfchaftlicy betreis ben? - In beifolgendem Plane ift das eritere aus leicht zu erachtendem Grunde vorgezogen worden.

Aus dem bisher. Gefagten will und kann ich feine ans dere Folgerung ziehen, ald daß die alten Spradyen von Solchen nicht weiter gelernt werben müffen, bie fidy nicht laͤnger, ale bis zu ihrem 16ten Lebensjahre mit denjelben befchäftigen wollen, da die Möglichkeit bei denen nicht am

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Tage liegt, daß fie und Sprach» und Charakterſchaͤtze der Alten: holen follten; daß: fie Über dem Streben nach einem von ihnen nicht zu erreichenden, nicht zu beabfichtigenden Ziele, nicht ihren wahren Zweck aus den Augen verlieren dürfen; da alddann die allgemein wiffenfchaftliche Bildung im en⸗ gern Sinne tüchtiger zugeftrebt werden fann, und die Mens fchenbildung darunter nicht leidet, Den befondern Nuten, den das Studium ber alten Sprachen als folcher gewährt, muß die höhere Bürgerfchule den oberften Elaffen der Gym⸗ naften, denen fie ald Progymnaſium vorarbeiten foll, muß das Gymnaſium großentheils der Univerſitaͤt, und felbit diefe dem miühevollen Privatſtudium des reifenden Mannes, und zwar wiederum großentheils überlaffen im Falle nämlich Diefer Nuben in feiner bedeutenden Größe erfolgen foll, Je⸗ der Philologe wird mir das Lebtere zugeben, wirb aber dann mir auch darin beipflichten mäffen, daß ein Studium der Alten bloß in den Knabenjahren, und zwar für emen befondern Zweck, der gar nicht erreicht werben fann, als durchaus unwuͤrdig abgerathen werden müffe. Sollte ich aber dennoch Gegner finden, fo bitte ich diefelben mit: Haren Gründen und nicht mit myftifchen Deflamationen für ihre Meinung gegen die meinige aufzutreten. Das Schwanfen in folchen Anfichten führt zw nichts, ald zum Verderben der Schulen.

I _ oo U Ueber die Trennung der Gefhledter in nie— deren und höheren Vulfsfhulen Pruͤfet Alles, und behaltet das Gute Seit einigen Sahren fängt man auch | in hieſigen Pros vinzen an, die Trennung ber Kinder. in ben niederen und

+) Im 2ten Maiheft des Hersmann 1829 mitgetheitt.

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baherer Bollsſvlen für heiſſam, ja für nethwendig u halten, ur den Zuſammenunterricht beider Geſchlechter als ein Weberbleibiel einer unpaͤdagogiſchen Zeit arzuſeher.

In der Vorausſetzung, daß das ſogenannte Neue doch nicht um deswillen gut fein muß, weil es Vielen nen, oder nur neu aufgewärmt iſt, fondern weil «8, ale etwas Beſſe⸗ red betrachtet, much mehr und wichtigere Gründe für ſich haben muß, als das Alte, unternehme ich es, eine Unter fuchung zu eröffnen, durch welche. vielleicht, bei +hätiger Theilnahme Anderer, das zeitherige Verfahren des Zuſam⸗ menunterrichtd entweder ald etwas Gutes durchaus gerechts fertigt wird, oder durch welche die Trennungsfeinde von der Unrichtigkeit ihrer Anficht und der Verderblichkeit ihres jeitherigen Thuns klar überzeugt werben.

Einem Manne, ber lange nach einer ‚gewiffen Anficht unterrichtet hat, kann es nicht gleichguͤltig ſein, ob feine ihn zeither Jeitende Anſicht xichtig und heilſam, oder unrichtig und perderblich iſt, oder im Allgemeinen auch nur dafuͤr gehalten wird.

. . Ich will nun mit aller Offenheit und Treue die Sache, ud nur die Sache ins Auge faflen, und mit dem Glauben au. bie. Maugelhaftigfeit meiner Forfchung und Erfahrung das Ergebniß derfelben dem denkenden und erfahrenen Manne vom Fach zur. näheren Begruͤndung oder Klaren Zurechtweifung vorlegen, um wenigftens eine nähere Unters fadyang jenes wichtigen Satzes zu veranlafien. Sollte das

Ergebniß dieſer Unterſuchung gegen meine jetzige Anſicht ausfallen, und mich von der Nichtigkeit meiner Gruͤnde und meines zeitherigens Thuns uͤberzeugen: ſo wuͤrde ich demje⸗ nigen dankbar freundlich die Hand druͤcken, der mich von einem der Menſchheit ſchaͤdlichen Irrthume befreit haͤtte. Dagegen aber wuͤnſche ich ‚mir auch Lofer, denen es um

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Eroͤrterung des Wahren und Guten zu thun WE, sub Geg⸗ wer, die hoch genug ſtehen, um Perſonlichkeiten unb abſicht⸗ Lich gefuchte Scheingrünbe für gemein zn haften.

Sch will nicht zu viel beweiſen , fondern gebe folgende Site zn: 1) Es iſt eine andere Natur in dem Manne, und eine andere in dem Weibe, und dieſe äußern fich ſchon in dem jungen Menſchen verſchieden.

D Es gibt gute Schulen, in welchen nur Knaben oder nur Mädchen, und gute Schulen, in welchen beide Gefchlechter zufammen unterrichtet werben ; das Jehrt dem unbefangenen Forfcher die tägliche Erfahrung.

3) It die Schhlerzahl einer Glaffe ober einer ganzen Schule fo groß, das der Lehrer derſelben eine Theilung ber Schüler wünfchen muß: fo kann dieſe Theilung eben fo aut mach ben Geſchlechtern, ald nach andern außerwefents licheren Ruͤckſichten gefchehen, wenn naͤmlich Teine weſent⸗ licheren darunter leiden.

4) Dort, we nicht mehr die allgemeine Menſchenbil⸗ Dung affein, fondern auch die Berufsbildung insbeſondere beabftchtigt wird, ift die Trennung der Gefchlechter eben fo nothwendig, als die der Unterrichtsmaſſe nach ven Haupt⸗ fächern für Juͤnglinge fehr verfchiedener Stände,

5) Die Maͤdchen beduͤrfen weder des Unterrichtes ig den fremden Sprachen, noch in der hoͤheren —— und ben augewandten wathematifchen Wiſſenſchaften, u koͤnnen in Diefer Zeit ſich mit Erlernung welcher * arbeiten ‚befaflen, ie

8) Die vorherrſchende In moralicũt eines Ortes Pr unter gewiſſon Umſtaͤnden Die acenaus ber Geſciech fer wuͤuſcherswerth machen.

Bevor ich nun zur Sache felbft übergehe, erlaube mir ber geneigte Lefer einige Vorbemerkungen, die zwar an fich rioch wenig ;beweifen, aber in die Sache einführen follen.

.. Sm Allgemeinen wird, in nicht burchweg unmoralifchen Städten, dem jungen Menfchen erft dann die Individuali⸗ firung feined Geſchlechts, wie die feines Standes, feines fünftigen Berufs, und endlich die feined Ichs nach. und nach Harer hervortreten want bie allgemeine Menfchenbil- dung vielfeitig hervorgerufen fein kann, etwa nad} dem volls endeten vierzehnten Lebensjahre des Zoͤglings. Wie das fprechenlernende Kind, Kants fchöner Bemerkung zufolge, erft zuletzt das Wörtlein Ich erfaffen lernt, fo tritt auch der Menfch auf dem Wege der näheren Selbfterfennung in einen immer engeren Kreis, von welchen der innerfte die eigene Individualität enthält, Wohl ihm, (beilaͤufig ges fagt,) wenn er nicht vergiffet, daß diefer engſte Kreis, mit denjenigen von taufend Andern,. ein und verfelben Fläche immer größerer Kreife angehört, von welchen der Außerfte die Menfchheit in fich faſſet; wohl ihm, menn er nun, nachdem er ſich felbft erfannt hat, nicht bloß fein Ich ſchaͤtzt und liebt, fondern auch feine Liebe und Achtung moͤglichſt weit umherfendet eingeben? der goldenen Lehre: Alle für Einen, Einer für Ale! So geht der denfende und lies bende Menfch bei feinem Wirken und Menfchenbeurtheilen auch ficherer den Weg einer geometrifchen Analyfis, als den einer Syntheſis: oder, er geht ficherer vom großen Ganzen aus auf fich felbft, um fo den Weg zum großen Ganzen für feine Wirkfamfeit zu finden, als daß er von fich felbft, einem nur zu oft unbefannten Etwas gleich den Gang in die Menfchheit hineinwagt. Nur dann it der Weg’ ans dem Mikrokosmus in den Makrokosmus ficherer ;- wenn jene innere Welt klar durchſchaut wird; aber diefes ift am Ende doch das Ziel alles Erfennend. Bon

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Natur tritt der Menſch nicht ſo ſchnell in die engeren Kreiſe uͤber, da in dem bereits von ihm betretenen viel Verſtaͤnd⸗ liches und darum Bildendes fuͤr ihn liegt, und vorzuͤglich hier das Beſondere des engern Kreiſes aus dem Allgemei⸗ nern der vorigen Kreiſe erkannt werden muß. Oder anders geſagt: der junge Menſch kann eher lernen, was menſch⸗ lich, ald was männlich oder weiblich ift und fein fol. Lernt nicht der Menfch nur dadurch fich rein beurtheilen, wenn fein Blick nach Außen Har und fharf it? Warım wollte man den jungen Menfchen denn ohne Roth in ben engern Kreis treiben, bevor er bad gefehen. hat, was Gus tes und Nübliches für ihn in dem weitern Kreife liegt? Ihn in dem weitern Kreife erhalten, heißt nicht, ihm den Blick in die engern verfchließen, und ihn nicht auf feinen fünftigen Stand und Beruf, wie auf fein Sch aufmerkfam machen, fondern ihn nur nicht aus feiner natürlichen Stel Iung verdrängen. Was ihm von bem Inhalte engerer Kreife fon deutlich wird, mag er gewahren, wenn es feiner Ju⸗ gend nicht ſchadet. Es wird ihm aber nicht fchaben, wenn er nur das fiehet, was ihm von verftändigen Menſchen vor Augen geführt wird, in fo fern foldyes bewerfftelligt werben fann. Hieraus folgere ich nur noch einfeitig, daß die Nas tur das Zufammenhalten der verfchiedenen Gefchlechter in Hinfiht auf den Geſchlechtskeim nicht erfchwert, ſondern vielmehr erleichtert, und folgere, daß die Beurtheiler dieſes Gegenftandes nicht bloß von fi ſelbſt, fondern vor« her von dem Allgemeinen, von der Außenwelt ‚von der, Erfahrung ausgehen müffen.

Wollte man die Nothwendigkeit ber Trennung beider Geſchlechter in Deutſchland vor etwa dem vollendeten vierzehnten Lebensjahre der Schuͤler aus der Verſchiedenheit beider Naturen derſelben herleiten: ſo wuͤrde man ſchon um. deswillen ein ſehr gewagtes Urtheil ausſprechen, daß man

alsvann allen Gegnern der Trennung bie Beachtung ber Berfihiebenheit : männlicher und weiblicher Raturen abfpres ‚sen wuͤrde, obſchon ſehr viele dieſer Männer mit großem Erfolge bemuͤht geweſen find, in beiden Geſchlechtern den edlen Menſchen herauszubilden. Wagniſſe ber Art, nad welchem man der ganzen Welt klar vorliegende Erfahrungen abſpricht, um aur eine gutgemeinte Anſicht zu behaupten, fallen freilich nur zu leicht bei Unterſuchungen vor, die ſich auf gewagte Hypotheſen gründen; aber ber ruhige Prüfer ſolcher Aufichten kann doch beit fo lange fid; bewährten Grundfägen von tauſend Menfchenbildnern nicht fe obenhin Den Stab brechen; Freilich find denkende und redliche Mäns er in vorliegender Sache anf die Andere Seite getreten; aber finden. nicht , ich möchte faft fägen, alle Anſichten ihre denkende redlichen Anhänger? gibt es unter Biefen nicht diele, die nicht ſelbſt untesfucht haben, weil man doch nicht alles felbft unterfitchen kann und mag, ſondern die ben nenen Anfichten, um Bertrauen auf den Geiſt Anderer, hul⸗ digen? Eine Sache muß für uns ſchon ein lebendiges Ins tereffe Haben, went wir bei unfren täglichen Geſchaͤften uns die Mühe geben wollen, Die trifftigen. wahren Gründe son den Scheingründen zu fichten, alled bis ind Kleinfte zu verfolgen, zu unterfuchen,, und dem wahren Werth ber, oft mit einem großen Aufwande von Gelehrſamkeit und Scharf finn aufgeftelkten und durchgeführten Hppothefe zu finden. Sch gebe nun zur Sache felbft über.

Der Iwed aller Erziehung, alles Unterrichts für beibe Gefchlechter, ift Humanität im weiteften Sinne, oder ebies Menſchthum. Sie ift der Strebepunft für das Kind, für den Juͤngling und bie Jungfran, für den Mann tind Das Weib, den fie iſt an fih ‚weder männlich noch weib⸗ fich.. Zu ihr. erhebt Religion, Wiſſenſchaft und Kunft ı€., furz alles, was gut. fie Keib und Seele, was ſchoͤn und

8 Übel it, gleichviel don wen es herfommt, vom Maune ober dem Weibe. Eine humane Mutter kann einen eben fo gr Gen Einfinß anf die Seelenrichtung des Knaben haben, «46 ein humianer Bater den wohlthaͤtigſten Einfluß auf. die Toch⸗ ter Außern kann. Humanität ift und bleibt Sumamität, wo und an went fie. fi finden mag;

Das Prodirkt Huntanität entwidekt ſich aus zwei Fettoren, von weichen ber eine in, und ber andere außer dem ſich bitdenden Menſchen liegt. Wir können annehmen, ohne iA unſre Schlaßreihe ein Falſum zu legen, daß dieſer aͤußere Faktor ein guͤnſtiger ſei; ſind aber gezwungen, uns den in⸗ neren Faktor, der in der Individualitaͤt des ſich bilbenden Menſchen, in der Natur eines Knaben oder eines Maͤdchens Tiegt, und als guͤnſtig oder unguͤnſtig zu denken. Die Gunſt des Faktors haͤngt aber nicht von dem Geſchlechte, ſondern von. der Art der Menfchennatur in dem Individunm ab; aan müßte font beweifen fönnen, daß eines der beiden Ge fchlechter sorzugsmeife zur Humanität gelangen könnte, weh ches vorurtheilöfrei zu erweifen wol unmöglich fein möchte, wenn man fich nicht mit Halbheiten begnügen will,

Die Natur nimmt, bei ihrer Einwirfung auf ven Merk fcheri, feine Ruͤckſicht auf das Gefchleht und Religion, Wiſſenſchaft und Kunft ahmen ihr hierin nad), - Diefe gehen alle allgemein anbietend hier zu Werte, und nur ber Faktor in dem Individuum nimmt an oder. ftößt zuruͤckk. Wenden wir dieſen Sag auf den Schulunterricht an, fo glauben: Die Trennungsfreunde eben in diefem Aunehmen und Zuruͤckſto⸗ Ben von Seiten einzelner Sefchlechter einen Grund für Ihre Anficht zu finden Wer muͤſſen bisfen Hauptgegengrund darum naͤher betrachten.

Jede Wiffenfchaft, jede Kunſt hat ihren eigenen Zweck, ihren eigenthuͤmlichen Charakter, ihren eigenen Geiſt, der nicht verzerrt werden Darf, Alles Veraͤndern an dem Eha⸗

rakteriffiichen berfelben nimmt ihr die Einheit, folglich auch die Wirkſamkeit auf den ſich bildenden Menfchen. Die Uns

serrichtömethode id”einem Gegenftande hängt ferner nicht von ber Individualität ded Lehrers, fondern von ber Wes fenheit des Gegenftandes ab. Die einzig richtige Methode muß für Teben Lehrer, für jede Lehrerin, wie für jeben Schuͤler und für jede Schülerin paſſen; denn fie muß beide Charaktere, ben ber Wiffenfchaft, und den des menfchlichen Geiſtes auf das. genauefte zufammenhalten, und ihre Regeln aus der Natur beider entnehmen. Dann iſt noch zu bes werfen, "wie bereit zugegeben worden ift, daß, da die Maͤd⸗ hen Doch Handarbeiten lernen müffen, fie in einigen Stuns ‚ben ded Tages an. foldhen Zweigen des Unterrichts nicht Theil nehmen, die ihnen entbehrlich find, ald: an fremden Sprachen, Geometrie und höherer Arithmetik.

Sch ftelle nun einen Lehrer auf, ber an beiden, an einer Knaben⸗ und an einer Maͤdchenſchule unterrichtet, und dabei.vorher an einer gemifchten Schule gearbeitet hat. Des Intereffed wegen übernimm Du, lieber Leſer, aufeinige Augenblicke diefe Rolle, und wo Deine Erfahrung nicht aus⸗ seichen follte, da wende Did, an denfende partheilofe Lehrer.

Solft Du nun in der erftern Schule männlich, kräftig, und in der andern weiblich, zart fein? ch denfe, wenn du nicht den Mantel nach dem Winde hängft, alle pädagos gifche Kniffe verachteft, deine Individualität heraus kehreſt, die, wie ſichs von felbft veriteht, humanifirt fein muß: fo bildeft du durch Die Einheit, Die in dir felbit liegt, am zeinften für beide Gefchlechter. Beiden thut die reine, ges rade, offene Sprache des Lehrers North, wie ihnen die Wahrheit Noth-thut. Du Fannft ald Mann von einem Guß nicht hier fo, und dort anders auftreten, ohne did) bafd hier bald dort zu verzerren. Gibts denn auch eine andere Natur für die Männer,. und eine andere für die

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Weiber? Strebe dahin, ein fo vollkommener Mann zu werben, als es dir nur immerhin möglich iſt, und dam gib dich in aller Liebe und Einfalt, fo wie du’ biſt, und enge bich nicht in fteife, pfiffige Schulmeifterformen. Dann aber wirft du finden, daß du für die Behandlung deiner Schüler kein zweites Prinzip haben kannſt, und fein zweites Vorbild in dir trägft, da das eine noch nicht ausreichen wirb.

Was die Strafe betrifft, welche der Lehrer uͤber ben Fehlenden verhängt, fo muß diefelbe human, d. h. aber darum nicht unmärnfich, unfräftig fen. Diefe richtet fich dann wiederum, wie die Humanität, nicht nach dem Ges fchlecht,, fondern nach dem Fehler, und mitunter nad) ber Sndividualität des Einzelnen. Es ift mir mit taufend an⸗ dern Eltern und Lehrern nie eingefälen eine beſondere Strafreihe für Gefchlechter feftzufegen; und wenn man ſich eine Reihe natürlicher humanen Strafen fir ben jungen Menfchen denft, die fich nach der Größe und Rohheit ber Fehler richten, fo fehe ich nicht ein, wie man fid in ber Kindesnatur noch eine zweite Natur als ficher leitendes Prinzip denfen kann. Wenn ich bei Mädchen nie den Stod nöthig hatte, fondern mit den weniger derben Mitteln aus⸗ reichte, fo lag das an ihnen, am natärlichen Gebrauch diefer Mittel, nicht an mir, der ich ohnehin mit dem Prin zip, das in Büfchen wächlt, nicht fehr befreundet bi. Dennoch ift ed wol gefchehen, daß flarre, troßige ungen, feldft in Gegenwart zarter Mädchen von meiner Hand ges zlichtigt worden find; und die Mädchen, die ich nicht zu zurüchweichenden Srrlichtern und empfindelnden Schäfertit nen, wol aber zu tüchtigen, finnigen, zarten Sungfrauen erziehen wollte, fahen mit Furcht die Kraft und den Ernft des Mannes, und lernten Refpect, den fie als Wei—⸗ ber haben muͤſſen, wenn fie fich wicht ſelbſt und den Din ungluͤcklich machen folen

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Finde, lieber Leſer, hierin nicht einen Beleg für meine Barjchheit und Nichtachtung der Weiblichkeit. Lies unfres, mir befonders hochtheuren, Arndts Pſychidion, und du wirft dich überzeugen, daß felbit diefer Kraft» und Kernmann auch fehr zart und finnig if. Du wirft mich dann nicht weiter verfennen, wenn ich dir fage, daß mid; fein Pfychis dion, wie feine Fragmente oft bis zu Thränen rühren und weinen ift eben meine Sache nicht. Mir der weichlis chen Erziehung wird nichts als Unheil ausgefäet, und Efel- haftes geärntet; aber freilich, muß die Kraft mit ber Zarts heit in der Humanität ſich paaren.

. Die Humanität ftellt ſich am fchönften und herrlichiten in einem natürlichen und Eräftigen Manne dar, dem auch die äußere Würde nicht fehlt. In ihm tritt aber bie Männlichkeit ganz hervor, die in dem Knaben noch fchlums mert. Sollte nun die Männlicjfeit ſchaͤdlich auf das Ge muͤth des zarten Mädchens wirken, fo müßte fie am ſchaͤd⸗ lichften in dem vollendeten Manne, der fie vollfommen re präfentirt, zu finden fein, unendlich mehr, als in dem ſchwa⸗ den Abbild des Knaben und wir kaͤmen dann zu der höchft ungereimten Behauptung, daß Mädchen nicht won Männern erzogen werben.bärften. Rohe, inhum an e Mäns ner dürfen freilich Das Mädchen nicht erziehen; aber folche fols Ien und. dürfen auch Feine Knaben leiten; denn Rohheit und Juhumanität erzeugen nur zu leicht Rohheit und Inhumas nität im menfchlichen Wefen, d. h. im Mädchen, wie im Knaben. Gehen wir nun zunädft zu den einzelnen Lehr⸗ gegenſtaͤnden uͤber. Waͤreſt du, lieber Leſer, der Lehrer in beiden angefuͤhr⸗ ten Schulen: wuͤrdeſt du in der einen anders im Leſen, Schreiben und Rechnen unterrichten koͤnnen, als in der an⸗ dern? Du antworteſt mir, wenn du der Wahrheit eines voraus geſchickten Satzes huldigeſt: „Die Regeln und Ge⸗

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feße diefer dreien Künfte darf ich zwar nicht nadı dem Winde drehen, denn diefe gehören nicht mir, fondern den Kuͤnſten an— ic kann aus ihnen nicht herausgehen, ohne dem Geifte und Charakter diefer Künfte zu nahe zu treten und ein Uns grändliches und BVerzerrtes zu geben; aber ich kann dad Vebungs- Material für die Gefchlechter wählen. Das Mäds chen leſe Gefchichten von Frauen, die fi in ber großen Welt, oder im Kindererziehen, im Haushalte oder in ans dern Verhältniffen ausgezeichnet haben, fehreibe Briefe von jungen Frauenzimmern an junge Frauenzimmer, Regeln und Denffprüde für Frauen, Mütter und Gattinnen, rechne Aufgaben, die für den Haushalt fi; eignen ıc.’” Sn ber That, deine Anſicht hat den Schein ber Zweckmaͤßigkeit. Aber fage mir, wen wilft du eher bilden, den Menfchen oder das Weib? Willſt du eher die reine Anfchauung der Berhältniffe oder die Praris aneignen? Oder meineft du, das erftere ergäbe fich zur Genuͤge aus dem Ießteren? Wird die Humanität fidy reiner herausftellen, wenn man dieſelbe nur in einem Gefchlechte, oder in beiden, ja in allem ans ſchaut? Der Charakter des Weibes und der des Mannes ift eben wegen feiner Befonderheit fchwerer aufzufaffen, als der des Menfchen. Für den allgemeinen MenfchensCharak ter liegen fchon alle Anklänge in dem Kinde; für den bes fondern nicht allemal; denn würde es nicht efelhaft ers fcheinen, wenn man dem 14jährigen Knaben und Mädchen viel von den befondern Eigenfchaften des männlichen und weiblichen Gemüthes vorfagen wollte? Kennt denn ein Kind die befondern Gefühle, die fich in der Bruſt eis ned Mannes oder eines Weibes regen? Diefe Gefühle ftehen mit ber Gefchlechtstiebe, mit dem Gefühle von Selbft- fiändigfeit, Kraft, oder Zartheit, mit Leidenfchaften ꝛc. in Verbindung, feten fo viele Erfahrung, fo viele erlittene

Einwirfungen, fo vieles Gelingen oder Mißlingen eigener e *

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Thaͤtigkeit ꝛc. voraus. Koͤnnte wirklich irgendein verſtaͤndiger Menſch wuͤnſchen, daß Gefuͤhle der Art in dem 13jaͤhrigen Kinde aufwachten? Alles dieſes Beſondere tritt in der allgemeinen Humanität weit mehr in den Hintergrund. Der junge Menfch Son Adel ſetzt fich nach den Gefeken des Guten, Schönen and Nüplichen fein Sdeal zufammen, und erft fpäter wird er gewahr, daß er einen Pfahl bier und dort im Fleifche hat.

Hält man es doc mit Recht für gut, der Standesbil⸗ Yung die allgemeine Menfchenbildung vorgehen zu laflen; wie follte man dem Unterfcheidungsmerfmal im Gemüthe der Kinder folche Gewalt anthun! Ober kann etwa die allge- ‚meine Menfchenbildung mit dem 12. Lebensjahre der Kinder im Allgemeinen fchon beendet fein? Der Erfahrung zufolge flempelt ſich das Kind erft nad, dem 14ten Lebensjahre zum werdenden Juͤngling oder zur Jungfrau. Bis dahin fchläft der Unterfchieböfeim, wenigftend der, der hier ftörend in den Zufammenunterricht eingreifen Tann, und wir follten ihn durch unfre übertriebene Vorficht und durch die Kunft des verfchtedenartigen Unterrichts nicht eher wecken. Wirft denn überhaupt das Gleichartige das Beſte? Bilde nicht gerade der Umgang mit Hohen und Niedern, mit Reichen und Armen, mit Alten und Sungen, Männern und Frauen, Edlen und Schurfen am meiften? Sch habe fchon zugegeben, daß in dem Mädchen eine andere Natur liegt, ald in bem Knaben. Wollte man dieſe nun wegen diefer Verfchiedenheit trennen, fo müßte es auch als zweckmaͤßig erfcheinen, wenn man die Knaben nnd Mädchen wieder unter einander nad) ihrer Temperamente-Berfchiebenheit ıc. trennen, und getrennt unterrichten wollte. In welch eine Ungereimtheit würde man dadurch verfallen! Sch für meine Perfon möchte mir dann die Zutheilung der phlegmatiſchen Claſſe hoͤchlich verbeten haben, und vollends eine Glaffe von Stumpffinnigen wuͤrde mich tödten an Leib und Seele!

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Die Anfichten über Menfchthum find allgemeiner ind Licht geftellt und erfannt, als die über Männlichkeit und Weiblichkeit, und um wie viel leichter Finnen wir bei Dem. letztern nicht verfchrauben und verörehen? Man fehe nur- weichliche Männer, die den Mann, und Fräftige, welche bie. bezaubernde Zartheit des Weibes, fo wie Weiber, welche, die natürliche Majeftät des Mannes affectiren wollen und man wird mit Demfelben Eifel fich von folchen Larven ab⸗ wenden, wie man plumpen und gefühllofen oder ausgetrock⸗ neten Gemüthern den Rüden wendet, weldye mit Kindern. zart freundlich (neu paͤdagogiſch) thun wollen. Sa, rechnen. wir bie äußere befondere Artigfeit ab, Die wir den Frauen erweifen behandeln wir dann nicht jeden Menfchen gleih®. Und, gäbe ed anderweitige befondere Regeln für den Um⸗ gang mit Frauen, ich koͤnnte diefelben nicht benußen ; deumn ich Fönnte nicht wegen allerlei Nebenrüdfichten aus meiner Individualitaͤt heraustreten, weil ich ein folches Automaten⸗ wefen, das nach der Zeit geftellt wird, für unmännlich, ja für inhuman halte, obfchon ich dem Umgange mit Frauen. viel zu verdanken habe, Ich erachte dafür, dag man fidy. gegen jeden Menfchen fo vollfommen gut betrage, wie man ift, und daß man dafür fletö der Vollkommenheit nachftrebe, um nicht veranlaßt zu werben, als unehrlicher, verftedter. Menſch aufzutreten, und aus dergleichen Gründen mehr.: Und fühlt fich das weibliche Gemäth etwa bei. dem Ums gange mit ſolchen Männern verlegt? Nach den Erfahruns. gen, bie ich an dem weiblichen Gemüthe gemacht habe, haft das wahre Weib die Zwitternatur an dem Manne, und verehrt die Einheit deſſelben, befonders auch in den Ras turverfchiedenheiten des Gefchlechts.

Sorgt auch etwa der Gärtner für den weiblichen Ka⸗ ftanienbaum anders, als für den männlichen? O, ver leis digen Menfchenkünftelei! Laffet nur den Gefchlechtöfeim in

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Ruhe, forget nur für einen guten Boden, in welchem er ger deihen Tann, für einen Boden der Humanität, und er wirb ohne eure tägliche und ftündliche Sorgfalt ſchon gedeihen, emporwachfen und Früchte tragen. Und, wie viel und wie lange fol denn ber Xehrer über Weiblichkeit fprechen? Kann das Mädchenhafte füch nicht hinlänglich genug dann entwis deln, wann das Mädchen an der Gränze des Sungfrauens alters fteht, den Keim erft gewahr werbend, nun mit Maͤd⸗ chen zuſammen unterrichtet wird, und der Mutter befonders. angehört, mit der fie Heimlichfeiten theilt? Man fpreche nicht von Frühreife; fie ift Unnatur, und muß eher gezüs gelt werben, ald daß man ihr Vorfchub leiften follte. Der Kern der Weiblichkeit tritt, wie mir e8 vorfommt, in dem Augenblick heller hervor, wann das Weib ſich zum erftenmale Mutter zu fein glaubt.

Ziegenbeins, in vieler Hinficht ganz wortreffliches, Leſe⸗ febuch für Töchterfchulen eignet fich ganz außerorbentlich für angehende Jungfrauen, aber darum wäre es doch auch ein ſehr gutes Lefebuch für Sünglinge. Das Bortreffliche biefes Buches liegt nicht in der Auswahl für das Gefchlecht, fondern in der Auswahl für den fich veredeinden Menfchen. Warum follte aber in diefem Buche nicht die Unbeftechlichfeit eines Phocion neben der Zartheit und ber Frömmigkeit unfrer innigft verehrten verflärten Königin ftehen können ? Sch fehe Feinen Unterfchied, und denfe hoch, fehr Hoch von dem humanen weiblichen Charakter!

Knaben und Mädchen follen Briefe fchreiben fernen. Sa wol; aber etwa männliche und weibliche Briefe? Sch daͤchte, Briefe, um die brieflichen Ausdrüde und Wendungen zu lernen, nicht aber folche, durch welche fie Männlichkeit oder Weiblichkeit lernen follen. Das find Tiefen, in bie fein gefundes Kind von 10 bis 13 Sahren hinabfteigen kann. Briefe koͤnnen dieſe Kinder ſchreiben und regt ſich der

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Keim, fo wird der Brief denfelben ſchon verrathen, und na⸗ tärlich und ohne Anftoß erfcheinen. Der Lehrer wird ihn erfennen Tönnen, aber der Knabe und das Mädchen werben faum eine Ahnung bavon haben. Und ahneten fie wirklich den Unterfchied; was follte e8? Sind Rod und Kleid, Dferb und Puppe ıc. nicht noch auffallender? Sieht man das nicht am wenigften, was man täglich fieht? nr

Mit dem Rechnen, meinft du, Tieber Lefer, brauchte man bei Mädchen nicht fo weit zu gehen, als bei Knaben? If denn das Denfen etwa für das Mädchen nicht nöthig, fo wie eine reine Einficht in die Verhältniffe der Zahl? unb wird denn der Knabe bis zum vollendeten 14. Lebensjahre ein fo gewaltiger Arithmetifus, daß er mehr davon träge, ald das Leben bes gewöhnlich Gebildeten bedarf? Zum Rechnenlernen gehört Zeit, und befürchte nur nicht, daß etwa tiefere Einficdyt in ein Paar Regeln die Weiblichkeit verjage. Wie follte es fonft um die fähigften Mädchen in der Mädchenfchule ftehen? Muͤßte man fonft nicht für diefe und vor einem guten Nechenunterricht in der Mädchenfchufe zittern? Das Rechnen an fich kann, wie dur fiehft, nicht weiblich ober männlich, fondern e8 muß rechenlich getrie ben werben.

Tillichs Xefebücher, Hebels biblifche Erzählungen, Kohl⸗ rauſch's biblifche Gefchichte, Krummachers Parabeln, Schils lers Gefchichte des 30jährigen Krieges und der Niederlande, Engels Philofoph für die Welt und feine Lobrede find Les febücher für Knaben und Mädchen, Sünglinge und Junge frauen, und laffen nichts zu wänfchen Abrig; und Heinrige Borfchriften, eine Auswahl von Rumpfs Briefen paflen für beide Gefchlechter. Sch habe, wie zugegeben, nichtd dagegen, daß fpäterhin bei dem Unterricht im Stil das Gefchlecht näher ind Auge gefaßt werde; biefes halte ich dann, wann der Keim fich regt, fogar für zwedimäßig, um dem natürlich ers

wachenden Gefühl eine Vorbereitung zu geben, und demſel⸗ ben nur durch eine nicht zu pofitive Einwirkung die Bahn fo ganz unvermerft zu zeichnen.

- Bei dem Unterrichte in der Religion, den Naturwilfens fchaften und in der Gefchichte nebft der Geographie, wird aber, nad) deiner Anficht, in beiden Schulen anders verfahs ren werben muͤſſen? Bei den Knaben wirft du Träftiger,. umftändlicher, tiefer ıc. bei den Mädchen zarter, finniger, kurzer oder oberflächlicher ıc. zu Werke gehen wollen?

Bedenke zunächit den Zwed der Religion. Sie will unfre ganze Natur adeln, will und befrdmmigen, will ung Ruhe der Seele geben, unfren freien Willen in Liebe, nur in Liebe leiten, will unfre Anfichten über das Heilige und Gute reinigen und befeftigen, indem fie alle Popanzerei als hoͤchſt unwuͤrdig verachtet. Wie willſt du nun in beiden Schulen diefes bezwecken? Daß du dort fo, und bier ans ders fprichit? Bilde dir Diefes nicht ein. Du fprichit als reblicher Mann in beiden, wie e8 bir ums Herz und um ben Berftand if. Du haft in beiden Schulen zartere und rohere, willigere und unwilligere, offnere und verfchloßnere, leichtfinnigere und finnigere, fühlendere und denfendere, und gefühllofere und nicht denfendere Naturen. Du willft aber Allen und in Allem ind Herz und in den Berftand dringen, und da fühlft du wol, fommft du noch nicht aus, wenn bu alles thuft, was in deinen Kräften fieht. Du wirft alle beine Borftellungen, Ermahnungen, Bitten, alle Mittel, bie in Deinem ganzen Herzen, Gemüthe und in allen beinen Kräften vorhanden find, anwenden, und nichts für eine andere Claſſe befonders Abrig behalten. Wie bläheft du Dich denn mit einen Ueberfluſſe, den du nicht haft? Geiſt⸗ und gemüthlofe Pedanten, welche die Sonnenroffe des Bildungs⸗ wagens mit dem kleinen Finger leicht zu regieren wähnen, horchen mit geneigtem Ohr auf die fchwerften Anforderuns

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gen zum Lenfen, fchrauben den leitenden Finger auf und nieder, wähnen haarfein zu Ienfen und zu fahren, und ſehen in der Hite der Arbeit ihren elenden Miethklepper für ein Sonnenroß, und ihren Karrentrumm für einen Himmeldwas gen an, der jedoch ziellos fertgefchleppt wird. Solche Leute haben beftändig Ueberfluß, nicht aber du, mein benfender, fühlender, vedlicher Leſer. Oper wollteft du doch mit Maͤd⸗ chen wenigitend weicher fprechen, um in Das zarte Herz dev felben tiefer einzubringen? Da verftehft ou dich fchlecht auf den gefunden weiblichen Charakter. Ein weicher Mann macht fein Gluͤck nicht bei gefunden weiblichen Charafteren; bie Zwitternatur ift folchen Weibern zuwider, und für angehende weibliche Ssrrlichter, Die ftetö weichen, wenn man fie erfaffen will, wollen wir, Gott fei bei uns! Doch wol feine Schule errichten, es müßte denn eine zur Warnung für junge Mäns ner fein. Das Weib ift für den Himmel erfohren, aber auch für die Erde: für den Dann und die Kinder, und für den Haushalt gefchaffen. Da reicht fie mit aller Empfindelei nicht aus; wenn dagegen ein gefunder Verftand, ein gefunder, Fräftiger Leib, ein warmes Herz, und ein fefter, frommer, reiner, Eindlicher Sinn fie alle Pflichten für Erbe und Himmel um fo eher erfüllen läßt. Ein tüchtiger Mann verlangt in feinem Eheweibe feine Sinnpflanze, und nur für tuͤchtige Männer, die wie die Sieger bei Leipzig und Schoͤnbund auftreten koͤnnen, müffen wir Sungfrauen erzies hen; denn Schwäclinge an Seel und Leib follten ſich we⸗ nigftend in unfrem fpartanifchen Staate nicht fortpflanzen. Gibt es auch etwa eine männliche und weibliche Religion, und wäre es vielleicht beffer, daß die Gefchlechter auch in der Kirche, wie dann auch noch zwedmäßiger allenthalben zu Haufe getrennt würden? Verzeihe mir, lieber Leſer, diefen ironifchen Ausfall: es trat mich fo nahe an, daß viele Männer das weibliche Gefchlecht zu Elfen machen wollen,

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weil fie felbft dem Driadengefchlechte anzugehoͤren ſcheinen. Sch aber möchte gern ung zu Rittern, und unfre Mädchen zu frommen aber tüchtigen Ritterjiungfrauen des Mittelal- ter machen, und in beiden nur das Untüchtige und Ins humane fortfchaffen.

Wenn du aber der Ruhe wegen bei deinem Lnterrichte in der Religion Knaben und Mädchen trennen wollteft: fo gäbeft du nur deine Schwäche zu erfennen, die, daß du nicht im Stande feieft, über alle zu herrſchen. Was dir ba wünfchenswerth erfcheint, "Tann aber nicht zur allgemeis nen Regel dienen. Daſſelbe Uebel wird dir erfolgen, went beine Knabenſchule wieder eben fo viele Glieder zählt, als vorher. Ein anderes wäre e8, wenn du deine Schüler nicht nach ihrer geiftigen Kraft fo forgfältig geſondert häts teft, als diefes gefchehen Fan. Die Nothwendigkeit diefer Sonderung ift allgemeines Gefeb, und kann ein folches fein. Umftände, die nur deine Perfon und beined Gleichen treffen, mußt du aber nicht mit dem Unterrichte in einem Begenftande felbft verwechfeln, und etwas dem Zufammen- halten der Gefchlechter zufchreiben, was nur deiner Schwä- che zugefchrieben werden Tann, die du aber an bir weg⸗ fhaffen mußt, wenn du es mit dir und deiner Pflicht red⸗ lich meinft.

Was die Tiefe deines Unterrichts angeht, fo gehft du wol fo tief in die Sache ein, als beine Schüler dir folgen koͤnnen, und, geftehe ed nur, oft tiefer als dur follteft. Das bei werben dir aber bie zum 14. Lebensjahre, die Mädchen fo leicht, und wer weiß, ob nicht leichter folgen, als die Knaben. Bis dahin wird aus dem Knaben Fein Philoſoph, wenn es mit rechten Dingen zugeht, d. h. wenn ber Lehrer ein wirklicher Pädagoge iſt; und dem Mäbchen wird es vor der Tiefe und Höhe ihres geiftigen Standpunktes nicht ſchwin⸗ dein. Glaubit du aber dennoch eine Verfchiedenheit in dem

Religions⸗Unterrichte bei beiden Gefchlechtern zu fühlen: fo ſuche den Grund dazu in deiner Sndivibualität, die aber der Wefenheit deiner Pflicht, ohne mangelhaft zu fein, nicht in den Weg treten darf. Gibft du deiner Individualität aber ftets nach; wo willft du dann für bein Modeln der Umftände und der Gegenftände ein Ziel finden? Ange nommen, du unterrichteteft wahrhaft gut bei den Mädchen, fo wirft du, nach Ueberwindung der erften Schwierigfeiten, auch die Knaben, und endlich beide zufammen gut untew richten koͤnnen. Daß dieſes Andern möglich ift, wirft du nicht leugnen wollen. Was aber Andern möglich ift, muß auch dir möglich fein, oder die Urfache der Unmoͤglichkeit ift in deiner Schwäche zu fuchen, und um deren Befchönts gung willen verlangft du doch nicht eine allgemeine Veräns derung der Form für alle Zeiten und Individualitaͤten. Was die Naturwiffenfchaften und die Geographie ins⸗ befondere betrifft, fo fehe ich nicht ein, wie du dieſe für Mädchen und Knaben anders behandeln, ober auch für diefe Sahre nur einen andern Curſus ſtecken mwollteft. Freie lich haben manche Bücher auf dem Titel ein ſolches Aus⸗ hängefchild ; aber mit der ‚Haltbarkeit der Prinzipien, nad welchen dieſe Bücher wirflich verfchieden für 10 12jähs rige Knaben und Mädchen gefchrieben find, möchte es bei gehdriger Unterfuchung fehr mißlich ausfehen. Es mag immerhin fein, daß Das Mädchen wegen Mangel an mas thematifcher Kenntniß den Unterricht in der Phyfif nie mit anhören kann; kann und muß man aber diefen Gegens ftand,, fo wie die meiften mathematifchen Säbe aus der Naturwiffenfchaften nicht auch bei den Knaben über das 14te Lebensjahr derfelben hinausfchieben, da dieſe bis bas hin noch nicht fo viele mathematifche Borfenntniffe haben werden? Muß denn das Mädchen gebilbeter Stände mit dem 14ten Lebensjahre die Schule verlafien? Man richte

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eine Claſſe fuͤr Maͤdchen dieſes Alters ein, treibe in dieſer auch vorzuͤglich Phyſik ohne mathematiſche Formeln, und erſpare den Eltern auf die zweckmaͤßigſte Art die große und dann unnoͤthige Ausgabe für auswärtige Penſionen. Soden die Mädchen aber dann doc, auswärts gefchickt werben, um die Fremde zu fehen, und den Haushalt zu lernen: fo wüßte ich feine beffere Gelegenheit, als die, Dies felben auf ein Jahr etwa zu einem braven Prediger auf dem Lande zu ſchicken, der dann nebenbei noch, Religion, Glaffiferlefen und Gefchichte mit ihnen treiben koͤnnte.

. Bei der Gefchichte hat man zeither den größten Anftoß genommen, Knaben und Mädchen zufammen zu unterrichten, ſeitdem ein denfender Mann ſich dahin gedußert hat, daß Die ewige Wiederholung von Schlachten und Morbbrenne- reien nicht für Mädchen fich eigene ꝛc. Du bift vielleicht auch der Meinung , lieber Lefer! Laß dichs nicht wundern, wenn ich es großentheild auch bin, und doch von meiner angeführten Anficht nicht abweiche Die Gefchichte fol, wo fie gelehrt wird, die Menfchheit mit ihren guten und böfen Eigenfchaften , in ihrem Culturgange darftellen. Der Menſch hat, abgefehen von der Religion, nichts Höheres fennen zu lernen, als fein Gefchlecht, damit er fich felbft fennen, und fi) und Andere lieben lerne. Um dieſes Bild aber genau aufzufaflen, muß er die Völker der verfchiebes nen Zonen und Welttheile nad) ihren eigenthämlichen Chas rakter, ihren Sitten, Anfichten und Lebensweiſen, muß er die Voͤlker aller Zeiten um fidy gelagert fehen, wie er in feiner eigenen Schule junge Menfchen von den verfchiedens ften Stufen geiftiger Erfenntniß um den Lehrer verfammelt fieht. Sol der Schüler mun ein Volk kennen lernen, und deſſen Kulturgang; fol er die Urfachen und Wirkungen der Begebenheiten, die Hand Gottes, (wo fie. nänlich dem wirflichen Gefchichtsforfcher als folche erfcheint) und vieles

andere fennen lernen, was ber Geſchichts⸗ Unterricht noch bezwedt: fo muß er jedes merfwürbige Wolf oder doch den Menfchen überhaupt durch alle wichtige Veränderungen bes gleiten; fo muß. er den Menfchen im Krieg und Frieben beobachten, muß die Männer und Umftände fennen lernen, Die Einfluß auf den Volks⸗ oder Menfchen- Charakter, auf Gluͤck und Unglüd ıc. haben; fo muß er Menfchen verfchies dener Zeiten, Zonen und Nebenländer mit einander vergleis chen. Auf diefe Art gelangt er zu der Idee des Rein⸗ ‚menfchlichen und des Ichs. Auf diefe Art ift ihm die Ges ſchichte eine Schule der Weisheit und Erfenntniß, in welcher er unzählige Muſter für jede menfchliche gute Eigenfchaft, mächtigen Antrieb für jede gute Handlung, und überzeugende Warnung vor jedem Abmweichen von der Bahn des Guten, Schönen und Nüslichen erblikct. Wollte man nun die Geſchichte der Schlachten weglaffen, um die zarten Ohren der Mädchen mit den herben Wörtern: „Schlacht und Tod, Kampf und Verzweiflung, Ungerechtigfeit und Härte zu verfchonen: fo würde es dem Darfteller ver Gefchichte unmoͤglich werden, die Menfchheit in ihrem Bilbungsgange zu charafterifiren, und bie Irrſale darzuftellen, durch welche die Menfchheit bis zu dieſem Punkte ſich burchwinden mußte; fo würde die Hand Gottes nicht erfannt werden, oder die Neflerionen über Gefchichte würden fich viels leicht fogar nur in eine weiche Moral auflöfen, und viel feicht die Data nur zu Belegen einfeitiger Anfichten Dies nen, wie folches, leider! nur zu oft von Scholaftifern aller Art gefchieht, die aus ihrer Kleinlichen An» und Ein fiht die. großen Weltbeurtheilungsformeln entlehnen! Eine Geſchichte, die aber nur von Schlachten, nur von Namen und Zahlen fpricht, nicht durch Anführung von Thaten erzählt und nachweifet, ift allerdings troden und unheimlich für jeden Menfchen, und darum auch für Maͤd⸗

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den. Man ſchreibe eine Geſchichte für den Menſchen von allgemeiner Bildung, wie fie demfelben zur Menfchen» und Selbſterkennung, zur Hebung, zur Humanität foͤrderlich ift, und die nicht hauptfächlich den Zweck des Wiffens, fondern den des Seins, des Lebens und Wirfend hat und man wird mir beiftimmen, daß dann von diefer Gefchichte, die ihren ganzen Zweck möglichit vollfommen in fich ausprägt, auch für die Mädchen nichts ausgelafien werben Darf. Sp lange man aber in den untern Geſchichtsklaſſen fich nur mit einer Nomenklatur befaßt, und diefe erft ſpaͤterhin mit Auseinanderfeßungen bereichern und umkleiden will, oder fo lange der Gefchichtsunterricht auf eine für den Menſchen von allgemeiner Bildung fo unverantwortliche Weife ertheilt wird, ftimme ich gegen diefe Unterrichtsart für Mädchen, weil ich auch gegen biefe für Knaben flimme. Der obige Eins wurf zerfällt demnach in fich felbft, fobald wir ein durchaus gutes Gefchichtsbuch für höhere Volksfchulen haben, welches alle Zwede der Gefchichte, mit befonderer Rüdficht auf all gemeine Bildung und auf das Alter ver Schüler, in ihrer Darftellung zu erreichen trachtet. Freilich wird das Gym⸗ naſium ſich mit einer Gefchichte für Volksſchulen von etwa 8 bis 12 Bändchen nicht begnügen; aber ich glaube Doch, daß durch eine Vorarbeit der Art ein befjerer Grund gelegt wird, als durch das Einüben einer zahlenreichern Weltge⸗ fchichte von etwa 2 Bändchen. Es muß allerdings eine Menge feiter Haltpunfte, ein Typus Cwie ich ſolches in der Darlegung meiner Anfichten Yber den Geographie Unterricht bewiefen habe,) gegeben werden; aber man kann hierin auch zu viel thun, und thut zu viel, wenn viele Schüler, wie Har am Tage liegt, nur Diefen Typus mit ind Leben nehmen. Diefe haben dann zwar dad Fachwerk im Kopfe, aber diefe einzelnen Kächer find leer, wie eine wohl aufgeftellte Bibliothek von Holz.

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Eine Trennung der Geſchlechter mußte man beſonders in denjenigen Gegenden ganz natuͤrlich und wuͤnſchenswerth finden, wo man vor dem 14. Lebensjahre der Schüler woͤ⸗ chentlich mehr ald 5 bis 8 Stunden auf Erlernung einer fremden Sprache verwandte, und insbefondere dort, wo man die Elemente folcher Gegenftände, die erft in oberen Slaffen ordentlich gelehrt werben koͤnnen, in die niederen Elafien brachte. Der erftere Umftand ift Leicht zu heben: man braucht nur im fchlimmften Kalle den Knaben mwöchent- lich einige Unterrichtsftunden mehr ald die gewöhnliche Zahl 30 zuzutheilen; der andere Umftand verdient nähere Beach⸗ tung.

Es liegt freilich etwas DVortreffliches in der dee, daß in den vorhergehenden Glaffen die Elemente zu den folgens den verarbeitet werben müffen, und die Weſenheit diefer Idee darf wirklich in feinem Schulplane fehlen; aber man bedenfe, daß man nur in folchen Gymnafien, die ausſchließ⸗ lich für den Gelehrten forgen, ganz eine folche Einrichtung treffen dürfe, und daß an gemifchten Schulen fehr viele Schüler dann zu vielen Dingen ein Fundament legen, das fpäterhin zu feinem ordentlichen Gebäude dienen wird. Hätte man denn diefe Zeit für folche Schüler wirklich nicht weifer benugen koͤnnen? Freilich kann man bie Unter richtömafle eines Gegenftandes nach Maaßgabe ihrer wady fenden Schwierigfeiten in viele Claſſen vertheilen, und fo ein allmähliged Steigen des Schülers in demfelben veran⸗ laſſen; aber, was bier genau zu bemerfen ift, „man kann auch ganze Gegenftände. ald die Elemente zu andern Gegens fländen betrachten, und eine fichere Reihenfolge zu einem großen Ganzen feftitellen. Kür die Mathematik wäre eine ſolche: Kopfrechnen, Zifferrechnen, Buchſtabenrechnen, Geos metrie, Trigoniometrie und Mechanik; für die Naturwiffens fchaften: Naturbefchreibung, mathematifche, phufifche Geo⸗

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graphie, Phyſik und Chemie; für den Unterricht in. der (Sits tenlehre und) Religion: Gefchichtchen, Gedichte, Fabeln, biblifche Gefchichte, geiftliche Lieder und Pfalmen, Parabeln, Worrterklaͤrungen, fyftematifche Religionslehre, Bibellefen ꝛc. Mer wollte bier und bei ähnlichen Zufammenftellungen in dent Vorhergehenden nicht ein fehr vortreffliches Element zu dem Nachfolgenden finden, das ſchon wegen feiner Einheit, Ganzheit und inneren Schönheit noch zweckmaͤßiger und ans ziehender fein muß, als wenn die Theile der einzelnen Wif- fenfchaft zu weit aus einander gezogen find! Wie oft Flas gen nicht Lehrer über Mangel an Stunden, und geftehen, daß fie mit den vorhandenen wenig ausrichten koͤnnen ‚und wie wenig denft man an Abfchaffung dieſes Zerfpleis Gens? Man fchafft lieber Die Außeren Hinderniffe fort, als "dag man an die inneren denfen follte. Da man bei diefem Zerfpleißen für den Fünftigen Gelehrten gerade nicht fchlecht forgt, fo gibt man die anderen Schüler, welche fich dem ‚gelehrten Fache nicht widmen wollen, in den Kauf, und ver- langt von ihnen Theilnahme an einem Eyclus, den fie der Größe wegen nicht durchgehen Finnen. Da nun dadurch Die Unterrichtögegenftände bis etwa zum 14ten Lebensjahre Der Schüler mit Ausnahme der oben erwähnten8 Stunden, in wels ‚hen die Mädchen Handarbeiten, die Knaben aber eine frembe Sprache und fpäterhin Buchitabenrechnen lernen: fo koͤnnen die Mädchen an allen Übrigen Gegenftänden Theil nehmen. Sch denke, Lieber Lefer, du wirft mir eine größere Weits laͤuftigkeit über die Unterrichtögegenftänbe für jest erlaflen, and mit mir dahin übereinftimmen, Daß der Unterricht an ſich nicht weiblich und nicht männlich fein kann, fondern vielmehr dem Charakter des menfdylichen Geiftes, der Kuls turſtufe des Schülers und dem der Wiffenfchaft angemeflen fein muͤſſe. Ich habe jetzt nur noch einige Einwuͤrfe zu bes antworten, in wie fern folche mir erinnerlich find.

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11) Man fagt, die Moralität der Schüler leide durch dieſen Zufammenunterricht. |

Haft du, lieber Lefer, oder, verehrte Leſerin, das große Gluͤck gehabt, von einem würdigen Lehrer unterrichtet und erzogen worben zu fein? Nur bei Bejahung von deiner ©eite Tann ih mid an dein Herz und beinen Berftand wenden; denn unwuͤrdige Lehrer follen nicht. lehren und ers ziehen, weil-fie immerhin Schlechtes zulaffen oder thun, fie mögen nur Knaben oder nur Mädchen oder beide Geſchlech⸗ ter zuſammen unterrichten. Nun denn; hatten Knaben und Mädchen in der Schule, die du befucht haft, ihre abgefonders ten Site ? Wußte der Lehrer unter den verfchiedenen Geſchlech⸗ tern eine gewifle, jedoch nicht unangenehme Spannung zu uns terhalten? Waret ihr bei euren Spielen unvermerft von eins ander getrennt worden? Alle diefe Fragen mußt du mit „Ja“ beantworten koͤnnen, wenn du hier urtheilen darfſt; denn je dem verftändigen Lehrer ift die Loͤſung folcher Aufgaben, in nicht ganz verdorbenen Städten, leicht, fehr Leicht. - So fage denn, ob diefes Zufammenleben mit dem andern Gefchlecht dir verderblich geweſen ift? Es ift mit dir vielleicht in dieſem Zufanmenleben einmal etwas Unfittliches oder Ungefittetes vorgefallen, dad du an deinen Kindern gern vermieden hätteft. Iſt denn nicht auch anderwärts mit bir ein Aehnliches vorges fallen, mit foldyen des andern Geſchlechts, die dir täglich nicht fo nahe waren? und fuchteft du diefe nicht. fo dargebotene Gelegenheit nicht mehr auf, als die tägliche? Sage nun, mo wollteſt du eine Schule finden, in welcher nicht folche junge Menſchen wären, die irgend einmal einen Gedanfen auf ein Sndividuum eines andern Geſchlechts hätten? Und, wenn bu ben Menfchen kenneſt, was mir-fehr Tieb wäre, jo fage doch ob du denn dieſes allemal fuͤr verderblich und zugleich fuͤr abwendbar haͤltſt? Du biſt vielleicht, lieber Leſer, auch auf einem Gymnaſio geweſen, auf welchem nur Knaben

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unterrichtet wurden; ſage, ging es denn dort um deswillen moraliſcher her? Hat denn das Zuſammenleben mit dem andern Gefchlecht, und zwar unter den Augen bes Lehrers, an fich etwas Unreines? Kann die Gemeinfchaft auf dem Wege nach Haufe nicht leicht vermieden werden? Und follte denn wirklich der Gedanken an das andere Geſchlecht unter den Augen eines würdigen Lehrers nicht um fo eher veiner, um fo geheiligter werben? Erhaͤlt nicht oft ein Dem Kinde vorfommendes Wort in dem Munde des Lehrers eine einere, geheiligtere Bedeutung? Wer aber hier allenthalben, wenn gleich nur aus Abertriebener Sorgfalt, durch eine uns seine Brille fieht, der wolle diefe Doch nicht Jedem auffeßen. Fehlt es aber wirklicdy in einer gemifchten Schule an Mo; ealität, fo Laflet und die Mittel anwenden, biefelbe zu ers ſchaffen, zu heben; und dieſes erreicht man nicht durch MWegräumung eines Aeußern, ſondern durch eine Seelen Eur, durch ein Gewinnen fiir alles Gute, Anftändige, Schöne und Edle. Wie willſt du denn der Berführung in den bereits getrennten Schulen entgegentreten ? Willſt du etwa mit. einer Trennung noch fortfahren? Kann man hier, wie uͤberhaupt, den einzelnen Berführer zum Unfittlichen oder Unanftänbigen nicht bis zu feiner Beflerung von allen Andern trennen?

2. Man fagt ferner, die Mädchen würden durch ben Zufammenanterricht mit Knaben roh und Enabenhaft.

Da kann ich mit vielen taufend Tehrern fagen: „Komm und ſieh.“ Ein Mädchen, das ſich zu den Mädchen hält und halten muß, nicht Knabenſpiele treibt und treiben darf, Lad einem würdigen Lehrer und verftändige Eltern bat, ur nuter den Augen bes Lehrers mit Knaben in einem Lehrzimmer fit, kann darım.: nicht roh und Inabenhaft werden; aber ed bleibt darum doch deſto ficherer vor aller Enipfinbelei verwahrt. Das Gute und Schöne, das in edler Einfalt in der Schule vorkommen muß, kann das Herz

des jungen Menfchen zarter und feiner machen; aber ber junge Menſch muß aud) nicht beftändig in diefer Zartheit bleiben, fonft artet diefelbe in Empftndelei aus. Empfindes lei ift der Natur des Knaben, Nohheit der des Mädchens zuwider; darum findet eine gemifchte Schule fo leicht dem Mittelweg, und mit ihr felbft auch der Lehrer, ein Um⸗ ſtand, der alle Beachtung verdient. Derjenige, welcher ben nicht fchlechten Ton einer gemifchten Schule beobachtet hat, wird bemerft haben, daß gerade dort geheim getriebene Un⸗ anftändigfeiten oder Unfittlichleiten eher an Tageslicht kom⸗ men, als in einer getrennten Schule, und daß in jener im Allgemeinen mehr Anftand herrfcht, ald in biefer, wenigs ftend als in Knabenfchulen. Muß der Lehrer in den ger mifchten Schulen nicht um fo forgfältiger auf die geringite Verlegung der Sitten halten, und ift diefes nicht nothwens dig, wenn der gute Geift nicht unvermerft ſich dem Unrei⸗ nern nähern fol? Ein wuͤrdiger Lehrer wird mehr von feinen Schülern. geleitet, als man dieſes, oberflächlich ans gefehen, denken follte. Er will von dem zarten, finnigen Mädchen und von den Fräftigen, freien Knaben geachtet und geliebt fein, weil er nur dadurch fehr wirkſam wers den kann; und darum muß er weder bie eine, noch die ans dere Natur durch fein Betragen kraͤnken. Der Knabe bes wundert an ihm befonders feinen Berftand, feine Kraft, feine gründlichen Kenntniffe; das Mädchen liebt fein vortreffs liches Herz, feine Zartheit, feine ftille Weisheit. Beiden fann er nur in der Humanität genügen, und eg bleibt ihm alfo vernünftigerweife nur biefe zu erfireben äbrig. Ein Umftand aber, ber in jedem Angenblide fo mädhtig und fowohlthätig auf das Triebrad Des Ganzen einwirft, muß nicht ohne alle Noth fo freiwillig und ſorglos der Bernihtung hingegeben werben. f *

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Du zeigft mir, Tieber Lefer, noch zwei gemifchte Schus Ien braver Lehrer, in welcher erftern Die Mädchen zu berb, und in welcher leßtern die Knaben zu weich werben. Sage mir, find denn nicht etwa in jener auch die Knaben zu berbe, und in diefer die Mädchen zu weih? Wie willft du dem Uebel abhelfen? Rathe. Willſt du etwa nur für Eins der Gefchlechter einen beffern Lehrer wählen? Und wird biefer die andern Vorzüge des vorigen Lehrers alle in ſich vereinigen? Schafft du nicht etwa ein größeres Uns heil, wenn du dem einen Fehler ausweichen willſt? Uebri⸗ gend mag ed wol möglich fein, hier in einem Falle richtig zu handeln; aber kann das im Allgemeinen etwas für die allgemeine Trennung entfcheiden? Was wegen einer Pers fon zu wgend einer Zeit wünfchenswerth fein mag, ift es darum noch nicht für jede Perfon und für alle Zeiten. Sorget für humane Lehrer und für humane Schuleinrichs tungen, und biefe werben gut und müslich fein, fo Tange der Menfch dahin fireben wird, ein Menfch zu fein.

Ich komme nun zur Nutzanwendung des Gefagten, und frage: Iſt es rathfam, die Kräfte ber Lehrer zu zerfpleis Ben, und felbft dort beide Gefchlechter zur trennen, wo we⸗ der die Zahl der Schüler, noch bie Unfi ttlichfeit des Ortes dazu Veranlaffung geben?

Im Allgemeinen bleibt es wänfchenswerth die Zahl ber Glaffen fo lange zu vermehren, bis jeder Schäler von mits telmäßigen Anlagen den Kurfus jeder Claſſe in einem Sabre abſolviren kann; denn der Lehrer hat dann nicht nöthig Abtheilungen zu machen, und ber zuruͤckbleibende Schuͤler einer Claſſe bäßt dann nur den Verluſt Eines Jahres ein, wogegen bei mehrjährigen Kurfen einer Claſſe mehrere Jahre eingebüßt werben mäffen, wenn der Kehrer Feine Abtheiluns gen macht, die dem rafchen Fortfchreiten noch mehr fchaben. Ich denfe mir eine gemifchte höhere Schule von A Claſſen.

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Zrennt man nun die Schüler nach den Gefchlechtern, fo entfiehen ohne Zuſatz von Lehrern nur zwei Claſſen, mithin werden die Lehrfräfte gefpleißt, und die Schuleinrichtung wird armfeliger. Sekt man aber vier neue Lehrer an, fo richten diefe acht Lehrer, wenn jene Claffen nicht überfüllt waren, nicht mehr aus, ald vorher jene vier Lehrer ausge richtet haben, und die Schuleinrichtung hat nichts gewon⸗ nen. Hat man aber die nöthigen Fonds dazu: fo trenne man die obere Claſſe, hänge die 3 neuen Glaflen den 4 alten an, und vertheile fammtliche Schüler in 7 fich aufs fiufende Claſſen. Dadurch ift der Meberfüllung in manchen Claſſen abgeholfen, und die Schuleinrichtung hat gewonnen. Reicht der Fond nicht hin, fo richte man nur 5 oder 6 fich aufftufende Claſſen ein, und auch dadurch hat die Schuleinrichtung fchon ein Bedeutended gewonnen. An vielen Orten mangelt aber diefer Fond, und man fucht Das Lehrerperfonal dadurch zu verboppeln, daß man Ges minariften diefe Stelle gibt, die dann das Färglichfte Ein Eommen haben. Eine folche Einrichtung hier und. dort mag im Allgemeinen nicht ſchaͤdlich fein. Erftehen aber diefe Ans ftalten in Menge, fo entftehen dadurch nothwendig eine große Menge fehr fchlecht fundirter Schulftellen, deren Inhaber nur gar zu häufig Zeitlebend Bettler bleiben müflen. Man hat erft feit Kurzem die Schulftelen beffer zu fundiren ger ſucht; der Grundfaß einer Trennung macht aber jede Hoffe nung auf Gehaltsverbefferung und zwar auf eine, wie mir deucht, unverantwortliche Art zu Nichte. Befler wäre es demnach , jenes Ruinirungsprinzip wo mögkichzaufzugeben;, oder hierin nur der Noth zu folgen; dagegen follte man bie neu hinzufommenbden Stellen ganz gehörig fundiren. Erkennt ein Ort diefe Noth , fo mag der Bürgerfinn in Anſpruch genommen werben. Der Staat aber hat, deucht mir, Das für zu forgen, baß fein Stand durch unnoͤthige Einrichtung

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in den Bettlerorden gerathe, und hat darum dem Trennungs⸗ weſen, wenn es ein Unweſen iſt, Einhalt zu thun, und eine zweckmaͤßigere Einrichtung zu veranſtalten. Waͤre es aber wirklich ein Unweſen, ſo werden verſtaͤndige Maͤnner Herz und Hand bieten, eine beſſere Schuleinrichtung zu treffen, und ſich um das Wohlſein kuͤnftiger Generationen verdient zu machen. Es iſt demnach wol der Muͤhe werth, obigen Satz und meine Gruͤnde, ſo wie die Gruͤnde der Gegner zu unterſuchen, und ich bitte darum die Freunde und Feinde meiner Anſicht, die Sache naͤher ins Auge zu faſſen, und mit mir dahin zu ſtreben, daß wir zu einem reinen Ergebniß der Unterſuchung gelangen.

Der Kampf um Feſtſtellung einer der Menſch⸗ heit wihtigen Anficht, und zwar dieſes ohne alle gemeine Nebenrädfichten, ift ein edler Kampf und der in diefem Dienfte erfodte ne Sieg, ein der Menſchheit errungener fh ner Sieg, an weldem Sieger und Befiegte gleichen fegensreihen Antheil haben!

Ueber den Unterriht in der Mutter: ſprache.

Wenn Herder in ſeinen Humanitaͤtsbriefen irgendwo ſagt: „Die Sprache iſt der Verkuͤndiger des imw neren Werthes und Unwerthes des Menſchen“: ſo verſteht dieſer tiefe Forſcher unter Sprache etwas ganz anderes, als was in ſehr vielen niederen und hoͤheren Volksſchulen durch den Unterricht in der Mutterſprache be⸗ zweckt wird. |

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Ich will es darum verfuchen, auf einen befferen Un⸗ terricht in dieſem Gegenftande aufmerkffam zu machen, und zu dem Ende Anfichten aufftellen, die ſich mir in Hinſicht anf den wahren Werth der Sprache in vieljähriger Erfah⸗ rung als bewährt gezeigt haben.

VBortrefflihleit und Zweck der Sprade.

Dee Menfch befitt die Fähigkeit, feine Borftellungen, Begriffe und Empfindungen Andern hörbar mitzutheilen: er ift einer -Wortfprache fähig. Se fchärfer er die einzelnen Theile und. ihre Verbindung auffaßt, deito wirkfamer if - das gehörte oder gelefene Wort auf ihn ſelbſt, deito ber ftiimmter , einfacher und ſchoͤner, unb darum deſto wirkſa⸗ mer kann er die eigenen Borftellungen, Begriffe und Ener pfindungen Andern mittheilen. Zwifchen dem Worte einer feits, und der Borftellung, dem Begriffe und der Empfin⸗ dung anderſeits befteht eine gewiffe Bergefellfhaftung (Aſſo⸗ ciation); jenes erinnert an dieſe, ruft diefe in. die Seele zurüd, und feßt den innern Menfchen in Bewegung. Diefes ift befonders bei einer hinreißenden Rede fichtbar. Wie ber Sturm taufend verfchiedenartige Wogen erzeugt, alſo ers wect die verftändige, gewaltige Rede jene Einzelheiten des inneren würdiger Hörer; wie Die Wogen in ihrer. Geſammt⸗ heit ein und derfelben Weltgegend zuzueilen fcheinen., alſo führet. die Rede, in welcher Einheit und Stätigfeit herrſcht, ‚den vielfach erregten Geift ber Hörer einem Punkte entges gen; wie jede einzelne Woge das Recht zur Ausdehnung und Richtung in hartem Kampfe mit andern fiegreich oder

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ſſeglos, gültig zu machen. ſtrebt, und Sturm und Meer in dieſem Kampfe um fo thatkräftiger erfcheinen, alſo kaͤmpfen in dem Inneren bes bewegten Hörerd Vorftellungen, Bes griffe und Empfindungen untereinander, fo daß bei begeiſtern⸗ der Nede das Herz des Hörerd immer ‚lauter pocht, bag Auge immer lebhafter ftrahlet, die erregte Kraft den Bufen oder auch den Arm ſchwellet, und der Menſch im Gewuͤhl diefer Empfindungen nur die Richtung behalten mag, in welcher ihn ein Meer von Gefühlen mit aller Macht einem Ziele entgegen treibt!

So trug ein Perifled den Donner und den Bli auf feiner Zunge, fo thronte ihm die Göttin der Beredtſamkeit anf feinen Lippen, daß er lieben Ichrte, was man haßte, und haffen Ichrte, was man liebte! So entflammte ein Miltindes den Muth des verzagten Griechenheeres, daß dieſes mit Entichloffenheit und Mannkraft dem Tode fidy fiegreich entgegen warf! fo facht ein Homer die Thatkraft, ein Schiller den Menfchenadel, ein Kloppſtock die Andacht, ein Kant die Ehrfurcht vor dem Weltenfchöpfer. und Die Ehrerbietung vor dem Menfchengeift an! fo lehrt ein Geß⸗ ner lieben, ein Gellert fromm wandeln, ein Herder in Ehr⸗ fürdyt forfchen, ein Sohannes von Müller, ein Luden, ein Heeren refleftiren, das Gewuͤhl der Weltbegebenheiten Ies bendig empfinden ! ein Arndt das Vaterland mit hoch bes geifterter Liebe und treuen Armen umfaffen! fo Ichren hun⸗ dert große Geifter der Alten und Neuen durch die Kraft "und Feinheit ihrer Sprache und ben Reichthum ihrer Dars ftellung denfen, fühlen und wollen! O, dreimal Heil dem Menfhen, der Diefen großen Lehrern nicht unwuͤrdig zu Füßen fiten fann, um aus ihrem Munde Die Lehren ber Meisheit, die Hoheit und Erhabenheit des unendlichen Geis fies, die Göttlichkeit der Religion, die Würde der Wiffens fchaft und Kunſt zu vernehmen, dann das Erhebende mit

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feinem Weſen zu verſchmelzen, und dadurch das goͤttliche Ebenbild in ſich zu erneuern, zur Humanitaͤt zu gelangen!

Auf dieſe Art iſt die Sprache das Mittel, den Men⸗ ſchen zur Humanitaͤt zu erheben, und dieſer wichtigſte aller menſchlichen Zwecke iſt ihr erhabener Zweck!

Die Erhabenheit des Zweckes zeugt hier von der Vor⸗ trefflichkeit des Mittels, da Mittel und Zweck fo innig verwandt ſind. Je gebildeter naͤmlich ein Volk, deſto ge⸗ bildeter iſt ſeine Sprache; je reiner, je edler, je beſtimm⸗ ter, kraͤftiger und zarter die Sprache, deſto reiner, edler beſtimmter, kraͤftiger und zarter das Volk, das dieſer Spra⸗ che ſich erfreut. So innig ſind Mittel und Zweck hier ver⸗ wandt, daß beide als eines erſcheinen. Daher iſt humaniora oder Sprachenlernen nur ein und daſſelbe. Greift aber Erlernung der Sprache ſo tief in die Saiten der Humani⸗ taͤt: fo wird dieſe himmliſche Lyra an allen Enden der Erde ſtets wuͤrdig ertoͤnen, wo jeder Lehrer des Volks ſich ernſt⸗ lich bemuͤht, ein wahrer Amphion im ſchonen Hellaslande der Jugend zu werden.

Allgemeine Feſtſtellung der Methode Des Unterrihtes in der Mutterfprade.

Die Sprahefelbfi muß gelernt werden, und nicht bloß ihre Korm.

Sehe ich den Spradunterricht in fo vielen niederen und höheren Volksſchulen an, fo verdient berfelbe nur ben Namen Sprachform » Unterricht; denn nicht die Sprade in ihrem Umfange, fondern nur ein Theil derfelben, die Gran matif wird gelehrt, und felbft das in nicht wenigen foges

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nannt guten Schulen auf eine todte Art- Was ſoll aber die Korm, wenn man die Sache nicht verfteht? Freilich hofft man auf Bildung von Seiten ded Lebens, und. will ‚nur den Schuͤler vor ben Fehlern im Gebrauch der Prä- pofitionen und Verben ıc, fichern, damit er nicht gar zu Teicht in der Zukunft die Mangelhaftigfeit des Unterrichtes feiner Schule verrathe; die eigentliche Sprachbildung aber bat in der Schule gute Ruhe. Dieſes geht einftweilen fchon aus der Steifheit der gefoberten Heinen Auffäte 12 bis 14fähriger Schüler hervor. Wenn einzelne Schhler darin . eine Ausnahme machen: fo fchreibe man das nicht mit Selbitzufriedenheit der Schule, fondern den befondern Ans lagen oder dem. Streben des Schülers zu, die Sprache felbft, in und außer der Schule zu erlernen.

Sol der Menſch jenen aufgeltellten Zwed die Humas nität feft zu begründen, erreichen: fo muß die Sprache ſelbſt, in ihm fo weit ſich erheben.

Die Sprache an fich ift ber Inbegriff von Bezeichnungss mitteln für die Vorftellungen, Begriffe und Empfindungen des Menfchen. Sol nun die Sprache in ihren einzelnen Woͤrtern, Säben und ganzen Gedanfenreihen das Innere des Menfchen zweckmaͤßig in Bewegung feßen: fo muß je des Wort ıc. die Borftellung, den Begriff, die Empfindung felbft in dem Menfchen aufweden und leiten. Se reiner, und klarer, und. abgegränzter das in des Hoͤrers Seele Erwecte dem Worte ꝛc. fich anfchließt und folgt, deſto fiherer geht Die Bewegung feined Inneren durch Die Kraft und Schönheit der Rede dem Ziele entgegen. Den unge bildeten Menſchen, dem oft die nöthigften Borftellungen und Begriffe mangeln, und in welchem. fo viele einzelne Begriffe and Empfindungen, ftatt abgefondert, wie in. einem: Chaos fi) verfchwimmen, dieſen kann die begeifterndfte weife Rede sicht ergreifen, nicht Ienfen und erheben. Die Sprachbils

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dung verlangt demnach für den Bauern, wie fär den Ge Ichrten eine, jeboch nach der Bildungsftufe beftimmte Maffe von Borftellungen Begriffen und Empfindungen, die Durch Das äußere Wort leicht, fchnell und beſtimmt hervorgerus fen werden können. Man kann in Hinfiht auf niebere und höhere Bildung ein beftimmtes Maaß von Bildensmas terial feftfeßen, und darum läßt fich anch für jede einzelne Stufe der beabfichtigten Bildung die Mafle diefer Vorftels Inngen, Begriffe und Empfindungen angeben. Auf dieſe Art erhielte man eine Reihenfolge von Wörtern und Res densarten, deren Bedeutung man in dem Inneren des juns gen Menfchen aufregen, und mit diefen verknüpfen müßte, So wie alfo die Bildungsftufe höher ift, nimmt auch die Anzahl der Wörter in dem zu Bildenden zu, woraus dem⸗ nach hervor geht, daß das Reich der Woͤrter nicht etwa fon auf der untern Stufe der Bildung durchgearbeitet werden könne. Iſt in dem Reiche der Vorftellungen ꝛc. eine Stufenfolge, fo daß die Seele des Schülers nicht für jede Diefer Art reif ift, fo herrfcht auch Diefelbe Stufenfolge im den Wörtern, und der Schüler ift dann auch für den Ges brauch diefer Wörter, welche die Vorftellungen einer höhe ren Stufe bezeichnen, noch nicht reife. Gibt man aber viefe Wörter ohne Wahl, fo führt das ein Verſchwimmen der Begriffe und Empfindungen, ein Bermengen Elarer uud dunfler Vorftellungen herbei, und macht Dadurch die eigene Sprache auf den jugendlichen Geift unwirkſam. Sn der Aufftelung des Unterrichtsganges werde ich Die nöthige Stufenfolge Diefer nöthigen Borftellungen, Begriffe umb Empfindungen im Allgemeinen aber beſtimmt genug anges ben, nämlich auf Schulbücher hinweifen, Die Diefe vers arbeiten.

Sp einfady und leicht, und, ich denfe, allgemein ges fannt jene gefolgerte Wahrheit auch ift, fo vielfach wird

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in vielen Schulen gegen biefelbe von Männern gefehlt, die, wie es heut zu Tage Mode ift, eine Fülle von Erziehungss lehren im Munde haben.

Die Sprache als Sinbegriff biefer Bezeichungsmittel ent- balt aber mehr, als diefe einzelnen Wörter; fie fchließt auch die Regeln in ſich, nach welchen dieſe Wörter unter einander, und zu Säben und Perioden verbunden werden ; und endlich erfodert fie noch Kenntniß und Uebung in nas tärlicher Verbindung dieſer Säge und Perioden zum münds Fichen und fchriftlichen Vortrag einer geordneten Gedanken⸗ reihe. Was die Regeln der Grammatik angeht, fo machen biefe bei weitem nicht Die Schwierigkeiten, die man ihnen in der Regel beilegt. Man muß nur die Sprache mit Geift behandeln, und diefe Regeln folgen von felbft, befonders in der deutfchen Sprache, in welcher die meiften Regeln aus dem Geifte derfelben gefchöpft find. Das Innere Diefer Verbindungen, der Sprachgeift, waͤchſt nur mit dem Auffteis gen auf eine höhere Bildungsſtufe. Mag der Schüler im⸗ merhin fchon große Perioden bilden koͤnnen, fo würde er natürlich bei manchem einfachen Sab aus Kants Naturges fchichte des Himmels ftille ftehen muͤſſen.

Man geht von einer ganz verkehrten Anficht aus, wenn man fich ftetd über die Außern Schwierigfeiten beflagt, die der Schüler bei Darftellung feiner Gedanken zu befeitigen habe. Ad, freilich mag es fehwer.fein, ein anderes Schloß in der-blauen Luft zu bauen, als ein Luftfchloß! Nein, die bloß trockene Sprachform der Darftellung ift es in einer ſelbſt mittelmäßig guten Schule nicht, in welcher die Schwies rigfeit liegt; es ift Die Unflarheit des Gedankens, es ift das Berfhwimmen der Gedanfen und Empfindungen in einem Worterfhwal, der Mangel an Sprachgeiſt. Man fchreite nur einfach und ficher in derBearbeitung der Materie voran, stelle jeden Begriff, jede Empfindung durch das richtige

Wort und durch abwedzfelnde zweckmaͤßige Redensarten feft, übe das Sprachgefühl, und man wird bei gehöriger Hebung über das fchriftliche Darftellen der Schüler zu Magen nicht Urſache haben. "

Das Innere muß dem Aeußern deshalb vorgehen, es muß die Grundlage fein, die Form darf die Materie nur begleiten, hier, wie bei ber Vorſtellung ıc. und dem Worte, Weiterhin werde ich zeigen, wie Satz, Periode und Auffag ſtets mit dem Worte verarbeitet werben müffen, wenn ber Inbegriff aller diefer Bezeichnungsmittel, welche die Sprache ausmachen, mit der Bildungsftufe des Schülers in gleichem . Berhältniffe ftehen fol und kann. |

Man fürchte von mir, einem praftifchen Lehrer, feine zu hoch gefpannten Anfoderungen, wie diefe leider an der Tagesordnung find, weswegen man auch, man verzeihe mir den Ausdrud, in unfrem Fache jest fo viel. Mauffechterei findet; ich will e& Lehrern und Schälern leicht machen, fo fehr mir diefes möglich ift, will die meifte Arbeit auf Die Schriftiteller wälzen, und den Lehrern einfache Mittel ans geben, die fie Längit gekannt, die aber vielleicht nicht fo viele ordentlich angewendet haben.

Man fagt ganz richtig: der Sprahunterricht muͤſſe intenfiv fein, innere Kraft haben; aber wirklich, Diefer intenfive Unterricht wird in fo vielen Schus len ertenfiv, und verfchwendet die Zeit mit ganzen Reihen von Formen.

Sch will darum die Sache ein wenig zu beleuchten füs chen. Der Menſch, das Thier, die Pflanze wachen von Sinnen heraus, der Stein wächlt aber, indem er von Außen anſetzt; erftere wachfen intenfiv, letzterer wächlt extenſiv. Extenſiv waͤchſt der Menfch in geiftiger NHinficht, wenn er die Unterrichtömaffe nur durch das Gedaͤchtniß aufnimmt, diefelbe aber nicht in fidy verarbeitet. Diefer ertenfive Uns

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terricht wäre in vielen Schulen noch viel befier, als der fchlechte nur fogenannte intenfive ; denn der ertenfive Unters richt gibt Material; und eine: beffere glückliche Zeit,. in wels her das Nachdenfen in dem jungen Menfchen eintritt, kann doch das tüchtige Material noch verarbeiten; der aber nur fogenannte intenſive Unterricht verſchwendet viele Zeit mit allerlei Kuͤnſtelei, und laͤßt es nicht zu einem tuͤchtigen Ma⸗ terial kommen; und bald wird es ſich auch ergeben, - daß Diefer fogenannte intenfive Unterricht nur zu oft noch obens brein ertenfio, alfo dann der fchlechtefte ertenfive Unterricht von der Welt ift.

Der infenfive Unterricht muß aber, wenn er rediter Art ift, eben fo viel Material geben, als der ertenfive, nur anf beffere Art. | |

Jede Wiffenfchaft hat einen Geift und einen Körper. In jenem. liegt der Hauptzweck berfelben für das innere und Außere Leben des Menſchen; in diefem bie Form, uns tee welcher fie auftritt oder dargeitellt wird. 3. B. Die einzelnen Thatfachen der Gefchichte machen den Körper, aber die Zufammenftellung derfelben zu Reflexionen machen den Geift der Gefchichte aus; die Namen in der Geographie find der Körper, bie innere Anfchauung der Provinzen ıc. aber ift der Geift diefer Wiſſenſchaft; die Namen der Begriffe, die Regeln über Zufammenftellung berfelben zu Säten, in fo fern nur der Gebrauch beftimmt, gehören zum Körper; aber die Bedeutung diefer Namen, fobald fie zur Borftels fung zum Begriff werden, und die Regeln, welche eine tie fere Begründung als im Gebrauch an ſich Halt haben, ge⸗ hoͤren zum Geiſt der Sprache. Man ſieht, daß man des Koͤrpers bedarf, um zum Geiſte zu gelangen; indeſſen liegt die hoͤchſte bildende Kraft nicht in dem Koͤrper, ſondern in dem Geiſte der Wiſſenſchaft. Det Körper. derſelben muß man daher nicht ald Hauptzwed betrachten. und verehren,

und vielmehr alle Uebungen weglafien, deren Zweck nicht über den Körper hinausreicht.

Man muß ferner bemerken, daß nicht jeder einzelne Lehrgegenftand auf jeder Bildungsftufe für fich allein den Menſchen vielfeitig bilden müffe; die ganze Maſſe des Uns terrichts und das Leben müflen den jungen Menſchen erbes ben und vielfeitig behandeln. Was darum nidht in dem Geifte des einen liegt, liegt in dem Geifte des andern, und es erfcheint mir als irrig, den Beift des Ganzen durch den Körper des Linzelnen erfegen zu wollen. Es liegt in jes der Wiffenfebaft und KRunft wenigftens Ein hoher Zweck für die Ausbildung des Menſchen. Diefer, den ih den Geift genannt habe, muß fcharf ins Auge gefaßt, und in allen Theilen im Auge behalten werden.

Warum will man nun alle mögliche Nebenzwecke und Außendinge der Wiſſenſchaft aufſuchen, aus ihnen Bils densmittel entlehbnen und den großen Zweck bintanfegen. Der wahre. Zweck des Banzen umfaßt das Ganze, und die Mittel, weldye aus ihnen gefchöpft find, führen zum Gan⸗ zen, fonft find fie nicht die aus ihm geſchoͤpften richtigen.

Diefer Anficht muß, wie es mir. vorfommt, jeder ins tenfive Unterricht untergeordnet fein, bamit alle Spielerei in der Methode unterbleibe.

Intenſiv waͤchſt nun der Menfch, wenn er dabjenige was er in ſich aufnimmt, dem Zweck der Wiſſenſchaft und Kunſt gemaͤß wuͤrdig aufnimmt; jedes Einzelne muß ihn dem wahren Zweck der Wiſſenſchaft ꝛc. naͤher fuͤhren. Theile der Wiſſenſchaft, die dieſes nicht thun, find unwuͤrdig als Bildensmittel, indem ſie Zeit rauben, und nur extenſiv ge⸗ geben werden koͤnnen. Um mich ganz zu verſtehen, ſehe man nur beſonders die erſtern Lehrbuͤcher der Maaß und Zahl‘ nach Peſtalozziſchen Grundſaͤtzen (die Buͤcher von Tillich ausgenommen) das Analiſirbuch der Betti Gleim ꝛc. nach,

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"und man wirb eine Menge Uebungen finden, bie entweber durch ihr ewiges Einerlei Cletteres) einfchläfern, oder, nur als Verſtandesuͤbungen dienend, ben: höchften Zweck, oder Asch den nächften Weg zu demſelben aus den Augen laffen. Man könnte aus ihnen eine Menge Uebungen fortlaffen und fie blieben noch ftufenweis bildende Lehrbuͤcher.

Ich wuͤnſche fehnlichlt, daß diefe meine Anficht von Denfendben Männern geprüft, und nicht olme weiteres serworfen werde. Habe ich recht, fo decke ich hierdurch -sielleicht die Abwege auf, welche die. Schüler Peſtalozzis in allen Gegenftänden fich zu gehen erlaubt haben. Der edle Meifter felbft mußte in Diefen Fehler verfallen, ‚2a er den Begriff der Intenfivität durch das Ganze jedes Gegenftandes, alfo auch auf deu Körper defielben in allen feinen Theilen ausbehnte; und er fonnte um fo eher auf fölche Abwege gerathen, da feine begefiterte denkenden Schüs fer jeden Grundſatz deffelben noch feiner auszufpinnen bes müht waren, und von ber Nichtigkeit des Arioms der Luͤ⸗ renloigkeit ausgingen,

Habe ich recht, ſo muß jeder Unterrichtsgegenſtand ſehr eiefacı behandelt werden. Der Zweck deſſelben offenbaret ſich in jedem Theile des Ganzen, bleibt immer berfelbe, and fo aud das Mittel. Man braucht dann nur den alls gemeinen Grundſaͤtzen der Unterrichtsmethobe überhaupt zu folgen, und den Geift der Wiffenfchaft mit dem nöthigen Material in ſich aufzunehmen. Habe ich recht, fo müffen ſich die meiften Lehrbücher anders geftalten: muͤſſen allents halben den Geift der Wiffenfchaft hervortreten laſſen, den Körper nur in Ruͤckſicht des Zweckes beachten, bei kleineren Curſen nicht den Geift verfümmern, aus dem vorzuͤglichſten Material das Fruchtbarfte auswählen, und basjenige wes nigſtens im Allgemeinen hinftellen , was Zeit und Raum nicht als ‚ausführlich (fpeeieiD geſtatten.

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Sc kehre jet zum Sprachunterricht zuruͤck. Ä

Sntenfiv wird das Wort gelehrt, wenn ber. Schüler mit jebem Worte, die Vorftellung, den. Begriff und bie Empfindung verbindet, bie das Wort bezeichnet. Diefe Lies bung macht den größten und wichtigften Theil des Sprach⸗ unterrichts and. Hier hilft Anfchauung des Gegenftandes felbft, des Models ober der Zeichnung befielben; ferner Befchreibung zuerft befannter, dann unbefannter. Dinge, Ueberleitung vom Conkreten ind Abftrafte, beſonders durch Adjective, welche Förperliche Eigenichaften, und erben, welche förperliche Handlungen bezeichnen, und zugleich ab⸗ ſtrakt gebraucht werden.

Bei Erklaͤrung der Abſtrakte hilft Ableitung aus dem. . &onfreten, helfen Auffuchen der ganzen Wortfamilie und . Erklaͤrung jedes einzelnen Gliedes derſelben, heifen Ge fhichthen, Fabeln, Gedichte, VBefchreibungen, Gebrauch Derfelben in Redensarten, Definitionen Unterfcheiben ber Synonimen ı.

Extenſiv ift diefer Unterricht, wenn Wörter aufgeſucht werden, die mit einem gewiſſen Buchſtaben anfangen oder enden, wo dieſes nicht zur Erklärung einer Regel. gehört; ertenfiv, wenn das Aufjuchen und Lagebeflimmen ber Merk male fein Ende nimmt, da endlich hieraus ein Mechanide mus entfteht, der fich in dem Ableiern einer gewiflen Kor mel ausfpricht; extenſiv alles Angftliche und weitfchweifige Catechifiren, zumal über Begriffe und Empfindungen, bie noch über der Sphäre des Kindes liegen; extenſiv wirft jede Erzählung, jede Fabel ıc., wenn diefe nicht gehdrig verftanden werben; .ertenfiv jede Erklärung, Die zu weit ausgefponnen wird, fo wie überhaupt jedes ‚Berfahren, durch welches man eine Menge Zwede auf Koften des Hauptzwecks erreichen will. Sa, es wäre fogar. ein Bläd, -

wenn alle diefe und noch viele andere Luͤnſte nur erteafiv

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wirkten; ſie feßen in ber Regel nichts an, fondern fchläs fern den Geift ein.

' Intenſlv ift der Unterricht bei einer Regel, wenn man den Geift derfelben ind Ange faflen, und darnach einige Beifpiele auffuchen läßt. Man Tann immerhin mit dem Auffuchen bed Unterſchiedes richtiger und unrichtiger Beis ſpiele anfangen, aber man muß doch bald anf die Regel felbſt zu kommen fuchen; denn dad Berftehen der Regel bildet im Allgemeinen mehr, ald ein gar zu oft mir fpielen- des Aufſuchen. Gefchieht bad Aufſuchen foftematifch, fo tft der Lehrer mehr thätig, als ber Schüler; und es fommt mir in vielen Källen fo vor, als wollte der Reiter zum erde ſprechen: Liebes Thier, du haft biefen Weg felbit - gefunden; ich habe wer zuweilen burch einen Kleinen Schen; keldruck nachgehoffen. Gefchieht das Anffuchen aber frei, fo zeichnen ſich im der Negel nur bie beften Schäler aud, und wie ſteht es denn wirffich mit bem Aufiuchen des größs ten Theiled der ganzen Klaſſe?

| Ich fage dieſes nicht, um das allgemeine zwedimäßige Aufſuchen als uͤberſtuͤſſig darzuſtellen; ich möchte der Ein; biſdung vieler Lehrer nur etwas entgegenfiellen, was beher⸗ zigenswerth ift, Damit diefe nicht zu viele Zeit durch ihre ‚vermeintliche Kunft verfchwenden. Die wahre vortrefffidje "Methode, alle Schäfer ins Intereffe zu ziehen, dann frei urtheifen zu laſſen, eine Geiſteshebamme zu fein, bei mm "richtigen Urtheilen anf kuͤrzeſten Wege ad abmırdem zu führen, ift eine hohe Kunſt, die mit jener breiartigen Gates cheſe, mit dem von mir gemeinten Tangweiligen Aufſuchen nichts, als etwas von der Äußeren Form gemein hat. Möchte man in Nädficht auf Urtheillenkung die Beifpiele "son Sofrates feldft, und mit Anmerkungen begleitet, unter bie Lehrer bringen, und in biefem Geifte vorzägliche Bei⸗ ſpiele beigeben.

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Geiſteinſchlaͤfernd wirkt das viele Aufſuchen der Vei⸗ ſpiele. Man hält nicht ſelten die Lebhaftigkeit bed Kinded, ‘die daffelbe bei gluͤcklicher Auffindung feiner koͤrperlichen Formel geigt, für Belftesthätigkeit; der Muth entfpringt ‚aber nicht felten ans ber Leichtigkeit, mit welcher es feine Formel herbuchftabiren Tann. Beiſpiele muͤſſen die Neger erflären, nnd zwar jeden einzelten Fall derſelben: ber ‚Schüler muß einige Beifpiele für jeden Fall fuchen, und da ift das hinreichend, wo nur ber Berftand leiten fl.

Intenſiv wirkt das Elaffifieiren der Wörter, wenn bie Unterfcheidungsbegriffe der Haupt s und Unterarten fcharf aufgefaßt, und bis zur gänzlichen Einprägung in gebrängter Rebeneinanderftellung eingeibt werden; extenſtv aber wirkt das übertriebene fo fehr beliebte Analyſiren, wirken alle u anhaltende und ind Kleinlicye gehende Uebungen, bie in dieſes Capitel einſchlagen.

Intenſiv wirkt die ſcharfe Erkennung der Satztheile: Subjekt, Copula, Prädikat, Objekt, Terminativ, Adjekt, und deren naͤhere Beſtimmungen durch Adjektive, Artikel Numerale, Pronomen, Genitive, Appoſtitionen, Awiſchen⸗ ſaͤtze, Adverbe, und das Auffuchen einzelner Beiſpiele; geiſt⸗ einſchlaͤfernd aber das Beſtreben mit Kindern eine philoſo⸗ phiſche Analyſe der verſchiedenartigſten Wendungen in ben Perioden nach einer Theorie und als Thevrie vorzunehmen und die nöthige Theorie mit Beifpielen zu. überfülfen , da bie Uebermenge berfelben nachtheilig auf die Selbſtthaͤtigkeit des Verftandes wirft. Das zu viel ift hier kein relativer Begriff, wenn man auf den Zweck ſieht. Der Schüler fol nämlich dieſe Theile durchs Sagen und Fragen des Lehrers kennen Ternen, da⸗ mit er für jebe Beſtimmung den Plab erfahre, und wiſſe, mark ein Sat zu Ende iftıc.;3 was drüber iſt, tft vom Uebel; dem Die Anwendung und Eintibung muß in feinen Anffägen, und durch etwas ganz anderes beabfihtigt werben, als Durch dieſes trockne Auffuchen. g *

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Intenſiv wirft die innere Bebeutung ber Bindewoͤrter, ihre Slaflification, und die Benennung der Periodenarten sach benfelben; intenfio eine gebrängte Zufammenftellung ber Regeln des Stild, der Anorbnung eined Aufſatzes, ‚wenn dieſes alles gehörig verflanden wird; extenſiv weit- Läuftige Auseinanderfegung , da hier ber Ueberblick verloren geht, und ohnehin anderwärtd Uebung gegeben werden muß... Es kommt demnach nicht fo fehr darauf an, wie der Schüler zum Begriff, oder in ben Geift der Sache kommt, fondern ‚vielmehr darauf, daß er dahin gelange ; und dazu wähle der Lehrer jedesmal ben kuͤrzern Weg. Soll dieſes aber gefchehen, und fol der intenfive Un⸗ -serricht guten Fortgang haben: fo muß demfelben ein Grund .gelegt werben, aus dem diefer jchöne Baum ſtets die beſte Nahrung zur Genüge ziehen Tann, und ber wird gelegt, wenn das Sprachgefühl des Schülers von allen ‚Seiten befimöglihft gebildet wird. Diefes ge fhieht in der erftern Zeit durch das Ableiten und Zuſam⸗ menfeßen ber Wörter, durch das Auffuchen der ganzen Worts familie, befonders aber durch eine wichtige, Iängft befannte, „aber in Volksſchulen fehr vernachlaͤßigte Uebung, über die ich mich umftänblic, ausfprechen muß.

Wenn der geförderte Schüler eines Gymnaſiums die ‚Schilderungen eines Homer, die Neden eines Demofthenes ober Cicero, die Reflerionen eined Thucydides und Tacitus fieft, und fein Lehrer ihm diefe Schriften erklärt Cinterpres tirt): fo macht der Lehrer dem Schüler dieſen Geift ges ‚nießbar, indem er denfelben bei ſchwierigen Fällen auf den Standpunkt zu heben fucht, von welchem ber Schriftfteller bie Sache anfah. Der Lehrer ift hier alfo das Mittel, daß ‚jener erhabene Geift auf den Schüler feine volle Wirkfams keit äußere, und es ift wol nicht in Abrede zu fiellen, daß ber Schriftfteller hier mehr lehre und bilde, als ber Lehrer,

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der in fchwierigen Punkten doc; nur der Dolmetfcher jenes’ erhabenen Geiftes if. Se mehr aber ber Lehrer den Geiſt dieſes Claſſikers erfaßt hat, deſto mehr wird jener Geiſt durch den Lehrer in dem Schuͤler wirken. So wie beim Religionsunterricht der beſte Exeget und Lehrer ſich niedri⸗ ger ſtellt, als die Ausſpruͤche der Bibel, und als ſein Ideal von Chriſto, und dieſe hauptſaͤchlich wirken laſſen will fo auch der Erklaͤrer (Interpret) wahrer Claſſiker.

Da ein ſolcher Geiſt wirklich erhaben und groß iſt, ſo iſt es auch beſſer, daß dieſe Individualitaͤt von dem Schuͤ⸗ ler zur Nachahmung aufgefaßt werde, als die Individualitaͤt eines Lehrers, der nicht ſo hoch ſteht; man muͤßte denn beweiſen koͤnnen, daß ein gewoͤhnlicher Lehrer, wegen ſeiner Gewoͤhnlichkeit mehr zu leiſten im Stande ſei, als ein großer, wirklich erhabener Lehrer. *)

Das Hauptmittel zu hoher Bildung iſt dem⸗ nad der Genuß des Unterrichtes diefer großen Geifter, und der Lehrer muß dem Schüler dazu behuͤlflich fein,

Dieſes gefchieht, wenn er bei feinen Einwirkungen eine Reihe von Schriften wählt, die in einer zweckmaͤßigen Stus fenfolge den Schüler dem Ziele näher führt. Se forgfältis

*) Man hört heut zu Zage fo oft, „ber Lehrer folle und koͤnne feine Sndivibualität dem Schüler einpraͤgen.“ Dir aber fcheint dies im Allgemeinen ein gefährlicher Rath; denn gerade diejenigen, welche abſichtlich darauf hinwirken, flellen nicht felten in ihrer Perſon einen fteifen Schulpedanten auf, und prägen ber Kindesfeele einen engherzigen, aufgeblähten Popanz ein. Wählt aber der Lehrer zum

" Schulgebraud die Schriften anerkannt großer Männer, ſucht er feine Schüler in den Geift diefer Edlen zu führen, fo wird ex weit mehr wirken, und feine eigene Individualität wird in dem Maaße teiner und unverfchrobener erfcheinen, als er nur an den edlen Geiſt des Gchriftftellers , und nicht an feinen eigenen denkt.

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gerer nun übrigens den Schüler durch die andern Gegenftände bearbeitet hat, deſto mehr wird auch das mit Umſicht ges wählte Buch nerftändlich und wirffam werben,

Da dieſe Reihe von Buͤchern aber aus klaſſiſchen Schriften beſtehen muß, in denen ſich eine wahrhaft edle, erhabene Sinnesart, und ein hoher Verſtand ausſpricht: fo tritt bei dieſen Schriften, (die in Hinſicht ihrer Faßlichkeit der Darftellung und des Inhaltes fich aufftufen) felbft dann das Berhältniß des Buches zum . Lehrer nnd Schüler wie bei oben erwähnten fremden Claſſikern ein, wenn diefelben in ber Mutterfpracde gefchrieben fein. ſollten; und man Eönnte hier eben fo gut fagen, daß die Schrift mehr bilde, als der Lehrer.

Diefe Wahrheit wird fi) noch näher aus Kolgendem.

ergeben, |

Bei dem Sprachunterrichte fol ber Schüler ſich moͤg⸗ licht viel klare Begriffe fammeln; er fol diefe in Säten und Perioden nach allen Regeln eined guten Stifed gebraus hen, ſoll reflektiren lernen, feine übrigen Seelenträfte ber fhäftigen, und zugleich feine Kenntniffe erweitern.

In allen diefen Stücken Teiftet das klaſſiſche Buch mehr, als ber Lehrer, aber freilich durch ben Lehrer. Wenn gleich ein gefchicter Lehrer Durch, Sagen und. Fragen den Begriff vein darſtellt und auffaflen laͤßt, fo Flebt diefer Erklärung dach in. der Regel hie fleife Schulform an. Unfre mei ften Begriffe find nit fo rein abgefchloffen, als Die in der Mathematik: fie haben Schattis rungen um fih, und biefe Schattirungen fann feine Erflärung (Definition) geben. Ein Schüs Ier, der alle Definitionen der Zerrennerfchen Sammlung im Kopfe hätte, würbe fich in diefen Begriffen nur fchulmäßig ſteif bewegen; feinem Geile mürde es an Freiheit, an Ges

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wanbtheit in den zarten Uebergängen fehlen. Das. gute. Bud, aber foll den Begriff durch vielfeitigen Gebrauch ini allen feinen Schattirungen dem jungen Menfchen nach und, nach vor Augen führen, und der Lehrer foll die einzelne Seite des Begriffs jedesmal ſcharf anffaffen Iaffen, und wo der thig, durch eine allgemeine Erklärung (Definition) nachhelfen, ;

Auf diefe Art wird derfelbe ſcharf, aber: auch zart erfaßt, und zum ielfeitigen Gebrauch. gefhidt gemacht.

Lernt der Schüler ferner ſaͤmmtliche Kegeln eines guten⸗ Stiles bloß durch des Lehrers Regeln kennen, fo wirb:er; gedrechfelte Arbeit liefern; übt er aber bie fchönften Perioe: den von mancherlei Gattung, die fchönften Wendungen. am, einer eblen, erhebenden Sache dergeftalt ein, daß erſters nur als Nebenfache erfcheinen, ja faſt gar nicht bie Aufs merffamfeit auf ſich ziehen: fo wird Diefe Korm unvermerft> aber darum um fo tiefer, wie die Analogie ei ner Sprache, dem ganzen Weſen des jungen Menſchen— ſich mittheilen.

Iſt dieſes Sprachgefuͤhl nun durch die edelſte Schreib. art unvermerkt gebildet und bereichert, dann trete ber Lehe rer mit Auffuchung der Sinuverwandtfchafl (Synonimitaͤt) der Wörter, mit feinen Regeln über Verknuͤpfung ben Wörter, und mit ſeinen Regeln des Stiles auf,. und. laffeı den Berftand des Schülers das Har einſehen, was im dem Geifte deifelben Umfang gewonnen, tiefe und ansgebyeitete: Wurzeln gefchlagen bat. Hat der Schüler baum nur Bien danfen, fo wird es ihm leicht, Diefe in. fchönen Formen felöft dann darzuftellen, wenn er weder an redneriſche Fir guren, noch an Eunftreiche Perioden. oder Schlußarten denkt. Das Ganze ift ald Sache mit feinem Weſen verſchmolzen and darum ift ihm. die Regel der Form, wenn. gleich Der. Gewißheit wegen nicht überflüfig, Doch weniger wichtig

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umd fchwer. Daher kommt ed, daß auf unfren Gymnaſien die geförderten: Schüler fid fo beftimmt und ſchoͤn ausdruͤ⸗ den lernen: ihnen -ift zu den taufend todten grammatifchen - Hebungen , wie folche in unfren niedern und höheren Volkes faulen fo fehr beliebt find, glücklicherweife nicht Zeit geblies ben; der Symnafiallchrer ift zufrieden, wenn die verftandene Pegel: beim Ueberſetzen richtig angewendet wird, es fällt ihm nicht: ein, mit berfelben noch andere Künfte zu treiben.

Freilich kann weiter ber Schüler durch den Lehrer felbft- denken (refleftiren) und fühlen Iernen, und er wird es nach feiner Individualität in dem Maaße lernen, als der Lehrer. verftändlich, flät cd. 5. in gleichmäßiger Bewegung, ohne Sprung) refleftirt und fühlt. Liegen aber dem Lehrer die in allen ihren Gliedern fo begründeten und in ihrem Gange fo ftäten Reflektionen eines Haren, tiefen, erhabenen Geiftes vor: fo wird er felbft mit dem größten Vergnügen folgen, das Ganze mit würdigen Anmerfungen zu begleiten fuchen, bie Gründe ıc. dem Verſtande feines Schülers faßlicher und übers zeugend darftellen; und indem die Anerfennung der Bortrefflichleit des Schriftftellers im Lehrer und Schüler waͤchſt, erhöht ſich das Sntereffe an den Wahrheiten in ihnen; beider Geiſt geht eine gewiffe Bereinigung mit dem großen Geifte befonders dann ein, wenn biefer nicht aus Chreftomathien, fondern aus gans zen Werken in einer gewiffen Stätigfeit kennen gelernt wird.

Sch gebe gerne zu, daß eine Leſe (Auswahl) folcher Geifteshlüthen für den denkenden, finnigen Lefer, der mit ber Aemfigfeit der Biene Segliches der Blüthe benutzt, und zur Vergleichung der Geifter ihre herrlichiten Erzeugnifle Produkte) nebeneinander ftelt, zumal dann von großem Nutzen und .Interefle fein kann, wenn diefer fich dies Vor⸗ trefflichfte befannter Schriften in aller Kürze wieder vor die naturgemäß gefräftigte, geiitige Anfchauung bringen

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will; aber daß der Schmetterlingsnatur. ev Schüler eine folche Sammlung der koſtbarſten Ledereius für Gegenwart und Zukunft erfprießlicher fein follte, ald wenn fie gleich einem Demofthenes die Werke des Thucidi⸗ des ohne Auswahl fiebenmal abfchreiben, um wie dieſer Geiſt reflektiren, fühlen und vortragen zu lernen, und dem Mufter in allen Lagen und Berhältniffen zu folgen: das fann ich bis jeßt noch eben fo wenig glauben, als daß ein mit Zuderbrot und Marzipan gefütterter Sardanapal die Kraft erlangen Tünnte, die bad Korn, das Mark der Männer, gefunde, Fräftige Hausmannskoft, und mitunter ein Glaͤslein Cyperweins dem Göttergleichen Achil ven fchafften. Endlich wird auch ein Schriftfteller, eben wer gen feiner Glaflicität, in feinen Werfen feine Individuali⸗ tät niederlegen , und darum den Schüler von allen Seiten erfaffen und bilden. Sind es Kenntniffe , die er mittheilen will, fo wird er diefe auf Das anziehendfte vortragen, und den Lefer mit Leichtigfeit in den Gegenftand hinein, nnd in demſelben mit ſich erhöhendem Intereſſe herumführen, Dabei kann der Lehrer immer noch das Seinige thun, umd es fo lange mit feinen Schülern leſend wiederholen, bis jeglicher Zweck des Buches voͤllig erreicht iſt. Wie ganz anders verhält es ſich da mit dem bloß muͤndlichen Vortrag des Lehrers, der wenigſtens bei vielen ſo holperig oder ſo matt, ſo gemein, oder ſo uͤbergelehrt, ſo unnatuͤrlich, pedantiſch zuſammengeflickt, oder ſo nach⸗ laͤßig abgeriffen if. Man werfe mir nicht ein, daß: ich den Lehrer bloß zu Lefer, und das ganze Lehrgefchäft zum Lefegefchäft machen wolle. Sch will Kopf⸗ und Tafelrech⸗ nen, Algebra , Geometrie, die Regeln einer fremden und ber Mutterfprache, Begriffgerflärungen und andere Regeln und Lehrfäge, die ein Ergebniß CProduft) freier --Unters haltung fein müffen ıc. nicht gelefen und wiebergelefen has

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bau; es ſoll dem Lehrer Gelegenheit genug bleiben, ſich durchaus frei zu bewegen; und ein tuͤchtiger Lehrer wird dieſes ſelbſt bei Bearbeitung eines Schriftſtellers koͤnnen, wenn er anders in den Geiſt deſſelben eingedrungen iſt, in demſelben denkt und lebt und ſich gluͤcklich fuͤhlt. Jemehr aber der Lehrer ſich der durch zuarbeitenden klaſſiſchen Schrift mit ſeiner ganzen Weſenheit anſchließt; jemehr er mit dem Verfaſſerein Geiſt wird: deſto mehr Harmonie wird die Ein⸗ wirkung haben, deſto edler, ſchaͤrfer und zarter wird der Un⸗ texricht fein, alſo auch deſto ſtaͤrker und umfaſſender wirken. Freilich mag nicht jede fremde klaſſiſche Schrift, und noch weniger jede ſelbſt gute Ueberſetzung derſelben in allen einzelnen Theilen genuͤgen und heben; aber ſollten nicht edle, große Geiſter unſres Volkes im Stande ſeyn, uns das wahrhaft Nuͤtzliche und Schoͤne, das erhabene Maͤnner der Vorzeit uns hinterlaſſen haben, in eben ſo ſchoͤner Form und in noch gereinigteren Anſichten uns aufzuftellen ? Wuͤrde noch etwas zu wänfchen übrig bleiben, wenn 3. B. in den drei Büchern über die menfchlichen Pflichten. ein Garve und ein Cicero zuſammenſchmoͤlzen, und in jedem Jahrhundert, wo nöthig, ein wahrhaft großer edle Geift unfres Volkes ſich mit dieſen Vorgängern geiftig vermählte, und das Dar geftelte der Vollkommenheit näher zu bringen fuchte? Moͤgen Gelehrte von Profeffion Zeit und Geift genug haben, das Vortrefflichite jeder Art aus Hunderten Schrife ten zufammenzufuchen; für den Gefchäftsmann, und ins befondere für ben aufftrebenden jungen Menfchen möchte es rathfamer fein, Schriften zu finden, die in jeder Hinficht mmumfchränktes Vertrauen verdienen, und an beuen er, wie das Epheu um eine Eiche emporwuͤchſe, oder wie ein freier Baum im Schutze eines Eichwaldes emporftrebte. Hat der junge Menjch erit Wahrheit und Adel, dann kann er fpäterhin den Charakter und die Anfichten einzelner großen

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- Geifter auffuchen, und: diefelben wie auch ben Geift ihres Bolfes kennen lernen. get,

Wird nun durch das Glaffiferlefen der Hauptzweck aller‘ Erziehung, naͤmlich die Erhebung des Schülers zur Hnmanis. tät um fo leichter und ficherer erreicht; wird in Wahrheit‘ dadurch das Sprachgefühl auf die befte Art gebildet, dem’ intenfiven Unterricht der fruchtbarfte Grund gelegt, und haupt⸗ fachlich dadurd die Sprache felbft mit ihrer Form gelehrt: fo folgt daraus, was ſich mir in der Erfahrung unwider⸗ Iegbar bewährt hat, daß man and in niederen unb höheren Volksſchulen Haffifhe Schriften ge brauden, ober, daß man audh hier tlaſſiſche Bildung geben muͤſſe.

Man ſtoße ſich hier nur nicht an den Ausdruck, ſon⸗ dern bedenke die Sache. Klaſſiſch iſt eine Schrift, wenn ſie in der Darſtellung, in Ruͤckſicht auf Form und Sache dem gebildeten, dem edlen, denkenden Menſchen vollfommen Genügethut.

Diefe klaſſiſchen Schriften muͤſſen für jedes Bildensjahr dermaßen gewählt werben, baß der Schüler nicht genoth⸗ reift, nicht über feine Sphäre erhoben mwerbe, und ihre Berarbeitung muß auf eine folche Art gefchehen, daß der Schuͤler mit Leichtigkeit folgen koͤnne.

Hierdurch erhalten wir demnach eine fuͤr alle Caſſen ſtehende Sprachuͤbung von groͤßter Wichtigkeit. Eine zweite Uebung der Art beſtaͤnde in dem gemeinſchaftlichen Auswen⸗ diglernen auserleſener Gedichte, Fabeln, geiſtlicher Lieder, Pſalmen, Beſchreibungen und Reden, von jeder Art na, ein Bändchen, |

Da der Sprachunterricht aber zugleich Leichtigkeit eigen: ner Darftellung bezweden muß: fo darf diefe dritte ſtehende

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Uebung bes Schülers nicht fehlen. Diefelebung im eigenen Darftellen befteht theils im Nachbilden, theils im Schaffen, und in beiden gibt es ein flufenmäßiges Fortfchreiten:

Sa, erit muß der Schüler nachbilden, und fpäterbin, wenn er Fond, d. h. Kraft und Material hat, mag er fchafr fen. Wir tehren nicht fo gar felten die Sache um: der Schüler foll zuerft fchaffen, und den Fond muß er vielleicht erft als Süngling oder Mann fich fammeln. Freilich koͤnnte man mir einwerfen: „der Schhler follte den Fond muͤhſam durch Nachdenken fidy fammeln”. Sch antworte: „ja den⸗ tend und fühlend, aber auf Fürzeftem Wege, wie ich das vorher gezeigt habe’. Ueberhaupt aber fehe ich nicht ein, warum ein reicher Vater, der feinem Sohne ein guted Ges fchäft zu gründen vermag, benfelben wie einen Bettler die befte Zeit feines Lebens nach jedem Grofchen hafchen Laffen fol, damit dieſer ſich felbft erft einen Fond ſammle; er gründe vielmehr ihm ein ordentliches Gefchäft, und ſtehe demfelben fo Tange ald nöthig zur Seite.

Wie jener Schachergeift in der Regel einem ebleren groͤ⸗ Beren Handel ſchadet, alfo, glaube ich, ſchadet auch jenes Heinigfeitsfrämerifche Auffuchen von Begriffen und Gedans fen, die der Schüler aus Armuth des Geiftes noch nicht bat, dem tüchtigen Denfen. Dort geht es nicht um Feins heit, fondern um Kleinheit. Geiftiger Reichthum muß in der Schule ‚berrfchen und nicht Geiſtesarmuth; Berfchwens dung aber ift in feinem Stüde gut. An Stoff zum Nady bilden und Schaffen kann ed nun bei den vorher angegebes nen Uebungen durchaus nicht fehlen. Uebrigens bietet hier der Unterricht in der Naturbefchreibung, der Gefchichte, der Peligionslehre, der Geometrie, der Phyfif ıc. Material in Menge dar. Damit der Schüler aber fich beim Sprechen und fchriftlichen Darftellen ‚nicht bloß auf fein Gefühl in Hinficht auf Sprachrichtigkeit und Schdnheit verlaffen muͤſſe,

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fommt nun noch eine vierte ſtehende Uebung, naͤmlich Gram⸗ matik und Rhetorik hinzu.

In Gemeinſchaft mit den vorigen drei fehenben Uebun⸗ gen waͤre es unnoͤthig, ja unzweckmaͤßig, eine praktiſch theo⸗ retiſche Grammatik mit den Schuͤlern durchzuarbeiten, da die Anwendung der Theorie beim Leſen, beim Auswendig⸗ lernen und beim fchriftlichen Darftellen des Gedachten als Ienthalben vorkommt. Eine praftifch theoretifche Gramma⸗ tif erfcheint ohnehin weniger in einer fo nothwendigen Eins heit; die Menge von Beifpielen zerreißen das Ganze und zerfpfittern Die Ueberficht für den Geift. Jede Wiffenfchaft hat eine Propädeutif, eine Terminologie, d. h. ein Etwas, welches erforderlich ift, um fich in der Wiffenfchaft mit feis nem Geifte freier bewegen zu Finnen. Diefes Etwas ift in ber Sprache die bereits erwähnte Bildung des Sprachges fühle und die Terminologie der Grammatif. Mit Diefer Terminologie kann man fo bald anfangen, ald der Schhler fähig wird, abitrafte Begriffe der Art fcharf aufzufaffen. An ein oberflächtliches Unterfcheiden der Wortarten muß man ben Schüler, den man in die Grammatik einzuführen gedenkt, gar richt gewöhnen ; berfelbe muß vom Anfange an den Begriff möglichft in feiner Reinheit auffaflen, damit diefer zu ‚jenem erwähnten Etwas durchaus gefchicft werde. Iſt eine Wortart mit der ndthigen Schärfe aufgefaßt, fo mögen bie leichtern Regeln berfelben folgen, und ift fie einer Abaͤnde⸗ rung fähig, fo muß dieſe gemeinfchaftlich eingeuͤbt werden.

Erft dann, wann die ganze Terminologie dem Schüler klar vor Augen fteht, ftelle der Lehrer die Regeln der Gram⸗ matik in aller Kürze und mit Geiſt zufammen, bringe bie oberften Gefete oben an, und fuche die Einzelnheiten ang denfelben abzuleiten. Die Grammatik wird dann nicht: abs geriffen und buchitabenmäßig erfaßt, fondern fie erfcheint

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als abgerundeted Ganze, das eine gewifie Einheit, Folge: richtigfeit und einen Ehrfurcht einflößenden Geift in fich trägt. Auf diefe Art wird die deutiche Grammatik zugleich eine allgemeine, und eine Propaͤdeutik für die Erlernung aller Sprachen. Erft dadurch erhält jedes Kleine und Ein⸗ gelne Intereſſe, Geift und Leben, wenn es in enger Verbin bung mit einem großen Ganzen ericheint, das Ehrfurdt einflößt. Steht z B. in der Lehre von der Rektion der Begriff von Objekt und Zerminativ, und überhaupt ber Charakter der Objektivität nnd Subjeftivität feft: fo muß man alle richtige Regeln unfrer Rektion der Zeitwörter in Hinfiht auf den Dativ und Accufativ von felbft finden koͤn⸗ nen, und im Stande fein, die fehler, felbit der Grammatiken ‚su finden. Bei den fohwierigeren 9 Präpofitionen gebe man die Regel über den figirlichen Gebrauch berfelben Hinzu, und die Schwierigkeit wird fi) mit wenigen Ausnahmen beben. Iſt das einfache im Körper und Geift der Sprache begründete Geſetz über Deklination aller Subflantive der deutſchen Sprache, das man auf einen Pfenning fchreiben könnte, gegeben: fo kann jeder Schüler e8 jedem Worte an der Stirne anfehen, wie es in ber deutfchen Sprache defli- nirt werben muß. Ferner hat ber Schüler nur das eben fo leichte und einfache Gefeß einer reinen und unreinen Beſtim⸗ mung in den Bellimmern zu fennen, und er weiß jeben Bes ſtimmer bes Subftantivs, und wären derſelben eine Menge, bewundernswärbig genau im tiefen Geiſte ber Sache zu beus gen; ja, weiß dann zugleich, ohne jede Ausnahme, dag Ad- jektiv im Lateinifchen richtig vor oder nach dem Subftantiv in ſetzen. Hat er den richtigen Begriff von Gubjeltivität and Objeftivität eines Zeitworted gefaßt, fo weiß er, welche Zeitwörter der beutfchen Sprache ſo genannt regelmäßig fonjugirt werden dürften, und hat den richtigen einfachften Begriff von aktiv und paſſiv. Solche Hauptpunkte muß

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man an die Spitze ftellen, und man führt den deukenden Schuͤ⸗ Ier ficher durch ein zufammenhangendes Ganze, und zwar in - einer gewiffen Einheit. Bevor aber der Schüler mit feinem Geiſte dem Lehrer nicht folgen kann, muͤſſen ihm bergleichen Abftraftionen nicht zugemuthet werben. Darum führe man den Schüler nicht eher in Die Gefeße der Sprade, bis bag Spradigefühl deffefben tüchtig gebildet ift, und bemfelben bie Terminologie rein bafteht; denn will man ben Zwed erreis - chen, fo muß man die Mittel in feiner Gewalt haben. Eben fo halte ich es für gut, Die Regeln des Stild oder der Rheto⸗ rik kurz zufammenzudrängen und einzuprägen, und dann anf Die Einzelnheiten in der Praris aufmerffam zu machen. Bevor ich nun mit den einzelnen Claſſen anfange, muß ich zur Rechtfertigung meined Verfahrens zwei den Sprachun⸗ terricht betreffende Punlte zu eroͤrtern ſuchen.

Muß man den unterricht mit der Sprache, oder mit der Mathematik anfangen? und darf man in der Schule die fremde Terminologie sernachläßigen?

Zuvoͤrderſt bleibt mir alfo die keinesweges überfläffige Beantwortung der Frage übrig, ob man den Unterricht mit der Sprache, oder mit der Mathematik beginnen mäfle? Hier find die Meinungen entſchiedener gegen einander ges ftellt, als man glauben follte; und ich darf zumal Deswegen die Beantwortung biefer Frage nicht ald Nebenfadye behan⸗ dein, weil ich in dem folgenden Lehrplane für die erſten Sabre nur ben Unterricht in ber Mutterfprache auftreten laſſe. Hier find meine Gründe.

Es ift allgemein anerfannt, daß bie Gegenftände, welche das Kind umgeben, der wuͤrdigſte erfte Bildungsftoff für daffelbe find. Se mehr Gegenftände, nnd je genauer dieſel⸗ ben von dem Kinde angefchaut werben, befto mehr Begriffe

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erhält eö, defto mehr Namen, Wörter feiner Sprache lernt es kennen. *) oo.

Werden diefe Gegenftände nicht. b[oß dem Namen, fons dern der ganzen Familie nach beftmöglichit vor Die Anfchaus ung gebracht, und wird die Verfchiedenheit jedes einzelnen Kamiliengliedes ſcharf aufgefaßt: fo muß der Stammbegriff dadurch vielfeitiger und feiter der jungen Seele ſich einpräs gen, und die Erfenntniß des Kindes, eben durch dieſe Vers gefellfchaftung der Ideen, mit Leichtigkeit zunehmen. Umge⸗ fehrt, muß das Kind viele Gegenftände, und Diefe genau angefchaut haben, wenn es viele Wörter feiner Sprache mit Berftand aufgefaßt hat. Um aber diefen Begriffen in der Seele des Kindes Umfang zu verfchaffen, muß an denfelben viel wahrhaft Bemerfenswerthes gegeben und wiedergegeben werden: das Kind muß urtheilen, der Lehrer muß ihm aus dem Conkreten ins Abftrafte hinuͤber helfen, und fo jeden ‚Begriff in vielen Beziehungen füch denken Ichren. Bei dies . fem Urtheilen werden fich gewiffe Formen einprägen, bie nichts anderes, ald unfre Säte und Perioden find. Eine zwedmäßige Behandlung diefer Gegenfländbe ‚führt demnach ganz auf den Sprahunterricht, oder ift vielmehr der Sprahunterricht felbft.

Wenn man nun zugibt, daß das Kind die Gegenftänbe feiner Umgebung fennen lernen müffe, und zwar in ihren : verfehiedenen Gliedern und Beziehungen, und man fins bet den Sprachunterricht für den Anfang zugleich unzweck⸗

*) Sch meine hier keinesweges das ſich hundertfach wieberholende Hers fagen der Sage von verfchiedenen Gegenftänden, das am Ende nur zu einem mechanifchen Geleier führt, oder das ſich Aufhalten bei Kleinigkeiten, deren Kenntniß Eeinen andern Zwed hat, als Plap⸗ permäuler zu bilden; ich meine das Anfchauen wahrhaft bildender Gegenftände, das Kenntniffe gibt, und gefchickt madıt, das Wejentliche der Gattung ſchnell zu unterſcheiden.

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‚mäßig: fo denkt man fich unter dem Sprachunterricht etwas anderes, als er fein fol. Sagt man: „die Sprache folle - wicht als’ Objeft behandelt werben”, fo ift hier einerfeits ein Widerfpruch ,- da Sprache und Kenntniß der Dinge in Wechſelwirkung ftehen, ja beinahe gleich find, und das eine it. dem andern in gleichem Berhältniffe fortfchreitet; anders feitö gebe ich gerne zu, daß feine Sprachregeln in den ers fien Unterricht gehören, da diefe mit den Gegenftänden felbft fo wenig, als die Mathematif gemein haben, und da erſt ein Material vorhanden fein muß, ehe man’ Regeln zum Gebrauch. diefes Materials ſich denken kann N.

Da die Sprache ein unumgängliches Mittel zu aller Bildung ift, und die Sprache eines Menfchen größtentheils den Grab feiner Eultur anzeigt: fo muß auch deswegen ber Unterricht mit der Sprachbildung des Kindes anfangen, und ed muß alles gefchehen, was dieſes Mittel wirkffam auf den jugendlichen Geift werben laͤßt. Unftreitig wirb ung dieſes leichter, wenn wir das Kind fehr bald zum Sprechen und Lefen bringen, da dann Bücher und Lehrer weiter helfen. Der Einwurf, daB ein frühes Lefenlernen das Kind austrodene, mechanifch und fchläfrig made, hät gar Feine. Haltbarkeit, wenn biefer Unterricht zweckmäßig betrieben wird; ein unzweckmaͤßiger Unterricht macht aber den Gegenſtand an fich nicht unzwedmäßig.

5) Viele, Lehrer geben freilich, bei Erlernung fremder Sprachen, _ Material und Regel zugleich. Dieſes gelingt ihnen aber nur darum, daß in den erwachſenern Schülern ſchan ein. anderweitiges Material, wenn gleich in einer anderen Sprache vorhanden ift. Befler. gibt man auch hier erft ein Material in der zu erlernenden Sprache; (fiehe über den Unterricht in der franz. Sprache) bei Kindern würbe Regelwerk ohne früher verarbeitetes Material vollends Unfinn fein.

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Es ift rathfamer mit der Sprache, ald mit der Mathe matik den Unterricht zu beginnen.

Es if ein anderer Geift, der in der Sprache, als in ber. Mathematik Liegt. Sener gefiattet Freiheit im geifliger Bewegung, leitet bie Aufmerkſamkeit auf Alles, führt die Linder unmittelbar in die vor ihnen liegende Sinnenwelt ein, und fpricht alfe Seelenfräfte au; die Mathematif, ber fonders die niedere, legt Feſſeln an, laͤßt nur mit Bow fiht voran fchreiten, und Abt nur wenige Kräfte. Die Sprache wandelt in ihren Anfängen lange im Conkreten, läßt darum, was beim Unterricht ganzer Claſſen hoͤchſt bes merkenswerth ift, feinen Schüler leicht zuruͤck, führt all mählig ind Abftrofte über, und erfcheint felbft auf ihrer Höhe als ein Gemifh vom Eyufreten und Abftraften; die Mathematit wandelt. mehr im Abſtraktkonkreten oder Abs ftraften, und unfre Verfinnlichungsmittel find, mit Aus⸗ nahme der erften Uebungen im Zählen, des erften Auffaſſens der Groͤßenunterſchiede in Maaß und. Zahl, Zeit und Raum, welches ohne viele Uehung gefchehen kann, nur Mittel, nicht Zwei. Es iſt aber unnatuͤrlich mit Abſtrak⸗ tem anzufangen, da die ganze Natur mit der Einwirkung des Conkreteu auf den Menſchen vorgeht. Der Einwurf, daß man bei jeder Regel vom Conkreten ausgehe, verdient keine weitere Autwort.

Gleich wie die Menſchheit anfänglich ſich nur durch das Conkrete bildete, alfo auch jedes Individuum. Die Mathematik fchreitet im Abftrakten fort, und fodert dann zu viel von dem Kinde, reißt es aus feiner Sphäre, ober das. Kind. fucht fich zu retten, loͤſet die Aufgaben nur fehr unvollfommen , ober nach der Aehnlichkeit (Analogie), und biefe ift in der Mathematit Mechanismus. Beides aber wirft ſchaͤdlich an ſich, und nachtheilig auf die Sprachbil⸗ dung, indem zwei entgegengefeßte Pole Cich berufe mid)

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bier auf das Gefühl der Mathematiker und der Sprachkun⸗ digen, fo mie auf die tägliche Erfahrung) ſich fchon in ber jungen Seele befreunden follen.

Wäre frühe Einigung diefer Pole nothwendig, fo daß. ſich beweifen ließe, es fiele demt reiferen Alter ſchwer Maͤ⸗ thematik zu lernen, was der Erfahrung geradezu wider⸗ ſpricht; fo möchte ich fchon, wegen meiner Ueberzeugung von der VBortrefflicjfeit der Mathematif auf Menfchenbils dung, rathen, beide Pole in dem Kleinften Schuͤler zu bes freunden. Dan wende mir nicht ein, daß die Mathematik fo leicht zu Iernen, und wegen ihrer wenigen und fcharfen Begriffe die erfte Logik des Kindes fei. Hat man nicht ein Aehnliches von der Philofophie gefagt, und mit berfelben gethan? Hat denn der Satz wirklich Haltbarkeit, daß ein Kind alles das lernen müffe, was man ihm durd Kunft muͤhe voll anſchaulich machen Fann? Und iſt es denn wirklich gut, daß alle Wiſſenſchaften als ſolche in Catechismen und Unterhaltungsſchriftchen gerade⸗ brecht hineingeſchoben werden? Hier heißt es gewiß mit Recht: „Gewaͤchs ſieht aus, wie Wein.

Ich halte jedes Erheben des Kindes diber ſeine Syhan für eckelhaft und verderblich; darum wäre ed mir auch im Ruͤckſicht auf Sprachbildung unmoͤglich, mit einem zehnjaͤh⸗ rigen Knaben Schillers Schriften zu leſen. In ſolch einem Nothreifen, das leider nur zu allgemein entſchuldigt wird, muß es mit dem Unterricht in der Mutterfprache nicht kom⸗ men; und es wird nach meinen aufgeſtellten Anſichten auch nicht vahin kommen, wenn bie Lefebächer ic. ſorgfaͤltig nach einer natärlichen Stufenfolge in Ruͤckſicht auf Form bet Darftellung und auf Inhalt gewählt ſind, und jedes Buch fo lange durdhgearbeitet wird, bis daſſelbe feinen ganzen Zweck befimöglichft erreicht hat. h *

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Dem Kinde aber Mund und Verftändnifß zu öffnen, ohne daffelbe zum Plappermaul und Zwergpbilofophen zu machen, das ift der Zwed in ber Mutterfprade. Dadurd wird es fähig, das lehrende Wort fharf aufzufaffen; dadurd wird Aufmerffamfeit möglih und Luft an jeder nüglihen Sade. |

Es bleibt nun noch die Beantwortung der Frage übrig, ob die Terminologie der Grammatik in der beutfchen oder Iateinifchen Sprache gegeben werben follen?

Das Beftreben vieler unfrer trefflichen Gelehrten, unfre Sprache von unnügen fremden Wörtern zu reinigen, follte von jedem gebildeten Deutfchen mit Dank ald ein vorzüg- Tiches anerkannt werden, und es zeigt wol wenig eigenes Urtheil, und wenig Achtung vor der Mutterfprache an, wenn ein Deutfcher die Geißel des Witzes durch welche nur ein pebantifches Ueberſetzen und ein unfinniges Wörter: verfchweißen geftraft werben follte mit Freuden ſcho⸗ nungslos über das Beftreben fchwingen fieht, einer Urfprache die ihr mit Recht als folcher angehoͤrende Selbftftändigfeit zu geben; aber ven Terminus technifus der allen Spracden angehören follte, weil verfelbe in der Gelehrtenrepublif aller gebildeten Völker angenommen worden, und darum für ‚alle diefe Bölfer gemeinverftändlich ift follte man fchon um deswillen achten, weil fonft die Erlernung frems ber Sprachen in den fchwierigften Punften ohne Roth mit der fleigenden Bildung ber Voͤlker mehr und mehr erfchwert werden würde. _

Da die lateinifche Sprache einmal die Gelehrtenfpradje aller gebildeten Voͤlker ift, und jede fremde Zunge an Die Ausfprache derfelben ſich gewöhnt hat: fo mögen die Runfts

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ansdrüde um fo zweckmaͤßiger aus diefer, und der Eins fahheit wegen, wo möglich aus dieſer allein, und nicht aus der griechifchen,, gewählt und allen Voͤlkern gleich gegeben werden. Wenn die Sprache dem inneren des’ Menfchen entquolfen die Bildungsftufe der Voͤlker beurs fundet; warum will man dann, bei gleicher Bildungsſtufe und gleicher Idee der Völker, felbft da nicht gleiche Woͤr⸗ ter, wo ber Individualität der Voͤlker nicht Eintrag ger fchieht? Wäre e8 nicht zu wünfchen, daß die Schwierig. feit der Sprachenerlernung nicht ohne Noth gefteigert wuͤr⸗ de, und daß jede Sprache, befonders jede Urfpradhe, m ihren Regeln fomol, als in der Bildung ihrer Wörter all⸗ gemeinen Gefeßen folgten, fo daß bei treuem Studium der alfgemeinen Grammatif viefer Hebel um fo wirffamer für die Erlernung der einzelnen Sprachen wäre? Koͤnnten die Gelehrten ſich nicht dahin vereinen, bie allgemeine Grammatik immermehr zu. vervollkommnen, und nach biefen - allgemeinen Gefeßen, die in dem Mienfchengeifte ihren Grund haben, jebe einzefne Sprache nach ihrer Sndividmalttät zu vervollfommnen, ihr aber in der Weiterbildung fo viel Ges meinfames mit allen Sprachen zu geben, als ihre Indivi⸗ Dualität folches geftattet? Ich maße mir hierm fein ent⸗ fchiedenes Urtheil an, dächte aber, einer Gelehrtenrepublik, in welcher Gründe das herrfchende Prinzip: find, möchte es, wenn dieſe Anficht richtig iſt, bei gutem Willen nicht uns möglich fein, dieſes zu bewerfftelligen.

Um aber der Kortbildung befonderd der Urſprachen nicht in den Weg zu treten, mögen diefe immerhin für ihre Kunſtausdruͤcke eigene Wörter fuchen, und es wird für jeden: Wiffenfchaftner eines Stammvolfes dann nicht former hal⸗ ten, beide Wörter, das fremde, allgemeine und das heimige, befondere , zu erlernen, und den allgemeinen Kunftausbrud, der doch wertiger Rebenbebeutung erweckt, unb mehr ald Eis

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gennamen erfcheint, in allen Schriften zu gebrauchen, Die auf Ueberfeßung in andere Sprachen Anſpruch wachen. Wuͤrde dadurch nicht eine große Schwierigfeit beim Ueber fegen vortrefflicher Schriften gehoben, und würde dadurch nicht das Vortreffliche einzelner Voͤlker um fo eher benutz⸗ bares Gemeingut?

Was nun die Ueberfegung unfrer Sprachtermen an geht, fo herrſcht in derfelben noch gar zu viel Wilfür, und wir müßten bei deutfcher Benennung erft den Grammatifer angeben, nach weldyem wir viefelben benennen; ja, es würde der Deutfche den Deutfchen nicht verfichen. Weiß denn jeder Deutfche, was ein Beinamen, ein Deutewort, Sondernamen, ein Werbendwort ıc. iſt? Aus dieſen Na⸗ men wird man ſchwerlich den beabfichtigten Begriff hers ausfiuden. Diefe Aenderung, welche wir feit einigen Jah⸗ ren in der Berbeutfchung dieſer Kunſtausdruͤcke erfahren haben, kann noch oft wiederkehren, da der Gebrauch diefer Ausdruͤcke hauptfächlich in der Gewalt der Lehrer if. Sft es denn rathſam die fremde Terminologie fo ganz zu ver Iaffen? Man wird mir noch einwerfen , daß dieſes wenig- ftens in Bauernfchulen gefchehen Tonne. Ach, man fei nur nicht fo fparfam mit dem Namen; der Ramen keſtet wenig Zeit, (wie wollte man fonft in der Geographie mit taufens ben Namen fertig werden?) der. Begriff: iſt es, der Die Mühe macht, und diefer wird am beften durch ein fremdes Wort individualifirt. Sch habe von jeher den allgemeinen und den deutſchen Namen gegeben, habe wich fehr gut das bei befunden, weil ich mich. um. fo. laͤnger bei her Feſtſtel⸗ lung des. Begriffe aufhalten Tonnte , und das freuske Wort an fich hat mir. niemals, fo viel ich weiß, Mühe gemacht. War dieſes wergeflen, fp war in ber Regel der Begriff auch dahin. Des Einmurf aber, daß ˖in der Bauernſchule Ausdruͤcke der Art. nicht: yjoͤthig feien, weil der Bauerknabe

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doch nicht weiter in der Sprache, als Wiffenfchaft betrachtet, fortfchreite, iſ unwürdig; denn der Deutfche foll nicht faftenmäßig, wie es der alte Aegypter that, die Bildung einzelner Stände hemmen: er foll viel mehr die Bildung allfeitig fördern; und wo.er einem Stande das Nöthige zufließen Läßt, da ſoll diefes als ein würdiger Theil des Ganzen feine Schranfen der Art erleiden. Iſt aber das Wort in dem Munde eines Bauern efelhaft, wie Einige meis nen: fo muß es auch vernünftigerweife der Begriff fein; denn das Wort ift der Berfündiger des Begriffs. Oder fann etwa der Bauer mit dem vieldeutigern und veränderlichern deutfchen Worte zufrieden fein? Es fcheint, Mancher denfe noch immer: „das ift für einen Bauer gut genug”. CVielleicht darum follen aud) die Ziffern beim Gefangunterricht ihn noch immer faftenmäßig befchränfen, und unter dem laͤcherlichen gehaltloſen Vorwande, es fei das Singen nach einer Ziffer wirklich leichter, als das nach einer Note’, gibt man ihm einen Theil, der von der holder Muftka werigften® in einem Hauptſtuͤcke abgefondert daſteht. Wie tief und klar hat ver verftorbette Prof. Maaß darüber geredet Und kann denn nicht aus einem Bauer ein Edelmann werben?! Ganz etwas anderes ift es, wenn in einzelnen Bauerſchulen feine Gram⸗ matik abſtrakt getrieben werden kann. Dort folk freilidy das Wort micht vorfommen, weif der Begriff nicht gegeben werden fol. Ich glaube uͤbrigens den Satz allgemein aufs fteffen zw koͤnnen, Baß jede Methode in ihren Ev leichterrngsmittelnſchkechterbings ben wahren Zweck der Wiſſenſchaft and Kunſt viht aus ven Angen verlieren, und daß in keinem dieſer Mittel eine Hemmung für den Fortſchritt in der Kunſt oder Wiſfenſchaft enthalten fein dürfe Wir gehen denn num zu den einzelnen Elaffen Aber.

120 10te EC laffe.

Kinder von 6 bis 7 Sahr.

Dieſe Claſſe erhält keinen andern Unterricht, als den in der Mutterfprache. Derfelbe zerfällt in vier Hauptuͤbun⸗ gen: in Lefenlernen, Vorleſen, Sprachuͤbung im engern Sinne und in Auswendiglernen verftändlicher Gedichte.

1. 2Zefenlernen

Täglich 2 Stunden.

| a) Buchſt abenkenntniß.

Die Schuͤler lernen die Buchſtaben an ihren Merkmalen kennen. Jeder Buchſtaben wird mit den uͤbrigen verglichen, und von ihnen unterſchieden. Da hier nur wenige Begriffe, als von einer geraden und krummen, feinen und groben Linie, einem Punkt und einem Haken erforderlich ſind: ſo moͤgen dieſe Uebungen am geeignetſten ſein, ben Mund ber Kinds lein zu Sffnen. Sch bin überzeugt, daß das Wefen ber Laut methode am meiften rafch und naturgemäß zum Ziele führt; aber eben darum lernen die Kinder Laut und Namen der Buchftaben, und nichts von der mücenfeigenden Analyfe: „BZungenlauter, Kadeler, Knaller ꝛc.“ einer ins Unvernuͤnf⸗ tige audgearteten Laut ier methode. Ausdrüde der Art moͤ⸗ gen in eine didleibige philofophifche Grammatik gehoͤ⸗ ren; hier find fie unnäß, fo fehr auch Mancher mit dies fem Kehrricht prahlt. Die Kinder Iernen jeden Buchftaben, der ihnen rein vorgefprochen wird, rein und Deutlich nach⸗ fprechen, und werden angehalten, das Ergebniß ihrer Bers

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gleichung richtig und deutlich, und darum nicht fchreiend vorzubringen. |

Einzelne fcherzhafte Vergleichungen werben ber Sache das Trocene benehmen. Da macht man aus einem Schä« ler ein i, r, r, aus mehren ein n, m, u, ec., macht auf das Daͤchlein des a, auf das Krauskoͤpfchen des k, auf das Aeuglein des e, auf das Sträußchen des f ıc., aufmerkſam. Bald muͤſſen die Merkmale gezeigt, oder mit weggewanbtem Gefichte angegeben werden; bald muß ber Schhler die Buchs ftaben in ihrer gewöhnlichen Reihenfolge, oder wie diefelben gerade jett an der Lefemafchine ftehen, ober wie fie in Sils ben und Wörtern im Buche vorkommen, möglichft ſchnell hins ter einander herfagen; bald mögen Einzelne, bald ganze Reihen ihr Probeftüct ablegen; bald mögen fie aus einem Buchftabenfchächtelchen, das jedes Kind vor ſich hat, bie angegebenen Buchftaben hervorlangen; bald mag der Lehrer, bald ein Schüler die Claſſe auffodern, irgend einen Buchſta⸗ ben auszufuchen oder anzuzeigen weswegen ein Gelb ter alfemal einen Ungeuͤbtern neben ſich ftehen haben kann; bald muß der Buchftaben gezeigt werben, von welchem bloß die Merkmale angegeben worden find ıc.

Uebungen der Art, jedoch ohne bie mindeſte Unordnung und bei gehoͤriger Stille angeſtellt, ſchaffen Abwechſelung, verkuͤrzen die Zeit, Öffnen die Sinne, geben Muth, und mas: chen den Schüler rührig. |

Täglich drei bis vier Uebungen ber Art von etwa 40 oder 30 Minuten Länge angeftellt, werben auch dem Unge⸗ wectern bafd zur Kenntniß der Buchftaben verhelfen, und einen guten Anfang im Vergleichen und im beftimmten Aus⸗ drüden des Erfannten machen. Jedoch hängt alles hier, wie überall, von der Präcifion, (Genauigkeit), Ordnung und Ruhe, die der Lehrer fodert, und von feiner Sinnigfeit,

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Bie nicht uͤbertreibt, wie von feiner Würde, Kindlichfeit, Nührigfeit, und von feinem eigenen frohen Gemüthe ab.

Sp geringfügig Uebungen der Art ſcheinen, fo find fie doch für das Kind von der größten Wichtigkeit, da der gan⸗ zen Seele des Kindes durch dieſe Uebungen die Richtung gegeben wird. Wird das Kind in den erftien Schuljahren ‚mit würdigem Ernfte und väterlicher Liebe an ftrenge Aufs merkſamkeit, an Fleiß, Rährigfeit, an beftimmten Ausbruch des Gedachten, an Stille, Ordnung und Artigfeit in Fried und Freude gewöhnt; ſchmeckt es die Früchte des Wohlwols lens, einer väterlichen Liebe des Lehrers: fo ift der Weg zu des Kindes einftigem Gluͤcke und zu feiner Gluͤckſeligkeit Doch fchon gut angefangen.

D Lehrer, gib deinen Kindlein Hand und Herz! | Ä

b) Verbindung der Buchftaben.

1) Der Lehrer feße einen Sonfonauten mit einem Vokale zufammen, mache befonders auf den Laut der einzelnen Buchſtaben aufmerffam, feße den Confonanten bald vor, bald nach jedem fämmtlicher angefetten Vokale, und gehe nicht eher von diefem Sonfonanten ab, bis die Kinder jede Zus fammenfeßung fchnell an der Lefemafchine, dann in einer andern Ordnung im Buche Iefen und aus dem Kopfe bucdhs ftakiren Finnen. Diefer Hebung geht aber allemal das Sil- Iabiren voraus, d. h. der Lehrer gibt nacheinander Die Nas men aufeinander folgender Buchflaben einer Silbe an, und ber Schüler verbindet dieſelbe.

Es laffen ſich auch hier mehrere dev vorher angegebes nen Abwechfelangen vornehmen; nur adıte der Lehrer dar auf; welche von denfelden den Schülern angenehm und darum nüblich find.

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2) Sobald die Kinder ohne Ausnahme im Stande find, jebe zwei zufammengefeßten Buchftaben ſchnell herzulefen, und aus dem Kopfe zu buchftabiren, feße er nadı dem erften Theile von Tillichs Elementarbuch, das unuͤbertrefflich zweck⸗ mäßig ift, mehre Buchftaben zufammen, fuche bei jeder Ue⸗ bung, erft an der Lefemafchine, dann in dem Buche, wie auch mit dem Kopfbuchftabiren ganz feinen Zweck zu erreis chen, und arbeite auf diefe Art jene Voruͤbung im Lefen mit Nührigfeit und Liebe zur Sache durch. Will der Lehrer ſich lieber firenge an die Regeln der Lautmethode, als an meine VBorfchläge halten, fo mag diefes geſchehen; nur vers nachlaͤßige er fpäter dann das Kopfbuchflabiren nit.

Sn einer gefüllten Elaffe mögen leicht einige zuruͤckblei⸗ ben. Diefe ftelle er ſich zunächft, wende auf diefe befondere Sorgfalt, oder unterrichte diefe allein, indem die Geuͤbtern ſich mit Zeichnen ꝛc. befchäftigen. Seine Abſicht fei, nicht ein einziges Kind zurüdzulaflen, es fei demfelben denn durch die größte Sorgfalt nicht nachzuhelfen, in welchem ganz bes fonderen Falle das Kind befler noch ein Sahr mit dem: Schulunterrichte wartet; denn fihreitet das Kind nicht. mit fort, fo finfen in demſelben ‚nicht felten Luft, Muth, Fleiß, Ruͤhrigkeit, Artigfeit, Sinn für das Gute, Edle und Schöne, und Gott weiß, was alles zufammen, und der es zum Verderben des Kindes iſt gelegt.

O Lehrer, ſei ein Vater, ein leitender En— gel deiner dir anvertrauten Unſchuld! Alles durch dich mit Gottes Huͤlfe! Du kannſt ein. Mittel in Gottes Hand fein! Bewahre, rette die junge Seele; führe fie dem erhabenen Geir fte entgegen!

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ce) Woörterlefen

Die Lefemafchine hat größtentheild ihren Zweck erreicht; nur die großen Buchflaben werben an berfelben ein wenig eingeuͤbt, und ein fchweres Wort wird durch allmähliges Hinzufügen und Ausiprechen der Buchftaben dieſes Wortes, zergliebert, wie dieſes die Lautmethode einfach angibt.

Jedes Stüd wird fo lange eingeuͤbt, bis es nicht allein der Reihe nach, fondern mit Ueberfchlagung einiger Wörter, - wie 3.8. das erfle, vierte das erſte, das lebte ıc. von jedem Schuler ohne Anftoß gelefen, und aus dem Kopfe buchftabirt werden kann. Diefe Hebung wird im Allgemeinen feine Schwies rigfeit machen, wenn der Unterricht im Geifte der Lautme⸗ thode voranfchreitet. Die Geuͤbtern feßten die Wörter aus ihrer Buchſtabenſchachtel zufammen, oder zeichnen, bis die Ungehbteren die gehörige Fertigkeit erlangt haben. Man . fheue dabei die Wiederholung nicht; das Kind muß die Wörter endlich auswendig wiſſen; denn es foll Die Namen für die in der Spracftunde aufgefaßten Begriffe fertig herſagen und Iefen können. Ein ordentliches Zufammenlefen, ein Wetteifern mehrerer Reihen oder Cinzelner, ein Zus fammenbuchftabiren aus dem Kopfe, ein Wetteifern Einzel- ner im Kopfbuchitabiren, ein Verändern des Wortes durch Borfekung, Auslaffung oder Hinzufügung eines einzelnen Buchſtabens, ein Aufmerffammachen auf den Begriff des Wortes, ein Angeben ähnlich lautender Wörter ꝛc. find auch hierbei Mittel, die Nührigkeit zu fördern. Kann jeder Schuͤ⸗ ler das Stüc fertig lefen, fo wird nachgefragt, ob die ges hörigen Begriffe, die in der Sprachuͤbungsſtunde vorgefoms men find, mit ben Wörtern verbunden werden, und es wirb da nachgeholfen, wo es fehlen follte; denn das Kind muß son feinem Stücde abgehen, ohne den Sinn beffelben moͤg⸗ lichſt klar erfaßt zu haben, indem es fonft den eigentlichen Zwed bes Lefenlernend aus den Augen verliert, und fih an

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einen geifttöbtenden Mechanismus gewöhnt; es foll fich viels mehr freuen, ein Wort Iefen zu koͤnnen, das ihm durch ben erfaßten Begriff lieb geworden ift. Man verftehe mich recht: erſt das Mechanifche des Stuͤcks, und bei gehdriger Fertigs feit Leben hineingebracht, nicht dDiellebung todt gelaffen, um den Mechanismus beffer verfolgen zu Finnen. So fchwer halt das Lefenlernen micht, und fo viel ift nicht an dem baldigen Können gelegen, daß das Kind immer nur den Mechanismus vor Augen haben müßte.

Iſt die Claſſe fehr groß, fo daß fie von dem Lehrer nicht überfehen werden kann: fo theile derfelbe die Schüler nach ihren Fähigkeiten in mehrere Abtheilungen, und laſſe das Mechanifche des Lefenlernens an Tafeln wie die Stes phanifche durch Munitore handhaben.

| d) Erftes Saßlefen.

Wir find jeßt in dem erften Theile von Tillichs vortreffli⸗ chem Lefebuche bis zu Nro. V gefommen, und rechnen dars auf, daß jeder Schäler fi im Stande fühlt, jedes Wort zu lefen, aus dem Kopfe zu buchflabiren, und den Begriff für das Wort zu finden. Mit dem Mechanismus des Les fenlernens find wir nun größtentheild fertig; der Schhler bedarf von nun an nur Uebung im fchnellen Erfaffen bes ganzen Worted. Diefe aber erfolgt hinreichend, wenn jeder kleine Abfchnitt fo lange zufammen und von Einzelnen aus dem Kopfe buchftabirt wird, bis derfelbe zur Fertigfeit ges bracht if. Die Hauptſache ift neben dem Lefenlernen bas Berftehen und Behalten der Säße; ftrenge Definitionen koͤn⸗ nen indeß von biefem Alter, das erft Material fammeln foll, nicht erwartet werben. In diefem Buche fchreite der Lehrer nun fo weit voran, als es Zeit und gehörige Gruͤnd⸗ lichkeit geflatten.

1% 2) Spradübung.

Täglich eine Stunde

Zu dieſem Zwede weiß ich feinen beffern Anleit, als das erwähnte Lefebuch des theuern, mir unvergeßlichen Tillich. Das Kind muß Begriffe. fammeln, und zu dem Ende Wörter lernen; ed muß mittelft diefer Begriffe ur⸗ theilen, alfo Säge bilden; ed muß Urtheile verbinden, alfo, wenn gleich nur Eleine, Perioden bilden Lernen.

Zu biefen drei Zweden, die für diefes Alter unendlich mehr werth find, als die dürftige Kenntniß der Wortarten ıc. (die man jedoch in foweit, als fie zur Nechtfchreibung noͤ⸗ thig ift, vornehmen kann) ift das Tillichſche Leſebuch zum Bewundern zwedimäßig. 9

Den Bang des Ganzen fann man leicht aus dem Buche erfehen: darum mache ich hier nur einige Bemerkungen,

a) Saͤmmtliche Wörter, die in dem Buche vorkommen, müffen von den Kindern beftmöglichft begriffen werben. Be⸗ zeichnet das Wort ein Conkretum, fo muß dem Kinde der Gegenftand als Körper oder ald Zeichnung gezeigt werden, ober der Lehrer muß denfelben einfach befchreiben, und wo thunlich, auf den Ort hinvermeifen, wo der Gegenfland von dem Kinde befehen werben fann. Bezeichnet aber das Wort einen abftraften Gegenftand, fo muß der Begriff wo möglich aus dem Eonfreten hergeleitet, mit dieſem verglichen, und endlih in Redensarten oder andern Säten vielfady angewendet werden.

*) Diefes Buch ift zwölf Jahr lang in’meiner ehemaligen Erziehungs: anftalt gebraucht worden, und ich habe mich in der Zeit vollkommen von feiner ganz vorzüglichen Zweckmaͤßigkeit, befonbers in Hinficht auf intenfive Sprahbildung , überzeugt.

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b) Sedes Wort fol Gelegenheit an die Hand geben, dem Kinde Kenntniffe von Dingen beizubringen, jeboch nur fo viel, als für das Alter deſſelben geeignet ift. Kennt ;. B. das Kind den Fifch, fo erzähle man ein Mehreres von den Fifchen, deren Nugen, von der Art, diefelben zu. fangen, vom Fifcher, Fifchneg, der Fifchangel, dem Fifcherfahn, Fiſchreuſe ıc. Das Kind fol von jedem Worte viel zu fas gen wiffen; es fol in diefer Stunde, ohne alle Ordnung, wie es fommt, fich eine Menge Sachfenntnifle fammeln.

c) Das Kind Ierne wo möglich erft einige Wörter abs feiten, und der Lehrer ftelle feine Fragen auf die Art, daß der Schüler das verwandte Wort angeben muͤſſe. 3.2. Wer fängt die Fiſche? Womit fängt man Fiſche? Wodurd fommt der Fifcher nach einem Fifchreus, das weit vom Ufer entfernt liegt? ꝛc. Auch kehre er die Frage um, fo daß bie Erklärung gegeben werden muͤſſe. 3.8. Was ift ein Fiſch⸗ reus, ein Fifcher, ein Fiſch?

d) Der Lehrer fuche mit feinen Schülern, wo thunlich, die ganze Wortfamilie auf. Zu dem Ende wiederhole er die Abfchnitte II bis V, und gebrauche jedes Wort dazu. Im Anfang wird das Verſtehen der Partifeln Mühe mas chen; indeffen hilft das Buch fehr zweckmaͤßig; und find diefe Silben einmal begriffen, fo fällt das Ableiten nicht mehr ſchwer, und wird .eine befonder& angenehme und fehr fruchtbare Uebung. |

e) Bei der Zufammmenfeßung richte fih der Lehrer nach den vortrefflichen Regeln, die Seidenftüder in feiner Vorarbeit zu einer kritifchen Grammatif und in feinem Nachlaß unter der Rubrif: „Ueber einige fontaftifche Duns kelheiten“ und „Ueber die breitheilige Zufammenfegung”’ ges geben hat. Webrigens rathe ich jedem Lehrer, ein treues Studium des Naclaffes von diefem tiefen Sprachforſchen

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an. Geibenftüder hat es verftanden,: die vortrefflichiten Re⸗ geln aus dem Geift und Körper ber Sprache herauszufinden.

f) Macht der Lehrer die Kinder beildufig mit ben vors züglichften Wortarten befannt, fo laffe er vor Allem die En dungen derfelben und beren Bedeutung mit Aufmerkſamkeit auffaflen. |

8) Der. Sabbau kann noch nicht grammatifch Durchges nommen werben. Das Kind fol die Säge aus Tillich nur oft hören, verftehen lernen, und fpäterhin oft leſen, um fein Spracgefühl zu bilden: es muß Säte bilden, ohne ſich der Regel bewußt zu fein. Sind aber die Saͤtze verftanden und eingehbt, fo mag der Schüler aufgefodert werden, nach Ans gabe einiger vorzäglichen Woͤrter, Säte zu bilden. 3.8. Löwe, Pfoten Der Löwe hat Pfoten; oder: Der Löwe ann mit feinen Pfoten Tagen) große Thiere todt fchlagen ; oder: Ohren, Efel, lang Die Ohren des Efeld find lang; oder durch Frage, welche vollftändig beantwortet werben muß: Wie find die Ohren des Eſels? Welche Ohren find lang? Welche Körpertheile des Eſels find lang?

h) Zum Schluß fängt der Tehrer noch einmal auf Seite 20 an, und läßt von jedem Worte Saͤtze bilden, wobei ſich zeigen wird, ob die Schüler durch feine Erflärungen ſich viele Sachkenntniffe gefammelt haben.

3) Borlefen.

Taͤglich 1 Stunde Hierzu wähle ber Lehrer die Taͤndeleien von Loͤhr, welche für dieſes Alter zur Entwidelung bed Verſtandes, des Ges muͤthes, und insbefondere auch der Sprache von unausſprech⸗

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lich großem Werthe find. Der Lehrer Kaffe ſich nur nicht durch den Titel: „Taͤndeleien“ abfehreden; biefen Namen hat die .‚Befcheidenheit dem Buche eines vortrefflichen Paͤda⸗ gogen gegeben. Der kindliche Lehrer wird etwas anderes’ als Tändelei, er wird in demfelben eine Menge konkreter Bilder finden, die ein Abftraftes ahnen laſſen, oder auch ſchon ins Abſtrakte führen... Es gibt von dieſem Buche eine ſehr wohlfeile und eine ſehr theure Ausgabe.

Geht der Lehrer dieſe Stuͤcke Satz fuͤr Satz auf die Art durch, daß er in jedem Satze, ja in jedem Worte ver⸗ ſtanden wird; ergreift ihn die reine Unſchuld, die in dieſen Erzaͤhlungen herrſcht; ermuntert ihn die Entfaltung des ju⸗ gendlichen Geiſtes, ſo daß er Jegliches hervorſucht, um das Herz, den Verſtand ſeiner Schuͤler auf eine gemuͤthliche, ſin⸗ nige Art zu bilden, und das Ganze dem Gedaͤchtniſſe und der Einbildungskraft ſeiner Schuͤler einzuverleiben, wozu auch ein Wiedererzaͤhlen, oder ein umſtaͤndliches Angeben der Einzelheiten erforderlich ſein moͤchte; wird das ganze Buch auf dieſe Art durchgearbeitet: ſo kann es nicht anders ſein, der Schuͤler muß eine große Anzahl ſchon abſtrakter Begriffe ſich ſammeln, und in denſelben ſich ausdruͤcken lernen; der Lehrer wird das Gefuͤhl der Liebe, Dankbarkeit und Ehr⸗ furcht durch dieſe Erzaͤhlungen und durch ſeine Unterhaltun⸗ gen daruͤber in dem Kinde aufregen, und daſſelbe dadurch fuͤr einen ordentlichen Religionsunterricht empfaͤnglicher machen.

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4) Gedichtlernen.

Taͤglich 1 Stunde. Hierzu wüßte ich fein befferes Buch, als die Kinderge⸗ dichte von Lieth (Baͤdeker in Eſſen). Die Gefühle der Liebe, i

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des Danfes und der Ehrfurcht werben in diefen Gedichten im einfachen, fchönen, edlen Gewande vor die Einbildungs⸗ kraft des Kindes gebracht, und dadurch in feinem innerften Herzen aufgeregt. Wenn in den Erzählungen von Löhr biefe Gefühle an anderen Kindern als liebenswuͤrdig erfcheis nen, fo liegt in diefen Gedichten fchon eine höhere Anficht: ed ift die Gemeinfchaft mit höheren Geiftern, mit reinen Engeln, die Alles, was unebel und unrein ift, weit von fich zuruͤckſcheucht. Nicht zu früh kann man dieſes Gefühl in dem ihm verwandten unfchuldigen Herzen entwideln und nähren, damit die Seele des Kindes ganz von demſelben erfüllt, ja durchdrungen werde. Gar Leicht koͤnnte man, diefen Sat ohne Einfchränfung genommen, in den Fehler der Empfindelei und ber Phantafterei verfallen; indeflen find dieſe Gedichte. wicht son der Art, daß mit Gefühlen gefpielt würde; es herrfcht: reine Manneswuͤrde und Find» liche Einfalt in denſelben; und fucht nur der Lehrer nicht aus dieſen Schranfen zu treten, fo werben dieſe Gedichte unftreitig nur das Beſte wirken Eönnen.

Der Lehrer fange mit den verftändlichiten Gedichten an, und erläutere jeden Vers berfelben, fei e8 durch Sagen oder Fragen, und zwar um nichts mehr, als es der Zweck des Verſes verlangt. Wird der Vers verftanden, fo fage er denfelben einigemal deutlich und mit natürlichem Ausdruck vor, und fodere die Elaffe auf, den Vers mit eben bemfels ben Ausdrud zachzufprechen. Im Anfange wird dieſes von den Kindern mit einer gewiffen Schüchternheit und Unbe⸗ holfenheit gefchehen ; allein die muthigeren werden bald nady fprechen und die zaghafteren folgen. Der Vers werde nun fo oft gemeinfchaftlich wiederholt, bis er von allen behalten iſt, und mit natürlichen Ausdruck hergefagt werden kann. Es folge dann der naͤchſte Vers, und ift das Gedicht nicht zu lang, fo mögen die Kinder es ganz lernen. In naͤchſter

er

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Stunde des andern Tages wird das Gedicht wiederholt, und jedes Kind mag dann ein Verschen ſchoͤn herzufagen ſich bemühen, worauf denn ein anderes Gedicht eingelernt wird. Können die Kinder deren mehrere, fo werden Diefe von Zeit zu Zeit wiederholt, damit Feines derfelben vergef- fen und die Deflamation der Kinder freier werbe. Der Leh—⸗ rer wird dann, wenn er dad Ganze gut behandelt, gar bald befondere Liebe zu diefen Gedichten und den wachfenden Muth gewahren, mit welchem viefelben von ben Kindern - auswendig hergefagt werben. Ich felbit habe dieſe Gedichte mit der unterften Claſſe meiner vormaligen Anftalt durchgear- beitet, und darf fagen, daß fie mir felige Stunden bereitet haben. - '

Hundertmal find’ mir bei Entwicelung dieſer Gedichte und bei Einuͤbung derfelben die Thränen in die Augen ge fommen: ed war mir oft, als wäre ich das verftändigfte Kind unter den Kindern, oft, ald wäre ich ein hoher Geift, - der ihnen ind Herz zu reden vermochte. Sa, warım follte ich mich fchämen, es zu fagen? es war mir oft wunderfam zu Muthe. Das that die reine, kindliche Einfalt, die allent halben in dieſen Gedichten fich ausfpricht, und mir den Mund öffnete; das that Die außerordentliche Aufmerkſamkeit ſaͤmmt⸗ licher Kinder, und die ganz befondere Liebe derfelben zu den Gedichten. O, fühlender Lehrer, nimm diefe Gedichte mit einfältigem Herzen auf, arbeite diefelben finnig durch, und fage mir, ob ich falfch geurtheilt, wenn ich behaupte, daß fie in das Innerſte des Kindes gehen und arbeiten: feine Sprache bereichern, reinigen, verebeln, feine Phantafie mit lieblichen, nicht uͤberſpannten Bildern erfüllen, und fein Ge⸗ dächtniß auf eine fruchtbare Weife üben. Gelangt das Kind mit der Zeit zum Lefen, fo läßt ſichs leicht denken, was auch Erfahrung mir ſchon zur Genuͤge bewiefen hat, daß fie das felbft ſchoͤn zu Tefen, für fech zu wiederholen wuͤnſchen, was

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fie in der Schule auf eine fo leichte und angenehme Art ge- lernt haben.

Da nun nadı Verlauf eines Sahres diefe Claſſe einen großen Theil des erften Leſebuches durchgeleſen haben wird, dieſes alled vorher in ben Sprachuͤbungsſtunden vielfältig befprochen ift, das Kind eine Menge Erzählungen angehört und verftanden, eine Menge Sacherklaͤrungen aufgefaßt hat, und eine bedeutende Anzahl Gedichte auswendig herzufagen weiß: fo ift in dem erften Schuliahre, in Hinficht auf feine Spradbildung, auf die Entwidelung feined Berftandes, An⸗ regung feiner Phantafie, Anklang der edelften Gefühle, Lies bung feines Gebädhtniffes, und, wenn übrigens eine humane Schulzucht geherrfcht hat, auf Gewähnung an alles Gute ein Hinreichendes gefchehen. Hierzu iſt nun die Schulzeit von fünf Stunden täglich, mit Ausſchluß des Mittwochs und Sonnabends Rachmittag benugt worden. An dem Morgen befagter Tage werben die vier Gegenftände in fünf gleichen Zeittheilen gelehrt, fo daß mit dem Lefeunterricht angefans gen und gefchloffen wird. Daffelbe gilt von den naͤchſt fol⸗ genden Elaffen. Kür Lehrer, welche glauben, das Kind mäffe in dieſem Alter ſchon eine Handfertigfeit in der Schule _ treiben, bleiben noch vier Stunden i woͤchentlich zum Gebrauch dazu uͤbrig.

gte&laffe

Kinder von 7 bis 8 Sahr. Auch in dieſer Elaffe wird nur der Unterricht in der Mutterfprache betrieben, wobei jebocdh, wie in der untern Elaſſe, manche andere Zwede erreicht werben. Diefer Um

133°

terricht zerfällt, wie in ber unterften Claſſe, in Lefenlernen, in Sprachäbung im engern Sinne, in Borlefen und in Auswendiglernen zwedmäßiger Gedichte.

1. 8Xefenlernen

Täglih 2 Stunden.

Die Lefehbungen in Tillich werden fortgefegt, und zwar. bie zu Ende des zweiten Theiles. Zuerft Lieft jeder von dem Lehrer aufgerufene Schüler einen Satz; dann wird das Stüd gemeinfchaftlich gelefen, aber nicht in einem fingenden, fons dern natürlichen Tone, und zwar wie in der unterften Elaffe erft folabifch und Dann mit natürlichem Ausdruck, und die, fe8 wiederum erft langfam und bann mit gewöhnlicher Schnelligkeit, etwa fo, wie deutlich gefprochen wird. Dabei wird jeder Schüler fortwährend angehalten, jedes Wort recht deutlich, aber nicht überlaut auszufprechen. Dann wird ein. großer Theil des Gelefenen abwechfelnd bald zu⸗ fammen, bald von Einzelnen, aus dem Kopfe buchitabirt, das Ganze noch einmal zufammen, und zum Schluffe von Einzelnen theilweife moͤglichſt ſchoͤn gelefen.

Finden fich ſchwache Schüler, fo fchreiben im Anfange der folgenden Lefeflunde die Geuͤbtern auf Schiefertafeln, und die Ungeäbtern arbeiten bas folgende Stüd, nicht das vorher durchgearbeitete‘, fhon zum voraus durch, wo dann die einzelnen Woͤrter befonders burchgenommen werden, Das mit fie mit Nutzen der:folgenden Hebung der ganzen Claffe beiwohnen koͤnnen. Diefe Bemerkung gilt auch. für Die ums terfte, wie für die noch folgende Elaffe. Iſt ein. ganzer Abs ſchnitt durchgelefen, fo wird er wiederholt, die Schüler müfs fen, wie bei den einzelnen Stücken, die behaltenen Säge an⸗

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geben, das Ganze wird wiederum, jedoch nur kurz beſprochen, und die Schuͤler muͤſſen die geleſenen Saͤtze entweder auf eine Frage, oder nach Angabe einiger Woͤrter nochmals alle herſagen.

Schreitet jeder Schuͤler auf dieſe Weiſe mit Sicherheit voran; macht der Lehrer ihn zu Zeiten auf ſeine Fortſchritte im Leſen beſonders dadurch aufmerkſam, daß er das in der Vorleſeſtunde vorgeleſene Stuͤck von Einzelnen leſen laͤßt; ſtellt er die Sache, die geleſen wird, nicht in den Hinter⸗ grund, ſondern erinnert er vielmehr hier und dort an ſeine Auseinanderſetzungen dieſer Gegenſtaͤnde in der ſtets dem Lefen vorſchreitenden Sprachuͤbungsſtunde; dringt er auf ein. natürliches Zufammenlefen, und erhält er einen Wetteis fer ganzer Reihen und Einzelner; iſt er auf eine finnige Art rührig und munter: fo muß eine folche Handhabung des Lefeunterrichtes den Schüler mit Freuden fördern. Man glaube nicht, daß die Öftere Wiederholung dem Kinde lang- weilig werde; das Kind vergißt vieles nur zu bald, und eine oͤftere Wiederholung wird darum natuͤrlich.

2) Sprachübunng.

Taͤglich 1 Stunde.

Der Lehrer nehme nun den ganzen Tillich durch, ſehe darauf, daß jedes Wort, jeder Satz verſtanden werde, und mache, wo es angeht, auf die leichteſten Synonimen auf⸗ merkſam. Bei den Fuͤrwoͤrtern insbeſondere frage er ſehr ſorgfaͤltig nach, ob die Kinder ſtets dasjenige Hauptwort anzugeben wiſſen, deſſen Stellvertreter es iſt. Vorzuͤglichen Fleiß wende er auf die Bindewoͤrter im Abſchnitt IX, und

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merfe ficy die mufterhafte Anordnung der Gebanfen, um die Bindeworter anfchaulich zu machen. Dabes fann der Lehrer verfuchen, ob der Schüler fchon im Stande ift, Säte nach Angabe eined Bindewortes zu bilden. Sm Gans zen aber wird diefe Hebung noch nicht gefodert, da die erfte Durcharbeitung des Buches nur Material geben, das Sprachgefühl bilden und Sachfenntniffe verſchaffen fol, welche Dinge nothwendig fi nd, wenn der Schüler Säße bilden Ternen fol.

Zweckmaͤßig aber wird es fein, wenn der Lehrer bei jedem Worte, das er erflären muß, die ganze Wortfamilie angibt oder auffuchen läßt; denn das Kind foll bei diefer Sprachuͤbung fo viel Wörter unfrer Sprache lernen, als es möglich iſt.

Auf dieſelbe Art arbeite er den zweiten Theil durch; jedoch muß ich uͤber denſelben noch einiges ſagen.

In dieſem Theile finden ſich drei Hauptuͤbungen; naͤm⸗ lich die mit dem Artikel, der Praͤpoſition und dem Fuͤrwort. Die Uebungen mit.dem Artikel find ſehr zweckmaͤßig; das Kind lernt dadurch manchen Begriff in die naͤchſte hoͤhere Ordnung bringen, eine Uebung, die allem Definiren vorher⸗ gehen muß, und die einer Schule nicht genug anempfohlen werden kann. Dieſe Claſſe ſoll das Vorgeleſene verſtehen und etwa nach Einuͤbung eines Stuͤcks unkuͤnſtliche Fragen beantworten lernen. 3. B. Was iſt der Trunk dem Dur⸗ ftigen? Wem ift der Trunk ein Labfal? Was ıfl dem Durftigen ein Labfal? Diefe Fragen find hier beftimmt genug,:wo dieſe Site eingehbt. und ‚bereits verftändlich ges macht worden ſind. Dad Kind antwortet in vollftändigen Saͤtzen.

Die 100 Seiten Beifpiefe über Präpofitionen, und die 58 Seiten Beifpiele über Fuͤrwoͤrter find ganz vortreff⸗ lich. . Die Fehler, welche hier und dort gegen den feinern.

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Gebrauch des Artifeld, der Vor⸗ und Fuͤrwoͤrter gemacht worden find, koͤnnen leicht ausgemaͤrzt werden,

Lernt das Kind alle dieſe Site über Artikel, Praͤpo⸗ ſitionen und Pronomen nur verftehen; Lieft es dieſelben fo oft, daß es die Beifpiele faft auswendig herfagen kann: fo muß es fchon dadurch den Geift diefer Wortarten, ohne denfelben jedoch ausfprechen zu koͤnnen, ziemlich tief er: fafien, und fein Sprachgefuͤhl, das jeßt ſchon taufende Fehr fer vermeiden laͤßt, fo wie das zweckmaͤßige Material, das ed gefammelt hat, machen e8 für einen ordentlichen Linters richt in der Grammatik empfaͤnglich.

sid

3) Borlefen.

Täglih eine Stunde

Für diefe Elaffe eignen fich die gemüthlichen, finnigen Plaudereien von Loͤhr. Das Kind fammelt durch aufmerf- fames Anhören diefer Erzählungen eine Menge anziehender Bilder, die ganz befonders zwedmäßig auf das fittliche Ge; fühl deffelben wirken; da das Kind in diefen Bildern gleich- fam Iebt, ein Umftand, der, ich möchte wol fagen, noth⸗ wendig ift, wenn es mit der fittlihen Erziehung zu einem ordentlichen Ergebniß fommen fol.

Wie in der vorigen Claffe lefe der Lehrer die Erzähr Iung langſam, deutlich und mit natürlichem Ausdrude vor, (das Kind muß faft nicht merken, daß der Lehrer lieſt) ers Eläre jedes neu hinzugefommene Wort durch Sagen, Fras gen und Uebung im Gebrauch , jedoch möglichft kurz , gehe nicht eher von dem Gabe ab, bis derfelbe von Allen Klar verflanden ift, Kaffe. die Lehren aus jeglichem Stüd aufſu⸗ hen, präge diefelben dem Herzen. tief ein nur fein Worts

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ſchwall, fein langes Moralifiren) laſſe fich das Borgelefene, nach gehörigem Durchfragen,, von Einzelnen theilweife,, in moͤglichſt richtiger und beftimmter Sprache erzählen und laſſe Einige das vorgelefene Stück leſen. |

Befleißigt fich der Lehrer in allem fo einfach und na⸗ türlich mit den Kindern zu fprechen, wie dieſe Bücher ihm bewundernswerth mufterhaft den Weg zeigen: fo Tann ee nicht fehlen, das Kind muß in NRücdficht auf Ausbildung feiner Sprache, feines fittlichen Gefühls, feines Berftandes fihere Fortfchritte machen, und die größte Zuneigung zu dieſem Gegenftande fallen , die doch nothwendig ift, wenn des Kindes Seele gehoben werden fol.

4) Gedichtlernen.

Taäͤglich 1 Stunde.

In diefer Elaffe werden die Fabeln und Erzählungen der Sammlung von Wagener gemeinfchaftlich eingelernt; jedoch kann das Kind, das bereits fertig Iefen kann, fid) zu Haufe fchon ein wenig nachhelfen. Der Lehrer laſſe die leichtern Stüde vorangehen und die fchwerern folgen , und wähle überhaupt fein Stud, das er nicht in feinen einzel: nen Theilen verftändlich machen kann.

Aengftlichkeit in diefem Stüde iſt zwar, wie Aengftlichs feit überhaupt, nicht heilfam; aber ber Lehrer bedenfe nur, wie bei ber forgfältigften Behandlung Vielen mehr unvers ftändlich bleibt, als er ed in der Negel glaubt, und dei wegen würbe Geringfchäßung dieſer Gruͤndlichkeit unver merkt zu einem todten Mechanismus führen. Diefe Erklaͤ⸗ rungen nehmen im Durchfchnitt wenig Zeit fort, wenn ber Lehrer das Kind fchon in der unterften Claſſe alles mit Bes

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ſtimmtheit und Klarheit hat auffallen laſſen, und auf diefe Art mit jedem neuen Begriff ftät fortgefchritten ift. Dabei achte man nur darauf, daß man nicht mehr über den Gegenftand « fprechen muß, als es der Sinn dieſes zu erflärenden Ver⸗ fes verlangt; denn ich bin überzeugt, ein Mehres davon, eine übertriebene Gründlichfeit, verdunfelt den Sinn in der Regel, und aud darum muß die allfeitige Anficht von Einzeldingen nach und nad in dem Kinde wachfen. Tritt 3. B. bei jedem Begriff immer nur die Definition auf, fo wird das Kind die feinern Schattierungen- deffelben weniger fühlen. | |

Ganz anders aber verhält es fich mit dem Hauptbe⸗ griff, welcher der Fabel zum Grunde liegt; dieſer ſoll viel feitig aufgefaßt werden.

Diefe Gedichte reichen dem Kinde nun wieder einige hundert Hauptbilder zur Bildung des Herzens und Ver⸗ ftandes, und zwar in poetifchem Gewande; fie eignen fich vorzüglich dazu, abftracte Begriffe ganz vor Die innere Ans ſchauung zu bringen, und diefe würdig von Verſtand, Ge muͤth und Phantafle auffaffen zu laffen. Die Biene und die Hummel ftellen dort Fleiß und Traͤgheit var: Phylar den Geiz; Srin den Tugendhaften; Sohann der Sei⸗ fenfiedeer die Genuͤgſamkeit; der fterbende Greis, ber brave Mann den Edeln; Kiefun den zärtlich Lie benden Sohn; der Freund, und Leander und Selin den Freund; die Schildfrdte und der Skorpion Arglofigfeit und Tüde; der Phoͤnir den zarten Geber; Zuta Zaraf den Tyrannen; der arme Greis Hartherzigkeit und Mitleid; Ibrahim die Großmuth; Amint den Wahrs heitöfreund; der Adler , das Schwein und die Kate die Falſchheit; der Hecht und die Betſchweſter den Schein- heiligen: die Schlange den Berläumber; der arme Mann und fein Kind die Ehrlichkeit; die treue Dogge den

Prahler und die Treue; Mylord die Mißgunft ıc.; Der Schwan und die Krähen Neid und Schabenfreude; das Schickſal die Vorfehung ꝛc. O, weld ein reicdyer Stoff in diefer Sammlung! Wie oft habe ich in meinem Herzen den edlen Berfaflern und dem Sammler innig gedankt! Es möchte wol nicht möglich fein, auf irgend einem andern Wege dieſe abftraften Begriffe klarer und angenehmer vors zuftellen, und zugleich fo behaltlich zu machen. Wenn Der finitionen, auf die befte Art entwidelt, oft wieder dem Ges dächtniffe entfchwinden, fo müffen biefe Begriffe bleiben, da ihr ſchoͤnes Kleid der ganzen Seele des Kindes mit eingeprägt wurde. Der Sammler folcher Bil der. hat darum fir jeden abftraften Begriffic. das ſchoͤnſte, verftändlichfte, fcharf bezeichnendfte und im gefälligften Rhythmus dargeftellte, alfo das vollfommenfte auszuwählen, und nur dann mehre neben einander zu ftellen,, wenn diefe ſich ergänzen, in welchem leßtern Falle diefe durch die Bes zeichnung a, b, ce, ıc. verbunden werben müßten, damit des Lehrers Aufmerkſamkeit darauf gelenkt würde. Statt der geroohnlichen Verbefferungen jener Gedichte gäbe der den⸗ fende Sammler beffer eine tüchtige Abhandlung über den Gebrauch, viele einzelne Bemerkungen, Definitionen als Zugabe für den Lehrer.

Möchten unfre Dichter dem unfterblichen Gellert ıc. folgen, und unfre Schulen mit einfachen, aber umfaſſenden Darftellungen einzelner Begriffe oder Wahrheiten in anzies henden Bildern bereichern. Sch erinnere hier nur an bie Betſchweſter, an ben Schwan. und die Krähen, an bie Tabaföpfeife, an den Adler, das Schwein und die Kabexc. Wie Homer feine Helden durch Thaten ſchildert; alfo auch der Fabeldichter”

Gerade durch diefe Bilder foll der Grund für Fünftige fcharfe Definitionen gelegt werben; der Schüler erhält das

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durch ein Material, aus welchem er beim Definiren bie Data künftig hernehmen fol.

Ueber dad Auswendiglernen dieſer Stuͤcke noch fol⸗ gendes:

1) Man verlange nicht von dem Kinde, daß es zu Hauſe viel auswendig lerne; nur der Nachlaͤßige und Traͤge muß das zu Hauſe nachholen, was er in der Schule ver⸗ ſaͤumt; nicht aber allemal der, dem das Auswendiglernen ſchwer faͤllt. Thut Letzterer zu Hauſe ſein Beſtes, ſo iſt das um ſo angenehmer.

D Laßt ein nicht unbedeutender Theil der Claſſe in Luft und Eifer zu diefem Answendigfernen nach, fo hat ber Lehrer die Schuld: er. treibt den Gegenftand dann vielleicht mechanifch,, oder er Äbertreibt ıc. Dann Ienfe er bei Zeiten ein, betreibe die Sache mit mehr Sntereffe, oder bleibe im lestern Falle fo lange an dem Stuͤck bis ganz mit- telmäßige Köpfe baffelbe verftehen und auswendig wiſſen, nnd Die fähigeren ed dagegen fchön herfagen koͤnnen.

3) Um die Luft zu erhalten, Lafje er zuweilen einzelne Bänke wetteifernd abwechjeln, fage ed von Zeit zu Zeit felbft her, und fodere dann Einzelne auf, Theile des Stüßs kes herzufagen.

4) Iſt das Städ hinreichend eingeht, fo fodere der Lehrer Einige auf, den Inhalt deffelben mit eigenen Wor⸗ ten zu erzählen, wobei der Lehrer auf Bildung ordentlicher Säge und Überhaupt auf Beſtimmtheit des Ausdrucks ach⸗ ten muß.

5) In der letztern Stunde der Woche werden die ge⸗ lernten Stuͤcke wiederholt, und zum Schluſſe des Monats und des Vierteljahres wird eine aͤhnliche Wiederholung an⸗

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geftellt. Da diefe Wiederholungen als deflamatorifche Ue⸗ bungen behandelt werben, fo fürdte man feinen Efel au der Wiederholung,

ho ——— } 5) Sefang

Zu Anfang der meiften Lehrftunden werbe von biefer, wie auch von ber vorigen Claſſe ein Liedchen nach dem Gehoͤr gefungen. Ganz befonders eignen fich die voräbens den Lieber von Carl Gläfer (Lieths Kindergedichterc.) dazu. Der Lehrer muß dieſen Gefang mit der Orgel, wenn dies felbe auch nur ein gutes, durchdringended Regifter halten follte, ober noch beffer mit der Violine begleiten. Wie ift es möglich, an der Zwechmäßigfeit des Gebrauchs der Bios line beim Gefangunterricht zu zweifeln! Welcher vernünfs tige Lehrer wird denn ſtets worfgielen, wie vorfingen, wenn feine Schüler treffen und ſchoͤn fingen Iernen folen! Wenn vom Gebrauch der Violine gefprochen wird, fo denkt man fich diefelbe nicht in der Hand eined Automaten, fondern in der eines verftändigen Lehrers. Gegen den fchlechten Gebrauch der Violine laͤßt fich etwas Bernänftiges fagen, aber darum muß man ben Gebrauch diefes Inſtrumentes nicht geradezu verwerfen. Der Lehrer halte auf Abgewoͤh⸗ nung der Fehler, als des Schreiend, Fiſtulirens, des Ziehend der Töne, und gewähne- dagegen die Kinder mit gedämpfter Bruftftimme möglichit rein und ſchoͤn zu fingen. Auch wird es nüblich fein, von den Kindern felbft den Takt mit der Hand anftändig und richtig fchlagen zu Taflen.

142 ste Elaffe

Kinder von 8 big 9 Sahr.

In den beiden untern Claſſen find die Empfindungen der Liebe, des Danfes und der Ehrfurcht gewedt, und überhaupt ift dort das fittliche Gefühl täglich in mehr als zwei Stunden in Anfpruch genommen; das Kind hat die fchönften für fein Alter paflenden Bilder in ſich aufgenoms men, und zwei Sahre hindurch, fo zu fagen, in Diefen Bil; dern gelebt; es find bie erften religisfen Wahrheiten bei hundert Beranlaffungen ſchon oͤfter befprochen, und Ber-

ftand und Sprache des Kindes haben die befte Voruͤbung erhalten. Sept ift das Kind fähig, einen ordentlichen Relis gionsunterricht zu empfangen , der aber darum noch keines⸗ weges einen abftraften Bang nehmen barf, fondern in leid’ ten, Bildern gegeben werden muß. Dazu diene die biblifche Gefchichte. Da der Schüler nun fo weit im Lefen gefom- men ift, daß er fich durch baffelbe belehren kann, fo ift der Lefennterricht mit dieſem Gegenftande in Verbindung zu brins gen. Diefe Schüler Finnen täglich ſechs Stunden Unter; richt erhalten, und dafür werde den vorigen Gegenſtaͤnden noch das Schreibenlernen hinzugefuͤgt.

me 1. Biblifche Geſchichte und Leſen.

Taͤglich 2 Stunden.

Lehrer! dieſer Gegenſtand erfodert die ganze Kraft deiner Seele; hier gilt es hohe Wuͤrde mit Einfalt des ganzen Weſens in Harmonie zu bringen; hier wird Leben⸗ digkeit der Darſtellung, Praͤciſion des Vortrags im einfach⸗

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ften Stil gefodert. Haft du die durchgearbeiteten Muſter der angeführten Schulbücher deinem Gemüthe eingeprägt, und fehlt e8 dir dann nicht an Kenntniß der Sadıe, an Phantafie, Darftelungsgabe und Ernft in dem hohen Ger genftande: fo wirft du mit Segen arbeiten. Mein Bor

fchlag ift ber:

Der Lehrer wähle die vortreffliche biblifche Geſchichte von Kohlrauſch, da diefe einen fehr zwedmäßigen Auszug der Bilder des heiligen Buches enthält, und ver Verfaſſer die Sprache der Bibel ganz beibehalten hat. Nachdem ver Lehrer das Stüd forgfältig durchgelefen und durchdacht hat, fchildere er daflelbe, und zwar fo, daß ein möglichit voll⸗ ftändiges Bild vor den geiftigen Augen bes Kindes entitehe, Zu dem Ende lafle der Lehrer manchen an fi) unwichtigen Segenftand, der jedoch der Sache Leben gibt, nidyt aber gegen die Würde und Wahrheit der Bibel :fein muß, mit einfließen, führe das Kind bei jedem lehrreichen Punkte recht nahe vorbei, verweile dort mit dem felben, ohne gerade bie Lehre-immer auszufprechen; Furz, er ftefe aus dem. oft nur fragmentariſch Angegebenen ein Ganzes auf im Geifte der Bibel. Freilich ift dieſes ſchwer, allein ein treued Studium der Charakteriftif von Niemeyer, des Geiſtes der Bibel für Schule und Haus von Erbmann Engel, der biblifchen Gefchichte von Hebel, von Ewald, ein inniges Auffaffen biblifcher Spyllen, wie etwa der Tod Abels von Geßner, der biblifchen Idyllen ber Baroline Pick Ser, des Feitbüchleins von Krummacher , der biblifchen Er; zählung von Nonne, (Nenjahrbüchlein. für das Sahr 1824.- Schwelm) vortrefflicher Gemälde biblifcher Stuͤcke; le⸗ bendiges Gefühl für diefen Gegenftand und eigene Phantas fie Eönnen wol den Lehrer auf einen Standpunkt heben, von welchem er mächtig auf die Sugend wirfen Tann.

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Man glaube nicht, daß mein Wunſch dahin ginge, writ der Jugend zu empfinden ober zu ſchwaͤrmen. Nein, das bieße fi) an dem Geifte der Jugend ſchwer verfündigen; die Sache fol nur auf eine anziehende Art vor Die geiftige Anſchauung gebracht, fol dem Gemäthe, der Phantafie und dem Gedächtniffe eingeprägt, und da wo thunlich, dem Bew ftande Elar werden. Eben fo wenig, als ein ſchoͤnes, finn» reiches Gemälde einer biblifchen Begebenheit, eine biblifche Idylle Schwärmerei weden foll, eben fo wenig darf bie Schilderung des Lehrerd zur Phantafterei und zur Empfins delei führen; fondern beide follen vielmehr wohlthätig ers wärmen und den Gegenftand als unaunsloͤſchlich in die Seele tragen. Spräche aus dem Lehrer etwa ein Geift, wie aus Krummachers Parabeln, fo möchte nach meiner Anſicht am meiften gewirkt werben.

Möchte es kindlich denkenden und fühlenden Theologen doch gefallen, uns mit Muſtern der Art, die aber eben des⸗ wegen ſcharf gezeichnet und nicht zu aͤngſtlich und weitlaͤuf⸗ tig ausgemalt fein müßten, zu bereichern. |

Welch einen erhabenen, fchönen Stoff bietet die biblifche Geſchichte nicht dar! Ach, eine einfache lieblidye Schilderung der Unſchuld der erften Menfchen des guten Sohnes Abel be böfen Kain des erftern Todes des letztern Elendes und nahe Verzweiflung bed Falles ber Menfchen des zus nehmenden Verderbens der Menfchheit des frommen Noah ber Sünbdfluth; ach, hundert und aber hundert Gegen Rände aus dem alten und neuen Teſtamente bieten unend⸗ lichen Stoff zur kurzen Zeichnung der herzerhebendften, bes lehrendſten Wahrheiten! Bei Erzählung der Parabeln Jeſu benute man Eilerts und Ewalde Parabeln Jeſu, gehe von je⸗ dem Eonfreten Punkte wo möglich auf einen abfraften über, und fchaffe im Geiſte der Parabel ähnliche Punkte hinzu. Bei der Parabel vom Saͤemanne würde ich 3. B. noch folgende

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Punkte benugen: Der Saͤemann fchreitet feft, ficher voran, fein Blick iſt ſtaͤt fein Wurf gefchieht mit fefter Hand er theilt gleichmäßig and der Saamen ift ausgeſucht ber beite Boden ift durch und durch fruchtbar, der fchlechte Boden kann burch augenblidlichen Dungftoff gute Frucht treiben: er hängt zu fehr von frems der Beimifchung ab in dem harten Boden, ber auf der Oberfläche gelodert ift, taucht der Regen aufwärts in dem zu lodern Boden hat die Pflanze feinen Haltıc. (Einzelheiten koͤnnen auch fchon in den untern Glaffen vor fommen.) Nachdem nun die Schilderung bes Stüdes ausge, führt und das Kehrreiche deffelben von den Kindern angegeben worben ift, lefe der Lehrer das Städ aus Kohlrauſch bibs liſcher Gefchichte mit Sinnigfeit und Wärme vor, erfläre jeden biblifchen Ausdruck am beften kommen dieſe fchon in der freien Schilderung mit LUmfchreibung vor, ja nicht felten Tann gerade biefer Ausbrud ein merkwuͤrdiger Punkt werden und trachte jedes Einzelne verftändlich zu machen.

Diefed gefchehe nun etwa des Morgens; bed Nach mittags werde das biblifche Stuͤck zuerft oft zufammen und zwar moͤglichſt ausdrucksvoll, Dann von einzelnen Bänten, dann von einzelnen Schuͤlern theilweife, und zum Schluß noch ein oder mehrmal zufammengelefen. Dabei müffen bie hergehoͤrenden Bibelfprüche und Liederverſe gemeinfchaftlich auswendig gelernt werben.

Zum Schluffe jedes Monats und jedes Bierteljahres wird eine Wiederholung bes Gelernten, jedoch nur durch Zufammenlefen mit einigen Abänberungen angeftellt; ber Lehrer aber kann feine Schilderung wiederholen, wenn gleich hier und dort an manches Einzelne erinnert wirb, um bie Luft zur Uebung zu erhalten. Auch muͤſſen Einzelne vers fuchen, Theile eines Stuͤckes zu erzählen. Der Lehrer ge wahrt dadurch am beiten, ob ber. Schäfer auch über der

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Mebenfache das Wahre und Beſte vernachläßigt, ob er alfo den Hauptfachen. bei feiner ‚Schilderung das helfte Licht gegeben habes Auf dieſe Art werden die Kinder feine firengften Richter fein. Das profaifche Gemuͤth, das übers al Schwärmerei, ober der einfeitige Zelote, ber überall Keberei ahnet, welche mit Sorgfalt Müden feigen, mögen allerlei Einwendungen gegen diefe Lehrart machen; ich habe aber in zehnjähriger Prüfung dieſes Ganges nur das Beſte erfahren, und meine erwachfene ehemaligen Schüler mögen barüber urtheilen.

Sa, wird die biblifhe Gefchichte auf dieſe oder Doch eine Ahuliche Art Hurchgearbeitet, fo haben Herz, Phantas fie, Gedaͤchtniß und Berftand gewiß viel gewonnen: das Kind bat fait ausfchließlid das Sahr hindurch in Diefen Bildern gelebt, die Bibelſprache wird ihm verſtaͤndlich ges worden fein; und da jedes Stuͤck wenigſtens zwölfmal ges meinfchaftlich, und, wie fidy unten beim Schreiben zeigen wird, von jedem Einzelnen mehrmal mit Ausdrud gelefen worden it: fo muß Das Ganze dem Geifte der Schüler Hleichfam einverleibt fein, und der Schüler fteht.bereitd auf dem Standpunkte, dem abſtraktern Unterricht in der Religion entgegeugeführt werden zu koͤnnen.

DSpradhunterridt,

Taͤglich 1 Stunde. a) Nothdürftige Kenntniß der Wortarten. Es werden zu dem Ende die Merkmale jeder Wortart aufgefucht und von einander unterfchieven. Dabei laͤßt fich ber Lehrer noch auf Feine, oder doch nur wenige Unterab⸗ theilungen ein. Diefe Hebung wird für ſich allein fehr wer nig Zeit erfordern, da dieſelbe fchon in den untern Claffen

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als Nebenfarhe vorgekommen iſt, md in bein folgenden wenigftend zum Theil ganz erfchöpfend Vorkommen wird.

b) Kenntniß der Deflination.

Unfre Sprache bat nur zwei Deflinationen der Subft., und die Ehre, dieſe aufgefunden zu haben, gebührt dem ver- ewigten Seidenftäder. Im Sahr 1810 gab er zwei Abhanb⸗ Iungen, die eine über die Rebetheile, und die andere Aber die Deflination unfrer Sprache heraus; und ich begreife nicht, wie man etwas Weberzeugendered und Grändlicheres hier über leſen könnte. Allmählig folgen ihm unſre Grammati⸗ fer, wie in allem, fo auch in diefem nach; nur muͤſſen bie Kegeln zu Zeiten noch nach Ballherns Art Veränderungen erleiden. sch verweife darum auf die beiden Abhandlungen dieſes Sprachforſchers, oder auf feinen Nachlaß.

Beim Defliniren werben am vernuͤuftigſten Die gewoͤhn⸗ lichen Namen der Gafus: Nom. Gen. Dat, und Act., und nicht die unbeſtimmten deutſchen Ramen gebraiicht. Daſſelbe gilt überhaupt von den Namen der Begriffe in der allge meinen Grammatik. St die Deklination des Artikels und der Fürwörter in der Schule vollkommen eingeäbt; weiß der Schäfer den Nom. Plur. yon unfren Hauptwoͤrtern anziu⸗ geben eine Uebung, die natürlich in der unterften Claſſe fhon vorfommt —: fo kann er die Deklination fänmtlicher Gattungss und Gigehnamen in 3 bis A Stunden dergeſtalt defliniren lernen, daß er mit Ausjchluß von etwa 12 Gattungs⸗ und etwa der Hälfte ber Eigennamen, die wie Leibnitz deflinirt werden es jedem Worte unfrer Sprache ohne alle Schwierigkeit an der Stirne anfehen, wie daſſelbe deklinirt werden muͤſſe.

Dieſer Regel habe ich ſeit etwa 13 Jahren in meiner Schule das Regelchen beigefuͤgt, daß diejenigen Woͤrter im Gen. es ſtatt 8 hätten, an denen man entweder das bloße

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8. des Genitiys nicht ausfprechen kann, wie in: des Lachs (Lachſes), des Fleiſchs CHleifches), des Scherzs (Scher⸗ zes) ıc. oder an denen das bloße s Zweideutigkeit, Unbe⸗ ſtimmtheit in Rechtſchreibung und Ausſprache verurſacht, wie bes Kammes (Kams, Kamz, Kamß ıc. ſtatt Kammes, wo man beide m und Das s hoͤrt), des Tods (Tots, Tohz rc. ſtatt Todes), Reichs GReils ſtatt Reiches). Bekommt nun ber Gen. es, fo bleibt dem Worte im Dativ das e, das übrigens allemal, wo es der Rhythmus gebietet, weg⸗ fallen darf. Ich weiß nicht, ob man allgemein Diefe Regel ‚wird gelten laſſen; mich und meine Schüler bat fie aber ſtets ficher geführt. Eine Beitimmung ift bier aber nöthig um das vage oft in der Schule zu vermeiden.

c) Uebung im Gebrand des Artikels. Hierzu dient wiederum. der zweite Theil von Tillich. Das Kind⸗mag dazu auch die ihm befannten Saͤtze waͤh⸗ Ien, wenn es nur die Bedingungen, welche jeder Uebung bort zur Aufichrift dienen, ohne Ablefen der Beifpiele ers füllt; denn ‚ver Zweck ift hier nicht fowol Uebung des ‚Scharffinnes (der durch beſſere Mittel gehbt werben muß), als vielmehr Uebung im Gebrauch des Artifels und Eine ficht in. die ‚Bedeutung der Caſus. Selbſtgeſuchte Beifpiele find aber darum nicht weniger zweckmaͤßig; ja, fie ſind noch vorzuziehen, wenn das Auffuchen- nicht zu viel Zeit koſtet.

d) Anwendung ber ‚Präpofitionen.

Es werden dann bie Präpofitionen gelernt, die ein und denfelben Caſus regieren. Die befannten hundert Geis ten werben nun in Rüdfiht auf die grammatifche Regel burchgenommen. Dabei kann ber Lehrer die befannten Saͤtze mit Auslaffung der regierten Cafus angeben, wie: dur Bach kann man ohne Gefahr gehen; Naͤchſt Bau

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Kirche find auch die Lieferungen für Dorf fehr druͤckend; Willen Herr gemäß übergab ‘der Diener dem Bau⸗ meifter” das Geld ıc. Zum Schluß jeder Hebung müffen jedoch mehrere Beifpiele von dem Schüler felbft aufgefucht werden, damit man fid) überzeuge, Daß die Negel mit Nachdenken aufgefaßt worden fei. Sobald dad Auffuchen ſchwer fallt, muß es flark geübt werben; denn fonft ges winnt der Mechanismus die Oberhand. Zu den Präpofis tionen, bie den Dativ und Afkufatio regieren, merke ich mir noch die Regel an, daß, wenn diefe Präpofiticnen fis gürlich gebraucht werden, (d. h. ihre urfprüngliche Bedeu⸗ tung ald Ortverhältniffe nicht haben, und man die Frage wörter „wo und wohin‘ nicht gebrauchen kann, alfoan feinen Ort und fein Ziel, nicht an Ruhe und Bewegung, an feinen Zuftand, in welchem etwas ift, ober worein etwas kommt, zu denken ift), die Präpofitionen an, in, unter, vor den Dativ, auf und Aber den Afkufativ regieren. Hinter, neben und zwiſchen werden in diefem Sinne nicht figuͤrlich gebraucht. Man übe jene Wörter deshalb in jener Reihenfolge ein. DBeifptele: Ich ärgere, vergreife, verfehe mich an Dir, verzweifle an ber Sahe auf den Sommer über mic; ärgern unter ihnen auftreten Achtung vor ihm. Heißt Aber fo viel al8 während, fo regiert ed den Dativ: über dem Lefen einfchlafen u |

e) Hebung im Gebrauch der Fuͤrwoͤrter.

Die Fuͤrwoͤrter werden auf ahnliche Art, wie die Praͤ⸗ pofitionen behandelt *). nn

*) Um biefem zweiten Theile: noch mehr Zveemöͤßigeit zu melget fen, moͤchte ich dem Herausgeber anrathen, die Bedeutung des Ar⸗ tikels ſchaͤrfer aufzufaſſen, die gleichguͤltigern Beifpiele aus den ph: pofitionen zu entfernen, ſtatt deren den vortrefflichen Kraufe über

Die Befchreibungen ,„ welche bes zweite Theik enthält, muͤſſen auswendig gelernt, und von dem Lehrer auf bas forgfältigfte durchgearbeitet werben, Ä

3. Borlefen,

Taͤglich 1 Stunde.

Kür diefe Bildungsftufe möchte Campes Robinfon, Jo⸗ ſeyh Schwargmantel von Salzmann, und Campes Entdek fung von Amerifa am beiten fich eignen. Sieber Pädagoge tft gewiß mit mir einverftanden, daß ber. Robinfon ein bes wundernswuͤrdiges Probuft eines weifen Erziehers ift; mir erfcheing diefe Schrift idealifch ſchoͤn, wenn ich an hundert andern Kinderfchriften oft ſehr viel Tadelnswerthes finde. . Sie ftelt einen Menfchen in feinen verfchiedenen Lebensvers hältniflen fo belchrend auf, erwärmt das Herz für Tugend und Religiofität, befchäftigt die Einbildungsfraft und den Verſtand auf eine meifterhafte Art, und macht zugleich mit vielem Nüglichen, mit den Anfängen der Naturwiflenfchafs ten befannt ; ihr Zweck ift Belehrung, und ihr Kleid Ans nehmlichkeit. Verſteht es- der Lehrer, den Zweck biefes Buches ganz ind Auge zu fallen, felbft von dem Schüler denfelben verfolgen zu laſſen: ach, wie himmelweit verfchies den ift eine folche Unterhaltung von dem trodnen Borlefen fo vieler Lehrer! Das Borlefen muß der freien Unterhals tung gleichen, ja größtentheils eine freie Unterhaltung fein;

mir und mich in den fchwierigern Redensarten zu benugen, (in weichen Balle den Sägen aus Kraufe aber mehr Gehalt gegeben werden müßte,) einen Abfchnitt über ben Gebrauch ber Beitwörter anzubhängen, und bei ben Zürwörtern die Wörter er, berfelbe, ſich, diefer nad Geidenftüder reiner anzuwenden.

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nur Stoff und Leitfaden gibt das Buch, ber Leiter verar⸗ beite den Stoff, und paſſe denfelben der Bildungsſtufe feines Schülers an, ohne jedoch Fremdes eimjumifchen und zu langweilen. Auf diefe Art benute der Lehrer auch die beis den andern vortrefflihen Schriften.

I 4. Sedihtlernen

Taglich 1 Stunde.

Die vorige Claſſe mag etwa zwei Drittel der Wagner⸗ ſchen Sammlung auswendig gelernt haben; dieſe Claſſe mag denn nun bei oͤfterer Wiederholung des Ganzen das Buch abſolviren. Iſt der Schuͤler dieſer Claſſe ſo weit ge⸗ kommen, daß er jedes Stuͤck mit reinem Ausdruck herſagen, und auf eine ertraͤgliche Art erzählen kann: fo mögen bie fchönen Liederverſe und Bibelfprüche aus Kohlraufch bibli⸗ ſcher Geſchichte wiederholt erflärt, und mit bem Sqhůler vollig eingelernt werben. J

IIICCCCCCT 5. Schreiben.

Taͤglich 1 Stunde,

Ich halte bie Vorſchriften von Heinrigs und Jaͤck er die ſchoͤnſten, bie mir je zu Gefichte gekommen find; ja ich finde beide unuͤbertrefflich: indeſſen iſt Schönfchrift Ge⸗ ſchmacksſache, und über dieſe laͤßt ſich, wie das alte Sprich⸗ wort ſagt, nicht ſtreiten. Ob es noͤthig iſt, mit Schuͤlern dieſer Claſſe, in Hinſicht auf Anordnung der Vorſchriften eine aͤngſtliche Stufenfolge zu beobachten, will ich auch

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dahin geſtellt fein laſſen, da ein Durchſchreiten dieſer Stu⸗ fen nicht ſo ſehr viel Zeit erfodert; nur mache ich beſonders darauf aufmerkſam, daß Kindern, welche die untern Stu⸗ fen uͤberſchritten haben, Vorſchriften vorgelegt werden, auf denen das ganze Alphabet in Kleinſchrift zuſammenhangend geſchrieben ſteht, und daß das oftmalige Abſchreiben derſel⸗ ben eine Hauptuͤbung ſei.

Beſonders achte der Lehrer beim Schreibeunterricht auf Haltung des Koͤrpers, der Feder, auf die Lage des Papiers und ein ſcharfes Auffaſſen ſaͤmmtlicher Merkmale einer ſchoͤ⸗ nen Schrift.

Am beſten ſitzt der Schůler ſchraͤge auf der Bank, und kehrt die linke Seite dem Pulte fo weit zu, daß er den: ganzen: linken linterarm bequem auf bad Pult legen, und mit der Iinfen Hand das Papier halten kann. Der. Rüden bleibt gerade, ber Kopf wirb etwas unterwärt® gebogen, die Bruft tritt vor, ber rechte Ober- arın lehnt ſich fanft an die Seite, die Hand ruht auf dem unterften Knochen der Handwurzel (der in der Verlängerung des Fleinen Fingers liegt), und auf der Nagelfeite des eins gezogenen vierten und fünften Fingers, die feft neben ein- ander liegen; ber oberfte Knoͤchel des Zeigefingers zeigt fenfrecht nach oben, der Nagel des Daumens und des drits ten Fingers berühren beinahe die Feder Chleiben etwa am eine Strohbreite davon entferndd. Die Feder welche ziemlich lang, jedoch nur fo weit vorfteht, daß die drei erften Finger bequem um eine Buchftabenlänge eingezogen werben koͤnnen, ohne bie Stägpunfte au bewegen geht bei.dem oberiten Knoͤchel des Zeigefingers, der ſanft auf die Feder gelegt wird, vorbei, und zwar in der Richtung pad) der Schulter hin. Das Papier muß gerabe vorliegen, fo daß die obere Graͤnze beffelben, und dadurch auch die zu

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ſchreibenden Zeilen mit der vorliegenden Gränzlinie: des Pultes, mit der Wand. ıc. parallel laufen.

Woͤchentlich einmal kommen dieſe Regeln allgemein zur Sprache, und dann ſpricht der Lehrer auch uͤber die Form und Verbindung der Buchſtaben; er beruͤhrt da die Fehler, welche gegen die Schoͤnheit der Form gemacht werden, indem er dieſelben an der Wandtafel mit Kreide zeigt, und verweiſet die Schuͤler zugleich auf die Schoͤnheit der Buch⸗ ſtaben ihrer Vorſchrift. |

Daß er übrigens beim Schreibeunterricht auf jeden Eins zelnen fieht,, ihn wo nöthig ermuntert, laut die Regel ans gibt, gegen welche Einzelne fehlen, nicht. eher mit einer Borfchrift wechſeln Laßt, bis Diefelbe gut nachgefchrieben. wird (und zwar am beften zu Anfang der Stunde, um Störung zuvermeiden); daß er eine. vollfommen hinreichende Menge gefchnittener Federn mit in die Schule bringt, die ſchon vorher Liniirten Schreibebächer in Berwahrfam hat: das alles verſteht fich in einer guten Schule von felbfi 9.

Nur mit den Vorſchriften wünfchte ich noch eine Eins- richtung , wie bei denen von Jaͤck. Diefe waren alle etwa 9 Zoll lang, und 11% Zoll breit,. waren fchön auf Pappe geffebt, numerirt, und konnten ganz bequem ohne alle Störung ihrer Ordnung, aus ihrer Lage auf einer langen Kante, herausgenommen, und am Ende der Stunde unter ihr Numero geſteckt werben. |

Da diefe Elaffe täglich; eine Stunde lang fchreibt, bie: befte Aufficht hat, und der Lehrer ſichs angelegen fein laſ⸗ fen wird, durch eigenes Intereſſe an der Schönheit der Schrift das Sutereffe ber Kinder zu wecken: fo werben bies fe Kinder eben fo jenen ſchön ſchreiben lernen, als under

n Am beften wäre 6, wenn der Papierfabrikant die nen fen £inien in das Papier machte,

154 weniger günftigen limftänben, wenn fie and) zwei Sahre früher angefangen hätten; denn Hebung. im Schreiben ift ihnen jettt ein Beduͤrfniß. » Sobald ber Lehrer dieſe Elaſſe im tächtigen Fortfchreis ten hat, Fans. er zugleich das gelefene Stuͤck der Biblifchen GSefchichte von einzelnen Schälern leſen Laffen.

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6. Gefangunterridt.

Täglih Y, Stunde, und zu Zeiten einige Minuten.

Der ganze Gefangunterricht zerfällt nad meiner Meis nung in drei Hauptübungen, und in Abfingen mehrftimmiger Weder, Motetten ꝛc. Die erfte Hauptübung, Reinigung ber Stimme, ift fchon in den untern Claffen angefangen; ed wird nun hier von der zweiten die Rede fein.

In gehörigem Lichte hängt eine fünf Fuß lange und zwei Fuß breite ſchwarze Tafel, auf welcher mit Oelfarbe fünf rothe Linien in der Entfernung eines ftarfen Zolfed ges zogen find. Auf und zwifchen die Linien find Biertelnoten, zwei Zoll von einander entfernt, mit weißer Delfarbe gemalt, und zwar vom eingeflrichenen c, oder einige Noten tiefer, bis zum Dreigeftrichenen c. Diefe Noten ftehen deswegen fo. weit von einander, Damit man, ohne der Deutlichkeit zu nahe zu treten, Erhoͤhungs⸗ und Erniedrigungszeichen mit: Kreide dazwifchen fchreiben koͤnne. Der Lehrer hat eine. Bioline, und verfteht es diefelbe nad) einer Stimmgabel rein zu flimmen, und die Töne ſcharf und rein anzugeben. Der Zweck diefer Uebung iſt Geuͤbtheit im Treffen jeder einzelnen. Note dieſes Syſtems, oder vollkommne Einpräs gung von 8 oder 12 dieſer aufgezeichneten Tine. Dazu ſchlage ich nun folgende zwei Wege vor, die man auch mit einander verbinden Tann.

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a) Diejenigen Töne dieſer Tonleiter, welche die Kin der bereits in ihrer Kehle haben, werden taͤglich zu ver⸗ ſchiedenen Zeiten, etwa beim Stundenwechſel eine oder hoͤch⸗ ſtens zwei Minuten lang, und dann zur feſtgeſetzten Zeit eine Viertelſtunde lang, aufs und abwaͤrts geſungen. Dabei vermeide ber Lehrer irgend einen Akkord fingen zu: laſſen, indem Die Feftlegung eines folchen Die Aufmerkſamkeit auf die zwifchenliegenden Noten vielleicht abzieht. Es wäre wenigftens auf Diefe Art am beiten zu unterfuchen, ob bie Feſtlegung der gewöhnlichen Akkorde förderlich oder hinbers lich feien N).

Da die Stimme der Kinder durd) jenes Liederſingen in den untern Claſſen ſchon aus dem roheſten herausgebil⸗ det iſt, ſo koͤnnen hier in der Regel die Noten nach ihren Namen ordentlich benannt werden; dies uͤbt auch die Na⸗ men der Noten ein. Von Zeit zu Zeit verſuche der Lehrer, ob die Toͤne ſchon feſt ſitzen, und ob die Schuͤler im Stande ſind, Noten außer der Reihe zu treffen. Nach meiner Ver⸗ muthung muͤſſen ſich naͤmlich die 8 bis 12 Toͤne, welche dieſe Claſſe rein hervorzubringen im Stande ſein mag, um ſo eher nach ihrem Verhaͤltniß feſt einpraͤgen, da die Kin⸗ der ſaͤmmtliche Toͤne nur an einen Theil dieſer ei— zigen Zeile zu binden haben. Haben fich dieſe Töne einzeln. eingeprägt,, fo uͤbe ber Lehrer die Schäler im Lieber: ſpringen, ober, richtiger. gefagt, im Angeben einzelner Töne: außer dem Zuſammenhang. Iſt der Ton von den Schuͤlern

*) Man verfuche ef, und urtheile dann; mir ſind die anderen Metho⸗ den mit ihren Leiſtungen gar wohl bekannt, da die Schuͤler meiner Anſtalt von dem verewigten Heren Muſiker Glaͤſer, und zum Theil "auch von mir in fünf verſchiedenen, ſich aufflufenden Singklaſſen mehrere Jahre erſt nach Ziffern, dann aber nach: Noten unterrich tet worben.find:, und. es fo weit gebracht hatten, daß es durchaud nicht ſchwer hielt, große Singftüde mit ihnen einzuuͤben. .:

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gefunden, fo gebe auch er benfelben mis ber Vibline ſcharf an. Nach taufendfäichem Abſingen muͤſſen fich dieſe Ton⸗ verhaͤltniſſe doch einzeln, ganz ohne Zuſammenhang dem Schuͤler einpraͤgen. Sollten ſich die Kinder aber auf dieſe Art nach Verlauf eines ſtarken halben Jahres, und nach eif⸗ riger Hebung nicht jeden Ton merfen lernen, fo lege. er Akkorde fet, und Abe wie gewöhnlich die Oktaven, Terzen, Duarten, Quinten, Serten und Septimen aufs und abwärts - ein; Sollte ſich aber die erftere Meinung bewähren, fo wäre das einfachfte und Teichtefte Mittel zum Treffenlernen ges funden, das bei allen vorhandenen Methoden, außer bei - der italifchen Schule, in unerwarteten Quarten und Serten fo ſchwer hält, ja vielleicht nur an einzelnen Schhlern zu - erzielen ift. Diefe Einzelnen Teiten in fchwierlgen Fällen oft eine ganze Schule, und taͤuſchen den Lehrer fo weit, daß diefer der ganzen Schule dieſes Talent im Treffen zus fhreibt. Man muß es nur erfahren haben, wie Taufchend das Gehoͤr eines Singenden ift, der die Note vor fich fieht, und es nicht wagt, Diefelbe aut werben zu laſſen.

Um einige Abänderung in dieſes Einerfei zu Bringen, läffe der: Lehrer bald langſam, bald ſchnell, bald leiſe, bald ſtark, bald den Ton kurz, bald benfelben ſchwellend fingen; bald laſſe er den befannten Theil der Touleiter ganz fingen, bald gebe er irgend ein Zeichen zur Umfehr oder zum Ueber⸗ ſchlagen; bald fage er den Namen der Note, die gefungen werben foll, oder er finge mit den Schülern ein befanntes Liedchen nach dem Gehoͤr. Kine Biertelftunde erfobert je doch wenig Abwechſelinng. \

b) Der Lehrer fange bei einem Tone an, den die Sins der am beften fingen koͤnnen, etwa bei g, fee anfangs jeden Monat, nachher alle zwei Monate ıc. einen. Ton über und unter g zu, übe dieſe Töne mit den zwifchenliegenden hal ben Tönen mit Fleiß und Nachdenfen ein, und ich glaube,

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er wird nach einer Friſt von etwa. ‚zwei ‚Sahren dadurch weiter, als auf dem gewöhnlichen Wege kommen ©),

Ich wuͤnſche, das Singlehrer den Verſuch mit dieſen beiden Wegen machen möchten. Sollten ſich dieſelben viel leicht darum noch nicht bewaͤhren, daß ſie nicht rein in dem Geiſte ihrer Schule aufgeſtellt ſeien, ſo waͤre dennoch durch den Verſuch wenig verloren; denn in jedem: Falle iſt die Stimme der Schuͤler dadurch zweckmaͤßig gebildet, und das Verhaͤltniß der Toͤne in vieler Ruͤckſicht aufgefaßt worden. Wer Muth und Kraft hat, verſuche und foͤrdere!

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Tte Cla ff ®. Kiuder von 9 bis 10 Iahr,

1. Zefen.

Taͤglich 1 Stunde

Dieſe Stunde beabſichtigt, außer dem Leſenlernen, Ein⸗ uͤbung eines leichten ſchoͤnen Briefſtils, und Aneignung nuͤtzlicher Kenntniſſe. Zu dem Ende wuͤnſchte ich für dieſe Claſſe ein Briefbuch von etwa 20 Bogen, im edlen, leichten Stile ge⸗ ſchrieben. Dieſe Schrift koͤnnte etwa in vier Baͤndchen zer⸗ fallen, von denen das erſte Bändchen (Cetwa vier Bogen ſtark) das Behaltlichſte und Willenswärdigfte von. dem menfchlichen Körper unb der menfchlichen Seele, das zweite Ceben ſo ſtark) eine Furzgefaßte Gefundheitslchre, das dritte.

*) In dem Beftreben die einfachfte und leichtefte Singlehrmethobe aufs zufinden, durch welche der Lehrer felbft gründlich treffen lernen tönnte, kam ich auf diefe beiden Wege, und finde nun, daß ber erftere unfrer alten, unb dee zweite ber italifchen Schule anger hört, Iſt das aber wahr, fo find beide Wege genugſam erprobt, und verdienen Empfehlung. nn

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Cetwa fünf. Bogen ſtark) einiges: aus der Naturlehre zum Daͤmpfung des Aberglaubens, und das vierte (etwa ſieben Baogen ſtark) Gelegenheitsbriefe und buͤrgerliche Aufſaͤtze ent⸗ hielte. Ich wuͤnſchte von ganzer Seele, daß Maͤnner, die auf der Hoͤhe ſtehen, den Adel und die bewundernswuͤrdige Leichtigkeit der Schreibart eines Goͤthe, Engel und Krum⸗ macher, und die Gemuͤthlichkeit eines Asmus, Hebel und Krummacher in leicht verſtaͤndlichen Briefen darſtellen zu koönnen, unſre Schulen. mit ſolchen Werken beſchenkten. Freilich iſt es eine ſchwere Aufgabe, etwa zweihundert Briefe in edlem leichten Briefſtil zu ſchreiben, eine gewiſſe Einheit aus jedem Einzelnen und aus dem Ganzen hervorleuchten zu laſſen, damit die Schreibart um ſo eher ſich einpraͤge; die Menge brieflicher Ausdruͤcke und feiner Wendungen ſelbſt in belehrenden Briefen anzuwenden; anziehend zu ſprechen, und doch nicht um nichts zu plaudern, wie wir das in vielen freundſchaftlichen Briefen ſehen, die eben darum kein Gepraͤge zuruͤcklaſſen; aus dem Wiſſenswerthen das Wiſſenswertheſte und Behaltlichſte auszuwaͤhlen, und dieſes hoͤchſt anziehend fuͤr Lehrer und Schuͤler darzuſtellen; freilich iſt dieſes eine ſchwere Aufgabe; aber wir beduͤrfen auch in unſren Schu⸗ len Schriften ausgezeichneter Maͤnner, denn an biefen Gei⸗ ſtern ſoll die Jugend emporwachſen.

Es fehlt uns nicht an Maͤnnern, die unſre Sehilen mit ſolchen Werfen begluͤcken koͤnnten Verehrungswuͤr⸗ diger Mann! der du die Kraft in Dir fuͤhleſt ſolches zu leiſten, was Du den Schulen thuſt, das erweiſeſt Du der Menſchheit! Wie willſt Du ſegens voller wirken, als wenn Hundert tauſende mit fröhlihem Eifer bemüht find, in Deinem Geifte zu denken und zu leben! Auf! fäumenicht, wir bedürfen Deines Beiftandes; dDiefes Bedpürfniß wird allgemein gefühlt!

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Jeder Brief muͤßte dann von einzelnen Schuͤlern gele⸗ fen. und vom Lehrer kurz erklaͤrt, dann von der ganzen Claſſe oft gemeinſchaftlich und ˖mit richtigem Ausdruck gele ſen, und bei der Wiederholung des ganzen Baͤndchens auf der Schiefertafel von den Kindern nachgebildet werden.

Von dem Zuſammenleſen habe ich noch zu bemerken, daß jeder Schüler deutlich und rein, aber nicht laut durch⸗ fprechen müffe; denn den Lehrer, der auch nicht zu Laut ſpre— chen darf, wenn er das Feine der Modulation feiner Stimme nicht einbüßen will, muß jeder Schüler gut verftehen koͤn⸗ nen, um feine Stimme nach der des Lehrers. zu biegen, Viele Lehrer halten ein ſchoͤnes Zuſammenleſen für fehr ſchwierig; allein ed wird denen, die ſelbſt natürlich zu le⸗ fen im Stande find, bald gelingen, wenn fie zuerſt die Schuͤ⸗ ler von feinerem Gefühl und Takt einüben, und die Zahl der Zufammenlefenden nach und nach vermehren. In diefer Slaffe kann das Zuſammenleſen gar Feine Schwierigkeit. mehr haben, ba die Kinder fchon fo viel zufammen herges fagt und gelefen haben. Das Zufammenlefen ift aber in Hinficht feines Nugens, wenn Feine zu Schwache Schüler das bei find, gar nicht mit dem gewöhnlichen Nacheinanderlefen, das jedoch zur Prüfung mit dem Zufammenlefen abwechfele: muß, und am beiten während des .Schreibunterrichtes ge⸗ fchieht, gar nicht zu vergleichen. Anftrengend ift es freilich, aber bei gehörigem Paufiren, um Einzelne leſen zn Laflen, auch bruftftärfend und förderlich für die Verbannung:

Mancher Lehrer möchte mir einwenden, daß es nicht fortbildend genug fei, wenn der Stil biefer vier Bändchen‘ gleich einfach und verftändlid, bliebe. Darauf ermwiedere ich,. daß gerade der Verftändlichkeit wegen das Kließende der Schreibart und die Einheit des Ausdrudd den Weg zum Innerſten des Geiftes finden möchte, und daß der Stil ba nicht hindernd in ben Weg treten bürfe, wo ſchon bie Sache :

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Schwierigkeiten zu überwinden fodert. Bei ber biblifchen Geſchichte verführen wir darum umgelehrt: der Stil war snverftänblich, und wir räumten baher erft die Sache auf. Auf .diefelde Art ging der Lefeäbung ſtets die Sprachuͤbung als Sach⸗ und Worterflärerin voraus. Da nun endlich jene vier Bändchen, zuſammen von 20 Bogen, nicht für ein ganzes Jahr ausreichen, fo mag der Lehrer Zeit ausgewins sen, viele von biefen Briefen, wie vorher die Gedichte, eins zuuͤben, und dazu möchte ich benn befonderd das vierte Bändchen anempfehlen. Es bleibt darum auch das Einäben der Gedichte. in dieſem Sahre weg, da fonft das Gedächtniß zu fehr in Anſpruch genommen werben würde. Zuerft darum jetzt zwei Uebungen, die dem Verſtande einen VBorfprung verfchaffen follen: Begriffderflärungen und Kopfrechnen.

2, Begriffserflärungen.

Taͤglich 1 Stunde.

Der Schüler hat nun zeither eine große Menge Bes griffe fennen gelernt, allein die abftraftern wurden felten mit philofophifcher Strenge deftnirt. Diefes aber ift dann nöthig, wenn ein abſtrakterer Unterricht in der Religion fpäterhin ertheilt werden ſoll, um diefe und die folgende Glaffe Darauf vorzubereiten. Auf diefen Gegenftand aber ift der Schüler vorbereitet worden durch die vielfeitige Anwenbung fo vieler Woͤrter, durch die Menge von Bildern, die er in fi trägt, und darum auch durch ben Öftern Anklang feiner feinern Empfindungen. Diefe Uebungen mußten vorherges hen, damit der Schüler ein Material, einen Fond habe, durch welches er die Begriffe rein auffaffen lerne und zu Ideen fteigern könne. Das Material. muß in allen Gegen

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ftänden vorausgeſchickt werden; der Schüfer kann' li ſonft nicht aus eigener Kraft Helfen, und wo ihmi:’der Meiſten fehlt, fehlt ihm dann alles; er gleicht einer Pflanze; deren Wurzel feine nährende "Unterlage hat, und die mr von* der Feuchtigkeit leben muß, welche von oben kommt.

Hierzu haben wir nun einen Anleit, der nach meiner Anſicht unter der Menge von Anleiten der Art, der Voll⸗ kommenheit am naͤchſten ſteht: es ſind die Begriffsentwicke⸗ lungen von Graͤff, die es in mancher Ruͤckſicht verdienen⸗ der Vergeſſenheit entzogen zu werden *).

Der Lehrer gehe nun mit dieſer Claſſe die leichtern Begriffe durch, und helfe dem Schuͤler fein Gelerntes ges brauchen, um den Begriff in ſich zur. Klarheit und Deut⸗ lichfeit zu erheben. Da werden nun jene Bilder an bie Definitionen gehalten und der Lehrer fieht, wo es noch fehlt. Trug ber Lehrer felbft alle diefe Begriffe bei dem Vorigen far in fich, fo wird er damals fchon nachgehnlfen und dem Bilde e8 an Feinem Punkte haben fehlen Laffen. Wo ſolche Bilder dem Kinde fehlen, zeichne er mit fcharfen Zügen

*) Es wäre in der That ber Mühe werth, wenn tüchtige Begriffes entwidler zufammenträten, um ſaͤmmtliche vorhandene Grundfäge. ber Entwidelungstunft zu prüfen, ganz einfach aufzuftellen, allge: meine Normen zu entwerfen, um auf Türzeftem Wege alle nöthigen Begriffe zu entwideln. Ich Tage auf kuͤrzeſten Wege, denn die breite Gatechefe fchläfert ein, und ift da vollends unndthig‘, wo der’ Schüler die gehörige Vorbildung hat. Gewiß mit Recht fagte ber verftorbene, große, eble Schweizer: „Man kann kein Ei aus dem Reſte nehmen, in welchem keins liegt.‘ Welch einen Aufwand von Mühe, und Zeit ließ man ſichs Eoften, die leichteften Wahrheiten Eunftgge, mäß zu entwideln! In der That, ich glaube Zeit und Kunſt ſtan⸗ den mit dem Nugen in gar keinem Verhältniß. Darum aber bleiben Begriffsentwickelungen auf kuͤrzeſtem Wege und überhaupt vernünftige Unterhaltungen, in welchen die Anfichten des Schülers gereinigt werden , von dem größten Nußen,

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Diefelben ver der Definition. Hier ift ber Grundriß eined ſolchen Bildes, wie ich daſſelbe wor zwer Stunden (1824) einer untern Glaffe gezeichnet habe. „Ihr verlangt zu wiften,, was Tugend. fe. Wohl! denkt euch eine weiße, erhabene. Geſtalt ihre Bewegung ift ebel ihr Schritt ist fer ihr Weg fchmat ihr Antlitz floͤßt Ehrfurcht ein, es leuchtet ihr Auge tft milde, Tiebevoll und doch durchdringend fie Fägt nie, fehändbet und fehimpft nie fühlt feine Race in fid fie neigt fich liebevoll der Menfchheit und zürmet dem Fehlenden nie; von der Bos⸗ heit aber wendet fie ſich; fie liebt und übt das Gute, das Edle und Schöne.” Diefe Züge, die das Kind mm mit Sponmung anffaßt, werben dann ausgemalt, befprochen and zur Definition vereinigt. Am beften Finnen folche Bil ber gefmgen, in welchen man eine Situatiow Chriſti ober sdler Männer darſtellen kann; 3.8 Chriſtus ber Dulder: Siehe wie Judas den Meifter kuͤſſet, und biefer mır fpricht: Berräthft du deinen Meifter durdy einen Kuß? Siehe, wie er Petrus befiehlt das Schwert einzuſtecken wie fie ihn von Pontius nach Pilatus führen, ohne daß er murs rer wie fie ihn geißeln, ohne Baß er Flaget wie fie ihn and Kreuz heften, ohne daß er fich über Unrecht beflagt wie er die Berfpottung erträgt, ohne zu verfluchen nein, fiehe, wie er fterbend noch fegnet und für feine Mir; ber bittet. Fuͤhleſt du Dies alles lebendig, fo hafk bu einen Begriff vom Dulder. |

Man wird mir ed nun zugeben, daß Vorausſchickung eines folchen Materiald nothwendig wars in dem Mate tiale Liegen die Typen, welhe man bei der De finition zufammenzufegen hat. Se reiner und klarer diefe Typen find, defto fchöner wird die Schrift..

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18 J Kopfrechnen.

0. DE.

Taͤglich 1 Stunde. Hier wird ed nöthig fein, meine Anfichten über den Uns terricht in der Mathematif näher aufzuftellen, damif das Kopfrechnen um fo gründlicher erfaßt werbe.

Ueber den Unterricht in der Mathematik *%

A, Bortrefflihkeit und Zwed der Mathemarit, Es find eine Menge von Anfchauungen, Begriffen und Combinationen erfoderlih, um nur. die Wefenheit der vier Species in ganzen und gebrochenen Zahlen, fo wie das Im nere der Lehre von den Proportionen zu durchſchauen; und es muß dem menſchlichen Geiſte zur Ehre gereichen, dieſe Reihe von unumſtoͤßlichen Wahrheiten entdeckt zu haben, und dieſe auch fuͤr das praktiſche Leben mit Leichtigkeit ge⸗ brauchen zu koͤnnen. Mit einem Schieferſtifte in der Hand, loͤſt jetzt ein Knabe mit Leichtigkeit Aufgaben, vor denen einſt große Geiſter, wie ein Euklides, Pythagoras und Ar⸗ chimedes zuruͤcktraten. Noch mehr Achtung vor dem menſch⸗ lichen Geiſte noͤthigt ung bie vollkommen allgemeine Auf ſtellung dieſer und anderer Groͤßenverhaͤltniſſe in der Buch ſtabenrechnung und Algebra ab. Man denke nur an die ſo einfache und doch fo tiefe Lehre von den Potenzen, Wur⸗ zen, Logarifhmen, und an die Gleichungen nur von den niederen Graben. Ebenfo einfady und tief liegen und die Wahrheiten der, Geometrie, Stereometrie und Trigonomes trie vor Augen. Sehen wir aber vollends diefe Erfenntnig

*, Diefe Abhandlung ift im Februarhefte der allgem. Darmſtadter Schulzeitung 1829 mitgetheilt worden, und dem Andenken bed vers florbenen Profeſſors Tillich in Liebe und Hochachtung gewidmet

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fo wohlthätig, fo mächtig. in das praftifche Leben des Mens fhen: in den Handel und jedes Gewerbe eingreifen, Küns fte und Wiffenfchaften fo vielfeitig und nachdrucksvoll unters flügen, daß bei fehr vielen, wie 5. B. bei dem Handel, der Baufunft, der Mechanif, den Naturwiflenfchaften übers haupt u. f. w. die Erlernung berfelben und ihr feſter Forts fchritt durch die Mathematik bedingt wird; fehen wir, wie der Mathematifer durch die höhere Mathematik mit uns glaublicher Leichtigkeit die verwiceltften Aufgaben loͤſt, um deren Loͤſung die, geiftreichiten Männer Sahrhunderte, ja, Sahrtaufende lang bemüht waren; daß hundert Linien mit bewunderungswuͤrdiger Genauigkeit gemeſſen werden, ohne irgend ein Laͤngenmaaß, als nur an einer einzigen, zu ge⸗ brauchen; daß der Menſch im Stande iſt, Entfernungen und Bahnen von naͤheren und entfernteren Planeten und Kometen genau zu beſtimmen: ſo muͤſſen wir eben ſo ſehr mit herzlicher Dankbarkeit den- außerordentlich ausgebreite⸗ ten Nutzen, den hohen Zweck und die erhabene innere Schoͤnheit dieſer Wiſſenſchaft, als auch die Groͤße des menſch⸗ lichen Geiſtes bewundern, dem es gelang, mit ſolcher Sis cherheit in dieſe Tiefen der Größenverhäftniffe hinabzufteigen und Dinge an das Licht zu fördern, vor denen die Den Fendften der" Mit - und Nachwelt mit Erftaunen und Aner- kennung verweilen müffen. Auch das Studium der Ma: thematif gibt dem Geifte des Menfchen eine Richtung, wuͤr⸗ Dig des eingehauchten Odems des Allmächtigen! Hier ift allenthalben Wahrheit, nur Wahrheit und Halt! Auch in ihr liegt eine Leiter zum ficheren Weiterfteigen in die Höhe und Tiefe der menfchlichen Verftandesangelegenheiten, und fie ift darum eine der trefffichften Erzieherinnen des Vers ftandes, wie folches Die leitenden Alten auch erkannten. Sie führt ja vom gedachten Eleinften, aber unbezweifelbarften Etwas, in vollkommenſter Luͤckenloſigkeit, einfach und ſcharf

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fchließend voran, überzeugt ſtets auf das Flarfte, indem fie von der Anfchauung ausgeht, und ihre Abftraktionen allent halben das Leben begleiten; fie erfennt und vermeidet, gleich dem befonnenften Weifen, jedes Ertrem, und: wird: dem. Menfchen in feinem Thun und Treiben foviel taufendmal Haltpunkt und Nichtfchnur. Auf ihrer Höhe angelangt, führt fie den Geift des bis dahin mit Beharrlichfeit Stress benden, wie auf den Fittichen bes Lichts der Sonne ent gegen, verleiht ihm Augen, das Sonnengebiet wie vom Mittelpunfte aus zu durchfchauen, begluͤckt ihn mit der Kraft, jene unendlichen Räume meffend zu durchſchweben/ und befeligt ihm mit dem erhabenen Gedanken, den Geis ftern höherer Wefen fchon: in Sonnenfernen forfchend. zu begegnen. Freilich erhebt fie den Geift nicht in die höhere und innigere Ideen⸗ und Gemüthswelt hinauf; aber fie grüns

det demfelben auf der Erde, und fern von diefer, im Reiche

der Abftraftion, taufende Ruhe⸗ und Haltpunkte, von welchen der forfchende Geift ausgehend, nm fo leichter und ficherer jene höhere Welten zn erreichen und zu durchſchweben vermag!

B. Allgemeine Feftftellung der Unterrihtsmes thode in der Mathematik,

Zunächft muß ich; mich mit meinem geneigten Leſer über einige allgemeine Gefichtspunfte verftändigen.

4) Eine Wiffenfchaft fann um ihrer Cinneren) Schön heit, um ihrer Nuͤtzlichkeit, und um ihrer Nuͤtzlichkeit und Schönheit willen erlernt werden. Die Schönheit ders felben kann nicht der einzige Zwed der Schule fein, da diefe den Schönheitsfinn nicht in allen Schülern in - dem Maaße vorausfegen kann, daß derfelbe zur .beharrlichen Ans ftrengung Antrieb gäbe. Wie leicht Eönnte fonft bei der uns verftändigen Jugend, die in dem Schwierigen nur zu leicht die Schönheit der Wilfenfchaft nicht finden möchte, der

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Zweck des zu Erlernenden in feiner Ganzheit pernachlaͤßigt werben, indem ber Lernende nur das Leichte und Ange⸗ nehme woͤnſchen möchte, Sit der Blick des Schuͤlers da⸗ gegen nur auf das Nuͤtzliche gerichtet, ſo ſinkt er nur zu leicht bloß auf das Aeußere hinab; es fehlt dann ber edelſte Antrieb zum Lernen, und Wiſſenſchaft und Kunſt werben nur inſoweit geſchaͤtzt, als eine Geldquelle in ihnen liegt und Gemeinheit der Seele des Schuͤlers gewinnt die Ober⸗ hand. Die Schule muß deswegen das Gute von bei—

den im Auge behalten, und das Mangelhafte vermeiden, und muß um bes Schönen und Nüblichen willen die Wiſ⸗ fenfchaft betreiben, bamit in ihrer Gefammtheit dieſes Durch jenes verebelt wird. Zragte fichs aber, ob man für den Schulunterricht das Schöne ober das Nügliche auswählen falle, fo wuͤrde ich durchaus für Das letztere mic, entfcheis den, da es des Nuͤtzlichen, das erlernt werden muß, fo Bieled gibt, und Zeit und Material zurathe gehalten wers den müffen, und da gewöhnlich in dem Nüßlichen auch bie hoͤchſte Schönheit her. Wiflenfchaft verborgen liegt, Erins nert nicht 3. B. in der Mathematif die Eleganz, mit wel- cher eine Gleichung gelöft wird, an die Leichtigkeit, mit welcher eine praftifche Arbeit zu Stande gebracht werben konn? Nennen wir nicht eine Formel um deswillen ſchoͤn, wenn wir Diefelbe zu Beweis und Arbeit pielfach gebraus hen koͤnnen? Iſt die Kettenregel nicht eine fchöne Regel, weil fie mit Leichtigkeit zu ſchnellem Reſultate führt und ip vielfach angewendet werben Tann? Der Lehrer frage demnach in der Mathematit nur nadı dem Nüslichen, und fuche dann in diefem das Schoͤne hervorzuheben. Die Nas eur Der Sache zwingt dann zur Anftrengung und der Sinn für das. Schöne macht Die Arbeit angenehmer, Auf dieſe Weiſe Scheint mir der Schoͤnheitsſinn feiner Natur nach fic au entwideln und zu ftärfen.

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2) Betrachten wer num das Nübliche näher, fo Tann dies bloß in der Bildung für das praftifche äußere Leben des Menſchen, ferner in der Ausbildung des Geiftes am fich, und dans in beiden zugleich gefunden werden. Erſteres wäre der linterricht für. ein Fach, für das fünftige Brot, das andere wäre das, was wir umter reiner, formaler Beiftesbildung verfiehen, und letzteres beabficktigte beides in friedlichem Vereine, Die Bildung bloß für ein Fach, bloß für etwas Praftifches verfäumt nur zu leicht die Ausbildung des Menfchen im Menfchen, das fo nothwen dige Beachten der harmenifchen Ausbildung ſaͤmmtlicher Seelenfräfte. Es artet. dieſes Streben nur zu leicht in Einfeitigfeit und Gemeinheit aus, nach welcher nur dasje⸗ nige achtuugswärbig erfcheint, was Fünftig Geld und Aus fehen bringen kann, und nach welcher der eble Sinn: für das höhere Seiftige, für Religion und Tugend, Wiſſen⸗ [haft and Kunft mit, ſelbſtgenuͤgender Befchränttheit ver aͤchtlich unter die Füße getreten wird. Eine Schule, die eine wahre Ergieherin des Menfchen fein will, kann fich demnach nicht mit bloßer Ausftaffirung für ein Zach begmis gen, darf mithin nicht bloß in ihr das Nuͤtzliche finden. Die reine formale Geiftesbildung beabfichtigt ein freied und leichtes Anfprecyen und Wirken ſaͤmmtlicher Seelenfräfte des Menfchen. Hier wird der Menſch im Menfchen geachs tet und herauggebildet,, fo daß. jede Kraft des Geiftes und des Gemuͤths, nur leife angefprochen, wie das Auge des beobachtenden Korfchers wirkt. Aber es fehlt doch noch viel, daß diefer beabfichtigte Zuftand des Zoͤglings der als leinige Zweck des Erziehens oder der Schule fei; das Leben unter cultivirten Bölfern fördert auch eine nicht unbedeu⸗ tende Maffe von Kenntniffen, Einfichten und Kertigfeiten, die eine formale Geiftesbildung nicht nothwendig geben muß. Jede Anlage des Geiftes und bes Gemuͤths laͤßt ſich

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durch wenig und großentheild auch Durch ein dem Leben weriger nüßliches Material entwiceln, und zu einer bebeus tenden Höhe ausbilden. Das Gedaͤchtniß Tieße ſich 3. B. allein an Gegenftänden einer einzigen Stube, die Denk kraft an den täglichen Erfahrungen, ich möchte fagen, viel: feitig üben und ftärfen, und in dem gewoͤhnlich Vorkom⸗ menden oder in erdichteten Hiftsrchen koͤnnte man fehr nady druͤcklich auf das Gemuͤth und den Willen einwirken. Ein auf diefe Art gebildeter Menſch gliche einem Wilden, deſ—⸗ fen vielfache Thätigfeit der Seele und zwar eine hohe Adhs tung vor demfelben abnöthigt, der aber dennoch in der Ges ſellſchaft cultivirter Völker noch in fehr vieler Hinficht zus ruͤckſtehen müßte; er gliche, in Hinſicht auf ein verarbeis tetes Material, einem Baume, deffen Wurzel ed an einer durchaus nährenden Unterlage fehlte. Man fieht demnach ein, daß das Nübfiche der Schule auch nicht allein in ber formalen Geiftesbildung des Schülers zu fuchen fei, und daß ein nöthiges Material beigegeben werben muͤſſe. Fers ner wird man mir zugeben, daß diefe formale Geiftesbil- dung ficherer durch Erlernung der in ihrer Materie fo eng zufammenhängenden, in ihrem Gange fo ftäten, und dar⸗ um fo behaltlichen Sprachen und Wiffenfchaften erfolgen müffe, als wenn man ein: zerriffenes Allerlei dazu gebrau- chen wollte, daß ein und diefelbe Seelenfraft nur in Aus genblicken, nicht Lange anhaltend , befchäftige. Welche Ge- genftände fol man aber im Allgemeinen auswählen? Da man Menfchenbildung beabfichtigt, fo wähle man nad Maaßs gabe der Zeit, welche der Schüler in der Schule zubringen Tann, ſolche Gegenftände, die in ihrer Oefammtheit alle Anlagen und Geiftesfräfte des Menfchen entwiceln und üben koͤnuen. Die Maffe biefer Gegenftände ift aber fehr ‚groß, und es bleibt demnach eine große Auswahl, befonderg für eine höhere Bürgerfchule, die in ihren beiden oberen

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oder Seitenflaffen Feine Gelehrſamkeit mehr beakfichtigt. Durch diefe Auswahl wird es aber möglich, zugleich noch einen anderen Zweck ins Auge zu faffen, nämlich die Bil bung des Staatsbürgers, und noch einen. anderen, nämlich die Standesbildung. So - lange die Erreichung der leßteren Zwede dem erſteren, dem Hauptzwede, feinen‘ Eintrag thut, fo lange muß es erlaubt fein, die Nebenzwede im Auge zu behalten. Denkt man fich nun niemals die Stans de8 = oder Staatsbürgerbildung ohne Menfchenbildung, fo daß. jene ohne diefe nicht beftehen koͤnne, und daß Alles, was den Bürger oder ihn für den Stand bildet, im Diens fte für Menfchenbildung gefchieht: fo kann der Hauptzweck nicht leiden, es müßte denn beffere Mittel zur Erreichung der Menfchenbildung geben, als diejenigen find, durch wels che man für einen Stand bildet. Die Standesbildung darf demnach nur infoweit in der Schule beabfichtigt werden, als fie mit der Menfchenbildung diefelben Mittel erfodert. Dadurch aber, daß die Schule für einen Stand bilder, nimmt der Schüler ein Material mit ins Leben, das er fortwährend gebrauchen und vervollfommnen kann; und its bem er dies thut, bildet er den Menfchen um fo leichter und ficherer immer weiter in fih aus. Wenn nun der Mittel für Erreichung der Menfchenbildung fo viele find, daß dieſe nicht alle in einer höheren Bürgerfchule angewen⸗ bet werden Finnen: fo müßte dieſe Schule unter ihnen gerade diejenigen auswählen, Die der Schüler in der Zus funft zu gebrauchen am meiften gezwungen wäre, indem er dann um fo leichter und lieber den Meenfchen in fich- forts bilden würde. Dann muß aber die Schule das Praftifche- im Auge haben, und das Nüßliche Der Schule läge dann. nicht in der formalen Geiſtesbildung allein, fondern haupt fächlich in demjenigen, was der Schuͤler in der Zufunft anwenden und demnach in fid) erhalten und erhöhen kann.

Damit aber diefe Sorge für das Praftifche nicht in ein bloßes Ausftaffiren für ein Fach ausarte, muß die Sdee der formalen Geiftesbildung ftetd die Bearbeitung Teiten, und Die zum Praftifchen führende Theorie ihren Zufammenhang und ihre Stätigfeit behalten, fo daß die Wiffenfchaft nicht ald eine verſtuͤmmelte erfcheint und eine wifjenfchaftliche Bildung begründet werden kann. Iſt das Gefagte nun rein und wahr, fo ergibt fich Der mathematifche Cyklus eis ser Schule mit den einzelnen Curſen in ben verfchiedenen Zweigen, wenigitens im Allgemeinen, von felbft. Die Mas shematif, zweckmaͤßig gelehrt, oder auch nur mit Klarheit aufgefaßt, ift in ‚allen ihren Theilen eine Verftandeshild- nerin, fördert alfo in jedem Falle die formale Geiftesbil- dung. Man darf und muß demnach dasjenige aus ihrer Maſſe nehmen, was der Schäler in der Zukunft am meis ften gebrauchen faun, um fich Brot und Ehre zu verichaf- fen, und um ſich In den angewandten mathematifchen Wil fenfchaften mit Leichter Mühe und mit Luft und Liebe weis ter bilden zu koͤnnen. Dazu bedarf.es nun, nah Maaßs gabe feines Finftigen Standes und Berufes nicht allemal Das ganze Feld der theoretifchen Mathematik, fondern viel⸗ feicht nur einen geringen Theil deflelben. Das Maaß bes theoretifchen Materials hängt doch großentheild wol von den Anfoderungen an die Praris ab, wenn man nicht ein großes Fundament legen, und am Ende gar fein Gebäude, oder nur eine Hütte darauf fegen will. Dabei muß bie Theorie doch ihren inneren Zufammenhang behalten, weil fie fonft die Stätigkeit ihrer bildenden Kraft und ihre Bes haltlichkeit verlieren, und nur ale ein zerriffenes Etwas auf- gefaßt werden würde. Mean fehe demnach auf den fünfti- gen Bedarf des Schülers, itelle diefen als Ziel hin, und arbeite demfelben auf dem fürzeften, aber der Wiflenfchaft nicht unmwürbigem Wege entgegen. Der Bauer muß fertig

aus dem Kopfe rechnen koͤnnen, die vier Species, die Pros portionen zu gebrauchen willen und ben Mechanismus der Geräthe für den höheren Aderbau kennen; der Handwerfer muß anßer diefem vieles der Phyfif, Chemie und der Mes chanik lernen; die höhere Bürgerfchule führt dann fchon in die angewandte Mathematif und in die Naturwiſſenſchaften tiefer ein; das Gymnaſium vervollftändigt das ftreng Wifs fenfehaftliche dDiefes Curſus, und die Univerfität oder befons dere Anftglten für Mathematit faflen die Theorie der Wiſ—⸗ ſenſchaft in ihrer Ganzheit auf, und führen in ein großes graftifches Fach hinein.

3) Es ift ein großer Unterfchied in ber gewöhnlichen foftematifchen Aufftellung einer Wiffenfchaft und in der für den erften Unterricht dienenden Anordnung dieſes Materialg. Wenn jene hauptfählich nur anf den inneren Zufammens bang mit einem oberften Geſetze achtet, und fich damit bes gnügen mag, das Weitere aus dem Borigen herzuleiten und dann näher zu erörtern, um wieder für ein Folgendes zu ſorgen; fo muß biefe näher daran denfen, die Kraft des Schülers flufenmweife anf eine Art zu üben, daß der Schuͤ⸗ ler felbftthätig lerne, oder daß ein nicht bloßes Geben und Nehmen, fondern ein freies Auffuchen, Darftellen, Folgern und Zufammenfeßen ftattfinde. Der Spftematifer fängt bei feinem .oberften Befete an, ver Paͤdagog, welcher ein Lehrbuch für eine noch ungebildetere Sugend ſchreibt, - hört mit dieſem pberften Gefeße auf, Sagt nicht erfterer von vorn herein, was Rechnen, Addiren heißt, was man unter Summe und Summand zu verftehen habe, und läßt ber Paͤdagog nicht erſt vollitänbig abdiren, bevor er von Diefen Kamen fpriht? Muß er der Definiton nicht bie Sache vorgehen laffen, um diefe für jene als Material zu gebrams chen? Der: Spftematifer fegt nämlich eine Menge allges meiner Begriffe voraus; der Paͤdagog muß Diefe erft fchaf

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fen, oder doch erſt wieder lebendig und geſchickt zum wei⸗ tern Gebrauche machen. Wenn jener gern abſtrakt ver⸗ faͤhrt, fo ſchreitet dieſer lieber auf concretem Wege voran, indem er allenthalben von der Anſchauung ausgeht, und durch dieſelbe ſo lange ſich erhebt, bis der Geiſt des Schuͤ⸗ lers in den Stand geſetzt wird, zur Abſtraktion uͤberzuge⸗ hen; wenn jener ein gewiſſes Maaß von Denkkraft voraus⸗ ſetzt, ſo will dieſer erſt denken lehren. Der Syſtematiker ſucht Alles aus Einem zu entwickeln oder in Eins zu ver⸗ einen; der Paͤdagog vereinzelt nicht ſelten erſt das Ganze, um dieſes fuͤr ſich deſto ungeſtoͤrter betrachten zu koͤnnen; wenigſtens verfaͤhrt der erſtere darin ſelten ſo vorſichtig, als der letztere dies muß. Erſterer ſtellt die Sache auf, wie ſich dieſelbe in der Zeit oder in der Idee nach und nach geſtaltet hat, letzterer greift zuerſt nach den ſich findenden Mitteln, durch deren Verarbeitung der Schuͤler in den Stand geſetzt wird, ſelbſt zu gehen und zu arbeiten. Frei⸗ lich ſchafft der Paͤdagog endlich auch ein Syſtem; aber ich ſpreche ja darum nur von dem gewoͤhnlichen ſyſtematiſchen Gange. Wir gehen nun zur Sache ſelbſt uͤber.

- Sieht der Paͤdagog nur den Stoff der einzelnen Zweige der Mathematit an, fo fragt er ſich, unter welchen Bes dingungen, nicht etwa der Schüler ihm leicht folgen, fons dern frei arbeiten lerne. Er findet, daß er das Zuſammen⸗ gefettte zergliedern, erft das gefundene Einfache verarbeiten, dann Daffelbe verbinden, zufammenfegen und ordnen müfle, und dies Alles in ftäter Achtung der Wiffenfchaft und zum Dienfte für daB Leben. Er unterfcheidet dann ein Ele⸗ ment, ferner eine Kombination der einzelnen Elemente zu Lehrfäßen der Theorie, und dann eine Anwendung für Das

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Leben, eine Prarie. Dient die Anwendung nur zur Vers deutlichung der Theorie. und als Uebergangsmittel zur Pras xis, fo wird fie eine praftifche Theorie; dient fie aber dem aͤußeren, praftifchen Leben des Menfchen, fo wird fie wahs re, reine Praxis. Wollen wir nun die richtige Unters richtömethode fuchen, fo. müffen wir von jedem diefer Theile ‚befonders reden.

2) Die Mathematit hat nun zuvoͤrderſt , wie jede ra⸗ tionale Wiſſenſchaft, ihre Elemente. Dieſe Elemente lie⸗ gen nicht immer in dem bloß Leichteren einer Wiſſenſchaft; ſie liegen vielmehr zunaͤchſt in dem einfachen Etwas, das durch Anſchauung erkannt, durch Darſtellung und Anwen⸗ dung zur Abſtraktion erhoben, in ſeiner Richtigkeit als all⸗ gemein dargethan werden kann, und das in Verbindung mit anderen Elementen Jegliches der Wiſſenſchaft gebiert. Ich ſpreche hier zunaͤchſt nicht von Euklids Elementen, ſondern von den Elementen dieſer Elemente, nicht von den ſchon zus fammengefegten vier Species , fondern von dem Einfachen in denfelben, das unmittelbar angefchaut werden kann von demjenigen, das zur Auffindung der erfteren Zufammens fegung geſchickt macht.

Daß der Erfennung der Elemente die Sombination nicht vorausgehen inne, das erkennt Jeder als natürlich; daß aber nad) dürftiger Erfennung einiger Elemente nicht gleich möglichft viele Sombinationen folgen follten, darin ift mar wol noch nicht einig, fonft wäre Dies nicht in fo vielen gepriefenen Lehrbüchern und Schulen zu finden. Dies führt freilich wol in der Wiffenfchaft vorwärts; aber bier muß der Lehrer in der Regel am Geben bleiben, und eigenes Suchen, Schließen und Zufammenfegen von Seiten des Schülers ift nur zu oft unmöglich, da ihm die Mittel zur eigenen freien Bewegung fehlen. Unfer Geift gelangt naͤm⸗ lid, felten zu einem Reſultate, zu deſſen Auffinbung die

nöthigen Bedingungen nur fpärlich in une liegen; ed murß em Ueberfluß, eine gewiffe Vielſeitigkeit da fen, durch welche, ich möchte fagen, das Noͤthige eine gewiſſe Elaſti⸗ eitaͤt bekommt, oder durch welche man einfieht, was nicht refultiren kann. Columbus entdeckte Amerika, Porhagoras den befannten Lehrſatz, Newton die Sphaͤroidie ver Erde, Keppler die Eliypfenbahn der Planeten u. ſ. w., und An⸗ dere, Die mit dieſen großen Geiftern das nächft erfoderliche Element zu diefem Nefultate inte haben mochten, ahneren eine folche Entdeckung nit, fanden ſich aber fpäterhim auch {m Stande, dieſe Entdeckung gemacht haben zu koͤnnen, oder das Ei des Columbus auf die Spitze zu ftellen.

Die Elemente müften den Geift des Schülers erft: los, erft frei machen, ihm die noͤthige Elafticität geben, ihn mathematifch denfen lehren, und ihm fefte Bafen und Um⸗ ficht in denfelben verfchaffen. Ein tüchtiger Kopf hat bes ſonders auch viele Elemente angefchaut, zur Abſtraktion et hoben; darum ftehen ihm diefelben zur freien Verfügung, und darum ift feine Hebung im Zufammenſetzen Berfelben fo frachtbar und ihm ein fo angenehmes Beduͤrfniß. Da ihm nun auch die einzelnen Gombinationen, wie die Efes mente gegenwärtig find, fo findet er darch mannichfache Berbindung der Elemente und Site neue Wahrheiten. Er gleicht dem Schachfpieler, der den Werth der einzelnen Figuren, wie im Allgemeinen die Wirkſamkeit der Ber fegung einer jeden unter allen Berbältniffen kennt, feine Lage, fowie die Möglichkeit des Reſultats won jedem Zuge bedenkt und endlich zieht. Se vollitändiger der Spieler daB Gebiet der Wirkſamkeit einer Figur überhaupt Tonne, je genauer er feine Lage zu: benrtheilen weiß, je klarer er ein -fieht, was der Gegner will und fönnte, und was er felbft will; mit Befts größerem Erfolge wird er dem Gegner ent gegentreten können. Ebenfo hängt Alles won der genauen

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Kenntniß des Elementes, den Formeln ihrer Eombination md von der reinen Erfennung ber Sage ab, in welchen man diefes Element zur Erreichung eines Zwedes gebram chen fol. |

Das (einfache) Efement wird anfänglich am beiten dur Anfchauung an Körpern erfannt. Die bloße A ſchauung ift aber nicht felten zu wenigen Kombinationen geſchickt; Bas Element muß darum zur Abftraftion erhoben werden. Dies gefchrieht, indem man daſſelbe darſtellen, unter allerlei veränderten Lagen darſtellen, und vielfeitig im der Erfahrung und in der dee nachweifen muß. Die Abſtraktion führt auf die Allgemeinheit, ift oft felbit vie Allgemeinheit, und hierin liegt der Endpunkt des Elements als Element. Bor der Erfennung der Allgemeinheit herrfche noch einfeitige Erkenntniß und Mangel deffelben an: freier Benutzung zu glüdlichen Combmationen mit anderen Ele⸗ menten.

Anſchauung und Abſtraktion liegen oft ſehr nahe bei einander, beſonders in der Arithmetik. Indem der Schuͤler hier an ein und denſelben Cuben und Parallelepipeden ver⸗ ſchiedenartige Verhaͤltniſſe der Zahl kennen lernt, abſtra⸗ hirt er von den Koͤrpern ſelbſt, und ſeine Anſicht wird all⸗ gemein; denn Die Zahl 7 iſt ebenſogut abſtrakt, und ges wiffermaßen, wenigftens im Ninficht auf die Namen ber Dinge, welche man zählt, allgemein, wie der Buchſtaben &, wenn gleich die Allgemeinheit des Ießteren umfaſſender, oder vielmehr ganz ift. Laßt man darum in ben Anfängen bei Artthmetif nur die Benermungen 3. B. Thaler, Pfunde, Aepfel u. f. w. weg, und zeigt an ein und denſelben Koͤr⸗ pern die reine Zahl, fo ffehen Anſchauung und Abſtraktion gläclichermeife fo nahe beiſammen, daß beite faſt nicht zu trennen find. Hierin hat die Arithmetik großentheils vor der Geometrie einen großen Vorzug im Unterridte, und

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hierin ift der volgäftigfte Grund zu fucen, warum jene auch diefer vorausgehen, und warum man in den Anfäns gen der Arithmetif, oder im Kopfrechnen, die Denennungen Thaler, Groſchen, Tage u. f. w. fortlaffen muß.

Es ift aber nicht hinreichend, daß der Schüler jedes nöthige Element ganz kennen lerne, er muß auch darin geübt werden, dieſe ſchnell von einander unterfcheiden und durch einander mit. Fertigfeit darftellen zu Können. Nach jedem Elemente follten demnad) einige Uebungen für alfe vorhergehende, und zwar Durcheinander, vorkommen. Hiers durch entwickelt fich Hebung im freien und leichten Gebrau⸗ che derfelben für eine fehnelle Ueberficht nachfolgender Com⸗ binationen, da ein guter Erfolg hierin durch fchnelle Ver⸗ gegenwärtigung der Elemente bedingt wird.

Soll man denn nun die Elemente der ganzen Wiſſen⸗ ſchaft vorausſchicken? Zur Beantwortung dieſer Frage müfs fen wir die Elemente in folche abfondern, die einem Haupts zweige der Wiffenfchaft, wie z. B. der Arithmetif oder der Geometrie u. ſ. w., durchgängig zum Grunde liegen, fer- ner in folche, welche nur einzelnen Abfchnitten derfelben ans gehören, und in foldhe, Die irgend einmal in einer befons deren Heinen Abtheilung eines Abfchnittes vorfommen. Was die erfteren Elemente, welche man die allgemeinen nennen fönnte, anbetrifft, fo müfjen dieſe von vorn herein verars beitet werden, weil ohne fie feine freie Bewegung möglich ift, und es mag in zweifelhaften Fällen beffer fein, darin etwas zu viel, als zu wenig zu thun. Clemente von noch fern liegenden Abfchnitten, Die der Schüler vielleicht nie gebrauchen lernt, mögen bis dahin aufgefpart werden, wein man fieht, daß fie zu gebrauchen. find; denn man würde fonft ein Fundament bauen, ohne daffelbe zum Bau eines Haufes zu benugen. Elemente aber von einzelnen Fleinen Abtheilungen oder Regeln werden, befonders wenn fie noch

entfernt liegen, erft vor ber Gombination vorgeführt. Das befondere Element ber Zins-, Tara⸗, Nabats, ber Pari- und Arbitragenrechnung, der Potenzen, Wurzeln und Glei⸗ Hungen kann dort vorkommen, wo es gebraucht wird. Auf ähnliche Art verhält es fich mit Einzelheiten in der Geomes trie. Wollte man diefe Elemente mit den allgemeinen ver- arbeiten, fo möchte dad Maaß der Elemente überhaupt fich zu fehr haufen und den Ueberblick derfelben für den An fang erfchweren. Ueberhaupt achte man bei der Auswahl der Elemente auf das Geſetz der Schuldfonomie, nach wel- chem man alles Unndthige, das nicht zum Hauptzwede, „Aneignung der Wiſſenſchaft,“ führt, und alles noch zu fern Liegende wegläßt, und faffe dann die Bildungsfähig- feit und die umfichtige Anwendung des Nöthigen fcharf ins Auge, um dieſes ganz zum Cigenthume des Schülers zu machen, auf das Klarfte in ihm zur Abftraftion zu er- heben.

b) Das Element ift zwar an fich in der Anfchauung einfach; wird e8 aber, befonderd in der Geometrie, zur Abſtraktion erhoben, in feiner Allgemeinheit aufgeftellt, fo bedarf es hierzu fchon mancher Combination. Auf Diefe erfteren Combinationen achte man nun mit größtem Fleiße, und weife diefe fo lange ald möglich in der Anſchauung nad. Nun fange man an, einige Elemente zu combiniren, fuche die einfachften Säte, in denen das Combinationsver⸗ fahren anfänglich gleich ift, hervor, und achte dabei faft mehr auf den Gang, wie die Wahrheit gefunden wird, als auf die Wahrheit ſelbſt. Diefe einfachen Site dienen nun weiterhin wieder ald Elemente zur Findung fchwererer Säße, und fo wird nun das Wort Element ein relativer Begriffe Indem man nun mit Diefen Säten, wie vorher mit den Ceinfachen) Elementen verfährt, gewinnt ber Schh- ler immer mehr an innerer Kraft: Damit er aber das

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Sombinationsverfahren recht kennen ferne, behandle man jede Eombinationsart für fih ale ein Ganzes, das man möglichft in ber Anfchauung nachweiſt und einubt, und fchlage fpäterhin mit dem Schuler in der Geometrie, wo thunlich,, bei jedem Satze zwei Wege, den fonthetifchen und den analytifchen Weg ein, wenigftens verfuche der Schüler auf beiden Wegen die Wahrheit, den Sa zu finden. Ber- fucht e8 der Schüler durch Zufammenftellung ihm gegebener Elemente u. f. w. einen neuen Sa zu finden, fo verfährt er fonthetifch oder geht vorwärts in feinen Schluͤſſen; ſtellt er aber den bereitd noch unerwiefenen Sab als ein Problem bin, indem er fich das zu Suchende als gefunden, wenig» ſtens vergegenwärtigt, dann auf ein Nächitoorhergehendeg fchließt und auf Diefe Art verfucht, den Anfang und fo das Ganze zu finden, fo verfährt er analgtifch, oder er geht in feinen Schlüffen anfänglich rüdwärts, um nachher wieder vorwärts zu gehen. Bon diefem Erfindenlaffen hat mans cher Lehrer prahlend gefprochen, wenn er durch Katechefe (mit gütiger Erlaubniß) die Naſe des Schülers von einer Sache auf die naͤchſtfolgende ſtieß; allein weder diefes, noch das Deutlichmachen, liegt in ber Wefenheit diefer angedeu- teten Methode. Ein ficheres und fröhliches Fortfchreiten anf dem Wege der Syntheſis und Analyfis wird nicht nur durch die genaue Kenntniß der Elemente, ber einfachen Gombinationen, der bis dahin angefchauten Säte, fondern - auch durch manche yraftifche Kenntniffe, mit denen bie Mathematik in Verbindung tritt, und vorzüglich noch durch ‚die genaue Kenntniß der Mittel bedingt, welche man in den verfchiedenen Fällen, befonders in der geometrifchen Analyfis, anzuwenden hat, um nicht mit jedem Augenblide wieder feft zu fahren. Diefe einzelnen Mittel müffen fo viel Als moͤglich in den erfieren Sägen angefchaut werden, und vielleicht Taflen biefe fich, wie die einfachen Gombinationen,

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nach der Reihe aufftellen und nachweifen. Weiß der Schur- ler nicht, wie man dazu kommt, diefe oder jene Winkel zu benugen,, Linien und Kreife zu ziehen, Dreiecfe zu machen u. ſ. w., um durch diefe Etwas aufzufinden; weiß er nicht, wenigftend im Allgemeinen, welche Hälfsmittel ihm aus dergfeichen Operationen erwachfen: fo tappt er im Dunfeln und wird ſtets der Nachhülfe von Seiten des Lehrers nd- thig haben. Wie fehr verdient würde fich derjenige philo⸗ fophifche Analytifer um die Wiffenfchaft und um das Un terrichtswefen machen, der das innere Weſen ber geometris fchen Analyfis nad) ihren einfachen und zufammengefeteren Elementen und Combinationen aufftellte! Wer weiß, ob durch Zufammenftelung folcher Säbe, und auch befonders folcher Aufgaben, deren Wahrheit und Loͤſung auf ähnliche Art gefunden werden, nicht irgend ein tüchtiger, fcharffins niger Analytifer das Gluͤck hat, ſich unfterblic zu machen. Warum follte es einem folhen Kopfe nicht gelingen, bie feinen Merkmale, die nur der Scharffinnige zeither fühlt, zur Wedung des Scharffinnes mehr zu verkörpern und an Beifpielen ein und derfelben Art nachzumweifen? Einficht in die geometrifche Analyfis muß auch für die Wilfenfchaft förderlich fein, da der große Newton es bedauert hat, in diefer trefflichen Kunſt nicht geübt genug geweien zu fein.

Sc erinnere mich recht gut, vor etwa zwanzig Ssahren zuerft in einer Schrift, ich meine gegen den würdigen Pe ftalozzi, einen ausführlichen Tadel über den Gebrauch, der Buchftabenformeln, der Analytif, gelefen zu haben, mo denn behauptet wurbe, daß der Gebrauch der Formeln für die formale Geiftesbildung wenig oder gar Feine Ausbeute ge währe. So viel ich weiß, ift diefe Idee in der paͤdagogi⸗ ſchen Welt zeither die herrfchende geblieben. Wenn ich aber die Sicherheit und größere Selbitthätigfeit des Schülers im Erzeugen, Berändern und Gebrauchen der Formeln ges

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gen den gewöhnlichen Liniengebrauch halte; wenn ich ber denfe, daß der Schüler durch erfteres rafcher in die Wiffens fchaft hineingeführt wird, als durch letzteres (man denke nur an einige Hauptformeln der Trigonometrie), und daß felbft obiger Tadel die geometrifche Analyfis treffen koͤnnte, im Falle. ihr innerftes Wefen Klar und einfach vor Augen gelegt würde: fo kann ich bis jet noch in Diefen Tadel nicht ganz einflimmen, ich müßte denn zugeben, daß ein Umhertappen im Dunkeln zur Weckung des Scharffins nes im Allgemeinen beffer wäre, als ein klares, ficheres Kortfchreiten. Es mag fein, daß ein foldyes Umbertappen zur Wedung oder Uebung des Scharffinnes feinen Nutzen habe; dieſe Gelegenheit wird aber nothwendig jedem for- fchenden Schüler bei jeder Sache fo lange bleiben, bis er diefelbe Elar verftanden hat, und zwar um fo länger, je fchlechter und erbärmlicher der Lehrer if. Mir deucht, der Schüler muͤſſe fo ſchnell ald möglich in die Wiffenfchaft fich hineinarbeiten, damit diefe ihre, ihr felbft inwohnende, -Bildensfraft auf den Schüler dußern koͤnne. Sch fürchte demnach durch Flare Darlegung des Inneren der geometri⸗ fchen Analyſis ebenfowenig Erſchaffung eines neuen fchäd- lichen Mechanismus, als ich denfelben in der gewöhnlichen Analytit finden kann, und es möchte wol gut fein, wenn beide Berfahrungsarten foviel als möglich im Dienfte für die Wiflenfchaft fich näherten.

Sol nun die bereitd angegebene Methode von ftreben- den Lehrern allgemeiner und mit gutem Erfolge angewendet werben: fo muͤſſen nothwendig Lehrbiicher da fein, die die⸗ fen Weg genau vorzeichnen, und an Büchern der Art find wir wenigftens nicht ganz arm. Tillich hat in feinem Kopf⸗ zechenbuche die ‚allgemeineren Elemente und Eombinationen der Zahl auf eine wahrhaft wunderbar fohöne Art neben sinander ‚geftelt. Er ift dabei allenthalben von ber As

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fhanung ansgegangen, und hat jedesmal den Weg zur Abftraftion fo ange ald möglich durch die Anfchauung be- gleitet. Dadurch hat er unwiderfprechlich einen vorzüglich guten Grund zur Erlernung der Arithmetik, des Zifferrech⸗ nens fowol, ald des Buchftabenrechnens gelegt. : Unter ben mir befannten Zifferrechenbüchern find dieſer Anficht das von Schumacher und das von Diefterweg und Heuſer fehr würdig gefolgt. Im ähnlichem Geifte ift die Geometrie oder fogenannte Raumlehre von Diefterweg verfaßt. Möchte es meinem verehrten Freunde, dem Herrn Seminarbireftor Diefterweg, gefallen, in einer befonderen Schrift für den Lehrer die Behandlung jedes Satzes, der in feinem dritten Abfchnitte vorfommt, auf dem Wege der gewöhnlichen Anas lytik, oder der geometrifchen Analyſis, oder der Syntheftg, oder wo nöthig und thunlich auf verfchiedenen Wegen zus gleich zu zeigen, und wenn die ausgefprochene Anficht die richtige fein follte, dazu fowol den Euklid, als die analy tifche Geometrie von den Franzofen dazu ganz zu benutzen.

Es ift zur Erlernung einer fo wichtigen Methode nicht genug, die erfteren Elemente behandeln zu können und an einigen Beifpielen ben Geift des Ganzen in etwa fennen zu lernen; die Lehrer müflen allenthalben Hälfe finden, wenn man dem größten Theile berfelben auf: fürzeftem Wege nüten, und fie nicht am Ende doch wieder von bem beften Wege ab und in die Irre gerathen Iaffen will. Gin Lehr- buch ift noch nicht vollfommen, fobald ich noch, um das Nothwendige zu finden, andere Buͤcher nachfchlagen und diefelben mit Aufopferung vieler Zeit ſtudiren muß. Ich weiß nur gar zu ſehr, daß ich hier um etwas fehr Schwie- riges bitte; aber darum follem auch nur folche Meifter ung Lehrbücher fchreibeit, ‘welche zugleich Lehrer und Pädagogen find und das ganze Beduͤrfniß folcher Lehrer kennen, bie ohne anderweitige Studium der Miffenfchaft doch grimb-

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lich in derfelben unterrichten wollen. Man mißdeute diefen Ausdrud nicht, und bedenfe vielmehr, daß ein Lehrer oft in zu vielen Gegenftänden unterrichten mülfe, als daß er fi, jeder Wiffenfchaft, die er Iehren fol, ganz hingeben fönne und dürfe.

In der Arithmetif leiſten bereits wenigftens zwei Bücher fait vollfommen dasjenige, was ich bis jebt noch an Schrifs ten der Art zu fodern habe, Diefe find dad Rechenbuch von Diefterweg und Heufer (Elberfeld bei Büfchler) und die Arithmetif von Tillich für Sedermann (leipzig bei Ördff). Wie oft aber werben ganz vorzügliche Schriften der Art ' überfehen! Zu diefen gehört auch befonders Tillichs Arith- metif, Wie Viele haben feit der Erfcheinung diefes Buches Kopfrechenbücher gefchrieben! aber Niemand, von Türk bis Gawerau, ich fage Niemand hat, nach meiner Anficht, Tillichs Arithmetif erreicht, und den Geift diefer Wiſſen⸗ fchaft fo zweckmaͤßig dargeftellt, als Tillich. Selbit Herr Prof. Lindner, der diefe Schrift aufs Neue herausgegeben hat, fcheint in Tillichs Geift nicht eingedrungen zu fein; wenigitens bringt die widrige Einflidung der Decimalrech⸗ nung und Die Beilage des Praftifchen auf diefe Bermuthung. Obgleich nun auch die Fehler der alten Auflage großentheilg fiehen geblieben find, fo muß man ed dem Herrn Profeflor Lindner doch herzlich Dank wiflen, daß er für eine neue Auflage diefes Buches Sorge getragen, und vielleicht auch dafir, daß er die Methodenlehre Tiliiche zwiſchen die Uebungen geſtellt hat.

c) Wir kommen nun zu dem prattiſchen Theile der Mathematik, und zwar zuerſt zu dem praktiſch⸗ theoretiſchen Theile. Es iſt in der Geometrie und Trigonometrie die Darſtellung und Ausmeſſung desjenigen auf‘ dem Papiere, was in der Theorie klar angeſchaut worden iſt; und in der Arithmetik iſt es die Uebung im Behandeln der reinen

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Größe. Sch finde es meifterhaft,, wie die allgemeinen Ele⸗ mente und viele Combinationen in Diefterwegs Anleitung zur Geometrie (Naumlehre) und in dem Theile von E, ©. Fifchers Geometrie, der von der Ausmeffung handelt, fowie in dem Kopfrechenbuche von Tillich und in dem Res chenbuche von Diefterweg und Heuſer praftifch-theoretifch durchgeführt find. Sn der Geometrie würde fich die Zahl dDiefer Uebungen noch vermehren, wenn man die Praris mehr beabfichtigte.

Es fragt ſich nun: Sol man.mit diefem Darftellen und Ausmeffen, mit der Uebung im Behandeln der Zahl war; ten, bis fämmtliche Elemente und Combinationen der Theos rie durchgearbeitet find, oder fol man diefe mit denfelben verbinden, und wie fol diefe Verbindung ftattfinden ?

Wollte man bei der Theorie der Geometrie nicht dar- ftellen und ausmeflen, oder bei der Arithmetif nicht gleich bie Größe praftifch= theoretifch behandeln: fo würde ed dem Erlernten an dem gültigften Erweife des Erkennens, bed Haren Auffaffens, und auch dadurch nicht felten an der Ueberzeugung von der inneren Schönheit der Sache fehlen, und Die gewonnene Anficht würde ſich bald verwifchen, da es ihr an Material fehlte, oder da diefer Baum dann nicht Erdreich genug hätte, um tiefe und ſtarke Wurzeln zu faf fen. Diefe Uebung muß demnach jede gewonnene Anficht fo lange begleiten, bis fich lettere, durchaus eingeprägt, zur Fertigkeit erhoben hat. Eben darum find reine Theorieen in Gegenftänden, wo alle Uebung im Praftifchen fehlt, ſel⸗ ten nuͤtze. Jedoch ift Dies ganz etwas Anderes, wenn das Theoretifche eines Gegenitandes nur wenig ift und dermaßen zufammenhängt, daß die Einzelheiten entweder für fich wer nig Bedeutung haben, oder doch immer als zufammtenge- hörig gedacht werden müffen. Darım halte ic, ed für bef- fer, bei der Kehre von den Gleichungen ein amd deſſelben

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Grades die ganze Theorie in gebrängter Kürze vorauszu⸗ ſchicken, und diefelbe auf das feftefte einzuprägen, bevor man zur Aufldfung der Aufgaben übergeht. Bei der Lehre von jeder der Species, von den Proportionen, Potenzen , Wurzeln u. f. w. ift diefes Verfahren, wie auch bei ber Intereſſen⸗, Kettenrechnung, Miſchungsregel und bei allen diefen einzeln ftehenden Regeln aus demfelben Grunde anzu- rathen. In diefen Theorieen, die gewiffermaßen abgeruns det für fich daftehen, find befondere Elemente, befondere Sombinationen enthalten, in welche der Schüler Hare Ein- ficht haben muß, ehe er fich an die Arbeit fest. Wird diefe Borarbeit von Seiten des Lehrers verfäumt, fo fühlt der Schüler feine Kraft zur zugemutheten Arbeit und wird ver- drießlich, da er Nichts zu Stande zu bringen weiß. Wollte man hier die Einzelheiten nach einander praktiſch einüben, wie dies fo vielfach fchon um deswillen gefchieht, da der Menfc auf dieſe Art nad und nad) auf die Einzelheiten gekommen fein mag: fo würde der freie Ueberblick über das Ganze dem Schuͤler fehlen, und er würde dasjenige, was er als ein zufammengehdriges Ganze anfehen fol, als eine Menge Fleinerer Ganzen betrachten, den wahren Geift des Ganzen zerriffen auffaflen, und bdenfelben darum um fo leichter vergeflen. Es ift diefes Verfahren mit den faſt al- lein ftehenden Einzelheiten mit dem großen Ganzen faft ganz gleich, und wenn erftered zweckmaͤßig ift, fo muß es auch dies fein. Bei folchen einzelnen Regeln muß denn nıın auch die Klarheit der Einficht durch Darftellung und Uebung gleich hinterher erfolgen. Diefes praftifch-theoretifche finden wir in Diefterwegd Geometrie in dem erften und zweiten Abfchnitte unter dem Namen Darfielungen, und im brit- ten Abfchnitte oft mit den Säben fehr zweckmaͤßig verbun⸗ den; in Tillichs Kopfrechenbuch finden wir daffelbe unter der Rubrik „Aufgaben,“ und im Rechenbuche von Die-

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ſterweg und Heuſer ſind dieſe Uebungen den rein praktiſchen Aufgaben ſtets vorgeſtellt.

d) Was nun die Anwendung des vorhergegangenen zu einem rein praftifchen Zmwede angeht, fo muß nach meiner Meinung der Curfus gerade dafür fein Material enthalten, oder der Curſus muß, jedoch ohne unwuͤrdige Verſtuͤmme⸗ lung der Wiffenfchaft, nur fo viel theoretifche Saͤtze ent- halten, als zum yraftifchen Zwecke der Schule nöthig. if. Mar ed richtig, dieſe Defonomie mit den Elementen zu beobachten, warum nicht auch mit den einzelnen Säben und ihrer Anwendung für das praftifche Leben? um beffentwillen der Schüler die Mathematik doch lernen follte Sn den Geometrieen fieht es hierin noch leer aus. Im Allgemeinen beobachten unfre Tafelrechenbiicher aber dieſes Geſetz fehr genau; nur einige, und zwar die beiten derfelben, gehen hier und dort ind Speculativere über. Ohne diefes Beſtre⸗ ben durchaus zu tadeln, weife ich nur auf nüßlichere Dinge hin, die dem Schüler in der Zufunft brauchbar find. Die formale Bildung des Geifted wird auch dadurch gefördert und haltbarer, als in Syeculationen: der praftifche Kopf wird dadurch gebildet, und eben diefer ift, wenigſtens im Allgemeinen, für die menfchliche Gefellfchaft der förderlichfte, da ohnehin Praris die Speculation nicht ausfchließt, ſon⸗ dern nur um fo ficherer leitet. Die Idee, nach welcher der in unferen Provinzen um die Arithmetif verdiente Veteran, Daniel Schuͤrmann 9, in feinem Rechenbuche geometrifche

*) Man denke nur an ben gewaltigen Schritt von Schlieper bis Schürmann, und verachte die Aufgaben nicht um beswillen, weil venfelben die Rechenformel vorgefest ifl. Ein Rechnen nach Peſta⸗ lozzi war damals hier noch nicht oder doch zu wenig bekannt. Das größte Verdienſt in diefem lesteren Rechnen hat unftreitig der treff: liche Schumacher um diefe Provinzen ſich erworben. Diefes Rechen:

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Aufgaben ftellte, war fehr gut und Idblich; er hätte Die Theorie nur nichtfo dürftig darſtellen müffen, um noch allges meinere Anerfennung zu finden und dennoch hat er durch diefe Arbeit ganz gewiß fehr viel genuͤtzt.

Penn Einige beim Rechnen zu früh und zu auffallend die Speculation lieben, fo wollen Andere zu fehnell in die Praris fahren, und tadeln fogar die praftifchstheoretifchen Aufgaben der beften Kopfrechenbücher, 3. B. der von Türf und Tillich. Ohne zu behaupten, daß Feine diefer Uebun⸗ gen und Aufgaben diefer Bücher fortfallen dürften, erin- nere ich nur daran, daß die Zahl erft vielfeitig und rein angefchaut werden muß, bevor man diefe auf Fälle für das gemeine Leben anwenden darf; daß manche lebung zugleich den Zwed hat, das beim Rechnen fo nothwendige Borftel- Ten verfchiedener Zahlen zu üben, die fich durch allerlei Combinationen verfchieden geftalten; und daß ein und das⸗ ſelbe Material, von verfchiedenen Seiten angefehen, wahr: hafte Tüchtigkeit gibt. Wie oft kommt nicht z. B. in Die fterwegs Geometrie auf eine recht zwedmäßige Art die Fors

mel: (= " vor. Die zu frühe praftifche Anwendung‘

würde, wie friiher gefagt, die Aufmerkſamkeit des Schülers zu fehr von dem Geifte der Sache abwenden, und was der Schüler im Aeußeren gewoͤnne, verldre er Doppelt am In⸗ neren. Außerdem gibt e8 der bloß praftifchen Regeln und Anfichten für das Kopfrechnen zu wenige, und dDiefe liegen den praftifch=theoretifchen Aufgaben zu nahe, als daß man nöthig hätte, darüber viele Zeit zu verlieren, wie ſolches mir die Erfahrung gelehrt hat. Die bloß praftifchen Auf- gaben hierin find auch fchon um deswillen weniger nöthig, ba diefe beim Tafelrechnen hinlänglic; genug vorkommen,

buch von Schuhmacher und das von Diefterweg und Heuſer befoͤr⸗ dern ein verfländiges, rein mathematifches Rechnen.

der Schüler alfo volle Gelegenheit hat, die Anwendung zu erfennen, oder auch, wenn man will, die Fleineren Exem⸗ yel aus dem Kopfe zu rechnen. Das Streben nadı Praris muß der dahin führenden freien und der Sache felbft ans gemeflenen Verarbeitung des Theoretifchen nicht hemmend in den Weg treten, wenn gleich die Theorie nichs für den Zwed Unnöthiges enthalten barf.

Woher nehmen wir nun die weitere Maffe des zu ers ftrebenden Praftifchen für die höhere Bürgerfchule und für Gymnaſien? |

Man ftelle die nöthigen praktifchmathematifchen Saͤtze aus Maltebruͤns mathematifcher Geographie, aus Andreas Baum: gartmers oder C. ©. Fiſchers Naturlehre, aus Dupins Me- hanif, aus Schubartd oder Berzelius Chemie, und Die ges meinnüßigften Site aus Schulz Montanıs Meßkunde ır. zufammen und beilimme darnach die Theorie, das Man von Elementen und Combinationen. Auf diefe Weife wuͤrde man für das Leben des gelehrten oder auch nur allgemein gebildeten Nichtmathematikers auf das zweckmaͤßigſte forgen, und dem Studium der Naturwiflenfchaften, der Mechanit, u. f. w. allgemeiner den Weg bahnen, als dies bis jest gefchieht, da man die Theorie zu fehr haͤuft, als daß dies felbe fpäterhin von Nidhtmathematifern weiter benutzt wer⸗ den könnte. Für die oberften Claffen der Gymnaſien, wie für kuͤnftige Mathematiker, Tönnte ein Nachtrag dienen, welcher die bis dahin fehlenden Site der Wiflenfchaft ents hielte.

Ich will das Verfahren der Franzofen in Behandlung der Mathematif und Deutichen nicht als Die einzige Nichts ſchnur aufftelenz; aber ich glaube doch, daß zwifchen ihrer Lehrart und der unfrigen derfelbe Unterfchieb obwalten möchte, wie unter den Theologen, die auf der Kanzel ins Haus dringen, und denjenigen, weldye nur den ſpekulirenden Phis

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Iofophen oder den fcholaftifchen Dogmatifer in ihrer Wirk famfeit darftellen. Es muß für allgemeine Bildung der fürzefte Weg zur Erlernung einer praftifchen Wiſſenſchaft ‚eingefchlagen werden. Was dann an Theorie zur Bildung des Geiftes fehlt, Das erfeht die Praris oder eine andere Wiffenfchaft, die dem Lernenden nöthig if. .Wer ſich dann in der Zukunft. der einen Wiffenfchaft ganz hingeben will, mag das Fehlende in dem Borigen leicht nachholen.

Die erwähnte Beforgniß kann freilich nicht von folchen Profefjoren der Mathematif ausgehen, die mit ihren Schuͤ⸗ lern das ganze Keld der Theorie diefer Wiffenfchaft durdy- meffen, und denen nun noch Zeit genug übrig bleibt, auch ‚die Anwendung berfelben zu Iehren; diefe Männer fühlen vielmehr die große Freude des Geiftes, nun allenthalben frei in jede praftifche Anwendung zu ſchauen und die Gründe zu Allem in fi zu tragen. Diefe Beforgniß und Klage kann auch weniger von den Gymnaſiallehrern ausgehen, da dieſe von der Univerfität dasjenige erwarten, was fie un- vollendet den Schülern hingaben ; aber wer tröftet den Lehrer an höheren Bürgerfchulen, der nur mit großer Anftrengung feinen Schülern zwar einen breiten Weg zu dem fchöniten Tempel der Wiffenfchaften bereitet hat, ihnen aber nun bas Thor zu demfelben nicht zu oͤffnen im Stande ift, und der nun von den meilten Pfleglingen erwarten muß, daß fie nur die VBorhöfe dort betrachten, und dann verdrießlich wie- der umkehren werden. Die. erlangte formale Geiftesbildung fol doch wol bier nicht tröften, wo man bei etwas’ mehr Ueberlegung zugleich taufend Mittel zur Gewinnung für die Raturwiflenfchaft u. f. mw. geben Fonnte; auch fann Die vereitelte Hoffnung der Gymnaſiallehrer, die ihre meilten Pleglinge auf der Univerfität der Mathematif den Rüden

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wenden jehen, den Lehrern an Bürgerfchulen feine neue Hoffnungen einflößen. Man arbeite darum wenigftens für niedere und höhere Bärgerfchulen einen Cyclus der Mathe matit aus, den die Schule gang durchgehen kann, der auch zugleich wahrhaften Nutzen für das bürgerliche und wiffen- fchaftliche Leben hat und ſich nicht mit bloßen Hoffnungen begnügt.

Faflen wir das Gefagte Furz zufammen, und ftellen wir daſſelbe in der etwaigen Anordnung eines Lehrbuches für Geometrie oder Trigonometrie u. ſ. w. unter einander, fo möchte fich dafielbe folgendermaßen geftalten:

1) Die allgemeinen Elemente. Anfchauung und Dar- ftellung.

2) Die einfachften Eombinationen derfelben. Anfchaus ung und Darftellung. |

3) Nähere Regeln, welche zu einem fröhlichen und ficher ven Fortfchreiten, befonders in der (geometrifchen) Analyfis erfordelich find. Anfchauung und Darftellung.

4) Die Eombinationen der Ceinfachen und zufammen- gefeßten) Elemente zu Lehrfäßen u. f. w. der Theorie. Ans wendung der Saͤtze.

5) Praktiſche Anwendung vieler Saͤtze, inſofern ſolche wegen ihres eigenen Zuſammenhanges unter ſich, oder an⸗ derer Umſtaͤnde wegen, den einzelnen Lehrſaͤtzen oder Ab⸗ ſchnitten der Theorie nicht beigefuͤgt werden koͤnnen.

Was die Arithmetik insbeſondere betrifft, ſo wird Nr. 1 und 2 dur Tillich erledigt; im Zifferrechnen leiſtet das Rechenbuch von Diefterweg und Heufer Alles, was gefos dert werben kann. In ber Buchflabenrechnung und Alge bra können die einzelnen Regeln da, wo genaue Kenntniß und Fertigkeit nöthig ift, nach Egens Handbuch und den Aufgaben von Meier Hirfh, und wo nur eine klare Webers ficht nöthig fein follte, nad) Euler durchgearbeitet werden.

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Uebrigens bleibt nun auch hierin ein Lehrbuch zu winfchen übrig. Ein Lehrbuch der Mathematik für eine diefer Schu: len bildete dann gleichjam ein vollftändiges, auf Säulen ruhendes Gebäude von mehr oder weniger Bedeutung und

Schönheit. Die Bearbeitung der allgemeinen Elemente des

Theoretifchen und Praftifchen machten dazu das Fundament aus; die verfchiedenen ‚neben einander geftellten Uebungen im Sombiniren wären die Säulen, deren Piebeftale die hier zur Sombination erforderlichen Säte, und deren Capitäler die neu gefundenen Saͤtze bildeten. Das Uebrige der Theo- rie ftellte dann den Architrav, und das Praktiſche den noch

fehlenden Theil des Kunſtgebaͤudes vor.

Das KRopfredhnen.

Bor dem neunten Lebensjahre des Schülers kann der Unterricht in der Arithmetik felten mit Erfolg betrieben werben. Zu früh mit diefem Gegenftande anfangen, heißt mit demfelben fpielen oder ihn mechanifch treiben, denn Der Schüler muß Borbildung haben, er muß im Stande fein, das lehrende Wort ſcharf zu erfaffen, das Gefehene vor Die innere Anfchauung zu bringen, um daſſelbe deutlich und beftimmt wieder zu geben. Das Kopfrechnen wird am be⸗ ften nicht mit dem Tafelrechnen verbunden, Hier ift meine Begründung für diefe Behauptung.

Das Kopfrechnen fol, wenn es rechter Art ift, Die all gemeinen Elemente und Combinationen der reinen Zahl, ein⸗ zeln für fich betrachtet, anfchauen laſſen, und auf dieſe Art fowol dem Ziffer» als Buchſtabenrechnen vorarbeiten. Die reine Zahl kann aber leichter und fchärfer. ins Auge gefaßt werben, wenn zugleich weber von Ziffern, noch Buchſtaben, noch von andern Namen, ald: Thalern, Groſchen, Pfuns den, Tagen u. fe w. die Rebe if. Wer ein rein mathes

191 matifches Kopfrechnen kennt und zu fchäten weiß, fieht es ein, daß der Schüler fich bei Bearbeitung der Zahl nie die Ziffer vorftellen darf, wenn er mit dem beiten Erfolge die Zahl rein auffaffen fol. Sch rede hier nicht von ber Möglichkeit, was ift einem gefchickten Lehrer nicht Alles möglih! fondern ich rede von der Natürlichkeit und Leichtigkeit, durch welche ein geſchickter Lehrer noch. mehr hervorbringt. Die Ziffer hat ihre befonderen Regeln ver Bearbeitung, woher es denn fommt, daß die Berfahrunge- art des Kopfrechnens bei Loͤſung -einer Aufgabe anders ift, als die beim ‚Zifferrechnen. Nehme ich 3. B. im Kopf rechnen 4. von 97, fo nehme ich erft 4, von 30, dann von 90 und endlich von 75; multiplicire ich 34 mit 23, fo nehme ich erft 2 ><34, dann 20 ><34, dann 3 X 34 und abdire die beiden leßteren Producte; beim Tafelrechnen . ver- fahre ich aber noch firenger, oder vielmehr Fürger nad) dem decadifchen Syſteme. Die Ziffer ift das Zeichen der Zahl, folglih muß die Zahl eher verftanden fein, ald man bie Ziffer gebrauchen kann. Ferner muß es an ſich fchon Teich ter fein, die Zahl, und dann die Ziffer, als beides zuſam⸗ men zu behandeln. Wollte man mit der Zahläbung nur um einige Schritte der Zifferäbung vorausbleiben: fo wärs den beide Uebungen ſich zu fehr affociren und darum ſtoͤ⸗ rend auf einander einwirten. Die Berfinnlichungsmittel, welche man beim Kopfredinen gebraucht, muß man beim Tafelrechnen wicht mehr nöthig haben. Beim leßteren muß das Element fchon zur Abftraftion erhoben fein; wie will der Schüler fonft die Anwendung aufs Leben machen er hätte fi) dann gleichſam mit zwei Keinden zu fchlagen, die ſich ftetd gegenfeitig verbänden, um ihm Schwierigfeiten in den Weg zu legen. Aus ähnlichem Grunde geht die Bes handlung der unbenannten Zahl der der benannten ganz swedmäßig voraus u. f. w. Will man mir Erfahrung ent⸗

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gegenfegen, jo itehe ich mit einer 23jährigen derfelben ent gegen, und habe Männer, wie Peftalozzi, Tillich, Tuͤrk und Schmidt auf meiner Seite.

Sind die allgemeinen Elemente und Kombinationen, Die allgemeinen Zahlenverhältniffe erft verftanden und au der reinen Zahl eingeübt; iſt eine freie und allgemeine Ueber⸗ ficht möglidy geworben: fo kann man mit dem Beſondern, dem Abftrafteren, dem Tafelrechnen anfangen, und die Ne geln und Abänderungen hinzufügen, welche aus dem Ge⸗ ‚brauche der Ziffer entfpringen.

Es ift erbärmlich, wenn man heutzutage, wo dieſes Feld fo vielfach bearbeitet, und der Ruf zur weitern Theil⸗ yahme faft in jede Hütte gedrungen ift, noch immer junge Lehrer findet, Die fich beim Kopfrechenunterrichte mit den mechanifchen Regeln der vier Specied in ganzen Zahlen und Brüchen, und mit dem gewöhnlichen Dreifaße in ber Schule umhertreiben. Ein folcdyes Verfahren erregt Efel, und mit Unwillen möchte man fich von einem Manne wegr wenden, dem alle Forſchungen hierin, und die laute Aner- fennung eines PBierteljahrhunderts gänzlich unbefannt zu fein fcheinen. Indeſſen, wie in allen Fächern, gibt es auch hierin eine Menge armfeliger Anleite, die von vielen Leh⸗ rern obendrein noch armfeliger, oder felbft nur in ihren Anfängen gehandhabt werden.

Mich umftändlicher über Methode des Kopfrechnens einzulaſſen, balte ich für überfläflig, da ich den denfenden eifrigen Lehrer auf einen Anleit näher aufmerffam machen will, in weldyem er Alles, was ihm nöthig ift, auf Das Befte finden wird. Es ift der bereits als Mufter erwähnte Anleit von eben dem Tillich, dem wir ein ganz vorzügliches erſtes Leſebuch und eine ſehr beachtenswerthe Geometrie verdanken. Diefe Schrift von Tillich ftudire der Lehrer mit

Fleiß, und er wird,. wenn.er bas Ganze burchgearbeitet,

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und eine foͤrmliche Meberficht gewonnen hat, die Erbaͤrm⸗ lichkeit jener armfeligen Uebungen vieler Scribenten eins ſehen, und der Reinheit der gewonnenen Anficht mit der innigften Weberzeugung huldigen. sch habe dieſes Buch feit 1808 felbft gebraucht, habe ed, mit Ausfchluß einiger Fahre, mit einer Elaffe jährlich ganz durchgerechnet, und fann jagen, daß Fein Anleit, und deren kenne ich eine Menge von Biermann und Peſtalozzi bis Cawerau, mir den Tillich hätte erfeßen koͤnnen. Tillich hat etwas Aus gezeichneted in Diefer Art gefchrieben, und verdient ben Danf der Nachwelt. Die beften erfchienenen Anleite find aus ihm gefchöpft, ja, oft undanfbarerweife, ohne feiner auch nur zu erwähnen; und das Entliehene ift dann ge wohnlich in fchlechterer Form, mit weniger pſychologiſcher Einficht aufgeftellt. Sch denfe, man halte fich an ben Meis ſter aller unfrer sopfrechenbücher (die Zahlenverhältniffe von Peftalozzi ausgenommen); und eifrige Lehrer, die ihn nicht verftehen, mögen in Lehrerconferenzen ihn verftehen Iernen.

Aber warum wird Diefer Anleit noch immer von den Lehrern fo wenig gebraucht? Erſtlich, weil er, wenigftens in ben hiefigen Provinzen, nicht gehörig öffentlich gewürs digt wurde. Es iſt auch wirklich zu viel Aufmerkſamkeit und Fleiß nöthig, um den Verfaffer in feinem pſychologi⸗ fhen Gange zu folgen, ihn allenthalben als hohen |Berehrer der Wiffenfchaft und als tiefen Pädagogen zu erfennen, als daß ein Mann, ber diefes Buch nicht wirklich Durchges arbeitet hat, barüber allenthalben richtig urtheilen koͤnnte. Zum andern iſt er Vielen wirklich nicht leicht zu ſtudiren. Demjenigen Lehrer, der an ein abſtractes Denken nicht ge⸗ woͤhnt iſt, und dabei nicht denkend rechnen kann, wird es ſchwer, dem Verfaſſer bis ins Kleinſte hinein zu folgen; in⸗ deſſen iſt es durchaus nicht ſchwer, denſelben verſtaͤndlich zu machen, wenn man ihn ſelbſt nur gehoͤrig verſtanden hat.

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. Der Empfehlung diefes Buches habe ich nur noch eis nige Bemerkungen beizufügen, da die Auseinanderfegung Des Einzelnen unnsthigerweife ein Buch füllen würde.

1) Sch habe in den erften Sahren, in weldyen ich die fen Anleit gebrauchte, oft geglaubt, hier und dort beffere Uebungen gefunden zu haben, bin allenthalben von Tillich abgewichen; aber immer, id; fage immer, bin ich wieder zu ihm zurücdgefehrt, und das jedesmal aus voller Ueber⸗ zeugung und mit befonderer Hochachtung vor dieſem pſy⸗ chologifchen Pädagogen. Dies war auch befonders bei Bes handlung ber Brüche der Fall.

D) Befonderd in den erften Sahren habe ich eine zus große Menge Beifpiele zu dieſem Anleite gefucht; aber ich habe gefunden, daß man fehr wol darin zu viel thun fann. Zu viele Beifpiele führen zum Mechanismus. Ueberall gebe man nach den auf das forgfältigfte durchgearbeiteten Uebungen nur fo viele Aufgaben, daß der Schüler die Vers fahrungsart beftimmt und Deutlich angeben lerne und zu einiger Fertigfeit gelange, und dann gebe man Beifpiele son verfchiedenen Uebungen durcheinander auf. Solche Uebungen aber, weldje große mechanifche Fertigfeit verlans gen, müffen, vor aller Bermifchung mit anderen, fo Lange angeftellt werden, bis die Aufgaben mit Schnelligkeit geläft merden Tonnen. Mir fcheint es nicht gut, wenn dem Leh⸗ wer ein großes Maaß von Beifpielen beigegeben wird; ich glaube, der Lehrer bemegt ſich freier, denfender, wenn er die Beifpiele nach dem DBedürfniffe der Schüler im Geifte des Anleites gibt. Je forgfältiger aber die Uebungen durch⸗ gearbeitet werben, deſto weniger Aufgaben find erfoderlich.

3) Anfänglich war ich damit zufrieden, nur die noth⸗ wendigften Uebungen anzuftelen, und dann die Aufgaben Ron Tillich Idfen zu laſſen, und glaubte, nicht jeder Hebung und deren Behandlungsart zu bedürfen; ja, ich fam auf

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den Gedanken, jeder gute Anleit gur Arithmetif hätte mich eben fo ficher geführt; allein ich fühlte mich nach forgfältis gem Durchfiudiren des Buches auf einen viel höheren paͤda⸗ gogifchen Standpunkt geftellt, und wurde dadurch auch ben Schülern viel deutlicher.

4) Defter wurde es mir Käfig, jede Uebung ſo lange in der Anſchauung nachzuweiſen, und jede Loͤſung der Auf⸗ gaben des Buches in Gemeinſchaft mit den Schuͤlern an der Rechenmaſchine noch einmal den Sinnen vorzufuͤhren; indeſſen habe ich mich von der Zweckmaͤßigkeit dieſes Ver⸗ fahrens uͤberzeugt. Das Denken im Kopfrechnen muß ſtets von dem Koͤrperlichen, nicht von der Ziffer begleitet werden.

5) Wo ich auf Maͤngel des Buches geſtoßen bin, da habe ich dieſelben nicht weſentlich gefunden, und in dem Geiſte meines Tillichs zu vermeiden geſucht. Moͤchten Anz dere durch dieſe Geſtaͤndniſſe veranlaßt werden, dieſe Irr⸗ wege nicht zu gehen‘, vielmehr mit einem gruͤndlichen Stu⸗ dium dieſes Buches und mit Vertrauen auf die reine Ans ficht diefes Mannes das Werk zu beginnen.

Sch fchließe die durchaus nicht uͤbertriebene Anpreifung diefer Schrift mit Tilliche eigenen Worten: „Lehrer, von Kraft und Muth befeelt, ergreift den Faden, der Euch gegeben wird! Bon dem Haude aus lebendigen Seelen erwartet der todte Buchſt a⸗ ben Geift und Leben. Durch Euh und durd diefes natürlihe Kunftmittel wird aud ber Geift in dem Zöglinge fi regen.’

‚Lehrer und Erzieher, ohne Euch ift mein Thun Nichte, durch Euch kann es Alles werden!‘

DU U —— 2

n *

1096 1) . SGrammatit,

Taͤglich 1 Stunde

Ein Drittel diefer Zeit mag für bie Etymologie, und zwei Drittel mögen für den Satzbau und für die Orthogras phie angewendet werben.

Zu dem Ende bebürften wir einer recht zweckmaͤßigen Grammatif, die in zwei Curſe getheilt wäre. Der erfte Curſus müßte für die niebere und der zweite für die höhere Volksſchule beftimmt fein. Der erſte Curſus müßte nad) meiner Anficht eine fcharfe, vollitändige intheilung ber Wortarten (ſiehe Seidenſtuͤckers einfache Darftellung der felben) nebft den gewöhnlichen Regeln derſelben, fo wie bie Regeln der Syntar *), dann fämmtliche Regeln der deut⸗ ſchen Orthographie ganz kurz neben einandergeftellt, fo wie zur Cinübung des letztern Gegenftandes und zu eigenem Zwecke eine Menge gewählter Säge und Kleiner Perioden enthalten, in welchen die einzelnen Beftimmungen der Satz⸗ und Periodentheile durch einander vorkaͤmen. Diefer Curſus diene fuͤr dieſe und die folgende Claſſe. Der Lehrer arbeite nun dieſen Anleit auf folgende Art durch.

a) Die Etymologie.

| Er laffe ſichs angelegen fein, jeden Begriff derfelben ſcharf zu entwideln und dem Schüler einen vollftändigen Ueberblick fiber das Ganze zu verfchaffen. Die Uebungen in der Grammatik beabfichtigen nun Feine Sprachbereiches rung, fonbern nur die Erfennung der Spracform. Sie Können demnach einfach fein, und an dem bearbeiteten, fo wie au dem noch zu bearbeitenden Material koͤnnen Die eins

. #). Diefe Grammatik koͤnnte ſich dem zweiten Theile von Tillich ans Ichließen. u

197 zelnen Unterfcheidungen und Negeln nachgewiefen werben. Zu Anfang mag ed gut fein, die Merkmale der einzelnen Wortarten firenge aufzufuchen; dann kann man bei einem zweiten Gange die nach den Wortarten zufammengehörigen Merkmale zu einzelnen Definitionen zufammenziehen, und bei einem dritten Gange die allgemeinern und leichtern Regeln ber Etymologie. beifügen. Auf dieſe Art wird das Ganze im Auge behalten, der Schüler erhält einen Ueberblick über die Sprachformen, und ed wird ihm dann leicht. Diefelben allenthalben in bem Material zu finden. und nachzuweiſen.

b) Der Sapb au.

1) Der Schuͤler lerne ſaͤmmtliche Satztheile: Subjekt, Eopula , Prädikat, Objekt, Terminativ und Adjeft genau fennen. Freilich kann mam die drei: Ießtern Satztheile als Befchränfer der erftern aufſtellen; indeffen glaube ich, we gen der nachherigen Befchränfungen für den Schüler deut licher und einfacher zu verfahren, wenn man biefe als eir gene Saptheile aufftellt. Objekt, Terminativ und Adjekt find für die Rektion zu wichtige Begriffe, ald daß fie nicht fo ſtark, ald nur immerhin möglich hervorgehoben werben müßten. Die Iogifche Eintheilung des Satzes leidet dadurch nichts, indem dieſe Theile anfänglich immerhin als Befchräns fer erfannt werden Finnen, benen man aber umiihrer Bid tigfeit willen eine fefte Stellung anweifet.

2) Der Lehrer laſſe Säbe bilden, in welchen jeder dieſer Satztheile wo moͤglich durch einen Artikel, durch ein Ad⸗ jektiv, Pronomen beſchraͤnkt, durch einen Genitiv, eine Appoſition oder Zwiſchenſatz beſtimmt werden, und uͤbe außerdem die verſchiedenen Satzformen an den Beiſpielen der Grammatik und beſonders dadurch ein, daß er ein und denſelben Gedanken mit Abänderung in verſchiedene vor⸗ men bringen läßt:

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e) Orthograpbie. '

Saͤmmtliche Hauptregeln der Orthographie, wie Die felben in der Grammatif vorfommen, werben deutlich ers Härt und gemeinfchaftlich auswendig gelernt. Dann biftire ber Lehrer. zuerft jene Säbe der Grammatif über den Satz⸗ bau und dann die feinern Regeln über die Scheidezeichenze; fchreibe das Diktirte felbft an eine große Wanbtafel, laſſe ‚alle Scheibegeichen weg, fchreibe jebes Wort mit, kleinen Anfangsbuchſtaben, fehle gegen jede beſtimmte Regel der Orthographie, ohne jedoch das Wort zu entſtellen, laſſe daſſelbe der Reihe nach von den Schuͤlern mit beſtimmter Angabe der nicht beobachteten Regel verbeſſern, laſſe jeden Schuͤler zugleich ſeine eigenen Fehler bemerken, laſſe ſaͤmmt⸗ liche Schuͤler zum ſtrengen Durchſehen die Schriften wech⸗ ſeln und mache ihnen endlich, wie ſchon während des Dik⸗ tirend die feineren Regel deutlich; Diejenigen, welche viele Fehler machen und nicht deutlich fchreiben, muͤſſen fpäterhin das Diftirte in ein ordentliches Buch tragen, Die verftandenen Regeln muß der Schüler fortwährend dem Gedächtniffe einprägen, damit er ohne den geringften Sehler auf der Stelle jede Regel im vorkommenden Falle herfagen koͤnne.

Sobald der Schüler die Hauptregeln der Orthographie kennt, muß er wöchentlich mehrmal irgend eine Kabel, den Suhalt eines Gedichted oder eine biblifche ‚Erzählung ıc. mit eigenen Worten fchriftlich auffegen, und diefen Auffat gut gefchrieben dem Lehrer zur Gorreftur übergeben.

Dem Gefagten über Orthographie muß ich noch zwei Bemerkungen hinzufuͤgen:

1) Das Entftellen der Woͤrter durch die ſinnloſeſten Fehler hat Ekel an dem fehlerhaften Anſchreiben erregt und zu der Anſicht gebracht, daß jedes fehlerhafte Anſchreiben nichts tauge. Ich huldige dieſen beiden Extremen keines⸗

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weged. Hätte das richtige Schreiben ben gewaltigen Eins fluß, der ihm jeßt gegeben wird, fo müßte bloßes Lefen ohne Regel fihon ficher führen. Der Lehrer muß aber ges rade die Sicherheit des Schülers beabfichtigen, unb darum wird durch ein vernünftiges Fehlen auf jede Regel aufmerk⸗ fam gemacht. Muß man denn, felbft bei den geringiten Dingen, immer ind Ertrem fallen!

2) Sch halte das Abtheilen der Silben nach ber Ab⸗ ſtammung, das uns Manche aufdringen wollen, für falſch. Hier iſt mein Grund. Die Schrift iſt der Stellvertreter des hoͤrbaren Wortes; das Auge vertritt demnach die Stelle des Ohres. Sollen beide nicht in Zwieſpalt kommen, ſo muß die Schreibform mit der Sprechform uͤbereinſtimmen: wir muͤßten dann Schneid⸗er ſprechen, wie ſchreiben. Da⸗ durch aber kaͤmen wir zu einer Ausſprache, die die ruſſiſche an Härte uͤbertreffen möchte. Wenn der Herr von Humbold erzählt, daß ihm nad) langem Verweilen im fpanifchen Amerifa, beim Eintritt in Deutfchland in der erſten Zeit wegen der Härte der beutfchen Mundart die Kinnbaden wehe gethan hätten: fo mag ed wol überfläflig fein, ums frer Sprache noch mehr Härte zu geben. Zur Milderung der Härte und im Dienfte der holden Mufica, die Feine weges Scherz es fingen kann, theilt unfre Sprache nicht ftrenge nach der Abftammung. Sch daͤchte, man ginge nur dann vom Alten ab, wenn das Neue in jeder Rückficht beſſer ift.

5) Borlefen

Täglih Y% Stunde Für dieſe Elaffe eignen ſich Krummachers Parabein, eine kleine Welt ſtiller Weisheit. Gleichviel, wie viel Bände

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chen her Lehrer durcharbeitet; er fehe nur darauf, daß je des Wort gefaßt, jeder Satz begriffen, jeder Gedanken beher⸗ zigt werde; er fuche den Geift der Parabeln in den Schuͤ⸗ Ier überzutragen, durch Sagen und Fragen, wie er ed für: den Augenblid am zwedmäßigften hält, und vertraue Dans dem Geifte der Weisheit in diefen Parabeln, fein eigenes Werk zu volführen. | Wie der jüngere Schüler in Lieths Gedichten, Loͤhrs Erzaͤhlungen, in Wagners Sammlung, im Robinſon, Schwarzmantel,. Columbus oder in der biblifchen Geſchichte lebte, fo fol der Schüler biefer und der nädhitfolgenden Claffe in den. edlen, einfachen Bildern dieſer Parabeln le⸗ ben; fein Sinn für Natur, für Poefie, für alles Gute und Schöne fol geweckt, er fol mit Menfchenadel gleihfam uns lagert werben; alles, alles fol ihm das Wahrhaft Gute ald das Beſte vor Augen fielen, dem er fi nothwendig und natürlich ganz hingeben müffe. Die Einheit der Sprache und Empfindung, welche in diefem Buche herrfcht, wirb den Geift ftiller Weisheit und Frömmigkeit, wird ben befjern Menfchen in dem Schüler aufregen, gewöhnen und fefligen, und dabei des Schülers Sprache in einem hohen Grade verebeln.

Welch ein anderes Lehen wird in der Schule ſich res gen, wo Bücher der Art dburchgearbeitet werben, flatt fols her, in denen ber trodene Polyhiftor und der fleife Schuls meifter wohnt!

Noch einmal frage ich: Warum läßt jener Lehrer ſo begeiſtert ſeinen Homer, Plato, Demoſthenes, ſeinen Vir⸗ gil, Tacitus und Cicero leſen? Die Schrift begeiſtert ihn, er erkennt immer mehr die Hoheit jener Geiſter und lernt noch beim zwanzigmaligen Durchleſen immer mehr Schoͤnes und Großes; ſein Geiſt naͤhert ſich mehr und mehr den erhabenen Geiſtern, und mit Wonne ſucht er auch ſeine

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Schüler für diefe erhabenen Genieen, nicht für fich zu ger winnen. Aehnliche Schulbücher dem jingern Alter, und dann, nur dann wird der Egoift auch aus den niederen Schulen um fo eher verfcheucht werben Finnen, und es werben mehr und mehr Männer erwachfen, die einen hoͤ⸗ heren und edlern Geift fennen und verehrt wiffen wollen, als den ihrigen. : Dann wird auch der Namen Elementars ſchule, Elementarlehrer in feiner Nichtigkeit erfcheinen, in⸗ dem man fi fchämen wird, allen Gegenftänden an der Schaale zu zerren und die Schule mit eitlem Winde aufzublähen. |

6 Schreiben.

Taͤglich 1Stunde.

Der Schreibeunterricht wird wie in der vorigen Claſſe ertheilt. Da indeß ſaͤmmtliche Schreibregeln im Allgemei⸗ nen den Schülern eingepraͤgt fein koͤnnen, fo hat der Leh—⸗ rer hauptfächlich nur jeden einzelnen Schüler auf die Mäne gel deffelben aufmerffam zu machen, und die Schüler koͤn— nen nun um fo ungeflörter während der Zeit abwechfelnd ber Reihe nach jene Briefe Cfiche Leſeuͤbung) einzeln leſen. Dem Lehrer mag es hier gar nicht ſchwer fallen, auf die richtige und fchöne Betonung des Lefenden und zugleich auf die Mängel zu achten, die feine Schuͤler im Schreiben machen und jeder Schüler verliert durch dieſe Leſeuͤbung nur einige Minuten von der Schreibftunde; im Ganzen aber wird dem Lefeunterricht dadurch ein nicht unbedenten«

der Vorſchub verfchafft.

D®Sefang.

Taͤglich Y Stunde

Die Vebungen der untern Claſſe werden zu Anfang jeder Stunde in einigen Minuten fortgefegt. In der zum Singen angefeßten Biertelftunde aber werden die Glaͤſerſchen Singtafeln, die fehr zwedmäßig eingerichtet find, nad Glaͤſers Anleit durchgenommen. Will es irgend mit einer diefer Tafeln nicht voran, fo wird das Abfingen der Tons feiter zu Hülfe genommen.

6te SC laffe Kinder von 10 bis 11 Jahr.

Täglich 1 Stunde,

Durch dad Borlefen der Krummacherfchen Parabel hat der Schüler diefe Schrift verftehen gelernt; indeſſen fehlt noch viel, daß er fih ganz in diefelbe gewöhnt, dies felbe mit feiner Wefenheit möglichft verfchmelzt hätte. Das zu fol nun das. oftmalige Leſen, Ueberdenken und Beherzis gen berfelben verhelfen. In diefer Stunde werbe jede Pa zabel von der ganzen Glaffe und dem Lehrer fo oft gelefen, bis an dem Ausdru nichts fonderliches mehr zu tadeln ift. Die Paufen werden dazu benubt, das noch Unverftändlicdhe deutlich zu machen, um heile der Parabel von Einzehten erzählen zu laffen. Viele diefer Parabeln werden theilmeife nder ganz zu Haufe oder in der Schule aus dem Kopfe niedergefchrieben, und der Schüler muß dann feine fchrifts liche Arbeit nach dem Buche verbeflern.

——

203 9, Schreiben.

Taͤglich 1 Stunde.

Der Schreibeunterricht wird ganz wie vorher gegeben, nur daß flatt der Briefe jegt die Parabeln von einzelnen Schülern gelefen werben. Auch kann diefe Stunde ‚zum beflamatorifchen Herfagen des Auswendiggelernten dienen. .

I | in

3. Liedlernen und Begriffsentwidelungen,

Taͤglich 1 Stunde,

In Ddiefer Stunde werden die religisfen Lieder von Gellert, einige feiner Schilderungen, wie der Ehrift, der Menfchenfreund und andere Lieder aus dem Geſangbuche, wie auch erhebende Pfalmen, gemeinfchaftlich mit den Schuͤ⸗ lern eingelernt. Bei dem, dem: Auswendiglernen ſtets vor fchreitenden Erflären jedes Verſes hat der Lehrer die befte Gelegenheit, die entwickelten Begriffe anzuwenden, ſich zu überzeugen, ob die Definitionen wiedergegeben werben koͤn⸗ nen und unbefannte zu entwideln. Ordentliches Catechiſtren über vergleichen Lieber würde dem Auswenbdiglernen zu viel Zeit rauben; auch ift es hier nicht Zweck, ja ich möchte fagen, daß es unndthig fei, da der Schhler in den unterk Glaffen fo zwedmäßig vorgebildet worden ift, daß nur wes nige Begriffe fehlen mögen, auf deren Entwidelung und Beherzigung der Lehrer bedacht fein muͤſſe.

Was die Wahl der andern Fieber aus dem Gefang- buche betrifft, fo nehme man folche,, die nicht dieſem Alter zu unverftändliche Wahrheiten enthalten, fouft erftirbt dag Intereſſe und das Nachdenken, wenn gleich oft der Schüler aus Zartgefühl für den Lehrer ſich anftrengt oder anzuftrens

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gen ſcheint; auch wähle man Lieder von wirklich poetifchem Werthe, damit ber zeither gepflegte Gefchmad nicht in feis ner zarteften Blüte zerfnickt werde. Manche Lehrer wählen abfichtlich Lieder, durch welche fie mit dem Schüler fchwärs men Tonnen. Es ift aber eine Sünde gegen den menſchli⸗ chen Geift, wenn der Xehrer von einem Knaben Begeiftes rung verlangt; dieſe gebührt dem reifern Juͤngling und dem Marme; die Begeifterung des Knaben ficht der Paͤda⸗ goge faft in allen Fällen ald Unnatur, und darum als ets was Abfcheuliches an. Wo Begeifterung ift, da muß auch Kraft fein, die jene in Schranfen hält, font wird fie efels hafte Empfindelei. Wie unnatürlich ein folched Beftreben unvernünftiger Lehrer fein müffe, geht fchon aus der Ver⸗ geblichkeit ihres Bemühens hervor eine Claſſe in Begeifte- rung zu.feßen, wenn gleich es ihnen bei Schwächlingen und Ueberreifen gelingen wird. Der Lehrer nothreife aber um Gotteswillen nicht. die menfchliche Natur, und bebenfe, daß begeifterte Knaben entweder Phanatifer, oder matte Juͤng⸗ linge, ober ausgetrocknete Männer und ftumpfe Greife werden. Was früh gefättigte Wolluft des Knaben auf feis nen reifern Körper wirft, das mag früh gefättigte Begeis fterung auf die Seele deſſelben wirken.

Aus dem Grunde habe ic, Krummachers ftille Weisheit und Gellertö warme Frömmigkeit mir für biefes Alter zu leitenden Engeln erwählt.

4. Srammatil

Zaglih 1 Stunde

In diefer Elaffe wird nun der zweite Theil der deut⸗ ſchen Grammatit, nämlich die Syntar, burchgearbeitet.

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Die Präpofitionen werben Feine Sichwierigfeiten mehr was chen; defto fchärfer nehme ber Lehrer nun die Rektion der Zeitwoͤrter ıc. vor. Schade, daß wir im Deutfchen mit biefen noch nicht auf dem Reinen find, daß der fcharfe und reine Begriff ver Subjeftivität und Objeftivität nicht allenthalben den Ausfchlag gibt, und man noch imnter die meiften reinen NReciprofa mit dem Afkufativ verbindet. Kurz, nad) meiner Anficht gibt es hierin noch viel zu ſaͤu⸗ bern, wenn wir nicht troß aller hochgelehrten Terminolo⸗ gieen im Finftern tappen wollen. Sch wollte, tüchtige Gram⸗ - matifer und Dichter führen durch, wie ein Luther und Klopſtock, damit wir aus der hoͤchſt unangenehmen Lage des Drehens und Wendens nach dem Winde herausfämen. Auf die alte Art währt es noch ein Sahrhundert, ehe man fagt : ich ſchaͤme mir, obgleich ich fchlechterdings nicht wirt fam auf mich bin, und doch. nur in der Bedeutung bes Ausdrucks der Sinn liegt: ich empfinde, habe Scham ı€, So lange in der Rektion noch fo viel Willfür herrfcht, ala jest, müffen bie einzelnen Woͤrter noch auswendig gelernt werben. Diefe übe denn ber LXehrer in ber Schule ein, und verlaffe ſich nicht auf den häuslichen Fleiß. Da nun die Neftion nicht viele Zeit wegnehmen kann, fo gehe. der Lehrer noch einmal die ganze Grammatit durch und helfe da nach, wo ed noch mangeln follte. E

Die Hälfte oder ein Drittel diefer Stundenzahl benutze der Lehrer für Uebung in fchriftlichen Auffäben. Er Iaffe bald eine Fabel, bald eine Parabel, bald ein geiftliches Lied mit des Schülers eigenen Worten auffchreiben, balb fodere er einen Brief, oder einen Heinen Auffat über irgend einen Begriff oder eine gut erfannte Wahrheit. Dann Iefe er ın der Stunde einige Auffäße vor und verbefiere dieſe, indem er fämmtliche Schuler . auf Die begangenen Fehler, wie. auf. das. Gelungene aufmerkfam macht: ,. Die andern⸗

906

Aufſaͤtze leſe er zu Haufe und bemerfe fich die Mängel durch

Beihen, um die Schüler auf jedes. Fehlerhafte aufmerffam zu machen. Gelungene Auffäße werden abgeſchrieben und bei der Prüfung vorgezeigt.

u 2 22 27

5. Kopfrechnen.

Woͤchentlich 4 Stunden. Diefer Gegenftand wird ftrenge nad) Tillich fortgefeßt, und der ganze Anleit wo möglich abfolvirt.

6. Zafelredhnen.

Taͤglich 1 Stunde.

Nachdem der Schüler nın im Kopfrechnen bewandert ift, wird es ihm durchaus leicht werben den Tafelrechenuns terricht zu fallen. Diefe Claffe befaßt fih nun mit den vier Syecied in ganzen, gebrochenen und benannten Zahs fen. Auch hierüber habe ich nicht noͤthig mich umftändlich auszufprechen, da hierin das Rechenbuch von Schumacher ce Düfleldorf bei Schreiner) und in mancher Ruͤckſicht noch mehr das von Diefterweg und Henfer (Elberfeld bei Buͤſch⸗ fer) etwas ganz Außerordentliches leiſten. Die Aufgaben find hier mit tiefer Einficht in die Arithmetif, in einer ganz vortrefflichen Stufenfolge und mit einer folchen paͤdagogi⸗ ſchen Borficht geftellt, Daß der Schüler zum Nachdenken fih gezwungen fieht; daß er, mit einiger Beihälfe von Seiten des Lehrers, Leicht voranfchreiten ‚. fich - hinlängliche praftifche Fertigkeit erwerben, und zum fichern Gebrauch der ganzen Pegel gelangen kann. Die Aufftelung jeber Hegel wird in dem letztern befonbers Dadurch ‚noch zweck⸗ mäßig, daß fie in ihren Anfängen fi dem Kopfrechenuns

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terrichte fo fehr Anfchließt und Fragen ſtellt, die gleich in das Innere der Regel hineinführen. Zum Bewundern fehde und zwecmäßig find die Brüche und die Proportionen abs gehandelt. Außerdem ift der Muͤnzfuß, die Pari, die Wedy fels und Arbritagenrechnung mit einer tiefen Sachfenntniß, und mit folcher Vorficht behandelt, daß jeber Schüler, der ſich dem Taufmännifchen Fade widmet, dadurch vollig Herr des faufmännifchen Rechnungsweſens werben kann. Sollte mancher Lefer hier und dort zu kuͤnſtlich geftellte Aufgaben finden, fo kann er die Loͤſung derſelben auf fpäs tere Zeit hinausſchieben. Beide Berfafler arbeiten jetzt an einem Anleite, der den Lehrer ganz in das Innere jeder Kegel hineinführen fol. Es laͤßt ſich da nur Vortreffliches erwarten. Jedoch muß ich den Wunfch ausfprechen, daß es den Herren Berfaflern gefallen möge, jedes ber größern und fchwerern Erempel, in welchen ver Schüler floden möchte, praftifch aufzuldfen,, wie Diefes in dem Anleite von Schumacher auf eine vortreffliche Art gefchehen ift, welchem Manne wir in den hiefigen Provinzen. wirklich in Rückficht auf vernünftige Loͤſung der Aufgaben viel, fehr viel zu verdanken haben, und durch welchen wirklich in vielen Schus len das mechanifche Rechnen verbrängt worden if. Sch füge diefem noch einige Bemerkungen hinzu.

a) Fuͤhlt der Lehrer fich gedrungen, mehrere Abtheiluns gen zu machen, was er zu verhindern ſuchen muß, indem er den Schwachen befonders nachhilft und die Geuͤhtern mehre Beifpiele rechnen laͤßt: fo laſſe er einen Schäler, abe wechfelnd mit den Äbrigen, das von den einzelnen Schüferg angegebene Facit ihres Erempeld nacfehen, damit er im feiner Befchäftigung mit der andern Abtheilung oder mit einem beftimmten Schüler nicht geftört werde. Der nad fehende Schüler darf inbeffen nur mit einem bejahenden oder verneinenden Winf antworten. Kann ein Schüler ſich

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felbft nicht helfen, fo macht er auf die Huͤlfe des Lehrers Anſpruch, der dann oft durch einige Fragen zurecht führen fann, wenn der Anleit die Auflöfung praktiſch hingeſtellt bat. Daß diefes Außerft zeiterfparend ift, davon hat mich ber vieljährige Gebrauch des Schumacherfchen Rechenbuches hinlänglich überzeugt.

b) Der Lehrer arbeite die Theorie der Regel mit den Schälern durch, bevor er biefe ſeibſt rechnend ſich uͤben laͤßt. Zu dem Ende entwickele er zuerſt die Hauptanſicht, nehme dann einen Fall nach dem andern und bringe endlich mehre Faͤlle in ein Beiſpiel.

c) Die Brüche muͤſſen in dieſer Claſſe fo lange geübt und beſprochen werden, bis der Schuͤler dieſe eben ſo fer⸗ tig und mit derſelben klaren Einſicht, wie die ganzen Zah⸗ len rechnet.

d) Saͤmmtliche Lehrſaͤtze der vier Species, wie folche in Tillich vorkommen, muͤſſen dem Gedaͤchtniſſe der Schüler, nachdem fie Kar begriffen find, feft eingeprägt werben.

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7. Geſangunterricht.

Woͤchentlich 2 Stunden.

In dieſer Claſſe wird der erſte Theil des Schulgeſang⸗ buches von Glaͤſer durchgeſungen. Die außerordentliche Auf nahme, welcher Diefes Buch fich erfreut, fo wie der vieljährige Gebrauch deffelben, haben mid von dem Nuben biefer fo zweckmaͤßig geftellten und ſchoͤnen Lieder uͤberzeugt. Möchte auch diefes Buch des, leider! früh verftorbenen edlen Mans nes und vortrefflichen Componiſten für Kirche und Säule recht erkannt und benußt werben.

Der Lehrer übe nun mit jeder Abtheilung die verſchie⸗ denen Stimmen ein und laſſe erſt dann das Lied mehrſtim⸗

200 mig zuſammen fingen. Auch mit dieſer Claſſe wird in Zwi⸗ ſchenzeiten die erſte Uebung am ver Skala fortgeſetzt. Daß der Lehrer bei allem Singen auf Taktſchlagen, Takthalten und auf Schoͤnheit des Vortrags merken muͤſſe, bedarf kei⸗ ner nähern. Erwähnung ©.

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ste Elaffe. Schüler von 11 bi8 12 Fahre,

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DXefen.

Wöhentlih 4 Stunden.

Was der vorigen Claſſe die Parabeln von Krummas cher waren, das mögen diefer Claſſe Herders und Liebeskinds Palmblätter fein. Tendenz und Sprache beider vorzüglichen Werke find beinahe gleich; darum prägen. fidy beide Schriften dem Wefen des Schülers um fo. mehr ein. Da ber Schüler dieſer Claſſe fchon weiter gefördert ift, und dieſe Parabeln als eine Fortfeßung der vorigen anzufehen find: fo bedürfen diefe feines vorherigen Durchgehens, der Lehrer kann fie beim Lefen erflären, denn er .muß ſich ohnehin. auf Das eins ſchraͤnken, was die Parabel bezweckt. Uebrigens lieſt auch diefe Claſſe die einzelnen Stüde mit dem Lehrer, ‚gerade wie in den nntern Claſſen, gemeinſchaftlich **).

+) Mit dieſer Claſſe ſchließt fi ch der Gang, den die niedere Bet ſchule mit der höheren gemein hat, Am Enbe ber Aufftellung dies fee Claſſen, wird noch von ben beiden Seitenklaffen der nieberen Volksſchule die Rebe fein.

”*) Sobald wir einen wirklich verbefferten Becker haben werben‘, ober eine Geſchichte, wie ich diefelbe für die Jugend fodere (fiehe Ges ſchichte), ſo können mit dieſer Staff die beiden erſtern Theile derfelben deleſen werben,

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10 2 Schreiben.

Woͤchentlich 2 Stunden.

Der Unterricht hierin wird wie in den untern Claffen nach Heinrigs Vorfchriften ertheilt. Schüler, welche fchlecht fchreiben, muͤſſen fich ein Heft diefer Vorfchriften anfchaffen, und woͤchentlich zwei bis vier Seiten zu Haufe fchreiben, die dann in den Schreibftunden jedesmal vorgezeigt werden müffen, und von dem Lehrer mit einer rothen Linie zur Ber: hätung der Unterfchleife verfehen. werden. Während des Schreibeunterrichts leſen einzelne Schüler aus dem Lehrbuche

der Geſchichte.

37 Deutſche Sprade.

Woͤchentlich 3 Stunden.

Sm diefer Claſſe fängt nun die Benußung bed zweiten Curſus der erwähnten deutfchen Grammatif an. Was nach meiner Anficht in Diefem Curſus enthalten fein müffe, wird unter der Nubrif ‚‚deutfche Sprache‘ in biefer und ben nächft folgenden Claſſen vorkommen.

Zuerft werde die Bedeutung der Bindewoͤrter möglichft furz, aber mit nöthiger Schärfe für den Gebrauch derfelben abgehandelt. Man unterfcheide hier nur forgfältig, was dem Menfchen von allgemeiner Bildung, und was dem Sprachforfcher angehören foll. Lebteres mag in einem an⸗ dern Werfe vorkommen. Jene Bedeutung muß nun von den Schülern ſcharf aufgefaßt und auch durch felbftgefuchte Beifpiele dargethan werben.

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Demnad, enthalte das Buch eine Elaflififation der Pe: rioden. Auch bier komme es nicht auf Subtilitäten an, die der Sprachpbilofoph erft bei forgfältiger Scheidung jedes Einzelnen findet; der Zweck geht nur dahin, den Schüler auf die Verfchiedenheit der Perioden aufmerffam zu machen, ihn Perioden der Art bilden und ihn zur Aufnahme ſtili⸗ ftifcher Regeln empfänglich werden zu laffen. Es würde nicht unzweckmaͤßig fein, wenn etwa bie beiden Reden auf Friedrich den Großen von Engel und von Johannes von Müller beigedruct und die Perioden mit einer laufenden Nummer bezeichnet würden, damit man fich ſowol hier bei der Slaffififation, als auch bei den übrigen rethorifchen Regeln bloß durch Nummern auf fämmtliche Beifpiele in diefen Reden beziehen koͤnnte.

Diefe Reden biftire der Lehrer, buchftabire jedes Wort während deſſen forgfältig vor, und mache die Schüler nochmals auf alle orthographifchen Negeln, wo er nur Gelegenheit dazu findet, aufmerkffam , erfläre das aus den Reden, was fich Schülern diefes Alters ſchon erflären laͤßt, und laffe alsdann das Diktat auswendig Iernen. .

Endlich ftelle die Grammatik für Diefe Claſſe noch eine fleine Anzahl der fchönften Perioden in ihrer allmähligen Entftehung aus nadten Saͤtzen auf, damit Lehrer und Schuͤler den Bau der Perioden Fennen lernen und in diefem Geiſte einüben Finnen. Sch habe die Uebung, Perioden aus nacten Säben nach und nach entftehen zu laſſen, fehr förderlich gefunden, und auf diefe Art eine große Anzahl Briefe aus Rumpfs Sammlung dahin durchgearbeitet, daß zum Schluß jedesmal die verlangte Perisde, nad) möglichft freier Zuſammenſetzung, erfolgte.

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1 4) Rechnen.

Woͤchentlich 4 Stunden. |

In diefer Claffe werden bie Proportionen ganz aus⸗ führlich, befonders auch nach dem A1ten Abfchnitt von Ernft, Gottfried Fifchers Geometrie und nach deſſen Ariths metik abgehandelt. Was Fifcher jedoch in feiner Geometrie an Linien bewiefen hat, kann der Lehrer leicht mit Buchitas ben beweifen, obgleich der Schüler noch feinen Unterricht in der Buchflabenrechnung erhalten hat. Die Lehre von den Proportionen muß dem Schüler fchlechterdings ganz Mar vor Augen fliehen und ihm bleiben, und fo kann der Lehrer dann von Regel zu Regel fchreiten.

Bei diefen, den fogenannt umgefehrten, und den zus fammengefegten Berhältniffen habe ich ed immer fehr zweck⸗ mäßig gefunden, mir das befannte und dem Schuler das unbefannte Verhältniß zuzutheilen, indem dadurch dieſe Scheidung in Etwa erleichtert wird. Die Kettenregel Yaffe man erft ordentlich nach Proportionen rechnen, dann auf die Art, daß man bie unbekannten Glieder durch Budhs ftaben ausbrüdt, und aus dieſen Säben entwidele man den Kettenfab, nach welchem fämmtliche Beifpiele zum drittens male gerechnet werden.

a __ 5 5) Geſang unterridt,

Waoͤchentlich 2 Stunden.

Bei diefem Gegenftande ift weiter nichts zu bemerken, als daß die Tonleiteräbung feinesweges vernachläßigt wer den dürfe, daß ber zweite Theil des vortrefflichen Schuls geſangbuches von Glaͤſer, ber ebenfalls außerordentlich

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zweckmaͤßig und ſchoͤn ift, mit den Schülern erft ein » und dann mehrftimmig eingeibt werden muͤſſe, und daß Die Schüler angehalten werden, regelmäßig Takt zu fchlagen, rein und fehon vorzutragen, und, wie immer, bie Worte deutlich und fingrichtig auszufprechen. Ä

6 Religiondsunterridt.

Woͤchentlich 2 Stunden.

Der Schüler ift zeither auf einen foftematifchen Reli⸗ gionsunterricht vielfeitig vorgebildet worden, fo Daß ber Lehrer den beiten Erfolg feines Bemühend erwarten Tann, wenn er ſich über Gegenftände ber Art nicht bloß Far und einfach ausſprechen, fondern vielmehr fi) auch zweckmaͤßig unterhalten kann. Zufammenhangende Vorträge paſſen für diefes Alter noch keinesweges; der Knabe fohweift ab, wenn er nicht durch. Bilder ꝛc. feitgehalten wird, unb biefe find bei vorftehendem Lehrgange Feinesweges Hanptfache; er fol hier in Abſtrakto denfen, fol jegt folgern lernen, wenn er vorher das Conkrete ins Abftrafte tragen, ‚nur anwenden mußte.

Dabei wird der Lehrer nun immer wohlthun einen Ca⸗ techismus zum Grunde zu legen, der ihm voͤllige Gelegen⸗ heit darbietet uͤber alle chriſtlichen Wahrheiten zu ſprechen, der feine ſaͤmmtlichen Grundſaͤtze mit Ausſpruͤchen ber Bibel belegt, der in einer edlen, begeifternden Sprache gefchries ben ift, und ber, ‚belebt von warmer Religiofität, in reis ner, Harer Sprache, weder dem: bloßen Berftandeschriftens thum noch der Schwärmerei huldigt. Unter den vielen mir befannten Gatechisnten für den Unterricht in dem proteftans tifchen Glauben hat ber von Dräfefe in Bremen, nämlich

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„Ölaube, Liebe, Hoffnung,‘ diefen Anfoderungen nach meiner Anficht in einem außerordentlichen Grade Genüge geleiftet. Dank dem vortrefflichen VBerfaffer! er hat mich oft begeiftert, und zwar in allen Abtheilungen diefes Werk; chens. Sobald diefes Buch aber allgemein gebraucht werden ſollte, möchte eine Revifton deffelben von der hohen geiftlichen Behörde vielleicht Darum erfoderlich fein, Damit der Lehrer alfenthalben im Vertrauen auf die anerfannte Nichtigkeit des Snhaltes fich demfelben um mehr hingeben koͤnne.

Nach meiner Meinung möchte der Lehrer nicht unzweck⸗ mäßig verfahreit, wenn er bei diefem ‚Unterricht folgenden Bang nehme; id) wenigftend habe mich dabei fehr gut bes . funden.

a) Zuerft unterhalte er ſich mit den Schülern über den durchzuarbeitenden Paragraphen frei, mit Klarheit und In⸗ nigfeit, fodere die Definition jedes vorfommenden religidfen Begriffs, und entwidele nach Gräff da, wo er nachhelfen muß; denn das Vorfagen einer Definition hilft nichts. Im Ganzen fei ber Unterricht eine Unterhaltung, und nur da, wo die Wahrheit verftanden, gefaßt ift, präge ber Lehrer diefelbe mit wenig Worten, aber mit Wärme in dag Innerſte feiner Schüler. Wo der Fluß der Rede anfängt, hört in der Regel das ftäte Folgen des Schülers auf; wo der Lehrer in Empfindungen hinfchmilzt, fängt der Schüler an zu träumen. Mit Kraft, Wärme, Innigfeit Manches gejagt, Alles befchloflen, thutgute Wirkung: immerwährende Spannung erfchlafft, oder ‚gewöhnt an ein bloß paſſives Hören.

b) Die Wahrheit der auf biefem Wege gefundenen Saͤ⸗ tze muß alsdaun durch Ausſpruͤche der heiligen Schrift dar⸗ gethan werden. Der Schuͤler mag demnach jeden von dem Lehrer angegebenen Spruch nachſchlagen und durch den Teh- rer denſelben verſtehen und als Beweisftelle gedachter Wahr:

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heit erfennen lernen. Diefes fchafft dann eine Wiederholung des in voriger Neligiongftunde Erkannten und druͤckt bems felben das Siegel der Wahrheit auf.

c) Diefe Wahrheit wird vielleicht Durch ein von den Kindern früher auswendig gelerntes Lied, das hier wiederholt, und im Fall es in Etwa wieder vergeflen worden ift, zum Wiederlernen aufgegeben wird, „der auch durch einige zu fammenhangende Worte noch einmal dem Gemüthe des Schülers eingeprägt. |

d) Sollte der Catechismus nicht in den Händen ber Schüler fein, fo biftire der Lehrer Die Paragraphen aus Dräfefe, und wo er von demfelben abweicht, befleißige er fi vor allem, wie Draͤſeke, der Kürze, Klarheit und ber febendigen Darſtellung. Daß biefes Diktat von folchen Schülern, die nicht deutlich und reinlich fchreiben, ordentlich) in ein Heft abgefchrieben, daß jeder Schüler feine Hefte für die Prüfung aufbewahren und darum von Zeit zu Zeit zei⸗ gen müffe, bedarf feiner weitern Erwähnung.

e) Solche Wahrheiten aber, die ber Schüler mit feis nem Berftande faffen fann, mit Klarheit gefaßt hat, und die fich für einen fchriftlichen Auffas eignen, benube ver Lehrer, um ihre Empfindungen und ihre Erfenntniß kennen zu lernen, fo wie auch, um fie im fchriftlichen Vortrage ih- rer Gedanken zu üben. Gelungene Arbeiten werben dann für die Schulpräfung abgefchrieben.

Und damit mag dann der Fehrer diefes Saamenforn als ausgefäet betrachten zum Tage der Erndte.

Da Segliches hier umftändlich durchgearbeitet wird, ſo mag der Lehrer mit diefer Claſſe kaum zur Hälfte des Buͤch⸗ leind fommen, das in der folgenden Claffe aber abfolvirt wird.

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Schließlich muß ich noch bemerken, daß dieſes Buch nicht leicht zu bearbeiten ift, und trene Vorbereitung von Seiten des Lehrers erfoberlich macht.

Mit bdiefem in Verbindung ſteht nun nody folgendes, was für alle Claſſen gilt.

a) Bor den chriftlichen Feſttagen wird in befonbern Stunden der Theil der biblifchen Gefchichte wiederholt, der fi, auf die Feier des Feftes bezieht, und das Ganze wird zu dem Ende fo eingetheilt, daß die ganze biblifche Gefchichte des neuen Teſtaments jährlich wiederholt wird. Diefes ges fchieht in allen Elaffen, weldye die biblifche Gefchichte ken⸗ nen; den unterften Claffen aber wird ein Ueberblick über die Wefenheit der Feier durch irgend eine zweckmaͤßige Uns terhaltung gegeben. Bei diefer Wiederholung koͤnnen immer, hin mehrere Claſſen verbunden werden.

) Eine Biertelftunde vor dem Anfang des gewähnlis chen Unterrichts verfammeln ſich die Schuler mehrerer oder fammtlicher Claſſen in einem der größten Schulzimmer zur Morgenandacht. Jede Elaffe wirb dann von ihrem Glaffen« Ichrer, der vor berfelben flieht, beauffichtigt. Einer ber Lehrer fpricht dann mit Wärme und Sinnigfeit ein Gebet in einfacher aber edler Sprache, welches eine Betrachtung enthält und mit dreißig und einigen andern Gebeten ab» wechſelt. Diefe Betrachtungen müffen den reinen, edlen Geift der Schule darftellen und mit einer folchen Klarheit und Salbung abgefaßt fein, daß der Schüler ſich bewogen fühle, diefe nicht ohne Wirkung auf fidy zu beten. Solche Gegenftände wären unter andern: Gottes Größe, Erhabens heit, Güte ıc., Die Ehrfurcht vor Gott und Jeſu, die Ers tennung des Berdienftes ıc. Sefu, die Erfennung bed Sunds haftigen in eigener Bruft, das Streben nach allem Höhes ren, ber Fleiß, die Wahrhaftigleit , die Reinheit der Seele, der Gehorſam, die Liebe zu Eltern und Lehrern, das Mur-

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ven, das Bemänteln der Fehler, die Menfchenliche ꝛc. Jedem diefer Gebete koͤnnte eine fünf Minutenlange Ber trachtung vorhergehen, in welcher Diejenigen der vorzuͤg⸗ lichften Gedanken des Gebetgegenftandes vorfämen, welche ſich dem Gebete nicht wol einflechten laſſen, oder welche doch dem nachfolgenden Gebete um fo mehr Eindringlich⸗ feit in das Innerſte der Seele verfchaffen. In diefem Falle möchte ein Geber von nicht mehr als Drei Minuten Länge um fo zwecmäßiger wirken. Will man diefes nicht, fo fönnte man einen kleinen Abfchnitt aus der Bibel erklaͤ⸗ rend vorleſen.

Nach dem Gebete werden etwa zwei Verſe eines Kir⸗ chenliedes geſungen, und der Geſang wird mit der Orgel begleitet. Dieſer Geſang kann als fuͤr ſich beſtehend ange⸗ ſehen werden, da der Gebetsgegenſtaͤnde ſo wenige ſind, und die Schuͤler doch auch die Kirchenmelodieen kennen ler⸗ nen muͤſſen. Darum wähle der Lehrer für jede Kirchenmes lodie einige Lieber aus, und finge diefe in der Morgenans bacht mit den Claſſen der Reihe nach durch; nur vor chrift lichen Feſten wähle der Lehrer yaflende Lieder. Da dem Iutherifchen Gefangbuche fehr unzweckmaͤßiger Weife keine Melodieen beigebrudt find, fo wähle man beim etwaigen Gebrauch deſſelben das Melobieenbuh von Natorp als Beihuͤlfe.

Uebrigens muß der Schuͤler durch ein ſtaͤt frommes Verhalten des Lehrers, wie auch durch das Streben befs felben einen wahrhaft edlen, frommen Geift in der Schule zu erfchaffen und zu erhalten, zum religidfen Leben ermuns tert und gewöhnt werden.

Was endlich die Wefenheit Des Fatechetifchen Unterrichts felbft betrifft, fo weife ich auf die Katechetif von Schwarz hin, der diefen Gegenftand ganz vortrefflid, abgehandelt hat.

218 7) Sranzöfıfhe Sprade.

Woͤchentlich 7 Stunden.

Für dieſen Gegenftand in diefer Claſſe ift mir, Klei⸗ nigfeiten abgerechnet, Fein Buch denkbar, daß auf natur gemäßere Weife den Schüler in biefe fremde Sprache eins führen koͤnnte, ald das Elementarbud; von dem verewigten Seidenftüder. Seidenftüder geht von dem Hauptgrundfage aller Kehrfunft aus, daß dem Schüler zuerjt ein Material gegeben werden müffe, wenn er Regeln in fidy verarbeiten und anwenden lernen fol. Ohne nun weiter die Vorzüge diefes Buches zu rühmen, will ich angeben, wie ich Daffelbe felbft gebraucht habe, ja wie es zehn Jahre lang in meis ner Anftalt gebraucht worden ift, und den vorgefeßten Zweck ganz hat erreichen laſſen.

Borübung.

Der Schüler Iernt den franzöfifhen Artikel und das Fürmwort defliniren. Schüler, die fo weit vorangefchritten find, wie diefe Claſſe, kann diefes keinesweges fchwierig fein.

Gewoͤhnliche Uebungen.

Die gewöhnlichen Uebungen, welche durch; das ganze Buch gelten, ſind folgende.

a) Der Schuͤler lernt die uͤber den Stuͤcken ſtehenden, oder doch zu den Stuͤcken gehoͤrigen neuen Woͤrter deutlich und moͤglichſt rein ausſprechen und aus dem Kopfe buch⸗ ſtabiren, und dieſes zwar in der Schule.

) Das Stüd wird mündlich uͤberſetzt, und wo nur Die geringftie Abweichung von dem Gewöhnlichen, oder Die Anwendung irgend einer Regel fich findet, da lafle der Lehrer die Negel ꝛc. auffuchen, oder doch Far einfehen.

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Diefer Regeln gibt es aber nach der Tendenz des Buches möglihft wenige |

c) Nach mehrmaligem Weberfeßen wird das franzoͤſiſche Stuͤck oft zufammengelefen, mehrmal aus dem Kopfe budjs ftabirt, und dann auf deutfch gleich fortgelefenz; das deutſche Stuͤck wird ebenfalld nach mehrmaligem Ueberſetzen auf franzöfifch gelefen und aus dem Kopfe buchftabirt.

d) Die Schüler muͤſſen das burchgearbeitete Stüd zu Haufe fehriftlich uͤberſetzen, und müffen in der Schule ihre gemachten Fehler nach forgfältigem Borbuchftabiren bes Lehrers verbeflern. Diefer fieht zu Haufe nady, ob alles forgfältig gearbeitet und verbeffert ift, und läßt das über- fete und verbefferte Stuͤck abfchreiben.

e) Sp lange ald nöthig laͤßt der Lehrer jedes deklinir⸗ bare Wort mit Nennung der ordentlichen Caſus Nom. ıc. abändern; auch wird von jedem vorfommenden Zeitworte fo lange als nöthig die Zeit Fonjugirt, in welcher das Wort fteht.

f) Bevor der Lehrer von dem Stüte abgeht, mögen bie Schüler verfuchen, ob fie die meiſten Säte beffelben in franzsfifcher Sprache aus dem Kopfe herſagen, und aͤhn⸗ liche Saͤtze bilden koͤnnen.

5) Iſt die Claſſe etwa zwoͤlf Seiten weiter geruͤckt, ſo werden die durchgearbeiteten deutſchen Stuͤcke gleich auf franzoͤſiſch, die franzoͤſiſchen aber erſt auf franzoͤſiſch und dann auf deutſch gemeinſchaftlich oder auch zur Pruͤfung, von einzelnen Schuͤlern geleſen. Auf dieſe Art lernen die Schuͤler fertig leſen, und bleiben mit allen Stuͤcken in fort⸗ waͤhrender Bekanntſchaft. Sind die Schuͤler weit im Buche vorangeſchritten, ſo muß eine Stunde woͤchentlich fuͤr dieſe Wiederholung feſt geſetzt werden.

h) Die ind Deutſch uͤberſetzten Stuͤcke muͤſſen dann auch wieder ins Franzoͤſiſche uͤberſetzt werden, wobei der Schuͤ⸗

20°

Ier feine gemachten Fehler aus dem Buche verbeffern kann. Dadurch wird der Schüler hier und dort gewahr werden, daß er einige Regeln, wie die von ber Fleftion der Partis cipe ꝛc. noch nicht kennt; indeffen hat er diefe nad) Dem Zwed des Buches noch nicht zu wiſſen nöthig, Fälle die fo viel als möglic vermieden worden find.

ji) Die den Städen vorgedrudten Theile der Conjugas tionen ıc. fo wie die Formeln der vier Gonjugationen ꝛc. muß der Schüler, wenn er dahin kommt, fertig Tonjugiren lernen. Um diefe Formeln dem Gefühle nach in eine zu verwandeln, übe der Lehrer jede Perfon von allen vier Formeln zugleich ein, wie: je parle, je finis, je regois, je vends etc. Es ift hier, wie allenthalben, jedoch mehr von einer gemeinfchaftlichen Einuͤbung in der Schule, ald von dem Auswendigleren zu Haufe zu halten. Nur die Uns aufmerffamen and Trägen müflen das zu Hanfe nachholen, was fie in der Schule verfäumt haben.

Schreitet der Lehrer mit ſolcher Gruͤndlichkeit und Vor⸗ ſicht weiter; weiß er die Luft zu erhalten, ja.’ zu ſteigern, welches Leicht erfolgt , wenn der Schüler mit Gruͤndlichkeit voranſchreitet, zu Hauſe nicht mit vielem Auswendiglernen geplagt wird, und der Lehrer zu Zeiten certiren laͤßt: ſo wird er nach Verlauf eines Jahres das Vergnuͤgen haben, daß ſeine Schuͤler jedes Stuͤck des Buches auf der Stelle in der andern Sprache fertig wegleſen, und manche Saͤtze in franzoͤſiſcher Sprache werden bilden koͤnnen. Iſt der Lehrer im Sprechen geübt, fo wird er dadurch im Stande fein, feine Schüler das Material noch tüchtiger vorarbeiten zu laſſen.

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8 Geographieyy.

Woͤchentlich 3 Stunden.

Deutſchland.

Wer unſre Lehr⸗ und Memorienbuͤcher, unſre Charten und die Unterrichtsmethode der Geographie ſcharf ins Ange faßt, und diefelben mit dem Zweck diefer Wiffenfchaft ver⸗ gleicht: dem kann das Mangelhafte, das fich faft allent- halben nur zu deutlich ausfpricht, nicht entgehen. Sch will es hier verfuchen, auf den Zweck, auf eine beſſere Methode, und auf eine beſſere Einrichtung der LUnterrichtsmittel ıq. hinzuweifen, und will zu dem Ende nur folche Ideen aufs ftellen, deren Richtigfeit ich in vieljähriger Praris als erprobt gefunden zu haben glaube. Denfende Männer vom Fach mögen dann beipflichten, oder ein Beſſeres begründen.

A. Zwed des Geographieunterridhts.

Wird der Unterricht in der Geographie zweckmaͤßig bes trieben, was ich hier vorausfeßen muß: fo ift derfelbe das vorzüglichite Mittel, das Namens, Orts, Zahlen- und Sachgedaͤchtniß, in fleter Verbindung diefer Kräfte, zu üben. Es werden durch diefen Unterricht Taufende Namen dem Gebädhtniffe eingeprägt, die Lage diefer Gegem ftände, fo wie die Form ber Länder und Provinzen vor die Außere und innere Anfchauung geftelt, eine Menge Zahlen eingehbt, und es wirbein gewiſſes Maaß von Merk wirdigfeiten behaltlich beigegeben. Der Geographiunterricht

*) Im 2. Bande der Rheiniſchen Blätter 1828 mitgetheilt, und dem Herrn Hofrath Guts: Muths in größter Hochachtung gewidmet,

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gibt dem Menfchen ein moͤglichſt treues Abbild von Der Erde, lehrt ihm”) den Menfchen auf den’verfchiedenften Graben der Eultur deffelben, nach deflen Sitten, Gebräus chen, Befchäftigungen und anderweitigen Anfichten und Bes ftrebungen fennen und würdigen, macht ihn mit dem. Nu⸗ ben des Thiereds, der Pflanze und des Minerals befannt, Laßt ihn mit Ehrfurcht die Wunder der Natur, das Schöne, Große und Nütliche menfchlicher Kunft, die Weisheit und Gute Gottes, und die Sorge des Menfchen für den Men⸗ ſchen gewahren. Geographie .nährt darum Liebe und Danf zu Gott und Menfchen , und bildet den Berftand, der dem Weſen und den Urfachen der Dinge auf die Spur zu kom⸗ men ftrebt. Sie ift die wichtigfte Naturwifienfchaft, wenn der mathematiſche, phyfifche und naturgefchichtliche Zweig gehoͤ⸗ tig beachtet wird, und darum von außerordentlichem Nußen.

Die Geographie fteht mit der Gefchichte, der Haupt: bildnerin der Menfchheit, im engften Bunde, und nur da wird diefe lebendig, wo jene als treue ©eleiterin und Ers flärerin ihrer erhabenen Berwandte erfcheint.

Sie ift eine Tochter der Betriebfamfeit und des Han dels, und danfbar wirft fie wohlthätig auf ihre Erzeuger zurück. Die Kenntniß mit fremden Ländern fchafft nicht felten Abfat der eigenen Produkte, laͤßt das entfernte Nuͤtz⸗ liche wünfchen, treibt hin zu bemfelben, und weder Aus⸗ dauer und Muth. |

Der Geographieunterricht wedt in dem jungen Mens fchen guter Fultivirten *%) Staaten Liebe zum Baterland,

*) Der Alkufativ würde hier zweideutig fein, indem „den Mens Then” als Appofition, und „ihn“ als Objekt erfcheinen würde, Ueberhaupt regierte lehren beffer in allen Fällen den Dativ.

**) n nicht v, da das Gompofitum Cultivirtflaat gedacht worden ift. Siehe die vortreffliche Abhandlung von Geidenftüder, über bie Beugung der Adjektive.

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und Hochachtung vor der Verfafiung und Regierung deilels ben. Sm Bergleich mit den glücdlichft gelegenen Ländern der Erde fieht der junge Menſch in der Regel noch immer Vorzuͤge feines Landes, die er um fo dankbarer erfennen - wird, je feltener er dieſelben auswärts findet. Mit Trauer fieht er die ſchoͤnſten Länder der Erde unter tyrannifchem Drud, in den Feffeln des Aberglaubens , oder in menfchen entehrender Rohheit; er preifet fich glücklich, nicht dort feufs zen zu müffen, und möchte doch gern der tiefer ftehenpen Menfchheit dafelbft als rettender Engel erfcheinen.

Die Kunde über *) Länder und Meere, über Sitten, Gebräuche, Beitrebungen ıc. des Menfchen ift, wie die Na? turwiffenfchaft überhaupt, ein wahrhafter Schmud in der Geſellſchaft, und in ihr liegt eine reiche Quelle nüßlicher Einrichtungen, an denen daheim es noch fehlt.

B, Methode des Geographieunterrichtes.

Die richtige Unterrichtömethode muß aus der Natur und dem Zwed des. Öegenftandes, in fteter Nückficht auf die menfchlichen Kräfte, hervorgehen. Sch will auf diefe Art zuerft die Methode im allgemeinen feftftelen, und dann den ang des praftifchen Unterrichtes angeben.

a) Allgemeine Keftfiellung der Methode.

1) Das erfle Erforderniß einer guten Methode iſt Feſt⸗ ftellung eines Curſus, der, vhne übertriebene Foderung an Lehrer und Schäler, in allen einzelnen Theilen den ganzen Zweck beftmöglichft erreichen läßt. Die Größe diefes Cur⸗ ſus richtet ſich im Allgemeinen nad) dem Alter der Schüler, nach ber Zeit, im welcher berfelbe durdhgearbeitet werden

*) „Kunde ber Länder” ift im Grunde die Kunde, welche bie Laͤn⸗ der befigen,, und das Entgegengeſetzte won Laͤnderkunde.

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muß, und in ſeinen Einzelheiten nach der Wichtigkeit der einzelnen zu erreichenden Zwecke. In unſren Gymnaſien wird der Geographieunterricht ſehr ſelten in den oberſten Claſſen betrieben, weswegen derſelbe in der Regel mit dem eilfjaͤhrigen Knaben angefangen werden muß. Die Zahl der gewöhnlichen Unterrichtöftunden in dieſem Gegenftande darf zum wenigften, und zwar auf fünf Sahre hin, nicht unter wöchentlicdy drei geftellt werden, im Fall man biefe Biflenfchaft nur noch in Etwa als Wiffenfhaft behandeln will. Freilich hat man an vielen höheren Bürgerfchulen und Gymnaſien die Stundenzahl geringer geftellt, und opfert die Stunden , welche den Wiffenfchaften gewidmet fein folls ten, lieber in Maffen den fremden Sprachen, als follten alle Schüler Philologen werden; aber bag Refultat lebens diger wiffenfchaftlichen Kenntniß iſt an folchen Anftalten in der Regel auch fehr ungenügend. Sch nehme für ſolche Anftalten hier das geringfte, alfo einen Curſus von fünf Sahren zu wöchentlicy drei Stunden an, wozu ich aber einen befondern Curſus der mathematifchen und phyſiſchen Gens graphie nicht mit einrechne. Für niebere Schulen wird na⸗ türlich ein geringerer Curſus, der faft allenthalben nur Allgemeines enthalten muß, ausreichen.

Ueberblickt man nur die vorher angegebenen Zwecke: fo mag man fich leicht überzeugen, daß das Phyſiſche des Landes etwa ein Drittel, das Politifche deffelben auch ein Drittels und der Menfch mit den noch übrigen Merfwir- Digfeiten das letzte Drittel der angegebenen Zeit ausfüllen mag. Beſteht nun in vielen unfrer beliebteften Geographieen für Schulen ein folches Verhältniß? oder werben diefe nicht vielmehr ein Repertorium alles defien, was die Berfaffer in diefer Wiffenfchaft von Sahr zu Jahr dazulefen? Wie groß müßte ber Gurfus fein, wenn bas zahllofe Heer von Namen, und zwar. oft der unwichtigften, vollkommen einge

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prägt werden follte! Und wie fehr wird nun obendrein durch Papiererfparung die Auswahl der wichtigeren Derter . ers ſchwert! Wahrlich! das Volumen ift auch hier weniger werth, als eine weife Auswahl, Kabri hat durch Leberfüllung von Namen feine Endfhaft erreicht; mehrere Geographieen, die mit ihm auf gleichem Wege find, werben bafjelbe Loog haben.

Wenn gleich die Geographie die Geleiterin der Ges fchichte ‚fein muß, fo darf fie doc nicht zu fehr in das Gebiet der Gefchichte Abergehen, indem dadurch die Gens graphie an fich zu viel Leiden, und der Gefchichte zu wer nig genübt werben wuͤrde. Ueberhaupt darf man natürs Iichermweife feinen Gegenftand auf die Art bearbeiten, daß er ein anderer werde. Grographie ift allerdings Die Hilfe wiffenfchaft der Gefchichte, aber Gefchichte nicht eine Huͤlfs⸗ wiffenfchaft der Geographie, und das ift genau zu merfen. Geographie fol dasjenige der Völkerkunde geben, was man in ber Gefchichte gewöhnlich vermißt, und manches Bolt hat nody Feine Gefchichte. Geographie fol hierin die Ges fchichte erfeßen. Wenn der Curſus der Gefchichte für eine höhere Lehranftalt nicht fo weit ins Einzelne geht, daß er jeden merfwärdigen Ort der Welt, in Rüdficht auf Zerftd rung, Belagerung, Friedensfchluß ıc. angibt: fo foll Die Geographie keineswegs diefen Zweck in der Schule erreichen wollen; denn in diefem Beginne liegt ein Tadel über Ges ringfügigfeit eines Eurfus in der Gefchichte, welcher doch nad Zeit und Umſtaͤnden gehörig abgeftect fein muß; und es wären dieſe Angaben demnach nur ein Mittel, den Schuͤ⸗ fer mit Einzelheiten vollzuftopfen, die doch feinen Zuſam⸗ menhang haben. Und, wollte man ein folches Verfahren als Wiederholung des Gelernten in der Gefchichte, oder ale Vorbereitung bes darin zu Lernenden anfehen: fo müßte der Curſus der Geographie mit dem der Gefchichte in voͤlligem

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Zufammenhange ftehen, und erftere müßte darin felten etwas zur Bereicherung ihrer felbft thun. Es wäre aber eine furze Angabe folcher Gefchichtsmerfwürbigfeiten,, die in dem Ges ſchichtskurſus felbft nicht fehlen dürften, nur in dem Falle von einigem Nuben, wenn die Claſſe die umftändliche Be⸗ fchreibung derfelben ſchon gehabt hätte; denn nur in dieſem Falle lernte die .Elaffe nichts Todted. Eine kurze Angabe, eine Zahl aber zu lernen, die noch nicht intereffirt, ift todtes Beginnen. 9 Ueberhaupt glaube ich hier den Grund» fa aufftellen zu dürfen: Man gebe ber Tugend in der Geographie und Gefhihte nidht zu viel gleihartige Dinge, aud denen fienurein und dDiefelbe Wahrheit, Lebensregel ıc. ziehen kann, oder, Die in Diefer oder einer andern widtis gen Ruͤckſicht gar nichts gelten. Dinge der Art find für den Wiffenfchafter, für den Forfcher; aber nicht für denjenigen, der hiernur auf allgemeine Bildung Anfpruch madht. Hohe Wahrheiten ıc. mögen an vielen Orten die Beweife ihrer Richtigkeit finden; aber es ift unnuͤtz für den bloß zu bildenden Menfchen, diefe bi zum Uebermaaß aufs zufuchen, um nur das Gedächtniß anzufüllen; ja, es ift zeit verfehwendend, indem es fo viele Dinge gibt, bie Das Urs

*) Es Tann freilich der Ball eintreten, daß eine Gefchichte für eine höhere Volksſchule fich nicht über manche vorzügliche Merkwuͤrdig⸗ Leiten eines Volkes erfiveden Tann, und daß bie Geographie biefes bier zu ergänzen ſucht. in folches Verfahren finde ich ganz loͤb⸗ lih. In einem foldyen alle muß man das menfchliche Wiffen und Können nicht ängftlich rubriciren, fondern man muß baffelbe in feis ner allumfaffenden Einheit anfehen. Diefe höhere Anficht muß überhaupt ben Lehrer bei feinem Unterrichte leiten, und fle wird ihn fiher leiten, wenn ee nicht ein rebfeliger Flattergeiſt iſt, und wenn er den Cyklus der Schule und den höchften Zweck aller Ers ziehung ſtets im Auge behält.

9 theil in andern wichtigen Stuͤcken berichtigen muͤſſen. Was nüßt ed dem Menfchen von bloß allgemeiner Bildung Die Tauſende Städte zu kennen, in welchen irgend einmal ein Aufftand vorgefallen, oder ein Frieden gefchloffen ift ıc., zumal wenn er den fpecielen Hergang der Sache nicht fennt, oder diefe Kenntniß ihm auch Feine neue dee gebeit kann? Habe ich hierin recht, fo würde ich, als Gefchichts fchreiber für Die Jugend, einen Luden, einen Heeren, Sohannes von Müller ıc. nehmen, mir die zu benubenden Urtheile über Melt und Menfchenıc. merken, dazu die beiten Beweife aus der Gefhichte, und zwar in gemügender Anzahl heraus fuchen, diefe nach den gehsrigen Anfoderungen an eine Gefchichte für die Tugend wohlgeordnet zufammenftellen, und ich würde dann gewiß‘ Taufende Dinge übergehen, die für den Menfchen von allgemeiner Bildung feinen andern Werth, ald den des Willens haben. Ein Gymnaſium, das Gelehrſamkeit feiner Schüler beabfichtigt, möchte fich hier⸗ mit wol nicht begnügen. Habe ich recht, fo muß der auf ven feinen Curſus befchränfte Geographieunterricht nicht ſo⸗ wol eine umftändliche Charafteriftif jedes einzelnen Vol⸗ fes, fondern vielmehr eine Charakteriſtik des Menfchen über: haupt, und zwar nach PVerfchiedenheit feiner erfliegenen Bildungsftnfe, der Zone, in welcher er lebt ıc. aufftellen, um den Hauptzweck: Menfhentenntniß. und Menfhenwärdigung ı. zu erreihen. Habe ih recht, fo müffen endlich alle Merkwürdigkeiten, die für fich allein von geringem Intereſſe, in ihrer Gefammtheit aber von Wichtigkeit find, nicht einzeln, fondern hauptfächlich im Vergleich mit. dem Ganzen eingeprägt werben. Im All« gemeinen fommt es 3. B. nicht darauf an, zu willen, wie viele wichtige Anftalten ıc. jede einzelne Stadt befiße ; aber daß in dem Lande viele ber Art vorgefunden werden, und welche Städte des Landes fich' der mehrften erfreuen, das p *

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muß der Schüler ſcharf und mit dankbarem Gemuͤthe aufs faſſen. Erſteres würde er leicht vergefien, letzteres aber wird fich ihm einprägen koͤnnen. Das Memorienbuch mag indeffen die vorzäglichiten folcher Einzelheiten in Fleiner Schrift zur beliebigen Anfchauung bei den Namen der Der; ter enthalten.

D Der Geographieunterricht verlangt Einprägung fehr vieler Namen. Werden diefe Namen, wie Bofabeln, ohne Zuziehung der Charten gelernt: fo befommt der Schüler ein Chaos in den Kopf, das ihn nicht gefcheidt machen kann, da er das Material in ſich nicht gefcheidet Cgefchieden) hat. Sieht er dagegen die Charte an, ohne die Namen zu behals ten: fo wird diefes Phantafiebild bald fohwinden, da dem Schüler die vorzüglichften Haltpunkte des Materials fehlen. Gedaͤchtniß und Phantafie müffen hier alfo zu— fammenwirfen Namen - und Sachgedaͤchtniß haben ihre vorzüglichfte Stüße im Ortgebächtniß , wie dies allge mein als wahr erfannt wird, und die Phantafte gibt die Weihe, den Implus zum innigen Empfangen und Auf nehmen. Daher muß der Schüler die Charte, bas Bild eines Theiles der Erde, als ein Ganzes in fich aufnehmen, deffen Theile er, dem Orte nach, eben fo kennt, wie die Lage der Straßen feines Wohnortes. Er wird dieſes um fo eher koͤnnen, je einfacher diefes Bild ift, wo denn nicht gu viele Gegenftände feine Gedächtnißfraft in Anfpruch neh⸗ men, und die Phantafie um fo leichter feite Hauptpunkte finden kann. Darum hat man ganz richtig viel weniger Derter auf Schuls, ald auf Hauscharten gezeichnet. Was rum geht man nicht hintereinander fo weit, nur Das auf der Schulcharte zu verzeichnen , was der Schüler fchlechters dings lernen fol? In diefem Falle kann der Schüler das Nothwendigfte der Wiffenfchaft an und von ber Eharte Iers nen, und das Memorienbuch hilft ihm nur bei ben nicht

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verzeichneten Merfwürbigfeiten und dort aus, wo er in ber Reihenfolge unficher fein ſollte. Ich ftelle darum die Bes hauptung auf, „Daß der Schüler die ganze Charte in fih aufnehmen müffe”, und das Ganze bes Fol genden wird die Richtigkeit diefer Behauptung noch näher darthun.

3) Es fragt fih nım, „ob diefes eher geſchehen koͤnne, wenn der Schüler mit feinem Blicke die Kreuz und Quere durchdas Ganze fchweift, oder wenn er in einer gewiffen Ordnung an einen feften Punft etwas anfnüpft, und immer auf gleidhe Art anknuͤpft?“ Daß diefe Ordnung rathfamer fei, beweifet die Mnemonif, die ihre Bafis in derfelben gefunden hatz denn felbft Die Affociation hat ihren Grund in der Ordnung. Den Vorzug der Ordnung hat mir die Erfahrung feit mehr ald zwanzig Sahren ganz uns zweideutig bewieſen.

Wer, wie ih, die Namen der Raubſtaaten auf fol gende Art: Algier, Tunis, Tripolis, Fez und Marofo, nach Fabri gelernt hat, hat es gewiß fich feft eingeprägt, daß diefe Staaten nebeneinander liegen; aber er hat doch mit mir auffallend oder flörend gefunden, daß Fez nicht rechts neben Tripolis, oder dieſes nicht rechts neben Fez und dann Algier weiterhin nach der rechten Hand liege. Wäre dem auch nicht fo, fo lehrt die Erfahrung doch, daß die Sugend beffer Bei Beobachtung einer Ortsordnung lernt.

Das hoͤchſte Reſultat der Mnemonik war das Vermoͤ—⸗ gen, die Gegenſtaͤnde in jeder beliebigen Wahl in oder au⸗ ßer einer gewiſſen andern Ordnung herſagen zu koͤnnen; die Ordnung aber gab ihr dies Vermoͤgen. Diejenigen, welche, wie mir deucht, vor etwa fuͤnfzehn Jahren, anfingen, ab⸗ ſichtlich dieſes durcheinander zu lehren, wollten gleich auf

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dieſes letzte Ergebniß hinarbeitenz; fie mollten bie Frucht, aber fie forgten nicht für deffen Wurzel; fie lehrten und Ichren nicht, wie fie lehren, wol aber, wie fie das Ges lernte uͤberhoͤren muͤſſen. Wie würde ſich die Schilderung der Leipziger Schlacht von Schiller, wie Fernow's meifters hafte Befchreibung des fo fehr zufammengefeßten Denkmals, das Canova der Erzherzogin Chriftina von Deftreich ver: fertigt hat, ausnehmen, wenn beide Schilderer flatt Beo⸗ bachtung der Ordnung bie ind Kleinfte, lieber Kreuz⸗ und Dueerzüge gemacht hätten? Was würde uͤberhaupt der Schriftiteller, der Redner, der Lehrer auf folche Art wirs fen? Man werfe mir nicht ein, daß diefes bei Gegenftäns ben, die man zugleich in einer gewiſſen Ordnung fähe, an- ders fei. Se mehr Sinne diefe Unordnung auffaflen, deſto mehr entfteht Verwirrung, oder es findet ein Streit der aufs faffenden Kräfte Statt. Man kann auf dieſe Art wol ein Bild zerftören, aber man fehafft keins, oder doch nur mühs fam. Und wenn wirklich auf diefe Art ein treues Bild ges fchaffen werden fann, fo ift das im Ötreite jener Kräfte gefchehen; es wirkt bann das Affociationsvermögen, ber Inſtinkt, der Organifch» Bildungstrieb ftärfer,, als das Res volutionsverfahren, und es entiteht Dann ein Reſultat, wie das Plus zweier ungleich ftarf gegeneinander wirkenden Kräfte. Es bliebe aber auch dann ein thörichtes Beginnen, wenn man wirklich vorhätte, zur Ausbildung einer Seelen⸗ fraft foldye Mittel zu benutzen, die der freien Uebung ber» felben gewaltfam in den Weg treten.

Sch glaube hierdurch praftifche Pädagogen überzeugt zu haben, daß Beobachtung ber Ortsorbuung beim Geogras phieunterrichte nothwendig ſei. Habe ich hierin aber recht: fo ift Daß Verfahren Derjenigen Geogras phiefchreiber, die gefliffentlich oder ungeflif- fentlich Die Namen ber Provinzen, und in die

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jen die Namen der Städte durcheinanderwer—⸗ fen, durchaus falſch und verderblidh, und in kei— ner Ruͤckſicht zu rechtfertigen; fo müffen die Berfaffer Ordnung in ihre Anleite hineinbrin— gen, oder diefelben find als Memorienbuͤcher zu verwerfen. Der Schüler fol alfo alle Namen der Pros vinzen und Städte ıc. in einer gewiffen Ordnung von ber Charte und and dem Buche lernen, damit um fo eher ſich ein beftimmtes Bild ihm einpräge. Diefe Ordnung darf beim Lernen nie geftört werden, weil dadurch das Bild zers riffen würde, In berfelben Reihenfolge, in welcher ber Schüler die Namen der Städte zum neun und neunzigiten, male herfagt,. in derfelben Folge muß er dieſe auch zum hun⸗ dertſtenmale herſagen.

Auf dieſe Idee brachte mich die Gewohnheit: Kaſan und Aſtrachan, Cottbus und Peiz, Brixen und Botzen ꝛc. die ich aus Fabri zuſammengelernt hatte, jederzeit zuſam⸗ menzudenken; ich fuͤhrte dieſen Wink bei meinem Unterrichte aus, und er hat gute Fruͤchte getragen, und nie werde ich dieſes Verfahren aufgeben. Muß es dem Schuͤler in der Zukunft nicht ein angenehmes Erleichterungsmittel ſein, wenn ihm bei Nennung eines Namens von irgend einer Stabt ꝛc. fämmtliche Namen der Städte einfallen, Die in einer gewifs fen Ordnung mit diefer in der Provinz liegen?

4) Das Behalten diefer Reihenfolge wird nun um fo mehr erleichtert, - wenn die aufeinander folgenden Namen der Städte in ihrem Zufammenhange einen gewifien Rhoth⸗ mus haben. |

Sch will hier feine Herameter oder Jamben, und eben fo wenig Poeſie; das würde die Erftrebung des Zweckes erſchweren; ich will nur auf einen gewiflen Takt beim Her: fagen der Wörter aufmerffam machen. Wer fühlt nicht Erleichterung, wenn cr die Stäbte des Traunvierteld auf

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folgende Art lernt: Steger, End, Kremsmünfter, Gmuͤnden Sichel, Hallftadt, Ebenfee? Freilich wird man zuweilen um des Rhythums willen eine Stadt verfeßen, ein Flick⸗ wort anbringen, oder eine zwifchenliegende Fleinere Stadt binzunchmen muͤſſen; indeſſen braucht dieſes Doch nur zuwei⸗ len zu gefchehen, und Aengitlichfeit in der Beobachtung dies fer Regel ift ohnehin nicht nothwendig.

5) Es dringt fich hier ferner die Frage auf, ob man mit Anfängern in ber Geographie nad. Einkbung einer ganz Furzen Vorbereitung erft einen Kleinen Eurfus vorneh⸗ men, und diefen nad) und nach erweitern folle, wie bie ſes vielfach von bedeutenden Männern vorgefchlagen und ausgeführt worden iſt; oder ob man, in Rädficht auf Ras menerlernung ber Provinzen und Städte, gleich fpeciell vers fahren folle?.

Erfennt man einen feiten Curfus, Ordnung und Rhyth⸗ mus als wefentliche Punkte dieſer Unterrichtömethode an: fo ergibt fi die Antwort von ſelbſt. Ein erweiternder Curſus wuͤrde bie einmal eingeprägte Ordnung und ben Rhythmus des Eingelernten ſtoͤren; das Alte müßte, im beften Falle, aufs Neue wieder mitgelernt werden, und ed wuͤrde auch. ba oft ſchwerer halten, Das Eingeprägte zu zerftören, ald das Ganze, wenn es bisher unbekannt gewefen wäre, zu erlernen. Diefe Zeit wende men lieber auf Wies derholung an, und man wird erfrenlichere Refultate erwars ten dürfen. Hält.man aber die Anfänger für einen fpeciels len Unterricht noch zu jung: fo warte man, bis Diefelben das Fanonifche Alter haben, ein Grundfaß, der in aller Welt, und bei allen Gegenftänden zu beobachten wäre. Seitdem man die Leute nicht mehr nach Jericho gehen heißet, und den Bart des Mannes dem der Ziege gleich achtet, Ichrt man Kin; bern in der Wiege Kritif der Sprachen, Mathematik, Phis Iofophie zc., damit der Berftand eher fomme, als ber Bart.

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6) Auf welche Art follen aber nun die Merkwuͤrdigkei⸗ ten gelehrt und behaltlich gemacht werden? Durch Aſſocia⸗ tion. Gut, den Grundfab haben wir lange; aber haben fi) unfre Lehrbücher darum geändert? Wird biefelbe denn wirklich mehr als in einzelnen Kleinigkeiten angewendet, and gehen diefe denn nicht gewöhnlich mit der Affocirung wieder verloren ? |

Ich will hierbei etwas in's innere der Sache zu gehen fuchen, und muß darum den Lefer um Entjchuldigung bit: ten, wenn ich bier umftändlich werde.

Sch ergriff vor etwa fechdzehn Sahren die Mnemonif mit befonderem Eifer, weil ich in berfelben ein außerorbent- liches Erleichterungsmittel für das Erlernen der Wilfen- fchaften und Sprachen zu finden glaubte; wurde aber bald, nachdem ich diefelbe auf die Chronologie der Gefchichte ans gewendet hatte, überzeugt, daß diefelbe zum allgemeinen Gebrauche wenig Ausbeute bringe, indem die Sachen mit den augenblidlichen Befeftigungsmitteln an die Haltpunfte wieder dem Gedächtuiffe entfallen. Herr Prediger Peters fen in Wenigern brachte mich durch feine Ausfage, daß er im Stande fei, taufend Wörter mnemonifch, alfo fehr ſchnell, zu behalten, auf den Gebanfen, daß es noch ein anderes Mittel der Mnemonik gäbe, als die mir bereits befannt waren. Ich fand diefes Mittel gar bald, und Herr Peter fen war gütig genug, mir fein zeitheriged Geheimniß nun offen darzulegen. Da ich daffelbe nun zum Wohl des Uns terrichtes gebrauchen möchte, fo wird Herr Peterfen nichts gegen die Meittheilung deffelben haben, und zwar um fo weniger, da ich das Mittel auch felbft aufgefunden. Diefes Mittel erregt in feiner unfruchtbaren Anwendung Staunen; in feiner fruchtbaren Benußung ift ed, wenn gleich noch nie, fo viel ich weiß, mit Klarheit angewendet, doch allgemein in feinen Grundzügen befannt. Herr Peterſen hatte ſich

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naͤmlich die einzelnen Gegenitände feines Dorfes, ald Haͤu, fer, Ställe, Pfügen ıc. in einem in ſich abgerundeten Bilde, beffen einzelne Theile er in einer beitimmten Reihenfolge mit der größten Klarheit und Leichtigkeit Aberfah, vollkom⸗ men eingeprägt, und fnüpfte nun an diefe Gegenftände feine zu behaltenden Woͤrter, indem er der Affociation Durch ein aufgegriffenes Bild zu Hälfe Fam. Diefes Dorf war alfo in der Geſammtheit feiner Einzeldinge die allgemeine Nichts ſchnur, die allgemeine Difpofition, die Phantafiebuchftabens formel, an welche die neuen Einzelheiten geknüpft wurden. jeder, der fi; mit der Mnemonik etwas vertraut gemacht hat, wirb die Möglichkeit einfehen, auf diefe Weife gar leicht taufenb Wörter in und außer einer gewiſſen Reihen⸗ folge behalten zu koͤnnen, und wirklich foll Here Peterfen dieſes Probeſtuͤck ſchon oft abgelegt haben. Ich ſelbſt glaus be es ſehr leicht dahin bringen zu koͤnnen, wenn ich fuͤr die Erlernung einer Wiſſenſchaft darin Nutzen ſaͤhe; Oeffent⸗ lichen Rednern, denen ein gutes, natuͤrliches Gedaͤchtniß fehlt, kann dieſe Formel nuͤtzlich ſein, wenn ſie nur nicht befuͤrchten, die Weihe daruͤber einzubuͤßen, indem ein ge⸗ wiſſer Zwang in derſelben herrſcht, und ſich dort Hohes und Gemeines in der Phantaſie vermiſcht. Es ließe ſich freilich eine ſolche Formel an den Sternen aufſuchen, wobei man aber dennoch Gefahr liefe, einen geringfügigen Gedanken an den Sirius, Aldebaran, an den Gürtel des Orion, und einen erhabenen an die Efelein und die Krippe binden zu müffen, wodurch nicht felten dad Gleichgültige mit Pathog, und das Erhabene mit Öleichgältigkeit vorgetragen werden koͤnnte. Eine an fich todte Sache aber, wie eine Buchitas benformel, läßt fich dazu nicht gebrauchen, da die Glieder derfelben gar Feine Bebeutung haben, und alfo Feine Ans knuͤpfungspunkte zur Affociation darbieten. Man hat fich nach Käftner freilich durch die Ordnung in Pentaden ıc.

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geholfen; aber man knuͤpfte da auch nicht unmittelbar das zu Behaltende an den Punft in der Pentade, fondern man hieng es an das Vorhergehende und bildete eine Kette von verfchiedenen Einfchnitten durch die Pentaden. Dieſes Bers fahren kann für Erlernung einer Wiffenfchaft feinen bleis benden Nuten haben, da mit dem Vergeſſen eines Gliedes auch das Nachfolgende in der Regel nicht wieder angefnüpft. werden kann. Gebraucht man übrigens ein und biefelbe Formel diefer und der vorigen Art zu verfchiedenen Gegen- ftänden, fo wifcht das lebtere allemal das Vorhergehende faft ganz aus. Sch will Diefes zwar nicht von tüchtigen Mnemonikern, aber ich kann es Doch von dem Menfchen überhaupt behaupten. Ich laſſe Die Nuͤtzlichkeit dieſes Mit: tels nun weiter auf ſich beruhen, und will fehen, ob ich für den Geographieunterriht nichts Nuͤtzliches herauszichen kann. Auf jeden Fal?’darf das Künftliche des Mittels nicht bleiben, da nicht Jeder ſich in folche Schrauben feßen läßt.

Man übe nun ſaͤmmtliche Namen der Provinzen, Städs te, Gebirge, Flüffe ıc. eines großen Landes ein, fo daß jeder Gegenftand, ber zum Gurfus gehört, feit an feiner Stelle fieht. Um nun dem Geilte des Schülers die Weihe zum innigen Aufnehmen in ſich zu geben, führe man im Geijte denfelben, wie in einem Ballon über das Land ſchwe⸗ bend , an die verfchiedenen Punkte, und laſſe ihn den Char rafter des Landes, in Hinfiht auf Berg, Thal, Ebene, Flußgebiet, Abdachung, Klima, Fruchtbarkeit, Eultur der Inwohner ıc. auffaſſen. Welche von diefen beiden Haupts übungen vorbergeht, mag gleichgültig fein. Weiterhin knuͤpfe man Einzelnes von diefem Lebtern an bekannte Punkte, und wiederhole biefes mit den Punkten (Städten ıc.) nur Durch einzelne Wörter, Auf diefe Weife verbindet fid) der Chas rafter des Landes mit den verfchiebenen Namen der Städte

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sc. und wird behaltlih. Will man nun in der Folge an diefe fo ſehr lebendige Formel noch mehr einzelne Merkwuͤr⸗ bigfeiten anfnüpfen, fo muß man diefelben mit dieſen Ein- zelheiten des betreffenden Punktes in Verbindung bringen, und wenn diefes Folgende dann noch eine gewiffe Einheit des Gedanfenganges in fich trägt, und zugleich auch Phan⸗ taffe und Denffraft befchäftigt, fo wird auch dieſes behalt- lich fein.

Praftifhe Pädagogen werben es tauſendmal mit mir empfunden haben, daß Manches nie von den Schülern ver- gefien wird, daß hingegen Manches an dem Gedächtniffe ber Schüler nur wie eine Tangente vorbeigeht. Wir erzähs len 3. 3. ein und diefelbe Sache zu verfchiedenen Zeiten, oder in verfchiebenen Claſſen; das eine Mal wird Diefelbe den Schälern behaltlich, das andere Mal nicht. Woher fommt das? Mir haben vielleicht Allgemeines und Einzel nes, zeither Bekanntes und Unbekanntes, nicht gehörig mit einander verknüpft; wir haben nicht Phantafıe, Denkfraft und Gedaͤchtniß nad) einem gewiflen Maaße mit einander befchäftigt; kurz wir find dem Schüler nicht intereflant ge- wefen. Kämen wir endlich dahin diefe natürlichen Aſſocia⸗ tionsmittel, wie die Conjunktionen für den Periodenbau eins zutheilen: fo hätten wir die Perioden höherer Ordnung ges funden. Conjunktionen der Art find nun: Einheit, Folger richtigfeit, Verbindung des Einzelnen mit dem Ganzen, des Unbelannten mit dem Bekannten, der Phantafie oder der Denffraft mit dem Gebächtniß ; wie heißen fie aber ale? Nur einige Conjunktionen find für die Rede nicht hinreichend. Am Teichteften und ficherften möchten diefe ſich in der Praris an ben einzelnen Gegenftänden auffuchen lafs fen. Vielleicht gehören alle Mittel, durch welche man die Aufmerffamkeit und das eigene Nachdenfen des Schülers zu wecen fucht, mit hinein. Sch wünfche, daß fcharffinnige

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praftifchen Köpfe diefen Gegenftand ihrer Aufmerkſamkeit würdig halten möchten, damit wir einfache Regeln erhiel, ten, durch deren Befolgung ed ung immer möglich würde, das Wort nicht wie eine Tangente, fondern wie einen vers längerten Radius nach dem Kreife des menſchlichen Auffaf- fungsvermögens zu fenden.

Wollte man nun ein Xehrs oder Memorienbuch fchreis ben: fo müßte man in erfterm eine lebendige allgemeine Cha⸗ rakteriftif des Hauptlandes vorausfchiden, Dann das Einzel ne an folche Punkte knuͤpfen, denen diefes befonders innewohnt, und in dem Memorienbuche würden biefen Punkten (Staͤd⸗ ten ꝛc.) nur einzelne Wörter zur Erinnerung an das Gefagte, beigegeben. Lehr⸗ und Memorienbuch müßten zu dem Ende im. innigften Berhältniffe ftehen; und das Finnen fie nur - Dann, wenn beide für einen beſtimmten Curſus eingerichtet wären. Wollte man die Auswahl aber dem Lehrer übers laffen, fo würde diefer, im Allgemeinen genommen, nur zu leicht fehlgreifen.

Das Nähere des vorher aufgeftellten Grundfages wird bei den Anfoderungen an ein Lehrbuch vorkommen.

7) Endlich bleibt nun noch die Frage zu beantworten übrig, mit welchem Lande man den Geographieunterricht beginnen müffe. Sch denfe, der Schüler muß ein Grunds maaß in fi) haben, mit dem er alles Fremde miffet. Dies ſes Grundmaaß findet er doch in feiner Umgebung am leichteften. Da nun dem Zwede diefer Wiffenfchaft gemäß, alles Fremde auf das Heimifche bezogen werben muß: fo möchte man doch am beiten mit der nächiten Umgebung anfangen und den Blick des Schülers allmählig in bie Ferne lenken.

b) Gang bes praktiſchen Unterrichtes.

Man ſtelle die Uebungen nun etwa in folgender Art und Reihenfolge an:

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1) Man lege dem Schuͤler die Gebirgs⸗ und Flußcharte des Hauptlandes vor Augen, damit er auf diefelbe, wie von oben herab auf das Land fihaue. Eine kurze Charak teriſtik des Bodens, die der Lehrer mit Lebendigfeit und Schärfe nach dem Lehrbuche geben muß, fchaffe der Phan⸗ tafie des Schülers fefte Haltpunfte, und verleihe ihm Die Weihe zur Beachtung des folgenden Unterrichtes. Dabei fuche der Schäler den Nords und Sids, den Oft s nnd Weſtpunkt und die natärlichen Gränzen des Landes auf. Dann übe der Lehrer den Lauf der nöthigen Fluͤſſe und Gebirgszäge, fo wie die Namen der bezeichneten und bes nannten Kuppen rhythmifch und zwar firenge nach Dem Memprienbuche ein. Zum Schluffe wird der Schäfer im Stande fein, Die Charte in ihren Hauptpunften aus dem Kopfe zu zeichnen, und die Merkwürdigkeiten biefer Gebirs ge, Flüffe, Thäler, Ebenen ıc. anzugeben. Es ift Dem Schüler, als ob er in einem Ballon Über dem Lande ſchwe⸗ be, ohne auf die Derter ein befonderes Augenmerk zu rich ten. Der Lehrer hat ihn in diefer Spannung erhalten.

Zur rhythmiſchen Einuͤbung muß jeder Schüler auf fei- ner Charte die Gegenftände erft aufluchen. Dann fage der Lehrer diefelben recht deutlich mit gehöriger Betonung vor, und der Schäler fpreche darauf, indem er jedesmal bei Nennung. des Namend auf den Gegenftand hinweifer, die zufammengehörigen Gegenftände, nicht laut, aber doch verftändlich und fcharf, ja ich möchte fagen, innig, mit bem Lehrer gemeinfchaftlich fo lange im Rhythmus, bis dies felben dem Gedaͤchtniſſe ganz eingeprägt find. ' Diefe Berfe verbinde er nach der natürlichen Lage der Gegenftände mit andern zu Strophen, und Das ganze Land umfafle dag ganze Gedicht. Daß diefed nichts weniger ald Poefle ents halte‘, und fein Gedicht fei, habe ich vorher ſchon bemerkt. Der Schüler muß das Gelernte zu Haufe wiederholen ; das Memorienbuch hilft ihm, wo nöthig, aus.

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2) Sft die Gebirgs⸗ und Flußcharte völlig eingeprägt: fo hefte ver Schüler feinen Blick auf die Wandcharte, und der Lehrer übe nun hier gemeinfchaftlich ein, was jeder vor- ber ohne Störung durch Namen von Städten und burd) Farben gefehen hat: Dabei lerne ber Schüler nun die Nas men der Länder kennen, in welchen diefe merfwärbigen Ge⸗ birgszüge, Ebenen, Flüffe ꝛc. Liegen. Es werden nun nad) dem Lehrbuche Vergleichungen des Erlernten angeftellt, und unter andern folgende Fragen beantwortet: Welches Land hat unter diefen die meiften, welches die hoͤchſten, merk würdigften Gebirge? Welches die größten, die meilten, merkwuͤrdigſten Flüffe? Welche Länder liegen in der Ebes ne, welche in der Abdachung, auf der Höhe? Welche Län: der find am fruchtbariten, am fchönften? Welche Seen am größten, tiefiten, fiſchreichſten ꝛc.

3) Der Schüler nehme nun die illuminirte Charte feis nes Handatlaffes zur Hand, und noch einmal werde dort Alles mit Vorficht wiederhoft eingeuͤbt. Es muß nämlich Dort jedes Einzelne erit aufgefucht, und dann mit beftändis ger Hinweifung auf den Gegenftand deutlich genannt wer⸗ den. Bei Auffuchung diefer Gegenitände fommen noch eins mal die Hauptcharafterzüge deijelben in Hinficht auf Rage, Fruchtbarkeit ıc. vor. Diefe drei Uebungen bilden die Ein; leitung, die bei den fremden Welttheilen in fieben Wochen, bei Deutfchland aber, fo wie bei Europa in vierzehn Wo⸗ chen abfolvirt werden muß. Der Schüler muß das Ges lernte zu Haufe noch feiter fich einprägen, und im Stande fein, jedes Eingelne fchnell hintereinander herzufagen. Das bei wird das Memorienbuch aushelfen.

4) Jetzt werden bie Namen der Prooinzen und Städte ber einzelnen Länder an der Wandcharte eingeuͤbt. Der Lehrer beobachte hierbei die [ehr zu empfehlende Bors fiht, von feinem Lande eher abzugehen, bis die Namen ders

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felben vollfommen eingeubt find, und nicht eher weiter zu fohreiten, bis Die Namen der vorher eingelernten Länder fehlerlos hergefagt werden koͤnnen. Befondere Merkwuͤrdig⸗ feiten einzelner Provinzen und Städte, die der Schüler ohne weitere Vergleichung an den Ort knuͤpfen kann, müflen gleich beigegeben und mit eingehbt werden. Ob Diefelben an fich behaltlich find, kann ber Lehrer bald ‚merken.

5) Diefelbe Hebung werde nun bei jedem einzelnen Lande an dem Handatlas des Schülers fortgefebt. Der Schäler muß bier bei Nennung der Städtenamen jebesmal auf das Pünktchen berfelben hinmweifen. Da der Lehrer hierbei das Lehrbuch zur Hand nehmen kann: fo Tann er fchon um fo Teichter folche Merkwürdigkeiten einflechten, Die felten vors tommen, ober mit dem Ganzen in weniger Zufammenhang ſtehen. Diefe koͤnnten im kehrbuch durch Sperrſchrift aus⸗ gezeichnet werden.

6) Darauf muß der Schüler bie Charte des Haupts Iandes aus dem Kopfe zeichnen, und der Lehrer wird Das durch unterfuchen können, ob die Namen und Die Lage der Gegenftände gehörig aufgefaßt fein, und er nun weiter fchreiten koͤnne. |

D Endlich folgt die umftändliche Behandlung der Merk⸗ würdigfeiten. Hier werben unter andern folgende Fragen beantwortet: Welche Volfsftämme wohnen in diefen Laͤn⸗ dern? Was haben- fie in ihrem Körperbau, in ihren Sitten, Gebräuchen, Anfichten , Beftrebungen mit einander gemein, und wodurd) unterfcheiden fie ſich auffallend darin? Wo herrfcht hier die meifte, wo bie geringite Bildung, Kraft, Baterlandsliebe, Treue ꝛc.? Wo fteht der Kunftfleiß am höchften, wo am niedrigften? Wo hat der Menfch am meis ften für den Menfchen in Rüdficht auf Kunſt, Wiffenfchaft, auf Verhütung oder Linderung der Armuth und des Uns gluͤcks geſorgt? In welchem Verhaͤltniß fteht die Öröße und

Al

die Bewohnerzahl Diefer einzelnen Länder und ihrer Städte?

Was haben diefe Länder vor unfrem Lande voraus? In

welchen Dingen ftehen fie dem unfrigen nach? Welches muͤſ⸗

ſen wir von ihnen nachahmen, vor welchem uns huͤten?

Sind Handelsverbindungen mit ihnen moͤglich; und was

koͤnnten wir bringen, was holen? Wo iſt dieſes und jenes

Produkt am haͤufigſten, am beſten? Wo iſt das Klima am

angenehmſten, wo die Gegend am geſundeſten, am unge⸗

ſundeſten, und welche Schutz mittel gebraucht der Menſch in der letztern?

Dieſe und alle diejenigen Fragen, welche in der Natur und in dem Zwecke des Geographieunterrichtes liegen, muß das Lehrbuch moͤglichſt angenehm und behaltlich zu geben ſuchen, und der Lehrer kann daſſelbe dann vorleſen, naͤher anpaſſen und durchfragen.

Ich fuͤge dem Geſagten noch einige Bemerkungen hinzu. a) Man ſuche baldmoͤglichſt alle Namen dem Gedaͤchtniſſe

der Schuͤler zu erhalten. Dieſes iſt auch nicht ſchwer,

wenn der Curſus feſtbegraͤnzt und nicht zu groß iſt.

Es laſſen ſich dann die Staͤdtenamen ꝛc. eines ganzen

Welttheiles in weniger als einer Viertelſtunde, und

ohne Hinzeigung auf dieſelben in weniger als fuͤnf Mi⸗

nuten wiederholen.

b) Der Lehrer kann mitunter beim Einuͤben der Namen ıc. die kleineren befannten Affociationsmittel, als folche, bie von der Figur des Landes, von der Lage ber Dins ge, den Anfangs » oder Endbuchitaben und anderen Aehnlichkeiten. der Dinge 2c. herrühren, mit Nuben Ges brauch machen, wie 3. 3. Stalien ein Stiefel, Alaska ein Halbftiefel der Bei in Tunis ſitzt zwifchen den beiden Dei in Tripolis und Algier, Si und G = Sihon oder Sararted und Gihon . ober Drus ıc.

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6% Wenn unfer Eurfus auf fünf Jahre feftgefebt: iſt: fo kann das lebte Sahr zur Wieberholang bed Ganzen - angewendet werden. Es kann auch dann manche höhere Anſicht über dad Frühere, die ber: jüngere Knabe nicht ‚gang zu faffer vermochte, um fo umftänblicher vor⸗ kommen. »Vorzuͤgliche Merkwürdigkeiten geben das beſte Material zur Bearbeitung ſchriftlicher Auffaͤtze her. e) Sind die Schüler für Gewinnung einer hoͤheren Anſicht in der Geographie noch zu jung, und ſollen fie den⸗ =. och in dieſer Wiffenfchaft unterrichtet werden: fo gebe ich dent Lehrer den Rath, fi in den erſtern Jahren - bauptfächlic nur an deu einfachen Typus zu halten, und ſpaͤterhin denfelben weiter auszuarbeiten. Jedoch darf er nicht bloß Namen mit ihnen auswendig ler⸗ nen, weit die Schüler fich dann an ein todtes Memo⸗ riren und an ein bloßes Angaffen der Charte gewoͤh⸗ nen wuͤrden.

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C) Lehrmittel,

Obgleich; von diefen ſchon im Allgemeinen bereits Mans ches geſagt werden mußte: ſo verdienen dieſelben doch noch naͤhere Beruͤckſichtigung. Es wird denn hier noch beſonders von Buͤchern, Charten und andern Verſinnlichungsmitteln die Rede ſein.

a) Eigenſchaften des Lehrbuches. Nimmt man einen fuͤnfjaͤhrigen Curſus zu woͤchentlich drei Stunden an: ſo muß jeder fremde Welttheil in einem halben Jahre abſolvirt werden; fuͤr Europa, ſo wie fuͤr das Vaterland, bliebe dann Ein Jahr, und das letzte Jahr ges hörte der Wiederholung des Ganzen. Dürfen wir nun auf Einuͤbung der Städtenamen nur. ein Drittel der Zeit vers wenden: fo müffen Die Namen der Städte von jedem frems

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den Welttheif in fieben, von Europa, fo wie von Deutfchs land, in vierzehn Wochen gelernt werden koͤnnen, und wir dürfen deswegen auf jebes Halbjahr nicht mehr als etwa 150 Städtenamen rechnen. Mit 300 Städtenamen von Deutfchland, und mit einer gleichen Zahl von dem übrigen Europa kann man auch ausfommen. Manchem wird diefe Ausbeute von 1000 Städtes und etwa 500 bis 600 Pros vinzs und Ländernamen, fo wie auch etwa 400 bis 500 Namen von Fläffen und Bergen ald zu geringe erſcheinen; indeffen koͤnnen dieſe 2000 Licht⸗ und Haltpunfte, wenn fie dem Gedächtnifje feit eingeprägt find, hinreichend fein, ein ziemlich treues Gemälde von ber Erde, ihren Hauptgebirgss zügen, ihren fruchtbaren oder dden Ebenen ,. deren Erzeugs niffen, Bewohnern ıc. auffaflen zu Faflen, und fo den Haupts zwed des Geographieunterrichtes zu erreichen. Sa, ich wüßte nicht, ob bei einem erweiterten Curſus noch mehr Namen dem Gedächtniffe eingeprägt werben müßten; wol aber bin ich der Meinung, daß alsdann die. Schilderung des Einzelnen noch ausführlicher und tiefer werben könnte, Alles Lernen muß dem Hauptzwed der Erziehung, nämlich der Humanität, näher bringen; und dann erfcheint eine Nomen Hatur immer nur als ein Mittel, welches bloß durch forgs fältige Ausführung und Anwendung Werth erhält. Da man ferner an eine Provinz in der Regel mehr Inüpfen fann, als an eine Stadt: fo häufe man dort, wo Diefes der Fall ift, Lieber die Namen der Provinzen, als die ber Städte in denfelben; und es ift darum wol nicht zwedmäßig, wenn wir in Schweden, Unteritalien, Ungarn rc. auf den beften Schularten nur Staͤdte, und ſelbſt unbedentende, ftatt Angabe der Provinzen, finden. Da, wo nur die Haupts ftädte der Provinzen angegeben werben, uͤbe man lieber bie Provinzen ſelbſt vhyrhmifch ein, wie 3. 3. bei Boͤhmen, Rußland, Spanien, den vereinigten Staaten, bei Mexilo, q © .

Wen, Brafifien bei Rigritien, Abeſſinien, der Morgolei, Oſtindien ꝛc.

Um die Wiederholung des Gelernten zu erleichtern Unni⸗ der Schuͤler ein gedrucktes Heftchen, das dieſe 2000 Namen nach Lage und Rhythums geordnet enthielte, bei ſich fuͤhren.

Uebrigens gibt die feſte Beſtimmung des Curſes, und der Gedanken mit gehoͤriger Leichtigkeit das Ganze vollen⸗ den zu koͤnnen, dem Lehrer und dem Schuͤler Sicherheit, Muth und Kraft; darum muß auch das Lehrbuch nichts ent⸗ halten, was nicht zu dieſem Curſus gehoͤrt. Es iſt dann auch nicht nothwendig, daß der Lehrer ſelbſt noch mehr aus der Geographie wiſſe; denn er duͤrfte es dennoch nicht an⸗ bringen. Verlangte man das aber nur in einiger Ruͤckſicht, ſo laͤge in dieſer Foderung ein Tadel , der das kehrbuch traͤfe.

D Für jedes Hauptland müůßte der Schůler felbſt eine Gebirgs⸗ und Flußcharte haben. Das Lehrbuch müßte nun diefe Charte für einen Zeitraum von 7 oder 14 Wochen ers Hären: müßte die Namen ber Hauptgebirgszüge, wie Die der Flüffe und Seen, rhythmifch aufzählen; müßte dann eine Schilderung ber Berge, Höhlen, Thäler, Seen, Flüffe, fruchtbarer und oͤder Gegenden ıc., in Leichtem, aber fchds nem Stile gefchrieben, beifügen, und dadurch überhaupt ber innern Anfchauung bed Hauptlandes, fo wie ber Erlernung dieſes Theiles der phyfifchen Geographie, mit Sinnigfeit und Lebendigkeit, in tiefer Kenntniß ber Sache und fieter Vers gleichung des Einzelnen, zu Hülfe fommen.

3) Den politifchen Theil müßte das Lehrbuch gerabe fo abhanbeln, wie bad Memorienbuch. Solche Merkwuͤrdig⸗ feiten der Provinzen und Städte, Die weniger zur allgemeis nen Bergleichung gehören, oder die fich behaltlich an ben Namen der Stadt ıc. anknüpfen ließen, müßten mit nöthis

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ger Ausführlichkeit. beigegeben werden. Dadurch entfländen auch in dem politifchen Theile einzelne befondere Licht- und Haltpunfte für Phantafle und Atfociation. In dem Memo: rienbuche müßten nur einzelne Wörter an folche Schildes- rungen und Erzählungen erinnern. Dadurch, daß man Pors trait's der Art mit der erftern Charte in Berbindung brädhte, würde Kunft und Natur, Menfchliches und Göttliches, Phys fifches und Politifches,: Allgemeines und Einzelnes ſich ans genehm in der Phantafie des kehrers und des Schůlers ver⸗ maͤhlen.

4) Was nun die Behandlung der Mertwindigkeiten be trifft fo ift in dem vorigen fhon manche Andeutung vors gekommen; ich will denfelben noch einige hinzufügen. Es darf auch hierin das Lehrbuch nicht mehr geben, als man für einen halbjaͤhrigen Eurfus in 7. Wochen Iehren und wies derholen kann. Im Durchfchnitt möchte der Lehrer dieſel⸗ ben am beften vorlefen; er hat dann Gelegenheit, alles fchön, beftimmt und auf einen Zweck hinzielend zu lehren, das Gelehrte anzupreifen und anzupaffen, und fich felbft für eine höhere Anficht zu gewinnen. Mancher wirb hier meine geringe Anfoderung an den Lehrer tadeln; aber ich denke, bei Keftftellung einer Methode muß man den Lehrer nehmen, wie er ift, auch an die beften Feine übertriebene Anfode⸗ rungen machen, und dagegen die Sıhwierigfeiten, fo viel ald möglich, den Berfaffern der Lehrbücher zu befeitigen ges ben. Dann werden die Lehrbicher nicht wie Pilze aus der Erde wachen; fondern wir werden auf die Produfte fol⸗ cher Männer harren müffen, bie den Gegenftand als Wifs fenfchaft in allen Theilen auffaffen, und die dabei eine Reihe von Jahren felbft unterrichtet, und alfo felbft viele Erfahs rungen gemacht haben. Solche Männer gibt es in jedem Face; man ſuche fie nur auf, und nehme dankbar das Ges fchent aus ihren Händen. Seitdem aber Geber, der nur

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die noͤthigen Derter zu kennen glaubt, ſich im Stande fuͤhlt für Schulen zu ſchreiben; ſeitdem wird das gute Lehrbuch nicht allgemein genug geachtet, und dem Manne von tiefs fter Einficht umd mehrfter Erfahrung fehlt die nöthige Ers munterung fehlt die allgemeine Anerkennung feiner Ders dDienfte. Wer ein Lehrbuch der Geographie fchreiben will, beherzige alle Zwecke, und lege in feinen Curſus alles hinein, was er zu erreichen wuͤnſcht. Wer das nicht auf bie rechte Art verfteht, Taffe feine Hände von einem Werk, Das er nicht verfteht; der werde Schüler, werfe ſich aber nicht zum Meifter fo Vieler auf, bie ihn. vieleicht bei weitem Äberfchen. —_

Der Berfaffer diefes Lehrbuches muß nach meiner Ans ficht ſtets Beförderung der Naturs und Menfchenfenntniß, der Naturs und Menfchenwärdigung vor Augen haben. Das Ganze diefer Merfwürdigfeitsfammlung gebe nicht eine er⸗ bärmliche Nomenklatur, nein, eine innere Anfchauung von dem Iſop, der an der Wand wählt, bid zur Geber bes Lis banon, vom Sonnenftäubchen bis zum Dawalagiri, von ber Milbe bis zum Elephanten, vom Tropfen am Eimer bis zum Dcean, von dem Päfcheräh, dem Neufeeländer, dem Gretin bis zum Leibnitz, Kant und Apollo, von dem Fetifchdienft und der Schamanreligion bis auf ein wahres Ehriftenthum, vom Hebel bis auf die Dampfmafchine, vom erften Waarentauſch bis auf den Seehandel, von der Wins terjurte bis zur Peterskirche und den zerftdrten Pallaͤſten und Tempeln zu Palmyra und Athen, vom geringften Als mofen bis zu den vorzäglichften Anftalten zur Pflege, Ber forgung, Bildung ded Menfchen, vom Zweikampf bis zur Voͤlkerſchlacht; alles in feinen Schattirungen nadı dem ganzen Zwed der Wiſſenſchaft, von der unterften Tiefe, bis zur hoͤchſten Höhe bie zum Weltenfchöpfer, zum Wel⸗ tenregenten. Wären ed bie Namen der Cinzeldinge, Die

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bier Tennen ‚gelernt werben müßten: fo wäre die Foderung zu hoch geftelft. Nein, nicht: jede innere -Anfchauung feßt: eine Nomenklatur, genaue Kenntniß bed Einzelnen: voraus; das Gemüth, der höchite Verſtand, beharf nur einiger Halte: und Lichtpunfte, und es wird ficher durch das Univerſum geführt durch Deutungen ber: Gemuͤthskraft höherer Geiſter!

by») Eigenfhaften des Memorienbuches.

1) Dieſes enthalte ſammtliche Namen der Gegenftände, die im Lehrbuch vorfommen, und rhythmiſch auswendig ger fernt werben müffen; übrigens aber fei es ein gedtängter Auszug des Lehrbuches, und vertrete bie Stelle des Dikta⸗ tes. Will ſich der Schuͤler auch das Lehrbuch anſchaffen, ſo mag ihm der Gebrauch deſſelben zu Hauſe verſtattet werden.

2) Die Zahl der Inwohner werbe durch eine runde Zahl der Taufenden beigegeben, wie Barmen 26 = 26000.

3) Die richtige Ausfprache der Namen muß, wo möge lich, allenthalben angegeben werden, wie Cairo ( _), Sa⸗ ratow (—). Werden Buchſtaben oder Silben anders wie gewöhnlich ausgefprochen, fo könnte man ſolches am Rande bemerken, wie in Spanien x= ch. Man make damit nur den Anfang, und bald wird es vollftändiger werben, wenn Seder das beigibt, was er mit Zuverläßigfeit weiß.

4) E8 möchte ebenfalls näglich fein, wenn auch. das Memorienbuch die einzelnen Aſſociationsmittel beigaͤbe, wie Aetna in Sicilien = As.

5) Von dem Auszuge diefes Memorienbuches it ſchon die Rede geweſen.

c) Produktenbuͤchlein.

In dem Lehrbuche koͤnnen die Produkte nicht vollſtaͤu⸗ dig abgehandelt werden; darum bliebe es wuͤnſchenswerth, dem Schuͤler ein Buͤchlein in die Haͤnde zu geben, das in

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eblem Teichten Stil gefchrieben, die hauptfächlichiten Pros dukte der Erbe in alphabetifcher Ordnung abhandelte. Dies ſes Büchlein muͤßte die Produkte befchreiben, Die Breiten⸗ grabe angeben, zwifchen welchen diefelben gefunden werben, müßte die Landftriche nennen, in denen diefelben am. häus figften am beften find, von ihrer Pflege, Gewinnung, Vers arbeitung ıc. ein Mehreres fagen oder nachweifen ıc. Die Einleitung hierzu könnte die Einzelheiten unter allgemeine Gefichtöpuntte ftellen, und den Schüler auf einen höheren Standpunkt erheben, bamit derfelde in dem Ganzen eine tiefere Deutung erkenne, als dieſes gewöhnlich gefchieht. Diefed Buch koͤnnte mit dem Eurfus der Naturgefchichte in Verbindung fichen. Wo die Befchreibung bes Einzelnen nicht ausreicht, muͤßte durch einfache Zeichnung nachgehols fen werben.

d) Voͤl kerbuch.

Der Geographieunterricht kann ſich nicht auf umſtaͤnd⸗ liche Beſchreibung der Sitten, Gebraͤuche ꝛc. der verſchiede⸗ nen Voͤlker einlaſſen; er muß die Bekanntmachung mit dem⸗ ſelben dem haͤuslichen Fleiße uͤberlaſſen.

Dieſes Buch koͤnnte die Hauptracen der Menſchen und ihren verſchiedenen Grad der Cultur in ſcharfer Scheidung neben einander ſtellen; koͤnnte dann die Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten der Voͤlker ein und derſelben Zone aufſu⸗ chen, und dieſelben zu dem Ende aus verſchiedenen Geſichts⸗ punkten vergleichend betrachten, wie in Ruͤckſicht auf Nah⸗ rung, Wohnung, Kleidung, Beſchaͤftigung, Vertheidigung, Verfaſſung, Religion ıc. und dann die Beſchreibung der eins zelnen Voͤlkerſchaften dieſer Zone folgen. laſſen. Beſſer nody ginge vielleicht die Befchreibung bes Einzelnenvoraus, und das Allgemeine, das Refultat der Bergleichung folgte dann ur Wiederholung und zur Führung auf höhere Anfichten

UI

nach. Das Voͤlkerbuch hätte demnach: mit dem gehrbuche gleichen Zweck, und unterfchiede fich. von biefem nur durch weitläuftigere Auseinanderfeßung: des Einzelnen. Was die Form des Vortrags betrifft, fo. möchte hier,. der Anfchaus Tichfeit wegen, der Briefftil jeder andern Form vorzuzie⸗ hen ſein. e) Eigenfhaften ber Eharten. aa, Bon den Wandcharten.

1) Sede Charte muß mit dem Memoriens und kehr⸗ buche, die nach feſten Grundſaͤtzen angefertigt ſind, im ge⸗ naueſten Verhaͤltniſſe ſtehen. Sie muß zum wenigſten ſaͤmmt⸗ liche Namen bekannter Provinzen, Staͤdte ꝛc., die im Me⸗ morienbuche angegeben ſind, alſo einen in ſich abgegraͤnzten Eurfus enthalten.

2) Da die Länder moͤglichſt wenig verzerrt erſcheinen muͤſſen, ſo bedarf man von jedem der Laͤnder: Deutſchland, Europa, Afrika, Aſien, Auſtralien Eine, und von Amerika zwei beſondere, alſo im Ganzen ſieben Wandcharten.

3) Jede Charte muß ſo groß ſein, daß der Lehrer je⸗ den zum Curſus gehoͤrigen Gegenſtand auf eine Entfernung von 5 Fuß deutlich erfennen, und daß der Schüler die Form der Provinzen, die. Punkte. der Städte, die Inſeln, Seen, Öebirgszüge und Kuppen ıc. in einer Entfernung von 24 Fuß gehörig. unterfcheiden kann, Die Charte eines fremden Welttheiles muß fo groß fein, daß .fie, wo möge lich, alled Bekannte der Länder enthalte; nur muß jeber Gegenftand, der nicht zum Curſus gehört, durch Kleine Schrift, die auf einen Fuß Entfernung gelefen werben kann, oder durch Mattheit der Zeichnung zurücktreten. Auf dieſe Art erfüllt fie alle Anfoderungen ver. Schule und ber zer ſenſchaft.

4) Die Namen aller im Curſus vorkommenden. Gegen⸗ flände werden in ftehender Schrift angegeben. Voͤlkerna⸗

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men muͤſſen in ſtehen der Sperrichrift bie größte Ausdeh⸗ nung bed Landes berfelben in der Richtung von Weſten nad Dften oder Norboften einnehmen.

5) Wäre die Bildungsftufe der Voͤlker in bem Lehrs buche durch Zahlen angegeben und feftgefebt worden: fo koͤnnte Die Charte diefe durch eine Zahl, fo wie auch andere befondere Eigenfchaften durch einen, einmal bazu feitgefebten, Anfangsbuchftaben ausdrücken. Selten vortommende Pros dukte Fönnte man dort, wo biefelben vorgefunden werben, angeben, ald edle Metalle ıc., wo man biefelbe nicht vers muthet, 200° hohe Bäume ıc. Kerner koͤnnte der Kuͤnſtler eine der wichtigften Seefahrten, den Oſtſtrom, flärmifche Gegenden, Klarheit ober Farbe des Waflerd, winbftille Gegenden, die merfwürbigften Sandbaͤnke, Untiefen ıc. ber Meere, die ausgezeichnete Tiefe mancher Seen, bie Höhe der höchften Bergfuppen, bie wichtigſten Waflerfälle, Hoͤh⸗ Ien und andere ausgezeichnete Merkwürdigkeiten in Linien, Umriß, Zeichen, Schrift oder Zahl bemerken. Iſt die Charte groß genug, fo fürchte man feine Ueberladung, ba weber Memoriens noch Lehrbuch überladen barf.

6) Die Punkte (nicht Nüllchen) der Städtelage werben tief gravirt, alfo mit Schwärze ausgefüllt, aber nur fo groß gemacht Cetwa 2, Linien), daß fie in gehöriger Ent⸗ fernung von den Schülern deutlich gefehen werben koͤnnen. Zu große ‚Punkte würden, ohne Roth, der Eharte bie Schönheit benehmen. Die Zahl der Inwohner wird in Tau⸗ fenden beigefchrieben, wie Cairo 250. Für Feſtungen, Häs fen, Hauptfiädte der Provinz muß man Zeichen wählen, die dem Lehrer in ber Entfernung von 5 Fuß erfennbar find. Die Namen der Provinzen müffen, wo möglich, beis gefchrieben werden, oder die Eharte muß fie durch ein . Zeichen, das auch das Memorienbuch enthält, verſtaͤndlich

machen. ' a

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7) Der Umriß des Hauptlandes muß burdy fcharfe, alfo auf den Stein tief eingegrabene Begränzung und durch allmählig fchwächer werdende Berwafchung hervorgehoben werden; SInfeln an der Küfte muͤſſen dadurch und durch Ausfparen der VBerwafchung deutlich hervortreten. Ueber⸗ haupt gilt diefes von allen Begränzungen der Snfeln, Inſel⸗ gruppen, Seen, Provinzen und Ländern, die zum Curſus gehören. | 8) Die Hauptgebirgszäge werben ſtark herworgehoben, die GSeitenzweige aber und die Verbreitung ber ‚Gebirge werben fchwach gehalten. Man bleibt dadurd, der Natur doch ziemlich treu; denn bie hoͤchſten Gebirge find in ber Pegel auch bie fteilften. Da, wo die Gebirgszeichnung dun⸗ fel wird, mäffen erft die Namen und Zeichen der Gegen ftände eingefchrieben werden, und man kann dann die Ges birgszeichnung ausfparen. Da, wo das Gebirge die Fläche verdunfeln follte, muß der Lehrer die Namen der Städte ıc, um fo genauer. Tennen. zu lernen ſuchen. Gelbft das Mer morienbuch kann auf dieſe befonders aufmerffam machen. Uebrigens richte man fich nach der Beleuchtung der Lchs mann’fchen Theorie. Daß die Gebirgsnamen eben fo wes nig, als die Namen der höchiten Kuppen fehlen dürfen, verfteht fich von felbit, wenn man den Grundfaß feithält: „Daß der Schüler feine Geographie hauptfäd- lih an und von der Charte lernen müffe”

9) Die Flüffe werden im Allgemeinen möglichft in nas turgemaͤßem Berhältniß gezeichnet; jeboch werben die zum Curſus gehörigen als die wichtigften etwas breiter, und bes fonders durch Schärfe der Linien und Schwärze ber Aus⸗ füllung hervorgehoben.. Ueberhaupt beachte man den Grund» faß, Daß alles dasjenige, was nicht zum Eurfus gehört, möglichft wenig ſtoͤren mäffe; daß der Schüler aber beim Rahetreten an bie Eharte ein

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moͤglichſt vollftändiges Bild des Landes erblis den, und bie Schönheit und verfländige Eim richtung derCharteihm Ehrfurcht vor dem Kuͤnſt ler und vor der Wiſſenſchaft einfloͤßen ſolle. Die Namen dieſer Hauptfluͤſſe muͤſſen fo oft beigefchries ben werben, als es erfoderlich ift, die Quellen derfelben zu finden. Iſt die Länge folcher Fluͤſſe bekaunt, fo wird diefelbe in geographifchen Meilen demjenigen Namen. des Kluffes beigefchrieben, der dem Ausfluffe deffelben am naͤch⸗ ften fteht. Ueberhaupt muß der Lehrer felbft dann nicht in Berlegenheit kommen, wenn ihm der Gurfus noch nicht ganz In feinen einzelnen Theilen befannt if. Man kann da wol Anfoderungen an ben Lehrer machen; aber diefelben. wers den feltener erfüllt, wenn man den. Anfodberungen nicht bie beiten und bequemftien Mittel zur Seite ftellt; denn man muß fich nicht immer Lehrer denken, die ein gutes Gedaͤcht⸗ niß, und Weihe, und Kenntniß in der Wiffenfchaft in ſich mit einander verbinden. Viele Lehrer unterrichten in biefem Gegenftande, weil fie muͤſſen, und das laͤßt fich fehr oft nicht ändern. Wird diefer Gegenftand nun folchen Lehrern feicht, lernen fie, indem file Ichren, fo kann bie Luft Dazu allmählig fich in ihnen entwideln. Die unwürbigfte ftrengite Inſpektion Hilft hier weniger, ald das angegebene Mittel. 10) Bei der Eintheilung von Frankreich, England ıc. wäre es wol gut, zugleich auf die alte Eintheilung Ruͤckſicht zu nehmen, da diefe gar zu oft in Schriften vorfommt, und zu dem Enbe die Fleinern neuern Provinzen eines größern Altern Landes in deutlich werfchiedenen Schattirungen ein und berfelben Hauptfarbe angeben; z. B. Die Bretagne gelb, und ihre Deyartementer in auffallend verfchiedenem el. Bei der Türket könnte man vielleicht ganz die alte Eintheis - Iung beibehalten. Hier muͤſſen aber and; Memoriens und Lehrbuch vorgehen.

233 —.

11) Die Illumination der Charte muß geſchmackvoll fein; jedes Land muß ſich aber von den nebenliegenden aufs fallend, und jebe Provinz von den nebenliegenden auf 24° deutlich unterfcheiden. Ueberhaupt rathe ich da, wo Schoͤn⸗ heit und Deutlichfeit in Streit fommen, die Deutlichfeit nicht zu fehr nachzufeßen. Der Künft lermuß dieſem Kunfts werte wahrhafte Schönheit, Deutlichkeit und Zwecmäßigs feit zugleich zu geben fuchen, und in Allem feine Achtung vor Kunft, Wiffenfchaft und Schule an den Zag legen. -.

AD Freilih mag ein tüchtiger Geographielehrer auch mit gewshnlichen guten harten ausreichen; aber man wirb mir doch beiftimmen müffen, daß Charten, wie ich dieſelben verlange, doch bei weitem zweckmaͤßiger find, und daß im Algemeinen ſolche Charten für Lehrer und Schüler ein aus Berordentliches Erleichterungsmittel fein müffen. Dann fehe ich auch nicht ein, warum bie Charten überhaupt nicht diefe Einrichtung erhalten koͤnnten. Die rothen Flecke, welche wir ftatt Diefer großgefchriebenen Namen und größern fchwar- zen Punkte auf den alten Charten finden, waren in der That nicht unzweckmaͤßig, indem fie ſchnell orientirten, und mit einemmale fefte Haltpunkte und Baſen gewinnen ließen. Ehemals konnte fchon ein ungeäbteres Auge fich raſch zus recht finden; jeßt kommt man oft mit aller Geübtheit zu furz. Und liegt denn nicht auch in der Zweckmaͤßigkeit, Leichtigkeit und Natärlichkeit die hoͤchſte Schönheit?

hb, Eigenfchaften des Handatlaffes. _

1) Der Handatlad enthalte alles dasjenige, was auf der Wandcharte zum Curſus gehoͤrt. Es muß demnach nichts auf diefen Eharten fichen, was der Schüler ſich ſchlechter⸗ Diugs nicht einprägen müßte. : Die. Länder muͤſſen eben fo iluminirt werben, wie auf der Wandcharte; kurz die Hanke. harte foll ein Theil der Wandcharte, aber im verjüngten

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Maaßſtabe, fein; fie muß jedoch alled das weglafien, wai nicht zum Curſus gehört.

2) Bon jedem Welttheile, mit Ausſchluß Auſtraliens, und Einfchluß Deutfchlande, muß wenigftend eine Fluß⸗ und Gebirgscharte beigegeben werben. Diefe muß der Kuͤnſtler mit befonderem Fleiße arbeiten; er muß in berfefben alle dasjenige, was zum Gurfus gehört, recht deutlich hervor

heben, und die einzelnen Länder durch fcharfe Gränzlinien |

angeben. Das Lehrbuch erhebt diefe Eharte zur inneren Anfchauung; aber die Charte muß diefes durch Zeichen aller Art, die das Lehrbuch Fennt, zu erleichtern ſuchen; bemm dem Schüler wird die Merkwuͤrdigkeit eined Punktes nod viel angenehmer, wenn er diefen auf feiner Charte ver zeichnet findet.

3) Eharten von verſchiedenen Projektionen werden nur zu ſelten gebraucht, und man muͤßte wenigſtens dieſe einzeln zum Atlas kaufen koͤnnen.

4) Sollte es den Anfichten der höchiten Regierungen nicht entgegen fein: fo wäre für jeden Schüler eine richtige fpecielle Charte der Vaterprovinz zu wünfchen.

f) Andere Berfinnlihungsmittel.

1) Höhendarftellung der in bem Curſus vor fommenden Gebirgsfuppen ber Erde.

In einem Rechte, das nach dem verjüngten Maaßſtabe etwa 30000’ hoch, und von 10 bis 15 Parallelen durchſchnit⸗ ten ift, Eönnte die Höhe jeder Kuppe in einer gewiflen Reis henfolge durch eine fehr breite fenfrechte Linie ausgedrückt wer⸗ den, an deren oberftiem Punkte der Namen und die Höhe ders felben angegeben wäre. Am Fußpunkte ber Linie koͤnnte dann die geographifche Ortöbeftimmung und ber Namen der Provinz ftehen, in welcher die Kuppe liegt. Diefe Darftellungsart {ft freilich nicht ſchoͤn, aber fle iſt deutlich und fehr Leicht zu überfehen. |

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2) Längendarftellung der Fluͤſſe.

Ganz auf ähnliche Art, wie die vorige, nur mit bem Unterfchiede, daß die Längenlinien horizontal und fchlangens förmig fein müßten. Am beften ftänden die Namen, ſon wie auch die Laͤngenzahlen, unter einander.

3 und 4) Eine Voͤlker⸗ und Produktencharte, wie fote gewöhnlich eingerichtet find.

Diefe Verſi nnlihungsmittel müßten ein Cigenthum der Schule und in nicht zu kleinem Maaßſtabe angefers tigt fein.

D) Bemerfungen.

1) Was die alte Gengraphie betrifft, fo kann das er wähnte Lehrbuch bei Angabe der Namen von Ländern und Provinzen auch wo noͤthig die alten Namen: derfelben er- wähnen, und manche zerftörte, aber berühmte alte Stadt, welche die Charte mit einem Krenz verfehen kann, mag als Licht» und Haltpunkt zur Charafterifirung des Landes dienen: Befonders müßte man die wichtigften alten Provinzen Deutſchlands nicht vergeffen. Die alte Geographie wird in der Regel mit der alten Gefchichte und beim Lefen ber Al ten durchgenommen, und da möchte Die Idee der Laͤnderzu⸗ fammenftellung des Herren Gonfiftorialraths Kohlrauſch und des Herrn Divifionsprebigers Möller in Münfter, ausge führt von einem wirflihen Künftler, fehr zu em⸗ pfehlen fein. |

D Die mathematifche und phyfifche Geographie müßte in einem befonderen Curſus von wenigftens einem Sahre in wöchentlich, vier Stunden gelehrt werben... Am beften kommt diefer Gegenftand in einer Claſſe vor, in welcher der ges wöhnliche Geographieunterricht ſchon abfolvirt if. Dem Schüler müßte man hierbei ein Büchlein in die Hand geben, das .die Stelle des Diktates verträte, und für den Lehrer müßte in einem Lehrbuche jeber der in dem Auszuge kurz

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angagebeuen Säte ausführlich dargeſtellt ſein. Wäre irgend einem. Buche Klarheit und: Zaplichkeit der Darſtellung zu müpfchen; eignete ſich irgend ein. Buch dazu, den jungen Menfchen felbitthätig ſtufenweiſe weiter und in. bie Natur hineinzufähren: fo wäre es dieſes Buch. Der Lehrer koͤnnte anfänglich jede Hauptabtheilung frei Ichren, und hätte das bei nur den Auszug als Leitfaden noͤthig. Zur Wiederhos lung aber und zur Ergaͤnzung ſeines Unterrichtes koͤnnte er dann das Vorhandene aus dem Lehrbuche langſam und bes fprechend vorlefen. Wäre er endlich fo weit gefommen, daß er das ganze Material mit eben der Klarheit und Faßlidy fest, mit eben der Weckung felbfithätiger Kraft. und Bors ſtellung frei vortragen koͤnnte: fo koͤnnte dieſer Mann feinen Schülern das Lehrbuch, flatt des Auszuges, in Die Hände geben. | Die noͤthigen geometrifchen Lehrfäge müßten im Lehr, buche mit einem .Anhange umftändlich erörtert werden; tris gonometrifche Formeln aber und Gleichungen müßte man, wo möglich, weglaſſen, und wo diefes nicht wohl anginge, dieſelben in ausführlichen Anmerkungen beigebenz; denn ich bin überzeugt, daß wenige Säße der Art, wo der Lehrer ſelbſt feftfährt, dem Gebrauche eines folchen Buches für ims mer Die größten Hinderniffe in den Weg legen. Die Säße mögen beffer, als gemeinnügig, den Lehrbüchern der Mas thematif beigefellt werben, die ohnehin eine andere Einrich⸗ tung erhalten müffen, wenn das Studium der Mathematik auch in: feinen Elementen mehr anziehen und näten fol, als dieſes gewoͤhnlich gefchieht. *)

2) Sch will die Theorie darum nicht zur Praxis machen; aber ich „glaube doch, daß‘ ber Deutiche ben praktiſchen Kopf nicht fo ſehr entwickelt, als der Franzoſe. Es ift nämlich noch die große Frage, ob. fi) das Nachdenken über praftifche Anwendung mehr in dem

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Welch ein herrliches Ganze könnte ein tüchtiger umſich⸗ tiger Lehrer liefern, wenn er Maltebruͤn's mathematifche Geos graphie, Bode's Weltſyſtem, Kant's phyfifhe Geographie und Froriep’s Zeitfchrift für Naturwiffenfchaft u. ſ. w. Bes nußte; wenn er aus diefem Allen Das Bortrefflichfte, Bes

Menfchen entwidelt, wenn er nur bier und dort Einzelnes gewahs ven kann, und gleich auf praftifche Anwendung des Exlernten ger führt wird, ober da, wo ihm ein ungeheuer großes Feld eröffnet worben if. Und, wenn bie Beantwortung biefer Frage gegen meine Grwartung auöfieles gelangt denn jeder Schüler einer höhes ren Lehranftalt fo weit, daß er die Theorie beendet, unb ihm das Feld des Praktiſchen eröffnet wird? Wer Eönnte der Mathemar tie die hohe Bildensfähigkeit des Menſchen abfprechen? ber ich glaube doch, daß fie, bloß als Logifche Formel benugt, bei weis tem nicht ihre ganze Bilbenskraft auf den menfchlichen Geift aus: übt, wie wenn fie gleich auch nur in Einzelheiten hier und da ans gewendet würde. Man verwerfe biefe Anſicht nicht oberflächlich betrachte den franzöfifchen praktifchen Mathematiker, und vente mit nach, auf welche Art unfren Lehrbuͤchern ber Mathematik noch mehr Bildenskraft gegeben werde. Seit Peftalogzi haben wir angefangen, unfre Theorie, ich möchte jagen, wie eine Praris zu behandeln, und haben dadurch große Fortſchritte gemacht; benn es iſt dadurch mehr Selbftthätigkeit des Geiftes in den Unterricht getreten. Könne ten wir bas Auffindende in dieſer Methobe nicht beibehalten, ja recht herausfehren, und flatt mancher Bafeleien nicht Praktiſches nehmen? Der Schüler hätte dann einen Sag mit aufgefunden, und die aufgefundene Formel müßte er dann auch weiterhin, wenn auch nur in etwa, anzuwenden angeleitet werden. Haben wir es zeither unter anderem nicht eben ſe mit bem Zeichnen gehalten? und machen wir es größtentheils nicht noch mit der Erlernung der Muts terſprache fo? Endlich hat man eingefeben, baß das ewige Rad: geichnen zu feinem orbentlichen Refultate führt, und dringt nun’auf

Naturzeichnen, auf's freie Handzeichnen! Wie lange wird es noch waͤhren, bis man die Sprache felbſt, rate! der bloßen Spradivegein lehrt ?

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haltlichite auswählte, Alles wie im Lehrbuche der Geogras phiel, iunter Bergleichungen auf das Hoͤchſte zier lend'‘, unter allgemeinen Gefihtspunften zus fammenftellte! Wahrlich, bier ift noch Derdienft au erwerben !

3) Bon wen kann Deutfchland nun ſolche Charten unb folche Lehrbücher erwarten?

Ohne vielen trefflichen Männern zu nahe zu treten, nenne ich in Ruͤckſicht auf Chartenzeichnung drei mir befannte Männer, die durch wahrhaftes Kunfttalent, durch innige Hochachtung vor diefer Wiffenfchaft und tiefe Einficht in diefen Gegenftand ſich auszeichnen. Diefe Männer find: ber Herr General Major Rühle von Lilienftern der Herr Profeffor Berghaus, beide in Berlin, und der Herr Artillerie = Hauptmann Richter in Mainz. Wer kennt den fchönen Ruͤhle'ſchen Atlas, und erkennt nicht dankbar Die hohe Gemeinnügigfeit, mit welcher dieſes Kunftproduft fo wohlfeil den Schulen hingegeben wird! Wer fennt nicht Die ausgezeichnet fchönen Charten, die Herr Profeflor Berghaus uns gefchenkt hat! In der That, wir ftehen Frankreich in Ghartenzeichnung nunmehr nicht nach, wenn ich felbft den vollendeten Schlieben nicht mit einrechne. |

Herr Hauptmann Richter aber berechtigt und zu berfels ben Hoffnung. Nicht, weil er uns fchon mit geftochenen Schularten bereichert hat, fondern weil berfelbe bei ers mwähnten Eigenfchaften fich bereit fühlt, Muße und Kraft aufzubieten, um uns mit. den beiten Wandcharten ıc. zu bes fihenfen. Eine Eharte von Afrifa und eine von Deutfch- Fand, beide von etwa 7 Fuß Höhe, find bereitd von ihm angefangen, und ſollen nach den beſten Huͤlfsquellen, die ihm zu Gebote ſtehen, nach den ‚aufgeftellten oder. noch nach fefteren und befferen Anfichten fobald vollendet wers den, als die Feſtſtellung diefer Anficht und die nöthige Ers

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munterung von Seiten der Geographielehrer ıc. erfolgt fein wird. Möchte ed dann. auch den eriteren Männern gefals Ien, die Schulen fernerhin mit vorzüglichen Eharten zu bes fchenfen ! | | |

Was nun bie Feftflellung der Anfichten und Die Ans fertigung ber Lehrbücher betrifft: fo richte ich meine Hoffe nung auf Geographielehrer, welche ihre Wiffenfchaft in wars mer Bruft tragen, und, ohne alles niedere Intereffe, ihr Aus genmerf auf Vervollkommnung bes Unterrichtes lenken und darum befonderd auf einen Mann, der feit einer langen Reihe von Sahren in der Erbfunde rühmlichft unterrichtet, und als Schriftiteller in diefer Wiflenfchaft zu Denen des ers ften Ranges gehört; dem feit langen Jahren faſt jede vors zügliche Charte, jede vorzägliche Anficht von diefer Wiffens fchaft vor Augen gekommen, und der das Gutfcheinende uns terfuchen und erproben mußte; ber einem Ritter ben Geift der Erdfunde einhauchte, und durch deſſen Thätigfeit ein großer Theil Deutfchlanpg in der Pädagogik fortfchritt ich meine wer wüßte es nicht fhon? ben ehrwuͤrdi⸗ gen Herrn Hofrath Guts⸗Muths, der noch jett als Greig, mit jugendlicher Kraft und mit den trefflichiten Werfen bes fohenft, und dem auch ich bie meiften meiner hier audges Iprochenen Ideen verdanke.

4) Sch wage und wüßte auch an dem Lehrbuche dieſes Meifters nichts zu tadeln; aber ich möchte fo gerne den großen Eurfus, zu welchen wöchentlich wenigftens ſechs Stunden gehören, auf einen Eurfus von wöchentlich drei Stunden in leichter, anziehender Darftellung reducirt wiſ⸗ fen, ohne darum zu viel für die Schule zu. verlieren. Uns fre Gymnaſien und höhere Bürgerfchulen fchenfen biefer Wiffenfchaft ale Aufmerkfamfeit, wenn fie auffünf bis feche Sahre hin für Diefelbe wöchentlich drei Stunden ausfeben; und wären auch mehr Stunden biefem Gegenftande zu wuͤn⸗

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ſchen, was ich gerne einraͤume: ſo laͤßt die Menge von Ge⸗ genſtaͤnden, denen leider unſre Schulen genuͤgen muͤſſen, kein mehres zu.

Daß aber ein Lehrbuch noͤthig ſei, nach welchem ein Lehrer ſich ſtrenge richte, und das er mit der Zeit ganz in ſich aufnehme; das geht aus dem mit Namen uͤberfuͤllenden Unterrichte ſo Vieler, das geht aus dem allgemeinen Bes ftreben forgfältiger Lehrer, nach welchem diefelben ſich das Wuͤnſchenswerthe aus größeren Lehrbüchern herausfuchen, wie auch aus ber Anficht deutlich hervor, daß ein außerordent⸗ licher Geograph und Erzieher eine beffere Auswahl für eis nen auf die Hälfte der Zeit befchränften Curſus treffen könne, als ein minder einfichtsvoller Mann.

5) Haben wir erft ein Lehrbuch biefer Art: fo bleibt und noch eins auf einen Gurfus von zwei Sahren für die niederen Bolföfchulen zu wünfchen übrig, wo ich wiederum fein anderes Mittel, ald das der noch allgemeinern Aufſtel⸗ lung des Borhandenen fehe, im Kal man auch einer Ueber; ficht den Geift nicht rauben will. Uebrigens würden auch bier biefelben Grundfäße des Unterrichtes gelten muͤſſen.

6) Sch bitte Vater Guts - Muths auf das herzlichfte und angelegentlichfte ung mit einem folchen Lehrbuche, das zum Theil noch nach reinern und beffern Grundfägen bear⸗ beitet. wird, als ich diefelben ausfprechen fonnte, zu beglüs den, und wänfche, Daß warme Freunde eines beffert Gens graphieunterrichtes meine Bitte unterftägten! Bon biefem Beteranen muß etwas BVortreffliches kommen; denn wir ers fennen in ihm einen ausgezeichneten Geographen, einen fehr glücklichen und gepriefenen Lehrer dieſer Wiffenfchaft, einen hoͤchſt einfichtsvollen Pädagogen, und einen Mann von ju⸗ gendlihem, höchft edlem Geifte, der gewiß auch des rechten Zones, durch welchen der Verftand und das Herz ber Tus gend ergriffen wird, nicht verfehlen kann.

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Sch würde nicht fo ſehr an die Nichtigkeit meiner aus⸗ gefprochenen Anfichten glauben, und es nicht wagen einen Träger der Geographie und des Erzichungsmefens um bie Ausführung meiner Anfichten zu bitten, wenn ich diefe nicht großentheild aus den Arbeiten von dieſem Lehrer und feinem großen Schüler gefchöpft, und wenn Herr Hofrath Guts⸗-Muths diefe Abhandlung der Nheinifchen Blaͤtter nicht mit warmer Billigung aufgenommen hätte. Mein hoch verehrter Freund, der Herr Artillerie - Hauptmann Richter und noch mehr Männer, die wahre Meifter im Ehartens zeichnen find, werben es fich gewiß zum befondern Vergnuͤ⸗ gen rechnen, im fchönften Vereine mit einem ſolchen Veteranen in einem Felde zu arbeiten, Das von demfelben auf Das ges nauefte gefannt ift, und woburd ihre Mühe und Kunft nur auf das Zwedmäßigfte und Befte gerichtet, und darum auch ihre volle Anerkennung auf die Dauer fins ' den wird.

7) Sn Hinſicht auf allgemeinere Unterſuchung uͤber die Richtigkeit meiner ausgeſprochenen Anſichten muß ich noch bemerken, daß ich die Vortrefflichkeit einer Methode nicht in der Vielheit, ſondern in der Einheit der Mittel, nicht in der Schwierigkeit, ſondern in der Leichtigkeit ihrer Anwendung, nicht ſo ſehr in der Individualitaͤt des Lehrers, als vielmehr in der Vollkommenheit des Lehrbuches und der andern Lehrmittel, nicht in der Menge zum Vollſtopfen, ſon⸗ dern in der Verarbeitung des mit tiefer Einſicht gegebenen Stoffes ꝛc. geſucht habe.

Wohlan denn! ich bin bereit meine aufgeſtellten Anſich⸗ ten zu vertheidigen; aber auch eben ſo bereitwillig, dieſelben zu reinigen, oder mit beſſern zu vertauſchen; denn ich will nuͤtzen!

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9 Geometrie

Woͤchentlich 2 Stunden.

Beabfichtigt der Lehrer wirkliche Geometer zu bilden, fo wüßte ich hierzu feinen beffern Anleit, als den von Ernft Gottfried Fifcher. Diefer Mann hat, befonders zur Geſchicktmachung für die Praxis ein Lehrbuch geliefert, wie Deutfchland Fein zweites aufzumweifen hat. Bor dem Ge brand, dieſes Buches möchte ed aber doch rathfam fein, den Schüler erft in den allgemeineren Elementen herumzu⸗ führen und ihn zuerft im einfachften Combiniren zu üben, wozu der erfte, und ein Theil des zweiten Curfus von Dies ftierwegs Geometrie Raumlehred in mancher Hinfiht ganz. vorzügliches Material darbiete. Dann müßte ber Lehrer. - weiterhin aus jedem Abfchnitt von Fifcher, wie geſagt, jedesmal das Element ıc. vorher noch näher ersrtern und behandeln und Einnte dann bei Durchnahme der Säge auf fohriftlihe are Darftellung verfelben halten. Sch habe Diefen Anleit öfter mit einer Claſſe durchgearbeitet und zus gleich die Geometrie als ein außerordentlichee Mittel im fchriftlichen Darftellen mit dem beften Erfolge benugt.

Sit es dem Lehrer aber weniger um das fünftige praftifche Meſſen zu thun, Sondern beabfichtigt er befonders, was ich wuͤn⸗ fche, in die Raturwiflenfchaften einzuführen : fo erfcheint Diefters wegs Anleit wie gefagt, als fehr empfehlungswerth, befonders durch die Anordnung deſſelben. Sind meine ausgefprochenen Anfichten übrigens richtig: fo wird mein hochverehrter Freund . . Herr Seminar- Direktor Dieftermeg , der e8 nicht gewohnt ift auf halbem Wege ftehen zu bleiben, in diefem Geifte weiter arbeiten, diefe Schrift mehr und mehr vervollkommnen und uns auf Fürzeftem, aber leicht verftändlichen Wege dasje- nige der Stereometrie, Trigonometrie, Buchftabenrechnung

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und Algebra geben, was zur Einführung in die Naturwif- fenfchaften und in Die Anfänge der Mechanik und Chemie durchaus erforderlich ift.

10) Naturbefhreibung.

Woͤchentlich 2 Stunden.

Der Unterricht in der Naturbefchreibung kann Außerft bildend fein, und ed wäre zu wünfchen, wir koͤnnten bei diefem , wie bei manchem andern Gegenftande eine dreifache wie die angegebene Stundenzahl dafür feſtſetzen; allein an Bildensmitteln fehlt es nicht, und bei den beiden unterften Claſſen fann, wie der Lektionsplan zeigen wird, ein fehr guter Grund in der Naturbefchreibung gelegt worden fein.

Ein Lehrbuch für Naturgefchichte müßte in einer einfa- chen, anziehenden, edlen Sprache gefchrieben fein, ein vers befierter Raff, müßte fi) bei Auseinanderfegung der Haupt s und vorzüglidhften Unterordnun gen am meiften aufhalten, jedoch aud) davon nur Merk⸗ würdiged und Behaltliches angeben, und von dem Einzelnen nur fo viel fagen, als es für den Schäler in der Zukunft von Sintereffe fein fann, oder als er dadurch irgend eine andere Seite der Natur kennen lernt.

Mag der Naturforfcher jeden Gegenftand der Natur fennen zu lernen ſich bemühen; von einem Menfchen von allgemeiner Bildung kann man nicht diefe Einzelheiten, nicht einmal die Kenntniß fämmtlicher Unterabtheilungen verlangen. Wenn biefer etwa- die Hauptorbnungen, und von den befanntern die vorzüglichften Gefchlechter anzuges

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ben: weiß, dann von ben merkfwärdigiten Einzeldingen das Merkwuͤrdige kennt, fo dächte ic; müßte man- damit zu⸗ frieden fein.

Vorzüglich müßte Das Buch, wie überhaupt der Unter richt, auf Erflärung derjenigen Dinge achten, die im ge meinen Leben und in der Geographie vorkommen, und, in Rüdficht auf die Pflanzen, von denjenigen am meiften fprechen, die ihres Nubens wegen für Küche, Kels ler, Hausapothefe, Erwerb ıc. oder zur Berfchönerung des Gartens und der Flur bedeutend find. Das Nothwendigfte und Linerlaßlichfle der Ordnungen und Gefchlechter möge dann ald Nomenklatur dem Ganzen angehängt werben.

Der Lehrer aber erzähle mit Wärme das Merkwuͤrdige der Ordnungen, Gefchlechter und des Einzelnen, zeige die Gegenftände in Natura oder in gut iluminirten Bildern vor, laſſe die unterfcheidenden Merkmale auffuchen und präge das Wenige dem Gedächtniffe und der Phantafie feis ner Schüler ein. Wo er den Schüler in das Innere ber Natur hineinführen kann, thue er es mit frommem Hinblid auf den großen Schöpfer, mit Ehrfurcht vor den Wundern der Allmacht und mit dem Wunſche, die Gegend durch Nuͤtz⸗ liches und Schönes zu bereichern, damit der Hauptzwed dies ſes Gegenftandes nicht verloren gehe. Mir. ift kein Lehrs buch der Naturbefchreibung befannt, daß dieſen Anfodcruns gen mehr entfpräche, ald das von Schubart.

Zum eigenen Studium rathe ich Blumenbachs Compen⸗ diem, Helmuths und Funkes Naturgeſchichte, die beſſeren illu⸗ minirten Steindruͤcke von Arnz und Comp.; ferner Sander uͤber die Groͤße, Guͤte und Weisheit Gottes in der Natur, Matthiſſons Gedichte, die das Innerſte einer zarten Seele mit dem Inuerſten der Natur fo wunderbar vermaͤhlen, rathe. .ich das innige Anfchauen ſchoͤner Landfchaften und

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Kunftgärten: in Bild und Wirklichkeit an. Die Letztern moͤgen dem Lehrer zeigen, wie er bie Erſtern zu bearbeiten habe,

Auch diefer Gegenftand eignet fich zu fchriftlichen Miss arbeitungen fehr gut; befonders möchten da Beſchreibungen vorzüglicher Gärten, entzückender Anlagen, oͤffentlicher Luft⸗ pläße, einzelner Baumgruppen, ſchoͤner Kirchhöfe, merkwuͤr⸗ diger Thiere und Pflanzen nebft ihrer Wartung und pſtege anzurathen ſein.

ate Claſſe. | . Schüler von 12 bis 13 Jahn!

1. Leſe n. . .. *

Woͤchentlich 3 oder 4 Stunden.

Fuͤr dieſe Claſſe moͤchte ſich Schillers dreißigjaͤhriger Krieg eignen, damit der junge Menſch, der zeither noch im⸗ mer in der idealen Welt gelebt hat, auf eine wuͤrdige Art in die wirkliche Welt eingefuͤhrt werde. Der Schuͤler ſoll bier Menſchen handeln ſehen, die für ihre Ueberzeugung alles, alles thun Finnen; er fol jest, gewonnen für alles Gute und Edle, die Thaten der Welt, eines Volks und das durch fich felbft prüfen Iernen: Kurz, er fol durch diefes Buch, fo wie durch noch einen befondern Gefchichtöunterricht in die Gefchichte geführt werden. Diefed Buch lefe 'der Lehrer mit feinen Schülern, interpretire jede Periode, beſon⸗ ders im Anfange, und unterhalte fidy über jebe vorkom⸗ mende Wahrheit bis er den Schuͤler beſtmoͤglichſt auf den richtigen Standpunft geftellt-, oder ihm klar gemacht haty daß fich große politifche Grumdfäge felten von einem nie

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drigen Standpunkte aus beurtheilen laffen. Bor allem ers halte er hier des Schülers Befcheidenheit im Urtheilen, feße ihm, da wo nöthig, gleich Fragen entgegen, deren Beants wartung ihm fchwierig oder unmöglich wird, und präge ihm da Ehrfurcht vor einer Regierung ein, wo ber Unveritäns dige nichts als Selbſtſucht, Thorheit und Beſchraͤnltheit ahnet. |

Iſt Das. Buch mit Sorgfalt dburchgearbeitet; hat der Lehrer vielfach auf die Vortrefflichfeit des Periodenbaues und des Gedanfenganges ıc. hingewiefen; hat er mehrere meifterhafte Befchreibungen nachahmen laſſen: fo Iefe er, wenn es die Zeit erlaubt, in ben noch übrigen Stunden mit feinen Schülern das Schänfte zufammen, achte auf Richtig- feit der Betonung, Iaffe fie einzelne Stellen auswendig ler⸗ nen, und empfehle ihnen zum Privatſtudium Öftere Wieder holung des Buches und für die Zukunft die Fortfeßung dies fer Sefchichte von Courth. Es wäre gewiß fehr zwedmäßig, wenn die erfteren Bücher diefer Schrift mit erflärenden Ans merfungen verfehen würden; denn mancher Lehrer, der gerade in der Gefchichte nicht fehr bewandert ift, wird Manches dunkel Laffen muͤſſen. Auch möchten eingeftreute Bemerkuns gen über die Schönheit des Schilferfchen Stiles hier am rech⸗ ten Drte ſtehen.

2) Schreiben.

Woͤchentlich 2 Stunden.

Wie vorher nach Heinrigd Vorfchriften. Wahrend des Schreiben wird. das .in den Lefeftunden ‘Durchgearbeitete von den Schülern einzeln gelefen. Dadurch wird befonders der Theil des Näfonnements dem Gedächtniffe eingeprägt . werden koͤnnen.

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Im letztern Halbjahre mögen deflamatorifche Uebungen mit dem Leſen abwechfeln, oder ganz deſſen Stelle vertreten, eine Uebung, die aber zugleich einen befondern Lehrer erfor dert, da fonft der Schreibeunterricht leiden würde.

3) Univerfalgefhidte

Woͤchentlich 3 oder A Stunden.

Ueber den Unterriht in der Univerfals geſchichte.

Unter Univerſalgeſchichte verſteht man den Inhalt, das Wiſſen und die Darſtellung desjenigen, was in der Welt geſche⸗ hen iſt, was der Menſch in derſelben erlebt hat. Der ſchriftliche und muͤndliche Unterricht in dieſem Gegenſtande fuͤr 12 bis 16 jaͤhrige Schuͤler laͤßt noch Manches zu wuͤn⸗ ſchen uͤbrig; ſo daß es wol an der Zeit ſein moͤchte, hier fuͤr ein Mehreres zu ſuchen, was unſre Geſchichtſchreiber fuͤr Schulen, ſo wie die Lehrer ſelbſt mit Klarheit und In⸗ nigkeit auffaſſen muͤſſen, wenn anders der hohe Zweck der Geſchichte auch in der Schule, ſo gut als moͤglich, mehr und mehr erreicht werden ſoll. Obgleich ich uͤber dieſen Gegen⸗ ſtand ernſtlich nachgedacht, mein Urtheil berichtigt und in der Erfahrung großentheils erprobt zu haben glaube, ſo habe ich doch bei der Darſtellung keines Gegenſtandes mit ſolcher Bangigkeit der Seele, wenn gleich nicht ohne ein Gefühl von Hoffnung, die Feder ergriffen. Möchte ber Geiſt der Gefchichte mich, feinen fchwachen aber innigen Berehrer, vor Kleinmuth, aber auch vor Einfeitigkeit bei bem Auffuchen eines Beffern bewahren!

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brigen Standpunkte aus beurtheilen laffen. Bor allem er halte er hier des Schülers Befcheidenheit im Urtheilen, feße ihm, da wo nöthig, gleich Kragen entgegen, deren Beants wartung ihm fchwierig oder unmöglich wird, und präge ihm da Ehrfurcht vor einer Regierung ein, wo ber linveritäns dige nichts als Selbſtſucht, Thorheit und Beichränftheit ahnet.

Iſt das Buch mit Sorgfalt durchgearbeitet; hat der Lehrer vielfach auf die BVortrefflichfeit des Periodenbaues und des Gedanfenganges ıc. hingewiefen; hat er mehrere meifterhafte Befchreibungen nachahmen Iaffen: fo leſe er, wenn es die Zeit erlaubt, in den noch übrigen Stunden mit feinen Schülern das Schönfte zufammen, achte auf Richtige feit der Betonung, laſſe fie einzelne Stellen auswendig ler⸗ nen, und empfehle ihnen zum Privatſtudium oͤftere Wieder holung des Buches und für die Zukunft die Fortfeßung Dies fer Gefchichte von Courth. Es wäre gewiß fehr zweckmaͤßig, wenn die erfteren Buͤcher dieſer Schrift mit erflärenden Ans merkungen verfehen würden; denn mancher Lehrer, ber gerade in der Geſchichte nicht fehr bewmandert ift, wird Manches dunfel Laffen muͤſſen. Auch möchten: eingeftreute Bemerkun⸗ gen über die Schönheit des Schilferfchen Stiles hier am red» ten Orte ftehen.

2) Schreiben.

Woͤchentlich 2 Stunden.

‚Wie vorher nach Heinrigs Vorfchriften. Wahrend des Schreibens wird. das .in den Lefeftunden Durchgearbeitete von den Schülern einzeln gelefen. Dadurch wird beſonders der Theil des Näfonnements dem Gedächtniffe eingeprägt . werden Einen.

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Im letztern Halbjahre mögen deflamatorifche Uebungen

mit dem Lefen abwechfeln, ober ganz deffen Stelle vertreten, eine Uebung, die aber zugleich einen befondern Lehrer erfor dert, da fonft der Schreibennterricht leiden würde.

3) Univerfalgefhidhte,

Wochentlich 3 oder A Stunden.

Ueber den Unterriht in ber Univerfals | geſchichte.

Unter Univerſalgeſchichte verſteht man den Inhalt, das Wiſſen und die Darſtellung desjenigen, was in der Welt geſche⸗ ben ift, was ber Menfch in berfelben erlebt hat. Det ſchriftliche und mündliche Unterricht in biefem Gegenftande für 12 bis 16 Jährige Schüler laͤßt noch Manches zu wuͤn⸗ fhen uͤbrig; fo daß es wol an der Zeit fein möchte, hier für ein Mehreres zu fuchen, was unfre- Gefchichtfchreiber für Schulen, fo wie die Lehrer felbft mit Klarheit und Ins nigfeit auffaflen mäflen, wenn anberd ber hohe Zweck der Gefchichte auch in der Schule, fo gut als möglich, mehr und mehr erreicht werben.foll. Obgleich ich Aber dieſen Gegen⸗ ftand ernftlich nachgedacht, mein Urtheil berichtigt und im der Erfahrung großentheild erprobt zu haben glaube, fo habe ich doch bei der Darfiellung keines Gegenitanbes mit folcher Bangigleit ber Seele, wenn gleich nicht ohne ein Gefühl von Hoffnung, die Feder ergriffen. Möchte der Geiſt der Geſchichte mich, feinen ſchwachen aber innigen Berehrer, vor Kleinmuth, aber auch vor Cinfeitigteit bei dem Anffuchen eined Beffern bewahren!

208 Vortrefflichkeit und Zweck der Univerſal— geſchichte.

Die Geſchichte ſoll uns das Leben der Menſchen, wie in einem großen, aus vielen Tableaus beſtehenden, Ge⸗ mälde, von den erften Anfängen ihrer Eultur, von ihren erften einfachften Handlungen, Abfichten, Entichließungen, Gedanfen und Gefühlen an, bis zu ihrer höchften von ihnen bisher jemals erreichten Stufe derfelben, durch alle Schats tirungen hindurch, fo viel als möglich und thunlich, dar⸗ ftellen und fol uns auf diefe Art den ganzen Menfchen in. feinem Sein, in feinen verfchiedenften Lagen und anders weitigen Verhaͤltniſſen kennen lehren. Sie ift dann ein zweites, höheres Buch der Natur, indem fie ed mit dem Höchiten der und befannten Natur, mit dem dußern und innern Sein und Leben des Menfchen zu thun hat. Was hat der Menſch, außer Gott und fich felbit, näher kennen zu lernen, als die Menfchheit, der er doch felbft angehört 2 In der Geſchichte der Menfchheit lernt ter Einzelne ſich felbft finden und verftehen: in ihrem Zwede lernt er den feinigen, in ihrem Verhältniß zur allwaltenden Borficht, lernt er das feinige, in ihren Kräften, Neigungen und Ber firebungen, in ihren Schidfalen, Tugenden und Laftern, Einfichten und Irrthuͤmern Diejenigen, deren er ald Menſch fähig ift, m ihrer Hoheit und Niebrigfeit feine eigene Ho beit und Niedrigfeit kennen und beurtheilen. Die Gefchichte zeigt ihm die Abhängigkeit des Einzelnen und ganzer Nas tionen von Luft.und Boden, vom Zeitalter und vom Eulturzus ftande der Umgebung, von Lagen und Berhältniffen jeder Art; und indem er diefes auf fich felbft anwendet und fein Inneres zu erforfchen fucht, gewahrt er, ummit Engel zu fprechen, „wie ein gütiger Gott bie höheren, ebleren Kräfte in feine Seele gefenft, die beffern, fanftern Neigun⸗

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gen in ſeinem Blute bereitet, die Anlaͤſſe, die Huͤlfen zur Tugend in ſeine Lage verwebt hat, und wie ihm duͤnkt, ſein Gutes komme alles von Gott, und ihm bleibe nichts übrig, als feine Thorheiten und Sünden.” Der Geſchichts⸗ freund gewahrt aber auch, wie Tauſende die von Gott verliehenen Kräfte, die Lagen und Verhältniffe, in denen fie ſich befinden, mit aller Anftrengung benutzen, und: wie Eingelne: und ganze Nationen ſich zu einer bedeutenden Stufe von Bildung und Wirkfamfeit empor arbeiten; und indem er mit den Beiten und Größten der Vor⸗ und Mitwelt in: inniger geiftigen Gemeinfchaft lebt, fühlt er fich ermuntent; auch feine ihm verliehenen Kräfte und Mittel anzuwenden; diefen Edlen der Erde nadjzuftreben, und der: Menfchheit: in feinem Kreife zu nuͤtzen. Wo gäbe es eine Schule, in. welcher der Menfch für alle Verhältniffe des Lebens mehr lernen koͤnnte, ald in der, welche die Geſchichte ihm eröffe net? Er fieht in derfelben die Urfachen und Beranlaffungen; durch welche Einzelne, wie ganze Nationen zur hoͤchſtmoͤgli⸗ chen Stufe des innern und äußern Wohlfeins fich erheben, und durch welche fie allmählig ſinken, oder ploͤtzlich ins Berderben ſtuͤrzen; ſieht, wie, und auf welche Art der Menſch in wenigen Sahrtaufenden ſich aus dem Zuſtande der Wildheit, der Rohheit bis zu der bemunderungswärbig hohen Stufe von Verfeinerung, von Bildung emporgeſchwun⸗ gen hat; wie fo nach und nach hier weniger, bort mehr Anftalten und Einrichtungen erftehen, die das Wohlſein der Menfchen foͤrdern; wie das Nachdenken, von allerlet Umftänden aufgeregt und auf fo mannigfaltige Art geſchaͤrft, fo vieles‘ erfindet und entdect, was oft wieder bis ing Un⸗ endliche zu neuen Erfindungen und Entdedungen treibt 5 ſieht, wie bei zunehmender wahrhaften Eultur der Sinn für Wiffens fhaft und Kunft, für Tugend und Religisfität, far Barers:' fand und allgemeines Menfchenwohl immer’ mehr ſich ve?

wigt und erhebt; ſieht, wie Alles, deſſen der Menfch in Ruͤckſicht auf Eultur fich erfreut, ein Produkt ift, beflen Maffe von Faktoren und integrirenden Produkten durch alle Sahrhunderte zerftreut Liegen, und endlich in ein Dunkel ſich verlieren, das der Philofoph nach der Analogie aufzus heilen ſtrebt; und indem er diefe und taufend andere Verhältniffe und Einzelheiten, welche die Gefchichte ihm vor Augen führt, gewahrt unb über biefelben nachdenkt, gewinnt feine Erfahrung immer mehr lebendige Thatfachen, fein Geift mehr Schärfe, feine Handlungsweife mehr Ans trieb und Felligfeit und fein Gemüch mehr Inniges und Zartes. indem der Menſch durch Vergleichung auf Diefem Wege das Gemeinfame aller Edlen und Großen ber Bers gangenheit und Gegenwart und. zwar aus allen Breiten und Längen der Erbe auffucht, gelangt er zu ber Idee ber Menfchheitlichkeit, der Humanität, die er dann als nicht gefühlfofer Menſch zu Lieben und zu verehren fich gezwun⸗ gen fühlt, und in der er auch hier fchon feine Unfterblidy Feit ſucht. Auf dieſe Weife bildet die Gefchichte den ganzen Menfchen in ihm, da fie den Menfchen, bei Charaktiriſi⸗ rung der einzelnen Bölfer in feinee Ganzheit aufftellt, und dieſe Bildung erfolgt auf eine Weife, die für den nicht unedlern Menfchen eine der reichten Quellen bed Vergnuͤ⸗ gens fein muß; denn, außer ihrem höchft anziehenden Mas teriale, gibt auf taufend Fragen, welche zur Beurtheilung menfchlicher Handlungen und Berhältniffe geftellt werben, nur die Gefchichte eine gründliche, genuͤgende Antwort.

Allgemeine Feſtſtellung der Methode des Unterrihtes in der Univerfalgefhidhte, Lehrbuch derfelben.

Ein Lehrbuch der Liniverfalgefchichte muß allen allges meinen Foderungen Genüge leiften, die man an einen Leh⸗

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rer dieſes Gegenſtandes zu machen berechtigt iſt. Das Lehrbuch kann diefen Foderungen auch eher entfprechen, als, wenigfteng im Allgemeinen, der Lehrer, da diefer oft bei mittelmäßiger Gefchichtöfenntniß und noch Sfter ohne Erfennung des wahren Zwedes der Gefchichte, dennoch in derfelben unterrichten muß; das Lehrbuch hingegen nur von einem Eingeweiheten dieſes Gegenftandes, von einem Manne gefchrieben fein follte, der mit fehr großer Einficht in. die Sadje auch alle andere erforderlichen Eigenfchaften befikt. Den Lehrbüchern, welche wir in diefem Fache befiten, fehlt es, in fofern mir Ddiefelben befannt find, bald an dem Eis nen, bald an dem andern. Einige find fir höhere Volkes fohulen zu Hein, andere zu groß, einige erzählen in einem zu weitfchweifigen, andere in einem zu gedrängten Stil, eis nige troden und faftlos, andere zu philofophifch refleftirend ; einige verfolgen die Gefchichte nur einfeitig in Namen und Zahlen, andere geben planlos, was vorfommt ıc. und Die wes nigften beabfichtigen den wahren Zwed der Gefchichte: Die Charafterifirung ıc. der Voͤlker und der ganzen Menfchheit. Hätten wir nun ein durchaus gutes Lehrbuch der Gefchichte, das alle Zwecke dieſes Gegenftandes, nach dem Urtheile der größten Hiftorifer und Pädagogen möglichft ganz zu erfüle len fuchte, und wäre daffelbe in einem folchen Curſus abge faßt, daß es der höheren Volksſchule möglich würde, denſel⸗ ben durchzuarbeiten : fo müßte felbft ein vorzüglicher: Lehrer an demfelben ‚nichts Aändern, ohne Die Zuftimmung folcher Männer zu haben, die mit dem Berfaffer des Lehrbuches auf gleicher Stufe von Gefchichtsfenntniß und anderweitigen Umficht ftänden. Der Lehrer hätte dann nur nöthig, dieſes Lehrbuch: mit den Schülern zu Iefen , ihnen jedes Einzelne näher zu erläutern, und noch anderweitige Mittel anzuwens den, um ihnen Das Ganze einzuprägen; denn hier fommt es Doch wol nicht auf ein Glänzen von Seiten des Lehrers,

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ſondern nur darauf an, daß der Schüler etwas lerne und überhaupt ſich veredele. Wie dieſes Außerweientlichere ges fchehen könne, wollen wir am Schluffe fehen; jet liegt ed und ob, die Eigenfchaften eines folchen Lehrbuches und bas mit die Behandlung der Gefchichte ſelbſt aufzufuchen und feitzuftellen. |

1) Das Lehrbuch, welches der Schüler Iefen fol, nf klaſſiſch gefchrieben fein. Es muß überhaupt fein Gegenftand in der Schule vorfommen, an welchem nicht alle deutlich hervortretenden Eigenfchaften als durchaus fcharf und ebel bildenb wirken. Ein Schulbuch, welches ganz feinen Haupt zweck erreicht, und dann in feinen einzelnen Eigenfchaften auch alfo auf den Geift und das Herz der Schüler wirkt, ift für die Schule Haffifh, und muß von allen Lehrern und in allen feinen Theilen fo Lange gebraucht werden, bis nach dem allgemeinen Urtheile der umfichtigiten Kenner ein anderes Ganze oder ein anderer Theil defielben für durch⸗ aus befler gehalten wird.

Ein Lehrbuch der Gefchichte muß nicht durch die Schwers fälligfeit, Gebrängtheit oder anberweitigen Künftlichkeit feines Stils das Auffaffen der Sache erfchweren, ba es fonft einen ganz andern Zweck, als den zu beabfichtigenden vor Augen haben würde; es muß alſo a) faßlid und ein⸗ fach gefchrieben fein. Es muß ferner eine gewiſſe Einheit, fowol in der. Sache felbft, als in ihrer Darftellungsweife berrfchen und den Ueberblick über das Gange erleichtern, fo wie denn auch nichts Kremdartiges und Zweidentiges fi) einmifchen darf; es muß demnach Alles b) Har und rein in bemfelben ausgefprochen werden. Da der Schüler für Humanität gewonnen werden. fol, und dieſes haupt⸗ ſaͤchlich dadurch gefchehen kann, daß man ihm bad Beſte und Schönfte auf eine allmählig überzeugende und verftänds liche Art vor Augen legt: jo muß die Darftellung c) edel

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amd finnig: fein ; und endlich muß. ein gutes Lehrbuch od) d) behaltlich: und ergreifend erzählen, bamit'e es einen blei⸗ benden Eindruck zuruͤcklaſſe. nd

a) Derjenige, welcher ein ſolches Lehrbuch ſchreiben wollte, muͤßte ſich zuvor in den leichten, edlen Stil eines Engel, Goͤthe, Krummacher und Muſaͤus einleſen, dann mit Sorgfalt darauf ſehen, keine lange Perioden zu bilden und nicht etwas als Zwiſchenſatz zu gebrauchen, was er doch erſt erzaͤhlen muͤßte. Ueberhaupt muͤßte er das Ein⸗ ſchachteln von Zwiſchenſaͤtzen, da, mo er ed !vermeiden tönnte, auch vermeiden; denn im Geifte der Jugend liegt die zum Auffaffen vieler Zwifchenfäte nöthige Veſonnenheit noch nicht.

b) Ein Geſchichtſchreiber für die Sugend muß mit ber fonderer Sorgfalt vom Belannten ausgehen, oder dad Er⸗ foderliche erſt gehörig feftitellen, dann vorfichtig: weiter bauen und ein Anderes vorbereiten; er muß, wo es ans geht, und wo es nicht zerftreut, an ein voriges Aehnliche erinnern , um dadurch eine Folgerung näher zu begründen; muß, wo thıimlich und nöthig, auch einzelne Blicke vor ſich in die Zukunft, und noch mehr rechts und Links durch dic Gegenwart werfen, damit die Sache moͤglichſt in ihrer Größe ſchon aufgefaßt und ein Folgendes, wenn gleich nur in der Ahnung des Schülers, vorbereitet werbe. In Dem Einzelnen muß er, fo gut es geht, Das ganze Volt, das ganze Zeitalter deſſelben darzuftellen trachten. Durch eine natürliche Verbindung diefer Einzelheiten erwächft dann bie Einheit, die dem Schhler einen Haren und reinen Blick über das. Ganze geftattet. Verwirrende Umſtaͤnde, die felbit der Geſchichtsforſcher noch nicht enträthfeln Tann, laſſe er weg, und wo er dad Dunkle nicht Übergehen kann, befenne er feine Unwiffenheit und fpreche Die seither gewonnene An⸗ ſicht uͤber die Sache aus.

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.c) Das. Schöne, Gute, Nüblihe, Wahre muß .allent halben mit Empfindung ausgefprochen und auf eine Art bargeftellt werden, daß der Schuͤler ſich zur Nacheiferung veranlaßt fühle. Die ſchoͤne Darftellung bringt ba weit mehr Frucht, als das ewige Moralifiren und Ermahnen. Der Schüler muß ſich ald Glied der Menfchheit erfeunen Iernen; er. fol in der Zukunft hauptſaͤchlich in dieſem Gattungsbe⸗ griff Ieben, wenn er nämlich, was unendlich viel heißt, ein uneigennäßiger Menfc werben will. Wer in der Menſch⸗ heit zu leben fucht, .hat einen unendlich höheren Begriff von feinem Sein, Leben und Wirfen, ald der Egoiſt; der hält ſich auch, hier auf Erden fchon für unfterblich, und fein leiblicher Tod fcheint ihm natürlich und gut. Der Gefchichtsunterricht fol bier thun, was er Tann und er kann hier viel, unends Lich viel thun, da die Gefchichte voll von den ermunterndften, lebendigften Beifpielen if. Das Lafter male er von Seiten feiner Häßlichfeit und Gemeinheit, und fielle es als ben Aus fluß einer unverftändigen gottlofen und niedrigen Sinnesart bar. Er fpreche von demfelben nur da, wo er ed zur Chas rafterifirung bes Volkes ꝛc. nicht übergehen darf; denn bie edle That wirft ungleich ftärfer und bleibender, als bie lafterhafte, wenn leßtere nicht zugleich erfchüttert. Was den Punkt der Sittlichfeit angeht, fo muß es. mit dem Knaben und dem Sünglinge hierin, wie. mit .einer verfchämten, Teus fchen . Jungfrau gehalten werden; nirgend werde dad Laſter beſchoͤnigt, nirgend ſpreche ſich die geringſte Zweideutigkeit oder Unanſtaͤndigkeit aus.

Wo etwas gefolgert werden ſoll, gehe der Lehrer lang⸗ ſam, ſi cher und ſtille zu Werke. Die Ueberzeugung wird nicht eingeſchrien; fi fie ift zart, wie die Keuſchheit, und er⸗ waͤchſt in der Regel nur aus klarer täten Einwirkung. Hierin | wird vielfach in den Lehrbuͤchern gefehlt, und der Jugend gine Vergegenwaͤrtigung der Praͤmiſſen und ein ſchnel⸗

[ed Erfennen ihrer Verhältniffe zur Kolgerung beigelegt, das man oft nur einem geübtern Denker zumuthen darf. Hierin liegt gewiß eine wichtige Urfache, warum Schüler fo felten gern Reflexionen Iefen oder vorlefen hören.

d) Was nun das Bebaltliche betrifft, fo muß ich hier etwas weitläuftiger werden. Um eine Sache für das Ges daͤchtniß behaltlich zu machen, muß man burch natürliche Affociationdmittel, durch ein gleichzeitiges Befchäftigen der Denkkraft, der Phantafie und des Gefuͤhls zu Hälfe fommen. Man vergißt eine Sache nicht fo leicht, wenn das Nachden⸗ fen an ihr etwas Neues aufgefunden, oder wenn eg bie vorliegende Sache mit einer vorhergehenden in Verbindung gebracht, und mit diefer näher verglichen hat. Ein Umftand prägt fih um fo fefter ein, wenn er mit etwas Auffallens dem, fei es auch an fich eine Kleinigkeit, in Verbindung ges fett wird. Laßt man z. B. jene Negyptifchen Könige beim Opfern nur in Reihe und Glied oder in einen Kreis treten, und gibt unter ihnen dem Pfammittich nur Die unterfte Stelle; oder hebt man deſſen Helm hervor, oder dieſer Ks ige Sabirinth, oder des Pfammittichd Elend in der Eindde des Delta, oder Die Freude deffelben Über die Ankunft ber geharnifchten Männer, oder die Freundfchaft, in welcher er vielleicht mit ben Prieftern ftehen mochte ıc.: fo wird Pſam⸗ mittich und die ganze Erzählung nicht vergeſſen. Wer koͤnnte ben fchnellfüßigen Achill, ber ben Hektor um Ilium verfolgt, wer Hektors Abfchied von der Andromache, wer feinen Tod, feine Loͤſung ꝛc. jemals vergeſſen?

Es iſt eine allgemein bekannte paͤdagogiſche Regel von ber: Anfchauung aus und durch dieſelbe zur Abſtraktion überzugchen; hiet ſtelle ich dieſe Regel in einer höheren Pos tenz auf, In diefer Pegel liegt ein wahrer Zauberftab, die Sugend zur höchften Aufmerkſamkeit und zum Nachdenken zu reizen. Es bfeibt mir merkwürdig, daß ich feit mehr als

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zwanzig Sahren dem Inhalte diefer Regel dunkel gehuldigt, die hohe Kraft derfelben taufendmal empfunden habe, und Doch ift mir dieſe Berfahrungsart erft in vergangener Nacht (vom 18. auf den 19. Suni 1829) mit mehr Rlarheit vor die Seele getreten. Wer dad, was ich über biblifche Ge- fchichte und Geographie Achnliches gefagt habe, mit dem Folgenden vergleicht, wird finden, baß ich Dort nur noch andeuten konnte. Sch will es num verfuchen diefe Megel klarer auszufprechen,, und will diefelbe fpäterhin zum Ge genftande meiner fernern Unterfuchung - und Erprobung machen.

Seber Gegenftand, den ich dem Schüler mündlich oder fchriftlich erzählen will, hat einen Zwed: ich will ihn ent weder bloß dem Gedächtniffe oder dem Gefühle ꝛc. einpräs gen, oder ich will ihn zur Auffindung von Kehren, Regeln ıc. benugen. In beiden Fällen habe ich bei der ganzen Er sählung einzelne Data, Züge ıc. des Geſchichtskoͤrpers, die wir Punkte (pointes) nennen wollen, ftetd vor Augen. Es iſt mir bei der Erzählung dann, als drehete fich viefelbe um diefe Punkte, als Dachte fich die ganze Fläche der Er⸗ sählung nach dieſen Punkten ab, oder als erftiege ich auf einem Schneckengange die Spitze eined Kegeld, der mit dem jedesmaligen Steigen eine fchönere Ausficht gewährt; und darum wird auch die Aufmerkfamfeit der Schüler auf diefe Punkte natürlich hingeleitet. Will ich nun irgend einen diefer Punkte zur Auffindung, Einprägung ıc. einer Anficht, Folgerung, Lehre ꝛc. benußen; fo falle. ich. den Zweck der Sache als den Geift, den. Punkt, als- den Körper deſſelben, ſcharf ind Auge, woburd dann von felbft jeder Kleinere Um⸗ ftand feinen Weg: nad dem Hanptpunfte ber gleichjamen Abdachung nimmt ; ſo muß ich ferner den Zweck nach der paͤda⸗ gogifchen Regel, den Schüler etwas jelbft auffinden-zu laſſen, nicht Har bei dem Punkte ausfprecken, indem ich bei ihm vers

weile und ihn verkörpere, das Element geben, das zur Aufs findung ıc. der Wahrheit ıc. dient und muß den Zweck hier mir ahnen laſſen. Erft dann, wann die Erzählung zu Ende ift, kann ich den Schüler auffodern, die Wahrheiten, Lehren, Kegeln rc. anzugeben, welche diefer aus dem Erzählten zie- hen fann. Der Schriftfteller kann dieſes Legtere am beſten durch Anmerkungen thun.

Zuweilen kann man diefen Punkt, diefe Pointe, vor der Erzählung anführen, um die eigene Aufmerffamfeit und die des Schhlerd ganz aufdenfelben zu Ieiten, wie 3.8. bei der erften Schlacht des Pyrrhus: „das ſchwarze Roß“ bei Camill: „das Schwert‘ bei der Befreiung Thebens: „die Beſtuͤrzung“ bei Aleranders Erftürmung des Ortes der Malfer: „der Keulenfchlag”; ober geiftiger: bei Hannibal: „der Adler” bei Kabricius: „die Saͤu⸗ le“ bei Fabius: „der Zauderer‘‘ bei Tillys Zuſam⸗ mentreffen mit Gustav Adolph: „das bife Gewiſſen“ ıc. Durch Herftellung folcher Punkte kann man, befonders wenn fie an fich etwas Großes, Erhabenes darftellen, dem Geifte- des Schülers einen außerordentlichen Ruck geben, der ihm heilfam in der Erinnerung bleibt, und weit mehr wirft, ald ein Moralpülvercdhen.

Was diefe Punkte num fir eine einzelne Erzählung find, Das find die großen Männer, die merfwürbigften Begeben- heiten, durch welche oft ein ganzes Zettalter charakterifirt wird, und die man darım nicht and ihrem Zufammenhange reißen muß, für bie ganze Gefchichte. An ihnen ift viel zu lernen, vieles nachzuweifen ; darum müflen die einzelnen Punkte an ihmen, die ihre Strahlen rings umher werfen, genan ind Auge gefaßt werden; an ihnen muß doch alles Element gu Fünftigen Reflexionen vorbereitet werben, wenn diefe noch nicht fobald gemacht werben koͤnnen. Nur das durch erhält der wichtige Punkt Bebentung, weniger an fich

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ſelbſt. Gegenftände, welche nicht auf bas Ganze wirken, ober die nicht zur beſondern Charafterifirung eines Volkes oder des Menfchen nöthig find, follten aus einer Gefchichte für eine höhere Volksſchule ausgefchloffen bleiben. .

Die alte Gefchichte fpricht mehr von dem Leben und ben Thaten ber Bölfer, die neuere mehr von den Thaten ber Könige und Generale; darum ift die erfiere weit ans ziehender, als die leßtere. Der Geſchichtner muß dieſes all gemeine Leben möglichit fefthalten, wenn er intereffiren will; er muß jede wichtige Sache, wo es geht, wie eine Sonne bes. trachten, in deren belebenden oder verfengenden Strahlen. Das Volk fich befindet. Hier und dort erfcheint dann wol. ein Gegenftand, der dem fanften Strahle den Weg hemmt, ober vor dem verfengenden einen erguidenden Schatten ges währt.

Dort, wo eine Begebenheit ıc. tiefe Blicke in bag menfchliche Herz, oder in die menfchlichen Verhältniffe ges ftattet, wo aber die Jugend nicht folgen kann, begnüge man ſich damit, die Punkte des Materials, welche dieſe Ausbeute liefern, nur ftarf hervor zu heben, und dann die Lehre durch einfache Darftellung auch nur ahnen zu laflen. Der eigene Geiſt des Schülers mag dann fpäterhin felbit auf Be merfungen der Art fommen, oder es bedarf dann vielleicht nur des Anklanges zur Erfchaffung diefer Einficht.

Ein Lichtpunft der Gefchichte muß mit feiner Umge⸗ bung, wie gefagt, wie eine Sonne mit ihren erleuchteten Gegenftänden, oder wie ein Strom mit feinem Flußgebiet, oder wie ein Plateau mit feinen Bergen und Abdachungen alfo maffenweife erfcheinen, wenn Geift und Leben in bie Darftellung fommen fol. Würde und im Allgemeinen genommen ein Gemälde mehr anfprechen, auf welchem bichte Gruppen, oder ein folches , auf welchem die Figuren. mehr vereinzelt ftänden? Angenommen, ein großer Maler wollte

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die Gefchichte vom verlornen Sohne darſtellen, hätte aber feine Zeit oder feine Neigung, jede einzelne Scene - ganz nach feiner reichen Phantafte vorzuſtellen; wirde er’ nm Tieber' die einzelnen Scenen mager Hinftellen, oder würbe er bie! Hauptſcene Tieber nehmen, und dieſe nun mit aller Staͤrke ſeiner Borftelung und Phantaſie hinzaubern ? Und welche von beiden Darftellungsweifen würde das Ganze behalt“ licher, einen tiefern Eindrud machen, und der: Phantafkei die Einzelheiten, felbft die nicht dargeſtellten mehr vorfühe: ren? Ein trodned Bild vergißt man leicht wieder 5 das jüngfte Gericht, den Petrus von Rubens und ähnliche Ge⸗ mälde vergeffe ich nie, und fortwährend: verfnüpfe-ich Einzel,‘ nes mit biefen Bildern, an das ich fräher nie gedacht babe. W * Hat ein Gegenſtand aber an ſich eine beſondere Schoͤn⸗ heit in ſeiner einfachen Darſtellung, wie z. B. die Ausſage von Phocions Gemahlin: Mein Schmuck iſt Phocion oder die des Pyrrhus: Eher weicht die Sonne aus Ihrer: Bahn, als diefer Römer von dem Wege des Rechts oder die des Hannibal, als er auf die Frage des Scipio, wer” jet der größte Feldherr fei, antwortete: Ich: fo muß er auch zunaͤchſt einfach und ganz abgefondert von zu vieler: Umge, bung: dargeftellt werden, und fpäterhin kann man ihn dann“ mit dem Ganzen in Verbindung feten. Es ift fo, ald went: man jede Figur eines Gemaͤldes erft an ſich, und dann in ihrer Verbindung betrachtete. Danneckers Ariabne habe ich mit den ſchoͤnſten Gefühlen, deren ich fähig bin, drei ⸗Stun⸗ den lang ununterbrochen 'angeftaunt, und dieſes einzige” Kunftwert hat mich nicht. bloß eine Ariadne und einen Dattst necker bewundern Laffen ; ich habe in ihr Die edle Goͤtter⸗ and: Menfchenwelt, die Welt des Künftlers-und Wiſſenſchaftners70 wie'foll ich fagen,, bloß bewundert, nein/ ich: habe rd” entyfundenBei ſolchen Meiſterwerlen muß man die Weihe

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holen, um eine Gefchichte für die Jugend zu fehreiben , Die behaltlich werden fol.

Rubens, Raphael, Cornelius, Sanova, Thorwaldfon und Danneder, Homer, Klopftod, Goͤthe, Wieland, Schiller und Ähnliche große Meifter fagen ung, daß man für die Jugend des Menfchen am beiten einfach Durch Thaten, ‚nicht bloß durch das räfonnirende Wort, dargeftellt; daß man aber in den Thaten eine Welt von Ideen geben muͤſſe, die um fo bleibender find, da fie mit einem regen Gefühl aufgenommen werden, die in der Seele um fo tiefer, um fo. beiliger und wirffamer eingeprägt ftehen, jemehr der Stem⸗ pel felbft das Gepräge einer wahren Schoͤnheit terug, und Herz und Phantafie felbit die Tiefe des Eindruded mit In⸗ nigfeit beförderten; fie fagen und, wie man Einzelheiten zu. einem Ganzen vereint, das mehr fagt, ald die Einzelheiten felbft. Diefer Gedanfen mußte unfrem Schiller vorſchweben, als er unter andern feinen Mofes fchrieb. Wer bier Beis fpiele will, der kann diefelben in den Charakterſchilderungen unfrer Glaffifer allenthalben finden. Es wäre der Mühe werth aus den gelungenften Sharafterfchilderungen die Re geln näher aufzufuchen und dann Far binzuftellen.

Wo hätten wir Maͤnner, die eine folche Gefchichte fchreiben koͤnnten? O, wir hätten deren wol, wenn es. vorzäglichen Männern nur nicht gar zu oft an. Zeit man. gelte, oder wenn fie ed auch nicht felten für zu geringe hielten, ein Schulbuch mit außerordentlichem Fleiße zu fchreis ben, und dabei auf fo viele Erforderniffe genau zu achten. Wer hier etwas Glaffifches Liefern koͤnnte, möchte fich wol lieber der Gelehrtenwelt, ald den Schulen zuwenden. Sehen. wir das nicht wieder deutlich an. Herrn Dr. Loͤbell? Haben fi) aber etwa Tacitus, Virgil, Cicero und Homer zu ſchaͤ⸗ men, daß fie in der Schule dienen und. die Meufchen zu den Göttern hinanfziehen? Wer in der Schule erhebend

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lebt, der lebt in dem Herzen und Sinne der Edelſten! in dem Kern der Menſchheit! Wer aber in einem Kreiſe wahrhaft nachdruͤcklich bei Darſtellung einer ſchwierigen Sache wirken will, muß dieſem Kreiſe leichtverſtaͤndlich und anziehend werden, muß ſchwere Sachen durch ſeine meiſter⸗ hafte Darſtellung leicht machen und nicht umgekehrt ver⸗ fahren.

D.Wenn der Zweck der Geſchichte die Charakteriſtik der Voͤlker und uͤberhaupt des Menſchen iſt: ſo iſt der Re⸗ flexion der Geſchichtskoͤrper untergeordnet; jene, in welcher auch zugleich die ganze moraliſche Welt liegt, iſt dann der Zweck, dieſer das Mittel. Dieſer Zweck iſt nun freilich an Knaben beſonders da, wo von Staatsverhaͤltniſſen die Rede iſt, nicht in ſeiner Ganzheit und Tiefe zu erreichen.Vieles wird den oberſten Claſſen der Gymnaſien, Mehres der Unis. verfität, und noch. Mehres dem eigenen Forſchen in fpäterer Zeit überlaffen werden muͤſſen. Wo mın fein Zweck für: die Bürgerfchule zu erreichen ift, da werben auch die Mittel nichts helfen; denn biefe würden fonft tobt daliegen, und ihre Erzählung kann wenigftens nicht im höheren Sinne in- tereſſiren. Sch fehe bier. freilich dem Einwurfe entgegen, daß Manches der Erzählung dem Schuͤler im reifen Alter’ zu eigenen Neflerionen nütlich fein koͤnne. Sch wilf aber‘ nicht bloß folche Neflerionen, welche der Knabe ſchon in ihrer Ganzheit aufzufaffen verfteht, beabfichtigt haben; bemt- dann möchte die Gefchichte allerdings nur bei dem Gewoͤhn⸗ lichſten ſtehen bleiben muͤſſen; fondern ich will felbft dasje⸗ nige mit hineingezogen vwoiffen, was der Schüler ſchon mit einiger . Lebhaftigkeit ahnen kann. Gr wird dann freilich Manches noch auf das. Wort des Lehrers glauben. mifien, der ihm in dem Geſchichtskoͤrper den Geift deſſelben in ein⸗ facher Darftellung fo nahe als moͤglich vor Die Seele rüdt. Auf dieſe Weife nimmt er für..die Zufunft einen reichen

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Born, aus dem er ſchoͤpfen kann, ein Naterial unb eine Anleitung zur fernern Verarbeitung mit. Auf dieſelbe Art‘ ergeht es doch and dem Studirenden, ber einen Schilfer,' oder einen Johannes von Müller, Luden oder Heeren auf‘ der Univerfität gehört batz ja, auf diefelbe Art mußte es diefen großen Männern ergehen: ein Boriges ließ fie erſt das ahnen, was ihnen bei fortgefeßter Forfchung nach und: nach deutlich und Flar wurde. Einem Knaben aber 2. B. den ganzen Heeren oder Luden vordemonftriren wollen, würbe doch vollends leered Stroh drefchen, und diefe Heroen ber- Geſchichte verächtlich behandeln heißen. Auf dem Mittels mege wird aber Vieles zu ersrtern fein. Dagjenige des Ge ſchichtskoͤrpers aber, das bis jeßt noch nicht zu Refleriorten benutt worden ift, ‚oder basjenige, was ſich gar zu oft wiederholt, oder was anderwärts reicher ausgeſtattet vor⸗ fommt, fann in einer hier beabfichtigten Gefchichte,, wo es nicht zur Eharafterfchilderung nöthig ift, ganz weg Bleiben, um defto mehr Zeit und Raum var dad Noͤthige zu ben halten.

- Wollte man eine folche Charafterfchilderung der Menſch⸗ heit möglichft enge für unfre niedere Volksſchulen zufammens ziehen: ſo müßte man allerdings die Schilderung einzelner Völker aufgeben, das Gemeinfame aller. in einem Bilde anfftellen , diefen Geift an das Material der biblifchen und. an ein Mehres der deutfchen Gefchichte knuͤpfen und nady weiſen, und ſich daun mit einigen allgemeinen Bemerkungen über ‚die Berfchiedenheit der Volkscharaktere verfchiedener- Beiten und Länder ein Genüge fein laſſen. Auf dieſe Art wärbe zwar vielleicht nur ein Bändchen gegeben; aber ba® Ganze wäre doch weit geiftiger und -nüglicher, ald wenn wir heut zu Tage fo manches: Compendinm einen Befchichte fehjew; im welcher Ramen und Zahlen: die: Danptfachen ſlud.

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Bis hieher möchte ed nun als zweckmaͤßig erfcheinenr wenn ntan die Nteflerion als Lehrfat und ben Geſchichts⸗ Eörper ald Beweis oder ald Nachweiſe der von tüchtigem Männern gewonnenen Anficht anfühe. Wenn wir das von der Affociation Gefagte für richtig und wichtig halten: fo- kann ung dieſes Verfahren, wenigiteng bei Kindern von. 12 bis 16 Jahren nicht als paͤdagogiſch erfcheinen, indem. Das. Mittel der Affociation dadurch großentheild verloren gehen: würde. Dem Knaben liegt noch wenig an einem richtigen: Reſultat feines Nachdenkens; er hat, wenigitend an dem Abs; firaften als einem folchen, noch nicht fo viel Vergnügen, daß er bier mit aller Liebe folgen koͤnnte. Das ift noch felten: von dem angehenden Juͤngling zu erwarten und mehr dem; Selbftftudium des Mannes zuzumuthen. Der Knabe und- ber angehende Süngling wollen zwar finden, wollen bie Fortfchritte ihres Geifted gewahren, wenn fie für das Geis flige gewonnen worden find; aber fie wollen dieſes Ergeb⸗ niß fehr felten auf mühevollem Wege erreichen. Beſonders der Knabe wird felten noch weiter fuchen und forfchen, ſo⸗ bald er zu einem Reſultat gefommen iſt; er wird gewoͤhn⸗ lich aufhören, wo ber Lehrer die Sache beenden muß es fei benn, daß er noch einen Blick auf das Nächitliegende werfen möchte. Ordnen, Scheiven, Belegen, Beweifen, Zu⸗ fammenftellen ift nur Sache des reifern Geiftes. - Diefer mathematifch analgtifche Sang ift demnach mit Kindern nicht | anzuw mden.

Wegen des Vorigen iſt man auf den Gedanken gekom⸗ men, bloß den Geſchichtskoͤrper in der hoͤheren Volksſchule vorzunehmen. Da frag ich aber nur: Woran und wie ſoll dem der Schüler reflektiren lernen? Wird fich dieſelbe Schwierigkeit nicht allenthalben zeigen? Muß man nicht mit‘ - geringen Anfäugen zufrieden fein,. und muß wan in dem Knaben den .reifenben Mann. ſuchen %-::YBazır fol ihm: Day -

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der Gefchichtöförper in der Zukunft dienen, wenn er nicht einmal gelernt hat denfelben für die Weisheit feine® Lebens zu benugen? Was wird eine Ahnung helfen, wo man biefe nicht zu verfolgen, zu erhellen gelernt hat? Das find Fra gen, die meine Gegner ſchwerlich zur Genüge beantworten werben. 0 Soll man aber vielleicht erft den Gefchichtsförper vor ausſchicken, und dann die Reflerionen folgen laſſen? Eines theils möchten diefe Reflerionen, befonders fir Knaben, doch unter fidy zu wenig Zufammenhang haben, um jedes einzel ne Volk der Erde bei dem wieder großentheild vergeffenen Material Eörperlich genng zu charafterifiren; und wäre das nicht der Fall, fo möchte des Abſtrakten doch noch immerhin zu viel werden; hauptfächlich wuͤrde man aber baburd ein außerorbentlices Mittel ganz verabfäumen.

Alles, was vor die Außere Anfchauung gebracht wird, muß auch von dem Geifte angefchaut werden, wenn bad Ganze nicht in einent bloßen Angaffen ftehen bleiben foll. Denfe ich mir nun den Geſchichtskoͤrper als Das, was vor die Anßere Anfchauung bes Geiſtes gebracht wird, und ben Tann ich mit vollem Stechte mir als ein folches denten: fo wärde die Gefchichte bloß angegafft werden. (Exempla sunt odiose) Die Erzählung des Geſchichtkoͤrpers foll ben Geift bes jungen Menfchen anföbern, den Sinn oͤffnen, ihn zum Schacht führen, das Verlangen nach dem wahren Gehalte bed dortigen Erzed in ihm aufregen, ihn Diefen ahnen und felbft weiter fuchen Taffen, uber auch das Metall vor feinen Augen von den Schladen fondern. Muß der Schäler nicht erft wiflen, wie ſolches gefchieht, oder fol er dieſe Erfin⸗ bung, zu welcher ber Menfch einen großen Zeitraum noͤthig hatte, in einigen Deinuten felbft machen? O, die mißver ftandene weife geiftige Hebammenfunft ! Diefen mächtigen Hebel des Geiftes müßte man entbehren.,, wenn man anhal⸗

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tend rvefleftiren wollte, und dabei würde man fich.nicht das rauf verlaffen koͤnnen, daß, wie zum. Theil erwähnt, die ganze Claſſe jedes nöthige Faktum in allen feinen Theilen noch in treuem Andenfen bätte,

Beffer mag es darum. fein, bie Erzählung der Geſchichte hin und wieder mit diefen Neflerionen über den Menfchen ıc. zu würzen, .und das gerade an den Punkten, wo die Maſſen fich zu Foncentriren fcheinen, ober die das weilte Licht erhalten haben. Die Gefchichte würde dann pragmas tifch. erzählt; aber freilich auf eine natürlichere und nuͤtzli⸗ here Art, als dieſes von Manchen gefchehen if. Man wörde ‚nämlich einen viel zu niedrigen Begriff von dem Zwed und Werthe der Gefchichte haben, wenn man ſich Diefelbe bloß als eine Moral in Beifpielen denken wollte. Das fol fie nun freilich auch im höheren Stile fein. Eine Moral in Beifpielen könnte man aber an den Erfahrungen in einer mittelmäßigen Hauptitadt aufitellen; und wie wollte denn ein folcher Ale den Charakter der Nationen aller Zeiten, aller Breiten und Langen der Erde vor Augen le gen? Diefe einfeitige Benußung der Gefchichte in manchen pragmatifchen Werken hat wol die Abneigung gegen diefe Lehrweife hervorgebracht; eine gute Sache wird aber durch eine fchlechte Behandlung darum an fich noch nicht fchlecdht. Wer. ein folches Lehrbuch fchreiben wollte, müßte entweber felbft ein "großer Gefchichtsforfcher, und dann moͤchte er, leider! ein folches Werk für zu geringfügig halten, oder er müßte ſich, außer Benugung des moralifchen Princips, das keinesweges vernachlaͤßigt werden dürfte, nur. .nach den Anfichten folcher Forſcher richten,.nur in ihren Reflerio- nen. leben und dieſe gleichfam wieder in dem Geſchichtskoͤr⸗ -per- erft zu verkoͤrpern, um dieſe baun fpäterhin als Geift aus diefer Metamorphofe hervorgehen au laſſen. Max- füge nicht , - daß. ich hier nur. in höheren: Lüften einer Chimaͤre

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nachjage. Die Idee ift nöthig, wenn man wirffid etwas Bortreffliches zu Stande bringen will; aber darum ift bas Vortreffliche felbft für den Nichtforfcher nicht unerreichbar. Sch habe hier nämlich den Zeitabfchnitt eines Bolfed. Im biefer find 3. B. nach Luden, Heeren, v. Müller, nad ben Lehren der Lebensweisheit, der Tugend und Religioſi⸗ tät folgende Schäße für bie Charafterifirung ıc. des Ein⸗ zelnen, des Volkes und des Menfchen überhaupt zu heben. Dazu wähle ich bad von Luden ıc. angegebene Material, und fchlage dafielbe in einem Werke nach, das eben wegen feiner intereffanten Erzählungsart allgemein gefchäßt wirb. Ich leſe den Abfchnitt nun einigemal mit ſtetem Blick anf meine vorgefchriebenen Neflerionen und auf meine mir eiw geprägte Vortragsmethode; und indem mein Geift nun ſelbſt alles auf Die Neflerionen ableitet, wird meine Dar ftelung, obgleich dem Gefchichtöförper treu, aus welchem der Geift bervorgenommen ift, das Auffaffen dieſer Reflerios nen erleichtern; ich felbft habe den Weg einer geometrifchen Analyfis, rädmwärts, genommen und mid; orienlirt, um in meiner Darftellung den Weg der Synthefid, vorwärts, zu verfuchen. Freilich wird die Schreibung eines folchen Lehrs buches große Mühe machen; aber ohne große Mühe gelangt man felten zu etwas Großem. Dabei möchten einige hun⸗ dert Seiten mit gehdrigem Fleiß und Eifer bearbeitet, ein formelartiged Nefultat geben, das die Mühe weiterhin uns endlich erleichtern könnte. Wer darum einen Berfich mas chen will, muß wenigſtens einige Völker des Alterthums durcharbeiten; und fehlt es ihm dann nicht an Zeit und Talent, fo erhalten wir dadurch vielleicht etwas Gutes‘, das, wenn auch erft die Folgezeit durch Verbefferungen affer Art, vielleicht zur Glafficität erheben koͤnnte. Sehe aber ich. die Moͤglichkeit zur Verwirklichung biefer Anfichten ein: fo muß ein Gefchichtöfenner, der vielleicht irgend einem

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großen Manne in dieſem Kache, wie feinem Gamalieligu Fuͤßen gefefien, und ber ſich im Gefchichtsfache vielleicht fchon oͤffentlich mit ‚vielem Beifalle verfucht hat, im der Yusführang der bereits fchon anfgeitellten Anfichten,, went dieſelben nämlich. richtig fein follten, weit weniger Schwie⸗ rigfeiten. finden „..ale ich es fei denn, daß ich bisher noch nicht alle Schwierigkeiten erwogen hätte.

I Sit Die fonchroniftifche oder. ethnographiſche Eintheis fung bes. Stoffes vorzuziehen? Ich denke mir die ganze Univerfalgefchichte auf einer einzigen großen Rolle in lau⸗ tee Gruppen finnbildlich dargeſtellt. Senkrechte Linien auf berfelben fcheiden die Völker, und horizontale die Sahrs hunderte von einander, Für die erften Sahrtaufende wären weder die einen, noch die andern Linien ſcharf zu ziehen; diefer Raum begriffe die Zeit der Sagen. Da diefe Sagen ſchon den Charakter fpäterer Voͤlker an fich tragen, mithin die erſte Zeit wenig oder gar nicht aufhellen, fo ift hier der - Menfch nur in feiner Ganzheit aufzuftelen, und der Ges fchichtsforfcher hat nur etwa an der Hand biefer Mythen und der Analogie .den Zeitraum von den erften Menfchen bis. zum Anfang der Gefchichte auszufüllen. Sobald aber - nun. die Gefchichte anfängt, und fich- ſchon vwerfchiedene Voͤlker in Maſſen fondern, würde von felbft die Frage ent⸗ fiehen, ob mau zunaͤchſt bie Gefchichte des Menſchen im Allgemeinen oder die der Völker im Beſondern Ichren wolle. Beabfichtigte man erftered, fo würde ber Charakter ber eim zelnen. Bölfer nur in ihren Hauptverſchiedenheiten vorkom⸗ men muͤſſen; denn badurch, daß man gleichzeitig (ſynchro⸗ niſtiſch) eine Menge Voͤlker neben einander betrachtete, nub . bei feinem fo lange verweilte, daß man daffelbe in einer gewiflen Stätigkeit betrachten koͤnnte, würbe man, wenig⸗ ftens ‚mit 12 bis _46jährigen. Schülern, : ber allmähligen. . Entwmifelung ; eines: Bolkes. weniger. folgen Können: man .

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wuͤrde in feiner Betrachtung Eines Volkes zu oft geſtoͤrt werben. Dafuͤr würde man aber den allgemeinen Entwide Iungsgang der Menfchheit um fo leichter beobachten, und, wie bereitd erwähnt, in einen kleinen Gurfus zufammen drängen fönnen, wo man denn alles Gemeinſame unb Ber: fchiedene der Voͤlker in einem Bilde zufammengedrängt auf fielen müßte, n

Wollte man aber bei einem groͤßern Curſus, in wel chem der Charakter der einzelnen Bilfer von Wichtigkeit ‘wäre, ethnographifch verfahren, jedes Volk mit Stätigfeit verfolgen: fo würde man in Noth gerathen, wenn dieſes eine Volk mit einem ganz fremden Bolfe in Berbindbung kaͤme, oder fogar von dieſem unterjocht würde. Das be fannte Bolf würde vielleicht dann feinen Volfscharafter mit dem des noch unbekannten Volkes vermiichen, und Das Pro duft diefer Miſchung würde nicht erfanıt werden koͤnnen, da der andere Faktor ein unbekannter if. Es würde nun fein anderer Weg übrig bleiben, als dieſes frembe Volk erft gehörig kennen zu lernen, um auf diefe Weife Die Miſchung verftehen zu innen. Bei unbedeutendern Beruͤhrungen koͤnnten freilich wenig erflärende Worte ausreichen. Ein rein ethn« graphifches Verfahren hat demnach auch feine Scywierigfeit.

Es bleibt nun freilich nichts anderes übrig, als bei einem

größern Curſus fo lange ethnographifch zu verfahren, ale man fann, dann Das nädfte Volk u. f..w., das mit dem erftern in ſehr wichtige Berührung tritt, kennen zu lernen, wie wir diefes unter andern auch in Luden ıc. finden... Der gegenwärtig zu bearbeitende Stoff kann dann allemal mit dem bereits bearbeiteten verglichen werden und der Gang, den die Menfchheit im Allgemeinen nimmt, tritt auch de& wegen noch um fo fehärfer auf, da das Einzelne klarer und fefter bis in feine Schatirungen feftfteht, die einzelnen Falı toren des Produftes um fo genauer gekannt find.

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Dadurch wird nun das Gute von beiden Verfahrungss arten, fo viel als jetzt noch möglich, mit einanber verbun⸗ den, und das Nachtheilige derſelben beitmäglichft verhuͤtet. Sehr wichtige und weit eingreifende Begebenheiten des Synchronismus wegen zu zerreißen, das. halte ich Dort, wo es nur einigermaßen vermieden werden fan, für fchädlich, da durch dieſes Berfahren die Einheit der Auffaflung und Darftellung leidet.

4) Es muß in jedem Falle nüglich fein, Die Maſſe des Geſchichtskoͤrpers dem Gedaͤchtniſſe in einer gewiſſen Ord⸗ nung einzupraͤgen, in ſich ein einfaches Gehaͤuſe, (einen Typus) aufzubauen, das die merkwuͤrdigſten Namen und Zahlen in einer zweckmaͤßigen Zuſammenſtellung enthaͤlt, und das dann leicht zum unverlierbaren Eigenthum des Gedaͤcht⸗ niſſes gemacht werden kann. (Siehe Geographie).

Dieſer Typus iſt aber keinesweges Zweck der Geſchichte, ſondern nur ein Mittel, durch welches man ſich an das Gelernte, Gedachte und Gefuͤhlte in einer gewiſſen Ord⸗ nung erinnern ſoll. In gar vielen Schulen wird es aber als Zweck behandelt, und anſtatt an den Zweck und Werth der Geſchichte zu denken, ſetzt man den Schuͤler nur in den Stand von jedem Namen deſſelben etwas ſagen zu koͤnnen, macht demnach das Mittel zum Zweck. Solche Schulen arbeiten nur fuͤr eine oberflaͤchige Pruͤfung, und tragen dort Ruhm und Ehre davon, wo die Examinatoren ſelbſt den wahren Zweck der Geſchichte nicht kennen, oder doch nicht beachten. Wie kann denn an ſich etwas anderes als Gedaͤchtnißbildendes in bieſem Namen⸗ und Zahlengehaͤuſe liegen? Und was wäre: es denn Sonderliches, wenn ber Schüler von jebem Manne ꝛc. eine "hgtenreite ıc. berfagen koͤnnte? Noch immer würde ein ſolches Wiffen nichts eis ter, ald ein Mittel zum Behalten des rechten Wiffens fein. Denfe ich mir nun ein Lehrbuch der Gefchichte, das den

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gamzen: und wahren Zweck derſelben au ben Schuͤlern beſt⸗ moͤglichſt zu erveichen ſtrebt, fo koͤnnte daffelbe etwa einen Typus folgender Art feſtſtellen.

a) Die merkwuͤrdigſten Maͤnner und Begebenheiten, welche in dem Lehrbuche ihrer Wichtigkeit wegen am um⸗ ſtaͤndlichſten abgehandelt werben, machen bie hellſten Puulte, die. Sonnen der Gefchichte aus, und fiehen nebſt ihren Zah⸗ len, in einem befondern Memorienbuche, um eisen halben 308 links vor in größerer Schrift, und zwar ganz nad) chronologiſcher Ordnung, ohne Rüdfiht auf Abfondernng der verfchtedenen Völker. Diefe Zahlen und Namen werben un vielleicht ſchon frühes, ale der erſte Geſchichtsunterricht beginnt , nach ber Reihe auswendig gelernt und dem Ge duchtniſſe, ohne Die geringite Anwendung von mmemonifchen Regeln, duraus feſt eingeprägt. Nimmt der Geſchichtfchreiber, wie gefagt, hier nur die Namen der Geſchichtsſonnen, fo wird die Zahl dieſer Namen und Zahlen fo groß nicht werben.

b) Wenn denn Schuͤler nın ein Zeitraum, ben eine fotche Sonne erleuchtet, worgelefen ober nacherzählt würde, und man foderte ihn vorher auf, das Gehoͤrte nachher and dem Gedaͤchtniſſe niederzuſchreiben: fo wuͤrde er ſich zu feinem Zwecke eine Zahl Namen von Männern, Begeben- heiten rc. merken, die für fick wieberum einen Typus Diefer gehörten Darftellung ausmachten. Diefen Typus Tann aber der pfychologiſche Gefchichtfchreiber beffer geben, als ber Schäfer fich benfelben in der Schnelligkeit machen koͤnnte. Sa, es tft viel daran gefegen, daß ver Gefcichtfchreiber felbſt diefen Typus aufftele, da er hierdurch in jedem Augenblicke vor Keberfällung von Namen in feiner Gefchichte gewarnt wird‘, indem er doch nicht bloß das Gebaͤcht niß der Schuͤler vollpfropfen will *)J.

7 Mar komme nur nicht auf ben Gebanken, daß das bloße Auslaſſen

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Dieſer amtergeorbnnete Typus Folge nun jedesmal dem Hauptnamen, and zwar je Drei Namen zuſammen, und son den folgenden Drei durch einen Gedantenftsich gefons dert, fo daß der Schäler diefe Namen gewiffesmaßen ‚ehyth- milch auswendig lernen kann. Sobald der Lehrer nun bie Darftellung eines Stuͤckes beenbigt hat, werben von dar ganzen Elaſſe diefe Worter fo lange rhythmiſch hergeſagt, bis diefelben van den ‚meiften Schülern auswendig chergeſagt werben koͤnnen. Zu Haufe kann dann jeber Schuͤler das ihm Fehlende noch zur Befeftigung des bereits ſchon Ge⸗ fernten nachholen. Monatlich müßte die Schule eine oder mehre Stunden zum gemeinfchaftlichen Herfagen dieſer bes zeitd erlernten Fleinen Typen anwenden. Da nun Lehrbuch und Typus nad) Beendigung eines Hauptabfchnittes :zufam- menftimmen und unverändert bei jeder Wiederholung die gewohnte Form behalten: fo muß ſich auch der ganze Typus in allen feinen Einzelheiten um fo feſter dem Ges

Dächtniffe der Schüler einprägen.

Man wird mir einwerfen, daß der Schüler alsdann zu viele Namen auswendig lernen muͤſſe; indeflen finde ich in einem folchen Auswendiglernen der Namen hellerer Punkte, die der Schüler fidy ohnehin fchon gemerkt hat, fehr wenig Schwierigkeit. Man verfuche nur mit Luft und Lebhaftigs feit, und man wird oft über die Stärfe der Gedaͤchtniß⸗ kraft der Schüler zu erftaunen Urſache haben. Berlangt Doch der Lehrer, daß der Schüler die heilen Punkte, welche vorgefommen find, behalten ſolle; ift e8 dann nicht beffer,

. der Namen, mie folches einige Schriftfteller verfucht haben, gemeint ſeiz nein, bie Stuͤckwerke ſelbſt müffen fortgelaſſen werden, wenn ſie nicht zur Charakteriſirung eines Großen und Zuſammen⸗ bangenden gehören: das todte Auslaffen der bloßen Namen ift laͤcherlich oder unheimlich. W

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daß man ben Schüler auch dazu in ben Stand feße, als daß man unbillige Foderungen macht und verlangt, er folle biefe Namen alle durch ein eins. ober zweimaliges Hören behalten? In der That machen diejenigen Lehrer, welche das Gebächtniß der Schüler am wenigften kultiviren, ‘gerade die übertriebenften Anfoderungen an daſſelbe.

c) Sn diefem Typus Einnten nun zu Ende eines jeben Hauptabfchnittes eine Menge Fragen geftellt werben, die der Schüler ſchriftlich müßte beantworten fünnen, wenn er dem Ganzen mit Aufmerkſamkeit gefolgt if. Die Beant⸗ ‘wortung diefer Fragen müßte den Geift der Gefchichte, ihren eigentlichen Zweck darftellen. Freilich ift es fchwer, gute Fragen zu ftelen; aber dem Gefchichtfchreiber, ber dieſe ‚Fragen ftetd während der Bearbeitung des Gegenftandes ſich anmerfte, würde hier feine Schwierigfeit finden. Spk terhin diefelben zu fielen, wurde gewiß fehr unzweckmaͤßig, zu allgemem und zu fehwer fragen laſſen. Auch in der Beantwortung diefer Fragen koͤnnte eine oͤftere Wiederholung des Geiftes der Gefchichte beabfichtigt werden.

5) Für die oberfte Claſſe einer höheren Volksſchule ſchlage ich noch den Gebrauch eines Typus höherer, geiftigerer Art vor.

Nachdem die Schüler diefer Claſſe in den vorigen Glafs fen den ganzen Curſus des Geſchichtsunterrichts angehört, umd fid) auf die angegebene Art eingeprägt haben, mögen fie fi durch Anfchauung von fonchroniftifchen ZQabellen dag Be⸗ fannte noch einmal vergegenwärtigen. Hierdurch follen fie nun das in gleichen Zeitabfchnitten Liegende aller Nationen noch einmal überfehen, und maflenweife fol vor ihren Aus gen die Menfchheit von Sahrhundert zu Sahrhundert in bes dentungsvollen Schritten durch die Zeit eilen. Sol aber auch dieſes Anfchauen des Menfchengeiftes nicht bei einem Angaffen ftehen bleiben, fo müffen die Zeitgeifter der ver fohiedenen Sahrhunderte u. Sahrtanfende, wie deren Voͤlker aller

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Längen und Breiten ber Erde mit einander verglichen werben, Dazu bedürfte ed nun einer Zugabe von dem Berfafler jenes Lehrbuches, in welchem im Allgemeinen der Synchronismus ver- folgt würde, der aber auch auf einen Synchronismus geiftiges rer Art, nad) welchem alles Gleichartige zufammengeftellt werben kann, Ruͤckſicht nähme, fo daß Männer wie Aleran: der, Caͤſar, Earl ber Große, Friedrich der Große und Nas poleon ıc. und Begebenheiten, wie die Voͤlkerwanderung, Kreuzzuͤge rc. oder ähnliche Urfachen zu ähnlichen Wirkungen, oder auch minder wichtigere Dinge ähnlicher Art zufammen- geftellt würden. Durch die Vergleichungen in Kants phy⸗ fifiher Geographie bin ich auf die außerordentliche Kraft diefer Methode aufmerffam geworden, und an Ritter, und hier und bort an Andern, fo wie hauptfächlich in der Praris habe ich mid; mehr und mehr von ber hohen Wirffamteit diefer Verfahrungsart überzeugt. Hier koͤnnte nun Mans ches deutlich und Far werden, was vorher von den Schüs lern nur geahnet wurbe, und hier könnte manche neue Ah⸗ nung zu fünftigen Reflerionen gewedt werben. Das Ganze aber müßte keinesweges als gelehrt, fondern einfach ans fchauend, einfach vergleichend, aber um fo mehr für die Menſchheit erwärmend wie erfennend dargeftelt werden. Hier, wie allenthalben wäre der Verfaſſer gezwungen fein eigened Innere herauszufchren. Welch ein Elend wäre es, wenn der Seelenadel, ber ſich auch befonders hier ausfpres chen müßte, nur ein gelichener, nur eine Verhällung wäre, Gebe fich darum Niemand an die Gefchichte, der auch fogar das Nothwendigfte von dem Charakter eined Lehrbuchfchreis bers: bie Liebe und das innige Streben zu dem Höchften und Schönften, nicht in fich fuchen dürfte. Gelehrfamkeit ift hier eher durch Bücher zu erfeßen, als diefes Gefühl. Nur Hu⸗ manität führt zur Humanität, und der wichtigfte Theil der Hu⸗ manität liegt im Herzen aber freilich nicht in einem matteıt.

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6) Wie werben jest im Stande fein, die Beantwor tung ber: Frage zu verfuchen: „Ob man den Eurfus allmaͤh⸗ fich erweitern, ober ob man denſelben gleich in feiner gan⸗ zen Groͤße aufſtellen ſolle?“

Da die Geſchichtsſonnen 9 hauptfächlich durch ihre erleuchteten Gegenftände Bedeutung erhalten und beibe zufamitten den gedehnten Curſus ausmachen; da es wegen der Einwirkung auf den Geift des Schülers nicht rathfam fein möchte, die Vorzüglichleit eined Gegenſtandes zerfplit tert und zwar Sahre lang aus einander zu zerren: fo fehe ich nicht ein, warum man fo ftüchweife verfahren fol. Viel⸗ leicht macht man mir den Einwurf, der Schuͤler kann nicht alled auf einmal faſſen. Wic? den Charakter der Sonnen Fan er faffen? aber nicht den ihrer Erden, ihrer erleuchtes ten Gegenftäide? Kann er noch Feind von beiden erfaffen, fo iff ex für einen Unterricht der Art noch nicht vorgebildet genug. Sol man ihn num erf weiter vorbilden, oder fol man den Gegenftand entwürdigen, ihn verzerren? O, der leidigen Kunft! die alles fir Kinder in der Wiege genieß— bar macht; fie zieht Die Wiffenfchaft zu den Kindern nies der, ſtatt daß fie die Kinder zur Wiffenfchaft erheben fol. Der Einwurf, daß dann doch ſchon etwas von ber Ge fchichte gelernt werde, und daß der Schüler, wenn er der Schule zu früh enfnommen würde, doch fchon etwas von der Ge⸗ ſchichte wuͤßte, verdient feine Beachtung; denn hier geht es um die Hülle, aber nicht um die Fuͤlle.

D Auf Nefuttare fürs Gedächtnis muß man da nicht zu fehr driugen, wo bie edlern Kräfte Der Seile freier wir⸗ fer mihen. Manche Lehrer ſind beſtaͤndig am Ueberhoͤren

+) Man zuͤrne nicht uͤber bie Beibehaltung eines Bilbes, das hier die weſentlichſten Dienſte leiſtet.

905 wo ſie beſſer einler nen und anwenden ſollien. Der Menſch kann und ſoll feine ganze Seele nicht auf ber Zunge haben. Der Geift muß einem Borne gleichen, ‚ber Ueberfluß ‚feines Haren Waſſers in fchlängelndem Laufe fegenfpenbenb Durch Weiden, Wiefen, Aecker und Haine fendetz jaber er darf feiner Pumpe ähnlich fein, aus welcher Seber fo viel zicht, als er mag. Wenn id) eine Kuh melken fehe, die ihr reiche liches, zartes Futter anf der Weide genoffen hat, fo fittde ich ſolches, wo nicht fchön, doch angenehm, wenn das ſtrot⸗ zende Euter von ber gefchäftigen Hand der friſchen, ſittigen Bauerbirne geleert wird; aber der Geift ſoll nicht alſo ‚ges nöthigt werben; nur vweranlaffen mag man ihn ſich zu ber wegen, und muß nicht gleich ihn anmaulen, wo feine tier drigſte Kraft nicht gleich jenem ‚Enter firost. Der Geſchicht⸗ ſchreiber fuͤr Schulen muß darum nicht zu großen Werth auf das Behalten jenes einzelnen Faktums legen, wenn: gleich er fich felbft auf das forgfältigfte bemüht, ſehr behaltlich zu fchreiben, und wenn gleich der Lehrer ſeinen Typus ‚mit Sorgfalt einzuprägen fucht; er muß darum -fo -Tchreiben, daß der Geiſt des Schülers doch viel, fehr viel lernt, wein diefer auch fehr viele Außere Fakta vergeffen follte. Die Erfahrung lehrt, Daß der Geſchichtskoͤrper ſich nach und nach verliert; aber die Erfahrung darf nicht lehren, daß dann der genoſſene Geſchichtsunterricht weiter von Beinem Nutz ſein ſollte. Denke ih mir num einen wahrhaft tuͤchtigen Main, der unfre Schulen mit einem folchen Lehrbuche beſchenken koͤnnte: fo moͤchte gerade ein ſolcher Mann um feier Tuͤch⸗ tigkeit willen, bie.alle Eitelfeit zuruͤcklaͤßt, und nur auf bie Wirkſamileit fieht die Vorarbeiten nicht zu verſchmaͤhen Hefonnen fein, die ganz vorzügliche Männer bereits in-bies fem Kache geliefert haben. Bevor er die Schuͤler nun in ven Tempel ber Gefchichte führte, moͤchte er -Dagjenige, was

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12 bis 16: jährigen Schülern von dem Zwed und Werthe der Gefchichte aus Schiller: „Was heißt, und zu welchem Zwecke. ꝛc.“ Ear und faßlich darzulegen iſt, aufftellen. Das durch müßte die Sugend ergriffen werden, und nur: Dann würde er diefe Einleitung als gelungen anfehen koͤnnen, wenn die Jugend, die es hörte oder läfe, mit einem heilis gen Gefühle von Ehrfurcht die Schwelle des Gefchichtsteims pels beträte. Die Schilderung des eriten Menfchengefchlechts von Schiller würde dann, noch etwas faßlicher, aber Darum nicht weniger würdig, dargeftellt ‚darauf folgen, und «es koͤnnte Dann das Nöthigfte der Sagen vorfommen, und auf diefe Weife zu den Altefien Staaten der Welt hinführen. Der Gefchichte eines Volkes müßte. eine, kurze Charakteriftit des Landes vorhergehen, und damit dieſer Eindrud auch für das Äußere Auge auf diefelbe Art fich erneuerte, müßte for wol eine fehr gute Hands ald Wandcharte ber alten Welt möglichft das getreu darftellen, was der Unterricht Geogras phifches gelehrt hätte. Dann möchte ſich der Lehrer wol am beften firenge an Luden oder Heeren halten und fo ferner bin die berühmteften Darftelungen der vorzuͤglichſten Maͤn⸗ ner und Begebenheiten benuben. Wäre dieſe Gefchichte wirklich klaſſiſch gefchrieben: fo könnte man wenigſtens in einer Stunde immerhin diefe ſtatt des 30 jährigen Krieges und der Gefchichte des Abfalles der Niederlande mit dem Schüs ler lefen, und in der Zeit von 4 Stunden wöchentlich, Die dann für Gefchichte ausgewonnen würde, koͤnnte man fehr bequem eine Gefchichte von 300 bis 400 Bogen einlefen und einüben.: Dem Ganzen habe ich doch die Bemerkung hinzus zufügen, daß es durchaus zweckmaͤßig ift, die Länge ober Kürze der vorleßten Silbe der Namen allenthalben anzuges ben. Beckers Gefchichte hatte durch diefe Einrichtung vor andern Gefchichten einen Vorzug, der Vielen außerordentlich angenehm war, und es ift mir unbegreiflich, warum Herr

297° Dr. Loͤbell diefen Vorzug fo ganz außer Acht gelaffen har. Mag er immerhin dort die Betonung weglaffen, wo er ſelbſt nicht fücher ift, Andere werden dann ſchon nachhelfen 5; aber Nichts zu geben, weil man nidht Alles geben ann’ halte ich nicht für ein richtiges Princip. Wie Viele belehren ſich aus einer guten Geſchichte, die bieſe Maſſe von Namen nie gehört haben!

Behandlung des Lehrbuches.

So lange Beckers Gefchichte noch nicht übertroffen iſt, gebrauche der Lehrer diefelbe und merfe ſich bloß: die Vers befferung der Unrichtigfeiten aus Loͤbell an. Ich gebe gerne zu, daß die durchaus veränderte Darftelung der Gefchichte in der fechsten Ausgabe von Loͤbell ihr Vortreffliches, und ihre großen Vorzüge vor der Beckerſchen hat; aber für die, fes Alter der Schüler ift eine folche Spracde und Darftelf Iungsart durchaus unzwedmäßig. Die Bortrefflichfeit der Darftellungsart Beckers Tiegt keinesweges in dem heut zu Tage fo beliebten gedrängten Tacitufifchen Geſchichtsſtil; fondern in feiner Faßlichkeit ıc. fiehe Nro. 1a —d Wenn ich fage: der Lehrer leſe in dieſer Claſſe die alte Geſchichte mit den Schuͤlern ein, oder er leſe dieſelbe vor; ſo wird Mancher dieſe Anfoderung an den Lehrer zu niedrig geſtellt glauben. Denen habe ich zu antworten:

Erſtlich ſoll dieſes Eins oder Vorleſen Fein mechaniſches ſein; jeder Gedanken des Schriftſtellers ſoll Stoff zur Be⸗ arbeitung des jugendlichen Geiſtes geben. Wenn ich das Geſchichtbuch mit Campes Robinſon vergleichen ſoll, ſo ſoll das Buch den Robinſon und die Verarbeitung, das Anpaſſen und Anwenden deſſelben für jeden einzelnen Schuͤler, ber Bemühung des Vaters gleichen, um Gott, Welt, Menfchen und fich feldft näher Tennen zu lernen. Der Schriftſteller fpricht für alle, der- Lehrer für jeden Einzelnen, wacht deut⸗

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lich, wo es nöthig fein follte. Der Lehrer, der nebenbei feis nen Sohannes von Müller, Schiller, Luden and Heeren ſtu⸗ bist, foll dahin ftreben, nicht feine Schäfer mit noch mehr Raifonnements zu überhäufen, fondern dem Lehrbuche als ein treuer geiftiger Gehülfe fich zur Seite zu fielen. Um nun gerade ben Geifte der Gefchichte deſto ungeflörter fol⸗ gen zu koͤnnen, und das Material der Bildungsſtufe jedes Schülers um fo mehr anzupaflen, bat der Lehrer dann nicht nöthig, feine befondere Aufmerkſamkeit auf den Buchftaben zu richten. Sein Borlefen foH mehr einer lehrreichen Unter⸗ haltung gleichen. Lieſt er uͤbrigens da, won weiter nichts zu bemerfen ift, mit natürlichem Tone ganz fo dor, wie er er⸗ zählen wuͤrde: fo ift dieſes Borlefen von dem Erzählen os aehin wenig gu unterfcheiden.

Zum andern muß ich bemerken, daß der freie Vortrag der meilten Lehrer dem jener empfohlenen Schrift. bei weis tem, ſowol im Hinfiht der Sprache, ale in der Einheit des Gedanfenganges und in Verfolgung emed Hauptzweckes nachſteht. Was ferner den freien Bortrag vieler Lehrer bis trifft, fo ift der oft nicht weiter, als ein Ableſen ihrer Hefte. Da mag benn das eritere Vorlefen, bei weldyem ber Xehrer noch als befonderer Interpretor auftritt, doch fehr oft noch vorzuziehen fein.

Da ferner jeder Theil wiederhoit werden muß, fo ge fehieht folches befier mit denfelben, als mit andern Worten; es möchte ſonſt mancher Umftand, der Wieden angenehm fein möchte, vergeflen oder weniger angenehm behandelt werben unb endlich möchte, wenn wir einmal ein vorzuͤgliches Buch der Art haben werben, eine allgemeine Inerfennung der Vortrefflichkeit eines folchen Werkes und der allgemeine Gebrauch deſſelben in Schule und Hans den Gefchichts fehreiber mehr und mehr ermumtern, fich einem folchen Werte ganz gu wibmen, und demſelben mit ber Zeit Elaſ⸗

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fleität zu geben. Sollte dann ein ſolches Wert nicht: beſſer fein, als die Zufammenftellung vieler, nicht fo tief in die . Öefchichte eingedrungenen Lehrer.

Sollten meine ausgefprochenen Anfichten als richtig er⸗ kannt oder berichtigt werden: fo möchte ed wol rathſam fein, wenn diejenigen Lehrer der Gefchichte die ſich im Stande fühlen, wenigftens hier und dort einzelne Theile nach den als richtig erfannten Grundfäßen felbft zu bearbeis ten, oder auch nur von Andern zu benußen Diefe ihre Produkte in dem Stil von Engel Iffentlich darboͤten. Dieſe einzelnen Ars beiten würden den Lehrern der Gefchichte gewiß ein brauchbares Material geben, als eine zwangloſe Zeitfchrift Abſatz fins Benz; und vielleicht offenbarte fich bier bald ein Talent, Das faͤmmtliches Material vorzäglich benutzen, zu einem Ganzen zuſammenſtellen und das Fehlende ſelbſt ſchaffen koͤnnte.

Man verzeihe dieſe kurze Abſchweifung; ſie kann gute Folgen haben.

Waͤhrend der Unterhafting merke ſich ber Schuͤler, wo noch noͤthig, in kurzen Saͤtzen die Folgen der Geſchichte und Zahlen in ſeinem Hefte an. Nachdem ein Hauptabſchnitt durchgearbeitet und wiederholt, und von ben Schuͤlern zu Hauſe vielleicht oͤfter nachgeleſen worden iſt, gebe der Leh⸗ ter jedem Schuͤler einen Theil der Periode ſchriftlich zu be arbeiten auf, welches unter den Augen des Lehrers oder der Eltern geſchehen kann. Dieſe Arbeiten werden von den Schuͤlern auf Papier gleicher Art geſchrieben, als eine zus fammenhängende Gefchichte einer Periode gufammengeheftet and als Eramerfarbeit benutzt. Periodenhefte Der Art wer den dann unter den Schülern verloofet, damit allen ein As denken an die Gefchichtsftunde und an bie Verfafler ber eins zelnen Arbeiten angeregt wird, wenn der Lehrer babei nut jede Unterfchiebung fremder Arbeit unmöglich zu machen ſucht. So lange wir nun noch keine Lehrbücher haben, bie

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das vollfommen leiten, was fie nach. richtigen Anfichten leiften follten, fo Tang muß der Lehrer mit Danfbarer Benu- gung bes vorhandenen LTehrbuches den Mängeln, fo gut er Tann, zu Hülfe zu fommen fuchen.

Möchte diefe meine Auffuchung eines beffern Weges eine gründlichere Feſtſtellung auch nur anregen.

DD) Rechnen.

Wochentlich 3 Stunden.

Das Rechnen wird nach dem angegebenen Rechenbuche fortgefegt, und es Fann in diefer Claſſe der größte Theil des Faufmännifchen Nechnens abfolvirt werben.

. HD Franzoͤſiſche Sprade,

Woͤchentlich 5 Stunden.

Zu Anfang diefes Sahres wird die Einübung ber Con⸗ jugation mit allem Fleiße in der Schule fortgefeßt. Der Schuler lerne ſaͤmmtliche Stammformen und die Ableitungss regeln zur Bildung der andern Formen ganz genau,. etwa’ nad) Mozins Anordnung, fennen. Alsdann nehme der Leh—⸗ rer alle Zeitwörter vor, bie in diefem Sahre beim Ueberfes Ben vorfommen werden und arbeite auf diefe Weife dem Ueberfeben vor.

Nachdem der Schüler nun in voriger Claffe ein ordent; liches Material empfangen und großentheild in ſich verars beitet hat, ift er im Stande, Regeln zu verfichen und ans zuwenden. . Zu dieſem Zwecke eignet fich der zweite Theil

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des Elementarbuches von Seidenflüder in vorzuͤglichen Grabe, und zwar aus folgenden Gründen: _

1) Seidenftüder Kat die Regeln einer Wortart zufams mengeftellt, fo daß dieſe in den nachfolgenden Stuͤcken ſammt und fondersd angewendet und eingeübt werden. Diefes Vers fahren ift zweckmaͤßiger, als das der Vereinzelung, da bier dem Verftande und dem Gebächtniß ein in mancher Rück ficht fehr enges Band zu Hülfe kommt, und da es nicht fo leicht einen Mechanismus in der Anwendung auffommen [äßt, ald wenn jede Regel für fich eingeubt wird. Es ift aber auch zweckmaͤßiger als ein folches, das Die Kenntniß fammts licher Regeln vorausfeßt, indem da von dem Schüler zu viel gefodert wird.

2) Hat Seidenftücer die Regeln ber franzdfifchen Gram⸗ matif mit befonderer Klarheit aufgeftellt, und zwar auch fo, daß diefelben nach klarer Einficht leicht auswendig gelernt werden koͤnnen.

3) Hat er die feltner vorfonmenden Nebenregeln, auf . die ber Lehrer während des Durchlefend eines Schriftftellerg gar leicht aufmerffam machen kann, in diefem Theile außer Acht gelafien, um den Schüler nicht unnöthigerweife mit Regelwerk zu überhäufen. Der Schüler wird Regeln ber Art mit der Zeit unter Anleitung des Lehrers felbft finden, wenn fein Sprachgefühl durchs Leſen vorzüglicher Schriften fchon feiner ausgebildet worden ift. Freilich wartet Mozins Grammatif nicht erft auf eine gewiſſe Feinheit des Sprach gefühls; aber ich glaube auch, daß diefe Menge der todten Regeln einer franzöfifchen Grammatif, auch gar zu Teicht dem. Gebächtuiffe wieder entfchwinden, im Fall Regel für Pegel eingeubt und vorher eine gewille Bildung des Sprach⸗ gefühls nicht berüdfichtigt worden ift.

4) Führt diefes Buch gar bald fo weit, daß man mit den Schuͤlern den Telemach oder ein anderes klaſſiſches

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Buch .Iefen. kann. Dan kann nun folgenben Weg ein⸗ ſchlagen.

a) Es werden die Regeln des erſten' Drittels fo Lange bes fprodyen und eingeübt, bis fie dem Schäler durchaus Har und feinem Gebächtniffe eingeprägt find. Waͤhrend befien lernt der Schüler die nöthigen Vokabeln ber erften zwölf Stüde.zu Haufe auswendig.

b) Der Lehrer überfeße mit ben Schülern Das Stüd fehr forgfältig, laſſe dafjelbe dann fchriftlich Äberfegen, mb nach feinem Vorbuchſtabiren ftrenge verbeflern. Seber Schaͤ⸗ lee muß beim Verbeſſern den gemachten Fehler angeben, und Nachlaͤßige muͤſſen die Negel zu Haufe abfchreiben, gegen welche fie oft gefehlt haben. Gorrigire ein Schüler nad läßig, fo mußer noch einmal das Stuͤck zu Haufe überfegen.

e) Die franzoͤſiſchen Stücke werden gleich auf deutſch, und die deutfchen gleich auf franzöfifch umb zwar fo oft zu⸗ fammengelefen, bis alles gut geht. Dabei muß der Lehrer forgfältig auf jede Schwierigkeit achten und bie Schüler daran gewöhnen, über nichtd wegzugehen, was fi e nicht voll⸗ kommen verftehen.

d) Sft ein franzöfifches Stuͤck ins Deutfche uͤberſetzt wor⸗ den, fo überfeße es der Schuͤler in Gegenwart bes Lehrers ins Franzöfifche, wobei der Lehrer jeder Frage gewärtig if. Gefchieht dieſes mangelhaft, fo wird das Stud aufe Neue durchgenommen, und aufs Reue lıberfebt.

e) Bon 12 zu 12 Stüden mag die Klaffe eisen Haft wachen, das Vorige fo Tange wiederholen, zufanmenlefen, einzelne Säte fchriftlich uͤberſetzen bis alles ganz eingepräst ift, und ber Schäler, völlig bereichert mit dem Borigen,' mit neuer Kraft die folgenden 12 Stuͤcke anfanger Tamm, deren Wörter vorher zu Haufe auswendig gelernt werben.

Arbeitet der Lehrer auf Diefe Art den größten Theil des Buches durch, fo wird der Schäler nad) Berlauf eines

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Sahres im Stande fein, mit Nutzen einen Schriftfteller zu Iefen und andere beutfche Stuͤcke ind Franzoͤſiſche zu übers fegen.

Freilich ift der Schüler in dieſem Buche fehr abhängig vom Lehrer geblieben, da es dem beften Schhler oft unmoͤglich gewefen ift, ohne Beihuͤlfe des Lehrers zu arbeiten; aber Dadurch wurde der Schüler um fo rafcher geförbert. Die eigene Thätigfeit des Schülers brauchte aber nicht das mindefte zu leiden, wenn der Lehrer bei jeder Sache Klar heit verlangte und dieſe Durch Fragen anzueignen fuchte. Daß jedes beflinirs und konjugirbare Wort, wondthig ab⸗ geändert werden mußte, daß der Schüler ermuntert werben mußte, die durchgearbeiteten Städe zu Haufe oft für ſich laut zu lefen, das alled bedarf Feiner nähern Erwähnung.

6) Seometrie

Woͤchentlich 2 Stunden. nu Auf diefelbe Art, wie in der untern Elaffe.

DReligiom

Woͤchentlich 2 Stunden.

Auf diefelbe. Art, wie in ber untern Claſſe. Dräfeles Catechismus wird abfolvirt.

3104 8) Deutſche Sprade.

Woͤchentlich 3 Stunden.

In dem erwaͤhnten zweiten Curſus der deutſchen Gram⸗ matik müßte fuͤr dieſe Claſſe nun noch eine gedraͤngte Zus ſammenſtellung der Regeln uͤber Beſtimmtheit des Ausdrucks, Schoͤnheit der Perioden, Lebhaftigkeit, Natuͤrlichkeit, Wuͤrde, Wohlklang der Schreibart und eine Aufſtellung feinerer Regeln unſrer Sprache vorkommen. Was die erſtern Re⸗ geln betrifft: ſo iſt durch das Einleſen ganzer, vorzuͤglicher Schriften ein durchaus zweckmaͤßiger Grund gelegt worden, ein Grund, der bereits ſich dem ganzen Blute des Schuͤlers mitgetheilt hat, und der gewiß unendlich mehr werth iſt, als die heut zu Tage ſo laut poſaunende und hochgelahrte Secirerei von Kleinigkeiten. Dieſe ganz einfach und kurz zuſammengeſtellten Regeln lerne der Lehrer mit der Claſſe ein, und gebe die noͤthigen Erklaͤrungen muͤndlich hinzu, die er etwa in Rumpfs deutſchem Sekretair einfach und ſinnig ausgefuͤhrt findet. Lehrer und Schuͤler muͤſſen im Stande ſein, jede Regel nach Angabe derjenigen Zahl, die als Nu mero ihr vorgeftellt ift, herzufagen. Wenn nun etwa En geld und Joh. von Müllers Reden auf Friedrich den Gro⸗ Ben, Schillers dreißigjähriger Krieg ıc. hin und wieder mit diefen Zahlen verfehen wären: fo läge hierin der beite praf tifche Anleit für Lehrer und Schüler. Sollten dadurch nicht Leh⸗ rer und Schüler ſich gewöhnen, die Schönheiten einer edlen Screibart auch mehr und mehr mit vemBerftande aufzufaffen?®)

13 '

*), (> Will man bier aber die Form flets mit dem Verſtande ſeciren; will man mehr , ald daß der Schüler dad verſtehe unb- fühle, was er lieft: fo wird man den Geift vom Leibe ſchneiden, und nur diefen geben, indem jener das leidige Formenweſen fliehts fo wird

305 Schriftliche Verfuche möchten, . befonders mit Schuͤlern

diefes Alters, zu dürftig ausfallen. Beſſer, fie lernen der⸗ gleichen an großen Geiftern bewundern. Wenn dann mit

der Zeit in Manchem von ihnen ber Geift fidy regt und

man bie Zugend durch ein fo unleibliches Buſtabenweſen von der Empfindung des wahrhaft Schönen abfchredien, und das, was bie Zugend wahrhaft veredeln und erfreuen follte, wird ihr bie brü- ckendſte Langeweile machen, ihr efelhaft vorkommen. Dan verſuche es nur mit den ſo hochgeprieſenen buchſtaͤbelnden Lehrbuͤchern, und geſtehe ſich aufrichtig, ob man denn wirklich etwas anderes als Buch⸗ ſtaͤbelei und Langeweile erreicht hat. Man ſehe dann zu, ob der Schuͤler wirklich feſt in der ihm noͤthigen Grammatik iſt, und ob ſein Stil dadurch nach Verhaͤltniß des Aufwandes von Muͤhe und Zeit gewonnen hat. Man frage doch unſre Alt- und Großmeiſter des deutſchen Stiles, frage z. B. unſren großen Goͤthe, ob er, ob alle dieſe geiſtigen Heroen durch dieſe jaͤmmerliche Schulmeiſterei zu ihrem edlen Stil, zu ihren bewunderungswuͤrdigen Darſtellungen gekommen find, und ob fie wirklich bei ihrer tiefſten Kenntniß des Geiftes unfrer Sprache in einer Prüfung über die heutige Ber: gliederungstunft als ordentliche Schüler beftehen würden !

In der That, ein elender Scholaſticismus ift in die Paͤdagogik und befonders jest in die Etymologie und den Sabbau hineingefab: ren und unterfucht in ber Kinderſchule mit allerhöchft gelahrten Mienen, ob der Stein des Anftoßes, der Buchflaben feines Namens wegen, ein Marmor, ein chat, ein gemeiner Kiefel oder ein Quarz von den und den Beimifchungen gewefen fein müffe, und ob einer der genannten Steine nad) Maafgabe der Qualität und Quantität feiner einzelnen Elemente nicht eher den Ramen Anftoßflein, oder Steinftoßan, oder Steinanftoß verdienen möchte. Die Sprachregeln häufen fich dadurch für Kinder zu Legionen, und ber arme Junge, der vor lauter Sprachphilofophie ganz unphilofophifch wirb, mag . froh fein, wenn er Perioden bilden Iernt, wie: Meiner hochgelieb: ten Mutter Haus ift von meines haarfein analyfirenden Schulmei: flerd Vaters Bruder für 1000 preußifche, harte Thaler in des ver: wichenen Jahres regnigtem Monate April aus freier Hand ehrlich,

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große Gedanken hervorbringt: fo wird biefen bie Form um fo weniger Schwierigkeit machen. Sa, ich möchte fagen, das Beſtreben fchöne eigene Perioden von Schülern bilden gu laſſen, wäre thöricht, da hauptfächlich ber ſchoͤne Gedan⸗ fen die hoͤchſte Schönheit der Periode ausmacht und fchön denfen ift nicht Sache des Knaben; das foll der Juͤng⸗ ling und der Mann noch immerhin Ternen, indem er bie Meifterwerfe großer Männer ftudirt. Dabei bleibt es aber gewiß gut, den Knaben für ein ſolches Studium empfaͤng⸗ lich zu machen und zu gewinnen.

Das Erflären und Einüben erft gedachter Segeln mag nicht fo viele Zeit wegnehmen; der Lehrer mag dann in dDiefen Stunden und fpäterhin bei befondern Gelegenheiten,

und nicht auf Schleichwegen getauft worden, weil... (...) ..., ins DEM ... (...) ..., MD. (.. ) ... u. ſ. w. Ach, welch eine ſaure Muͤhe koſtet es nicht, bis man einen Knaben auf dieſe Weiſe zu einem Goͤthe, Schiller, Kant, Fries, Luden ober Hessen xc. dreſ⸗ firt dat! Jedoch nur Muth! ihr Lehrer, das Zi wirb endlich erreicht; fanget mit euern Schülern nur philoſephiſch reflektirend und analyfirad, treu in ber Lautirmethode mit deu Lippen= und Gaymenlautern, mit den Schnalgern und Kakelern %,, aljo mit den einfachſten Elementen au; feget biefe mit hoͤchſter Vorficht zu Vor: Haupt> und Rachſilben, dann zu Wörtern wach mathemati- ſcher Zuſammenſetzung ber 24 Buchftaben zufammen; unterfucht philoſophiſch ſtrenge Has ganze Reich der Möglichkeit in der Zuſam⸗ wenfesung aller vielfilbigen Wörter; ſchaffet recht viel hochgelehrt klingende Secir⸗Namen; fahret dann auf gleiche Weile mit dem Satz⸗ und Periobenbau, wie auch mit ber Stiliſtik im engern Sinne fort, und wie Tönnte es fehlen, eure Schüler werben dann jes ben Buchflaben, ja jeden. einfachen Satz nicht allein Eennen, jondern auch verfesen lernen, in welcher Fertigkeit die größten Geifter aller Sabrhunderte, von Zaut an, fich fo bewundernswuͤrdig hervorge⸗ getban, haben! Ach! wären doch diefe Männer alle auf diefe Art unterrichtet worden!

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die feinern, aber and) allgemein näglichen Regeln der Grams matt vornehmen. Diefe müßten nun in dem erwähnten Curſus ganz einfach und Klar aufgeftellt werden. Befonders empfehle ich dem Verfaſſer, die faft alle fehon angenomme- sen Forfchungen bed verewigten, in jeder Ruͤckſicht vortreffe lichen, Seidenftäder, ehemaliges Direktors des Archigymna⸗ fiums zu Soeſt. Dieſer Sprachforfcher verſtand es, die Re⸗ geln aus dem Geift und Körper unfrer Sprade wunder fam fcharffinnig aufzufuchen, und einfah und üben zeugend darzufiellen. Gewiß viele Freunde der deutſchen Grammatif bedauern es mit mir, daß Diefer große Mann über feiner Ausarbeitung ber kritiſchen Grammatik ge ftorben ift. In feinem Nachlaffe finden wir den größten Theil feiner Korfchungen, die Mancher fennen wird, ohne zu willen, baß wir Diefelben gerade ihm verdanken. Mit welch einem Aufwande von Gelehrfamfeit wird jebt von Manchem das Kleinfte gefucht und dargeftelt! Der Lehrer Laffe ſichs überhaupt angelegen fein, den Schüler in dag wahrhaft Innere unfrer Sprache hineinzuführen, und dazu dienen auch noch befonders Die Synonymen, deren Inter fcheidung den Schilern um fo weniger fchwierig werden wird, als fie ſich an fo fehr vorzäglichen Schriften herauf gebildet haben. Jedoch warne ich hier vor aller Mlanberei. Befondere Stunden find hierzu ‚nicht erfoderlich; ber Lehs rer kann hier viel beim Leſen der Schriftiteller thun. : Wer ein Synonymiker werden will, muß als Sängling und Mann fich diefen, Forſchungen hingeben. J

99 Slographie. J 961 . tg. Wochent lich 3 Sthuben, In diefer Elaſſe wird Europa durchgenommen.

u *

308 10) Geſang.

Woͤchentlich 2 Stunden.

Diefe Elafie hat der Gefangunterricht mit der britten Claſſe gemeinfchaftlih. Es werden hier die Lieder der beis den Gefangbächer von Gläfer fo viel als nöthig wieder holt, dann die Motetten von Gläfer ıc. und andere vier ftimmige Sachen gefungen. Bei dem Allen dürfen aber die Uebungen an der Xonleiter nicht vernachläßigt werben; denn ganz feft im Treffen ift gewöhnlich nur der Muſiker und Sänger von Profeffion.

11) Mathbematifhe und phyfifhe Geo; graphie

Wöhentlih 2 Stunden.

Die mathematifche Geographie von Kries ftellt bag Köthige in der Kürze fharf auf und eignet fich, mit Aus ſchluß einiger ausführlicher zu behandelnden mathematifchen Säben, zum Buch für die Schüler. Nachdem ber Lehrer den vorftehenden Paragraphen mit aller Deutlichkeit dem Schuͤ⸗ ler vor Auge geftellt hat, Iefe er denfelben aus Kries vor und unterfuche, ob jeder Gebanfen des Paragraphen von dem Schüler ganz aufgefaßt worden ift.und mit Beſtimmt⸗ heit in defjen eigenen Worten wiedergegeben werden kann. Was die phyfifche Geographie betrifft, fo Liefert und Schelle zwar einen trefflichen Auszug aus Kants phufifcher Geo⸗ graphie, der auf diefelbe Weiſe wie der von Kries zu behans deln wäre; aber es wäre Doch zu wünfchen, daß die neuern Entdeckungen beigefügt ıc., daß vorzuͤgliche Abhandlungen

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über Bergleichungen der Volksftämme, der Climate, Pros bufte, Gebirge ıc. angehängt würden, und daß das Buch für den Schüler das Nothwendige in aller Kürze enthielte. Ueberhaupt möchte es fehr zwedimäßig fein, wenn Akade⸗ mieen, in Verbindung mit ausgezeichneten praftifchen Paͤdago⸗ gen, Schriften der Art veranlaßten, das Vortrefflichfte jedes Einzelnen fammelten, frönten, und wenn die hohe Obrigkeit dann für Einführung folcher Schriften forgte. Wir kämen dann gewiß fehr bald zu den wortrefflichften Lehr- und Schuß büchern. Wäre es dann nicht gut, wenn dem Furzgefäßten Schulbuche, das dem Schüler in die Hände gegeben wird, ein Lehrbuch für den Lehrer zur Seite geftellt wuͤrde, das, um unzwecmäßige Erweiterung des Curſus zu verhindern, nur das im Lehrbuch gedrängt Angegebene ausführlich durch⸗ aus einfach und deutlich behandelte, und durch eigene Be⸗ handlung jebes Gegenftandes bem Lehrer auch in NRücdficht auf die Methode ein Wegweifer würde? Der Berfaffer eines folchen Lehr= oder Schulbuches für beide Gegenftände hätte aber darauf zu fehen, baß fein aufgeftellter Curſus auch für Schüler‘ diefes Alters in einem Sahre zu wöchentlich 2 Stunden durchgelehrt und wiederholt werden Eönnte.

I ———

3te Elaffe. Schüler von 13 bie 14 Jahr.

I ——_———__—_——— 1

9 Leſen.

Woͤchentlich; oder 4 Stunden.

In dieſer Claſſe. werde Schillers Geſchichte des Abfalles der Niederlande eben ſo durchgearbeitet, als in der vori⸗ gen der dreißigjaͤhrige Krieg.

310 2) Deutſche Sprache.

Woͤchentlich 2 Stunden.

Nachdem der Lehrer eine kurze Ueberficht der Metrif mitgetheilt hat, die auc, in dem erwähnten zweiten Eurfus enthalten fein follte, benuge er die übrige Zeit zum Unter richte in fchriftlichen Ausarbeitungen.

Gr wähle babei etwa folgenden Gang.

a) Dem Schüler werde ein vorher befprochened oder auch nicht befprochenes Thema aufgegeben, über welches er innerhalb vier oder fünf Tage eine Ausarbeitung liefern muß, die von dem Lehrer durchgefehen wird.

b) Sn der nächftfolgenden Deutfchfprachftunde wirb bas Thema gemeinfchaftlich meditirt. Zu dem Ende gibt jeder Schüler Gedanken an, bie, von dem Lehrer geprüft und gut befunden, yon allen niedergefchrieben und mit einer fortlans fenden Nummer bezeichnet werben.

c) Sn den folgenden Stunden wirb damit fortgefahren, bis endlich Fein nothwendiger. Gedanken mehr fehlt. Dam möffen die Schüler angeben, nach welchem allgemeinen Schema, von welchen die nöthigen auch in der Grammatik mitgetheilt worden find, diefer Gegenſtand difponirt werden koͤnne, und in wie fern man abweichen müffe. Seder Schi ler entwirft dann die Difpofltion.

d) In der folgenden Stunde wird eine, oder es wers den zu Zeiten auch mehrere der beiten Difpofitionen feſtge⸗ feßt. Dann wird jeder Sag gelefen und angegeben, wohin feine Nummer gehöre, bie dann der Unterabtheilung der Difpofition Beigefchrieben wird. Dann werden die Säge ber geordneten Reihenfolge nach abgefchrieben,, ber Schüler ars beitet den Aufſatz in der nämlichen Woche aus und bringt denfelben dem Lehrer zur Anſicht.

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e) Diefer gibt in der folgenden Stunde fein Urtheil und lieft über daffelbe Thema einen den Schülern verftänds lichen Aufſatz eines guten Schriftftellers vor, bei welcher Gelegenheit er befonders auf Die Uebergänge, auf die Dars ftelung des Einzelnen ıc. verglichen mit den Arbeiten der Schüler, anfmerffam macht.

Werben auf diefe Art in dem ganzen Jahr auch nur wenige Themata doppelt oder dreifach (wenn nämlich gleich nad; der Meditation ſich der Schüler verfucht) ausgearbeis tet: fo befommt ber Schüler doch eine richtige Idee von Anordnung der Gedanken, und mehr kann von einem Knas ben nicht verlangt werben. Uebrigens muß der Schiler nod) andere Auffäbe, wie beim Neligionsunterricht, bei der Geſchichte, Geographie ıc. liefern.

3) Schreiben.

Woͤchent lich 2 Stunden.

Nach Heinrigs Vorfchriften oder Lehmanns Planzeich⸗ nungen. Waͤhrend deſſen uͤbt ein anderer Lehrer die Schuͤler einzeln im Deklamiren. Hierzu waͤhle der Lehrer nicht viele, aber ganz ausgezeichnete Sachen aus Heinſius und Rein⸗ becks Rhetorik, aus Engels Philoſophen und die erwaͤhnten Reden von Engel und Johannes von Muͤller. Durch letz⸗ tere mag ber Lehrer beſondereGelegenheit finden, den Sinn der Schüler für das preußifche Koͤnigshaus ıc. zu feſtigen.

1 N) Geſang.

Woͤchentlich 2 Stunden.

. Die Schüler diefer Claffe haben den Gefangunterricht mit den Schülern der vorigen Claſſe gemeinichaftlich. _

——

5) Rechnen.

Woͤchentlich 3 Stunden.

Dieſe Claſſe holt das im kaufmaͤnniſchen Rechnen noch nach, was einem wohlgeuͤbten Rechenſchuͤler, der ſich fuͤr das Comptoir oder Bureau bildet, noch fehlt. Iſt aber dieſe Bedingung ganz erfüllt, fo macht der Lehrer den Ans fang mit der Buchftabenrechnung.

Zu dem Ende finde ich die Aufgaben von Meier Hirſch fehr zweckmaͤßig, da diefe hinlängliche Hebung geben, wenn biefelben einigemal gerechnet werden muͤſſen. Egens Hands buch führt den Lehrer hier ficher und Euler zeigt im Allge gemeinen nochnäher, wie er die Säge einfach und klar dar ftellen müffe. Der Lehrer gehe hierbei nur von feinem Sage ab, der dem Schüler nicht ganz deutlich geworben iſt und wiederhole Regeln und Beweiſe fehr oft. Es wäre wol zwedmäßig, wenn eine ganz zufammengedrängte Zufammen ftellung der bloßen Regeln in den Händen des Schülers wäre, damit diefelben, vielleicht ohne alle Beweife, um fo leichter dem Gedächtniffe der Schüler ganz einverleibt werden Fönnten.

313 6) Franzoͤſiſche Sprade.

Woͤchentlich 5 Stunden.

Wenn gleich der Zweck diefes Gegenftandes bei vielen Schülern Eorrefpondenz ift, fo darf die Hebung darin noch nicht beginnen; denn diefer Zweck wird um fo leichter und ficherer .erreicht, wenn der Schüler erft die Sprache von ihs rer edlern Seite fennen lernt, und das gefchieht durchs Les fen Elaffifcher Schriften. Dadurch wird des Schülers Sprachgefühl geichärft und verfeinert, und er wird dann mit deſto mehr Leichtigkeit Gedanken des gewöhnlichen Le⸗ bens ausbrüden lernen. Damit aber durch Erlernung einer fremden Sprache nicht auch fremde Wefenheit unfrem Volks⸗ charakter eingeimpft werde, ein Umftand, den ich fehr bes denklich finde, möchte ich die Schriften eines Mannes vors ſchlagen, der zu den edelſten Menfchen der Erde gehört hat, und auf den Frankreich ftolz fein darf: ich meine die Schrife ten bes weifen Fenelon, und zwar zuerft feinen Telemach. Man werfe mir nicht ein, der Telemach ſei für einen fünf tigen Herrfcher gefchrieben. Fenelon wollte aus feinem jun- gen Dauphin einen Menfchen edelfter Art ziehen, und ihm zu dem Ende Grundfäge der Humanität einprägen, und diefe paſſen für jeden Menſchen. .

Man table ferner das prunfende Kleid nicht, in wel- ches Fenelon diefe Lehren huͤllt. Schmedt denn koͤſtlicher Wein nicht beſſer aus einer goldenen Schaale, als aus eis nem hölzernen Napf? Stellt doch unfre ganze Geſchichte, ſtellen doch unſre groͤßten Dichterwerke mehr Koͤnige und andere hohe Perſonen, als Leute aus dem Mittelſtande auf. In den Liebesſcenen der Callypſo wird der unverdorbene Schuͤler nichts Anſtoͤßiges finden, denn dem Reinen bleibt ſolches rein; dem verdorbenen Schuͤler aber werden Ideen,

die ihm fchmußig und niedrig in der Seele liegen, durch diefe Schrift gewiß edler, gereinigter, wenn ber Lehrer nur würdig ift.

Anftatt daß der Schäler feine Muße auf Vorbereitung des zu Ueberfegenden wenden follte, welche Hebung aller dings für ihn fehr nützlich tft, möchte ich dem Schüler rathen, die Hälfte der Zeit dem fchon Gelefenen zu widmen, und bag dem Gedächtniffe und dem Gefühl einzuprägen, was er in der Schule durchgearbeitet hat. Der Schüler möchte gewiß dadurch an Eifer für Erlernung ber Sprache und für die Grimdfäße der Humanität gewinnen; denn in frem⸗ der Zunge fich zu belehren mag im Allgemeinen dem Men ſchen, beſonders zu Anfange, fehr angenehm fein.

Damit der Schüler aber auch ine Ueberſetzen ans dem Deutfchen ind Franzäfifche nicht zuruͤckbleibe, möchten ihm Aufgaben am zuträglichften fein, die ihn feinem Zweck, ber Eorrespondenz, am meiften nähern, und hierzu find Mo zins Uebungsftäde, die feinen Briefen vorangehen, empfeh⸗ lungswerth. Woͤchentlich müßte der Schhler dann einige Seiten ſchriftlich uͤberſetzen, und der Lehrer muͤßte diefe Ueberſetzungen zu Haufe mit feinen Bemerkungen ehe Hat der Schüler dieſe Uebungen durchgearbeitet, fo wieder⸗ hole er die fehmwierigeren Stüde. |

Damit beide Uebungen diefed Sahre® Hand in Hand gehen, nehme der Lehrer beim Weberfeßen bed Telemachs befonders auf diejenigen Regeln Rüdficht, gegen welche Die Schuͤler im fchriftlichen Weberfeßen fehlen.

Zum Schlufle jeder Stunde muß das durchgearbeitete Stüf vom Lehrer und von den Schülern zufammen gelefen werden, Damit jeder noch einmal nachfehen koͤnne, ob alles begriffen fei, und damit fie ſchoͤn leſen lernen. Auch wird der Schäfer das zu Haufe gern und mit Fleiß durchgehen, was ihm leicht und lieb geworden iſt. |

315 Religionsunterridt.

Woͤchentlich 2 Stunden,

Die Bilder der biblifchen Gefchichte find. großentheils Lange in den Hintergrund getreten; dem Schüler mögen viele nur noch dunkel vorfchweben, und, ich möchte fagen, im Geheimen wirfen. Die nämlichen Gefühle ganz auf biefelbe Art wieder zurück zu rufen möchte fchon um Des willen nicht zwedmäßig fein, da des Schülers Bildungszus ftand ein anderer geworden ift, und der Schmelz der Em⸗ yfindung von der zarten Blume der Erinnerung abgewifcht werben möchte, indem der Lehrer die Phantafie hier ſchwer⸗ fich wieder wie ehemals fo ganz, ich möchte fagen , , Aus . füllen Tann.

Indeſſen ift dieſes auch Teinesweges noͤthig, m der Zwei, das Kind für die Schriften des göttlichen Wortes einzunehmen ıc. erreicht fein muß, und der Schüler die Ausſpruͤche der heiligen Schrift als das Siegel anfieht, dad jeder religisfen Wahrheit Teinesweges fehlen darf, wenn er biefelbe ohne allen Zweifel annehmen fol.

Der Lehrer führe ihn nun au diefen Born der Weisheit, leſe mit ihm die Bibel, erinnere nur an die, wenn. gleich nur dunkel vorfchwebenden Bilder und erkläre, nicht ges lehrt, nein einfach, aber Har und mit Wärme.

Es mag fehr wohl der Fall fein, daß er manchen hriftlichen Grundſatz, deſſen Wahrheit bis dahin zu ents wideln ihm zu fchwer wurde, den reifern Schülern erft jeßt klarer vor die Augen ftellen kanu, und dazu hat er dann auch Die befte Gelegenheit, wenn er nun ganze Gapitel, ja ganze Bücher der Bibel mit feinen Schülern Tief. In dieſer Zeit mag er nun allenthalben das. Verſaͤumte nachholen, das

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Misverftandene vom Irrthum reinigen, die Wahrheiten des Shriftenthums dem Herzen des Schülers nochmals einpr& gen, damit feinen fyftematifchen Religionsunterricht beenden “und den Schüler in biefer Rücdficht ganz in die Hände des Prediger gleicher Eonfeflion übergeben, damit Diefer den Bau vollführe, zu welchem die Schule das Fundament 96 legt hat.

83) Geometrie,

Woͤchentlich 2 Stunden.

Diefe Claſſe fchreite in Fiſchers oder Dieſterwegs Gens metrie auf erwähnte Art fort. Gelangt fie zur Lehre von der Ausmeflung der Flächen, fo mag ihr der Nuben diefer MWiffenfchaft auch auf dem Felde gezeigt werben. Der Leh—⸗ rer gehe zu dem Ende wöchentlich, wenigftend einen Nady mittag mit feinen Schhlern aufs Feld. Er zeige ihnen dag, was ein gewöhnlicher Feldmeffer zu Teiften hat, unb laſſe fie daher mit Meßſtange, Pikets und Winkelfreuz arbeiten. Späterhin gebrauche er mit ihnen das Nivellirinftrument, den Meptifch und Die Bouſſole, und die im Planzeichnen geuͤbten Schüler müfjen dann eine Eharte der aufgenoinntes nen Flur zeichnen.

9 Geographie

Woͤchentlich 3 Stunden. Amerila und Afrika.

a ——

17 10) Geſchichte.

Woͤchentlich 3 oder A Stunden. In diefer Claſſe werde die mittlere Gefchichte Durchge- arbeitet; es kommen bemnach hier die drei folgenden Bands chen von Beder vor.

11) Naturlehre,

Woͤchentlich 2 Stunden.

Was das Material angeht, fo möchte hier die Natur- lehre von Herr hinreichen. Um auch hier des zeitraubenden Diftirens überhoben zu fein, mag den Schülern Diefe Schrift in die Hände gegeben werben. Sn durchaus freier Unter haltung bearbeite der Lehrer jeden Paragraphen diefes gro- Bern Lehrbuches, und gehe nicht eher von demfelben ab, bie alles Far eingefehen wird. Zum Schluß Iefe der Teh- rer dann den Paragraphen vor, erkläre jeden vielleicht Eis nigen noch unverftändlichen Ausdruck und empfehle benfelben | dem häuslichen Fleiße.

Bei diefem Gegenftande Eedarf ber Lehrer zwar In⸗ firumente , indeß fchräufe er den Gebraud; derfelben auf klare Anficht des Grundfabes ein, Damit dadurch nicht zu viele Zeit verfäumt, und das Ganze ein Inſtrumentiren werde, wodurch die Grundfäße in den Hintergrund treten.

Her Lehrer handle, wie in ber Naturbefchreibung jeden Grundfag mit Hinblid "auf den Schöpfer der Natur ab; aber er hüte fich, folche Bemerkungen zur unrechten Zeit und ohne Wärme zu machen, damit daffelbe nicht Mechanismus feined Mundes werde und die Schüler nicht ob der her- beigezogenen Bemerkung im Geheimen Tachen,

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"Sehr zwedimäßig ift es hier Die Grundfäße mit ben Schülern aufzufuchen und das Gefchichtliche jedes Haupt grundfaßes mit wenig Worten vorhergehen gu Laffen.

ho 22

12) Lateiniſche Sprade in der 6., 5., 4 und 3. Claffe.

Wer fi) dem gelehrten Stande widmen will, erhält in diefen Claſſen entweder täglich eine Stunde Unterricht mehr, oder nimmt beffer dafuͤr den Unterricht in der fran⸗ zöfifchen Sprache nicht mit, und lernt in biefer Zeit latein. Diefer Gegenftand kann denn nach den Elementarbüchern von Seidenftäder auf Ähnliche Art wie die frangzöfifche Sprade fehr zweckmaͤßig betrieben werden. Für die beiben obern Glaffen möchte fich dann der Nepos eignen.

Was das Griechifche besrifft, fo bleibt dieſen Schülern, im Fall diefelben nicht mit Arbeit überladen werden follen, nicht Zeit dazu und müßte dem Gymnaſio für die letztern vier oder fünf Sahre aufbehalten bleiben, indem die Schuͤ⸗ ler diefer Claſſe, welche ſich dem Gelehrtenflande widmen wollen, an das Öymnafium abgegeben werben müffen.

In der Tendenz diefer Anftalt Liegen jedoch noch zwei Seitensober Fadıklafjen, das find folche, die den Schüler zu feinem künftigen Fache vorbereiten follen.

| 2te Elaffe, oder untere Fachklaſſe. Knaben von 14 HS 15. Jahr. -.

Dieſe und die folgende Claſſe beruͤckſichtigen vorzugs⸗ weiſe den kuͤnftigen Kaufmann, Buͤraliſten, Meßkuͤnſtler,

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Architekten, Mechaniker, Chemifer, Foͤrſter, Gärtner, Zeich⸗ ner, Maler ꝛc.; indeſſen verfieht es fich von felbft, daß Knaben von 16 Jahr noch nicht die nöthige Bildung zu diefen Fächern erlangen können. Die Schüler follen viels mehr hier nur eine folche Vorbildung erhalten, die fie ges ſchickt macht das Eomptoir, das Büreau, Die Akademie ıc. mit den fchönften Hoffnungen zu betreten. Fehlten der Ans ftalt diefe Claſſen, fo fehlte ihr die Krone. Diefe zwei Jahre koͤnnen dem : Schüler ganz außerordentlich fürdernd fein, und es ift fehr zu beflagen, wenn ungünftige Um⸗ flände ihm dieſe ſchoͤne Gelegenheit rauben fich in der beften Zeit feines Lebens beſondere Tüächtigfeit für fein kuͤnftiges Fach zu erwerben! Möchten bag alle Schuldireftionen, möchten das alle Eltern und Bormünder beherzigen, ba hier Durch weife Vorſorge dem ganzen Leben des jungen Men- schen hoͤchſt wahrfcheinlich eine andere Richtung gegeben wird! Man fehe nur in allen Fächern diejenigen jungen Leute an, die tüchtige Vorbildung genoffen haben, und man wird Diefelben, wenn ihre fittliche Bildung mit weiter fchritt, gewiß in der Regel außerordentlich vortheilhaft von denen unterfcheiden, die Aberall nachzuholen haben, und die man nicht ins Geſchaͤft einführen konnte, fondern hineins fchleppen mußte. Indeſſen auch dieſe Fächer erfodern mehrere verichiedenartige Gegenftände der Vorbereitung, und wir wollen Darum fämmtliche Schüler in Fünftige Gefchäftsführer und Mathematiker eintheilen. Schüler, deren fünftiges Fach nicht einem von diefem firenge angehört, müffen das, was für fie am zweckmaͤßigſten ift, auswählen oder in Nebenbefchäf- tigungen fo gut als möglicd, ficy vorbereiten.

.. Sch will nun jeden Gegenſtand, der noch in der Tendenz der. Schule liegt, durchgehen und die Theilnahme beider Ab⸗ theilungen beftimment. . —IIIICCMMæ

320 1) Franzoͤſiſche Sprade.

Woͤchentlich 5 Stunden.

Diefe, Elaffe Eieit nach Abſolvirung der vorigen eine an- dere Schrift von Fenelon, und fährt fort bie Uebungsſtüuͤcke von Mozin zu überfeßen oder uͤberſetzt die ſchwerern Aufga⸗ ben von Mozins Sprachlehre ind Fraunzoͤſtſche. Vielleicht beſſer koͤnnte man auch in der vorigen Claſſe die Stuͤcke der Grammatik und in dieſer Elaſſe jene Aufgaben Aber ſetzen laſſen. Es kommt dabei vieles auf Lehrer und Schhs ler an. Im erfleen Falle ift ed nur eine Wiederholung der ‚Regeln, die der Schüler vom Lehrer befonders beim mänd- lichen Ueberfeßen gelernt hat; im Iebtern Kalle Iernt ber Schüler die Regeln befonders aus der Grammatik,

An diefem Gegenſtande nehmen künftige Geichäftöführer und Mathematiker Theil.

Englifde Sprade.

Woͤchentlich 7 Stunden.

Da die englifche Grammatik eben nicht fo viele Schwie rigfeit macht, fo mag es einem tuͤchtigen Lehrer möglich fein, die englifche Grammatik in dem erften Halbjahre zu abfol: . viren und in dem zweiten irgend eine leichte Schrift eines denfenden, humanen Mannes anzufangen. Freilich könnte biefe Sprache auch dem fünftigen Mathematifer und unter diefen dem Fünftigen Mechaniker befonderd nuͤtzlich fein; allein es gibt fir diefen noch zu viele Gegeirftände, die ihm nöthiger find. Der Plan. befiimmt die Erlernung dieſer Sprache daher nur dem Einftigen Gefchäftöführer.

321 -3) Geſchichte.

Woͤchentlich 3 Stunden.

- Mit dieſer Claſſe werden die erftern brei Bändchen der neuern Gefchichte von Becker durdhgearbeitet. Der Lehrer nehme hier befonders Ruͤckſicht auf die wachfende Induſtrie, auf Erfindungen, Etabliffements in fremden Welttheilen, und fuche dadurch die Gefchichte für den Fünftigen Kaufmann ıc. nüglicd zu machen. Anftatt die Gefchichte auszudehnen, wiederhole der Lehrer, wenn diefe drei Bändchen hinlaͤng⸗ lich burchgearbeitet find, das MWefentlichfte der alten Ges fchichte, denn diefer Curſus ift für Schiller einer höheren Volksſchule bedeutend genug, ja fchon etwas zu groß. Freis lich mag. ber Lehrer dabei weniger Gelegenheit haben, feine bedeutende Gefchichtsfenntniß zu zeigen, aber das iſt auch nicht Zweck der Schule,

Ale Schüler nehmen au diefem Gegenftande Theil.

4) Buchhalten.

Woͤchentlich 4 Stunden.

Der Lehrer, dem dieſer Zweig aufgetragen wird, ar⸗ beite nach einer vorzuͤglichen, jedoch einfachen Schrift ein Lehrheft aus, und gebe dieſes einigen der geſchickteſten Kauf⸗ leute ſeiner Gegend zur Durchſicht. Mit jedem Einzelnen ſpreche er alsdann, oder beſſer dieſe berathen ſich gemein- ſchaftlich, belehren den Lehrer und letzterer verleibt dieſe Verbeſſerungen oder Localitaͤten ſeinem Hefte ein, und ſtreicht jedes Unnoͤthige durch. Ich rathe hierbei durchaus dem Ur⸗ theile gefchichter Kaufleute zu folgen; denn dieſe wiſſen am

r

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beften, was fie von Somptoiriften zu fodern haben, und Lehr rer wollen nur zu gern Ssegliches auf wiflenfchaftlichem Wege treiben, wodurch hier wol viele hohe Woͤrter und Anfichten hervorfommen, aber weniger dad, was in dem Gefchäfte diefer oder jener Gegend nuͤtzt, und letzteres ift Doch der Zweck des Unterrichts in diefem Gegenftande.

Vielleicht möchte folgender Gang nicht unzweckmaͤ⸗ . Big- fein. Ä

a) Der Lehrer gebe feinen Schülern einen einfachen, aber Maren’ Begriff von dem Wechfelgefchäft, und laſſe zu dem Ende das Nöthige im Rechnen: nody nachholen. Da diefe aber die Muͤnzrechnung, Pari, Wechfelreduktion und die Arbitrage ſchon mit Verſtande rechnen Finnen, fo wer den die nöthigen Rechenregeln ıc. keinen großen Zeitauf wand verurfachen. Er theile zu dem Enbe alles, was Das Pechfefgefchäft überhaupt, und das feiner Gegend ins bes fondere betrifft, in Paragraphen ab, und behandle dann je des Einzelne einfach und mit Klarheit.

b) Er unterhalte ſich auf diefelbe Art mit feinen Schuͤ⸗ fern über den Charakter jedes einzelnen Gefchäftsbuches, und fage von jedem Alles, was von demfelben vernünftiger Weiſe zu fagen ift.

ec) Er feße fich durch die erwähnten Kaufleute in ben Stand, ein Fleines aber ordentliches Gefchäft zu figniren, und laffe die Schüler von Zeit zu Zeit mit der Buchfühs rung, Gorrefpondenz ıc. abwechfeln.

d) Er ftelle ihnen das Verhältniß ohne Ueber treibung klar auf, in welches fie zu treten gedenken.

Mas Waarenkfenntniß betrifft, fo kann ein orbent licher Unterricht darin dem Schüler weniger nüßen, da. dieſer von allen Waaren, die er doch nur oberflächig kennen ler⸗ nen würde, vielleicht nur einige in der Zukunft erhandel, oder fabricirt, und dieſe oberfläcdhige Kenntniß berfelben

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von feinem Ruben fein kann. Das bleibe. daher nach meis ner Meinung der Fabrik überlaffen, in welcher der: Schüler feine Kenntniffe als Lehrburfche erweitern. fol, Das Allges meine aber iſt in ber Geographie und in 1 ber Natargeſchichte vorgefommen. Daß an diefem Gegenſtande nur künftige. Befdäns, - führer Theil nehmen, verſteht fich. von felbft, denn: Mathe matifer und Kiünftler ıc. mögen ihre Ausgabe und Einuahme gar leicht im Kopf berechnen und im Beutel annotiren. Uebrigens haben auch dieſe ſich die noͤthige Keuntniß vom Wechſelgeſchaͤft beim Rechnen verſchafft, und wiſſen dabei, daß man nad Umſtaͤnden zwar einen: Wechfel: prv⸗ longiren laſſen Tonne, denſelben a aber am Ende dad) el fen müffe. lan dt

4) Bu chſtab n.re on nehi.

» or ..* r et.

Wöchentlich 5 Stunden. |

Der künftige Gefchäftsführer muß in dieſen beiden obere ften Claſſen fo weit gebracht werden, daß er einen nicht unbedeutenden Eurfus der Mechanik und Chemie mit Nugen durcharbeiten inne; dem Fänftigen Mathematiker ift diefer Gegenitand in jeder Ruͤckſicht unerlaßlih. In diefem Falle muß berfelbe aber ausfuͤhrlich abgehandelt werden, wenn man dem jungen Menſchen große Hinderniſſ e für die Zu⸗ kunft ans dem, Wege räygmen wis; Zu bem.: Ende: arbeite ber ‚Zehrer: mit diefer Claſſe die. erſte Hauptabtheilung der erwaͤhnten Aufgaben von Maier Hirſch durch:

Ich habe dabei folgendes zu erinnern... 0

a) Die Regel muß dergeitalt klar auseinander gefet werden, daß jeder in. Stande iſt, Diefelbe. mit. ihrem Be⸗

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124

weiſe Ichriftlich wiederzugeben. :.. An der ſchriftlichen Bear⸗ beitung: kann ider Oehrer merken, ob der Schuͤler die Regel mit dem Verſtande, oder bloß mit dem Gedaͤchtniſſe gefaßt habe.Darin taͤnſcht ſich mancher Lehrer gerade Bei. dieſen Gegenſtande; er geht mit Freuden weiter, wenn feine Schuͤ⸗ Ver ten Beweis: mit‘. Fertigkeit ‚liefern koͤnnen, und: wird vielleicht: am Ende aller Beweife gewahr, daß, zu feinem größten Derbenß; vielleicht nicht ein einziger Beweis vers ſtanden iſt. BEE

BD gehen rechne bie: An haben mit. ben Sqhalem durch; der Schuͤler ſei gehalten, ſaͤmmtliche Beiſpiele ohne Beihuͤlfe zu rechnen, und zum Schluße vertheile er noch einmal die ſchwereren Aufgaben unter die Schuͤler, und ſehe zu, wo noch Fertigkeit mangelt.

Iſt er mit den Beiſpielen fertig, ſo muͤſſen ſaͤmmtliche Beweiſe noch einmal ſchriftlich geliefert werden, und zwar in Gegenwart des Lehrers. Schreitet der Lehrer auf dieſe ſichere Weiſe voran, ſo wird er ſich manchen Verdruß er⸗ ſparen, und der Schuͤler wird ſich um ſo mehr an beſtimm⸗ ten Ausdruck ſeiner Gedanken gewoͤhnen.

6) Mechanik.

Woͤchentlich 6 Stunden. |

An guten Lehrbuͤchern dieſer Art ſind die Framofen rei⸗ cher, als wir. Wie zweckmaͤßig iſt nicht Die Maſchinen⸗ Ichre von Dupin, welche für ben fich erhebenden Hand⸗ werker geichrieben, und bereits in Straßburg überfeßt. wors ben iſt! wie vordrefflich if die Mechanik. non Chriſtians! aber fle ift leider für. Schüler einer höheren Volksſchule zu

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umfaſſend. Es wäre :zu wuͤnſchen, daß ein tuͤchtiger Dicchas niker, der zugleich ein vorzuͤglicher Lehrer iſt, daß: B. Herr Profeſſor Egen in Soeſt uns mit einem Lehrbuch der Mechanik für den Schuͤler und mit einem Anleite für den Lehrer beſchenkte. Bis dahin wären bie erwähnten Schrif⸗ ten zu gebrauchen. Daß es hier nicht an Maſchinen im Kleinen fehlen dürfe und daß der Lehrer alle Arten Mas fchinen feiner Gegend wo möglich: in Augenfchein nehmen müffe, verfteht fich von felbft. An diefem Gegenflande .nchs men fowol Fünftige Geſchaftsführer,c als u künftige Mas thematifer Theil.

7) Geometrie und Stereometrie. |

Woͤchenthich 6 Stunden .

"Der Anleit von Prof. Fifcher wird abſolvirt. Sollte die verfprochene Stereometrie diefed Mannes, Bie' mir noch nicht zu Gefichte gekommen ift, der von Brandes'nicht nach⸗ fiehen: fo wäre dieſelbe vorzugichen, da der Berfaffer fich auf fein Lehrbuch der Geometrie beziehen wird. Für dieſe Elaffe wären nun Körper zu jedem Hauptlehrſatze erfober lich, und ich würde die aus dem Blindeninflitute zu Bred Tau empfehlen, wenn biefelben ſchoͤner gearbeitet und wohlfeiler wären. Das Arbeiten auf dem Felde mit dem Meßtifchtc. wird fortgefeßt, und der Schäfer kann fich die vorzüglichiten Körper nach den vorgeſchriebenen Regen reroft aus Pappe verfertigen.

Ueber ben Zeichenunterricht, der in btefer Claſſe von den Fünftigen Mathematifern ıc. ſtark getrieben wird‘, fon su Ende der folgenden Eiafe bie Rebe fein.

316 83) Geographie.

Woͤchentlich 3 Stunden. Alien und Auftralien.

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| 1te Elaffe Schüler von 15 big 16 Jahr.

———

1) Franzoͤſiſche Sprache.

Woͤchentlich 7 Stunden für die kuͤnftigen Geſchaͤfts⸗ führer, und 4 Stunden für den Eänftigen Mathematiker. Diefe Claſſe wende allen Fleiß auf Mozins Faufmännifche Briefe. Täglich wird wo möglich ein deutfcher Brief ind Franzoͤſiſche, und zwar in ber Schule mündlich und zu Haufe ſchriftlich überfeßt, und täglich ſchreibe der Schüler einen franzoͤſiſchen Brief ab. Wenn erfteres ihn ficher leitet, fo kann Ießteres ihn Doc eingewähnen. Wird die Sammlung vor Beendigung des Jahres abfolvirt, fo liefert ver Schuͤ⸗ fer. felbft Briefe, und, die franzöfifchen Briefe werben oft zw fammengelefen. |

Freilich würbe der Fünftige Mathematiker beffer irgend eine vorzägliche franz. Schrift leſen; allein auch diefe Briefe koͤnnen ihm recht näßlich fein, und ohne Noth darf doch die Zahl der Lehrer nicht vergrößert werben.

a

327 9 Englifhe Sprade

Woͤche utlich 7 Stunden.

Es wird fortwährend eine englifche Haffifche Schrift gelefen. Sn ber Ießtern Zeit wird eine Feine Sammlung Briefe durchgearbeitet. Daß der Schüler das ganze Sahr hindurch auch im Ueberſetzen deutfcher Aufgaben ind Eng- liſche geübt wird, bedarf feiner weitern Erwähnung. Wird nun auch ber Schüfer bier in diefer Sprache nicht feft, fo kann er fich Doch ſpaͤterhin Teicht felbft woran arbeiten.

ü⸗ ———— ——

3) 6 efhid te,

Woͤchentlich 3 Stunden.

Hier werden die drei leßten Bändchen der ermähnten Geſchichte wiederholt.

I

m Buchhalten. ;

Woͤchentlich 4 S tund en. Das fignirte Geſchaͤft wird fortgeſetzt. Do

5) Algebra.

Woͤchentlich 5 Stunden. In dieſer Claſſe kommen die Gleichungen aus Meier

Hirſch vor.

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Bevor aber der Schüler es verfucht dieſe Aufgaben zu Idfen, muß er fämmtfiche Regeln, welche zur Löfung der Aufgaben vom 1. und 2. Grade nöthig find, kennen und feinem Gebächtniffe vollkommen eingeprägt haben. Soll ber Schüler die Regeln an den Beifpielen kennen lernen, fo wird ihm die Ueberficht fehlen und er wird nicht frei arbei⸗ ten lernen. Hier glaube ich anfänglich wieder Theorie und Praxis ſtrenge trennen zu muͤſſen.

Es waͤre ſehr zu wuͤnſchen, daß der verehrungswärs

dige Prof. Herr von Muͤnchow in Bonn und fowol mit feis

nem ganz kurzen Anleit zur Loͤſung ber Gleichungen, als auch mit feiner analytifchen Trigonometrie befchenfte, die fi durch eine bewunderswerthe Kürze, Klarheit und dennoch durch Vollftändigfeit auszeichnet, Es bleibt doch ewig wahr, daß der wahrhaft tüchtige Mann die Sache am einfachften, und dabei doch am fchärfiten darzuſtellen verfteht.

6) Mechanik.

Woͤchentlich 3 Stunden.

Die Mechanik wird abfolvirt und dann das Ganze, fo viel es die Zeit erlaubt, noch einmal Überblick.

I

D Trigonometrie

Wöchentlich 2 Stunden.

Sollte die Trigonometrie unfres Verfaſſers ber von G. 9. Fifcher CKortfeger des .Lehmann’fchen Werkes) nicht nachitehen, fo wäre dieſe, bis wir jene ganz einfach. darge⸗

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ſtellte Trigonometrie von: von Muͤnchow hätten; zu empfeh⸗ len. Mit dieſer Elaſſe koͤnnte man bei Meſſungen den Re⸗ petitionstheodolithen von Breithaupt in Caſſel gebrauchen, welcher mit den noͤthigen Zuſaͤtzen einen ganz vorzuͤglichen Meßapparat bildet. Man hat naͤmlich fuͤr 140 Thlr. einen Theodolithen, einen Meßtiſch, eine ſehr große Bouſſole und ein Nivellirinſtrument, und zwar Alles von ganz vorzuͤglicher Güte, Schönheit und Staͤrke. Der Limbus des Theodoli⸗ then iſt in drittel Grade getheilt, und man kann mittelſt des Ronins (deren zwei an der Alhidade And) bie halbe Minnte | ablefen.

Mit diefem Inſtrumente läßt PR wirtlich! die ſtehende Sekunde erreichen. | jo 2 2 0

9) Chemie,

Wenn ich mir den nädften Zwed Fünftiger Fabrikan⸗ ten und Chemifer vor Augen halte, fo fcheint mir die Bers folgung eines orbentlichen Syſtems für dieſes Alter noch zu früh zu fein. Nach meiner unvorgreiflichen Meinung möchte vielleicht folgender Weg nicht unzweckmaͤßig fein.

8) Der Schüler lerne bie dorfonimenben Apparate und ihren Gebrauch genau kennen.

b) Die Hauptlehrfäße der Chemie, in fo fern folche praftifch angewendet werden, lerne der Schüler fennen, und Dad Lehrbuch, müßte diefelben in ‚gedrängter Kürze neben einander ftellen, ohne mehr als hoͤchſt nöthig zu erperimen- tiren. Vielleicht ließen ſich diefe Lehrfäge fo einfach neben einander ftellen, daß der Schüler diefelben feinem Gedacht⸗ niſſe vollkommen einpraͤgen koͤnnte.

c) Dann müßte der Lehrer in Verbindung mit “einem geſchickten Apothefer vor den Augen feiner Schüfer wirklich‘

ed

330

arbeiten und Diefelben auf Anwendung jedes Grundſatzes aufmerffam machen.

d) Ferner müßte der Lehrer mit feinen Schülern fremde Laboratorien befuchen.

e) Endlich mag dem ‚Schüler eine Chemie angewieſen werben, die über jeden nöthigen einzelnen Gegenftand in Nücficht feiner Eigenfchaften und feiner Behandlung volle ftändige Auskunft gibt. Auf diefe Art gelangt der Schüler doch zu etwas, worauf er in der Zukunft fortbauen Fann. Indeſſen fol diefes nur ein Vorfchlag fein, da ich zu wenig Kenntniffe in der Chemie habe, als daß ich darüber and ur mit einiger Sicherheit urtheilen koͤnnte.

An diefem Gegenftande nehmen Kaufleute und befons ders Diejenigen Theil, die ſich den Naturwiflenfchaften wid⸗ men wollen.

8) Geographie.

Woͤchentlich 3 Stunden. Eine Wiederholung b des Ganen.

9) 3, eichnen.

Im Durchſchnitt wöchentlich 2 bis 3 Stunden. Für den fünftigen Mathematifer aber in biefer und ber vorigen Elaffe 6 Stunden. |

Diefer Gegenftand fchließt fich den gewöhnlichen Elaffen nicht an; ber Lehrer muß feine eigenen Claffen bilden und auch fein befonderes Lokal haben.

Hat diefe vereinigte niedere und höhere Volksſchule wenigftend 160 Schüler, und ift jeder Schüler gehalten,

331

für zwei. ober "drei Stunden wöchentlich 2 Silbergrofchen . zu. zahlen, welches Geld jeboch mit Dem gewöhnlichen Schule gelde eingenommen wird: fo erhält der Zeichenlehrer ein anftändiges Honorar, ‚und es kann dann neben der Schule eine ‚ordentliche Zeichenfchule für fich beftehen.

Das Lofal müßte nach Peter Schmidts Spee, und an der Lichtfeite wenigftend 24 Fuß lang fein, damit der Schuͤ⸗ ler .bei Eopirübungen einzeln gereichter Originale Raum und gutes Licht hätte. Die ganze Zeichenfchule kann nun in 8 verfchiedene Glaffen zerfallen.

I ——

Bte Claffe

Umrißfopiren

Diefe Elaffe zeichnet nach den Borlegeblättern von Peter Schmidt. |

Her Schmidt hat fich wirflich Verdienſt um ben Zei- chenunterricht erworben, indem er den Schüler auf Fürzes ftem Wege zur moͤglichſt höchften Stufe der Richtigkeit und Schönheit, in Hinficht auf ben Umriß, zu erheben fudht. Manchen Lehrern, und befonders Künftlern von Profeilion, mag der fcheinbare Ummeg ben Herr Schmidt mit auss gezeichneter Sorgfalt in einem eigenen Werkchen CAnleit zur Zeichenfunft von Peter Schmidt, Berlin 1825. m Berlage des Verfaffers, Schloßfreiheit No. 9 und in allen Buchhandlungen zu haben) dem noch ein zweiter Anleit ge folgt ift, auseinanderfegt, und woburch er den Lehrer, felbit den Ungeübten, ficher Ieitet ald Pedanterie erfcheinen; der Pädagoge aber, der fich nicht auf Das audgezeichnete Talent einzelner Schüler verläßt, und der diefe Kunft ale Gemeingut betrachtet, wird gerade in der höchiten Sorg⸗

3332

falt von. Seiten bed Lehrers und. bes Schülers bad Haupi⸗ mittel finden, dem Schüler Achtung und Sinn für bie Kunfl, und regfante freie Thätigleit zu einem Zwede von Bebew tung anzneignen. Beſonders möchte ich anrathen, bie ſeche⸗ eckige Schultafel in Tempelform (der Ramen Schuftenegel möchte weniger paflend fein) nach Deren Schmidts Anwei⸗ fung anfertigen und gebrauchen zu laſſen. Jedoch mhfte Har Schmidt und zu den Badretiefs fur: die Vaſen ꝛc. ver⸗ helfen. |

7te Elaffe

Abzeichnen einfader mathematifher Körper und Schattiren derfelben.

Was ber Schüler größtentheild durch Abzeichnung ber Mufterblätter gelernt hat, foll er nun in diefer Claſſe au einzelnen Körpern frei darftellen lernen. Der Lehrer hat zu dem Ende einen von Birnbaumholz fein gearbeiteten Enbns von etwa 2 oder 274 Zoll Dimenfion, an weldyem bie Kam ten fcharf und rein zu fehen find. Bon derfelbigen Art hat er einige Halbe und Drittellubng und eine Menge Paral⸗ Ielepipida , die in ihrer Länge um einen halben Cubus ſtei⸗ gen, etwa bis zu einem Fuß Läuge, und- die ſaͤmmtlich am einandergelegt ein einziges Parallelepipidum bilden. Fer⸗ ner dürften die andern mathematifchen Körper, fo wie eine gut gearbeitete Nifche nicht fehlen. Die Nifche mag immer bin 1% bis 2 Fuß hoch fein. Jeder Schüler hat in ev Inem Heinen Behälter an dem Zeichenpult einen feibenen Faden, mit einer kleinen Ylintenkugel daran, weldhem er mit einer Hand bie fenkrechte und mit ‚beiden Händen bie wagerechte Richtung geben kann, um gu: fehen, wie viel

13

Theile an einem aufgeſtellten Koͤrper der hintere Punkt zu⸗ ruͤckweicht, wenn er eine ihm parallellaufende Linie des mas thematifchen Koͤrpers ꝛc. als Eind annimmt. Durch diefen Haben wird. nun die Lage jedes vors ober ruͤckwaͤrts, ober, oder unterwärts liegenden Punktes beitimmt, und der Schuͤ⸗ ler, der mit größter Richtigkeit und Schönheit Punfte ver, binden gelernt hat, kann nun den Umriß der Figur ohne Schwierigkeit zeichnen , ſobald er die Punkte richtig liegen hat. Hieruͤber gilt wieder dieſelbe Borficht, berfelbe Eifer das Borfommende vollflommen, ic) fage vollfommen daritels Ten zu laffen, wie diefes Herr Schmidt für die vorige Ue⸗ bung fo fehr empfiehlt. Wie übrigens der Lehrer dabei bis ind Kleinfte hinein verfahren koͤnne, werben wir bald von Heren Schmidt, der diefe Methode ind Leben gerufen hat, hören, da derfelbe auch hierüber mittelft einer Drudichrift ſich noch näher erklären wird, |

. Daß aber diefe Methode zu außerorbentlichen Ntefultas ten führt, davon hat mich Herr Schmidt überzeugt, das babe ich an. den Bemühungen des Herrn von Leslie, eines hochaufftrebeuden Malers und Zeihen lehrers unfrer Anftalt, der aber jeßt an dem Gymnaſio in Kreuznach arbeitet, unwiberleglich erfahren. Mit Diefem meinem geliebten Freunde habe ich mich fehr oft über den Zeichenunterricht unterhalten, und verdanke ihm hierin manche Idee, fo wie uͤberhaupt Diefe Darftellung eine Brut unfrer gemeinfchaftlichen Unterfuchung ıc. ift. Ä

Wenn ber Zeichenfhüler nach der gewöhnlichen - Lehr⸗

art nichts weiter als Muſter kopiren lernt, die doch ſchon als Zeichnung vorhanden ſind, ſo lernt er auf dieſe Weiſe jeden Gegenſtand der-Ratur und Kunſt zeichnend darſtellen, und das ſoll doch der Zweck alles Zeichenlernens ſein. .. Kann der Schuͤler die Umriſſe der einzelnen. Körper nadı jeder Lage richtig und mit Präcifion zeichnen: fo-Iernt

334

er biefelben fchattiren. Zu dieſem Zwecke bebärfen wir nad) unfrer Meinung einer Anzahl Mufterblätter , auf wel chen die vorzäglichiten mathematifchen Körper, von den verfchiedenen Standpunften aus gefehen, im Umriß und Schatten bargeftellt find. Dergleichen Mufterblätter koͤnnte jeder Zeichenlehrer, befonderd wenn er fein Zeichenlofal nach Schmidts vortrefflicher Idee eingerichtet hat, von jedem mit einer Nummer bezeichneten Plage darſtellen. Waͤhlte ber Lehrer nur die vorzüglichiten Körper aus und zeichnete er jeden derfelben von auffallend verfchiedener Standpunk— ten aus ab: (es Finnen nämlich nach Schmidts Einrichtung 48 Schuͤler zugleich ein und benfelben Körper zeichnen) fo wäre hinreichend geforgt, den Schüler fchattiren zu Ichren. Diefer legt nämlich das Mufterblatt, welches durch eine Kummer auf einen beftimmten Platz hinweiſet, vor fi, und indem er baffelbe abzeichnet, vergleicht er deſſen Schat ten mit dem des wirklichen Körpers und arbeitet dann mit gewohnter Sorgfalt jeden Körper, von mehrern Stand punkten aus gefehen, fo fange als nöthig durch. Dann zeichnet er benfelben Körper von andern Standpunkten ans ohne Mufterblatt frei, und vergleicht feine Arbeit mit der des Lehrer, wobei fich dann von felbft ergibt, wie lange mit diefer Uebung im Allgemeinen fortgefahren werden muͤſſe. Vorzüglich gelungene Arbeiten fönnten mit dem Datum be zeichnet werben, (da doc genau genommen täglich die Sonne anders fteht) und ald Mufterblätter dienen 9).

*) Der Zeichenlehrer Tann aud) von ſeinen vorzuͤglichſten Schülern der oberften Glaffen in allen Jahretjeiten und bei dem verſchiedenften Wetter zu gleicher Zeit Muſterblaͤtter ir bie Claſſe zeichnen laſſen, auf welchen dann außer dem Dato moch das Noͤthige ˖ über die Bel ligkeit des Lichtes gefagt worben iſt. Der Lehrer bemerkt dann in der Zufunft, ob irgend ein Mufterblatt den Schatten deutlich zeigt, woraus denn hervorgeht, daß. alle oder doch ſehr viele zu gleicher Zeit gezeichnete Mufterblätter in derfelben Stunde zu gebrauchen find.

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Da dieſes die letzte Uebung der Claſſe iſt, ſo koͤnnen die fertigeren Schuͤler in eine hoͤhere Claſſe verſetzt wer⸗ den, und dieſe wird dann im Allgemeinen in ihrer Uebung nicht geſtoͤrt.

——

6te Elaffe

Abzeichnen zuſammengeſetzter mathema— tiſcher Koͤrper.

Dieſer Claſſe werden mehrere Koͤrper, in verſchiedenen Lagen zuſammengeſetzt, vor Augen gelegt, welche die Schüs ler erſt mit Umriß, und wenn derfelbe richtig und fchön bes funden, mit gehdrigem Schatten barftellen müffen.

Um diefe Elaffe noch mehr im Schattiren und Darftel, len jchöner Gegenftände zu üben, muß diefelbe zu Zeiten Ces darf nicht Hauptübung werden) fehr ſchoͤn gearbeitete Kupferftiche kopiren. Dieſes Tann befonderde zu Haufe gefchehen.

5te Elaffe.

Freies Handzeihnen.

Jetzt iſt der Schüler fo weit gefördert, daß er Unters richt im freien Handzeichnen in feiner Ganzheit fürs bür- gerliche Leben erhalten Fann. Es werden Häufer, Straßen, Hausgeräthe, Bäume, Blumen und die einfachften Das fchinen, welche die Schule befigt,. zu gleicher Zeit von ben verfchiedenften Standpunften gezeichnet, und der Schüler wird immermehr auf die Regeln der Perfpeftive aufmerf, fam gemacht. Zu Zeiten werben ihm fchön gearbeitete

36 Mufter. nebft den Formen zur Vergienung ner eigenen Arbeit t wit denſelben zum Copiren gegeben. Zu

hte Claſfe.

Geometriſch es Zeichnen.

Von jetzt an erhaͤlt der Schuͤler einen foͤrmlich ſyſte⸗ matiſchen Unterricht in der Kunſt, durch welche er einſt dem Staate nuͤtzlich zu werden gedenkt. Wenn der kuͤnftige Ge⸗ ſchaͤftsfuͤhrer ſich freies Handzeichnen zum Ziel erwaͤhlte, ſo iſt dieſes keinesweges das Ziel des kuͤnftigen Mathematikers und Zeichners. Zu dem Ende tritt nun zuerſt das geome⸗ trifche Zeichnen auf. Dazu wähle der Lehrer ben erften Theil des Anleites von Burg. Berlin, Dunker und Huw blot 1822) Der zweite Theil ift für Artilleriften, und tam | bier Feine fonderlichen Dienfte leiften.

Mit dem Buche in der Hand gehe der Lehrer, jeden Paragraphen gehörig befprechend, und mit den Schuͤlern, die ebenfalld den Text diefes Werkes befißen muͤſſen, leſend und anwendend durch.

Diefes Werk handelt erftlich in 92 Paragraphen, auf 58 Seiten die Kenutniß der Zeicheninftrumente und Mate rialien nebft ihrer Anwendung, dann in 121 Paragraphen, auf 86 Seiten das geometrifche Zeichnen, ferner in 52 Pas ragraphen, auf 25 Seiten die Beleuchtung der Flächen, in 210 Paragraphen, auf 198 Seiten die Eonftruftion der Schlagſchatten ab, und macht endlich in 15 Paragraphen, auf 14 Seiten, in einem Anhange, Bemerkungen über bad Zufchen, über den Gebrauch der Karben beim Zeichnen und über das Abzeichnen der Zeichnungen.

37

Die Zeichnungen zu diefem Theile von Burg find ganz ‚außerordentlich ſchoͤn und muͤſſen jeden Schuler ermuntern, alles aufzubieten, um ebenfalls die Körper auf diefe Art zeichnend barzuftellen.

3te Elaffe

Architektoniſches Zeichnen.

Diejenigen, welche ſich der Baukunſt ꝛc. widmen, nehs men an dieſem Gegenſtande Antheil. Gerade uͤber dieſen Gegenſtand haben wir, fo viel mir bekannt iſt, entweder mur unvollfommene, oder nur gar zu theure Einzelheiten, die kleinern Sachen von Vignola und Milizia nicht zu ges denken. Es will uns aber der vortrefflihe Burg, ber Dentfhland mit dem vorerwähnten Werfe befchentt hat, auch mit einem Architektonifch » Zeichenwert bereichern, und ‚dann wäre gewiß diefer Claſſe ganz geholfen. Wahrſcheinlich wird dieſer Kuͤnſtler und auch die ſchoͤn⸗ ‚sten Wohngebäude ıc. nach jeder Säulenordnung liefern, und ich wünfchte dann, daß die Modelle dazu unter feinem Künftlerange entftänden.

2te Elaffe.

Planzeichnen.

Diejenigen Schuͤler, welche ſich der Meßkunſt, der Gar⸗ tenkunſt, dem Forſtweſen ꝛc. widmen wollen, erhalten dage⸗ gen Unterricht im Planzeichnen.

y

3383

Welcher praftifche Meßkuͤnſtler Fennt nicht das vorzuͤg⸗ liche Wert zum Situationgzeichnen von Lehmann! Durch sehn Mufterblätter und einen Text von 55 Quartſeiten führt diefer ausgezeichnete Mann in das innere der Kunſt ein! Diefer Anleit möge dann wie der von Burg Durchgearbeitet werden. Auch kann der Lehrer der Mathematif mit feinen Schuͤlern mittelft Theobolithen oder Meßtifch eine intereffante Gegend aufnehmen, und der Zeichenlehrer laͤßt Diefelbe dann als Plan darftellen.

ıte Claffe

Die Perfpektive nach ihren fämmtlihen Be weifen.

In diefer Claſſe werden fammtliche Regeln der Perfpel; tive noch einmal wiederholt und da, wo vorher verfänmt, mit den mathematifchen Beweiſen begleitet. Es werben hier zufammengefegte Mafchinen, welche die Anftalt befigt oder zu leihen fucht, abgezcichnet, und damit wird dann ber Unterricht im Zeichnen befchloffen.

Man wird mir einwerfen, daß ich den Cyklus für den Zeichenunterricht zu hoch geftecft, und von dem Zeichenlehrer zu viel verlangt habe. Was das erftere betrifft, fo gehe man fo weit, ald man kommen kann; was aber das Ießtere angeht, fo wähle man Schüler von einem Burg oder wirt fiche Akademiker, welche die Lehre der Perfpeftive genau fennen und im freien Handzeichnen geuͤbt find; das andere ergibt fih dann leicht von felbfl. Kann Eine Schule ein ordentliches Honorar nicht aufbringen, fo mögen fid) mehrere Schulen in diefer Rüdficht vereinen.

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Man kann doch wirklich den Unterricht nicht billiger als zu einem Silbergrofchen die Stunde verlangen. Uebri⸗ gend müßte es einem braven und geſchickten Zeichenlchrer, ber über 200 Schüler wöchentlich unterrichten kann, frei ftehen, fo viele fremde orbentlicye Zeichenfchüler aufzuneh⸗ men, als er es für gut findet. Nach Schmids Einrichtung fönnen in ben untern Claſſen ja 48 Schäler zu gleicher Zeit faft eben fo gut, ald 10 bis 12 unterrichtet werben. Befier aber ift es, Durch einen durchaus tüchtigen Mann anf diefe Art unterrichten zu laflen, als durch einen Eopiften den Unterricht einer Elaffe von dreien Schülern au be forgen. Schließlich muß ich noch bemerfen, daß ber Zeis chenlehrer befonders in den untern gefüllten Claſſen wol eis nes Famulus bedürfte, der mit aller Sorgfalt jede geringfte Störung zu verhüten fuchte; denn der Lehrer, deffen Augen in jedem Augenblicke befchäftige fi find, kann nicht wol jeden Schuͤler beobachten.

Um in der Schule jede Störung zu vermeiden, barf der Zeichenfaal nicht der Aufbewahrungsort der Zeichenges raͤthe für den Schäler fein. Die Zeichenbretter iverben nad einer Angabe von Schmid in einen Lattenfchranf, der vor dem Saale ſteht, unter ihre beflimmte Nummer eingeſteckt/ und die Abrigen Materialien muß ber Sale “bet fidy führen.

Sobald in einer folchen Zeichenfchufe nicht die größte: Ord⸗ nung, Ruhe und Aufmerkſamkeit herrſcht, iſt fie ſchlecht, und wenn der Lehrer ein Raphael waͤre.

Sn Ruͤckſicht auf: das Lokal moͤchto es noch beſer ſein, wenn fuͤr die Copiruͤbungen einzelner, jedem Schuͤler be⸗ ſonders vorgelegten; Zeichnungen nbdh' ein eigenes Lokal an⸗ -gewiefen würbe, das, wie auch das vorige, feine eichtfeite nach Norden bin haben muß. 0

y *

340 2te und 1te Elaffe der jungen Frauenzimmer.

Nach diefem Plane find zeither Knaben und Maͤdchen zufammen unterrichtet worben.

Soviel auch gegen ein folches Berfahren beflamirt ‚worben ift, fo habe ich doch weber an meiner Anftalt von 1811 big 1824, noch an ber hiefigen Stabtichule bis jetzt 1829 von dem Zufammenunterricht ber Knaben und Maͤd—⸗ ‚chen Nachtheiliges erfahren, obgleich ſowol erftere als letz ‚tere Anftolt an 80 bis 100 Zöglinge zählte und zählt. Sch ‚verweife hier auf die Abhandlung diefer Schrift Aber bie Trennung ber Gefchlechter.

Doch kaum habe ich dort die Lanze zur Bekämpfung bes einen Unfinnes aufgehoben, als ein anderer fchon in bie Schranfen tritt. Was fol unfren Mädchen die franzoͤſiſche Sprache? Sollen wir biefelben etwa für Franzofen erzie hen? Sollen wir diefelben durch franzöfifche Elaffifer bik den, und unfre Claffifer, unfre reinen hohen Geifter, vers aͤchtlich im Winkel Liegen laſſen? Sagen Sie mir, hochge⸗ ehrte, franzöftfch gebildete, deutfche Frau, wie viele deutſche ‚Elaffiter Ihrer, ja Ihrer Nation haben Sie benn gelefen? Haben Sie Boltair oder Schiller zu Ihrem Herzensgelieb⸗ ten fich erfohren? Ich und die Meinigen, wir lieben Schil⸗ lers Sungfrau, und wollen zeitlebens den Trauring , den fie in jungfräulicher Keufchheit uns mit Hoheit gereichet, tragen, und ihr feines: Bild im . treuen „Herzen wie ein Hei ligthum einfchließen !- :

Lefer, fraget nicht folche Chöringen, fraget den begei⸗ ſterten Arndt, der mol weiß, was einer Deutfchen Frau zw kommt, und der fein Pfychideon nicht aus dem Mermel ges ſchuͤttelt; fragt den großen Sean Paul, der wußte,

31

was einer deutſchen Kran gebühret; fraget den trefflichen Bes teranen Guts⸗Muths, dem auch ein Urtheil über Menſchen⸗ bildung zufommt und ihr werdet, wenn ihr folder Mäns ner Urtheil zu fchäten wiſſet, nicht weiter euern Töchtern: den albernen Modetand umhängen. Noch unfinniger tft das fchon fo oft als verächtlich dargeſtellte franzoͤſſſche Plappern unter Anleitung einer franzöfifchen Mamſel wieder aufzu⸗ führen. Eine ruhige Zurechtweifung hilft hier nichts; man kann wirklich, nachdem alle vernünftige Gründe. bereits ſo oft vergeblich erfchöpft worden find, nur mit Verachtung von der Sache reden.

Oder fprechet ihr Gegner noch etwa von Fafftfcher Bil dung? Wohl, hier im Plane ift viermal mehr euch zu Die fem Zwecke gegeben, ald genommen.

O, Shr Verftändigen des Volkes, die ihr euch Leicht eines Beſſern belehren Iaffet durch großer Männer Urtheil, fehet diefem Kampf nicht fo Ian, nicht fo gleichgültig zu, kommet, helfet uns, und laſſet uns der Sucht zur Nachäffung. nicht Yänger erliegen ; ftehet uns bei als folche, die da füs chen das wahre Beſte des Landes, in dem wir geboren!

Was das junge Frauenzimmer in den beiden folgenden Sahren noch lernen fol, ich will ed kurz zufammenfaflen; es find: Religion, Gefchichte, Elafftferlefen, Muſik, Geſang und Handarbeit. Als aufblühende Sungfran mag fie dann weiter in der Küche dienen und den Haushalt regieren ler⸗ nen, zu welchem erfteren fie fchon als Mädchen in den Mußes ſtunden angeleitet- werben kann.

Wir haben dann nicht nöthig unſre Mädchen. in koſt⸗ fpielige Penfionen zu ſchicken, und wenn fle dann doch fremde Luft einathmen follen, fo mögen fie dafür etwa ein Jahr zu einem braven verftändigen Freunde, deflen Gattin ein finniges Weib und eine tüchtige Haushäfterin iſt, ‚ober

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fonft zu einem Prediger auf dem Lande gefchicht werben. Hier mögen. fie. freilich wol nicht ben fäbtifchen Firlefanz und eine hochgelahrte Miene annehmen; aber fie kommen dafür mit befto reinerm Sinn und mit hold verſchaͤmten jungfräulichen Wangen zurüd, und ihr zarter Sinn Dringt in Das Herz des Juͤnglings ohne Wiſſen und Willen.

Was nun hier die beiden Schuljahre noch angeht, fo muß auf jeden Fall ein Mann von fräftigem und. zartem Sinn, der fi auf ben Charakter des Weibes verfteht, und dem⸗ felben mit Ernft, Liebe und Würde den Weg zeichnen Fann, jeden wiffenfchaftähnlichen Unterricht ertheilen.

Sch gehe nun zu dem Einzelnen über.

) Geſchichte.

Taͤglich 1 Stunde.

Auf diefelbe Art, wie bei den Knaben wird die Ge fchichte von Beer abfolvirt. Dann mag der Lehrer ver ganzen Curſus von vorne an wiederholen.

2) Elaffiterlefen

Taͤglich 1 Stunde.

Faſt alle Schriften von Schiller, fo wie der größte Theil der Odyſſee ıc. eignen fich dazu, da befonders erftere nicht bloß die Phantafie, fondern auch das Denkvermoͤgen in Anfpruch nehmen und eine durchaus edle Sinnesart ers zeugen. Unter den. vielen andern nehme man beſonders ſolche Schriften nicht, welche bloß die Phantafie aufregen.

Solche Schriften find für das weibliche Gefchlecht verderb⸗ lich; denn ein begeiftertes Weib ift etwas Unheimliches und Unnatürliches. In dem edlen Charafter eined Weibes liegt Zartheit, Frohfinn, Unbefangenheit, Sinnigfeit, Treue, Liebe; Begeifterung aber gebührt dem Manne; und befibt dad Weib dieſe Eigenfchaft, fo serfcheint es als Baftart efelhaft.

Doch hierüber empfehle ich das in vieler Ruͤckſicht fo vortrefflihe Werk „Pſychidion“ von Arndt.

3) Religiöfe Betrachtungen.

Woͤchentlich 2 Stunden.

Hierzu lege der Lehrer entweder einen Vibelvers, eine Geſchichte der Bibel oder fonft einen biblifchen Abfchnitt zum Grunde, oder er Iefe eine vortreffliche Predigt oder eine anbere religiöfe Betrachtung vor. Das Verfahren bei dem⸗ felben ift hinlänglich erörtert worden.

Uebrigens wäre es zweckmaͤßig, wenn dieſe Betrachtuns gen auch mit den Schuͤlern der oberſten oder der Fachklaſſen angeſtellt wuͤrden.

4) Clavierſpielen und Geſang.

Taͤglich 1 Stunde. | | Zählten die obern vier gemifchten Claſſen, nämlich: die.

2te bis 5te, jede 30 Schüler, die im Gefang, bie. beiden

oberften Elaffen für junge Frauenzimmer zufammen nur 32, die im Elavierfpielen und im Gefang Unterricht erhielten: fo müßte man für den Unterricht im Elavierfpielen 8, und für den im

344

Geſange nur einen halben Silbergrofchen die Stunde zahlen, um dem Muſiklehrer, bei woͤchentlich 32 Stunden, ein Ges halt von 576 Thlr. zu ertheilen.

Wäre nun eine gute Drganiftenftelle mit diefem Unter richte verbunden, fo wuͤrde audy eine geringere Stunden sahl hinreichen , einen recht tüchtigen Muſiker zu beſol⸗ ben. Jedes junge Franenzimmer. erhielte dann täglich anf folgende Art eine Biertelftunde Unterricht in der Mufit, und zwar während ber Handarbeit, wofür es denn wöchentlich nur 10 Silbergrofchen bezahlte. Wäre aber in den oberften Claffen nicht fo viele junge Frauenzimmer, die im Clavierſpielen unterrichtet wuͤrden, fo möchten ſich in einer fo großen Anftalt Mädchen genug aus den untes ren Slaffen finden. Für den erften Unterricht in der Denfit fchlage ich die vortreffliche Wiener Elavierfhule von Ezerni vor. |

Der Lehrer theile feine Schülerinnen in Claffen und wähle nach Beduͤrfniß wöchentlich einige Stunden aus, in welchen er ihnen Eaffenweife das Nöthige, das der Uebung vorhergehen muß, auseinander fest. Zur Einuͤbung bes Er⸗ fannten ftehen nun in einem Nebenfaale der Handarbeits⸗ fehule zwei gute Glaviforbe und an jedem unterrichtet ein junges im Glavierfpielen nicht ungefchieftes Frauenzimmer, und zwar bergeftalt unter Anleitung des Mu fifers, Daß dieſer bald bei der einen, bald bei der andern Schülerin wäre, um auf Anftand und Richtigkeit Des Vortrages ıc. zu merken und um zu prüfen, ob die Schälerin fich auch zu Haufe geübt hätte. Wäre die Zahl der Elavierfpielenden größer, und follten fich drei oder mehr Glaviforde in neben einander lies genden Zimmern nicht ftören: fo ließen ſich Durch Drei oder mehr Frauenzimmer . auch 48 und mehr Schülerinnen in 4 Stunden täglidy unterrichten. Für dieſe lehrende

315 Zeuenzteimier iſt bereits fur bie Stunde 4 Silbergtoſchen abgerechnet, die alfo nicht ‚von bem Gehalte des Lehrers abgingen.

Iſt demnach eine Anſtalt ſo bedeutend, als bie hier bes abfichtigte, die gewiß an fehr vielen Drten ind Dafeyn tres ten Könnte: fo kann auch der Unterricht im Gefang für eis nen geringen, aber für immer feſtgeſetzten Beitrag. der El⸗ tern ertheilt werben.

Was nun den Sefangunterricht ber jungen Frauenzim⸗ mer betrifft, ſo koͤnnten dieſe eine große Zahl bloß fuͤr Frauenſtimmen geſetzter herrlichen Sachen ſingen und neben⸗ bei aus den ſchoͤnſten Oratorien ꝛc. ihre Stimme für einen künftigen Singverein einſtudiren.

Auf diefe Art wärbe man: am beften der Rauheit gegen Mufit begegnen, und einen der ebelften Genuͤſſe der gefell- fchaftlichen Verbindung befördern. Am’ heiligen Vorabend chriftlicher Fefte oder an Baterlandsfeften koͤnnten alle im Singen geförderten Schüler, unter Aufficht und Anordnung fämmtlicher Lehrer zur Aufführung eines Fleinen Oratoriums zufammentreten und dadurch bie Feier des Feſtes in n ſi ch erhöhen,

5) Handarbeit, Woͤchentlich in dieſen Clafſſen 12. Stunden; die Maͤdchen der öten bis zur 2ten Claſſe ba: benaber wödentlih nur 8 Stunden.

In einem einzigen Saale koͤnnen immerhin eine bedeu⸗ tende Anzahl Mädchen von zwei geichicften, rührigen Frauen⸗ zimmern zwedmäßig unterrichtet werden. Wir wollen ſaͤmmt⸗

346

fihe Mädchen in 5 Claſſen abtheilen und von jeder Glafle das Nöthige fagen. I

Ste Elaffe

Die Schülerinnen diefer Elaffe, fo wie alfe übrigen ſitzen auf bequemen Bänfen, an denen ſaͤmmtliche Kanten forgfältig abgerundet find. Diefe Elaffe erhält Unterricht im Stricken. Die Lehrerin fieht auf Beobachtung der Stridregeln, auf Haltung des Kindes in jedem Theile des Körpers, auf die größte Ruhe und Aemfigkeit. Das eigentliche Kunftftriden gehört für biefe Claſſe noch nicht. Das Kind wird fchnelle Fortfchritte machen, da es fchon eilf Sahr alt ift, und demnach die gegebenen Regeln fchnell begreifen und ausüben lernt.

ZZ

htee&laffe

| Diefe Claſſe begreift diejenigen Schülerinnen, welde

nähen lernen. Dieſe fäumen Tücher, nähen Hemde und Kleider für dad Haus, und bie erwachfenen Gefchwifter oder andere Mädchen der oberften Glaffen müffen unter Ans leitung der Lehrerin diefe Gegenftände anmeſſen und ſchnei⸗ den. Auch hier wie allenthalben achtet die Lehrerin auf Beobachtung fammtlicher Regeln, auf Präcifion in der Aus führung (nihts Schlechtes wird geduldet, ed muß fchlechterdings wieder aufgetrennt werden) achtet auf Ans ftand in Haltung des Körpers und auf Ruhe und Aemfigkeit.

3117 3te E laffe

Diefe Claffe lernt fliden und zwar die verfchiedenen Arten diefer Kunft an kleinern Gegenftänden, ale Serviettens. bändern, Häubchen, Halstüchern, Brieftafchen ıc.

2te Elaffe

Diefer Claſſe wird ein vollftändiger Unterricht im Kleis bermachen ertheilt. Die Schülerinnen müffen die Kleider ıc. für ihre jüngeren Gefchwifter fchneiden und zum Theil audh- ſelbſt nähen; fie follen in dieſer Rücficht fchon für den Haushalt forgen lernen.

I ——

Afe Elaffe

Die Schülerinnen dieſer Elaffe erlernen alle befannte Kunftarbeiten, als: Blumenmachen aus Chenille, Seide und Papier, Fruchtnachahmung, erhabene Chenillenfticlerei, Kunſt⸗ ftricferei, Häfeln, Sticken großer Sachen ıc. Dabei nehmen fie aber Theil an dem .Zufchneiden der Kleider eben fo wie die 2te Elaffe, nur mit dem Unterfchiede, daß fie nicht felbft mehr nähen. Ueber ben Unterricht in weiblichen Handars beiten mögen noch folgende Bemerfungen Platz finden.

a) Die fünfte Woche ift jedesmal eine fogenannte Stopf⸗ woche, Jedes Kind, das nähen Fann, hat einen fogenannten: Zeichen: und Stopfftahlen, welche beide mit weniger ober mehr Fünftlichen Zeichen und Stopfen bereichert werden. -

b) Die Lehrerinnen fiben nicht während der Handar⸗ beit, fondern gehen beftändig durch die Reihen, um nachzu⸗

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feben, ob fammtliche Regeln gut beobachtet werben, um Feh⸗ ler zu verhüten, und um vollfommene Stille zu erhalten. Freilich wird die Lehrerin, welche mit dem Zufchneiden ber Kleider ıc. befchäftige iſt, für die Zeit der andern Lehrerin die Aufficht über das Ganze mehr oder weniger überlaffen muͤſſen.

c) Haben die Lehrerinnen nicht noͤthig, in irgend einer Stunde viel zu erläutern, fo Iefen die Mädchen abwechfelnd etwas vor. Dazu könnte man Campes Reifebefchreibungen, Ziegenbeind Lefebuch für Töchterfehulen, den größten Theil des Wandsbecker Boten, Hebeld Schagkäftlein und bergleis chen gewöhnliche Schriften wählen. Auch Tann zu Zeiten ein fchönes Liedchen, Das zur Arbeit ermuntert unb ben Frohſinn hebt, gefungen werben.

Nach dem BVorhergehenden wird nun die Anordnung eines feftflehenden Lehrplanes für fammtliche Claſſen nicht fhwierig fein. Soll aber der Eurfus einer Claffe zweijähs rig fein, fo wird in dem Falle an ben Gegenftänden etwas geändert werden müffen, wenn unter den Lehrern das Fady ſyſtem eingeführt worden ift.

Wollte man die jegt nur gar zu beliebte Einrichtung treffen, in befondern Zeiten einige Gegenftände vorzugsweiſe in vielen Stunden zu behandeln: fo erfodert eine ordentliche Einrichtung, daß diefes nicht eher angefangen werde, bie _ die vollitändigen Lektionsplane für den ganzen Eyflus der Schule angeordnet find, die denn nachweifen müffen, ob man im Allgemeinen feinen Gegenftand vernachläßigt, Dies felben alle in Rüdficht auf die Bildungsftufe der Schüler angeordnet und eine gewiffe Harmonie beobachtet habe. In der Regel werben bei diefer Einrichtung die Lieblinge gegenftände auf Koften ber übrigen Fächer betrieben.

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Diebeiden Fachklaſſen derniederen Volksſchule.

Dieſe beiden Claſſen ſtehen ber 6ten und Sten Claſſe der verbundenen Anſtalt in vieler Ruͤckſi cht gleich, find aber auch von denfelben verfchieden.

Um hier nicht weitläuftig zu werben, will ich zur Ans gabe ber einzelnen Gegenftände ſchreiten und mit ber untern Fachklaſſe beginnen.

Untere Sahflaffe.

9) Leſen.

Woͤchentlich 4 Stunden.

Es werden hier, wie in der éten Claſſe Krummachers Parabeln gelefen. Kann diefes Buch in der höhern Buͤr⸗ gerfchule nach gleicher Vorbildung gebraucht werben, fo wüßte ich nicht, warum baffelbe nicht auch in dieſer Elaffe gebraucht werden ſollte. Glaubt man etwa durch diefes Buch das menfchliche, das moralifche Gefühl der untern Volksklaſſe zu fehr zu verfeinern? Das könnte man glauben, und doch Bildung zur Humanität als noͤthig erachten?

2) Schreiben

Wöchentlich 3 Stunden. Wird wie in der éten Claſſe betrieben.

350 3) Liedlernen und Begriffsentwidelungen.

Woͤchentlich 3 Stunden.

Wie in der 6ten Claſſe; nur müffen die Lieder von den Schülern in Profa ſchriftlich uͤberſetzt und von dem Lehrer verbeſſert werden.

4) Sprachuͤbung.

Woͤchentlich 5 Stunden.

A Stunden Grammatif wie in ber 6ten Claffe, und 1 Stunde wende der Lehrer zum Diftiren fchöner Briefe an, wobei er zugleih an fämmtliche vorthographifche Regeln erinnert.

5) Kopfrechnen.

Woͤchentlich 3 Stunden. Die Uebungen nach Tillich werden fortgefebt.

6) TZafelredhnen.

Woͤchentlich 6 Stunden. Wie in der 6ten Claffe. a

351 7) Geſang.

Wöchentlich 2 Stunden. Wie in der 6ten Elaffe. | pP | 83) Religion

Woͤchentlich A Stunden.

Der Religionsunterricht wird wöchentlich in 2 Stunden nach einem Gatechismus ertheilt, der in der Gemeinde eins geführt worden ift, und kann wie angegeben behandelt werden.

In den beiden andern Religiongftunden wird die biblifche Gefchichte wiederhoft, aber dabei zugleich Die Bibel benukt. Man bemerfe hier, was über das Bibellefen in der Sten Elaffe gefagt worden ift.

I Obere Fachklaſſe. 1) Leſen.

Woͤchentlich 4 Stunden.

Fuͤr (niedere) Buͤrgerſchulen moͤchte ich hierzu Wage⸗ nitz Moral in Beiſpielen ſehr gut finden. Die fuͤr Kin⸗ der anſtoͤßigen Stuͤcke koͤnnten ausgelaſſen oder umgeaͤndert werden. Dieſes Buch leſe der Lehrer nun wie die Krum⸗ macherſchen Parabeln mit den Schülern ein. Sn Land—⸗ ſchulen, wo der fittlichen Bildung weniger entgegentritt, möchte eine Schrift wie das Noth- und Huͤlfsbuͤchlein von

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Beer zu lefen fein. Es wäre zu wänfchen, daß dieſe vor treffliche Schrift gehörig durchgefehen, mit Gubisifchen Holzs ſchnitten reichlich geihmädt und. mit folchen Regeln der Landwirthichaft ausführlich ausgeflattet würden, die von wahrhaft praftifchen Sandwirthen in durchaus beſtimmt ans gegebenen Fällen als unftreitbar vorzüglich erfannt, und auch für den Bauern als ausführbar angefehen werben. Da nun nicht Segliche8 diefer Regeln für jede Provinz fich eignet, fo müßte das Beſondere mit Angabe der Provinzen verfehen werden, bamit ber Lehrer das Unnoͤthige übers fehlagen und nur das wahrhaft Erfprießliche mit den Schuͤ⸗ lern durcharbeiten koͤnnte. Auf die Gediegenheit eines fols chen Buches kommt es hanptfächlich an, ob der Bauer ein folches Buch mit Vertrauen ober mit Verachtung behandeln wird. Bisher hat der Bauer zu folchen Büchern fein Vers trauen verloren, da man ihm in benfelben oft Dinge ange rathen hat, deren Befolgung ihn zu Grunde gerichtet haben würde, Man Eanın wirklich mit der Auswahl folder Vor⸗ fchläge nicht zu vorfichtig, und mit der Darftellung derfelben nicht zu deutlich fein.

) Shreiben

Woͤchentlich 2 Stunden. Wie in der 5ten Claſſe; nur wird während des Schreis bend aus dem Lefebuche diefer Elaffe gelefen.

3) Deutſche Sprach e.

Woͤchentlich 4 Stunden. Der Curſus wird abſolvirt und dann wird Unterricht im Briefſtil ertheilt.

353 MD Kopfrechnen.

Woͤchentlich 2 Stunden. Tillich wird wo möglid, abfolvirt. ——

5) Tafelrechnen.

Woͤchentlich 6 Stunden. Wie in der 5ten Claſſe.

Deere nn nn .—

6) Gefang.

Woͤchentlich 2 Stunden. Wie in der Sten Glaffe.

I ———

7) Religionsunterricht.

Woͤchentlich 4 Stunden. Wie in der vorigen Claſſe.

u

3) Naturbefhreibung.

Woͤchentlich 3 Stunden. In der (niederen) Bürgerfchule wie in der ten Glaffe. In der Landſchule muß aber auf die beſte Wartung, Pflege

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und Benugung der Hausthiere und ber nüglichiten Pflanzen befondere Nücficht genommen werden. Hierzu bebürften wir eines Buches, das ſich dem Noth- und Huͤlfsbuͤchtein anfchlöffe, und das doch die Kinder nicht ſo ganz unbekannt mit auslaͤndiſchen Gegenſtaͤnden der Naturbeſchreibung ließe. Ich verweiſe hier nochmals auf Sanders Naturgeſchichte; jedoch beduͤrfte dieſe Schrift fuͤr erſtern Zweck viele Zuſaͤtze, und fuͤr den letztern moͤchte ſie noch zu viel geben.

99 Geographie.

Woͤchentlich 4 Stunden.

Eine dieſer woͤchentlichen Stunden wende der Lehrer auf Deutſchland, und beſonders auf den preußiſchen Staat. In den andern 3 Stunden gebe er einen Ueberblick uͤber die Laͤnder der ganzen Erde, uͤber die vorzuͤglichſten Fluͤſſe, Ge⸗ birge, Staͤdte, Produkte, Menſchenarten ꝛc. und handle in denſelben auch das Nothwendige aus der mathematiſchen, und dem noch uͤbrigen Theile der phyſiſchen Geographie ab.

Auch fuͤr dieſen Curſus beduͤrften wir eines Lehrbuches fuͤr den Schuͤler und eines Anleites fuͤr den Lehrer, in wel⸗ chem Letzterer alles dasjenige finden müßte, was er in Ruͤck⸗ ſicht auf den ganzen geographiſchen Unterricht in jedem Monat zu lehren und durchaus feſt einzuuͤben haͤtte.

Eine hierzu geeignete Charte von etwa 10 Fuß Laͤnge nach Merkators Projektion, müßte, Deutſchland ausgeſchloſ⸗ ſen, nur dasjenige enthalten, was beſagtes Lehrbuch vor⸗ ſchriebe. Um deſto ſorgfaͤltiger koͤnnten dann auch die Ge⸗ birge dargeſtellt werden.

Schließlich muß ich hier noch einen Gegenſtand erwaͤh⸗ nen, der alle Beruͤckſichtigung verdient.

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Diie Franzoſen haben in den letztern Jahren die jungen Handiverfer durch Dupins und andere menfchenfreundliche Mathematiker in der Geometrie, Mechanik ıc. unterrichten laffen, und diefer Unterricht wird noch an vielen Orten mit rühmlichem Fleiße und großem Erfolge fortgefegt. Möchte ed nicht für Deutfchland, wie im Allgemeinen rathfamer fein, wenn der Lehrer niederer Volksſchulen folche Knaben, welche Handwerker werden wollen, in demjenigen unterrichs tete, was Dupins von einem Handwerfer in dieſer Hinficht fodert? Wenn der Lehrer für folche Schüler Zeit auszuges winnen fuchte, oder eine Abendfchule einrichtete, fo koͤnnte fi) der Knabe in diefer Zeit gewiß das Nöthige aneignen, und dieſe Einrichtung würde außerordentlich viel zur Hebung des Handwerkitandes beitragen.

——— Bemerfungen

über die unter A, Bund C vorläufig aufge ftellten Ueberfichten. |

1) A gibt eine Lieberficht für alle 10 Claffen nebft deu Fach⸗ oder Geitenflaffen der höheren und niederen. Volks⸗ fchule.

DD Wil man in der Tten und bten Claſſe zwei Stunden taͤglich fuͤr weibliche Handarbeit ausgewin⸗ nen: ſo muß man die Schulzeit des Morgens ent⸗ weder von 8 12,-Uhr, ‚oder, wenn dieſes wegen der Gas techifation nicht geht, zuweilen vpn 7 11 Uhr ertheilen. Men kann dann die Racdmigtagöftunden entweder auf bie Stunden von 1. 3, oder van 3. 5.lihr legen, wodurch den: Maͤbchen die nicht gewählten Stunden für 5 vandarbeit frei bleiben. ge

3* |

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5) Will man in den drei untern Elaſſen der höheren Volksſchule täglih A Stunden des Morgens unterrichten, fo muß die GEte Stunde auf die Ate Stunde des Morgend fallen. Sn dieſem Falle können die Mädchen fat gamlich des Nachmittags wegbleiben.

4) Der Unterricht im Clavierſpielen nimmt jebem Maͤb⸗ chen täglich von ber Handarbeit nur eine Viertelſtunde weg; ber Unterricht im Gefang wöchentlidh aber 2 3 Stunden. Ertheilt man aber des Morgens 4 Stunden Unterridht, Das füglich gefchehen kann, da die Mädchen dieſer Claſſe fonfirmirt fein werben: fo kann ber Unterricht im Zeichnen und im Geſang in der Stunde von 11 12 Uhr ertheilt werden.

5) Hat eine Schule 7 Caſſen, fo kann fle dieſen Plan ganz ausführen. Die untere Elaffe wird in diefem Falle doppelt befeßt, und die Schüler bleiben dann 2 Jahre lang in jeder Claſſe. Die untere Claſſe iſt dann die Vorfchule, und in jeder der übrigen Elaffen wechſeln dann, wie ers wähnt, die Eurfe, Damit der Schuler regelmäßig weiter fehreiten kann.

6) Soll der Schüler drei Sahre lang in jeder Elafle bleiben, fo koͤnnen 3 Elaffen und 2 Vorſchulen, alſo 5 Claſ⸗ fen ausreichen, und an Bielen ganz daffelbe Teiften. Indeſ⸗ fen tritt hier die Möglichkeit ein, daß ein Außerft ſchwacher Schäler, den man nicht durch befondere Hälfe und auch nicht durch den grünblichiten Gang mitziehee kann, brei Jahre laͤnger in einer &laffe fiten bieiben muß. Um ein Jahr kann der Schuaͤler ſtch mtr Bart‘ werfpäten, wenn jee Etafie mir für ein Jahr alıöreicht. "- LEE Br re

I Da, wo das Fachfyſtem beibehalten wird Können nicctuͤrlich vie gleichen Gegenſtaͤnde nicht auf gleiche Stun⸗ den fallen; und man muß ne in bleſen Gate von Rehrern richten. Be 3 PIEE PETE

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. 8) Für die Zeit des Winters, wann ea. um 4 Uhr noch nicht belle iſt, und auch die Stunbe von 11. bis 12 Uhr nicht gegeben werben kann, koͤnnte die Tte Unterrichteftunde, ale bie von 7 B des Morgens, fo Iange, wegfallen.

9) Die niedere Volksſchule kann hier alles Aufgeſtellte in 4 Claſſen erreichen, wenn nämlich. die Schüler in jeder Elafie.2 Jahre fiten bleiben, und die unterfte Claſſe zwei Abtheilungen macht.

10) Um den Mangel an Lehrern, und Claſſen in Etwa gu erſetzen, kaunn man, im Fall die Claſſen nicht zahlreich find, bei dem Unterrichte in der Gefchichte, ber Geographie, ben übrigen Naturwiffenfchaften, im Nechnen, Schreiben ꝛc. mehrere Claſſen mit einander verbinden.

11) Wenn die Claſſen bleiben, ſo kann in den beiden Fachclaſſen fuͤr Knaben Ein Lehrer den Unterricht in der engl. und franz. Sprache, Ein Lehrer den Unterricht in der Mathematik mit Ausſchluß in der Chemie uͤbernehmen; wenn aber die Claſſe zweijaͤhrig wird: ſo muß ein Lehrer mehrere Gegenſtaͤnde übernehmen. Ich habe hier die Gegeuſtaͤnde abfichtlich nicht Durcheinander geworfen, bamit ‚die lokale Anordnung dann um fo Leichter gemacht werden kann.

12) Zur Noth laͤßt fi) das Banze, wie in 6 gefagt, durch A Claſſen ausführen, aber nicht ganz an allen Schüs lern erreichen. Die Schuͤler bleiben dann drei Sahre in ein nad berfelben Claſſe. Sobald ſich dann piele Schüler fir den, die zuräd bleiben: fo muß der Lehrer hauptſaͤchlich bie Schwäcern: voranarbeiten und bie Gefoͤrderteren in dieſer Zeit befchäftigen, ‚ober er muß zwei Abtkeiluugen machen, durch welches Teßtere aber das Ganze mehr, vder weniger zerſtoͤrt würbe; im erftern Falle kaͤme die Schule erft fp&- ter zum Ziele, oder Eönnte daffelbe nicht ganz erreichen. Auf jeden Fall leiden durch dergleichen Zuſammetzithungen

von Claſſen einzelne Schuͤler. D——

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13) B ſtellt ben Lektionsplan einer nieberen Volksſchule dar, an welcher nur Ein Lehrer unterrichtet; C aber gibt den Lektionsplan für zwei Lehrer.

14) Sollte die Ate Stunde ded Mittwochs und Sonw abends, wie allgemein, ausfallen: fo kann flatt der Gegens ftände der 6ten Stunde von Dienftag und Freitag, Religion gejegt werden, und dann kann man diefe Stunden mit ber 1ften Stunde diefer Tage vertaufchen.

15) Die geförbertften Schüler im Rechnen, die fich fchon ſelbſt helfen innen, unterrichten ald Monitore abwechfelnd die Kleinern im Lefen. Dieſes kann und muß flille zugehen.

16) Manche Rechenftunden in B find nur Uebunges | ſtunden.

17) Die ſchoͤn abgeſchriebenen Briefe muͤſſen auswen⸗ dig gelernt, und auch ſpaͤterhin aus dem Kopfe niedergeſchrie⸗ ben werden.

18) Kr. Parabeln, die bibliſche Geſchichte, Naturbe⸗ beſchreibung ıc. muͤſſen ebenfalls auf der Schiefertafel in ber Schule oder zu Haufe aufgefchrieben werben. '

19) Zur Naturbefchreibung wird noch das Wichtigſte aus der Naturlehre zugezogen.

20) Der Eatechismus wird mit den Fleinern Schülern, wie die Gedichte auswendig gelernt.

21) Da, wo drei Lehrer an der niederen Volksſchule unterrichten, muß der Unterricht in ber Geometrie, Mech nif ıc. noch wegfallen. Die Aufftellung des Leftionsplanes kann hier Feine Schwierigkeit machen. Wird meine Anſicht gebilligt, fo werde ich diefe Leftionsplane mit mehr Sorg—⸗ falt ausarbeiten. . , en

pr.

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pr.

3te Claſſe.

Leſen. Deutſche Spr. Rechnen.

Franz.u.lat. Spr. Franz.u. lat.Spr.

Schreiben.

Leſen. Deutfde Spr. Rechna.

Franz.ı.lat.Spr.

Sefchigte. Schreien.

Religim.

jeo.

Naturlhre. Geogrohie. Gefang. _

bag hr |

WaIpe 6 gnuspowoel |

wl33 £ |

Fachklaſſen

für Knaben.

2te Claſſe.

Engl.Spr. Zeichn. Engl.Spr. Zeichn.

Mechanik. Franz. Spr. Franz. Spr. Geometrie. Buchhalt. Algeb.

Engl.Spr. Zeichn.

Mechanik. Geometrie. Franz. Spr. Geſchichte. Mechanik. Buchhalt. Algeb.

Religion.

Engl.Spr. Zeichn.

Geographie.

Chemie?

ud uoquaaꝙo aa alplınag naulpay;

1te Elaffe.

Engl.Spr. Genom. Engl.Spr. Algeb. Mechanik.

Franz. Sprache. Fr. Spr. Zeichn. Trigonom. Buchhalten.

Engl.Spr. Geom. Mechanik. Trigonom. Franz. Spr. Gefchichte.

Fr. Spr. Zeichn. Buchhalten.

Religion. Engl. Spr. Geom. Geographie.

Chemie.

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1te Abtheil.

rachunterricht. 2 hnen. igion. een, fißjireiben, 1. Tag. n als Privarft.

ſatz. ht als Privarft.

liſche Geſchicht. men.

n.

ang.

achunterricht. Inen.

| he Geſchicht.

iben.

ß. als Privatit.

chunterricht. en. i.

rivatſt.

359 Nachwort,

dem jungen ſtrebenden Lehrer.

Hier, theurer Juͤngling! der du bis hierher mir treu⸗ lid, denfend und fühlend gefolgt bift, hier hätteft du um .

meinen erften Verſuch zur Darftellung des Ideals, das ich

in treuer Bruft trage. MWerfe ich einen präfenden Blick auf

biefelbe, fo finde ich fie noch weit hinter dem zuräd, was

ich fühle. Sch fühle etwas Großes, und kann es noch nicht

wiedergeben; ich fühle etwas Heiliges, und kann es nicht enträthfeln; ich fühle allenthalben etwas Gewifles, Beſtimm⸗ tes, und doch fehlen mir noch gar zu oft die Gründe, welche. mit einemmale fo ganz Überzeugen.

Fühle, denke, forfche felbft weiter, und Tomme ber Ars u

muth meiner Darftellung mit deiner ganzen Seele und mit deiner That zu Hülfe. Haft du indeffen bis jetzt fchon alles Gegebene überdacht? Alles rein zu fühlen geſucht? allents halben weiter zu forfchen getrachtet Alles? Allenthals ben? Haft du ganz mit deinem Gemüthe und deinem Berftande in dieſem Buche gelebt? O, thue es! Wer fol denn fonft mich Elarer verficehen, wer mir reiner nach⸗ fühlen, ald Du? Ad, auf dich muß ich bauen; edler Süngs ling! Das Heer der Dünfelhaften, Gemeinen, Audges trocneten, Herz» und Kopflofen: ach diefe Brodmenfchen Tonnen mich zwar nicht nieberbräden, denn ihre Füße ruhen anf Schlamm; aber fie vermögen mid) zum weitern

Forſchen und Darftelen auch nicht zu ermuntern, mich nicht ’" "|

zu erheben. Das befeligendfte Gefchäft, das der Menſchen⸗ bildung, ruht nur auf ihren felbftifchen Zwecken, jeder Forts fohritt unfrer Kunft ift ihnen unbequkm, und darum verhaßt. Kur der edelftrebende Lehrer forfcht in Wahrheit, prüft das

Pan, 1

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Dargebotene vorurtheildfrei, und laͤßt das als gut Erkanute gleich nach allen Kräften in That übergehen. Alſo Du, mein Erkorner! Von den ältern edlen und benfenden Pädagogen erwarte ich Zurechtweifung und Hülfez von bir aber Anregung zur That; von deinen Zweifeln Aufs foderung zum vollfommnern Darftelen; von deiner Liebe, yon deinem reinen Feuer eine edle, reine Wärme meiner Sprache; von deiner Ahnung vielleicht tiefere Ahnung, vielleicht Enträthjelung des noch dunkeln.

Liebe meinen Human mit deiner ganzen Seele, benn wahrhaftige Liebe hat ihn geboren; fage mir offen, wo du fühlft, daß ihm noch Liebenswürbigfeit und Schärfe mans gelt, und mit Freude und Dank will ich meine Zeichnung auch vor dem Seelenfpiegel der ebelften Sünglinge vollens den. Strebe dann diefem Bilde mit deinem ganzen We- fen nad, und hilf treulich weiter verbreiten das Neid der Humanität! Du haft dann bie ebelften, denkendſten Menfchen der Vor⸗ und der Mitwelt zu Brüdern und in der Nachwelt wird dann deine That zur Unfterblichkeit reifen. Nur m mäßigen edlen Befählen liegt der Keim des Todes; aber den Saamen der Linfterblichfeit fäet der Ewige in diejenige Furche, bie Herz und Kopf und Hand, diefe heiligen Drei, als Eins, mit wahrhafter Treue am wohlgepflegten Aderland ziehen.

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22*2* ur

Gedrudt bei Samuel Lucas in Elberfeld

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